Rede von
Louise
Schroeder
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich habe den Herrn Vorredner nicht ganz verstanden. Wenn sich der Herr Vorredner für konfessionelle Krankenhäuser einsetzt, so kann ich das in Verbindung mit den Bestimmungen über die amtlich anerkannten Verbände der freien Wohlfahrtspflege vollkommen verstehen. Aber ich habe auch gar keinen Zweifel, daß diese konfessionellen Krankenhäuser, sofern sie anerkannt sind, ebenfalls unter diese Bestimmungen fallen.
Auf der anderen Seite verstehe ich vollkommen den Herrn Finanzminister. Seine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, daß ihm die Steuereinnahmen so wenig wie möglich gekürzt werden. Dann aber darf er nicht bei der Hälfte stehen bleiben, sondern hätte sich von vornherein dagegen wehren müssen. Ich weiß nicht, ob er es getan hat; aber jetzt ist er ganz offensichtlich damit einverstanden, daß die amtlich anerkannten Verbände der freien Wohlfahrtspflege herausgenommen werden. Und da frage ich den Herrn Finanzminister doch noch einmal, mit welcher Berechtigung er glaubt, daß die kommunalen Kranken-, Jugend-, Kinder-, Altersheime nicht genau so dieser Ausnahme bedürfen. Ich glaube, es ist ein falscher Zungenschlag gewesen, wenn der Herr Finanzminister von „interessierten Kreisen" gesprochen hat. Gerade hier bei der Kommune geht es doch nicht um die Interessen einzelner, sondern um die Interessen der Allgemeinheit!
Ich habe gar nichts gegen die freie Wohlfahrtspflege; ich weiß, daß sie Pionierarbeit geleistet hat und auch heute noch leistet. Ich weiß aber aus meiner eigenen Arbeit in der größten deutschen Kommune und im Städtetag, daß die Kommunen mindestens in ebenso starkem Maße eine vorbildliche Arbeit leisten müssen, denn sie werden ja darin ständig von den Wählern kontrolliert. Ich weiß ferner, daß wir, ganz besonders nach der Zerstörung durch den Krieg, in den Städten die Krankenanstalten, die Kinderheime, die Jugendheime, die Altersheime vollkommen neu wiederaufbauen müssen.
Man kann uns entgegenhalten, auch die freie Wohlfahrtspflege habe Schäden erlitten. Selbstverständlich; aber dann kann die Gemeinde und kann das Land gar nicht anders, als der freien Wohlfahrtspflege zu helfen, diese Schäden zu überwinden. Die Gemeinde ist also doppelt belastet: durch ihre eigenen Einrichtungen und durch die Opfer, die sie für die Erhaltung der Einrichtungen
der freien Wohlfahrtspflege bringt. Aus diesem Grunde kann ich nicht einsehen, daß hier mit zweierlei Maß gemessen wird.
Aber auch das, was mein Fraktionsfreund, Herr Lausen, gesagt hat, möchte ich noch einmal wiederholen: Es gibt doch überhaupt kein Krankenhaus und kein Kinderheim und kein Altersheim, das nicht Zuschüsse von der Gemeinde erfordert.
Heute, nach den Hungerjahren des Krieges und der Nachkriegszeit, nach all dem Mangel, unter dem wir gelitten haben, müssen wir alle Kraft zusammennehmen, um diese Einrichtungen wieder auf den Stand zu bringen, der gerade im Hinblick auf unsere Gesundheitsverhältnisse notwendig ist. Die dafür nötigen Zuschüsse trägt der einzelne Steuerzahler. Er wird also im Grunde genommen von allen Seiten belastet: vom Zuschuß zu den Einrichtungen der' Kommune und vom Zuschuß zu den Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege.
Aus diesem Grunde sage ich noch einmal, Herr Finanzminister: So sehr ich verstehe, daß Sie die Hand auf Ihren Steuersäckel halten müssen — ich verstehe das vollkommen —, so können Sie es aber doch auch von sich aus nicht verantworten, daß hier in zweierlei Weise gearbeitet und belastet wird, ohne daß wirklich ein Grund dafür vorliegt.