Rede von
Walter
Seuffert
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bund hat noch keine Notenbank. Die einstweilen als Notenbank fungierende Bank deutscher Länder unterstand bisher den Weisungen der alliierten Bankkommission, ein Zustand, der dem Besatzungsstatut nicht mehr entsprechen konnte. Das Gesetz will wenigstens den ersten Schritt — hoffentlich erfolgreichen Schritt — zur Beseitigung dieser Oberhoheit der alliierten Bankkommission tun. Das Weisungsrecht der alliierten Bankkommission ist in der letzten Zeit nicht mehr sehr stark in Erscheinung getreten, was nicht bedeutet, daß es in einigen Fällen, in denen es während seiner Wirksamkeit ausgeübt wurde, nicht recht störend gewesen wäre. Jedenfalls ist es erwünscht, dieses Weisungsrecht nunmehr beseitigt zu sehen.
An die Stelle des bisherigen Zustandes setzt nun allerdings das Übergangsgesetz eine Regelung, nach der nicht nur überhaupt kein Weisungsrecht seitens des Bundes oder seitens irgendeiner anderen Stelle gegenüber der Bank deutscher Länder
und ihrem Zentralbankrat vorgesehen ist, sondern auch überhaupt keine Einflußmöglichkeit auf die Führung dieser Bank. Denn wenn die Grundsätze, die in der neuen Fassung des Art. 2 des Militärregierungsgesetzes Nr. 50 jetzt vorgeschlagen werden, auch materiell eine gewisse Richtlinie darstellen mögen, so stellen sie doch einstweilen durchaus eine lex imperfecta oder einen frommen Wunsch dar. Nach unserer Ansicht kann es auf die Dauer nicht bei einem derartigen Verhältnis zwischen Bundesregierung und Notenbank bleiben. Wir glauben nicht, daß gegenüber einer Notenbank, deren Unabhängigkeit betont wird, wie das soeben vom Herrn Bundesfinanzminister geschehen ist, auf jede Einflußmöglichkeit seitens der Bundesregierung als der für die Wirtschaftspolitik vor allen Dingen dem Parlament und dem Volk verantwortlichen Stelle verzichtet werden kann. Es mag sein, daß, nachdem die Lösung dieser Probleme eine lange Weile aufgeschoben worden und dringender geworden ist und nachdem die Ausschaltung der alliierten Bankkommission als erster Effekt erwünscht ist, ein solcher Übergangszustand geschaffen werden muß.
Ein solcher Zustand, wie ihn dieses Gesetz schaffen wird, erfordert viel Loyalität. In der Vergangenheit hat die „Loyalität" allerdings oft darin bestanden, die tatsächlichen Differenzen, die durch die Auswirkung von Wirtschaftspolitik und Regierungspolitik einerseits und Maßnahmen der Bank deutscher Länder andererseits entstanden, mit aller Höflichkeit und mit mehr oder weniger Geschick zu verdecken und zu verkleistern.
Wir richten an die Bundesregierung jedenfalls die Aufforderung, diesem Übergangszustand schleunigst ein Ende zu machen und dem Parlament so schnell wie möglich Vorlagen zu unterbreiten, die eine klarere, eindeutige Lösung für das Verhältnis zwischen der Notenbank und der Regierung und — das ist damit notwendig verbunden — eine Klärung der ganzen Fragen des Zentralbankensystems und wahrscheinlich auch der Großbankenorganisation bringen. Nur unter dieser Voraussetzung werden wir nach der Prüfung in den Ausschüssen dem lockeren Zustand, der vorläufig eingeführt wird, unsere Zustimmung geben können.