Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 44. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte zunächst den Schriftführer Herrn Abgeordneten Matthes, die Namen der fehlenden Mitglieder des Hauses bekanntzugeben.
Es fehlen wegen Erkrankung die Abgeordneten Schütz, Frau Dr. Gröwel, Bielig, Hennig, Schönauer, Herrmann, Dirscherl, Pannenbecker, Fisch, Wittmann; es fehlen entschuldigt die Abgeordneten Kahn, Nicki, Junglas, Dr. Kopf, Kalbfell, Brandt, Frau Schroeder. Neumann, Dr. Suhr, Dr. Nowack, Dr. Freiherr von Rechenberg, Dr. Middelhauve, Eickhoff, Dr. Hamacher, Frau Arnold, Paul, Rische, Reimann, Frau Thiele, Kohl, Oskar Müller, Loritz. Außerdem fehlt Herr Abgeordneter Goetzendorff.
Meine Damen und Herren! Ich habe dann weiter folgende Mitteilung zu machen. In Verfolg des gestrigen Beschlusses am Ende der Sitzung wird die heutige Tagesordnung insofern erweitert, als vor Punkt 1 die
Fortsetzung der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Gefallenenliste ehemaliger deutscher Wehrmachtsangehöriger
noch ansteht, und zwar wird dazu der Herr Bundesinnenminister eine Erklärung abgeben.
Ich erteile dem Herrn Bundesinnenminister das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Zu dem in der Drucksache Nr. 480 der kommunistischen Fraktion enthaltenen Anliegen erkläre ich folgendes:
Die Benachrichtigung von Angehörigen Gefallener erfolgte während des letzten Weltkrieges durch die Truppeneinheiten, durch die Sanitätsformationen, Lazarette usw. Unabhängig davon hatten die militärischen Dienststellen alle Kriegssterbefälle an die Wehrmachtauskunftsstelle für Kriegsverluste und Kriegsgefangene, an die sogenannte WASt, zu melden. Diese hatte die Aufgabe, die Meldungen karteimäßig zu erfassen und die standesamtliche Beurkundung durchzuführen. Da die Benachrichtigung der Angehörigen im allgemeinen schon durch den Truppenteil erfolgt war, beschränkte
sich die Auskunftserteilung der WASt auf die Beantwortung von Anfragen.
Im Jahre 1943 wurde die WASt von Berlin verlegt, und zwar aus Raummangel getrennt nach Saalfeld und nach Meiningen. Nach der Besetzung von Saalfeld wurden die Unterlagen, soweit sie sich hier befanden, durch die amerikanische Militärkontrollkommission übernommen und Ende Juni 1945 auf deren Anordnung zunächst nach Fürstenhagen bei Kassel und dann nach Berlin zurückverlegt. Die WASt arbeitet jetzt als „Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht ", und zwar in Berlin-Waidmannslust unter der Aufsicht der f ranzösischen Militärkontrollkommission. Der andere Teil der Unterlagen, nämlich der nach Meiningen verbrachte, muß bei der Räumung Thüringens durch die amerikanische Kontrollkommission zurückgelassen werden und kam in den Besitz der russischen Militärverwaltung. Dort ist er bislang verblieben. Diese Unterlagen, in denen sich außer den Verlustlisten und der umfangreichen Gräberkartei auch über 100 000 Kriegstestamente befinden, sind der deutschen Bevölkerung seitdem nicht mehr zugänglich.
Um eine Übersicht über die Tätigkeit und die Aufgaben der WASt zu. erhalten, wurde im Jahre 1946 eine Schätzung der Kriegssterbefälle, deren standesamtliche Beurkundung noch erforderlich war, durchgeführt. Dieser Schätzung wurde folgendes zugrunde gelegt: 1. die bis zum April 1945 in der Zentralkartei erfaßten, aber noch nicht standesamtlich beurkundeten Kriegssterbefälle; 2. die in den letzten Kriegsmonaten eingetretenen Sterbefälle, soweit sie von den militärischen Einheiten mit Rücksicht auf die Kriegslage der WASt nicht mehr restlos gemeldet werden konnten; 3. die von den westlichen Gegnerstaaten während der Invasion ausgebliebenen Todesmeldungen; 4. die Kriegssterbefälle, über die Rußland und die anderen Oststaaten bislang keine Auskunft gegeben haben, wie das alle anderen Staaten' entsprechend dem Genfer Abkommen tun.
Auf dem Ergebnis dieser Schätzungen der noch nicht beurkundeten Kriegssterbefälle beruhen die vielfach verbreiteten Nachrichten über eine angebliche Geheimhaltung von Wehrmachtverlusten. Nach den amtlichen Feststellungen der französischen Dienststelle, die, wie gesagt, die Aufsicht führt, hat die deutsche Dienststelle zu keiner Zeit irgendwelche Kriegssterbefälle verheimlicht. Ihr ist auch von keiner Stelle weder des Inlandes noch des Auslandes jemals eine Anordnung zur Geheimhaltung erteilt worden. Gemäß dem Beschluß ,des Koordinierungskomitees des Alliierten Kontrollrats vom 14. 6. 1946 sind sämtliche in Saalfeld vorhandenen und alle später eingegangenen Unterlagen über. Kriegssterbefälle dieser deutschen Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen übergeben worden. Seit Januar 1946 hat diese Dienststelle über 1 070 000 Kriegssterbefälle der standesamtlichen Beurkundung zugeführt und den Angehörigen Nachricht gegeben. Die deutsche Dienststelle in Berlin erteilt auf Anfrage über jeden ihr bekanntgewordenen Kriegssterbefall Auskunft.
Was sodann die Zahl der ehemaligen deutschen Kriegsgefangenen anbelangt, die in die franzö-
sische Fremdenlegion übergeführt wurden, so ist darüber diesseits nichts bekannt. In den Fällen, in denen Fremdenlegionäre während ihrer Zugehörigkeit zur Fremdenlegion sterben, werden die Angehörigen von den zuständigen Stellen der Legion benachrichtigt, sofern die Legionäre eine Anschrift für die Benachrichtigung angegeben haben, was bekanntlich nicht immer der Fall ist. Eine amtliche Mitteilung der französischen Regierung an die Heimatländer der Fremdenlegionäre erfolgt allgemein nicht.
Wird das Wort zu dieser Erklärung des Herrn Bundesinnenministers gewünscht?
— Herr Abgeordneter Renner, bitte, zum Schlußwort! Für diesen Punkt sind einschließlich der Erklärung des Herrn Bundesinnenministers im ganzen 30 Minuten vorgesehen.
Herr Abgeordneter Renner fragt, ob vorher einer der Herren der anderen Fraktionen noch sprechen will. — Ich stelle fest: das ist nicht der Fall. Dann erteile ich Herrn Abgeordneten Renner das Schlußwort im Sinne des § 50 Absatz 2 letzter Satz der Geschäftsordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Kartei ist da. Daran ändert auch die heute hier vorgetragene Erklärung des Herrn Innenministers nichts. Die Methode der Verlustmeldungen in normalen Zeiten, also in Zeiten, als solche Meldungen nach der Heimat noch möglich waren, ist von uns nicht bestritten worden. In der heutigen Erklärung ides Herrn Ministers ist zugegeben worden, daß beim Zusammenbruch des Faschismus bei dieser WASt noch über 1 Million unerledigter standesamtlicher Beurkundungen vorgelegen haben. Das und nichts anderes habe ich gestern behauptet.
Nun die verschiedenen Versionen über den Verbleib dieser Kartei! Heute haben wir eine vierte, hoffentlich die letzte und auf jeden Fall eine als offiziell zu bewertende Version gehört. Die erste Version war die, daß diese Unterlagen nach wie vor in der Hand der amerikanischen Militärregierung sind. Die zweite Version, die von mir gestern vertretene, ist die, daß diese Unterlagen, nachdem sie sich ursprünglich in der Hand der Amerikaner befanden, nach Berlin zurückgegeben worden sind und dort heute von der französischen Militärregierung verwaltet werden. Die dritte, ganz neue Version, die wir gestern aus dem Munde des Sprechers der CDU/CSU gehört haben, ist die, daß das gesamte Material der SMA, also der Sowjetbesatzungsmacht, übergeben worden ist. Die vierte, heute vom Herrn Innenminister vorgetragene Version ist die, daß ein Teil dieses Materials, und zwar der Teil, der von der amerikanischen Besatzungsmacht in Meiningen zurückgelassen worden ist, in russische Hände, der Hauptanteil in amerikanische Hände gefallen ist. Von der sowjetischen Regierung liegt eine amtliche Verlautbarung vor,
die durch TASS wiedergegeben worden ist, daß der russischen Besatzungsmacht nicht auch nur ein Teil dieser Kartei in die Hände gefallen ist.
- Warum regen Sie sich so auf? Sie haben gestern aus dem Munde des Vertreters der CDU eine Version gehört, die in hundertprozentigem Gegensatz zu der offiziellen Version des Ministers von heute steht. Ich lasse die Frage offen, wer die absolut falscheste Version gegeben hat. Die absolut falscheste Version war die des CDU-Vertreters.
Mir ist das so sehr autoritativ wie Ihnen das die dpa- und die amerikanischen Meldungen sind.
Aber ich habe gestern mehr gesagt. Ich habe gestern behauptet, daß die Feststellungen, die ich hier wiedergegeben habe, auf eidesstattlichen Erklärungen von Angestellten beruhen, die bei dieser Wehrmachtauskunftsstelle für Kriegsgefallene über das Kriegsende hinaus noch beschäftigt warren. Was haben wir von der Regierung verlangt? Wir haben von der Regierung nicht mehr und nicht weniger verlangt, als daß sie sich bemühen soll, die Kartei in deutsche Hände zu bekommen. Mehr haben wir nicht verlangt.
Sie haben gestern in dem bisher gewohnten Stil in diesem Hause reagiert. Der Herr Sprecher von der CDU hat mich an meine Mahnung vom 27. Januar erinnert, endlich die Sache der Kriegsgefangenen und -gefallenen aus der Atmosphäre der Hetze auf den Boden des Sachlichen und des Sauberen zu stellen.
Was aber hat der Vertreter der CDU/CSU gestern getan?
Er hat sich hier hingestellt und behauptet, was ihm ja auch Minister bereits in diesem Saale vorgemacht haben,
daß die Regierung der Sowjetunion ungeheuerliche Verbrechen begangen habe.
Nun, wir kennen die Methode,
das ist die Methode, die während des Krieges kein
Geringerer als der Herr Goebbels angewendet hat.
Und wenn die westdeutschen Spezial-Demokraten,
ja, wenn die westdeutschen, auf die „deutsche" Demokratie eingeschworenen Minister dasselbe tun, dann hat das keinen anderen Zweck als den, den seinerzeit die Goebbels-Propaganda damit verfolgt hat.
Woher nehmen Sie eigentlich den traurigen Mut,
von „Verbrechen" der sowjetrussischen Regierung zu sprechen?
Ich habe hier in Bonn in der vorvergangenen Woche Gelegenheit gehabt, mir den dokumentarischen Film über den Nürnberger Prozeß anzusehen, hier in Bonn, mitten in der Fastnachtszeit.
— Von Ihnen habe ich keinen gesehen. Aber wenn einer von Ihnen dagewesen wäre, dann müßte eigentlich die Reaktion eine andere sein, als sie gestern hier zutage getreten ist.
Darf ich einmal an einige Zahlen erinnern. General Marshall hat in seiner berühmt gewordenen Enzyklopädie erklärt, daß die deutschen Verluste an Toten an der Front und in der Heimat im zweiten Weltkrieg rund 5 Millionen betragen. Die Völker der Sowjetunion haben diesen ihnen aufgezwungenen verbrecherischen Hitlerkrieg mit dem Verlust von 11 Millionen Menschen bezahlt.
- Nein, wir haben in einem Ausschuß gestern
Zahlen gehört, wonach wir allein hier in Westdeutschland 4 Millionen Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene haben.
— Ich unterstelle, Sie ehemaliger Heil-HitlerSchreier da drüben auf dem rechten Flügel,
die Richtigkeit dieser Todesziffern für Westdeutschland. Aber ich stelle dieser Ziffer die Tatsache der 11 Millionen russischer Menschen gegenüber, vor denen Sie keine Achtung haben. Diese 11 Millionen russischer Menschen, denen man den verbrecherischen Hitler-Krieg, den Sie bejaht haben, aufgezwungen hat, repräsentieren für uns die Opfer,
denen wir die Befreiung vom Faschismus verdanken. Wir danken aus tiefstem Herzen
diesen 11 Millionen gemordeten russischen Menschen dafür, daß sie Deutschland, unsere Arbeiterklasse, das werktätige deutsche Volk vom Faschismus befreit haben.
Dafür danken wir ihnen, und wir lassen nicht zu, daß sie verleumdet werden angesichts folgender Tatsache:
„Westdeutsche Rundschau", Meldung vom 27. September 1949 über Rußlands Kriegsschäden: Während des Krieges wurden gesprengt, in Brand gesteckt oder sonstwie ganz oder teilweise zerstört
- das gehört zur Sache —
31 850 Fabriken und Werkanlagen, 1876 — —
- Ist das die Achtung, die Sie toten Menschen entgegenbringen?
— Ich bitte, mich hier gegen diese Ausfälle zu schützen.
Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, sich doch etwas zu mäßigen.
Ich trage nackte nüchterne Zahlen vor. Wenn Sie diese Zahlen nicht vertragen können, liegt es an Ihnen, weil Sie sie nicht hören wollen.
- Ich werde Ihnen sagen, was der Manstein-Prozeß zum Beispiel ergeben hat.
Sie haben hier den traurigen Mut, diese Opfer, die der Hitler-Krieg gemordet hat, zu verhöhnen und zu verleumden.
Ich verteidige sie gegen Ihre Verleumdungen, weil ihr Sterben für die deutsche Arbeiterklasse und die deutschen Werktätigen die Befreiung vom Faschismus, der bisher brutalsten und blutigsten Ausbeutungs- und Unterdrückungsform des Kapitalismus, bedeutet hat.
Meine Damen und Herren! Sie geben gelegentlich einmal sogar zu, daß Kriegsverbrechen begangen worden sind.
Sie geben gelegentlich auch einmal zu, daß die Völker das Recht haben, die Kriegsverbrecher zu bestrafen.
Wir geben zu und bestreiten keinen Augenblick, daß die Sowjetunion im Augenblick Prozesse gegen deutsche Kriegsverbrecher durchführt.
— Herr Euler, Sie hatten Glück, daß Sie nicht drüben waren beim Zusammenbruch,
und Sie hatten Glück, daß Sie dem tschechoslowakischen Volk nicht in die Hände gefallen sind.
Sie wissen, was ich damit sagen will.
Sie sagen, diese Prozesse drüben würden ohne jede Rechtsgrundlage durchgeführt.
Sie sagen, diese Prozesse würden ohne ordentliches Verfahren durchgeführt.
Die Beweise, die Sie dafür anführen, sind Erzählungen. Herr Dr. Konrad Adenauer, der Bundeskanzler, hat am 27. 1. in diesem Hause zu diesen neuen Beschuldigungen gesagt: Wir sind dabei, dieses Material zusammenzustellen, zu sichten und zu überprüfen. Hier im Hause ist die Situation so, daß Sie diese Erzählungen als absolut wahre, bewiesene Tatsachen herausstellen. Sie befolgen da-
bei die Methode: Nicht der Gemordete, sondern der Mörder ist schuld.
Nach Ihrer Diktion sind alle diejenigen, gegen die in der Sowjetunion ein Prozeß wegen Kriegsverbrechen durchgeführt wird, von vornherein schuldlos.
Eine andere Frage. Am vergangenen Dienstag war hier bei mir eine Frau aus Gütersloh. Die hat mir Schriftsätze einer sowjetrussischen Behörde vorgelegt, in denen ihr auf ihre Anfrage eine Antwort darauf gegeben worden ist, warum ihr Sohn verurteilt worden ist. Ich frage Sie: Warum können deutsche Privatpersonen von amtlichen sowjetischen Dienststellen derartige Auskünfte erhalten?
Warum ist die Regierung nicht in der Lage und gewillt, sich um solche amtlichen Auskünfte zu bemühen?
Nun eine andere Frage. Sie haben gestern gesagt, meine Behauptung betreffs des Befehls, besonders riesige Verluste zu verschweigen, stimmten nicht. Sie haben sich gestern hier hingestellt und gesagt, daß das deutsche Volk. die deutschen Hinterbliebenen bis aufs letzte über die Verluste orientiert seien, zum Beispiel auf Grund der Tatsache, daß Frontgeistliche die Todesmeldungen an die Angehörigen nach der Heimat zurückgemeldet haben. Sind Sie sich darüber klar, daß das in Millionen von Fällen einfach aus technischen Gründen schon nicht möglich war?
Was haben wir verlangt? Wir haben verlangt, die Regierung solle diese Kartei anfordern, mehr nicht und weniger nicht. Sie antworten uns mit einer gesteigerten Hetze und mit gesteigerten Verleumdungen. Wir fragen nach den deutschen Verlusten in der französischen Fremdenlegion in Vietnam. Wir haben an die Regierung eine Anfrage gerichtet: Wie steht es mit der Werbung von Deutschen? Die Antwort der Regierung, des Herrn Justizministers, ist ein Musterbeispiel der Kunst, sich an der Beantwortung klarer Fragen vorbeizureden. Wir haben klar gefragt und folgende Antwort erhalten: Die deutsche Bundesregierung besitzt keine zuverlässigen Unterlagen über Umfang und Einzelheiten der Anwerbung von Deutschen im Bundesgebiet für fremdländischen Militärdienst. Und das auf deutschem Boden! Diese Regierung, die nichts Zuverlässiges weiß, hat gestern hier durch den Sprecher der CDU bekanntgeben lassen. daß täglich fünfzig deutsche Jugendliche sich zur Fremdenlegion melden. Und sie hat eine Erklärung hierfür abgegeben. Sie hat gesagt, daß das der Ausfluß der Verzweiflung sei, die bei der deutschen Jugend Platz gegriffen habe. Nun, die deutsche Jugend in der Deutschen Demokratischen Republik hat Arbeit, hat Lehrstellen, hat Ausbildungsmöglichkeiten. Die Ursachen für das Elend der westdeutschen Jugend, für die Zwangslage, in der Fremdenlegion Unterkunft zu suchen und zu sterben für das französische Kolonialkapital, die sind bei Ihnen.
Wir haben gefragt: Was hat die Regierung unternommen, um diese gesetzwidrige Anwerbung deutscher Jugendlicher auf deutschem Boden zu verhindern?
Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, sich etwas strenger an das Thema zu halten. Wir sprechen von den Verlusten der ehemaligen deutschen Wehrmacht.
Ich spreche von Vietnam. Die Bundesregierung hat uns geantwortet, daß sie bisher keine Verhandlungen wegen dieser Anwerbungen mit der Hohen Kommission geführt habe. Das steht da. Ich weiß nicht: ist das Hohn, oder was ist das? „Es sind demgemäß keine von ihr insoweit verfolgten Bestrebungen von der Hohen Kommission abgelehnt worden", heißt es in der Antwort. Ist die Regierung noch stolz darauf, daß die Hohe Kommission ihr nicht etwas abgelehnt hat, was sie gar nicht beantragt hat?
Und nun zur Kernfrage. Warum hat die Bundesregierung in der Frage der Werbung für die Fremdenlegion nichts unternommen? Warum hat sie sich nicht dagegen gewehrt, daß gegen bestehende deutsche Gesetze auf deutschem Boden deutsche Jugend geworben wird, um in Vietnam für die Profite der Kolonialherren zu verbluten? Warum hat sie sich nicht gewehrt?
Sie hat sich nicht dagegen gewehrt, weil auch dieser Krieg in ihrem Interesse liegt,
weil sie der Hoffnung ist,
daß im Schatten dieser Kriegsvorbereitungspläne des USA-Mononolkapitals sie einen eigenen deutschen Imperialismus entwickeln kann.
Ich habe Sie schon neulich einmal zur Ordnung gerufen, weil Sie der Bundesregierung Kriegsabsichten unterstellen.
Und darum Ihre Bemühungen, sich vorbeizureden an der Verpflichtung, die tatsächliche Zahl der gefallenen deutschen Jugendlichen klar herauszustellen. Die deutsche Jugend soll nicht wissen, wieviel Blutopfer dieser letzte Krieg gekostet hat, damit sie um so bereitwilliger hineinmarschiert in den neuen Krieg, den das westliche Monopolkapital und die westdeutschen Monopolkapitalisten vorbereiten und durchführen werden,
wenn ihnen die friedliebenden Völker der Welt nicht Einhalt, nicht Paroli bieten.
Der Herr Innenminister bittet um das Wort zu einer kurzen Zusatzerklärung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die allgemeinen politischen Ausführungen des Herrn Vorredners weise ich zurück. Unter Bezugnahme auf eine TASS-Meldung. Herr Renner, haben Sie meine Darstellung in Zweifel gezogen. wonach der nach Meiningen verbrachte Teil des Materials der WASt in russische Hände gefallen sei und his heute nicht zurückgegeben wurde. Ich verlese aus einem Brief der WASt vom 13. Februar 1950 folgendes wörtlich:
Wegen der Ende Juni 1945 erfolgten plötzlichen Räumung Thüringens war es der amerikanischen Militär-Kontroll-Kommission aus technischen Gründen leider nicht möglich, das in Meiningen befindliche Material der WASt mit nach Fürstenhagen zu befördern. Es befindet sich seit dieser Zeit im Besitz der Sowjetbehörden. Einer von hohen sowjetischen Offizieren am 18. Dezember 1946 der französischen Kommission gegebenen schriftlichen Verpflichtung, in der sie sich zur Herausgabe dieser Unterlagen bekannt haben, ist die SMA bis heute nicht nachgekommen.
Dies ist um so bedauerlicher, weil sich unter dem Material außer Verlustlisten und der umfangreichen Gräberkartei auch über 100 000 Kriegstestamente befanden, die die Amtsgerichte und Notare auf Grund der ihnen seinerzeit von der WAST erteilten Hinterlegungsbescheide jetzt von der Dienststelle ständig anfordern.
Unterschrift:
Exploitation des Archives WASt
Administrateur Armand E. KLEIN
Chef du Service des Personnes Déplacées
Secrétariat de Berlin
Im Auftrage: SCHLAGK
Meine Damen und Herren, ich darf damit die Aussprache über Antrag Drucksache Nr. 480 schließen.
Es ist gestern beantragt worden, über den Antrag Drucksache Nr. 480 zur Tagesordnung überzugehen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Gegen eine geringe Minderheit so beschlossen.
Damit, meine Damen und Herren, kommen wir zu Punkt 1 der Tagesordnung:
Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Personen.
Zugrunde zu legen sind die Drucksachen Nr. 569, 497 und 175, ferner die Anträge Drucksachen Nr. 594, 596. An Stelle des Antrags Drucksache Nr. 600, der zurückgezogen worden ist, tritt der Antrag Drucksache Nr. 643. Ferner liegt dazu vor der Antrag Drucksache Nr. 617.
Zur Einteilung der Aussprache darf ich Ihnen den Vorschlag des Ältestenrats gemäß § 88 der Geschäftsordnung unterbreiten, eine Redezeit von insgesamt 180 Minuten vorzusehen. Die Verteilung wird sich naturgemäß nicht schematisch vornehmen la .sen, sondern sich je nach der Dauer der Begründung der Abänderungsanträge ergeben. Im ganzen also soll die Redezeit 3 Stunden nicht überschreiten. Darf ich das Einverständnis des Hauses mit dieser Regelung feststellen? — Ich höre keinen Widerspruch; es ist demgemäß beschlossen.
Meine Damen und Herren! Der Vorschrift der Geschäftsordnung folgend, treten wir zunächst in eine allgemeine Besprechung der Grundsätze ein. Ich eröffne daher zunächst die Aussprache über die Grundsätze der Vorlage. Wer wünscht das Wort? — Zuerst Herr Abgeordneter Gundelach, dann Herr Abgeordneter Menzel.
Meine Damen und Herren! Ich habe bereits bei der zweiten Beratung des vorliegenden Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse für die Beamten darauf hingewiesen, daß die Gewerkschaften bei der Vorbereitung der Gesetzesvorlage völlig ausgeschaltet worden sind. Mit vollem Recht hat die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr in einem Schreiben an alle Abgeordneten dieses Hauses ihre Meinung wie folgt zum Ausdruck gebracht:
Eine Ausschaltung der gewerkschaftlichen und
betriebsrätlichen Einflußmöglichkeit auf dem
Gebiet der Regelung der Rechtsverhältnisse der
öffentlichen Bediensteten steht im Gegensatz
zu den Erklärungen des Herrn Bundeskanzlers Dr: Adenauer anläßlich seines Regierungsantritts.
Weiter heißt es:
Sollte der Bundestag durch die Annahme dieses Gesetzes die Mitwirkung und die Rechte der Gewerkschaften und der Betriebsräte verweigern, so würde dies einen weiteren Rückschritt bedeuten.
Das sagt die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr zu der Art und Weise der Vorbereitung der hier zur Beratung stehenden Gesetzesvorlage.
Der Beamtenausschuß des Deutschen Gewerkschaftsbundes hat sich am 6. Februar zur Regierungsvorlage wie folgt geäußert:
Mit großer Entrüstung
— das steht also in einer Entschließung dieses Ausschusses —
stellt der Beamtenausschuß des Deutschen Gewerkschaftsbundes fest, daß seine wohlbegründeten und für die Beamtenschaft unbedingt notwendigen Forderungen in der Vorlage keineswegs berücksichtigt worden sind.
Es wird weiter darauf hingewiesen, daß zum Beispiel die Mitwirkung der Personalvertretungen der Gewerkschaft trotz eindeutiger Rechtsgrundlage nicht in die Gesetzesvorlage aufgenommen worden ist.
Meine Damen und Herren, es besteht kein Zweifel, daß die Regierungsparteien dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in der dritten Lesung ihre Zustimmung geben werden. Namens meiner Fraktion stelle ich erneut und mit allem Nachdruck fest, daß, von ganz geringen Änderungen abgesehen, das Beamtengesetz aus dem Jahre 1937 bis auf weiteres die Grundlage für die Rechte der Beamten ist. Damit beweist die Regierung, daß sie den alten Typ des Berufsbeamten beibehalten will. Sie will den Berufsbeamten als Befehlsempfänger, den Beamten ohne eigene politische Meinung. Deshalb vorenthält sie auch den Beamten die staatsbürgerlichen Rechte auf freie politische Betätigung, Rechte, die nach dem Grundgesetz allen anderen Personen in Westdeutschland zustehen. Mit vollem Recht — das ist unsere Auffassung — wehren sich die Beamten und ihre Gewerkschaften gegen jede Entrechtung und fordern auch für sich die absolute und völlige Gleichberechtigung, wie sie alle Staatsbürger genießen.
Aber die Adenauer-Regierung kümmert sich weder um die Proteste noch um die gerechten Forderungen der Beamten und ihrer Berufsvertretung, der Gewerkschaften. Das erleben wir nicht nur bei der Regelung der Beamtenrechte auf der Grundlage des vorliegenden Gesetzentwurfs, das kommt ebenso deutlich auch zum Ausdruck bei der Behandlung der Forderung der Beamten auf Aufhebung der
Verordnung über die sechsprozentige Gehaltskürzung, zu der wir ja bereits in früheren Sitzungen vom Standpunkt der Beamten aus Stellung zu nehmen Gelegenheit hatten. Finanzminister Schäffer war es, der die Abgeordneten der Regierungsparteien, die im Beamtenrechtsausschuß für die Aufhebung der Gehaltskürzungsverordnung gestimmt hatten, veranlaßte, umzufallen und im Plenum für die Zurückverweisung des Berichtes, der sich für die Aufhebung aussprach, an den Haushaltsausschuß zu stimmen. Dieser Bericht des Bamtenrechtsausschusses liegt nun schon seit Wochen im Haushaltsausschuß trotz der zahlreichen Proteste, die seitens der Beamten und ihrer Gewerkschaft erhoben worden.
Und es wird sicher so kommen — darüber sind wir
uns klar —, daß dieser Bericht so lange im Haushaltsausschuß begraben sein wird, bis der Herr Finanzminister seine angekündigte Gehaltskürzung
für die Beamten unter dem von ihm geprägten
Stichwort „Notgemeinschaft" durchgesetzt hat.
Die Gewerkschaftszeitung „Öffentlicher Dienst",
das Organ für Beamte und Angestellte, schreibt am
15. Februar dieses Jahres unter der Überschrift
„Sind Willkür und Reaktion Wegbereiter für das
neue Beamtengesetz?" unter anderem folgendes: Die Bediensteten der Bundesverwaltung leiden noch immer unter dem Unrecht der sechsprozentigen Gehaltskürzung von 1930. Die Beseitigung dieses Unrechts bedeutet keineswegs eine Gehaltserhöhung, weil die seit 1927 geltenden Besoldungsbezüge den gestiegenen Lebenshaltungskosten immer noch nicht angeglichen sind. Die Verkoppelung der Aufhebung der sechsprozentigen Gehaltskürzung mit einer Sonderbesteuerung der öffentlichen Bediensteten lehnt der Beamtenausschuß des Deutschen Gewerkschaftsbundes aus besoldungs- und verfassungsrechtlichen Gründen entschieden ab. Er fordert erneut die sofortige Beseitigung der Brüningschen Notverordnung und die Zurückziehung der beabsichtigten Sonderbesteuerung für den öffentlichen Dienst.
Soweit die Stellungnahme des Beamtenausschusses des Deutschen Gewerkschaftsbundes zur Neuregelung der Beamtenrechte und zu dem beabsichtigten Angriff des Herrn Finanzministers auf die Lebenshaltung insbesondere der großen Zahl der unteren und mittleren Beamten. Mit diesen ihren Plänen beweist die Adenauer-Regierung ebenso wie mit dem vorliegenden „Gesetz zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Personen", daß sie nicht gewillt ist, eine fortschrittliche Politik gegenüber den Beamten zu entwickeln.
Ich erkläre im Namen meiner Fraktion, daß wir Kommunisten nicht bereit sind, die Mitverantwortung für ein Beamtenrecht zu tragen, das sich im wesentlichen auf das Beamtengesetz von 1937, also ein Gesetz aus der Hitlerzeit, stützt. Wir Kommunisten lehnen aus den von mir dargelegten Gründen das vorliegende Gesetz in seiner heutigen Fassung ab.
Meine Damen und Herren, auf Grund einer Bitte des Herrn Vorsitzenden des Haushaltsausschusses möchte ich folgendes mitteilen: Der Haushaltsausschuß wird nach Schluß der
Beratung des Beamtengesetzes zur Weiterberatung des Haushalts zusammentreten. Es wird von hier aus dafür gesorgt, daß bei Abstimmungen die Mitglieder des Haushaltsausschusses entsprechend benachrichtigt werden.
Ich erteile nunmehr als zweitem Redner Herrn Abgeordneten Menzel das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hat für die dritte Lesung nicht alle Anträge wiederholt, die sie in der zweiten Lesung gestellt hatte. Sie will sich auf einige wesentliche Anträge beschränken, so vor allem auf den Versuch, in Übereinstimmung mit unserer Verfassung auch im Beamtenrecht die Gleichberechtigung der Frau durchzuführen, um auf diese Weise einen Verfassungsbruch zu vermeiden, und ferner darauf, tüchtigen mittleren Beamten oder Männern und Frauen, die in der Wirtschaft, in der Politik und in der Gewerkschaftsarbeit sich bewährt haben, die Chance des Einbaus in unseren demokratischen Staatsaufbau zu geben.
Wenn wir also für die dritte Lesung nicht alle Anträge wiederholen, so bedeutet das nicht, daß wir damit auf deren beamtenpolitische Ziele verzichten. Wir werden diese Anträge bei der hoffentlich bald stattfindenden Beratung des endgültigen Beamtengesetzes erneut stellen. Aber wir werden beantragen, daß über diese unsere Anträge namentlich abgestimmt wird; denn ich glaube, es ist sehr richtig und sehr wichtig, zu wissen, wie die einzelnen Abgeordneten zu diesen Anträgen stehen. Dazu haben wir um so mehr Veranlassung, als uns nicht entgangen ist, daß eine Reihe von Abgeordneten dieses Hauses draußen in Gewerkschaftskundgebungen, bei Protestversammlungen, in Druckschriften und Eingaben für die Forderungen eingetreten sind, die die Sozialdemokratie hier gestellt hat, daß aber die gleichen Abgeordneten hier im Bundestag dann gegen die Anträge stimmten, die sie draußen mit unterstützt haben.
Wir können uns den Grund sehr gut erklären, denn wir wissen, daß unsere Anträge, vor allem der Antrag, den sogenannten Außenseitern — übrigens eine völlig falsche Bezeichnung — die Chance eines gleichberechtigten Einbaus zu geben, nicht überall beliebt sind. Aber in dem Augenblick, in dem es sich darum handelt, sogenannte Außenseiter aus der Hitlerzeit, deren fachliche Erfahrungen zumeist nur in der Bewährung in Saalschlachten bestanden,
Außenseiter, die zwischen 1933 und 1945 hineingekommen sind, in dem Augenblick, in dem es sich darum handelt, diese Außenseiter, wenn sie durch ein merkwürdiges Entnazifizierungsverfahren in die Kategorie V gekommen sind, wieder einzustellen, sind Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, durchaus bereit, dieses Entnazifizierungsverfahren willig anzuerkennen und diese alten Außenseiter wieder einzustellen, um ihre sogenannten Rechte wiederherzustellen. Das soll sogar dann geschehen, wenn dafür Männer und Frauen, die sich 1945 für den Aufbau des neuen Staates zur Verfügung gestellt haben, brotlos werden würden.
Wohin eine solche Personalpolitik und eine solche Begünstigung führen, haben wir an der Verhandlungsführung und dem Urteil im Hedler-Prozeß gesehen. Wie soll denn die Welt an eine geistige
und politische Erneuerung Deutschlands glauben, solange eine solche Verfahrensmethode, ein solches Urteil und eine solche Justiz möglich sind? Als der Vertreter der Nebenkläger während der Verhandlung auf die 6% Millionen ermordeter oder vergaster Juden hinwies, bekam er von der Verteidigung lediglich den Zwischenruf als Antwort: „Ach, das ist ja übertriebene Propaganda!" Statt daß es nun auch den Richtern die Schamröte ins Gesicht getrieben hätte, daß ein solcher Zwischenruf möglich war, reagierte das Gericht überhaupt nicht. Es machte von seinem Mittel der Sitzungsgewalt keinen Gebrauch und sah sich nicht einmal veranlaßt, den Verteidiger des Angeklagten zu rügen. Ist es daher ein Wunder, wenn ein solches Verhalten deutscher Beamter uns draußen schadet? Wir wissen ja, daß es uns auch schon mehrere Millionen Dollarhilfe gekostet hat.
Als hier vor einigen Monaten über die Saarfrage diskutiert wurde und als die Regierung ihre Haltung auf dem Petersberg hinsichtlich des Ruhrstatuts verteidigte, da erklärte sie auch unter anderem, für ihr Verhalten sei mitbestimmend gewesen, welchen Eindruck die Haltung der deutschen Bundesregierung im Ausland machen würde. Der Herr Finanzminister hat neulich bei der Beratung der Steuerreform, als sich die Kritiker zu Worte meldeten, zu dem recht merkwürdigen Mittel gegriffen, diesen Kritikern vorzuwerfen, sie schädigten das deutsche Ansehen im Ausland, wenn man diese Kritik laut werden lasse. Aber in dem gleichen Augenblick ist die Regierung ohne weiteres bereit, diese Abneigung des Auslandes in Kauf zu nehmen, wenn es sich um den Schutz und die Förderung früherer Beamter des Dritten Reiches handelt, denn anders ist ein Teil der Personalpolitik dieser Regierung nicht zu verstehen.
In welchem Maße ehemalige Pgs in leitende Stellen wieder hineingekommen sind — ich lege Wert auf diese Feststellung „leitende Stellen" —, ergab sich am klarsten durch Pressemeldungen der letzten Tage, wonach in einigen Ländern Süddeutschlands die höheren Beamten sich aus nicht weniger als 60 Prozent ehemaliger Pgs zusammensetzen.
Das werden Ihnen, meine Damen und Herren, übrigens die kleinen Pgs auch nicht danken, daß man diejenigen schon überall in den Verwaltungen wieder findet, die diese kleinen Pgs damals zu Mitschuldigen werden ließen und sie ins Unglück gebracht haben.
Das Ziel einer solchen Personalpolitik auf Grund eines Gesetzes, wie es beabsichtigt ist, wird auch durch eine Verordnung der Bundesregierung bewiesen, die sie vor kurzem auf Grund des Artikel 132 des Grundgesetzes erlassen hat. Es handelt sich dabei um die Bestimmung des Grundgesetzes, wonach bis zum 7. März 1950 ungeeignete, aber inzwischen lebenslänglich angestellte Beamte in den Ruhe- oder Wartestand versetzt werden können. Der Sinn dieses Artikels war, die Bundesregierung von der Verpflichtung zu entbinden, alle Beamten der bizonalen Verwaltung zu übernehmen. Auf jeden Fall aber war mit der Verordnung beabsichtigt, politisch unerwünschte Elemente, die inzwischen in den Beamtenkörper hineingekommen waren, bis zum 7. März wieder zu entfernen. Aber was hat man mit dieser Verordnung gemacht? Man hat sie dazu benützt, um sich schützend vor die ehemaligen Pgs zu stellen und damit praktisch zugleich diejenigen zu treffen, die am Aufbau nach 1945 mitgewirkt haben. Denn § 3 dieser neuen Verordnung der Bundesregierung sieht ausdrücklich vor, daß bei der Prüfung über die Eignung eines Beamten seine politische Vergangenheit in der Zeit von 1933 bis 1945 nicht zu berücksichtigen ist.
Diese Politik läßt gar keinen Zweifel offen. Man stellt sich also praktisch schützend vor jene Beamte, die zwölf Jahre Hitler treu gedient haben, und gibt zugleich durch diese Verordnung eine Handhabe, diejenigen zu entfernen, die eben nicht die Verwaltungsroutine besitzen können, weil sie zwölf Jahre außerhalb stehen mußten.
Wohin eine solche Politik ferner führt, ergab sich klipp und klar auch aus der Haltung der Mehrheit dieses Hauses, als ein Antrag meiner Fraktion in der zweiten Lesung abgelehnt wurde, worin wir verlangten, daß diejenigen Beamten, die 1933 auf Grund des sogenannten Berufsbeamtengesetzes aus ihrem Amt herausgesetzt worden waren, obwohl sie alte Berufsbeamte waren, zumindest in der Besoldung ebenso wie die ehemaligen Nazi-Beamten gestellt werden sollten. Sie haben diesen Antrag abgelehnt, und ich frage Sie, meine Damen und Herren, woher Sie das Recht nahmen, diese Opfer der damaligen Willkürgesetzgebung so zu brüskieren und damit auch zugleich diejenigen zu bevorzugen die damals an Stelle der Herausgeworfenen in die Ämter eingerückt sind. Man kann darüber streiten, ob es hier und jetzt notwendig gewesen ist, einen Teil der Wiedergutmachung gegenüber früheren Berufsbeamten durchzuführen; wenn aber Ihre Haltung jetzt dazu führt, daß die damals Geschädigten nun auch künftig noch schlechter als diejenigen bezahlt werden, die als Außenseiter die Berufsbeamten damals verdrängt haben, so ist das doch ein unmögliches Ergebnis.
Die Beratungen vor allem auch im Ausschuß waren recht schwierig; sie waren nicht nur wegen der Materie schwierig. sondern sie waren vor allem schwierig, weil wir das Gefühl hatten, daß auf Ihrer Seite keinerlei Bereitschaft bestand, irgendwie dem Gedanken eines modernen Beamtentums näherzutreten. Wie anders ist denn sonst der Antrag zu verstehen, der im Ausschuß gestellt wurde, daß zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung keinerlei Abänderungsanträge im Ausschuß gestellt werden dürften?
Und dieser Beschluß ist damals durchgegangen. Erst als ich darauf hinwies, daß dieser Beschluß nicht nur eine Verletzung der Geschäftsordnung, sondern — abgesehen von der Frage der Fairneß — eine glatte und klare Verletzung des Grundgesetzes bedeute, und erst als ich erklärte, daß meine Fraktion bei Aufrechterhaltung dieses Beschlusses keine Veranlassung habe, in dem Ausschuß weiter mitzuarbeiten, ist dieser Beschluß aufgehoben worden.
Der Herr Innenminister des Bundes hat in der zweiten Lesung zu dem Beamtengesetz unter anderem erklärt, die Anträge der sozialdemokratischen Fraktion seien undurchsichtig. Nun, ich frage: Was ist denn an unseren Anträgen undurchsichtig? Von einem Antrag, das Grundgesetz nicht zu verletzen und daher die Ermächtigung zu streichen, daß zwei Bundesminister das Recht erhalten, ein
Gesetz zu erlassen, kann man doch wirklich nicht sagen, daß er undurchsichtig ist. Wir sind der Meinung, daß eine Undurchsichtigkeit erst durch die in dieser Ermächtigung liegende Verfassungsverletzung geschaffen wird.
Der Herr Bundesinnenminister hat ferner — und er wurde hierin durch den Herrn Abgeordneten Dr. Wuermeling unterstützt — erklärt, das sei ja eine ganz harmlose Ermächtigung, weil es sich nur um redaktionelle Änderungen handele. Zunächst glaube ich nicht, daß der Ausschuß mehrere Wochen getagt und beraten hätte, um dann lediglich 18 redaktionelle Änderungen vorzuschlagen. Aber das Entscheidende ist doch etwas ganz anderes. Hier haben wir das Hitler-Gesetz von 1937, und auf der anderen Seite haben wir die Aufgabe des Aufbaus der neuen Demokratie mit den dringenden Erfordernissen auch eines neuen Beamtentums. Solche grundlegenden Änderungen sind doch weiß Gott nicht nur redaktioneller Art. Dann würde das ja bedeuten, daß der neue demokratische Staat weiter nichts wäre als eine redaktionell anders gefaßte Ausgabe des Hitler-Reiches.
Der Herr Abgeordnete Dr. Kiesinger hat damals im Zusammenhang mit der Debatte über den Hedler-Prozeß erklärt: „Achten wir nicht den Rechtsstaat, dann bricht eines Tages dieses ganze Gebäude zusammen!" Wer wollte diesen Satz hier bestreiten? Aber ich wüßte nicht, wie man. den Gedanken des Rechtsstaates noch mehr verneinen könnte. als wenn man zu Ermächtigungsmethoden zurückkehrt. die das deutsche Volk schon einmal in ein Unglück gestürzt haben, das heißt zu Ermächtigungsmethoden. mit denen das Parlament das ihm ureigenst zustehende Recht der souveränen Gesetzgebung an zwei Beamte der Exekutive, das heißt an zwei Minister, delegiert.
Wenn der Herr Bundesinnenminister im übrigen von den undurchsichtigen Zielen der SPD sprach, dann frage ich mich: ist es denn ein undurchsichtiger Antrag, wenn wir die Gleichberechtigung der Frauen fordern und wenn wir für eine größere Chance des Einbaus aller verdienten Außenseiter in die Verwaltung sind? Gerade in dieser Forderung liegt doch ein klares politisches Bekenntnis zur Solidarität aller im öffentlichen Dienst stehenden Männer und Frauen, Beamten und Arbeiter. Ich glaube, es wäre für unsere Verwaltung und für unseren neuen Staat sehr gut, wenn auch die Bundesregierung sich von einem solchen Bekenntnis und von einem solchen Gefühl der Solidarität tragen lassen würde.
Es war im übrigen in der zweiten Lesung für uns sehr interessant, wie zögernd manche Mitglieder der Regierungsparteien ihre Stimme bei der Ablehnung unserer Anträge abgegeben haben. Das ist wahrscheinlich kein Zufall, sondern es beruht wahrscheinlich auf einer gewissen Unsicherheit in Ihren Reihen. Es war daher wohl auch kein Zufall, daß der Herr Präsident manchmal oder sehr häufig zur zweiten Abstimmung oder zum Mittel des Hammelsprungs greifen mußte.
So waren es in dem Ausschuß ja auch gerade die Mitglieder der CDU/CSU, die für eine zeitliche Begrenzung dieses Gesetzes eingetreten sind und die sehr gewichtige und sehr überzeugende Gründe angeführt haben, wonach die Beamten auch außerhalb des Dienstes verpflichtet seien, Angriffen auf die neue Staatsform entgegenzutreten. In dem Augenblick aber, als dann der FDP-Antrag im Plenum vorlag, all diese Bestimmungen zu streichen, stimmten die gleichen Abgeordneten, die im
Ausschuß für diese Bestimmung waren, plötzlich gegen ihre frühere Meinung.
Nun hat der Herr Bundesinnenminister erklärt, die Bundesregierung befinde sich in einer Art Notstand, da sie mangels eines Gesetzes keine Beamten ernennen könne. Ich habe bereits in der ersten Lesung darauf hingewiesen, daß wir diese Auffassung nicht teilen; denn die Bundesregierung ist selbst daran schuld, weil sie unter Außerachtlassung der jetzigen Rechtsgrundlage des Gesetzes Nr. 15 dieses Gesetz einfach nicht anerkennen will. Es ist vielleicht heute müßig, zu streiten, warum es zu diesem von der Besatzungsmacht erlassenen Gesetz kommen mußte. Aber nachdem es einmal da war und in seinem Inhalt weitgehend auch dem Ergebnis der Kommissionsbesprechungen in Frankfurt am Main entsprach, hätten gar keine Bedenken zu bestehen brauchen es als eine vorläufige Grundlage anzuerkennen. Wir haben wenig Verständnis dafür, wenn seitens der Bundesregierung die Anwendung eines vorhandenen Gesetzes verweigert wird und sie sich dann gleichzeitig darüber beklagt, daß sie keine rechtliche Grundlage habe.
Gegenüber vielen unserer Anträge in den Ausschüssen und im Plenum ist bei ihrer Ablehnung darauf hingewiesen worden, es handle sich nur um ein vorläufiges Gesetz und man könne alle die mit den Anträgen der SPD aufgeworfenen wichtigen Probleme einer Lösung in der späteren Zeit überlassen. Meine Damen und Herren, Sie müssen begreifen. daß wir zu einer solchen Vertröstung sehr skeptisch stehen. Denn wenn es sich wirklich um eine ernste Absicht handeln würde, nur ein vorläufiges Gesetz zu schaffen. dann fragen wir, warum die auch von der CDU gestellten Anträge und nachher unsere Anträge. diesem eine bestimmte Frist zu geben. im Plenum nicht durchgegangen sind. Der Herr Bundesminister hat vor Pressevertretern seinerzeit von sich aus eine Frist genannt; sie lag im Jahre 1953.
Wie man dann noch von einem vorläufigen Gesetz
sprechen kann, scheint uns nicht ganz erfindlich.
Skeptisch macht uns auch die Erklärung des Herrn Abgeordneten Dr. Wuermeling die Abgeordneten der CDU aus Rheinland-Pfalz, soweit ich das richtig verstanden habe bäten einen Urantrag bei dem Präsidenten des Hauses über die Beratung des endgültigen Gesetzentwurfes eingebracht. Wir kennen diesen Antrag bis heute nicht. aber wenn die Regierungsparteien wirklich überzeugt wären, daß es bald zu einer endgültigen Beratung kommen müßte. dann fragen wir uns doch wohl mit Recht. warum nur ein kleiner Teil der CDU diesen Antrag gestellt hat und nicht die gesamten Regierungsnarteien.
— Ja, warum schließen sich denn die Kollegen der Gesamtfraktion dem Antrag nicht an?
Gerade wenn man die Eilbedürftigkeit dieser Gesetzesvorlage immer wieder betont, dann hätte es doch nahegelegen, einigen Streichungsanträgen der SPD stattzugeben. Denn schließlich war die Streichung von Artikeln eine viel einfachere Arbeit als stundenlange Debatten Ober den Inhalt unserer Anträge. Wir haben daher das Mißtrauen, daß der
Hinweis auf die Vorläufigkeit nur ein Vorwand ist, unsere Anträge totzumachen.
Der Herr Bundesinnenminister hat in der zweiten Lesung ferner erklärt, die sozialdemokratische Fraktion möge doch ihre Anträge zurückziehen. Entschuldigen Sie, Herr Bundesinnenminister, diese Naivität ist doch etwas erstaunlich und wird wohl nur übertroffen durch das sogenannte Idealbild, das der Herr Abgeordnete Dr. Wuermeling uns hier von der Frau unserer Tage entworfen hat.
Viele von uns. meine Damen und Herren, werden bei diesen Schilderungen des Herrn Abgeordneten Dr. Wuermeling ein etwas peinliches Gefühl der Beklemmung nicht losgeworden sein.
Man kann nur fragen. ob denn die Zeit seit 1914 an Herrn Dr. Wuermeling spurlos vorübergegangen ist.
Denn seine Darstellung roch doch sehr stark nach der Vertiko- und Plüschatmosphäre vor dem ersten Weltkrieg. Aber wir halten eine solche Darstellung. eine solche Schilderung politisch für verhängnisvoll; denn die Darstellung des Herrn Dr. Wuermeling geht doch völlig an den Tatsachen vorbei. wie sie sich seit dem Jahre 1900 nun einmal entwickelt haben. Durch was sind denn die Frauen erniedrigt worden? Doch nicht durch die Forderung nach ihrer Gleichberechtigung, sondern doch dadurch, daß sie in zwei Kriegen gezwungen wurden. Munition herzustellen und die Flakgeschütze zu bedienen. also das zu tun. was das leben ihrer Männer, das Leben ihrer Söhne und Bruder vernichtete.
Wenn es eine Zeit gegeben hätte. für die Würde der Frau einzutreten, dann wäre damals im Kriege die richtige Zeit gewesen.
— Sie scheinen in unserer Literatur nicht recht Bescheid zu wissen. Das nehme ich Ihnen aber nicht übel.
Ich möchte zu der Frage des Personalamtes noch deshalb einige Worte sagen, weil diese Frage einen erheblichen Bestandteil der allgemeinen Personalpolitik darstellt. Der Abgeordnete Dr. Wuermeling hat geglaubt, die Arbeit des früheren Personlamts von Frankfurt am Main mit dem Hinweis kritisieren zu müssen, daß auch dieses Personalamt keine Garantie für eine überparteiliche und objektive Handhabung der Personalpolitik gegeben habe.
Nun, meine Damen und Herren, das ist eine Kritik, die sich doch in erster Linie an den damals für die Personalpolitik zuständig gewesenen Herrn Oberdirektor Dr. Pünder hätte richten müssen.
Und ich glaube nicht, daß Herr Dr. Wuermeling in der Lage wäre, auch nur einen einzigen Fall anzuführen, in dem die damalige politische Rechte des Wirtschaftsrates in einer Sitzung interveniert oder interpelliert hätte, weil die Personalpolitik nicht in ihrem Sinne gewesen wäre.
Der Herr Bundesinnenminister — und damit komme ich auf das Personalamt noch einmal zu sprechen — hat seinen Wunsch, die sozialdemokratische Fraktion möge doch ihre Anträge zurückstellen oder zurückziehen, auch damit zu begrün. den versucht, daß er erklärte, die Anträge seien nicht völlig klar durchdacht und konsequent aufgebaut; denn wenn die Abänderungsanträge der Sozialdemokratie angenommen werden würden, dann fehle das in diesen Anträgen vorgesehene Personalamt, das heißt das Gesetz für und über ein Personalamt. Nun, ich bin reichlich erstaunt über die Unwissenheit der Bürokratie im Bundesinnenministerium, denn bereits seit dem 23. Juni 1948 gibt es ein deutsches Gesetz, beschlossen vom Wirtschaftsrat in Frankfurt am Main und veröffentlicht — damit die Herren im Bundesinnenministerium es in den nächsten Tagen auch finden — im Gesetzblatt des Wirtschaftsrates 1948, Seite 57. Das ist ein deutsches Gesetz, kein Besatzungsrecht, und dieses Gesetz ober die Schaffung eines Personalamtes ist — hören und staunen Sie — einstimmig mit den Stimmen der CDU 1948 im Wirtschaftsrat beschlossen worden.
Auf den Hinweis des Herrn Bundesinnenministers, das gelte für die Bizone, brauche ich nur darauf hinzuweisen, daß Artikel 124 des Grundgesetzes ganz klar bestimmt, daß die bizonalen Gesetze Bestandteil der Bundesgesetzgebung werden. Wenn Sie nämlich nicht anerkennen, daß die deutschen bizonalen Gesetze nach diesem Artikel des Grundgesetzes Bundesgesetze geworden sind, dann würden Sie sogar mit Ihrer gesamten Steuergesetzgebung in der Luft hängen. Also man komme uns nicht mit solchen Einwendungen. Bei sorgfältiger Nachprüfung sind sie einfach nicht stichhaltig.
Wie notwendig aber ein solches Amt auch in der jetzigen Zeit wäre, beweist die von mir bereits in der ersten Lesung erwähnte Personalpolitik. Ich will heute nicht wieder auf Einzelfälle eingehen. Aber schon damals konnte ich den Brief des Mitglieds einer Ihrer Regierungsparteien verlesen, der sich in einem Schreiben an den Herrn Bundeskanzler sehr bitter darüber beklagte, daß seine Fraktion bei der Besetzung leitender Posten nicht genügend berücksichtigt worden sei. Dieses Schreiben wird aber in den Schatten gestellt durch einen Brief, der unter dem 11. 2. dieses Jahres von dem noch nicht ernannten, aber so firmierenden Präsidenten der Deutschen Bundesbahn unter dem Aktenzeichen E I POLO/HVB an den Bundesminister für Verkehr gerichtet wird und worin es sich um die Frage einer Personalbesetzung in Köln handelt. Dieses Schreiben des Herrn Hellberg an den Herrn Bundesverkehrsminister, das ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten kurz verlesen darf, sagt:
Zu meinem Schreiben vom 2. 2. 1950 betreffend Einspruch des Ministerialrats Röttger gegen seine Abordnung nach Köln.
Wie ich erfahren habe, ist die Verwendung des Ministerialrats Röttger in Köln unter den Kölner Eisenbahnbediensteten und in dortigen politischen Kreisen vor allem deshalb ableh-
nend beurteilt worden, weil die Vermutung aufgetaucht ist, daß Röttger zur SPD gehöre.
Diese Vermutung hat sich nach meinen Feststellungen als nicht stichhaltig erwiesen.
Abgesehen davon, daß Ministerialrat Röttger hier niemals als zur SPD tendierend hervorgetreten ist, habe ich vielmehr durch glaubwürdige Herren der HVB gehört. daß Ministerialrat Röttger nicht nur nicht Mitglied der SPD
sei, sondern vielmehr der CDU nahestehe. Röttger ist im übrigen auch nicht Mitglied der
Gewerkschaften der Eisenbahner Deutschlands. Das in Köln gegen Herrn Röttger entstandene Vorurteil und Mißtrauen ist mithin sicherlich unbegründet. und die darauf beruhenden Bedenken dürften damit beseitigt sein.
Meine Damen und Herren! Das besagt doch weiter nichts anderes,
als daß, wenn dieser Ministerialrat Mitglied der Gewerkschaften wäre und sich vielleicht sogar noch erkühnen würde, Mitglied der SPD zu sein, oder ihr nahezustehen, dann das Mißtrauen gegen ihn berechtigt gewesen wäre.
Ich glaube, man kann mit nichts Besserem die Notwendigkeit eines objektiven Personalamtes begründen.
Herr Abgeordneter Dr. Wuermeling schloß seine Rede mit den Worten: Hände weg vom Berufsbeamtentum!
Nun, das ist wirklich schlecht zu vereinbaren mit dem Brief, den ich soeben verlesen habe. Aber es ist eine recht billige Methode. Meine Damen und Herren von der politischen Rechten. zeigen Sie uns bitte einen unserer Anträge, die wir gestellt haben, durch den das Berufsbeamtentum in seinen Grundlagen verneint wird.
Sie werden völlig vergebens suchen. Sehen Sie denn nicht die Gefahr, in die Sie die Institution des Berufsbeamtentums durch Ihre starre Haltung bringen, wenn Sie unnachgiebig an jenen Prinzipien, die uns aus dem 17. und 18. Jahrhundert überliefert worden sind, festhalten? Begreifen Sie denn gar nicht die Wandlungen, die auf staatsrechtlichem und gesellschaftspolitischem Gebiet stattgefunden haben? Woher nehmen Sie das Recht, die Beamten wieder in die Zwangsjacke hineinzubringen, in die sie ein absolutistisch-monarchischer Staat hineingesteckt hat? Wollen Sie denn das Beamtentum wieder zum Träger eines Kastengeistes, eines besonderen Klassenbewußtseins machen, nachdem doch gerade nach 1945 so ausgezeichnete Voraussetzungen gegeben waren, das Beamtentum in den modernen Staat, in unsere heutige Situation einzubauen? Sie können doch nicht achtlos daran vorübergehen, daß der Beamte, so wie das Gesetz von 1937 ihn schaffen wollte und leider auch geschaffen hat, zum willen- und würdelosen Werkzeug eines auf Terror und niedrigsten Instinkten aufgebauten totalen Staates geworden ist.
Vergessen Sie doch nicht, welche Entwicklung der alte Polizei- und Obrigkeitsstaat, als das Berufsbeamtentum in seinen Grundlagen entstand, genommen hat, seine Wandlung zum Rechts- und von diesem zum modernen Wirtschafts- und Sozialstaat mit all seinen vielfältigen Bedürfnissen, Aufgaben und Einrichtungen. Wie soll denn dieser moderne Staat seinen Aufgaben gegenüber der in den letzten Jahrzehnten so hart geschlagenen Bevölkerung gerecht werden, wenn nicht auch der Träger seiner Funktionen, der Beamte selbst, eine Wandlung durchmacht? So wie der Staat Friedrich des Großen nicht mehr mit dem unseren zu vergleichen ist, so darf auch der Beamte jener Zeit nicht mehr das Vorbild für die Staatsträger dieses Jahrhunderts sein.
Übrigens wäre es einmal sehr aufschlußreich und sehr gescheit von den Herren der Bundesregierung, draußen in den Verwaltungen jene Hunderttausende zu fragen, die dieses Gesetz unmittelbar interessiert und angeht. Lesen Sie einmal die Entschließungen der Gewerkschaften und der Beamtenbünde! Sie alle wollen von jenem Gesetz von 1937 nichts wissen, und nach unserer Auffassung zeugt das von einem sehr gesunden Sinn der Beamtenschaft.
In der Debatte der zweiten Lesung erklärte der Herr Bundesinnenminister, die Anträge der sozialdemokratischen Fraktion bewiesen letztlich, daß die SPD das Gesetz Nr. 15 wieder wolle. Ich habe namens meiner Fraktion bereits in der ersten Lesung erklärt, daß auch wir zu diesem Gesetz Nr. 15 erhebliche Abänderungen wünschten und daß wir vor allem die große Gefahr einer allzu starken Verbeamtung vermieden sehen möchten. Aber wir haben doch manche seiner Grundsätze für richtig gehalten — und sie beruhten mit auf den Beschlüssen auch der Ausschüsse im bizonalen Wirtschaftsrat in Frankfurt am Main —, weil es unseren Vorstellungen von einem künftigen Beamtenrecht sehr nahe kommt. Daher ist uns die Atmosphäre, aus der das Gesetz kommt, vor allem die Atmosphäre. die dieses Gesetz schaffen will, die liberale Atmosphäre, viel begehrenswerter als jene verstaubten Grundsätze eines preußischen Absolutismus, 1937 mit brauner Farbe übertüncht und mit einigen HitlerSpritzen versehen.
Es ist immer unsinnig, sich dem normalen Wandel der Dinge entgegenstemmen zu wollen. Das gilt auch auf dem Gebiete des Beamtenrechts und der Beamtenpolitik. Überhaupt ist in der Politik der Versuch, sich einer solchen natürlichen Wandlung und Entwicklung entgegenstellen zu wollen, manchmal ein Verbrechen. Den Wee, den die Regierungsparteien gehen wollen, kann die SPD um der Beamten und um der Angestellten willen, aber vor allem um des Neuaufbaus unseres demokratischen Staates willen nicht mitgehen. Wir werden daher dieses Gesetz ablehnen.
Meine Damen und Herren! Ich möchte nur feststellen, daß von den vorgesehenen drei Stunden bereits eine Dreiviertelstunde verstrichen ist.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Wuermeling.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der CDU/CSU hat in der ersten und zweiten Lesung dieses Gesetzes ihre grundsätzlichen Auffassungen so ausführlich zum Ausdruck gebracht, daß wir es nicht für erforderlich halten, bei der dritten Lesung nochmals längere grundsätzliche Darlegungen zu machen, schon um die beschleunigte Verabschiedung im Laufe des heutigen Nachmittags zu ermöglichen. Ich möchte nur nochmals herausstellen, daß es sich bei diesem Gesetz um ein Übergangsgesetz handelt, das nach unserem festen Willen nur eine Anzahl von Monaten gelten soll und an dessen Stelle wir noch im Laufe der nächsten Monate ein neues, endgültiges und dann auch vollendet reformiertes Beamtengesetz setzen wollen.
Sachlich wollen wir uns bei diesen wie bei den künftigen Beratungen als die Hüter der alten guten Idee des Berufsbeamtentums fühlen, die einer Modernisierung des Berufsbeamtentums in voller Aufgeschlossenheit gegenüberstehen.
Meine Damen und Herren! Es wurde von meinen Herren Vorrednern insbesondere über die Frage der Gleichberechtigung der Frauen gesprochen, von der auch wir der Meinung sind, daß sie in der von uns zuletzt vorgesehenen Fassung noch keine endgültige Lösung gefunden hat. Wir glauben aber, daß wir diese Lösung für die Übergangsmonate verantworten können.
Wenn nun Herr Kollege Menzel Ausführungen darüber gemacht hat, was ich anläßlich der zweiten Lesung über die Stellung und die Würde der 1 Frau im sozialen Gemeinschaftsleben gesagt habe, dann, meine Damen und Herren, bedaure ich, daß diese Ausführungen, die sich auf der Ebene einer höheren Ethik bewegten, nicht auf allen Seiten des Hauses verstanden worden sind,
und ich beschränke mich darauf, mit dem Dichterwort zu erwidern:
Es liebt die Welt, das Strahlende zu schwärzen
Und das Erhabne in den Staub zu ziehn.
Meine Damen und Herren! Wenn nun seitens der SPD der Antrag gestellt wird, über § 63 eine namentliche Abstimmung herbeizuführen, so fühlen wir ganz deutlich, worauf dieser Antrag abzielt.
Ziel dieses Antrages ist es nämlich, einzelne Mitglieder dieses Hauses unter Druck zu setzen,
und weil dies das Ziel dieses Antrags ist, haben
wir nicht die Absicht, diesem Antrage zuzustimmen.
Wenn Herr Kollege Menzel weiter Ausführungen über die kürzlich ergangene Durchführungsverordnung der Bundesregierung zu Artikel 132 des Grundgesetzes und über Fragen des Wiedergutmachungsrechts für die naziverfolgten Beamten gemacht hat, so glaube ich, daß ich in diesem Zusammenhang darauf nicht einzugehen brauche, weil
diese Fragen ja nicht im Rahmen des hier zur Erörterung stehenden Gesetzes, sondern außerhalb desselben durch besondere Vorschriften geregelt werden. Was die Wiedergutmachung an den naziverfolgten Beamten angeht, so bin ich überzeugt, daß wir auch mit der SPD hinsichtlich der späteren Formulierung der hier in Betracht kommenden Vorschriften leicht auf eine Linie werden kommen können.
— Weil die Behandlung dieser Dinge im jetzigen Gesetz noch nicht vorgesehen ist und wir ein besonderes Gesetz für diesen Zweck machen wollen. Wenn wir das jetzt eingearbeitet hätten, dann hätte es noch wieder Wochen gedauert, bis wir zur Verabschiedung dieses sachlich sehr dringenden Gesetzes gekommen wären. Das wollten wir vermeiden.
Dann wurde vorher beanstandet, daß dieses Gesetz keine zeitliche Befristung erfahren hat. Meine Damen und Herren! Wir haben uns die Frage einer zeitlichen Befristung sowohl innerhalb unserer Fraktion als auch im Beamtenrechtsausschuß sehr eingehend überlegt und sie hin und her erörtert. Ich erinnere mich genau, daß sogar die SPD-Vertreter sich im Ausschuß, allerdings unter einer bestimmten Voraussetzung, aber sachlich doch schließlich auch einmal gegen eine Befristung des Gesetzes ausgesprochen haben, und zwar aus folgender Erwägung: Wenn wir eine zu kurze Frist wählen, kommen wir dadurch unter Umständen in eine unangenehme Situation und in einen Druck bei der Beratung des endgültigen Beamtengesetzes; wenn wir hingegen eine zu lange Frist wählen, dann wirkt das leicht dahin, daß die Beratungen des endgültigen Beamtengesetzes unter dem Gefühl stehen: Nun, wir haben ja Zeit bis zum Ablauf dieser relativ langen Frist. Aus diesem Grunde haben wir uns gesagt: Wir wollen das Gesetz nicht befristen, sondern wollen praktisch den Willen betätigen, so bald und so schnell und so gut wie möglich ein endgültiges Beamtengesetz an die Stelle dieses vorläufigen Gesetzes zu setzen.
Meine Damen und Herren, dann sagte der Herr Kollege Menzel, daß wir keine Bereitschaft gezeigt hätten, dem Gedanken des modernen Beamtentums Rechnung zu tragen. Ich glaube doch, daß wir in einer ganzen Anzahl von Fällen bei den verschiedensten Paragraphen zwischen Opposition und Regierungsparteien einander so nahe gekommen sind, daß wir uns auf gemeinsame Formulierungen verständigen konnten. Und wenn mein Antrag hier zitiert wurde, der nicht dahin lautete, Anträge zur Änderung des Beamtengesetzes für unzulässig zu erklären, sondern der lediglich besagte, daß wir neue Anträge, die noch zur Änderung des Beamtengesetzes gestellt werden sollten, zurückstellen wollten bis zur Beratung des endgültigen Beamtengesetzes,
so besagt das keineswegs, daß wir derartigen Regelungen grundsätzlich ablehnend gegenüberstehen. Ich glaube, daß wir sagen dürfen: Wir haben in der Beratung im Beamtenrechtsausschuß seitens der Regierungsparteien eine Engelsgeduld aufgebracht, indem wir den erheblichen Zeitverlust immer wieder hingenommen haben, der dadurch entstanden ist, daß seitens der Opposition eine große Anzahl von Anträgen gestellt und eingehend
begründet wurde, die sich letztlich nur bei der endgültigen Regelung des Beamtenrechtes abschließend behandeln ließen. Also der Vorwurf, der hier gemacht wurde, scheint mir nicht begründet zu sein.
Meine Damen und Herren! Ich darf damit in der Generalaussprache die Ausführungen abschließen, die wir seitens der CDU/CSU zu machen haben. Wir legen nicht Wert darauf, Worte zu machen zum Zeugnis dessen, was wir wollen, sondern wir wollen
als Zeugnis dessen, was wir für die Beamtenschaft wollen, dieses Gesetz mit möglichster Beschleunigung verabschieden, damit die Bundesregierung endlich in der Lage ist, die erforderlichen Beamtenanstellungen auf Grund der Vorschriften dieses Gesetzes vorzunehmen.
Präsidenf Dr. Köhler: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Falkner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stehen im Begriff, das vorläufige Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes stehenden Personen zu verabschieden. Meine Fraktion bedauert, daß wir zuerst ein Gesetz verabschieden, das die Rechtsverhältnisse von Personen regelt, die sich wenigstens schon in geordneten Lebensverhältnissen befinden. Wir glauben, daß es notwendiger und besser gewesen wäre, wenn wir uns zuerst der Beamten erinnert hätten, die sich seit Jahren nun ohne Position, ohne Einkommen, ohne Existenzgrundlage, buchstäblich auf der Straße liegend befinden.
Ich darf daran erinnern, daß wir vor dem Hohen Hause am 19. Januar eine Erklärung des Herrn Bundesfinanzministers gehört haben, in der er wörtlich ausführte:
Der Gesetzentwurf über die Regelung der Rechtsverhältnisse der ausgeschiedenen öffentlichen Bediensteten ist in meinem Hause ausgearbeitet und wird mir in Reinschrift übermorgen, am Samstag, zugehen. Er kann dann im Kabinett in der nächsten Woche beraten werden
und in der übernächsten Woche den gesetzgebenden Körperschaften zugehen.
Diese. Erklärung ist hier am 19. Januar abgegeben worden. Heute haben wir den 2. März. Wir hätten es sehr begrüßt, wenn der Herr Bundesfinanzminister die Zusage, die er am 19. Januar gegeben hat, eingehalten hätte. Ich glaube, wir wären dann einer Verpflichtung den Beamten gegenüber, die ohne Existenz sind, nachgekommen, ehe wir jetzt darangehen, die Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes stehenden Personen durch ein Gesetz zu verabschieden.
Seitdem der Beamtenrechtsausschuß die Vorlage dieses Gesetzes behandelt hat, sind dem Ausschuß einige Protesttelegramme und Protesterklärungen von Frauenverbänden zugegangen. Ich habe das loyalerweise hier zu erwähnen, weil im Ausschuß für Beamtenrecht nicht mehr Gelegenheit war, das zu tun.
Für meine Fraktion kann ich zu dieser Frage folgendes erklären. Wir möchten doch die Frauen, die Beamte sind, bitten, Verständnis dafür zu haben, daß es jetzt in einer Zeit, in der Tausende von Beamten ohne Existenz sind,
sehr, sehr schwer verständlich ist, wenn ein Beamter und seine Frau als Beamte im Dienste des Staates stehen.
Das mag später
berechtigt sein, im Augenblick scheint es uns vom
sozialen Standpunkt aus nicht angebracht zu sein.
Ich möchte dem Herrn Abgeordneten Dr. Menzel darin zustimmen, daß eine zeitliche Begrenzung des Gesetzes notwendig ist, und ich möchte die Koalitionsparteien bitten, vor allem Herrn Kollegen Dr. Wuermeling, der zuerst gesprochen hat, von ihrer Meinung abzugehen, daß man das Gesetz nicht zeitlich begrenzen solle. Namens meiner Fraktion bringe ich jedenfalls den Antrag ein, den § 8 der Gesetzesvorlage im letzten Satz, der lautet: Es tritt mit dem Inkrafttreten des endgültigen Gesetzes über den öffentlichen Dienst des Bundes außer Kraft" dahingehend zu ergänzen, daß dieser Satz heißt: „Es tritt mit dem Inkrafttreten des endgültigen Gesetzes über den öffentlichen Dienst des Bundes, spätestens am 31. 12. 1950 außer Kraft". Ich glaube, wir müssen im Laufe dieses Jahres im Beamtenrechtsausschuß Zeit finden und wir werden die Zeit finden, das endgültige Beamtengesetz zu beraten.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bucerius.
Meine Damen und Herren! Ich muß noch einmal auf den § 3 Ziffer 9 des Beamtengesetzes zurückkommen, der die Entlassung weiblicher Beamten bei ihrer Verehelichung betrifft. Einige meiner Freunde stimmen mit der von der Mehrheit meiner Fraktion vertretenen Auffassung in dieser Beziehung nicht überein. Sie werden trotzdem zum Teil nicht gegen die in der zweiten Lesung beschlossene Fassung stimmen und haben mich gebeten, die Gründe hierfür kurz bekanntzugeben. Wir sind allerdings der Auffassung, daß Artikel 3 des Grundgesetzes nicht nur geltendes und alsbald anzuwendendes Recht ist, sondern auch Richtlinien für den Gesetzgeber enthält.
Herr Abgeordneter Dr. Bucerius, ich darf Sie einen Moment unterbrechen, und ich darf weiter an das Haus appellieren, die Ruhe zu bewahren. Es war bisher allgemein so angenehm ruhig. Ich bitte, die Ruhe bis zum Schluß der allgemeinen Beratung beizubehalten.
Es mag sein, daß der Artikel 117 für eine Übergangszeit die Beibehaltung des bisherigen Rechtszustandes, nicht nur des Gesetzgebungswortlautes ausdrücklich gestattet, und es muß zugegeben werden, daß die Fassung der Gesetzesvorlage, die sie in der zweiten Lesung gefunden hat, gegenüber dem bisherigen Recht eine Verbesserung darstellt. Wir meinen aber, daß der Verfassungsgesetzgeber gar nicht mit der Möglichkeit gerechnet hat, man werde
an eine Neuordnung des Beamtenrechts herangehen und die durch Artikel 3 zwingend vorgeschriebene Gleichstellung nicht vollziehen.
Leider haben sich jedoch — weder zum Nutzen der Frauen noch der Beamten —die Fronten in diesem Hause derart versteift, daß das Gesetz bei einer unnachgiebigen Haltung unsererseits zu scheitern droht. Wenn wir nämlich auf unseren Wünschen beharren würden, würden die Gegner des Gesetzes auf der einen Seite mit den Gegnern der besonderen Bestimmung auf der anderen Seite gemeinsam stimmen und dadurch idas Gesetz überhaupt zu Fall bringen. Das wäre unerträglich, wie nicht weiter dargelegt zu werden braucht. Vor allen Dingen würden die bisher durch die Fassung der zweiten Lesung erreichten geringen Fortschritte zugunsten der Frauen wieder in Wegfall kommen. Allein diese beiden Gründe haben uns davon abhalten können, unsere Forderungen schon bei diesem vorläufigen Gesetz durchsetzen zu wollen.
Meine Damen und Herren! Wir verkennen keineswegs den Ernst der von beiden Teilen für ihre Auffassung vorgebrachten Gründe; vor allem nicht die Erwägung, daß in Zeiten großer allgemeiner Not der Staat nicht beiden Ehegatten das Beamtenbrot geben könne. Aber auch hier hätte sich nach unserer Auffassung eine Formulierung finden lassen, die Männern und Frauen gleiche Rechte gibt. Leider ist es nicht gelungen, für eine entsprechende Formulierung eine Mehrheit zu finden.
Wir werden bei der sogleich beginnenden Arbeit an dem endgültigen Beamtengesetz nicht zögern, unseren Standpunkt mit Nachdruck zu vertreten, und hoffen auf zahlreiche Bundesgenossen!
Meine Damen und Herren! Wenn keine weiteren Wortmeldungen zu der allgemeinen Besprechung der Grundsätze der Vorlage erfolgen — ich darf feststellen, daß das nicht der Fall ist —, dann schließe ich im Sinne der Geschäftsordnung die allgemeine Besprechung der Grundsätze der Vorlage.
Wir kommen nunmehr zur Einzelbesprechung. Ich bitte, die in Frage kommenden Drucksachen, die ich vorhin aufgerufen habe, zur Hand zu nehmen. Grundlegend sind die Drucksachen Nr. 569 und 497 mit den entsprechenden Abänderungsanträgen, die ich vorhin bekanntgegeben habe.
Ich rufe zunächst die Paragraphen auf, zu denen keine Abänderungsanträge vorliegen. Wer für die §§ 1, - 2, — 3, Ziffer 1, — Ziffer 2, — und Ziffer 3 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit.
Meine Damen und Herren! Wir kommen dann zu dem Abänderungsantrag der SPD auf Drucksache Nr. 594 Ziffer 1, eine Ziffer 3 a einzufügen. Ich frage, ob das Wort dazu gewünscht wird. - Das Wort hat Frau Abgeordnete Albrecht.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Meine politischen Freunde und ich sind nach wie vor der Meinung, daß in § 10 der Absatz 2 Ziffer 4 des deutschen Beamtengesetzes von 1937 zu streichen sei, weil er in die persönlichsten Rechte der Frauen eingreift. Der Herr Kollege Nowak war so liebenswürdig, uns darauf aufmerksam zu machen, wie schrecklich es sei und was alles geschehen könne, wenn ein Zollbeamter mit einer Frau, die einen Zigarrenladen besitzt, verheiratet wäre. Was aber könnte geschehen, wenn eine Beamtin mit einem Mann, der einen Gewerbebetrieb besitzt, verheiratet ist? Muß er dann zu der vorgesetzten Behörde seiner Frau gehen, um sich ebenfalls dort die Erlaubnis zur Führung seines Gewerbebetriebs einzuholen? Ist dann weniger die Gefahr einer Korruption gegeben als im umgekehrten Falle, oder treffen die Bedingungen in diesem Falle, weil der Mann der Besitzer eines Gewerbebetriebs ist und die Frau sich im Beamtenverhältnis befindet, nicht zu? Sind bei der Beurteilung dieser Frage der Gleichberechtigung nicht doch einige Konkurrenzzöpfchen bei den verehrten Herren Kollegen übriggeblieben? Ganz zweifellos hat der feminine Teil der Zivilisation seit der Jahrhundertwende eine Emanzipation erfahren. Diese Erscheinung muß man heute als eine entwicklungsgeschichtlich gegebene ansehen, als eine zwangsläufige Folge der Entwicklung der gesamten Menschheit zum Geistigen und Abstrakten. Die Frauen waren die Hauptleidtragenden der beiden verlorenen Kriege.
— Falls das die Herren nicht interessiert, können sie ja das Plenum verlassen.
Meine Damen und Herren! Es redet eine Frau!
Die Frage ist doch zu ernst und zu wichtig.
— Wenn Sie sprechen, schweigen wir auch. Sie behaupten immer, wir könnten weniger schweigen als Sie, meine Herren. Nun sprechen wir. Also schweigen auch Sie bitte einmal für diese wenigen Minuten!
Die Frauen wurden in den Kriegsdienst gepreßt, und sie haben die entsetzlichen Wirren, die gesamte Not des Lebens unmittelbar an sich selbst erfahren. Vielleicht ist die Frau, entwicklungsgeschichtlich gelenkt, teils durch die von Männern hervorgerufenen Mißstände gezwungen, in der Lage, durch die Intitiative nochmaliges Unheil von der Menschheit abzuwenden und somit, allgemein gesehen, zum Freund und Kameraden des Mannes zu werden. Helfen Sie darum — ich bitte Sie darum —, einen Artikel zu beseitigen, der längst der Vergangenheit angehört. Ich werde mir erlauben, noch ein wenig deutlicher zu werden bei der Besprechung des Artikel 63.
Ich bitte Sie, wenn Sie Ihre moderne Haltung, die Sie in der zweiten Lesung zu § 28 bewiesen haben, beibehalten wollen, unserem Antrage zuzustimmen, daß Sie so, wie wir vorgeschlagen haben, die Streichung vornehmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Kleindinst.
Meine Frauen und Herren! Nach dem § 10 Ziffer 4 bedarf nicht die Frau, sondern der Beamte zum Betrieb eines Gewerbes im Sinne der Gewerbeordnung durch seine Ehefrau der Genehmigung seiner Behörde. Ich bitte, diese Bestimmung nicht unter dem Gesichtspunkt der Gleichberechtigung zu betrachten.
— Sie ist lediglich eine Bestimmung im Interesse des Staates, im Interesse der Behörde.
— Er diskriminiert nicht die Frau, sondern er will die Garantie schaffen, daß auch in der Öffentlichkeit keine Vorwürfe gegenüber dem Beamten auch nur vermutet werden; nicht gegenüber seiner Frau, sondern gegenüber dem Beamten. Wir haben uns sehr wohl überlegt, ob die Bestimmung jetzt noch weiter notwendig ist. Ich halte sie aber für notwendig, und zwar deshalb, weil wir uns geradezu in einer solchen Korruptionspsychose befinden, daß alles geschehen muß, um zu verhüten, daß auch nur der Verdacht besteht, daß der Beamte im Interesse des Geschäfts seiner Ehefrau irgendwie tätig wird. Und darauf liegt das Schwergewicht. Mit der Gleichberechtigung der Frau und des Mannes hat diese Bestimmung nie etwas zu tun gehabt, und sie hat auch heute damit nichts zu tun.
Dazu muß ich weiter sagen, daß die Behörde auch ein Interesse hat, einen Überblick zu besitzen, inwieweit Frauen ihrer Beamten privatwirtschaftlich, geschäftlich tätig sind. Nur der Sicherheit halber und der Vorbeugung halber gegen — wenn auch unbegründeten — Verdacht ist diese Bestimmung geschaffen, und deshalb muß sie
im Interesse des öffentlichen Dienstes aufrechterhalten werden.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Wessel.
Meine Herren und Damen! Ich möchte zu unserem Abänderungsantrag Drucksache Nr. 596 kurz Stellung nehmen.
Die Zentrumspartei ist sich sicherlich der Tatsache bewußt, daß sich Schwierigkeiten ergeben haben gerade bei der Frage — —
Frau Abgeordnete, darf ich Sie einmal einen Moment unterbrechen. Wir kommen sofort zu dem Antrag Drucksache Nr. 596, nämlich zu der Stelle des Paragraphen, zu dem der Antrag gehört.
Er gehört aber zu § 3 Ziffer 9.
Gut! Wir sind aber ja erst bei Ziffer 3 a.
Wir sind doch jetzt bei der Behandlung dieser Frage.
Pardon! Nach der Geschäftsordnung erfolgt die Einzelbesprechung der Paragraphenreihe nach. Darf ich Sie darauf aufmerksam machen. Bitte, fassen Sie das nicht falsch auf.
Nein, ich bin bereit, auch gleich dazu zu sprechen.
Wenn Sie zu dieser vorliegenden Sache etwas sagen wallen, dann steht Ihnen das Wort. frei.
Dann möchte ich zur Frage der Gleichberechtigung von Mann und Frau in § 3 des Beamtengesetzes sprechen und gerade aus den Erfahrungen, die wir bei der zweiten Lesung dieses Paragraphen gemacht haben, feststellen, daß wir uns der Tatsache durchaus bewußt sind, daß sicherlich für beide Geschlechter bei dem Beamtenverhältnis Spannungen bestehen können und auch die Fragen, die hier angeschnitten worden sind, die Not der Arbeitslosen, der Spätheimkehrer, der Ostvertriebenen, so ausgewertet werden, als wenn dieses Problem dadurch gelöst werden könnte, daß ein Teil von verheirateten Beamtinnen ausscheidet. Ich möchte aber darauf hinweisen, daß diese Frage mit der grundsätzlichen Gleichberechtigung der Frau im Grundgesetz vereinbart werden muß. Ich halte es auch nicht für richtig, wenn man die Dinge so darstellt, wie es hier auch heute wieder geschehen ist, als wenn wirklich nur aus ethischen oder metaphysischen Gründen eine übermäßig große Sorge dafür maßgebend wäre, wie man die Frauenfrage sieht.
Meine Herren und Damen, ich glaube, wir müssen davon ausgehen, daß es unser gemeinsames Anliegen sein müßte, die Stellung der Frau im Beamtengesetz — auch wenn es sich um eine vorläufige Regelung handelt — doch ganz klar und eindeutig herauszustellen.
Trotz dieser grundsätzlichen Haltung sehe ich aber auch die Schwierigkeiten und glaube, daß eine ähnliche Abstimmung zu ungunsten der verheirateten Beamtin erfolgen wird, wie sie bei der zweiten Lesung geschehen ist. Darum möchte ich im Interesse der verheirateten Beamtin folgenden Abänderungsantrag der Zentrumspartei bekanntgeben:
Ein weiblicher Beamter ist im Falle seiner Verehelichung zu entlassen, wenn er es verlangt. Im übrigen kann bei Verehelichung einer Beamtin das Ruhen ihrer Beamtenrechte für die Dauer ihrer wirtschaftlichen Versorgung angeordnet werden, wenn der Ehemann in einem Beamtenverhältnis steht, mit dem ein Anspruch auf Ruhegehalt verbunden ist.
Die Zentrumspartei glaubt, mit diesem Änderungsantrag zu erreichen, daß die Rechte der verheirateten Beamtin auf jeden Fall gewahrt bleiben. Wir haben heute genug Erfahrungen gemacht, daß manche verheiratete Beamtin zum Träger der Familie geworden ist. Wir möchten aus diesen Gründen, weil uns die Familie ein wirklich hohes Anliegen ist, unter allen Umständen erreichen, wenn die sozialdemokratische Forderung nicht die Mehrheit dieses Hauses findet, daß zum mindesten dieser Abänderungsantrag angenommen wird, damit es der verheirateten Beamtin ermöglicht wird, wenn ihre wirtschaftlichen Verhältnisse sich ändern sollten, wieder in ihren Beruf zurückzukehren. Ich glaube, das ist ein Anspruch, der durchaus vom rechtlichen Standpunkt aus begründet ist und der auch von den sonstigen Anhängern einer nicht schematischen Gleichberechtigung, wie sie hier dargestellt worden ist, erhoben werden kann.
Meine Damen und Herren! Darf ich ausdrücklich fragen: wird das Wort
weiter zum Abänderungsantrag Nr. 594 Ziffer 1 gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Miessner!
Meine Damen und Herren! Die Deutsche Reichspartei kann sich in diesem Falle, obwohl sie grundsächlich die Beamtenrechte in der Form, wie sie von den Regierungsparteien vertreten werden, hochhält, der Fassung der Regierungsparteien nicht anschließen. Meines Erachtens würde es tatsächlich einen Schritt ins finstere Mittelalter bedeuten,
wenn man hier letzten Endes die Frau praktisch doch wieder gegenüber dem Mann diskriminiert. Wir haben einen eigenen Antrag nicht gestellt, möchten aber erklären, daß wir uns vollinhaltlich dem Antrag der Zentrumsfraktion anschließen. Ich glaube, das ist der geeignete Weg, der in diesem Falle der Interessenlage Rechnung trägt. Die Frau scheidet aus dem Platz, den sie einnimmt, aus. Sie macht, was in gewissen Not- und Krisenzeiten immerhin von Wert sein kann, den Arbeitsplatz an sich frei, behält aber grundsätzlich ihre Beamtenrechte. Sie würde dann etwa so stehen wie die Beamten, die zur Zeit im Bundestag sind, die im Augenblick ihren Platz nicht ausfüllen, die aber nach der Legislaturperiode wieder in ihre alten Beamtenrechte zurückfinden können.
Ich glaube, daß dies tatsächlich der richtige Weg ist, eine Mittellösung zu finden, ohne die Frau einerseits zu diskriminieren, andererseits aber den Lebensverhältnissen Rechnung zu tragen.
Meine Damen und Herren! Darf ich eine geschäftliche Bemerkung machen. Die Aussprache ist im Sinne der Geschäftsordnung doch nicht so gelaufen, wie sie hätte laufen müssen. Zur Aussprache stand nur der Antrag auf Drucksache Nr. 594 Ziffer 1. Das ist weder eine Kritik an der Frau Rednerin noch eine Kritik an dem Herrn Redner. Aber ich möchte jetzt ausdrücklich darauf hinweisen, daß dann die Ausführungen, die inzwischen zu Nr. 596 gemacht worden sind, wie ich wohl annehmen darf, bei der Abstimmung bereits als geschehen angesehen werden. Darf ich das besonders von der Frau Antragstellerin annehmen.
Ich frage jetzt noch einmal: wird das Wort zum SPD-Antrag Nr. 594 Ziffer 1 gewünscht? — Ich stelle fest: das ist nicht der Fall.
Zur Abstimmung Herr Abgeordneter Dr. Menzel!
Wir beantragen namentliche Abstimmung.
Die SPD beantragt namentliche Abstimmung. Geschieht das im Namen der Fraktion?
— Schön, dann ist der Antrag von mehr als 50 Mitgliedern unterstützt.
Dann lasse ich über diesen Antrag abstimmen, ob über den Abänderungsantrag Drucksache Nr. 594 Ziffer 1 eine namentliche Abstimmung stattfinden soll. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. —
Ich glaube, das letzte ist die Mehrheit. Wir sind hier oben zu dieser Überzeugung gekommen.
Ich stelle das fest.
— Es ist die Mehrheit, jawohl, bei einigen Enthaltungen. Also ist der Antrag auf namentliche Abstimmung als abgelehnt zu betrachten.
Meine Damen und Herren, wir kommen dann zur Abstimmung über den Antrag selbst. Wer für den Abänderungsantrag Drucksache Nr. 594 Ziffer 1 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; demnach ist der Antrag abgelehnt.
Wir kommen jetzt zu Ziffer 4 und 5. Wer für Ziffern 4 und 5 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Verzeihung, da liegt kein Abänderungsantrag vor. Besteht Klarheit, worüber abgestimmt wird?
— Ich wiederhole noch einmal. Es handelt sich um die Beschlüsse zweiter Beratung Drucksachen Nr. 569 und 497. Wer für Ziffern 4 und 5 des § 3 der Drucksache Nr. 497 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. —
— Besteht jetzt Klarheit, worüber wir abstimmen?
— Ich glaube doch, es haben alle verstanden. Ich bitte also um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit.
— Meine Damen und Herren, ich hatte zweimal festgestellt: Ziffern 4 und 5.
Wir kommen jetzt zu Ziffer 5 a. Auch da liegt kein Abänderungsantrag vor.
- Es liegt kein Abänderungsantrag vor! Es handelt sich um Ziffer 5 a in der Fassung der Beschlüsse zweiter Lesung, und da liegt kein Abänderungsantrag vor. Also Ziffer 5 a! Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Bitte um die Gegenprobe. — Zweifellos mit Mehrheit beschlossen.
Nun, meine Damen und Herren, kommen wir zu Ziffer 6. Dazu liegt vor zunächst einmal der Abänderungsantrag der Fraktion der SPD, Drucksache Nr. 594 Ziffer 2, ferner der Abänderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP, Drucksache Nr. 643, die in ihrem Buchstaben a gleichlautend sind. Nach beiden Anträgen sollen die Worte „fünf Jahre" ersetzt werden durch die Worte „drei Jahre".
Ich eröffne die Aussprache über diese beiden Abänderungsanträge. Wer wünscht das Wort? — Ich stelle fest: das Wort wird nicht gewünscht.
Dann schreiten wir zur Abstimmung. Ich darf wohl annehmen, daß die beiden Antragsteller damit einverstanden sind, wenn wir über beide Anträge gleichzeitig abstimmen, soweit es sich um die Ziffer a des Antrags Drucksache Nr. 643 und Ziffer 2 des Antrags Drucksache Nr. 594 unter a handelt. Wer für diese beiden Anträge
ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Fast einstimmig angenommen.
Wir kommen jetzt zum Antrag Drucksache Nr. 594 Ziffer 2, und zwar b, und gleichzeitig zu dem Antrag Drucksache Nr. 643 unter b: hinter 28 wird 28 a eingefügt. Wird dazu das Wort gewünscht? — Es wird nicht gewünscht.
Der Antrag Drucksache Nr. 594 Ziffer 2, und zwar unter b, ist der weitergehende. Ich lasse zunächst über diesen Antrag abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Damit kommen wir zur Abstimmung über den Antrag Drucksache Nr. 643 unter b. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. Ich bitte um die Gegenprobe. — Das war fast einstimmig. — Dann würde nunmehr also die Ziffer 6 die Fassung haben, wie sie eben beschlossen ist, das heißt in bezug auf a und auf b nach Antrag Drucksache Nr. 643.
Zu den beiden nächsten Ziffern 7 und 8 liegen keine Abänderungsanträge vor. Wer für die Ziffern 7 und 8 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit großer Mehrheit — bei Enthaltungen — angenommen.
Meine Damen und Herren, wir kommen nunmehr zu Ziffer 9. Dazu liegen die Anträge Drucksache Nr. 594 Ziffer 3 und Nr. 596 vor. Über den Antrag Drucksache Nr. 596 wollen die Antragsteller, so darf ich annehmen, wohl nicht noch einmal sprechen, weil dazu schon gesprochen worden ist. Darf ich das feststellen, Frau Abgeordnete Wessel?
Wird das Wort zum Antrag Drucksache Nr. 594 Ziffer 3 gewünscht? — Bitte, Frau Abgeordnete Albrecht!
Der Antrag der Zentrumspartei verstößt gegen das Grundgesetz. Er beschränkt die Rechte der Frau. Wir können deshalb diesem Antrag nicht zustimmen und werden uns der Stimme enthalten.
Wird das Wort weiter gewünscht? — Bitte schön, Herr Abgeordneter Kleindinst.
Meine Frauen
und Herren! Sie dürfen versichert sein, daß wir die Frage der Gleichberechtigung der Frauen im Zusammenhang mit dem Beamtenrecht eingehend gewürdigt haben. Wir bekennen uns absolut zu der Bestimmung des Grundgesetzes, die wir — es sind eine Reihe von Mitgliedern dieses Hauses dabeigewesen — mitgebildet und mitbeschlossen haben. Ich mache aber darauf aufmerksam: wir waren uns im Parlamentarischen Rat durchaus klar, daß es einer Übergangszeit bedarf, in der das gesamte Recht, das Privatrecht und das öffentliche Recht
an diesen Grundsatz angepaßt werden muß. Deshalb haben wir den Artikel 117 in das Grundgesetz eingefügt. Wir machen nur von dieser Ermächtigung Gebrauch, wenn wir für die nächsten schweren Jahre die Bestimmung in abgeschwächter Form noch beibehalten, daß die Frau, die im Beamtenverhältnis steht, ausscheiden kann — nicht ausscheiden muß —, wenn das notwendig ist. Wir haben uns wirklich vor die Gewissensfrage gestellt, ob es in diesen nächsten schweren Jahren 1950, 1951, 1952 wichtiger ist, den Grundsatz der Gleichberechtigung ohne Rücksicht auf die sozialen Verhältnisse durchzuführen und sofort durchzuführen, oder ob es im Hinblick auf die große Zahl von Bewerberinnen aus den Kreisen der jungen Kriegerwitwen und der Töchter notwendig ist, diesem sozialen Bedürfnis sofort Rechnung zu tragen. Wenn Sie würdigen, daß allein in der Verwaltung für Post- und Fernmeldewesen 70 000 Frauen beschäftigt sind, von welchen 13 000 verheiratet sind, so werden Sie die Schwierigkeiten der arbeitsmarktpolitischen Lage und der Aufgaben, die hier vor uns liegen, nicht in Abrede stellen können.
Ich mache weiter darauf aufmerksam, daß seit dem ersten Weltkrieg, in dem die Frauen zum ersten Mal in großer Zahl in die Verwaltung eingetreten sind, die Frage des Doppelverdienens in der Öffentlichkeit von den Gewerkschaften und Betriebsvertretungen immer wieder stark betont worden ist. Wir würden für die nächsten Jahre dieses Doppelverdienen legalisieren, wenn wir die Gleichberechtigung jetzt sofort verwirklichen würden.
Ich weise darauf hin, daß man angesichts der sozialen Verhältnisse, wie sie sich jetzt gestaltet haben, diesem Gesichtspunkt absolut Rechnung tragen muß.
Im übrigen kann ich Sie versichern: wir werden bei der Schaffung des endgültigen Beamtengesetzes diese Frage der Gleichberechtigung unbedingt berücksichtigen. Wir bekennen uns grundsätzlich zur Gleichberechtigung der Frau, und wir werden dann — —
Aber bitte! Das ist ein unparlamentarischer Ausdruck, den ich zurückweisen muß! Es schmust hier keiner, es redet jeder nur!
Ich habe Ihnen gesagt, Herr Kollege: wir tragen in diesen drei Jahren den schweren sozialen Verhältnissen, unter denen wir fast in jeder Sitzung von der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sprechen, Rechnung. Daß diese Notwendigkeit besteht, läßt sich doch nicht bestreiten!
Wir müssen jede Gelegenheit benützen, einen
Beitrag zu der Lösung des Problems zu leisten,
nicht auf Kosten der Frauen, sondern zugunsten
der Frauen, die jetzt vor den Toren der. Verwaltung stehen und Eingang suchen, weil sie Verdienst brauchen. Es sind gerade die jungen
Kriegerwitwen, die Kriegerwaisen, die jetzt draußen stehen. Deshalb halten wir es für eine Gewissenspflicht, diesen sozialen Verhältnissen in den nächsten Jahren noch Rechnung zu tragen. Dann werden wir, gleichgültig, wie die Verhältnisse liegen, zu dem in Frage kommenden Termin den Grundsatz der Gleichberechtigung verwirklichen.
Herr Abgeordneter Dr. Menzel, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal ganz kurz die Stellungnahme meiner Fraktion zu dem Antrag des Zentrums begründen. Zweifellos stellt der Antrag der Zentrumsfraktion eine Verbesserung gegenüber der jetzigen Fassung des Gesetzes dar, und ebensowenig ist es zweifelhaft, daß wir uns über jede Verbesserung auf diesem Gebiet freuen würden. Aber wir stehen vor folgender Schwierigkeit:
Der hier schon mehrfach zitierte Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes sagt: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt". Es heißt dann allerdings in den Übergangsbestimmungen, und zwar in Artikel 117 Absatz 1:
Das dem Artikel 3 Absatz 2 entgegenstehende Recht bleibt bis zu seiner Anpassung an diese Bestimmung des Grundgesetzes in Kraft, jedoch nicht länger als bis zum 31. März 1953.
Das bedeutet mithin, daß, soweit ungleiches Recht besteht, es zur Zeit noch gültig bleibt, aber bis Ende März 1953 außer Kraft gesetzt werden muß. Da aber, wo wir Gesetze ändern, wo wir neues Recht auf diesem Gebiet setzen,
muß die Gleichberechtigung der Frau gemäß Artikel 3 Absatz 2 durchgeführt werden. Wir können nicht neues Recht auf diesem Gebiet setzen, das die Gleichberechtigung der Frau nicht ausdrücklich anerkennt.
Im übrigen darf ich auch noch auf den Absatz 3 des Artikel 3 hinweisen, der lautet:
Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.
Hinsichtlich dieses Absatz 3 des Artikel 3 gibt es in den Übergangsbestimmungen keine Sperrvorschrift, er ist also schon jetzt gültiges Recht. Daher würde auch der Antrag des Zentrums diesen Vorschriften des Artikel 3 Absatz 2 und 3 und des Artikel 117 widersprechen. Wir können leider nicht dazu die Hand bieten, neues Recht zu setzen, das dem Grundgesetz widerspricht.
Wird das Wort weiter gewünscht? — Frau Abgeordnete Albrecht, bitte. Zu 594 Ziffer 3 und 596 natürlich!
Meine Herren und Damen! Der § 63 des Deutschen Beamtengesetzes von 1937 stellt die Frau unter ein Sonderrecht. Er verletzt im wesentlichen Artikel 33 Ziffer 2 des Grundgesetzes. Die Leistungen und Fähigkeiten, nicht allein die wirtschaftliche Versorgung, sind entscheidend für den Zugang und, analog dieser Vorschrift, auch für den Verbleib im öffentlichen Dienst. Es werden nur diejenigen Beamtinnen betroffen werden, die einen Beamten heiraten. Eine Beamtin aber, die einen Mann aus einem freien oder Wirtschaftsberuf mit viel höherem Einkommen heiratet, kann im Amt bleiben, während eine Kollegin mit viel bescheidenerem Einkommen ausscheiden müßte. Die Beamtin würde also grundsätzlich gezwungen werden, zwischen Beruf und Ehe zu wählen. Die Zeitverhältnisse haben aber die Verbindung von Beruf und Ehe längst als möglich und notwendig bewiesen, und die Frauen haben sich in allen Erwerbs- und Berufszweigen, auch als Beamtinnen bewährt, das ganz besonders bei der Post und bei anderen wichtigen Behörden. Aus vielen Ämtern ist die Frau heute einfach nicht mehr fortzudenken.
Wer bestimmt, wann die Versorgung als gesichert erscheint, und das auf die Dauer? Ist die Garantie einer Objektivität durch eine männliche Überprüfung solcher Fälle gewährleistet? Ich wage das zu bezweifeln. Die Zuschriften, die ich aus vielen Teilen Westdeutschlands erhalten habe, bestätigen dies. Es sind mir Fälle bekannt geworden, die das Gesetz umgehen, indem man sich scheiden und die Wohn-, Familien- und Kassenverhältnisse weiter bestehen läßt. Bei klarer und eindeutiger Formulierung dieses § 63, in dem alles, was gegen das Grundgesetz verstößt, gestrichen werden muß, wird der Unmoral solcher Ehescheidungen ein Riegel vorgeschoben. Da Herr Wuermeling in so pathetischen Worten das Hohelied der Frau und Mutter sang, ist ihm hier Gelegenheit gegeben, durch Zustimmung zu der Abänderung des § 63 zu beweisen, daß seine Worte ernst gemeint sind.
Sie sagten unter anderem dem Sinn nach, Herr Wuermeling, ich zitiere Sie nicht wörtlich, die christlichen Frauen verbitten es sich, den Männern gleichgestellt zu werden.
— Oder wollen nicht, das kommt dem Sinne nach auf dasselbe heraus.
Ich kenne Sie alle.
Wollen Sie damit behaupten, daß wir, die wir uns für die Gleichberechtigung von Männern und Frauen einsetzen, nicht christlich sind? Sie irren sich, wenn Sie annehmen, daß nur Sie die christlichen Frauen vertreten. Aus Ihrer eigenen Fraktion kam wegen dieser Fassung, wegen dieses Satzes Widerspruch.
Die bayrische Vorsitzende der CSU-Frauen protestierte ebenfalls im Namen der christlichen, in Bayern wohnenden Frauen, und ich protestiere für die religiösen Sozialistinnen und als Quäkerin.
Herr Professor Schmid und Herr Abgeordneter Dr. Gerstenmaier, darf ich bitten, keine Zwiegespräche zu führen.
Sie sollten wissen, daß der Gedanke und die Idee der Demokratie im Quäkertum am klarsten und saubersten enthalten sind. Ihre Worte, Herr Wuermeling, wären passend gewesen in einer Zeit, als man noch Petroleum in der Hängelampe brannte und die drei großen K — ich brauche sie nicht im einzelnen besonders zu nennen — ausschließlich das Privileg der Frauen waren. Vielleicht erinnern sich einige ihrer nicht mehr an diese drei großen K: Kinder, Küche, Kirche. Jedes zu seiner Zeit, und jedes an seinem Platz!
Aber stellen Sie nicht diese Dinge in dieser Zeit
heraus, in der Chaos und Turbulenz einander ablösen und die Frauen sich bemühen, das Schicksal ihres leidgeprüften Volkes in gemeinsamer und kameradschaftlicher Arbeit mit den Männern zu verbessern und eine schönere und bessere Zeit herbeizuführen.
Verehrte Kollegen und Kolleginnen! Ich bedaure diese Diskussion in diesem Hohen Hause.
Es ist unglaublich, daß man sich auf das Podium stellen muß, nachdem im Parlamentarischen Rat über diese Dinge gesprochen worden ist und ein grundsätzlicher Abschluß geschaffen wurde, und daß diese Dinge zu einer solchen Debatte führen müssen. Wir dürfen nicht allein von uns aus, die wir hier sitzen und tagen, ausgehen. Wir machen die Gesetze nicht für uns allein — ich habe es auf diesem Platz schon einmal gesagt —, sondern wir machen Gesetze für das Volk und haben für das Volk und an das Volk zu denken.
Darum sollte man in diesem Hohen Hause eine solche Diskussion, wie sie voraufgegangen ist, in der man die Gleichberechtigung der Frau zwar betont, sie aber nicht absolut durchführen will, beiseite lassen. Draußen hören die Frauen und Männer diesen Dingen zu.
Gestatten Sie, es ist etwas Eigenartiges um die Haltung derjenigen, die sich als Krone der Schöpfung bezeichnen. Immer dann, wenn die Zeiten unruhig und unnormal sind, will man auf Kosten der Frau für sich Dinge beanspruchen, die der Gemeinschaft zugute kommen sollten. Nach all dem, was voraufgegangen ist, haben Sie kein Recht, meine Herren - ich richte es an jede Adresse —, immer wieder noch die Lebensunterschiede, die Berufs- und Arbeitsunterschiede herauszustellen. Ich weiß, daß es Arbeitslose gibt; ich weiß, daß es eine Unmenge unverheirateter Beamtinnen gibt, die für ihr Kind oder mehrere Kinder zu sorgen haben. Es gibt eine Unmenge Kriegerwitwen, die die Ernährerinnen .ihrer Kinder sind, und an die heißt es auch denken! Sie denken an Ihre männlichen Kameraden, aber niemals an die weiblichen Kameraden!
Ich bitte, die Rednerin anhören zu wollen.
Prekäre wirtschaftliche und soziale Zeiten dürfen nicht auf dem Rücken der Frauen ausgetragen werden. Wenn Sie das tun, verstoßen Sie immer wieder trotz aller schönen Reden gegen die Gleichberechtigung von Mann und Frau.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Wessel.
Meine Herren und Damen! Ich möchte nach der Stellungnahme der SPD zu unserem Antrag, Drucksache Nr. 596, noch einmal folgendes feststellen. Es scheint mir notwendig zu sein, doch einmal darauf hinzuweisen, daß die jetzige Fassung im Beamtengesetz mit dem Artikel 3 des Grundgesetzes sicherlich nicht übereinstimmt. Aber wir müssen dabei doch berücksichtigen — ich glaube, das muß auch ausgesprochen werden —, daß es sich hier um die verheiratete Beamtin handelt und daß bei der verheirateten Beamtin doch noch ein Unterschied gegenüber der unverheirateten Beamtin zu ziehen ist.
Ich würde den Standpunkt, der von meiner Vorrednerin vertreten worden ist, hundertprozentig unterstreichen, wenn es sich darum handelte — wie es zunächst auch vorgesehen war -, die unverheiratete Beamtin erst mit 35 Jahren, statt wie den Beamten mit 27 Jahren, in das Beamtenverhältnis zu überführen.
Das wäre eine Selbstverständlichkeit. — Aber, Herr Kollege Schmid, sicherlich macht das Grundgesetz keinen Unterschied, doch schließlich muß man berücksichtigen, daß es zwischen einem verheirateten Beamten und einer verheirateten Beamtin einen Unterschied gibt. Denn der verheiratete Beamte übt in seinem Amt seinen Lebensberuf aus, aber die verheiratete Beamtin hat einen zweiten Beruf als Mutter und als Ehefrau zu erfüllen.
Aus diesem Grunde müssen wir doch in etwa diese Unterschiede auch einmal sehen dürfen. Wenn wir den Antrag Nr. 596 von der Zentrumsfraktion in diesem Sinne gestellt haben, so ging es uns darum, für eine verheiratete Beamtin, wenn ihr nicht mehr die Möglichkeit der Sicherheit in der Ehe gegeben ist, unter allen Umständen zu erreichen, daß sie an ihren früheren Arbeitsplatz, in ihr altes Beamtenverhältnis zurückkehren kann. Das, glaube ich, ist sinnvoll im Interesse der verheirateten Beamtin. Wenn ich in diesem Hohen Hause sehe, daß Politik die Kunst des Möglichen ist, dann muß ich doch versuchen, im Sinne der verheirateten Beamtin zu erreichen, was möglich ist. Deshalb bedaure ich, daß die SPD nicht glaubt, dem Zentrumsantrag, der aus diesen Gründen gestellt worden ist, zustimmen zu können.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Farke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Zusammenhang mit den Verbesserungsvorschlägen des Zentrumsantrags möchte ich darauf hinweisen, daß mit diesem vorläufigen Bundespersonalgesetz auch die Durchführungsvorschriften weiter gelten, und da heißt es zum § 63 Absatz 3:
Fällt die dauernde wirtschaftliche Versorgung nachträglich weg, und beantragt der ausgeschiedene weibliche Beamte aus diesem Grunde seine Wiederbeschäftigung im öffentlichen Dienst, so soll der Antrag nach Möglichkeit berücksichtigt werden.
Ich glaube, daß nach diesem Paragraphen, soweit ich es aus meiner Erfahrung weiß, in den Ländern schon praktisch verfahren ist. Wenigstens war es in Niedersachsen so. Ich glaube, es wird nach diesen Durchführungsbestimmungen auch während der kurzen Zeit verfahren werden, für die dieses vorläufige Bundespersonalgesetz gelten soll.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Huth.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, die Ausführungen des Abgeordneten Kleindinst können nicht mißverstanden worden sein, wenn er zum Ausdruck gebracht hat, daß unsere Arbeitslosen und unsere Flüchtlinge es nicht verstehen können, wenn wir heute noch Doppelverdiener im Amt lassen. Und, meine Damen und Herren von der SPD, ich glaube, es muß bei Ihnen ein Unterschied sein, ob man Regierungspartei oder ob man Opposition ist. Ich möchte Ihnen folgendes Bild vor Augen führen: In Wuppertal war die SPD mit 34 Abgeordneten von 48 Abgeordneten in der Majorität; sie stellte den Oberbürgermeister, und sie stellte damals den Antrag — und hat ihn durchgeführt —, daß sämtliche weiblichen Doppelverdiener der Stadtverwaltung Wuppertal mit sofortiger Wirkung im 1 Interesse der Arbeitslosen entlassen werden sollten.
— Meine Damen und Herren, das ist zweierlei Maß. Es ist also ein Unterschied, ob man Regierungspartei oder Partei der Opposition ist.
Den Ausruck „Demagogie" gibt es nicht in diesem Hause,
— nein, weder für Sie noch für die Mitte; das will ich feststellen.
Was soll denn daran falsch sein, meine Damen und Herren, wenn Ihre Leute das gemacht haben?! Wenn das nicht stimmen sollte, dann schlagen Sie die Protokolle in Wuppertal nach.
— Das hat nichts mit dem Grundgesetz zu tun.
Das hat mit der Arbeitslosigkeit zu tun, und die Frage ist die: Wollen Sie, daß die Arbeitslosen nun endlich von der Straße kommen, oder nicht? Wir werden uns dafür einsetzen, daß erst einmal die Arbeitslosen in Arbeit und Brot kommen und nicht ein Großteil von Doppelverdienern, die lediglich, wie letzthin mir jemand sagte, ihr Doppelverdienertum ausüben, damit sie und ihr Mann die nötigen Zigaretten haben.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gundelach.
Meine Damen und Herren! Die Stellungnahme der Rechten dieses Hauses kann meine politischen Freunde in keiner Weise überzeugen, daß Sie einmal später bei der endgültigen Regelung der Rechte für die Beamten die volle Gleichberechtigung der Frauen anerkennen werden. Wir haben als Kommunistische Partei eine grundsätzliche Auffassung und stehen auf dem Standpunkt der völligen und uneingeschränkten Gleichberechtigung der Frauen in allen Fragen und auf allen Gebieten.
Aus diesen Gründen werden wir dem Abänderungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion unsere Zustimmung geben.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Euler.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, es besteht gerade im Anschluß an die Ausführungen des kommunistischen Vorredners Anlaß, hervorzuheben, daß es nichts Verhängnisvolleres gibt als eine Gleichberechtigung von Mann und Frau, die verstanden wird im Sinne der Durchführung eines formalen Prinzips, das ohne Rücksicht auf alle menschlichen Bedenken durchgesetzt wird.
Diese formale Gleichberechtigung von Mann und Frau führt nämlich dazu, daß die Frauen Pistolenweiber sein dürfen, daß die Frauen in Bergwerken arbeiten dürfen, daß die Frauen die schwersten Tätigkeiten an Hochöfen ausüben können. Wir wehren uns gegen eine so unsinnige Auffassung der Gleichberechtigung von Mann und Frau, die zur Folge hat, daß die Frau auf eine ganz verhängnisvolle Weise Opfer einer modernen Fehlentwicklung wird.
Die Gleichberechtigung von Mann und Frau kann
nur Träger eines echten Fortschritts sein, wenn
sie sich in Grenzen hält, die den natürlichen
Verschiedenheiten von Mann und Frau entsprechen, und wenn sie insbesondere der seelischen
und geistigen Eigenart der Frauen gerecht wird.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schmid.
Meine Damen und Herren! Die Worte, die vor einigen Minuten von diesem Platze aus gefallen sind, wonach das Problem der Gleichberechtigung der Frau, insoweit als es sich um die verheiratete Beamtin handelt, sich letzten Endes zusammenfassen lasse in dem Wunsche, sich die Zigaretten dazu verdienen zu dürfen, haben mich tief betrübt.
Es ist in diesem Hause selten — und das heißt etwas! — etwas so Eigenartiges gesagt worden.
Wenn Sie das Problem vom Doppelverdienertum aus anfassen wollen, meine Damen und Herren, dann müssen Sie weitergehen, als Sie es hier wollen.
Dann darf sich das Berufsverbot für die verheiratete Frau nicht auf die Beamtin beschränken.
Dann darf auch die Ehefrau nicht Anwältin und nicht Ärztin sein. und darn darf sie auch nicht in einem kaufmännischen Geschäft tätig sein.
Wenn Sie das wollten, liegt wenigstens Konsequenz in Ihrem Antrag.
Ja. dann liegt wenigstens Konsequenz in Ihrem Wollen.
Und noch ein Wort, Herr Kollege Euler. Sie haben vorhin ein gefährliches Wort ausgesprochen, ein Wort, das mich bei einem Liberalen wundert. Sie sprachen davon, man dürfe die Gleichheit doch nicht formal sehen. Sie haben nicht gesagt, w i e man sie sehen soll. Aber ich will Ihnen in Erinnerung rufen. was man vor einem Jahrzehnt der formalen Gleichheit entgegenzuhalten pflegte: die sogenannte „wahre" Gleichheit, die „echte" Gleichheit, die „organische" Gleichheit und ähnliches. Ich erinnere deswegen daran, weil ich von dieser Stelle aus doch einmal sagen möchte: wenn wir aufhören. die Gleichheit absolut zu nehmen. wenn man anfängt, sie zu relativieren, dann können Sie das Wort Gleichheit aus der Verfassung streichen!
Das Wort hat Herr Abgeordneter Euler.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch eine Verfassung kann die natürliche Verschiedenheit zwischen Mann und Frau, insbesondere die der geistig-seelischen Struktur, nicht beseitigen, und der Gesetzgeber tut gut daran,
wenn er versucht, den hieraus erwachsenden Schwierigkeiten durch von Weisheit getragene Regelungen zu entsprechen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Menzel.
Meine Damen und Herren! Es ist von einem der Herren Redner erklärt worden, es mache wohl einen Unterschied, ob man auf den Bänken der Opposition sitze oder in der Regierung sei. Ich will Ihnen das widerlegen. Sie wissen, daß wir in Nordrhein-Westfalen eine Koalition zwischen der CDU und der SPD haben.
Und in Nordrhein-Westfalen hat der Innenminister schon vor zwei Jahren durch einen Erlaß die
nachgeordneten Behörden angewiesen, den § 63 des Beamtengesetzes nicht mehr anzuwenden, und die erste, die ihm zu dieser effektiven Gleichstellung von Mann und Frau gratulierte, war die Frau Kultusminister Teusch.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Ilk.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Es ist mir nicht ganz angenehm, daß ich hier sprechen muß. Ich teile nämlich nicht den Standpunkt, den der große Teil meiner Fraktion vertritt.
Ich kann diesen Standpunkt zwar verstehen. Er ist nicht aus irgendwelchen rein politischen Gründen eingenommen worden, vielleicht um der Opposition etwas aufs Dach zu geben, sondern tatsächlich aus der ernstlichen Erwägung heraus, daß man glaubt, den Frauen damit etwas Gutes zu tun. Ich selbst stehe aber auf dem Standpunkt, daß auch ein Sonderrecht für eine Beamtin nicht geschaffen werden darf.
Im Grundgesetz ist absolute Gleichheit vor dem Gesetz für alle Gruppen des deutschen Volkes verankert. Darunter fällt auch die Beamtin, und sie hat das Recht, auch wenn sie heiratet, im Amt zu bleiben.
Wenn immer wieder gesagt wird, daß, wenn eine Beamtin stirbt, dann auch der Mann keine Pension erhält, so möchte ich dem doch entgegenhalten, daß bereits in der Sozialgesetzgebung eine Anordnung getroffen ist, wonach auch der Mann, wenn ihn die Frau irgendwie erhalten hat, nach ihrem Ableben eine Rente bekommt. Das kann natürlich auch im Beamtengesetz für die weibliche Beamtin in irgendeiner Form verankert werden.
- Wenn es schon in manchen Ländern durchgeführt ist, um so besser; dann kann es als Muster dienen.
Ich möchte daher betonen, daß man auf gar keinen Fall diese gesetzliche Bestimmung in das Beamtengesetz wieder aufnehmen kann. Meiner Meinung nach widerspricht es dem Grundgesetz; denn selbst wenn es auch nur eine abgeänderte Form und an sich nur zeitlich begrenzt ist, so ist es immerhin eine Bestimmung, die dem Grundgesetz, auch dem Sinne nach, widerspricht. Herr Abgeordneter Dr. Kleindinst hat das selbst gesagt und uns damit vertröstet, daß diese Gleichberechtigung im neuen Beamtengesetz vielleicht im Jahre 1953, oder wann es auch immer erscheinen möge, verankert sein soll. Herr Kollege Nowack hat das letztemal darauf hingewiesen, daß man sich nach 1918 viele Jahre hindurch bemüht hat, dieses Beamtengesetz und die Gleichberechtigung der Frau in irgendeiner Form zu bearbeiten. Man hat es immer wieder verschoben. Gerade das soll uns Frauen Ansporn sein, bei der ersten Attacke, die gegen die Gleichberechtigung geritten wird, auf der Hut zu sein und sie abzulehnen.
Ich bitte Sie daher, sich das doch recht sehr zu überlegen, wenn Sie jetzt diese Abstimmung treffen. Ich glaube nicht, daß die Würde der Frau darunter leidet, wenn sie gleichzeitig Beamtin und verheiratet ist. Vielen von uns, die wir jetzt hier sind, ging es vielleicht auch so, daß wir im Beruf standen und verheiratet waren. Außerdem möchte ich noch sagen, daß es in gar keinem Falle angeht, das Argument der Doppelverdienerei nur auf die Beamtin anzuwenden. Der Staat muß also mit gutem Beispiel vorangehen und sich in erster Linie an die Gesetze halten. Der Staat als Arbeitgeber muß in erster Linie darauf bedacht sein, das Grundgesetz zu wahren.
Ich möchte Sie daher bitten, in gar keinem Fall gegen die Gleichberechtigung der Frau im Beamtengesetz zu stimmen.
Meine Herren! Ich darf Sie auf eines aufmerksam machen: Unbeschadet der Anerkennung des Grundsatzes der Gleichberechtigung, — über allem bleibt das Gesetz der Ritterlichkeit des Mannes gegenüber der Frau bestehen.
Das gilt für alle.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Weber.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! In der Debatte ist eine solche Unklarheit über unseren Vorschlag entstanden, daß ich noch einmal grundsätzlich einiges zusammenfassen muß, was vor allem Herr Kleindinst gesagt hat.
Wir halten in der CDU und CSU am Artikel 3 der Gleichberechtigung fest.
- Wir wenden ihn eine Zeitlang nicht an,
weil uns durch den Artikel 117 bis Ende März 1953 die Gelegenheit dazu gegeben ist. Dieses Beamtenrecht kann nicht unbeeinflußt vom Familienrecht sein, und wir müssen diese rechtlichen Fragen einander angleichen. Das sage ich, um den Rechtsstandpunkt zu klären. Ich bin Ihnen aber, damit keine falsche Meinung hier entsteht, schuldig, noch einmal zu sagen, warum wir jetzt, und zwar nur vorübergehend, unsern Standpunkt vertreten. Ich war im Parlamentarischen Rat, und das Recht, das ich dort angenommen habe, das werde ich auch immer vertreten. Vorübergehend haben wir eine Kannbestimmung vorgeschlagen: „Die verheiratete Beamtin kann entlassen werden." Ferner haben wir das Alter geändert: die Frau kann mit 27 Jahren Beamtin werden. In den Ausführungsbestimmungen soll stehen: Die Beamtin soll, wenn sie in Not gerät, nicht nur möglichst wieder eingestellt werden, sondern vorzugsweise. Ferner haben wir gefordert, daß die Kannbestimmung nicht rigoros ausgeübt werden soll, sondern unter Berücksichtigung der heutigen Not. Diese Tatsache muß noch einmal hervorgehoben werden. Ich gebrauche mit Absicht nicht das Wort Doppelverdienertum. Dieses Wort mag ich nicht. Ich komme aus dem Industriegebiet und weiß, welche Arbeitslosigkeit und welches Flüchtlingselend überall herrscht. 7 Millionen Frauen können heute nicht heiraten, und die Not ist derart groß, daß ich es in meinem Wahlkreis und im Industriegebiet einfach nicht verantworten kann, — ich
spreche hier vor allem für die CDU und CSU —, daß verheiratete Frauen in ihrer Beamtenstellung ohne Not verbleiben. Für wen geschieht das denn? Das ist doch nicht nur eine einzelne Maßnahme, sondern eine für das Wohl des Volkes. Mir fällt ein, was die Labour-Party in ihrem Parteiprogramm vor dem Wahlkampf geschrieben hat. Die Engländer sind in diesen Dingen viel praktischer als wir. Die Labour-Party schrieb: „Gleicher Lohn für gleiche Leistung, sofern es die Volkswirtschaft Englands ertragen kann." Und ich sage Ihnen hiermit: das allgemeine Wohl unseres Volkes kann es zur Zeit nur ertragen, daß wir nach dem Artikel 117 vorübergehend die verheiratete Beamtin entlassen. Deutschland ist unsere Parole — Not wollen wir lindern!
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen zur Aussprache über den Antrag auf Drucksache Nr 594 Ziffer 3 und den Antrag auf Drucksache Nr. 596 liegen nicht vor. Ich schließe daher die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den — —
— Meine Damen und Herren, darf ich Ihnen gleich einen Vermittlungsvorschlag machen. Ich hatte von vornherein die Absicht, einen Hammelsprung zu machen, um ganz klar auszählen zu können.
Im übrigen, Herr Abgeordneter Dr. Menzel, war ich bereits in der Abstimmung. Sie sind zwei Sekunden zu spät gekommen.
Wir wollen es probieren. Also einmal ohne namentliche Abstimmung! Wer für den Abänderungsantrag auf Drucksache Nr. 594 Ziffer 3 ist, — —
— Es ist hier der Antrag auf namentliche Abstimmung gestellt worden. Er benötigt die Unterstützung von 50 Mitgliedern.
— Wir werden gleich zum Hammelsprung kommen, seien Sie unbesorgt!
Wer für den Antrag auf namentliche Abstimmung ist, den bitte ich. die Hand zu erheben. — Wer dagegen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Meine Damen und Herren, der Vorstand ist übereinstimmend der Meinung, daß das Ergebnis der Abstimmung zweifelhaft ist. Ich ordne daher einen Hammelsprung über die Frage an, ob eine namentliche Abstimmung stattfinden soll.
Behalten Sie bitte noch einen Moment Platz. Sie wissen, daß die Regelung des Hammelsprungs jetzt etwas anders geworden ist. An den Türen rechts und links gegenüber dem Vorstandstisch stellen sich je 2 Schriftführer auf. Durch die Rechts-Tür kommen diejenigen, die ja sagen, durch die Links-Tür diejenigen, die nein sagen, und durch die mittlere Tür kommen diejenigen, die sich der Stimme enthalten wollen. Nachdem mir die
Schriftführer die Mitteilung gemacht haben, daß die Auszählung erfolgt ist, werde ich ein Glockenzeichen geben. Danach ist die Zählung geschlossen, und dann erst werden die Türen wieder geöffnet. Ich bitte also, danach zu verfahren.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Schäfer: Ich bitte, mit der Zählung zu beginnen.
Meine Damen und Herren! Ich bitte doch, die Plätze schneller einzunehmen, damit die Abstimmung etwas rascher vor sich geht. —
Meine Damen und Herren! Die Auszählung ist beendet. Jetzt schließt sich an die Abstimmung des Büros. Ich bitte um Stimmabgabe.
Schriftführer Gundelach: Ja! Schriftführerin Frau Albertz: Ja! Schriftführer Freiherr von Aretin: Ja! Schriftführer Matthes: Nein. Schriftführer Dr. Zawadil: Nein.
Nein.
Demnach ist die Abstimmung nunmehr beendet. — Es sind abgegeben worden 188 Nein-Stimmen und 164 Ja-Stimmen bei zwei Stimmenthaltungen. Damit ist der Antrag auf namentliche Abstimmung abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache Nr. 594 Ziffer 3. Wer für den Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zu dem Antrag auf Drucksache Nr. 596. Ich bitte diejenigen, die für den Antrag sind, die Hand zu erheben. - Die Gegenprobe! -
Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über die Ziffer 9 in der Fassung der Beschlüsse der zweiten Beratung. Wer für diese Fassung der Ziffer 9 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; Ziffer 9 ist angenommen.
Zu Ziffer 9 a liegt kein Antrag vor, ebenso nicht zu Ziffer 10. Wer für die beiden Ziffern ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Damit sind die beiden Ziffern 9 a und 10 mit Mehrheit bei einer Reihe von Enthaltungen beschlossen.
Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt zu dem Abänderungsantrag des Zentrums auf Drucksache Nr. 617, in § 3 eine Ziffer 10 a einzufügen. Zu diesem Antrag hat das Wort Frau Abgeordnete Wessel.
Meine Damen und Herren! Dieser Zentrumsantrag bezweckt die Anerkennung der Wiedergutmachungsfälle der Beamten aus der Nazizeit. Wir sind der Auffassung, daß die durch das Nazitum zurückgesetzten Beamten unbedingt im Beamtengesetz Berücksichtigung finden müssen, und zwar durch eine eigene Bestimmung. Wir bitten deshalb um Annahme dieses Zentrumsantrages. Es scheint uns unerträglich zu sein — ich darf auf das verweisen, was schon von einigen Vorrednern gesagt worden ist —, daß auf der
einen Seite die auf manchmal merkwürdige Weise entnazifizierten Beamten wieder in ihr früheres Beamtenverhältnis zurückkehren können, ganz gleichgültig, ob sie in der Nazizeit eingestellt worden sind, ohne die entsprechende Vorbildung und die entsprechende Fähigkeit zu haben, daß aber auf der anderen Seite den Beamten, die wirklich unter dem Nazitum gelitten haben, nicht eine entsprechende Wiedergutmachung in dem Beamtengesetz gewährt wird.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Kleindinst.
Es ist selbstverständliche Verpflichtung, daß, soweit noch Beamte, Angestellte und Arbeiter vorhanden sind, die aus politischen Gründen in der nationalsozialistischen Zeit gemaßregelt wurden, sie eine entsprechende Berücksichtigung erfahren. Wir haben aber im Beamtenrechtsausschuß ausdrücklich zum Ausdruck gebracht, daß wir diese Materie bei den in Artikel 131 des Grundgesetzes vorgesehenen Gruppen regeln wollen, und zwar schon aus Gründen der Gerechtigkeit. Ich glaube, Artikel 131 eignet sich dafür besser ais ein Beamtengesetz, in das Sondervorschriften in diesem Sinne nicht hineingehören. Wir sind also bereit, in nächster Zeit, wenn es sich um die Durchführung des Artikel 231 handelt, worüber wir ja schon beraten, es als unsere selbstverständliche Pflicht zu erachten, für diese Personenkreise das zu tun, was ihnen unbedingt gebührt.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Arnholz.
Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Kleindinst verweist in diesem Falle wie in anderen Fällen auf das, was kommen soll. Er übersieht aber im vorliegenden Falle, daß es sich gar nicht darum handelt, die Wiedergutmachung im allgemeinen festzulegen, sordern darum, die Anrechnungsfähigkeit festzustellen, wie sie in § 83 für gewisse Beamtenkreise festgelegt ist. Es ist nicht einzusehen, weshalb das gleiche Recht für die durch das Nazisystem Geschädigten nicht schon jetzt und an dieser Stelle festgelegt wird.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Falkner.
Meine Damen und Herren! Meine Fraktion kann nicht einsehen. warum diese Angelegenheit verschoben werden soll. Wir werden daher für den Antrag stimmen.
Wird das Wort weiter gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe damit die Aussprache über den Abänderungsantrag des Zentrums Nr. 617. Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den Abänderungsantrag des Zentrums Nr. 617 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist wohl fast einstimmig angenommen und damit die beantragte Ziffer 10 a eingefügt.
Meine Damen und Herren! Wir kommen dann zu den Ziffern 11, — 12, — 13, - 14, — § 3 a und den folgenden Paragraphen, zu denen keine Abänderungsanträge mehr vorliegen. Wer für die Ziffern 11, — 12, — 13, — 14. — § 3a,— § 4,-
§ 5, — § 6, — § 7 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Halt, Verzeihung. Zu § 8 liegt noch ein Abänderungsantrag vor. Wer für die eben von mir genannten Paragraphen bis einschließlich 7 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. – Ich danke. Das erste war eindeutig die Mehrheit.
Meine Damen und Herren! Zu 8 8 liegt nunmehr folgender handschriftlicher Abänderungsantrag vor:
Im § 8 ist einzufügen vor ..außer Kraft":
,,Es tritt mit dem Inkrafttreten des endgültigen Gesetzes. spätestens am 31. Dezember 1950 außer Kraft."
Wird das Wort zu diesem Abänderungsantrag gewünscht? — Ich stelle fest: das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache über diesen Abänderungsantrag.
Wer für diesen Abänderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
- Das ist ein vorhin in der Diskussion vorgelegter Antrag. Ich werde ihn nochmals verlesen.
— Sie haben ja eben gehört, daß Unklarheiten Tiber den Text geherrscht haben. Dann erfordert es die Loyalität, ihn noch einmal zu verlesen:
„Es tritt
— nämlich das Gesetz —
mit dem Inkrafttreten des endgültigen Gesetzes. spätestens am 31. Dezember 1950 außer Kraft."
Wer für diesen Abänderungsantrag ist. den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. - Danke. Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.
Wenn die Abstimmung angezweifelt ist. ordne ich sofort den Hammelsprung an. Meine Damen und Herren! Ich bitte. demgemäß 7U verfahren. Wer für den Antrag ist, den bitte ich, den Saal durch die Tür rechts von mir, wer dagegen ist, durch die Tür links von mir 711 betreten, und wer sich der Stimme enthält, die Mitteltür zu benutzen.
— Ich bitte alle Damen und Herren. die Mitglieder des Hauses sind. den Saal zu verlassen. und dann die Türen zu schließen. Auf Grund meines Glockenzeichens werden sich dann die Türen wieder öffnen. — Die Abstimmung beginnt. Sind zwei Schriftführer an der Mitteltür?
— Dann muß noch ein Schriftführer hin. Es sind jetzt zwei Schriftführer rechts, zwei Schriftführer links und in der Mitte einer.
— Schön, das ist ja bei Enthaltungen nicht so schlimm. Die Abstimmung beginnt.
— Ich bitte die Damen und Herren, die abgestimmt haben, Platz zu nehmen.
Meine Damen und Herren! Ich bitte, die Türen zu schließen, und erkläre hiermit die Zählung für beendet. Ich bitte um die Ergebnisse.
Meine Damen und Herren! Darf ich das Abstimmungsergebnis verkünden. Mit Ja haben 169, mit Nein 168 Abgeordnete gestimmt. Demnach ist der Antrag mit einer Stimme Mehrheit angenommen.
Meine Damen und Herren, wir stimmen jetzt ab über § 8 mit der soeben beschlosseren Abänderung. Wer für § 8 einschließlich der soeben beschlossenen Abänderung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Gegen wenige Stimmen zweifelsfrei mit Mehrheit beschlossen.
Wer für die Einleitung und die Überschrift ist, den bitte ich, de Hand zu erheben — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Bei Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Damit kommen wir nunmehr zur Schlußabstimmung. Wer für das soeben in den Einzelabstimmungen beschlossene Gesetz im ganzen ist. den hitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich hitte um die Gegenprobe. — Das erstere war die Mehrheit. Damit ist das Gesetz in dritter Beratung endgültig angenommen.
Ich darf wohl die Zustimmung des Hausec dazu annehmen. deß die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen durch die soeben erfolgte Beschlußfassung als erledigt anzusehen sind. Ich höre keinen Widerspruch; dann ist demgemäß beschlossen.
Wir kommen nunmehr zum 2. Punkt der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
zur Erstreckung und zur Verlängerung der
Geltungsdauer des Wirtschaftsstrafgesetzes
.
Ich frage, wer von der Regierung diesen Entwurf einbringen will.- Es ist mir mitgeteilt worden, daß man sieh seitens der Regierung mit der gedruckt vorliegenden Begründung begnügt.
Der Gesetzentwurf gilt damit als eingebracht.
Ich eröffne die Aussprache. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Der Entwurf ist wohl an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu verweisen. — Ich höre keinen Widerspruch.
— Federführend, denke ich. ist wohl der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht.
— Sollen wir darüber abstimmen lassen? Wird ein Antrag gestellt?
— Sie stellen den Antrag. den Ausschuß für Wirtschaftspolitik als federführend zu erklären.
— Das Wort zu diesem Antrag hat der Abgeordnete Dr. Oellers.
Das ist ein Gesetz, das nur den Rechtsausschuß angeht. Das Gesetz, das jetzt verlängert werden soll, ist seinerzeit beim Wirt-
schaftsrat in Frankfurt auch vom Rechtsausschuß behandelt worden. Es handelt sich doch um Strafbestimmungen und um Verfahrensvorschriften des Strafrechts und nicht um Wirtschaftsvorschriften.
Wollen Sie Ihren Antrag aufrechterhalten?
- Dann lasse ich abstimmen. Wer dafür ist, daß der Ausschuß für Wirtschaftspolitik federführend sein soll, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Mit überwiegender Mehrheit abgelehnt. Damit hat das Haus beschlossen, daß der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht federführend sein soll.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Kraftloserklärung von Hypotheken-, Grundschuld- und Rentenschuldbriefen in besonderen Fällen .
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Kopf.
Meine Damen und Herren! Nach den zur Zeit geltenden Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches können Hypothekenbriefe nur dann für kraftlos erklärt werden, wenn sie vernichtet oder abhanden gekommen sind. Die Entwicklung der letzten Jahre hat gezeigt, daß diese Bestimmungen nicht ausreichend sind. In zahlreichen Fällen machen die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches Rechtshandlungen von dem Besitz und von der Vorlage des Hypothekenbriefes abhängig. Es ist nun in vielen Fällen so, daß der Berechtigte aus dem Hypothekenbrief nicht in der Lage ist, den Besitz des Briefes zu erlangen, und zwar deshalb nicht, weil der Brief durch Maßnahmen, die im Bundesgebiet nicht als rechtswirksam anerkannt werden können, nicht erlangt werden kann.
Daher hat es sich als notwendig erwiesen, für diese Fälle Möglichkeiten der Kraftloserklärung für Hypothekenbriefe zu schaffen. Diese Möglichkeit soll dadurch geschaffen werden, daß die Bestimmungen des Aufgebotsverfahrens, wie sie in der Zivilprozeßordnung enthalten sind, diesem Zwecke dienstbar gemacht werden. Demgemäß kann jeder, der ein Recht aus einem Hypothekenbrief herleitet, sei es der Gläubiger, sei es der Zessionar, sei es der Eigentümer, wenn eine Eigentümergrundschuld entstanden ist, oder sei es der im Bundesgebiet bestellte Treuhänder, den Antrag auf Kraftloserklärung des Hypothekenbriefes stellen. In diesem Aufgebotsverfahren besteht die Möglichkeit, daß andere Personen Rechte aus der Hypothek anmelden und glaubhaft machen. Ihre Anmeldung ist aber dann nicht wirksam, wenn der Anmeldende das Recht aus einer im Bundesgebiet nicht rechtswirksamen Maßnahme herleitet. Das Aufgebotsverfahren endet mit dem Ausschlußurteil.
Es ist ein weiterer Sonderfall vorgesehen in § 8 des Gesetzes: durch Ausschlußurteil ohne Aufgebot kann ein Hypothekenbrief dann für kraftlos erklärt werden, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, daß der unmittelbare Besitzer des Briefes bereit sei, ihm den Brief herauszugeben.
Der Ausschuß hat keine Abänderungsvorschläge zu diesem Gesetz gemacht. Der Ausschuß hat zunächst einmal die Frage geprüft, ob und inwieweit dieses Gesetz durch die Tatsache berührt wird, daß
im Zuge der Währungsumstellung Hypotheken abgewertet oder umgestellt worden sind. Der Ausschuß ist der Meinung, daß dieses Gesetz nicht Anwendung findet auf die sogenannte Hohlraumhypothek oder Umstellungsgrundschuld, die an erster Rangstelle nach den abgewerteten und umgestellten Hypotheken zugunsten des Staates entstanden sind.
Eine einzige Frage hat im Ausschuß eine gewisse Debatte entfacht. Das war die Frage der Gestaltung des § 9 des Gesetzes, der sich mit dem Werte des Streitgegenstandes befaßt. Dieser Paragraph sieht vor. daß der Wert des Streitgegenstandes auf ein Fünftel des Wertes der Hypothek, und zwar der bereits umgestellten Hypothek, das bedeutet also auf ein Fünfzigstel des Wertes der ursprünglichen, nicht umgestellten Hypothek ermäßigt wird. Dieses Entgegenkommen in der Streitwertgestaltung ist mit Rücksicht auf die Interessen der Antragsteller erfolgt. Antragsteller dürften in erster Linie Hypothekenbanken und Versicherungsgesellschaften sein. Der Ausschuß hat nicht verkannt, daß diese Streitwertfestsetzung sich ungünstig und sogar unbillig für die Anwaltschaft hinsichtlich der Anwaltsgebühren auswirken kann. Trotzdem hat er davon abgesehen, dazu einen Abänderungsantrag zu stellen, und hat auf die Möglichkeit hingewiesen, daß der beteiligte Rechtsanwalt im Wege einer privaten Abmachung das seiner Tätigkeit angemessene Honorar vereinbart.
Schließlich sieht § 14 des Gesetzes vor, daß die Bestimmunen auch anzuwenden sind zum Zwecke der Ausschließung von Hypothekengrundschuld-
oder Rentenschuldgläubigern nach §§ 1170/71 BGB. Ferner ist in § 12 des Gesetzes die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichtes, in dessen Bezirk das belastete Grundstück gelegen ist. für Rechtsstreite, die die Herausgabe des Briefes oder des Rechtes aus der Hypothek betreffen. bestimmt.
Der Ausschuß schlägt dem Hohen Hause vor. das Gesetz in der Form der Regierungsvorlage und in derselben Form, in der es bisher bereits in der britischen Zone eingeführt war und dadurch schon partielles Bundesrecht geworden ist, anzunehmen. Das Gesetz ist zeitlich beschränkt. Es wird gebeten, von Änderungen abzusehen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. — Keine Wortmeldungen.
Ich schlage Ihnen vor, daß wir die Abstimmung auf folgende Weise vornehmen: ich rufe die Paragraphen auf und werde erst nach. dem Aufruf des letzten Paragraphen um Ihr Handzeichen bitten. § 1,— § 2,- § 3,- 4,- 5,- 6,- 7. -
8, - 9, - 10, - 11, - 12, - 13, - 14 - 15. Wer fr diese Einzelparagraphen in der Fassung der Drucksache Nr. 458 ist, den bitte ich. die Hand zu erheben. — Danke schön. Gegenprobe! — Einstimmig angenommen.
Einleitung und Überschrift! Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Ebenfalls einstimmig angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Aussprache. — Keine Wortmeldungen.
Ich rufe auf die §§ 1 bis 15 sowie Einleitung und Überschrift. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand
zu erheben. — Gegenprobe! — Keine Gegenstimme.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Ich lasse abstimmen über das Gesetz als Ganzes. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung: Zweite und drille Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Aufhebung von Vorschriften auf dem Gebiet des Handelsrechts, des Genossenschaftsrechts und des Wechsel- und Scheckrechts .
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Neumayer. Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht hat sich mit der hier in Frage stehenden Vorlage eingehend beschäftigt. Er ist nach den übereinstimmenden Berichten der beiden Referenten zu dem Ergebnis gekommen, daß diese Vorlage im wesentlichen — von einigen kleinen Abänderungen, die ich Ihnen noch vortragen werde, abgesehen — unverändert dem Hohen Hause zur Annahme empfohlen werden soll. Hierbei ging der Ausschuß von folgenden Gesichtspunkten aus:
Auf dem Gebiet des Handelsrechts, des Genossenschaftsrechts sowie des Wechsel- und Scheckrechts sind während des Krieges und auch nach dem Kriege eine Reihe gesetzgeberischer Maßnahmen getroffen worden. Die während des Krieges erlassenen Bestimmungen waren zum größten Teil durch die Kriegsverhältnisse bedingt und haben heute ihre Bedeutung verloren. Eine Reihe anderer Vorschriften sind als mit den Grundsätzen eines geordneten Rechtsstaates nicht vereinbar anzusehen und bedürfen daher der Aufhebung. Nun sind in einzelnen Ländern des Bundesgebietes bereits gesetzgeberische Maßnahmen getroffen worden, die zur Aufhebung einer Reihe der hier in Frage stehenden Vorschriften geführt haben, in anderen Ländern ist die Außerkraftsetzung noch nicht erfolgt. Infolgedessen war es im Interesse der Rechtseinheit unbedingt notwendig, eine gleichmäßige Regelung zu schaffen, die für das ganze Bundesgebiet Geltung hat. Aus Gründen der Übersichtlichkeit empfahl es sich, die sämtlichen aufzuhebenden Vorschriften in einem einzigen Gesetz zusammenzustellen. Durch dieses einheitliche Gesetz wird demnach festgestellt, welche der seit dem 1. September 1939 ergangenen Maßnahmen und Anordnungen heute noch gelten sollen und welche aufgehoben worden sind.
Das vorliegende Gesetz beschränkt sich darauf, auf den hier in Frage kommenden Rechtsgebieten möglichst den Rechtszustand wiederherzustellen, wie er vor dem 1. September 1939 bestanden hat. Materiellrechtliche Änderungen, die durch die in Rede stehenden gesetzgeberischen Maßnahmen angeordnet worden sind, sollen in Geltung bleiben, dagegen hat das Gesetz bewußt davon Abstand genommen, selbst materiellrechtliche Änderungen — größeren Umfanges — einzuführen. Es soll dies einer späteren Gesetzgebung vorbehalten bleiben, die zu prüfen haben wird, ob sich die eine oder andere Vorschrift auf dem hier in Rede stehenden Gebiet bewährt hat oder nicht oder ob sie Anlaß zu Streitfragen geboten hat. Ich kann es mir versagen, hier auf die Einzelheiten des vorliegenden
Gesetzentwurfs einzugehen, dies um so mehr, als keine Gesichtspunkte aufgetaucht sind, die irgendwie der späteren Rechtsprechung als Material dienen könnten.
Gestatten Sie mir nun, daß ich auf einige Änderungen hinweise, die der Rechtsausschuß im wesentlichen unter Berücksichtigung der vom Bundesrat gemachten Vorschläge für erforderlich gehalten hat. So soll die Überschrift unter Artikel 1, die bisher gelautet hat „Aufhebung von Vorschriften", nunmehr dahin erweitert werden, daß sie „Aufhebung von Vorschriften und Einzelmaßnahmen" umfaßt. Diese Unterscheidung hat zur Folge, daß § 1 des Artikel 1 nunmehr die Aufhebung von Vorschriften enthält, während der frühere Absatz 2 des § 1 nunmehr sich als § i a mit der Aufhebung von Einzelmaßnahmen befaßt. Entsprechend dem Vorschlag des Bundesrats, dem sich auch die Bundesregierung angeschlossen hat, soll Artikel i § 1 Ziffer 3 a, Ziffer 4 und Ziffer 5 nunmehr die in der Vorlage Nr. 587 abgedruckte redaktionelle Änderung erfahren.
In Artikel 2 § 4 erschien es angezeigt — es handelt sich hier um die Teilnahme von verhinderten Gesellschaftern an Generalversammlungen der Aktiengesellschaften und Genossenschaften —, die dort getroffenen Bestimmungen auch auf solche Gesellschafter auszudehnen, die sich in Haft außerhalb des Bundesgebiets befinden oder die vermißt werden. Das gleiche gilt für § 5 Absatz 3, der sich mit der Vertretung der Genossenschaften in der Generalversammlung befaßt.
Gewisse Bedenken hat die Fassung des § 7 ausgelöst, und zwar mit Rücksicht auf die Bestimmungen des Artikel 82 Absatz 2 des Grundgesetzes. Dort ist vorgesehen, daß jedes Gesetz, und jede Rechtsverordnung den Tag des Inkrafttretens bestimmen soll. Nach der Vorlage soll das Gesetz einen Monat nach der Verkündung in Kraft treten. Der Ausschuß ist nach eingehender Beratung zu der Überzeugung gekommen, daß damit den Erfordernissen des Artikel 82 Absatz 2 des Grundgesetzes Genüge getan wird. auch wenn der Tag des Inkrafttretens nicht kalendermäßig bestimmt ist. Es ist aber mit genügender Deutlichkeit hier ausgesprochen, daß einen Monat nach der Verkündung, also an einem bestimmten Tag, das Gesetz in Kraft treten soll.
Im Auftrag des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht empfehle ich dem Hohen Hause, die Vorlage so anzunehmen, wie sie in der Drucksache Nr. 587 als Beschluß des 23. Ausschusses ihren Niederschlag gefunden hat.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. — Ich rufe auf Artikel I § 1. Keine Wortmeldung. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe. — Einstimmig angenommen.
§ 1 a. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Laforet.
Meine Damen und Herren! Entsprechend dem Vorschlag des Bundesrats ist aus § 1 Absatz 2 und 3 ein neuer § 1 a gebildet worden. Das Wort „gleichzeitig" in Absatz 1 des neuen § 1 a könnte jetzt mißverstanden werden. Es wird deshalb entsprechend einer Anregung des Bundesjustizministeriums beantragt, dieses Wort „gleichzeitig" zu streichen.
Keine Wortmeldungen. Ich stelle zunächst den Abänderungsantrag, der eben gestellt wurde, zur Abstimmung. Wer für die Streichung des Wortes „gleichzeitig" ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe. — Die Streichung ist beschlossen.
Wer für § 1 a in der abgeänderten Fassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe. - § 1 a ist angenommen.
Ich bitte Sie, mich zu ermächtigen, über die übrigen Paragraphen und Artikel in derselben Weise abstimmen zu lassen wie bei dem vorigen Punkte der Tagesordnung. — Kein Widerspruch.
Artikel II § 2,— § 3,- § 4,— § 5,— § 6; -Artikel III § 7. — Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe. — Einstimmig angenommen. Einleitung und Überschrift. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe. - Einstimmig angenommen.
Ich schließe die zweite Beratung ab und eröffne die
dritte Beratung.
Wortmeldungen liegen nicht vor. — Ich lasse abstimmen über Artikel I, Artikel II. Artikel III sowie über Einleitung und Überschrift. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe. — Einstimmig angenommen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung über das ganze Gesetz. Wer für das Gesetz im ganzen in der nunmehr beschlossenen Fassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe. - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Wir kommen zu Punkt 5 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Behandlung wiederkehrender Leistungen bei der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen .
Berichterstatter des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht ist der Herr Abgeordnete Dr. Wahl. Ich erteile ihm das Wort.
Meine Damen und Herren! Die Vorlage in Drucksache Nr. 445, über deren Behandlung im Rechtsausschuß ich die Ehre habe, Ihnen kurz zu berichten, hat mehr praktische und technische als grundsätzliche Bedeutung. Es handelt sich darum, daß mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Not, aber auch mit Rücksicht auf die ungeklärte Rechtslage der Hypotheken an Trümmergrundstücken seit dem Zusammenbruch sehr viele Grundstückseigentümer keine Hypothekenzinsen mehr gezahlt haben. Die Gläubiger - besonders die Kreditinstitute — haben sich damit zufrieden gegeben, weil auf Grund des Zwangsversteigerungsgesetzes und der dazu ergangenen Novellen in den meisten deutschen Ländern die Zinsrückstände seit Kriegserde noch volle dingliche Sicherung genießen. An sich kann nach dem Zwangsversteigerungsgesetz - § 10, Ziffer 4 — nur für die Rückstände aus den zwei letzten Jahren vor der Beschlagnahme das dingliche Hypothekenrecht bei der Zwangsversteigerung in Anspruch genommen werden. Aber es waren in den meisten deutschen Ländern Gesetze ergangen, die bestimmten, daß bei der Berechnung der zwei Jahre. für die die Rückstände dinglichen Schutz genießen, die Zeit vom 1. Januar 1945 bis zum 31. Dezember 1947 außer Betracht zu bleiben habe, das heißt, die Zinsrückstände können für drei weitere Jahre bei der Zwangsversteigerung zum Zuge kommen. Dadurch ist eine Flut von Zwangsversteigerungsanträgen verhindert worden.
Da am Ende des Jahres 1949 wiederum ein Rangverlust drohte, bzw. ohne eine rückwirkende gesetzgeberische Maßnahme schon eingetreten sein würde, soll durch die Gesetzesvorlage der bisherige Zwischenzustand, daß die Gläubiger bis zur endgültigen Regelung der Trümmerhypotheken nicht zwecks Erhaltung ihres Rangs zur Zwangsversteigerung schreiten müssen, um ein weiteres Jahr verlängert werden. Das Mittel dazu ist die Verlängerung der bei der Berechnung außer Betracht bleibenden Frist vom 1. Januar 1945 bis zum 31. Dezember 1947 um weitere 12 Monate, nämlich bis zum 31. Dezember 1948. Der Rechtsausschuß hat einstimmig dieser Vorlage zugestimmt, da die Bundesregierung die baldige Fertigstellung des Gesetzes über die Trümmerhypotheken in Aussicht gestellt hat.
Mit Rücksicht darauf, daß in den Ländern Rheinland-Pfalz und Württemberg-Hohenzollern sowie für den Kreis Lindau bisher entsprechende Gesetze wie in den übrigen Ländern nicht ergangen waren, glaubte der Bundesrat, in die Regierungsvorlage einige Sondersätze für diese Länder der französischen Zone aufnehmen zu müssen, vor allem zur Aufrechterhaltung des erworbenen Ranges für die inzwischen eingetragenen Grundstücksbelastungen sowie zur Regelung bestimmter Konflikte des sogenannten intertemporalen Rechts. Der Ausschuß glaubte aber, entsprechend der Stellungnahme der Bundesregierung, auf diese Sonderbestimmungen verzichten zu können, zumal infolge der Währungsumstellung die für die französische Zone neuartige Durchbrechung der Rangfolge des Zwangsversteigerungsgesetzes die dingliche Haftung des Grundstückes für den normalen Privatgläubiger kaum über 2 Prozent des ursprünglichen Hypothekennennbetrages hinaus erstreckt. Der Ausschuß hat deshalb beschlossen, dem Plenum den Antrag nach Drucksache Nr. 580 vorzulegen:
Der Bundestag wolle beschließen,
den vorliegenden Gesetzentwurf unverändert nach der Vorlage zu genehmigen.
Wir treten in die Einzelberatung ein. Wortmeldungen? — Wer für § 1 und § 2 in der Fassung der Drucksache Nr. 445 und wer für die Einleitung und Überschrift ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe. - Damit ist die zweite Beratung geschlossen.
Ich rufe in der
dritten Beratung
auf: § 1, § 2 sowie Einleitung und Überschrift.
Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
— Gegenprobe. — Angenommen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer für das Gesetz als Ganzes in der beschlossenen Fassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. -
Gegenprobe. — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe auf den Punkt G der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD zum Mündlichen Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfas-
sungsrecht über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Einsetzung eines Ausschusses zur Überwachung der Grundsätze bei der Auftragsvergebung für Bauten und Einrichtungen des Bundes im Raume der vorläufigen Bundeshauptstadt — Drucksachen Nr. 578, 443, 199 —.
Nach den Vereinbarungen im Ältestenrat soll hier gleichzeitig aufgerufen werden:
Interpellation der Fraktion der SPD betreffend Grundsätze bei der künftigen Vergebung von Aufträgen für die Einrichtung der vorläufigen Bundeshauptstadt Bonn .
Ich schlage vor, daß zunächst der Bericht des Ausschusses zum Vortrag kommt. Berichterstatter ist der Abgeordnete Kiesinger. Ich erteile ihm_ das Wort zur Berichterstattung.
Meine Damen und Herren! Wir hatten schon Gelegenheit, uns mit der Materie, die hier vorliegt, zu befasset. Der Änderungsantrag der Fraktion der SPD schließt sich an den früheren Antrag zum selben Gegenstand an, nur daß er in dem vorliegenden Falle stärker konkretisiert worden ist. Wenn zunächst der Anschein erweckt werden konnte, als ob durch den neuerlichen Antrag, den Änderungsantrag der Fraktion der SPD, die Bedenken, die im Rechtsausschuß gegen den ursprünglichen Antrag von einer Mehrheit geltend gemacht wurden, behoben sein könnten, so hat die neuere Beratung im Rechtsausschuß ergeben, daß in der Tat kein essentieller Unterschied zwischen diesem Änderungsantrag und dem vorangehenden Antrag besteht. Es haben auch die Vertreter der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei ausdrücklich erklärt. daß insofern eine inhaltliche Änderung nicht gemeint gewesen sei.
Infolgedessen mußte der Rechtsausschuß in seinem Gutachten zum selben Ergebnis kommen wie bei dem ursprünglichen Antrag auf Drucksache Nr. 199: das heißt. er mußte dem Hohen Hause vorschlagen zu beschließen:
Der Änderungsantrag der Fraktion der SPD Drucksache Nr. 433 wird als mit dem Grundgesetz unvereinbar abgelehnt.
Fs sind dieselben Grundgedanken, um die es sich früher handelte, die Frage: kann der Bundestag einen Ausschuß einsetzen, der die Maßnahmen der Exekutive nicht nur überprüft, sofern sie abgeschlossen vorliegen. sondern der die Exekutive in ihrer Tätigkeit begleitend überwacht? Zu dieser Streitfrage hatte sich letztes Mal das Hohe Haus im Sinne des Vorschlags des Verfassungsausschusses dahin entschlossen, derartige die Exekutive begleitende überwachende Ausschüsse als mit dem Grundgesetz unvereinbar abzulehnen. Dasselbe Votum wird vom Verfassungsausschuß auch heute wieder dem Hause empfohlen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Zur Begründung der Interpellation Drucksache Nr. 524 hat Herr Abgeordneter Dr. Arndt das Wort.
- Zur Geschäftsordnung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich schlage doch vor, die Beratung und Abstimmung über den Antrag auf Einsetzung eines Überwachungsausschusses von der Interpellation und von dem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu trennen, so daß zunächst nur der Antrag zur Behandlung steht, über den Herr Kollege Kiesinger soeben für den Rechtsausschuß referiert hat. Hinsichtlich dieses Antrags aber scheint es mir doch wenig angemessen, daß das Hohe Haus in einer so schwachen Besetzung über die Frage berät und entscheidet, ob ein Antrag mit dem Grundgesetz vereinbar ist oder nicht. Mir scheint es daher zweckmäßig, daß der Herr Präsident — wir haben jetzt 20 Minuten vor 6 Uhr - eine neue Sitzung auf 10 Minuten vor 6 oder 6 Uhr einberuft, allerdings mit der Maßgabe, daß auch alle Fraktionen benachrichtigt und geladen werden, was neulich nicht geschehen ist. Aus diesen Gründen bezweifle ich die Beschlußfähigkeit des Hauses.
Von hier aus ist nicht ohne weiteres festzustellen, ob das Haus beschlußfähig ist. Nach § 99 der Geschäftsordnung ist durch namentliche Abstimmung mittels weißer Namenskarten festzustellen, ob der Bundestag beschlußfähig ist. Die Abstimmung darüber setze ich gemäß § 99 Absatz 2 der Geschäftsordnung bis 17 Uhr 50 aus.
Die Sitzung wird um 17 Uhr 50 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die unterbrochene 44. Sitzung erneut. Es ist vor der Unterbrechung die Beschlußfähigkeit des Hauses angezweifelt worden. Vom Sitzungsvorstand aus ist nicht einmütig bejaht oder verneint worden, ob das Haus beschlußfähig ist oder nicht. Es ist also nach § 99 der Geschäftsordnung durch namentliche Abstimmung mittels weißer Namenskarten festzustellen. ob der Bundestag beschlußfähig ist. Ich bitte die Schriftführer, — —
— Sie haben recht. Das Haus ist jetzt offensichtlich beschlußfähig. Es bedarf also dieser besonderen komplizierten Form der Abstimmung nicht,
Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Dr. Ehlers.
Meine Damen und Herren! Ich machte, um allen Mißdeutungen von vornherein entgegenzutreten. doch darauf hinweisen, daß. wie ich glaube, alle Mitglieder des Haushaltausschusses, die. wie dem Hause mitgeteilt worden ist, während des Plenums getagt haben, um ihre Arbeiten fortführen 711 können, von dieser Anzweiflung der Beschlußfähigkeit peinlich überrascht worden sind. Ich möchte feststellen, daß die Geschäftslage sowohl des Haushaltsausschusses wie des Plenums es erfordert, daß die Dinge aufeinander abgestellt werden. Jedenfalls für meine Freunde und, ich glaube. auch für die Herren Kollegen von der FDP und von der DP möchte ich sagen, daß wir diesem Verfahren doch mit sehr erheblicher Sorge gegenüberstehen. Wenn schon der Versuch gemacht wird, die Arbeiten an den Haushaltsberatungen, die dringend nötig sind, zu fördern und dafür parallel zum Plenum eine Sit-
zung einzuberufen, würden wir es begrüßt haben, wenn nicht durch derartige Anzweiflungen die Arbeit des Parlaments und des Ausschusses gefährdet worden wäre.
Meine Damen und Herren! Ich halte es für meine Pflicht, darauf hinzuweisen, daß nach § 99 jeder Abgeordnete das Recht hat, die Beschlußfähigkeit des Hauses zu bezweifeln. Ich glaube, daß unter gar keinen Umständen, auch nicht durch Probleme der glatteren Geschäftsabwicklung in diesem Hause, das Recht eines Abgeordneten, nach § 99 der Geschäftsordnung zu verfahren, eingeschränkt werden sollte.
Es ist vor der Unterbrechung von dem Abgeordneten Dr. Arndt angeregt worden, die Verbindung der Ziffer 6 der Tagesordnung mit der Drucksache Nr. 524, die ich bei Aufruf des Punktes vorgeschlagen habe, wieder aufzulösen. Mir scheinen seine Gründe durchschlagend zu sein. Es erhebt sich kein Widerspruch.
Herr Abgeordneter Dr. Arndt hat das Wort zur Sache, und zwar zu Drucksache Nr. 578.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bemerkungen des Herrn Kollegen Ehlers sind mir recht unverständlich; denn es hat sich ja nicht nur darum gehandelt, daß der Haushaltsausschuß gleichzeitig eine Sitzung abhielt. Der Haushaltsausschuß besteht nämlich, wenn ich recht unterrichtet bin, aus 27 Mitgliedern. Es haben hier aber mindestens 150 bis 200 Abgeordnete gefehlt.
- Das Haus war nicht beschlußfähig!
— Über 200 haben gefehlt! Ich kann nicht rechnen; Sie haben vollkommen recht, Herr Kollege Hilbert: über 200 haben gefehlt. Ich glaube, daß es das Ansehen dieses Hauses sehr erheblich gefährden würde, wenn es über eine verfassungsrechtliche Grundfrage berät und entscheidet, ohne daß es in angemessener Weise besetzt ist. Denn sehen Sie, meine Damen und Herren, daß wir uns so häufig über Fragen der Geschäftsordnung und darüber hinaus über die verfassungsmäßige Art unseres eigenen Verfahrens unterhalten müssen, zeigt doch, daß wir noch gar nicht recht in Verfassung sind und wir hier überhaupt erst für die Zukunft die Grundlagen einer parlamentarischen Arbeit und Zusammenarbeit zu erarbeiten haben.
Was meine Freunde und ich gegenüber der Stellungnahme des Rechtsausschusses, wie der Herr Kollege Kiesinger sie vorgetragen hat, einzuwenden haben, ist zunächst einmal, daß in diesem Hause stets zweierlei Recht angewandt wird — auch in dieser Frage. Denn wir haben eine Reihe von Ausschüssen - ich nenne insbesondere den Außenhandelsausschuß und den Ausschuß für Ernährung, Landwirischaft und Forsten —, die das Recht der laufenden Überwachung der Regierungs- und Verwaltungsgeschäfte durchaus für sich in Anspruch nehmen,
und zwar gerade unter Führung der Regierungsparteien. Aber es geht eben nicht an, daß die Regierungsparteien für die Ausschüsse, an denen sie interessiert sind, ein anderes Recht in Anspruch nehmen, als es bei denen angewandt werden soll, die von der Opposition gefordert werden.
Im Rechtsausschuß war unstreitig, daß Auskunftsanspruch und Überwachungsanspruch zum Kronrecht, möchte ich einmal sagen, des Parlaments gehören, wenn es ein echtes Parlament sein will. Lediglich die Methode wurde seitens der Mehrheit in ihrer Zulässigkeit bestritten, die Methode nämlich, daß dieses Auskunfts- und Überwachungsrecht nicht durch das Hilfsmittel der Ausschüsse ausgeübt werden dürfe, sondern Sie, meine Damen und Herren, waren, soweit Sie der Mehrheit angehören, im Ausschuß der Meinung, daß lediglich das Plenum diese Rechte handhaben könne. Eine solche Unterscheidung geht nicht an; denn was das Plenum kann, das kann es insoweit auch zur Vorbereitung und zur Abwicklung der laufenden Geschäfte an seine Ausschüsse delegieren. Das Haus ist ja überhaupt ohne die Arbeitsmethode der Ausschüsse gar nicht arbeitsfähig. Dem Hause das Recht abzusprechen, sich laufend mit Hilfe eines zuständigen Ausschusses zu informieren, der das Überwachungsrecht für das Plenum ausübt, würde eben praktisch bedeuten, dein Bundestag die Möglichkeiten ganz abzuschneiden. Wir sehen uns aber fortgesetzt diesem Bestreben gegenüber.
Wir erleben ja immer wieder, daß hier bei unseren Verhandlungen die Regierungsbank leer bleibt. Wir haben nur selten einmal das Vergnügen, wenn das Haus schon versammelt ist und still dasitzt, daß bei der Bekanntgabe der ersten amtlichen Mitteilungen durch den Herrn Präsidenten die Gestalt des Herrn Bundeskanzlers mit akzentuierter Geste der Einsamkeit dann hier durch den Gang kommt, um als Letzter — —
— Das ist gar nicht lächerlich!
- Das ist gar nicht lächerlich, meine Herren! Ich
werde das Ende Ihres Lärms ruhig abwarten.
— Herr Kollege Wuermeling, ich bin der Meinung, daß in einem Parlament zuerst die Regierung anwesend zu sein hat und nicht zuerst die Parlamentarier.
Denn die Regierung ist es, die dem Parlament Rede und Antwort zu stehen hat.
wobei die Dehler-Reden schon zu einem Begriff geworden sind.
- Das ist Volksverbundenheit, die Volksverbundenheit, Herr Kollege Wuermeling, die sich darin zeigt, daß Minister und Kanzler in Reden und Interviews eine außerordentliche Kritik an diesem Parlament geübt haben.
Zur Sache komme ich deshalb, weil es sich hier darum handelt, ob ein Überwachungsausschuß einzusetzen ist, ein Ausschuß, der nach dem Grundgesetz zulässig und nach der gegebenen Lage geboten ist. Und darum rede ich zur Sache, wenn ich mich mit den Ausführungen auseinandersetze, die seitens des Herrn Bundeskanzlers darüber gemacht worden sind, daß dieses Haus schon zu viel Ausschüsse habe. Denn das ist ja die Frage, um die es sich hier auch mit handelt. Der Bundeskanzler hat soeben erst dem „Rheinischen Merkur" ein Interview gewährt. Dazu ist die Zeit vorhanden gewesen. Er hat darin gesagt, daß dieses Haus nicht nur zu viel Ausschüsse habe,
sondern daß es bereits verbürokratisiert und überorganisiert sei und dadurch zwangsläufig ein Opfer jener leerlaufenden Geschäftigkeit, die die menschliche Substanz aushöhlt.
Der Herr Bundeskanzler hat der Presse und damit der Bevölkerung gegenüber diesem Hause eine nervöse Betriebsamkeit vorgeworfen. Er hat gesagt, daß das politische Leben - in erster Linie der Bundestag, von dem die Rede war — bereits pathologische Züge aufweise
und daß hier alles zerredende Unrast der Politiker am Werke sei.
Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat neulich eine außerordentliche Empfindsamkeit für die Autorität der Bundesregierung an den Tag gelegt. Ich wünschte, daß der Herr Abgeordnete Adenauer eine ähnliche Empfindlichkeit an den Tag legte für die Autorität des Parlaments!
Auf diese Weise, durch solche Interviews und durch solche Reden, wird dann im Volk
die Stimmung gefördert, daß mit dem Begriff „Bonn" eben das verbunden wird: alles zerredende Unrast der Politiker!
Dieser Ausschuß ist erforderlich, wie wir aus der Begründung meines Kollegen Erler schon die letzten Male gehört haben, die ich nicht zu wiederholen beabsichtige. Die juristische These, die der Herr Kollege Kiesinger für den Rechtsausschuß vorgetragen hat, ist unhaltbar. Wenn sich das Parlament auf den Standpunkt stellen will, es könne sich bei der Ausübung seiner Rechte nicht eines Ausschusses bedienen, so begibt sich das Parlament seiner Rechte. Allerdings habe ich es auf Ihrer Seite, meine Damen und Herren von der Mehrheit, bis jetzt noch niemals gesehen, daß Sie sich auf die Rechte des Parlaments besonnen hätten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
mid: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Laforet.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie mir eine Bemerkung, ehe Sie das Wort ergreifen. Der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Angelegenheiten hat mir soeben mitgeteilt, daß der Herr Bundeskanzler und fünf Bundesminister sich zu Verhandlungen auf den Petersberg begeben haben.
Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Arndt hat mit Recht darauf hingewiesen, daß Ihnen eine grundsätzliche Frage zur Entscheidung vorliegt, und wir haben allen Anlaß gehabt, diese Frage im Rechtsausschuß eingehend zu prüfen. Es dreht sich nicht um eine haushaltsrechtliche Frage. Es unterliegt gar keinem Zweifel, daß im Rahmen des Haushaltsrechts eine volle Überwachungstätigkeit des Parlaments gegenüber der Exekutive besteht. Es dreht sich meiner Auffassung nach auch nicht darum, ob das Parlament durch einen Ausschuß eine Überwachung besonderer Art ausüben kann, sondern es geht darum, ob überhaupt dem Parlament abgesehen von dem Haushaltsrecht diese Überwachungsbefugnis im einzelnen zusteht. Dies ist der Kern der Frage, und die Frage muß losgelöst werden von jedem Anlaß, der dazu geführt hat; denn das politische Bild kann morgen ein ganz anderes sein. Das jetzt entstehende Verfassungsgewohnheitsrecht muß ohne Rücksicht auf die Frage gestaltet werden, aus der sich die Rechtsfrage entwickelt hat.
Der Herr Kollege Kiesinger hat als Meinung der weit überwiegenden Mehrheit des Rechtsausschusses den Standpunkt dargelegt, daß eine Überwachung ,dieser Art durch das Parlament nicht möglich ist. Dem Parlament steht jederzeit die Kritik am Kanzler zu, und zwar mit allen Folgerungen. Dem Parlament steht jederzeit das volle Prüfungsrecht zu. Wir waren uns über die Betonung dieses Prüfungsrechts und dieser Prüfungspflicht auch im Ausschuß völlig einig. Es dreht sich nur darum, ob Einzelmaßnahmen für die Zukunft getroffen, ob, wenn auch nur mittelbar, Weisungen erteilt werden können. Daß abgeschlossene Tatbestände untersucht werden können, unterliegt gar keinem Zweifel. Ich glaube, auch die antragstellende Fraktion hat die Folgerung daraus gezogen, daß, wenn man den ersten Standpunkt der Unzulässigkeit eines solchen Überwachungsausschusses aus dem Grundsatz der Scheidung der Gewalten ablehnen muß, die zweite Folgerung daraus zu ziehen ist, den Weg zu gehen, der jetzt eingeschlagen worden ist, nämlich einen Untersuchungsausschuß zu bilden. Dazu haben Sie die Befugnis, und wir haben die Pflicht, Ihrem Antrage auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses nach den Vorschriften des Grundgesetzes zu entsprechen.
Ich halte es in Übereinstimmung mit dem Herrn Kollegen Dr. Arndt für zweckmäßig, daß wir zuerst die Rechtsfrage erledigen, nämlich daß der erst eingeschlagene Weg, auch wenn er von anderen Ausschüssen in der Praxis vorübergehend eingeschlagen worden ist, in dem Augenblick, in dem die Sache sich zur Rechtsaustragung zuspitzt, nicht weiter beschritten werden darf, losgelöst von diesem Fall und losgelöst von aller Politik aus Rechtsgründen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem verehrten Herrn Kollegen Dr. Laforet sind meine Freunde und ich vollkommen darüber einig, daß das Parlament der Verwaltung gegenüber kein Weisungs recht hat. Weisungsrechte können ausschließlich in der Form eines Gesetzes ausgeübt werden und nicht anders. Darum hat es sich aber auch gar nicht gehandelt, Herr Kollege Dr. Laforet. Es ist unsererseits bei der ersten Begründung des Antrages, im Ausschuß und auch jetzt wieder klargestellt worden, daß es sich nicht um Weisungen, sondern um Überwachung handelt. Da aber verstehe ich nicht, wie Sie dem Parlament das Überwachungsrecht absprechen können. Herr Kollege Kiesinger, ich glaube, doch mit Ihnen darin einig zu sein, daß das Parlament das Überwachungsrecht oder — sprechen wir lateinisch — das Kontrollrecht hat. Darüber sind auch sämtliche Autoren des Staatsrechts einig. Aus der Bestimmung, ,daß der Bundestag befugt ist, die Anwesenheit der Regierungsmitglieder zu beschließen, ist stets hergeleitet worden, daß er ein Kontrollrecht oder auf deutsch ein Überwachungsrecht hat.
Die einzige Streitfrage, die zwischen uns besteht, ist die, ob dieses Kontrollrecht allein durch das Plenum selbst ausgeübt werden kann oder auch mit Hilfe und durch Vorbereitung eines Ausschusses. Das klingt sehr theoretisch; in Wirklichkeit ist es sehr praktisch. Sie sind sich ja doch alle darüber klar, daß dieses Haus als Vollversammlung mit 402 Abgeordneten gar nicht in der Lage ist, sein Kontrollrecht auszuüben, daß es dazu eben der Arbeitsmethode der Ausschußeinsetzung bedarf.
Aus diesem Grunde sind die Auffassungen, wie sie hier von dem Herrn Kollegen Laforet und von dem Herrn Kollegen Kiesinger für den Ausschuß vorgetragen worden sind, rechtlich einfach nicht haltbar, sondern laufen darauf hinaus, daß das Haus sich eines seiner wesentlichsten Rechte, nämlich des Kontrollrechts begibt.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Reismann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich vermag nicht einzusehen, warum ein solcher Ausschuß nicht zulässig sein soll. Über den Umfang des parlamentarischen Kontrollrechts kann man sich schlechterdings insoweit nicht streiten, als es dem Parlament zusteht, alles, was geschehen ist, zu überwachen und nachzuprüfen. Warum dürfen wir nicht schon jetzt einen Ausschuß beschließen, der das, was geschieht, an dem Tage, da es geschehen ist, nachprüft? Der Ausschuß ist ja nicht notwendigerweise erst dann zu bestellen, wenn der zu überprüfende Sachverhalt fertig vorliegt, sondern die Prüfung darf schon dann beginnen, wenn der Sachverhalt gesetzt worden ist. Das ist also sozusagen ein Untersuchungsausschuß, der vorbeugenden Charakter hat und der in demselben Augenblick, nachdem das Faktum gesetzt worden ist, seine Tätigkeit entfalten kann. Da er auf Dauer bestimmt ist, hat er einen sehr guten Grund. Wenn man sich dem entziehen will, dann kann der Grund dafür eigentlich nur außerhalb der Gedankengänge ,des Verfassungsrechts liegen. Er muß also auf dem
Gebiete des rein politischen Nichtwollens liegen, aber nicht auf dem der Rechtmäßigkeit und der Erlaubtheit. Hinsichtlich der Gründe, die es zweckmäßig erscheinen lassen, einen solchen Ausschuß jetzt schon ins Leben zu rufen, brauche ich keine weiteren Ausführungen zu machen. Ich will aber darauf verweisen, daß die Existenz eines solchen Ausschusses allein schon zur Vorsicht mahnt.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kiesinger.
Meine Damen und Herren! Der Juristenstreit ist in seinem Kern vielleicht nicht für jeden klar. Wir sind uns darüber einig, daß das, was die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei tatsächlich erreichen will, ohne weiteres durch den Untersuchungsausschuß erreicht werden wird, dessen Einsetzung im konkreten Fall sie begehrt. Aber die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei will offenbar darüber hinaus eine ganz grundsätzliche verfassungsrechtliche Frage entschieden haben. Infolgedessen ist es doch noch einmal nötig, nach den Ausführungen der Herren Kollegen Dr. Arndt und Dr. Reismann auf folgende Gedankengänge aufmerksam zu machen, denen die Mehrheit des Rechtsausschusses gefolgt ist. lch spreche also jetzt nicht als Berichterstatter, sondern als Vertreter meiner Fraktion.
Ohne Zweifel hat das Parlament das Recht, die Exekutive laufend zu überwachen und zu kontrollieren, und zwar sowohl für die Gegenwart wie auch für die Zukunft. Das ist das gute Recht und das ist die Pflicht des Parlaments. Nun ist es aber nach unserer Auffassung ein Trugschluß, daß deshalb, weil dem Parlament dieses Recht grundsätzlich zugesprochen werden muß, dies in jeder ihm tauglich erscheinenden Form geschehen kann. Das Parlament hat dafür die Möglichkeiten, die die Verfassung gibt: Genehmigung des Haushaltsplanes, Interpellationen und dergleichen.
— Und Untersuchungsausschüsse. Würde man aber dem Parlament die Möglichkeit geben, jede noch so geringe Einzelmaßnahme der Exekutive wie von einem ständigen Schatten durch einen ad hoc und nur zu diesem Zweck eingesetzten Ausschuß des Parlaments begleiten zu lassen, dann würde das ein so unerträglicher, auch in der praktischen Auswirkung unerträglicher, die Initiative und die Arbeitsfreudigkeit der Exekutive lähmender Eingriff in das Gebiet der Exekutive sein, daß deswegen nach unserer Auffassung ein derartiges Vorgehen des Parlaments unzulässig ist. Das bedeutet also keine Verneinung des Rechts ,der Kritik, der Überwachung des Parlaments, sondern das bedeutet nur eine Verneinung der eingeschlagenen Methode, die nach unserer Meinung einen unzulässigen Eingriff in die Exekutive darstellt.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 578 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Der Antrag des Ausschusses ist angenommen.
Meine Damen und Herren! Ich schlage Ihnen vor, daß wir vor dem Punkt 7 der gedruckten Tagesordnung die
Interpellation der SPD betreffend Grundsätze bei der künftigen Vergebung von Aufträgen für die Einrichtung der vorläufigen Bundeshauptstadt Bonn
beraten. Ich glaube, es ist besser, sie an dieser Stelle zu beraten als nach der Ziffer 7 der gedruckten Tagesordnung. Ich rufe also auf Drucksache Nr. 524 — —
— Diese Drucksache soll nachher kommen.
Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Erler.
Eder , Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich sehr kurz fassen. Der Herr Abgeordnete Dr. Laforet hat ganz recht, wenn er meint, daß sowohl diese Interpellation als auch der Antrag Drucksache Nr.
über den wir nachher noch kurz sprechen werden, die logische Folge Ihres eben gefaßten Beschlusses sind. Nachdem Sie gewissermaßen sich zu einer Art konstitutioneller Wahimonarchie bekannt haben,
ist es nun notwendig, daß wir versuchen, von den parlamentarischen Kontrollrechten zu retten, was zu retten ist. Der erste Weg, um den es sich hier handelt — den zweiten will ich jetzt nicht besprechen —, ist der, daß wir die Regierung mit dieser Interpellation bitten, dem Hause auf konkrete Fragen sehr konkrete Antworten zu geben; und zwar handelt es sich für uns bei dieser Interpellation jetzt nicht um die Aufklärung vergangener Tatbestände — das wird Sache des einzusetzenden Untersuchungsausschusses sein —, sondern es handelt sich jetzt ganz nüchtern darum, daß uns allen einschließlich der Herren und Damen der Regierungskoalition doch in sehr vielen Fällen ein Mißbehagen beschlichen hat, wenn wir erfahren haben, nach welchen Grundsätzen oder auch nicht vorhandenen Grundsätzen die gesamte Auftragsvergebung im Raume Bonn bisher gesteuert wurde. Wir halten es daher far notwendig, daß die Regierung nun ihrerseits, nachdem wir dabei nach Ihrem eigenen Entschluß nicht mehr mitwirken dürfen, sich den Kopf darüber zerbricht, wie man dieses Auftragsvergebungsverfahren wieder auf anständige und sonde Grundlagen bringt.
Daher fragen wir die Bundesregierung, ob sie bereit ist, kunftig Aufträge des Bundes für die Gebäude und Einrichtungen einschließlich der Ausstattungs- und Kunstgegenstände im Raume der vorläufigen Bundeshauptstadt Bonn erst nach öffentlicher Ausschreibung zu vergeben. Die Frage ist deshalb besonders klar, weil wir neulich erst in einigen Ausschüssen des Bundestags erfahren mußten, daß im wesentlichen bisher nicht öffentlich ausgeschrieben wurde; und nicht nur im wesentlichen, sondern überhaupt nicht.
Die zweite Frage, die an die Regierung zu stellen ist, ist die, welche Grundsätze sie für die Vergebung dieser Aufträge aufstellen will; und die dritte Frage, welche Vorkehrungen die Bundesregierung treffen will, um eine gleichmäßige und gerechte Verteilung der Aufträge auf alle für die Lieferung und Leistung geeigneten Unternehmer des ganzen Währungsgebietes zu gewährleisten. Es wird notwendig sein, daß wir hier nicht nur die allgemeine Auskunft bekommen, daß die Regierung. sich bemüht, für eine möglichst gerechte Streuung der Aufträge zu sorgen, sondern wir möchten uns wirklich dafür interessieren, welche ganz bestimmten Verwaltungsanweisungen in concreto ergangen sind, um dieses Prinzip in der Durchführung zu sichern. Das ist das eine.
Außerdem möchte ich in diesem Zusammenhang darauf Wert legen, die Regierung darauf hinzuweisen, daß bei der Vergebung dieser Aufträge auch das Verfahren für die Besatzungsbauten im Raume Bonn mit geregelt werden muß. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, als ob man zu einem großen Teil der Meinung sei, daß diese Aufgaben — da es sich ja um Besatzungskosten handele, die zunächst das Land Nordrhein-Westfalen vorstrecke — den Bund nichts angingen. Uns trifft nicht nur die politische Verantwortung für diese Ausgaben, sondern uns trifft praktisch auch später die finanzielle Last. Bei der Auseinandersetzung des Bundes in den Fragen des Finanzausgleichs wird sich herausstellen, daß uns die in den einzelnen Ländern verausgabten Besatzungskosten von den Ländern auch für die Zeit bis zum 31. März dieses Jahres mittelbar präsentiert werden. Praktisch bedeutet also jede Ausgabe für Besatzungskosten auch eine Ausgabe des Bundes. Es wird also notwendig sein, diesen viel mehr als alle anderen Ausgaben, die in Bonn geleistet worden sind, zu Buch schlagenden Betrag in das gleiche Verfahren einzubeziehen, das die Bundesregierung für die Ausgaben für die deutschen Steilen und Behörden nun anwenden will. Wir sind begierig, zu erfahren, was die Regierung auf unsere Fragen zu antworten hat.
Das Wort zur Beantwortung der Interpellation hat der Herr Staatssekretär Hartmann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde dem Wunsch des Interpellanten entsprechend nicht über Dinge der Vergangenheit reden, sondern die grundsätzliche Stellungnahme des Herrn Bundesministers der Finanzen, der heute nachmittag leider verhindert ist, zu dieser Interpellation bekanntgeben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
a) die öffentliche Ausschreibung, b) die beschränkte Ausschreibung und c) die freihändige Vergebung.
Die öffentliche Ausschreibung von Bauvorhaben ist infolge der erforderlichen gründlichen Prüfung der meist sehr zahlreich eingehenden Angebote nicht nur zeitraubend, sondern verursacht auch der Wirtschaft selbst erhebliche Kosten. Insbesondere hat sie den Nachteil, daß bei öffentlichen Ausschreibungen in erster Linie die Firmen zum Zuge kommen, die in Bonn selbst oder
in der nächsten Umgebung ihren Sitz haben, weil auswärtige Firmen, die weiter entfernt sind, eben durch die Tatsache der Entfernung meist größere Kosten haben und dadurch bei einer öffentlichen Ausschreibung ungünstiger placiert sind. Die öffentliche Ausschreibung hat den Nachteil, daß sie die Heranziehung von Firmen aus Notstandsgebieten geradezu erschwert. Auch bei der Beschaffung von Einrichtungsgegenständen und anderen Artikeln gilt dasselbe, wenn auch in geringerem Umfang. Für den Erwerb von künstlerischen Gegenständen ist ein aus Sachverständigen zusammengesetzter Gutachterausschuß eingesetzt.
Mit Rücksicht auf die Nachteile der unbeschränkten öffentlichen Ausschreibung ist in den meisten Fällen der beschränkten Ausschreibung der Vorzug zu geben. Früher wurden im allgemeinen dabei drei bis sechs Unternehmer zur Angebotsabgabe aufgefordert. Von uns wird nunmehr die Zahl der aufzufordernden Firmen erheblich vergrößert, um eine größere Streuung der Aufträge zu ermöglichen.
Die dritte Methode, die der freihändigen Vergebung, gehört zu den Ausnahmen. Eigentlich soll sie möglichst überhaupt nicht erfolgen, es sei denn, daß eine besondere Dringlichkeit vorliegt oder eine individuelle Leistung gefordert wird. Grundsätzlich sehen wir also zu, daß wir im Wege der beschränkten Ausschreibung in die Lage kommen, vor allem Firmen, die nicht nur hier, sondern in den Notstandsgebieten ihren Sitz haben, zu berücksichtigen.
Wir haben dafür folgendes Verfahren entwickelt: Die Bauverwaltung des Bundesministeriums der Finanzen hat mit den Wirtschaftsvertretern der Länder in Bonn vereinbart, daß jeder Ländervertreter mehrere Exemplare der Ausschreibungsunterlagen erhält, sofern die Aufträge für sein Land geeignet sind. Zur dauernden Kontrolle einer gerechten und gleichmäßigen Verteilung der Aufträge durch die einzelnen Länder werden beim Baureferat des Bundesministeriums der Finanzen und bei der zentralen Beschaffungsstelle Aufzeichnungen über die erteilten Aufträge, über die Höhe der Vergebungssummen und die Art der Vergebung geführt, so daß wir einen ständigen Überblick darüber haben, in welche Länder die Beschaffungsaufträge geflossen sind.Soviel mir bekannt, arbeiten das Postministerium und die Bundesbahn nach den gleichen Grundsätzen, und es ist selbstverständlich, daß zwischen Bundesbahn und Post und uns eine dauernde Abstimmung hierüber erfolgt.
Zum letzten Punkt des Herrn Interpellanten, nämlich der Frage der Besatzungskosten, darf ich folgendes sagen: Die Besatzungskosten sind vorn Bund erst vom 1. April 1950 ab zu tragen. Vorher gehen sie den Bund nichts an. Sie gehen auch nicht indirekt auf den Bund über. Wir haben aber heute morgen gerade in der Konferenz der Finanzminister der Länder mit den Finanzministern das Verfahren erörtert, auf welche Weise die Besatzungskosten in Zukunft vom Bund kontrolliert werden und in welcher Weise ein Weisungsrecht des Bundes gegenüber den Länderbehörden, die sich mit den Besatzungskosten befassen, einzurichten ist. Wir glauben, hier einen praktischen Weg gefunden zu haben, um ohne ein Gesetz, dessen Verabschiedung ja drei bis vier Monate dauern würde, bereits ab 1. April die Handhabung der Besatzungskosten durch die Länder mit genügender Kontrolle und, wie gesagt, mit einem Weisungsrecht des Bundesministers der Finanzen gegenüber den Länderbehörden sicherzustellen. Es wird so werden, daß nach wie vor die Länderbehörden oder die von den Ländern eingesetzten Behörden die Besatzungskosten weiter verwalten, es sei denn, daß sich dabei Unzuträglichkeiten ergeben sollten, was keineswegs anzunehmen ist, da in den langen Jahren seit 1945 die Regelung der Besatzungskosten sich in den einzelnen Ländern eingespielt hat. Für die Besatzungkosten im Raum Bonn wird daher nach wie vor zunächst das Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen zuständig sein mit der eben von mir erwähnten Maßgabe, daß die Verausgabung dem Weisungsrecht und der Kontrolle des Bundesministers der Finanzen und selbstverständlich des Bundesrechnungshofes unterliegen wird.
Meine Damen und Herren! Nach § 56 der Geschäftsordnung hat sich an die Beantwortung die Besprechung anzuschließen, wenn 50 anwesende Mitglieder des Hauses dies verlangen. Besteht dieses Verlangen, und wird es von 50 Mitgliedern getragen? — Offenbar nicht. Dann ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe den letzten Punkt der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Prüfung der im Raume Bonn vergebenen Aufträge .
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, in Anbetracht der Lage können wir uns nun recht kurz fassen. Dieser Untersuchungsausschuß muß eingesetzt werden, wenn mehr als ein Viertel der Mitglieder des Hauses es fordern. Die Antragsteller selbst stellen bereits mehr als ein Viertel der Mitglieder des Hauses dar. Ich kann mich daher darauf beschränken, dem Hause noch einmal bekanntzugeben, aus welchen Gründen wir diesen Untersuchungsausschuß wünschen und welche Marschroute er mit auf den Weg bekommt. Wir wollen, daß dieser Untersuchungsausschuß alle die Maßnahmen nachprüft, die getroffen worden sind, um uns, um die Regierung und die alliierten Dienststellen hier zu etablieren, um ganz bestimmte Feststellungen dabei zu treffen, und zwar zunächst darüber, nach welchen Grundsätzen die Aufträge vergeben wurden, also sowohl hinsichtlich der Aufwendungen für die deutsche als auch die alliierte Seite.
Ich muß hier dem Herrn Vertreter dies Finanzministeriums widersprechen, wenn er meinte, daß diese letzte Seite Angelegenheit nur der Länder sei. Das stimmt nicht. Die Aufträge sind hier durch das gleiche Büro gegangen, nämlich durch das Büro Bundeshauptstadt, ,das zwar vom Lande Nordrhein-Westfalen geschaffen wurde, aber dennoch auch all die Ausgaben geleistet hat, die wir dann nachher hier zu bewältigen und zu verkraften hatten. Das ist das eine.
Zweitens weiß jeder, der auch nur aus der Ferne den Verhandlungen über den Finanzaus-
gleich gefolgt ist, daß das Hauptargument der Länder immer wieder war: Wieviel müssen wir zum Beispiel aufwenden für die Flüchtlinge und wieviel müssen wir aufbringen zum Beispiel für die Besatzung? Ich denke da ,etwa an das Land Südbaden, das nur mit Rücksicht auf die Besatzungskosten, die es zu tragen hat, von Zahlungen im Rahmen des Finanzausgleichs verschont geblieben ist. Damit ist doch der klarste Beweis erbracht, daß auch die Bundesfinanzen, auch die Gesamtheit der Finanzen aller Länder in Mitleidenschaft gezogen werden durch das, was hier unter Umständen für die Alliierten ausgegeben werden mußte. Der Ausschuß wird sich daher mit dieser Frage zu beschäftigen haben.
Dann haben wir einen ganz konkreten Anlaß, der uns dazu gebracht hat, zu fragen, ob Aufträge von unzuständigen Stellen und ohne Beteiligung des Bundesfinanzministeriums vergeben wurden, weil sich nämlich herausgestellt hat, daß bis zum heutigen Tage keine einwandfreie Klärung erzielt werden konnte.
Der Ausschuß wird dann nachzuprüfen haben, wieweit bestimmte private Architektenbüros hier neben den offiziellen Beschaffungsstellen des Bundes und darüber hinaus eigene Aufträge erteilt haben, zwar durch diese Stellen, aber nach Richtlinien, die nicht ganz der Verdingungsordnung für Bauleistungen entsprechen, Herr Staatssekretär!
Weiter wollen wir durch den Ausschuß prüfen lassen, ob und welche Vorkehrungen getroffen wurden, um Überforderungen durch die Lieferanten zu vermeiden. Der Haushaltsausschuß hat auf diesem Gebiete einige nach unserer Meinung nicht sehr erfreuliche Erfahrungen gesammelt. Es wird nachzuprüfen sein, welche Vorkehrungen damals schon getroffen worden sind, um sicherzustellen, daß der Bund und seine Kassen nicht überfordert wurden, bzw. ob überhaupt überfordert wurde.
Dann interessiert uns, wie die Aufträge auf die einzelnen Gebietsteile gestreut worden sind. Es interessiert den künftigen Ausschuß, ob Anschaffungen ohne Rücksicht darauf gemacht worden sind, daß die Gegenstände vielleicht anderwärts schon vorhanden waren und von dort nach Bonn übergeführt werden konnten.
Zum Abschluß möchte ich Ihnen noch eine Zahl nennen, die uns zu der letzten Frage veranlaßt hat. Diese letzte Frage lautet nämlich, aus welchen Gründen und in welcher Höhe größere Summen ausgegeben wurden, als dem Bundestage vor seiner Entscheidung über den Bundessitz als erforderlich benannt waren. Wir alle haben doch seinerzeit bestimmtes konkretes Material in die Hände bekommen, um ungefähr die finanziellen Auswirkungen unserer Beschlüsse übersehen zu können, und ,da wird es für uns alle und natürlich auch für die Gesamtheit der Steuerzahler wichtig sein, einmal zu wissen, ob der Bundestag hier wirklich vollkommen richtig informiert worden ist oder nicht. Wenn wir zum Beispiel neuerdings feststellen mußten, daß das Justizministerium nicht in den für es vorgesehenen Kasernenbau in der Polizeischule draußen ziehen kann, weil der Ausbau 800 000 Mark kosten würde statt der 60 000 Mark, die dem Bundeshauptstadt-Ausschuß genannt worden sind,
dann beweist dieses Beispiel allein doch, daß es
notwendig ist, auch dieses Zahlenmaterial einmal zu überprüfen; denn der Steuerzahler draußen im Lande macht sich Gedanken darüber. Deswegen wollen wir die Gewißheit geben, daß es hier nach Möglichkeit so recht und ordentlich zugegangen ist und künftig auch zugehen wird, wie wir es nur wünschen.
Daher wird das die Linie des Untersuchungsausschusses sein. Sie werden ihn einsetzen, und damit wird hoffentlich dann auch dieses Kapitel einmal seine endgültige Erledigung gefunden haben.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Graf von Spreti.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Punkt, der eben auf der Tagesordnung steht, beschäftigt mich persönlich schon längt. Herr Geheimrat Laforet hat vorhin festgestellt, daß uns nicht eine Überwachung, wohl aber eine Kritik zusteht. Ich glaube kaum, daß in der heutigen Presse ein Thema beliebter ist als das des Lebens von uns Abgeordneten oder des großen Luxus in diesem Hause. Ich möchte hier ganz offiziell feststellen, daß von diesem „Luxus" nicht sehr viel zu sehen ist.
Denn der, der diesen Winzerfest-Charakter unserer Restaurants kennt, kann nicht in seiner Familie oder in seinem Wahlkreis von irgendwelchem Luxus erzählen. Wir haben aber doch den Eindruck, daß hier Dinge geschehen, die irgendwo gebremst werden müssen. Wenn man den sogenannten Rechnungshof einsetzt, so bin ich zwar sicher, daß dieser Rechnungshof die Frage mit mathematischer Gründlichkeit prüfen wird. Aber die eigentliche technische Prüfung kann auch ein Rechnungshof nicht durchführen, oder er gehört zu den sieben Weisen.
Es sind meiner Ansicht nach und auch nach Ansicht vieler meiner Freunde manche Dinge doch so gestaltet worden, daß dieses Haus zum Teil eigentlich zu einem Tummelplatz von einigen Professoren einer besonderen Gruppe geworden ist. Ich bin der Meinung, daß auch wir hier der Architektenschaft und ebenso dem Baugewerbe die Hand zu freiem Konkurrenzkampf geben und dafür sorgen müssen, daß jeder zu seinem Recht kommt. Wir sind hier keine Experimentiertruppe, was zu Zeiten des Dritten Reiches für einige Erstgeburtsrechtler im Architektenberuf gegolten haben mag. Wenn uns hier das Recht der Kritik zugestanden worden ist, so will ich nur noch folgendes sagen: Man sehe sich einmal die Küche an! Wenn die von einem Mediziner so eingerichtet worden wäre, würde man ihn wegen Kurpfuscherei wahrscheinlich vor ein Gericht zitieren.
Das ist einer der übelsten Punkte hier in diesem Hause. Wir haben außerdem auch gar kein Interesse an Gartengestaltung in einer Zeit, in der wir anderen Leuten nicht einmal ein Bett geben können zum Schlafen!
Wir brauchen keine Ostereier draußen im Garten zu suchen!
Auch unsere Beamten werden sich unbedingt mehr auf Primitivität einstellen müssen; es muß nicht jeder Einzelne ein eigenes Zimmer haben. Ich würde sonst diesen Herren raten, einmal nach England oder Frankreich zu gehen. Dann würden sie sehen, wie die Beamten dort leben und dabei trotzdem Tradition und Glorie ihrer Nation hochhalten.
In diesem Sinne unterstützt die CDU/CSU den Antrag auf Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses, von dem wir hoffen, daß er hier bald Klarheit schaffen wird.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Laforet.
Meine Damen und Herren! In der Sache selbst hat der Untersuchungsausschuß das Wort. Hier nur beim ersten Anlaß zu der Frage der Untersuchungsausschüsse überhaupt ein paar grundsätzliche Bemerkungen:
Neben dem Recht auf Einbringung einer Interpellation und abgesehen von der haushaltsrechtlichen Seite steht der Minderheit das Recht zu, vom Plenum die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu verlangen. Das Viertel der gesetzlichen Mitgliederzahl hat das Recht, und das
Plenum hat meiner Ansicht nach unter allen Umständen die Pflicht, diesem Willen der Minderheit zu entsprechen.
Zweitens: Auch der Gegenstand, zu dessen Untersuchung der Ausschuß eingesetzt werden soll, wird meiner Ansicht nach von dem Viertel der gesetzlichen Mitgliederzahl bestimmt. Die Antragsteller haben die Befugnis, den Rahmen zu geben. Die Bestimmung, wie und wie weit sie diesen Rahmen gespannt haben wollen, steht gesetzlich ihnen zu.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den Antrag Drucksache Nr. 523 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. Gegenprobe! — Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, ist die Tagesordnung erschöpft.
Ich berufe die 45. Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf morgen, Freitag, den 3. März 1950, 13 Uhr 30.
Ich schließe die Sitzung.