Rede von
Erwin
Lange
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich bemühen, auch diesen äußerlich so umfänglichen Antrag so kurz wie möglich zu begründen, da ich mich, was das Grundsätzliche anlangt, im wesentlichen auf das stützen kann, was mein Fraktionskollege Kalbitzer schon ausgeführt hat.
Vorweg, bevor ich den Antrag begründe, möchte ich kurz einige Druckfehlerberichtigungen bekanntgeben: Bei der Ziffer 29 heißt es in der ersten Zeile „Testbenzin" statt „Festbenzin". — In Ziffer 31 heißt es statt „2710 dl" „2710 Dl", also D. — In Ziffer 32 heißt es in der ersten Zeile „Paraffinum liquidum", und zwar in zwei Worten.
Noch eine weitere Vorbemerkung. Wir hatten ja zu dem Antrag, den der Kollege Kalbitzer begründet hat, ganz konkret noch einige Fragen gestellt, die der Herr Staatssekretär beantworten wollte, deren Beantwortung er aber schuldig geblieben ist, wiewohl er gesagt hat „Ich komme gleich darauf", nämlich auf das, was er sich an Mehreinnahmen aus dem Zolltarif, so, wie er jetzt verabschiedet werden soll, verspricht. Vielleicht ist der Herr Staatssekretär so freundlich, uns doch einmal zu sagen, wieviel er sich an Mehreinnahmen verspricht.
Nun, meine Damen und Herren, zur Begründung dieses Antrags. Die Ziffer 1 unseres Antrages sieht die Wiederherstellung der ursprünglichen Regierungsvorlage vor. Wir sind der Meinung, daß es der deutschen Erzeugung, und zwar den Hühnerhaltern, bei zollfreier Futtermitteleinfuhr möglich sein muß, mit einem Zollschutz von 10 % statt der -im Ausschuß beschlossenen 15 % auszukommen. Unter Ziffer 2 — zu der Tarifnummer 0705 D, Linsen, durch deren Einfuhr keinerlei inländische Erzeugung bedroht wird —, beantragen wir, weil Linsen ein Massenkonsumgut sind, Zollfreiheit. Dasselbe gilt für Zitronen, Ziffer 3, Tarif Nr. 0802 D. Hier würde, wenn wir den autonomen Zollsatz oder den in Torquay ausgehandelten Zollsatz gelten
ließen, eine Mehrbelastung für die Verbraucher von ungefähr 1,5 bis 2 Millionen DM entstehen. Diese Mehrbelastung wäre ungerechtfertigt. Wir sind auch der Meinung, daß gerade bei Zitronen keinerlei Konkurrenz für inländisches Obst vorliegt und daher hier der Zollsatz von 16 % durch „Zollfreiheit" ersetzt werden sollte.
Die nächste Gruppe sind die ausländischen Gewürze, die heutzutage als Massenverbrauchsgüter anzusprechen sind, in dem neuen Zolltarif aber unter ausgesprochen fiskalischen Gesichtspunkten behandelt worden sind. Wir sind nicht der Meinung — das haben wir auch im Ausschuß zum Ausdruck gebracht —, daß solche Massenkonsumgüter unter fiskalischen Gesichtspunkten behandelt werden sollten, und beantragen entsprechend der Vorlage für die nicht gemahlenen Gewürze, d. h. also die ungebrochenen, rohen Gewürze Zollfreiheit und für die erste Verarbeitungsstufe einen Schutz von 10 %. Damit ist die Begründung für die Nummern 4 bis 23 gegeben. Herausgenommen aus dieser Gruppe ist lediglich die Position 0909, die praktisch inländische Heilkräuter und Gewürze betrifft; gegen deren Schutz haben wir nicht das mindeste einzuwenden.
Nr. 24 betrifft die Tarifnummer 1801, Kakaobohnen.
— Ich glaube, Sie wundern sich nicht darüber, daß
wir diese Sache auch im Plenum wieder aufgreifen.
Hier handelt es sich um einen Finanzzoll, der ein wesentliches Nahrungsmittel unnützerweise belastet, an dessen Belastung wir auch aus den eben genannten Gründen keinerlei Interesse haben. Das Aufkommen aus diesen 10 % bzw. mindestens 30 DM für 100 kg beträgt nach den Schätzungen des Bundesfinanzministers 16 Millionen. Wir haben keine Veranlassung, gerade die Kakaobohne — als Ausgangsstoff für Kindernahrungsmittel; ich denke auch an Schokolade usw. — derartig zu belasten. Wir sind also der Auffassung, daß die Worte „10 jedoch mindestens 30 DM für 100 kg" durch das Wort „frei" ersetzt werden sollen.
Die Nummern 25 bis 36 betreffen den Komplex Mineralöl und die daraus gewonnenen Produkte. Wir haben im Ausschuß sehr deutlich unsere Meinung zum Ausdruck gebracht und tun das auch hier. Wir denken nicht daran, für die weiterverarbeitende Industrie wesentliche Vorprodukte mit Finanzzöllen belasten zu lassen, da das eine Verteuerung der gesamten Produktion bis zum Enderzeugnis bedeuten würde. Wir sollten der deutschen Erdölindustrie und den weiterverarbeitenden Betrieben nur den Schutz geben, der sie in dem notwendigen Maße gegen die ausländische Überschwemmung schützt. Wir sind aber nicht bereit, etwas zu tun, was das Finanzministerium möchte: aus diesen Rohstoffen und Vorprodukten Finanzeinnahmen herauszuholen, die unsere gesamte Wirtschaft entsprechend belasten würden. Wir haben im Ausschuß, und zwar in den Sitzungen vom 4. und 5. Januar, eingehend auf diese Dinge hingewiesen. Wir haben das Finanzministerium gebeten, uns Klarheit darüber zu verschaffen, wie hoch der notwendige Schutz unter allen Umständen sein sollte. Der Ausschuß war auch, insgesamt gesehen, nicht unbedingt der Auffassung, daß hier ein Finanzzoll notwendig sei. Wir waren damals schon der Meinung, daß hierin eine Spanne enthalten ist, die das Finanzministerium uns gegenüber nicht
vertreten kann, bestenfalls nur mit dem Hinweis auf fiskalische Gesichtspunkte.
Wir hätten nun erwartet, da ja auf der anderen Seite der Bundesrat eine Erdölenquete veranstaltet hat, daß die Bundesregierung sich darum bemüht hätte, die Ergebnisse dieser Enquete schon im Zusammenhang mit dem neuen Zolltarif zu verwerten, um nämlich zu einer vollkommenen Bereinigung der Belastung auf dem Mineralölsektor zu kommen, d. h. einmal über den Zoll, zum anderen aber auch über die Steuern. Da aber diese Klarstellung durch die Bundesregierung nicht erfolgt ist, sehen wir uns außerstande, den im Ausschuß gefaßten Beschlüssen zuzustimmen, und bitten, den unter den Ziffern 25 bis 36 unseres Änderungsantrages vorgeschlagenen neuen Sätzen die Zustimmung zu geben. Damit darf ich das, was zum Mineralölzoll zu sagen ist, abschließen.
Die nächsten Nummern betreffen Seifen und Waschmittel, deren übermäßige Belastung wir aus hygienischen und aus volksgesundheitlichen Gründen ablehnen und für die wir darum die entsprechende Ermäßigung beantragt haben. Für Tarifnummer 3404 A 1, die ebenfalls unter diese Rubrik fällt, gilt dieselbe Begründung wie für die Mineralöle, da Mineralöl auch Ausgangsstoff für diese Position ist.
Nun zu einer anderen wesentlichen Position, insoweit wesentlich, als man uns im Ausschuß über ihren Charakter nicht ausreichend unterrichtet hat. Wir sind gegen Schluß der Beratungen zu dem Ergebnis gekommen, daß in der Position 5507, und zwar im wesentlichen unter B — andere Gewebe aus Baumwolle, gemustert usw. — Massenverbrauchsgüter enthalten sind wie beispielsweise die Gerstenkorngewebe. Denken wir nur an Handtücher und ähnliche Dinge, die in jedem Haushalt gebraucht werden. Wir haben gar keine Veranlassung, diese Gewebe höher zu belasten als die übrigen Massenverbrauchs- und -gebrauchsgüter, deren Zollsätze gerade im Textilsektor mit 20 % angesetzt sind. Aus diesem Grunde fordern wir für die Position 5507, auch für die A-Position, den einheitlichen Zollsatz von 20 % und damit die Beseitigung des 27er- und 24er-Zollsatzes.
Weiter, meine Damen und Herren, erscheint es uns wesentlich, in einigen Gewerbezweigen, deren Erzeugnisse entweder Massenverbrauchsgüter oder, wie ich hier wohl sagen muß, -gebrauchsgüter werden können oder es schon sind, als Grundsatz sehr deutlich zu machen, daß man keinerlei unnützer Preissteigerung Vorschub leisten sollte durch einen entsprechend hohen Zollschutz.
Das gilt auch für Schreibmaschinen und für alle Büromaschinen, die in den Nummern 41 bis 44 unseres Antrags erfaßt sind, ebenso auch für Teile und Zubehör, deren Sätze wir entsprechend ermäßigen wollen, um die Industrie auf diese Art und Weise zu veranlassen, ihre Kapazität rationell auszunutzen. Wenn sie etwa darüber zu klagen haben sollte, daß sie gegen ausländische Konkurrenz nicht aufkommen könnte, und wenn in diesem Zusammenhang Preisvergleiche angestellt werden, so stellen wir demgegenüber fest, daß unsere deutsche Industrie noch einiges tun könnte und tun muß, um im entscheidenden Fall überhaupt wettbewerbsfähig zu werden.
Die gleiche Begründung gilt für die Nummern 45 und 46 unseres Antrages, und zwar für Fahrräder, die wir zweifellos als eines der wesentlichsten Gebrauchsgüter für die breite Masse anzusprechen haben, als das Auto des kleinen Mannes. Auch hier
ist festzustellen, daß unsere Produktion gegenüber der ausländischen zu einem wesentlichen Teil rückständig ist, darüber hinaus aber sich bisher noch des erheblichen Schutzes einer hohen Zollmauer erfreut. Wenn hier nicht ernsthafte Maßnahmen ergriffen werden, so besteht natürlich, wie das auch schon in der vorhergehenden Steuerdebatte zum Ausdruck gebracht worden ist, für die Industrie keine Veranlassung, entsprechende Vorkehrungen zu treffen. — Soweit die Begründung unseres Antrages.
Nun, meine Damen und Herren, darf ich in diesem Zusammenhang vielleicht noch ganz kurz auch die Regierung auf einige Dinge aufmerksam machen, die in den Verhandlungen des Ausschusses zutage getreten sind. Im Ausschuß sind nicht nur die jetzt hier vorgebrachten Tarifänderungsanträge Gegenstand der Diskussion gewesen, sondern es ist auch weitgehend — auch das ist in der vorhergegangenen Steuerdebatte schon sehr deutlich geworden — klargemacht worden, daß wesentliche Belastungen bestehen als Folge der falschen Organisation des Verteilungsapparates. Vielleicht nimmt sich die Regierung auch das nur als einen Hinweis auf den Bericht, den der Ausschuß durch Herrn Kollegen Serres hat erstatten lassen — dieses Problems auch auf dieser Basis einmal an, um auch von der Seite zu einer entsprechenden Entlastung der Verbraucher beizutragen.
Ich bitte Sie also, meine Damen und Herren, diesem unserem Änderungsantrag Ihre Zustimmung zu geben, um damit auch nach außen zu dokumentieren, daß dieses Hohe Haus den Willen hat, unnütze Belastungen für die breite Masse unseres Volkes, die durch Berücksichtigung fiskalischer Gesichtspunkte entstehen können, unter allen Umständen zu vermeiden. Wenn der Finanzminister Geld braucht, dann soll er genügend Phantasie entwickeln, um andere Quellen zu erschließen als immer wieder nur solche, deren Erschließung auf eine ausgesprochene Massenbelastung hinausläuft, wie es auch hier durch die Hervorkehrung fiskalischer Gesichtspunkte zu einem wesentlichen Teil der Fall ist. Ich bitte daher das Hohe Haus nochmals, unserem Antrag zuzustimmen.