Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hat für die dritte Lesung nicht alle Anträge wiederholt, die sie in der zweiten Lesung gestellt hatte. Sie will sich auf einige wesentliche Anträge beschränken, so vor allem auf den Versuch, in Übereinstimmung mit unserer Verfassung auch im Beamtenrecht die Gleichberechtigung der Frau durchzuführen, um auf diese Weise einen Verfassungsbruch zu vermeiden, und ferner darauf, tüchtigen mittleren Beamten oder Männern und Frauen, die in der Wirtschaft, in der Politik und in der Gewerkschaftsarbeit sich bewährt haben, die Chance des Einbaus in unseren demokratischen Staatsaufbau zu geben.
Wenn wir also für die dritte Lesung nicht alle Anträge wiederholen, so bedeutet das nicht, daß wir damit auf deren beamtenpolitische Ziele verzichten. Wir werden diese Anträge bei der hoffentlich bald stattfindenden Beratung des endgültigen Beamtengesetzes erneut stellen. Aber wir werden beantragen, daß über diese unsere Anträge namentlich abgestimmt wird; denn ich glaube, es ist sehr richtig und sehr wichtig, zu wissen, wie die einzelnen Abgeordneten zu diesen Anträgen stehen. Dazu haben wir um so mehr Veranlassung, als uns nicht entgangen ist, daß eine Reihe von Abgeordneten dieses Hauses draußen in Gewerkschaftskundgebungen, bei Protestversammlungen, in Druckschriften und Eingaben für die Forderungen eingetreten sind, die die Sozialdemokratie hier gestellt hat, daß aber die gleichen Abgeordneten hier im Bundestag dann gegen die Anträge stimmten, die sie draußen mit unterstützt haben.
Wir können uns den Grund sehr gut erklären, denn wir wissen, daß unsere Anträge, vor allem der Antrag, den sogenannten Außenseitern — übrigens eine völlig falsche Bezeichnung — die Chance eines gleichberechtigten Einbaus zu geben, nicht überall beliebt sind. Aber in dem Augenblick, in dem es sich darum handelt, sogenannte Außenseiter aus der Hitlerzeit, deren fachliche Erfahrungen zumeist nur in der Bewährung in Saalschlachten bestanden,
Außenseiter, die zwischen 1933 und 1945 hineingekommen sind, in dem Augenblick, in dem es sich darum handelt, diese Außenseiter, wenn sie durch ein merkwürdiges Entnazifizierungsverfahren in die Kategorie V gekommen sind, wieder einzustellen, sind Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, durchaus bereit, dieses Entnazifizierungsverfahren willig anzuerkennen und diese alten Außenseiter wieder einzustellen, um ihre sogenannten Rechte wiederherzustellen. Das soll sogar dann geschehen, wenn dafür Männer und Frauen, die sich 1945 für den Aufbau des neuen Staates zur Verfügung gestellt haben, brotlos werden würden.
Wohin eine solche Personalpolitik und eine solche Begünstigung führen, haben wir an der Verhandlungsführung und dem Urteil im Hedler-Prozeß gesehen. Wie soll denn die Welt an eine geistige
und politische Erneuerung Deutschlands glauben, solange eine solche Verfahrensmethode, ein solches Urteil und eine solche Justiz möglich sind? Als der Vertreter der Nebenkläger während der Verhandlung auf die 6% Millionen ermordeter oder vergaster Juden hinwies, bekam er von der Verteidigung lediglich den Zwischenruf als Antwort: „Ach, das ist ja übertriebene Propaganda!" Statt daß es nun auch den Richtern die Schamröte ins Gesicht getrieben hätte, daß ein solcher Zwischenruf möglich war, reagierte das Gericht überhaupt nicht. Es machte von seinem Mittel der Sitzungsgewalt keinen Gebrauch und sah sich nicht einmal veranlaßt, den Verteidiger des Angeklagten zu rügen. Ist es daher ein Wunder, wenn ein solches Verhalten deutscher Beamter uns draußen schadet? Wir wissen ja, daß es uns auch schon mehrere Millionen Dollarhilfe gekostet hat.
Als hier vor einigen Monaten über die Saarfrage diskutiert wurde und als die Regierung ihre Haltung auf dem Petersberg hinsichtlich des Ruhrstatuts verteidigte, da erklärte sie auch unter anderem, für ihr Verhalten sei mitbestimmend gewesen, welchen Eindruck die Haltung der deutschen Bundesregierung im Ausland machen würde. Der Herr Finanzminister hat neulich bei der Beratung der Steuerreform, als sich die Kritiker zu Worte meldeten, zu dem recht merkwürdigen Mittel gegriffen, diesen Kritikern vorzuwerfen, sie schädigten das deutsche Ansehen im Ausland, wenn man diese Kritik laut werden lasse. Aber in dem gleichen Augenblick ist die Regierung ohne weiteres bereit, diese Abneigung des Auslandes in Kauf zu nehmen, wenn es sich um den Schutz und die Förderung früherer Beamter des Dritten Reiches handelt, denn anders ist ein Teil der Personalpolitik dieser Regierung nicht zu verstehen.
In welchem Maße ehemalige Pgs in leitende Stellen wieder hineingekommen sind — ich lege Wert auf diese Feststellung „leitende Stellen" —, ergab sich am klarsten durch Pressemeldungen der letzten Tage, wonach in einigen Ländern Süddeutschlands die höheren Beamten sich aus nicht weniger als 60 Prozent ehemaliger Pgs zusammensetzen.
Das werden Ihnen, meine Damen und Herren, übrigens die kleinen Pgs auch nicht danken, daß man diejenigen schon überall in den Verwaltungen wieder findet, die diese kleinen Pgs damals zu Mitschuldigen werden ließen und sie ins Unglück gebracht haben.
Das Ziel einer solchen Personalpolitik auf Grund eines Gesetzes, wie es beabsichtigt ist, wird auch durch eine Verordnung der Bundesregierung bewiesen, die sie vor kurzem auf Grund des Artikel 132 des Grundgesetzes erlassen hat. Es handelt sich dabei um die Bestimmung des Grundgesetzes, wonach bis zum 7. März 1950 ungeeignete, aber inzwischen lebenslänglich angestellte Beamte in den Ruhe- oder Wartestand versetzt werden können. Der Sinn dieses Artikels war, die Bundesregierung von der Verpflichtung zu entbinden, alle Beamten der bizonalen Verwaltung zu übernehmen. Auf jeden Fall aber war mit der Verordnung beabsichtigt, politisch unerwünschte Elemente, die inzwischen in den Beamtenkörper hineingekommen waren, bis zum 7. März wieder zu entfernen. Aber was hat man mit dieser Verordnung gemacht? Man hat sie dazu benützt, um sich schützend vor die ehemaligen Pgs zu stellen und damit praktisch zugleich diejenigen zu treffen, die am Aufbau nach 1945 mitgewirkt haben. Denn § 3 dieser neuen Verordnung der Bundesregierung sieht ausdrücklich vor, daß bei der Prüfung über die Eignung eines Beamten seine politische Vergangenheit in der Zeit von 1933 bis 1945 nicht zu berücksichtigen ist.
Diese Politik läßt gar keinen Zweifel offen. Man stellt sich also praktisch schützend vor jene Beamte, die zwölf Jahre Hitler treu gedient haben, und gibt zugleich durch diese Verordnung eine Handhabe, diejenigen zu entfernen, die eben nicht die Verwaltungsroutine besitzen können, weil sie zwölf Jahre außerhalb stehen mußten.
Wohin eine solche Politik ferner führt, ergab sich klipp und klar auch aus der Haltung der Mehrheit dieses Hauses, als ein Antrag meiner Fraktion in der zweiten Lesung abgelehnt wurde, worin wir verlangten, daß diejenigen Beamten, die 1933 auf Grund des sogenannten Berufsbeamtengesetzes aus ihrem Amt herausgesetzt worden waren, obwohl sie alte Berufsbeamte waren, zumindest in der Besoldung ebenso wie die ehemaligen Nazi-Beamten gestellt werden sollten. Sie haben diesen Antrag abgelehnt, und ich frage Sie, meine Damen und Herren, woher Sie das Recht nahmen, diese Opfer der damaligen Willkürgesetzgebung so zu brüskieren und damit auch zugleich diejenigen zu bevorzugen die damals an Stelle der Herausgeworfenen in die Ämter eingerückt sind. Man kann darüber streiten, ob es hier und jetzt notwendig gewesen ist, einen Teil der Wiedergutmachung gegenüber früheren Berufsbeamten durchzuführen; wenn aber Ihre Haltung jetzt dazu führt, daß die damals Geschädigten nun auch künftig noch schlechter als diejenigen bezahlt werden, die als Außenseiter die Berufsbeamten damals verdrängt haben, so ist das doch ein unmögliches Ergebnis.
Die Beratungen vor allem auch im Ausschuß waren recht schwierig; sie waren nicht nur wegen der Materie schwierig. sondern sie waren vor allem schwierig, weil wir das Gefühl hatten, daß auf Ihrer Seite keinerlei Bereitschaft bestand, irgendwie dem Gedanken eines modernen Beamtentums näherzutreten. Wie anders ist denn sonst der Antrag zu verstehen, der im Ausschuß gestellt wurde, daß zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung keinerlei Abänderungsanträge im Ausschuß gestellt werden dürften?
Und dieser Beschluß ist damals durchgegangen. Erst als ich darauf hinwies, daß dieser Beschluß nicht nur eine Verletzung der Geschäftsordnung, sondern — abgesehen von der Frage der Fairneß — eine glatte und klare Verletzung des Grundgesetzes bedeute, und erst als ich erklärte, daß meine Fraktion bei Aufrechterhaltung dieses Beschlusses keine Veranlassung habe, in dem Ausschuß weiter mitzuarbeiten, ist dieser Beschluß aufgehoben worden.
Der Herr Innenminister des Bundes hat in der zweiten Lesung zu dem Beamtengesetz unter anderem erklärt, die Anträge der sozialdemokratischen Fraktion seien undurchsichtig. Nun, ich frage: Was ist denn an unseren Anträgen undurchsichtig? Von einem Antrag, das Grundgesetz nicht zu verletzen und daher die Ermächtigung zu streichen, daß zwei Bundesminister das Recht erhalten, ein
Gesetz zu erlassen, kann man doch wirklich nicht sagen, daß er undurchsichtig ist. Wir sind der Meinung, daß eine Undurchsichtigkeit erst durch die in dieser Ermächtigung liegende Verfassungsverletzung geschaffen wird.
Der Herr Bundesinnenminister hat ferner — und er wurde hierin durch den Herrn Abgeordneten Dr. Wuermeling unterstützt — erklärt, das sei ja eine ganz harmlose Ermächtigung, weil es sich nur um redaktionelle Änderungen handele. Zunächst glaube ich nicht, daß der Ausschuß mehrere Wochen getagt und beraten hätte, um dann lediglich 18 redaktionelle Änderungen vorzuschlagen. Aber das Entscheidende ist doch etwas ganz anderes. Hier haben wir das Hitler-Gesetz von 1937, und auf der anderen Seite haben wir die Aufgabe des Aufbaus der neuen Demokratie mit den dringenden Erfordernissen auch eines neuen Beamtentums. Solche grundlegenden Änderungen sind doch weiß Gott nicht nur redaktioneller Art. Dann würde das ja bedeuten, daß der neue demokratische Staat weiter nichts wäre als eine redaktionell anders gefaßte Ausgabe des Hitler-Reiches.
Der Herr Abgeordnete Dr. Kiesinger hat damals im Zusammenhang mit der Debatte über den Hedler-Prozeß erklärt: „Achten wir nicht den Rechtsstaat, dann bricht eines Tages dieses ganze Gebäude zusammen!" Wer wollte diesen Satz hier bestreiten? Aber ich wüßte nicht, wie man. den Gedanken des Rechtsstaates noch mehr verneinen könnte. als wenn man zu Ermächtigungsmethoden zurückkehrt. die das deutsche Volk schon einmal in ein Unglück gestürzt haben, das heißt zu Ermächtigungsmethoden. mit denen das Parlament das ihm ureigenst zustehende Recht der souveränen Gesetzgebung an zwei Beamte der Exekutive, das heißt an zwei Minister, delegiert.
Wenn der Herr Bundesinnenminister im übrigen von den undurchsichtigen Zielen der SPD sprach, dann frage ich mich: ist es denn ein undurchsichtiger Antrag, wenn wir die Gleichberechtigung der Frauen fordern und wenn wir für eine größere Chance des Einbaus aller verdienten Außenseiter in die Verwaltung sind? Gerade in dieser Forderung liegt doch ein klares politisches Bekenntnis zur Solidarität aller im öffentlichen Dienst stehenden Männer und Frauen, Beamten und Arbeiter. Ich glaube, es wäre für unsere Verwaltung und für unseren neuen Staat sehr gut, wenn auch die Bundesregierung sich von einem solchen Bekenntnis und von einem solchen Gefühl der Solidarität tragen lassen würde.
Es war im übrigen in der zweiten Lesung für uns sehr interessant, wie zögernd manche Mitglieder der Regierungsparteien ihre Stimme bei der Ablehnung unserer Anträge abgegeben haben. Das ist wahrscheinlich kein Zufall, sondern es beruht wahrscheinlich auf einer gewissen Unsicherheit in Ihren Reihen. Es war daher wohl auch kein Zufall, daß der Herr Präsident manchmal oder sehr häufig zur zweiten Abstimmung oder zum Mittel des Hammelsprungs greifen mußte.
So waren es in dem Ausschuß ja auch gerade die Mitglieder der CDU/CSU, die für eine zeitliche Begrenzung dieses Gesetzes eingetreten sind und die sehr gewichtige und sehr überzeugende Gründe angeführt haben, wonach die Beamten auch außerhalb des Dienstes verpflichtet seien, Angriffen auf die neue Staatsform entgegenzutreten. In dem Augenblick aber, als dann der FDP-Antrag im Plenum vorlag, all diese Bestimmungen zu streichen, stimmten die gleichen Abgeordneten, die im
Ausschuß für diese Bestimmung waren, plötzlich gegen ihre frühere Meinung.
Nun hat der Herr Bundesinnenminister erklärt, die Bundesregierung befinde sich in einer Art Notstand, da sie mangels eines Gesetzes keine Beamten ernennen könne. Ich habe bereits in der ersten Lesung darauf hingewiesen, daß wir diese Auffassung nicht teilen; denn die Bundesregierung ist selbst daran schuld, weil sie unter Außerachtlassung der jetzigen Rechtsgrundlage des Gesetzes Nr. 15 dieses Gesetz einfach nicht anerkennen will. Es ist vielleicht heute müßig, zu streiten, warum es zu diesem von der Besatzungsmacht erlassenen Gesetz kommen mußte. Aber nachdem es einmal da war und in seinem Inhalt weitgehend auch dem Ergebnis der Kommissionsbesprechungen in Frankfurt am Main entsprach, hätten gar keine Bedenken zu bestehen brauchen es als eine vorläufige Grundlage anzuerkennen. Wir haben wenig Verständnis dafür, wenn seitens der Bundesregierung die Anwendung eines vorhandenen Gesetzes verweigert wird und sie sich dann gleichzeitig darüber beklagt, daß sie keine rechtliche Grundlage habe.
Gegenüber vielen unserer Anträge in den Ausschüssen und im Plenum ist bei ihrer Ablehnung darauf hingewiesen worden, es handle sich nur um ein vorläufiges Gesetz und man könne alle die mit den Anträgen der SPD aufgeworfenen wichtigen Probleme einer Lösung in der späteren Zeit überlassen. Meine Damen und Herren, Sie müssen begreifen. daß wir zu einer solchen Vertröstung sehr skeptisch stehen. Denn wenn es sich wirklich um eine ernste Absicht handeln würde, nur ein vorläufiges Gesetz zu schaffen. dann fragen wir, warum die auch von der CDU gestellten Anträge und nachher unsere Anträge. diesem eine bestimmte Frist zu geben. im Plenum nicht durchgegangen sind. Der Herr Bundesminister hat vor Pressevertretern seinerzeit von sich aus eine Frist genannt; sie lag im Jahre 1953.
Wie man dann noch von einem vorläufigen Gesetz
sprechen kann, scheint uns nicht ganz erfindlich.
Skeptisch macht uns auch die Erklärung des Herrn Abgeordneten Dr. Wuermeling die Abgeordneten der CDU aus Rheinland-Pfalz, soweit ich das richtig verstanden habe bäten einen Urantrag bei dem Präsidenten des Hauses über die Beratung des endgültigen Gesetzentwurfes eingebracht. Wir kennen diesen Antrag bis heute nicht. aber wenn die Regierungsparteien wirklich überzeugt wären, daß es bald zu einer endgültigen Beratung kommen müßte. dann fragen wir uns doch wohl mit Recht. warum nur ein kleiner Teil der CDU diesen Antrag gestellt hat und nicht die gesamten Regierungsnarteien.
— Ja, warum schließen sich denn die Kollegen der Gesamtfraktion dem Antrag nicht an?
Gerade wenn man die Eilbedürftigkeit dieser Gesetzesvorlage immer wieder betont, dann hätte es doch nahegelegen, einigen Streichungsanträgen der SPD stattzugeben. Denn schließlich war die Streichung von Artikeln eine viel einfachere Arbeit als stundenlange Debatten Ober den Inhalt unserer Anträge. Wir haben daher das Mißtrauen, daß der
Hinweis auf die Vorläufigkeit nur ein Vorwand ist, unsere Anträge totzumachen.
Der Herr Bundesinnenminister hat in der zweiten Lesung ferner erklärt, die sozialdemokratische Fraktion möge doch ihre Anträge zurückziehen. Entschuldigen Sie, Herr Bundesinnenminister, diese Naivität ist doch etwas erstaunlich und wird wohl nur übertroffen durch das sogenannte Idealbild, das der Herr Abgeordnete Dr. Wuermeling uns hier von der Frau unserer Tage entworfen hat.
Viele von uns. meine Damen und Herren, werden bei diesen Schilderungen des Herrn Abgeordneten Dr. Wuermeling ein etwas peinliches Gefühl der Beklemmung nicht losgeworden sein.
Man kann nur fragen. ob denn die Zeit seit 1914 an Herrn Dr. Wuermeling spurlos vorübergegangen ist.
Denn seine Darstellung roch doch sehr stark nach der Vertiko- und Plüschatmosphäre vor dem ersten Weltkrieg. Aber wir halten eine solche Darstellung. eine solche Schilderung politisch für verhängnisvoll; denn die Darstellung des Herrn Dr. Wuermeling geht doch völlig an den Tatsachen vorbei. wie sie sich seit dem Jahre 1900 nun einmal entwickelt haben. Durch was sind denn die Frauen erniedrigt worden? Doch nicht durch die Forderung nach ihrer Gleichberechtigung, sondern doch dadurch, daß sie in zwei Kriegen gezwungen wurden. Munition herzustellen und die Flakgeschütze zu bedienen. also das zu tun. was das leben ihrer Männer, das Leben ihrer Söhne und Bruder vernichtete.
Wenn es eine Zeit gegeben hätte. für die Würde der Frau einzutreten, dann wäre damals im Kriege die richtige Zeit gewesen.
— Sie scheinen in unserer Literatur nicht recht Bescheid zu wissen. Das nehme ich Ihnen aber nicht übel.
Ich möchte zu der Frage des Personalamtes noch deshalb einige Worte sagen, weil diese Frage einen erheblichen Bestandteil der allgemeinen Personalpolitik darstellt. Der Abgeordnete Dr. Wuermeling hat geglaubt, die Arbeit des früheren Personlamts von Frankfurt am Main mit dem Hinweis kritisieren zu müssen, daß auch dieses Personalamt keine Garantie für eine überparteiliche und objektive Handhabung der Personalpolitik gegeben habe.
Nun, meine Damen und Herren, das ist eine Kritik, die sich doch in erster Linie an den damals für die Personalpolitik zuständig gewesenen Herrn Oberdirektor Dr. Pünder hätte richten müssen.
Und ich glaube nicht, daß Herr Dr. Wuermeling in der Lage wäre, auch nur einen einzigen Fall anzuführen, in dem die damalige politische Rechte des Wirtschaftsrates in einer Sitzung interveniert oder interpelliert hätte, weil die Personalpolitik nicht in ihrem Sinne gewesen wäre.
Der Herr Bundesinnenminister — und damit komme ich auf das Personalamt noch einmal zu sprechen — hat seinen Wunsch, die sozialdemokratische Fraktion möge doch ihre Anträge zurückstellen oder zurückziehen, auch damit zu begrün. den versucht, daß er erklärte, die Anträge seien nicht völlig klar durchdacht und konsequent aufgebaut; denn wenn die Abänderungsanträge der Sozialdemokratie angenommen werden würden, dann fehle das in diesen Anträgen vorgesehene Personalamt, das heißt das Gesetz für und über ein Personalamt. Nun, ich bin reichlich erstaunt über die Unwissenheit der Bürokratie im Bundesinnenministerium, denn bereits seit dem 23. Juni 1948 gibt es ein deutsches Gesetz, beschlossen vom Wirtschaftsrat in Frankfurt am Main und veröffentlicht — damit die Herren im Bundesinnenministerium es in den nächsten Tagen auch finden — im Gesetzblatt des Wirtschaftsrates 1948, Seite 57. Das ist ein deutsches Gesetz, kein Besatzungsrecht, und dieses Gesetz ober die Schaffung eines Personalamtes ist — hören und staunen Sie — einstimmig mit den Stimmen der CDU 1948 im Wirtschaftsrat beschlossen worden.
Auf den Hinweis des Herrn Bundesinnenministers, das gelte für die Bizone, brauche ich nur darauf hinzuweisen, daß Artikel 124 des Grundgesetzes ganz klar bestimmt, daß die bizonalen Gesetze Bestandteil der Bundesgesetzgebung werden. Wenn Sie nämlich nicht anerkennen, daß die deutschen bizonalen Gesetze nach diesem Artikel des Grundgesetzes Bundesgesetze geworden sind, dann würden Sie sogar mit Ihrer gesamten Steuergesetzgebung in der Luft hängen. Also man komme uns nicht mit solchen Einwendungen. Bei sorgfältiger Nachprüfung sind sie einfach nicht stichhaltig.
Wie notwendig aber ein solches Amt auch in der jetzigen Zeit wäre, beweist die von mir bereits in der ersten Lesung erwähnte Personalpolitik. Ich will heute nicht wieder auf Einzelfälle eingehen. Aber schon damals konnte ich den Brief des Mitglieds einer Ihrer Regierungsparteien verlesen, der sich in einem Schreiben an den Herrn Bundeskanzler sehr bitter darüber beklagte, daß seine Fraktion bei der Besetzung leitender Posten nicht genügend berücksichtigt worden sei. Dieses Schreiben wird aber in den Schatten gestellt durch einen Brief, der unter dem 11. 2. dieses Jahres von dem noch nicht ernannten, aber so firmierenden Präsidenten der Deutschen Bundesbahn unter dem Aktenzeichen E I POLO/HVB an den Bundesminister für Verkehr gerichtet wird und worin es sich um die Frage einer Personalbesetzung in Köln handelt. Dieses Schreiben des Herrn Hellberg an den Herrn Bundesverkehrsminister, das ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten kurz verlesen darf, sagt:
Zu meinem Schreiben vom 2. 2. 1950 betreffend Einspruch des Ministerialrats Röttger gegen seine Abordnung nach Köln.
Wie ich erfahren habe, ist die Verwendung des Ministerialrats Röttger in Köln unter den Kölner Eisenbahnbediensteten und in dortigen politischen Kreisen vor allem deshalb ableh-
nend beurteilt worden, weil die Vermutung aufgetaucht ist, daß Röttger zur SPD gehöre.
Diese Vermutung hat sich nach meinen Feststellungen als nicht stichhaltig erwiesen.
Abgesehen davon, daß Ministerialrat Röttger hier niemals als zur SPD tendierend hervorgetreten ist, habe ich vielmehr durch glaubwürdige Herren der HVB gehört. daß Ministerialrat Röttger nicht nur nicht Mitglied der SPD
sei, sondern vielmehr der CDU nahestehe. Röttger ist im übrigen auch nicht Mitglied der
Gewerkschaften der Eisenbahner Deutschlands. Das in Köln gegen Herrn Röttger entstandene Vorurteil und Mißtrauen ist mithin sicherlich unbegründet. und die darauf beruhenden Bedenken dürften damit beseitigt sein.
Meine Damen und Herren! Das besagt doch weiter nichts anderes,
als daß, wenn dieser Ministerialrat Mitglied der Gewerkschaften wäre und sich vielleicht sogar noch erkühnen würde, Mitglied der SPD zu sein, oder ihr nahezustehen, dann das Mißtrauen gegen ihn berechtigt gewesen wäre.
Ich glaube, man kann mit nichts Besserem die Notwendigkeit eines objektiven Personalamtes begründen.
Herr Abgeordneter Dr. Wuermeling schloß seine Rede mit den Worten: Hände weg vom Berufsbeamtentum!
Nun, das ist wirklich schlecht zu vereinbaren mit dem Brief, den ich soeben verlesen habe. Aber es ist eine recht billige Methode. Meine Damen und Herren von der politischen Rechten. zeigen Sie uns bitte einen unserer Anträge, die wir gestellt haben, durch den das Berufsbeamtentum in seinen Grundlagen verneint wird.
Sie werden völlig vergebens suchen. Sehen Sie denn nicht die Gefahr, in die Sie die Institution des Berufsbeamtentums durch Ihre starre Haltung bringen, wenn Sie unnachgiebig an jenen Prinzipien, die uns aus dem 17. und 18. Jahrhundert überliefert worden sind, festhalten? Begreifen Sie denn gar nicht die Wandlungen, die auf staatsrechtlichem und gesellschaftspolitischem Gebiet stattgefunden haben? Woher nehmen Sie das Recht, die Beamten wieder in die Zwangsjacke hineinzubringen, in die sie ein absolutistisch-monarchischer Staat hineingesteckt hat? Wollen Sie denn das Beamtentum wieder zum Träger eines Kastengeistes, eines besonderen Klassenbewußtseins machen, nachdem doch gerade nach 1945 so ausgezeichnete Voraussetzungen gegeben waren, das Beamtentum in den modernen Staat, in unsere heutige Situation einzubauen? Sie können doch nicht achtlos daran vorübergehen, daß der Beamte, so wie das Gesetz von 1937 ihn schaffen wollte und leider auch geschaffen hat, zum willen- und würdelosen Werkzeug eines auf Terror und niedrigsten Instinkten aufgebauten totalen Staates geworden ist.
Vergessen Sie doch nicht, welche Entwicklung der alte Polizei- und Obrigkeitsstaat, als das Berufsbeamtentum in seinen Grundlagen entstand, genommen hat, seine Wandlung zum Rechts- und von diesem zum modernen Wirtschafts- und Sozialstaat mit all seinen vielfältigen Bedürfnissen, Aufgaben und Einrichtungen. Wie soll denn dieser moderne Staat seinen Aufgaben gegenüber der in den letzten Jahrzehnten so hart geschlagenen Bevölkerung gerecht werden, wenn nicht auch der Träger seiner Funktionen, der Beamte selbst, eine Wandlung durchmacht? So wie der Staat Friedrich des Großen nicht mehr mit dem unseren zu vergleichen ist, so darf auch der Beamte jener Zeit nicht mehr das Vorbild für die Staatsträger dieses Jahrhunderts sein.
Übrigens wäre es einmal sehr aufschlußreich und sehr gescheit von den Herren der Bundesregierung, draußen in den Verwaltungen jene Hunderttausende zu fragen, die dieses Gesetz unmittelbar interessiert und angeht. Lesen Sie einmal die Entschließungen der Gewerkschaften und der Beamtenbünde! Sie alle wollen von jenem Gesetz von 1937 nichts wissen, und nach unserer Auffassung zeugt das von einem sehr gesunden Sinn der Beamtenschaft.
In der Debatte der zweiten Lesung erklärte der Herr Bundesinnenminister, die Anträge der sozialdemokratischen Fraktion bewiesen letztlich, daß die SPD das Gesetz Nr. 15 wieder wolle. Ich habe namens meiner Fraktion bereits in der ersten Lesung erklärt, daß auch wir zu diesem Gesetz Nr. 15 erhebliche Abänderungen wünschten und daß wir vor allem die große Gefahr einer allzu starken Verbeamtung vermieden sehen möchten. Aber wir haben doch manche seiner Grundsätze für richtig gehalten — und sie beruhten mit auf den Beschlüssen auch der Ausschüsse im bizonalen Wirtschaftsrat in Frankfurt am Main —, weil es unseren Vorstellungen von einem künftigen Beamtenrecht sehr nahe kommt. Daher ist uns die Atmosphäre, aus der das Gesetz kommt, vor allem die Atmosphäre. die dieses Gesetz schaffen will, die liberale Atmosphäre, viel begehrenswerter als jene verstaubten Grundsätze eines preußischen Absolutismus, 1937 mit brauner Farbe übertüncht und mit einigen HitlerSpritzen versehen.
Es ist immer unsinnig, sich dem normalen Wandel der Dinge entgegenstemmen zu wollen. Das gilt auch auf dem Gebiete des Beamtenrechts und der Beamtenpolitik. Überhaupt ist in der Politik der Versuch, sich einer solchen natürlichen Wandlung und Entwicklung entgegenstellen zu wollen, manchmal ein Verbrechen. Den Wee, den die Regierungsparteien gehen wollen, kann die SPD um der Beamten und um der Angestellten willen, aber vor allem um des Neuaufbaus unseres demokratischen Staates willen nicht mitgehen. Wir werden daher dieses Gesetz ablehnen.