Rede von
Dr.
Heinrich
von
Brentano
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Zu dem Antrag der Fraktion der SPD Drucksache Nr. 2264 habe ich namens der Fraktion der CDU/CSU folgende Erklärung abzugeben.
Die Frage neuer Organisationsformen in der Grundstoffindustrie ist ebenso wichtig und bedeutungsvoll wie die endgültige Regelung der Eigentumsfrage. Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung vom 20. September 1949 bereits darauf hingewiesen. Die Fraktion der CDU/CSU hat durch ihren Antrag vom 18. Oktober 1949 ebenso wie durch die Beschlußfassung über den Antrag der Fraktion der SPD vom 2. November 1950 in der 105. Sitzung des Bundestags die grundsätzliche Bedeutung dieser Frage unterstrichen und ihre Übereinstimmung mit der Regierungserklärung betont. Bis zur Schaffung neuer Organisationsformen und bis zur endgültigen Klärung der Eigentumsfrage ist die Entwicklung der Grundstoffindustrie behindert; es genügt, darauf hinzuweisen, daß sowohl die Durchführung der notwendigen Investitionen wie auch eine gesunde Kreditpolitik weitgehend von einer endgültigen Regelung abhängig sind. Ebenso behindert die mangelnde Klärung der Verantwortlichkeiten das sachgemäße Arbeiten. Aber auch ein gutes Funktionieren des Schumanplanes verlangt gebieterisch eine rasche und abschließende Regelung.
Der Antrag, der uns heute vorliegt, befaßt sich mit zwei Fragen: Die Ziffern 1 und 2 beschäftigen sich mit der Durchführung der organisatorischen Neuordnung im Zuge der durch das alliierte Gesetz Nr. 27 angeordneten Entflechtung. Ich möchte hier die Zuständigkeit der alliierten Behörden zum Erlaß und zur Durchführung des Gesetzes Nr. 27 nicht diskutieren. Bei allem völkerrechtlichen und staatsrechtlichen Vorbehalt scheint mir das Gesetz Nr. 27 ein politisches Faktum darzustellen, das wir als solches würdigen müssen. Darum aber können wir die Bundesregierung nur auffordern, in den Verhandlungen mit Nachdruck den Standpunkt zu vertreten, der im Interesse der gesamtdeutschen Wirtschaft und Politik liegt. Drum aber glauben wir auch, die Regierung nicht mit konkreten Richtlinien versehen zu dürfen. Ich habe Bedenken gegen die Eingangsworte des Antrags der sozialdemokratischen Fraktion, in dem die Regierung aufgefordert wird, Maßnahmen zu ergreifen. Es liegt nicht in der Zuständigkeit der deutschen Bundesregierung, „Maßnahmen zu ergreifen", da es sich um ein alliiertes Gesetz handelt. Ich habe ebenso Bedenken gegen die Formulierung der Ziffer 1 insoweit, als dort ausdrücklich „die Gründung von Einheitsgesellschaften" verlangt wird. Eine vorbehaltlose Zustimmung zu einer solchen Formulierung könnte dahin ausgelegt werden, daß der Bundestag damit das Gesetz Nr. 27 und die dazu erlassenen Durchführungsverordnungen anerkennt.
Ich habe ebenso Bedenken gegen die Worte „gemäß den Vorschlägen der Deutschen Kohlenbergbauleitung". Die wichtige und wertvolle Vorarbeit
der Deutschen Kohlenbergbauleitung soll damit in keiner Weise in Zweifel gezogen werden. Durch die Verweisung auf diese Vorschläge würde aber der Bundestag die Handlungsfreiheit der Bundesregierung beschränken. Ich glaube, daß es in der ausschließlichen Zuständigkeit der Bundesregierung verbleiben muß, das „Wie" der Entflechtung im Verhandlungswege zu klären.
Die Ziffern 3 und 4 des vorliegenden Antrages beschäftigen sich mit der Neuordnung der Eigentumsverhältnisse. Auch hier verweise ich auf die Regierungserklärung und auf den genannten Initiativantrag meiner Fraktion. Auch die Anträge, die die CDU-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag gestellt hat, und die Diskussionen, die über diese Anträge in diesem Landtag geführt wurden, sollten bei der Prüfung dieser Frage nicht unberücksichtigt bleiben. Jedoch steht das Problem dieser Neuordnung als solches heute nicht zur Debatte. Ich beschränke mich auf die Feststellung, daß meine Partei und meine Fraktion sich wiederholt für die Durchsetzung eines echten machtverteilenden Prinzips in der Grundstoffindustrie ausgesprochen haben.
Maßgeblich waren vor allem zwei Gründe. Einmal glauben wir — und auch hier befinde ich mich in Übereinstimmung mit der Regierungserklärung —, daß ein solches machtverteilendes Prinzip Voraussetzung und Bestandteil einer neuen und gerechten Sozialordnung sein sollte. Zum andern war es unsere Auffassung, daß Machtkonzentrationen verhindert werden sollen, die die potentielle Gefahr des Mißbrauchs in sich bergen.
Wir wollen damit auch unsern ernsten Willen bekunden, in der innerdeutschen Ordnung alle Garantien für die Erhaltung des Friedens zu schaffen.
Das Gesetz über die Mitbestimmung im Bereich der Kohle- und Stahlindustrie ist ein Ausfluß dieser Konzeption, und ich halte mich für berechtigt und verpflichtet, darauf hinzuweisen, daß dieses Gesetz auch bei der Behandlung des vorliegenden Antrages keineswegs übergangen werden darf. Doktrinäre Vorstellungen über die Umschichtung des Eigentums sind uns fremd.
Es kommt uns nicht entscheidend darauf an, das Eigentum zu verlagern; noch weniger wäre es mit unserer Vorstellung zu vereinbaren, Machtkonzentrationen auf der einen Seite abzubauen, um auf der andern Seite die Möglichkeit der Bildung neuer Machtzusammenballung zu schaffen.
Durch das neu geschaffene Mitbestimmungsgesetz für die Grundstoffindustrie haben wir bereits Funktionen, die an sich aus dem Eigentum fließen, verteilt und haben damit einen entscheidenden Schritt zur Neuordnung zurückgelegt.
Auch der Schumanplan ist in diesem Zusammenhang zu nennen. Es scheint mir unzweifelhaft, daß durch den Schumanplan die Vorstellungen und Bedenken weitgehend entkräftet werden, die seinerzeit zu der Forderung führten, im Interesse der Erhaltung einer friedlichen internationalen Zusammenarbeit die Eigentumsfunktionen zu beschränken. Innerhalb des Organismus des Schuman-
planes wird es keine nationalstaatliche Grundstoffindustrie mehr geben, deren Betätigung und Entwicklung einen Nachbarstaat bedrohen könnten.
Wir glauben, meine Damen und Herren, daß die endgültige Lösung der im Antrag behandelten Fragen zwar dringlich ist, aber doch nicht zuletzt mit Rücksicht auf ihre weittragenden Auswirkungen einer sorgfältigen Prüfung bedarf. Ich beantrage daher für meine Fraktion zunächst in Abänderung des Antrages der SPD für die Fassung der Ziffern 1 und 2 folgende Formulierung:
Die Bundesregierung wird ersucht, dahin zu wirken, daß
1. die organisatorische Neuordnung der Eisen-und Stahlindustrie beschleunigt abgeschlossen wird;
2. die noch ausstehende Entscheidung über eine Neuordnung des Kohlenbergbaus beschleunigt herbeigeführt wird und die schnelle Durchführung vorbereitet und gesichert wird.
Bezüglich der Ziffern 3 und 4, meine Damen und Herren, beantrage ich Verweisung an den Wirtschaftspolitischen Ausschuß und an den Ausschuß gemäß Art. 15 des Grundgesetzes.