Protokoll:
18049

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 18

  • date_rangeSitzungsnummer: 49

  • date_rangeDatum: 9. September 2014

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 10:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 18:01 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/49 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 49. Sitzung Berlin, Dienstag, den 9. September 2014 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2015 (Haushaltsgesetz 2015) Drucksache 18/2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . 4459 A b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2014 bis 2018 Drucksache 18/2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . 4459 B Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4459 B Allgemeine Finanzdebatte (einschließ- lich Einzelpläne 08, 20, 32 und 60) Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) . . . . . . . . 4466 A Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) . . . . . . . . . . 4468 B Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4470 A Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 4471 D Johannes Kahrs (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4474 B Susanna Karawanskij (DIE LINKE) . . . . . . . 4476 C Norbert Barthle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 4477 B Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4479 B Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . 4480 B Norbert Brackmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 4481 D Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 4483 A Antje Tillmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 4484 B Einzelplan 06 Bundesministerium des Innern Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4486 A Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . 4488 C Martin Gerster (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4490 C Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4491 D Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . 4493 D Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4494 B Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 4496 D Dr. Eva Högl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4497 C Monika Lazar (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4499 D Dr. André Berghegger (CDU/CSU) . . . . . . . . 4500 C Gabriele Fograscher (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 4502 A Eberhard Gienger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 4503 A Matthias Schmidt (Berlin) (SPD) . . . . . . . . . . 4504 C Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) . . . . . . . . . 4505 C Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4505 D Einzelplan 07 Bundesministerium der Justiz und für Ver- braucherschutz Heiko Maas, Bundesminister BMJV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4507 C Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 4509 B Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2014 Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) . 4510 B Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4512 C Dennis Rohde (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4513 D Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) . . . 4514 D Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) . . . . . . . . . 4516 B Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4518 B Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . . 4519 D Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 4520 D Metin Hakverdi (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4521 D Mechthild Heil (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 4522 D Klaus-Dieter Gröhler (CDU/CSU) . . . . . . . . . 4524 B Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 4525 D Einzelplan 15 Bundesministerium für Gesundheit Hermann Gröhe, Bundesminister BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4526 B Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . 4528 D Dr. Karl Lauterbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 4530 A Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4531 C Rudolf Henke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 4533 A Pia Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 4534 C Petra Hinz (Essen) (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 4535 D Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4537 C Erich Irlstorfer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 4538 D Burkhard Blienert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 4540 B Dietrich Monstadt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 4541 D Helmut Heiderich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 4543 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4544 D Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4544 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 4545 A Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2014 4459 (A) (C) (D)(B) 49. Sitzung Berlin, Dienstag, den 9. September 2014 Beginn: 10.00 Uhr
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    Berichtigung 48. Sitzung, Seite 4447 B, Anlage 1: Der Name „Flosbach, Klaus-Peter CDU/CSU“ ist aus der Liste der entschuldigten Abgeordneten für den 01.09.2014 zu strei- chen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2014 4545 (A) (C) (B) Anlage zum Stenografischen Bericht Liste der entschuldigten Abgeordneten (D) Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 09.09.2014 Dr. Barley, Katarina SPD 09.09.2014 Bartol, Sören SPD 09.09.2014 Beckmeyer, Uwe SPD 09.09.2014 Bleser, Peter CDU/CSU 09.09.2014 Buchholz, Christine DIE LINKE 09.09.2014 Connemann, Gitta CDU/CSU 09.09.2014 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 09.09.2014 Dinges-Dierig, Alexandra CDU/CSU 09.09.2014 Ehrmann, Siegmund SPD 09.09.2014 Färber, Hermann CDU/CSU 09.09.2014 Gerdes, Michael SPD 09.09.2014 Gleicke, Iris SPD 09.09.2014 Göring-Eckardt, Katrin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09.09.2014 Heil (Peine), Hubertus SPD 09.09.2014 Kipping, Katja DIE LINKE 09.09.2014 Krüger, Dr. Hans-Ulrich SPD 09.09.2014 Dr. Lamers, Karl A. CDU/CSU 09.09.2014 Ostendorff, Friedrich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09.09.2014 Dr. Reimann, Carola SPD 09.09.2014 Schlecht, Michael DIE LINKE 09.09.2014 Vogel (Kleinsaara), Volkmar CDU/CSU 09.09.2014 Weinberg, Harald DIE LINKE 09.09.2014 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen Offsetdruc sellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 K kerei, Bessemerstraße 83–91, 1 öln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 22 49. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 1 Einbringung Haushaltsgesetz 2015 – Finanzplan des Bundes 2014 bis 2018 Epl 08, Epl 20, Epl 32, Epl 60 Allgemeine Finanzdebatte Epl 06 Innen Epl 07 Justiz und Verbraucherschutz Epl 15 Gesundheit Anlagen
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804900000

Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
begrüße Sie alle herzlich zu unserer Haushaltswoche.
Wir werden in dieser Woche wie vereinbart die Haus-
haltsberatungen durchführen. Dies ist Gegenstand un-
serer Tagesordnungspunkte 1 a und 1 b, die ich hiermit
aufrufe:

a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2015 (Haushaltsgesetz 2015)


Drucksache 18/2000
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsauschuss

b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundes-
regierung

Finanzplan des Bundes 2014 bis 2018

Drucksache 18/2001
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsauschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind im
Rahmen der Haushaltsberatungen für die heutige Aus-
sprache im Anschluss an die Einbringung des Haushaltes
– ich nenne jetzt etwas abgerundete Zahlen – sechsein-
halb Stunden, am Mittwoch neun Stunden, am Donners-
tag neuneinhalb Stunden und am Freitag noch einmal
dreieinhalb Stunden vorgesehen. Ich darf fragen, ob sich
dagegen Einwände erheben? – Das ist offenkundig nicht
der Fall. Dann können wir so verfahren.

Ich erteile das Wort zur Einbringung des Haushalts
dem Bundesminister der Finanzen, Herrn Dr. Wolfgang
Schäuble.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-
zen:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Eigentlich wäre dies heute unsere erste Sitzung
nach der Sommerpause gewesen. Diese erste Sitzung
sollte sich mit dem Bundeshaushalt 2015 befassen. Statt-
dessen haben wir uns bereits vor einer Woche getroffen,
um über Waffenlieferungen an die Kurden im Irak zu
sprechen. Das zeigt deutlich, dass die Lage anders ist als
noch vor wenigen Wochen.

Zum Krieg im Irak und Syrien kommt der Krieg in
der Ukraine hinzu. Auch Libyen wird erneut von Gewalt
erschüttert. Wir sehen unvorstellbaren islamistischen
Terror in weiten Teilen des Nahen und Mittleren Ostens
und auch in Afrika. Dazu kommt noch die Ebola-Bedro-
hung. Das alles befindet sich in unmittelbarer Nachbar-
schaft.

Zugleich schwächelt unser europäisches Wirtschafts-
umfeld. Fortdauernd hohe Defizite, die Wettbewerbs-
und die dadurch entstehende Wachstumsschwäche in
großen Ländern der Euro-Zone machen auch der deut-
schen Wirtschaft zunehmend zu schaffen. Die gegenwär-
tige Ballung von Krieg im Umfeld der Europäischen
Union, Reformstau und die daraus folgende wirtschaftli-
che Stagnation in wichtigen europäischen Ländern, das
Auf und Ab in wichtigen Exportmärkten wie China und
Amerika, das alles wirkt sich auch auf Deutschland aus.

Obwohl wir alles in allem eine recht robuste Kon-
junktur haben – das wird auch heute wieder in den ak-
tuellen Meldungen bestätigt –, haben wir eine Abschwä-
chung hinnehmen müssen. Man soll die Quartalszahlen
aber nicht überbewerten. Wir haben keinen Grund, jetzt
in voreiligen Pessimismus zu verfallen. Wir müssen al-
lerdings die Realität zur Kenntnis nehmen, und diese ist,
dass sich das wirtschaftliche Umfeld etwas eingetrübt
hat.

Wir brauchen deshalb Ernsthaftigkeit in der Beurtei-
lung der Lage und Disziplin im Handeln. Wir müssen
uns auf das Wesentliche fokussieren und konzentrieren.
Daraus folgt – das ist sehr umstritten –, dass wir gerade
in dieser Lage unsere solide, verlässliche, stabilitäts-
orientierte Politik entschlossen und unaufgeregt fortset-
zen müssen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)






Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble


(A) (C)



(D)(B)

Alles andere würde zu einer neuen Vertrauenskrise füh-
ren, und das wäre das Letzte, was wir jetzt in Europa in
dieser Lage gebrauchen könnten. Deswegen ist es zen-
tral, dass wir in unserer Haushaltspolitik konsequent
Kurs halten. Bundeshaushalte ohne Neuverschuldung
sollen ab 2015, ab nächstem Jahr, Normalität werden.
Wir haben das vor der Wahl versprochen, wir haben es
nach der Wahl vereinbart, und jetzt setzen wir es um.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die „schwarze Null“ ist kein Selbstzweck, aber sie
steht für Verlässlichkeit; sie steht dafür, dass wir halten,
was wir versprochen haben. Nur so können wir das Ver-
trauen in den Wirtschaftsstandort Deutschland erhalten.
Wir haben uns dieses Vertrauen in den letzten Jahren
mühsam wieder erarbeiten müssen. Schließlich hat die
globale Finanz- und Wirtschaftskrise auch Deutschland
wirtschaftlich stark zurückgeworfen. Man hat schon ver-
gessen, dass wir 2009 einen Rückgang unseres Inlands-
einkommens von über 5 Prozent hatten. Der Bundes-
haushalt 2015 und die Finanzplanung bis 2018 stehen für
Verlässlichkeit. Diese Verlässlichkeit ist elementar, für
Investoren wie für Verbraucher. Unsere Politik steht für
Stabilität, gerade in einer Phase wirtschaftlicher und
politischer Anspannungen aufgrund kriegerischer Kon-
flikte in der Ukraine und im Nahen und Mittleren Osten.

Verlässlichkeit, Stabilität, halten, was man verspro-
chen hat – dazu zählt auch, sich an europäische Regeln
zu halten. Alle sollten sich an europäische Regeln hal-
ten; wir haben sie mit beschlossen. Indem der Bundes-
haushalt 2015 und unsere Finanzplanung bis 2018 keine
neuen Schulden vorsehen, erfüllen wir unsere europäi-
schen Verpflichtungen. Wir haben nämlich die Ver-
pflichtung übernommen, unsere Schuldenquote Schritt
für Schritt zu senken. Wir haben im Koalitionsvertrag
vereinbart, dass wir sie zügig wieder auf 60 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts zurückführen, womit wir dann
erst die Obergrenze des Stabilitäts- und Wachstumspakts
einhalten. Wir streben für 2018 eine Schuldenquote von
65 Prozent an. Wir sind also auch 2018 noch über der
Schuldengrenze, aber wir sind auf dem Weg zu ihr. Die
Quote lag 2012, also vor zwei Jahren, bei über 80 Pro-
zent. Wenn wir die Schuldenquote nicht zurückführen
würden, dann hätten wir 2018, bezogen auf die Schul-
denquote, 450 Milliarden Euro mehr Schulden – nur da-
mit man weiß, worüber wir reden.

Indem wir halten, was wir versprechen, schaffen wir
Vertrauen. Gerade wenn es so scheint, als würden wir
weniger rosigen Zeiten entgegensehen, ist es umso wich-
tiger, dass wir alles dafür tun, das grundlegende Ver-
trauen in unsere Politik zu erhalten. Denn ginge das Ver-
trauen verloren, dann ginge die Bereitschaft der
Wirtschaftsteilnehmer verloren, ihr Geld, ihre Kraft und
ihre Fähigkeiten in unserem Land und in Europa einzuset-
zen. Vertrauen – das wissen die Ökonomen seit Ludwig
Erhard – ist der wichtigste Rohstoff in einer Ordnung der
sozialen Marktwirtschaft.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir brauchen in erster Linie private Investitionen, um
die wirtschaftliche Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit
Deutschlands und Europas zu erhalten. Bei privaten In-
vestitionen muss man sich auf verlässliche Rahmenbe-
dingungen verlassen können. Wir haben sie derzeit in
Deutschland; Investoren können darauf vertrauen, dass
sie erhalten bleiben. Grundlage dafür ist unsere stabili-
tätsorientierte Finanzpolitik. Wir haben in den letzten
Jahren bewiesen – auch das muss man angesichts einer
zunehmenden Debatte in unserem Land und um unser
Land herum immer wieder ins Gedächtnis rufen –, dass
eine stabilitätsorientierte Finanzpolitik die beste Politik
für Wachstum und Beschäftigung ist. Es ist wahr, dass
wir besser als andere aus der wirtschaftlichen Krise he-
rausgekommen sind, weil wir unsere Defizite zurückge-
führt haben und damit zugleich mehr Wachstum und
mehr Beschäftigung erzielt haben. Wer seine Defizite
nicht zurückgeführt hat, hat weniger Wachstum erzielt.
Es ist ein Irrtum, zu glauben, dass man durch eine Erhö-
hung der Defizite mehr Wachstum schaffen kann. Das ist
ein bequemer, aber ein falscher Weg. Wir werden diesen
Weg nicht gehen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Im Übrigen ist die Mobilisierung privater Investitio-
nen volkswirtschaftlich wirkungsvoller als jedes staatli-
che Ausgabenprogramm. Das gilt nicht nur für die Ver-
kehrsinfrastruktur. Es gilt genauso für Informations- und
Kommunikationstechnologien, es gilt für die Energie-
netze, aber es gilt natürlich vor allem für Investitionen in
Maschinen und Ausrüstungen in den Unternehmen
selbst. Das ist das Entscheidende; denn hier liegt der
Schlüssel zum wirtschaftlichen Erfolg unseres Landes.
Hier liegt übrigens auch der Schlüssel zum wirtschaftli-
chen Erfolg Europas. Bei unserer demografischen Ent-
wicklung – weniger Menschen und älter werdende Men-
schen – und bei unserem im weltweiten Vergleich hohen
Niveau sozialer Sicherheit entstehen Wachstumspoten-
ziale – es hilft alles nichts – nur aus Innovationen und
aus leistungsfähiger Infrastruktur. Es gibt keinen Weg
daran vorbei.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es ist auch eine einfache Wahrheit, dass Investitions-
projekte für Kapitalanleger Renditeerwartungen enthal-
ten müssen. Sonst werden sich Kapitalanleger nicht en-
gagieren. Deswegen müssen wir auch über neue Formen
der Aufgabenteilung zwischen Staat und Privaten nach-
denken. Kooperation zwischen Staat und Privaten kann
aber natürlich nicht heißen, dass der Staat die Risiken
trägt und die Privaten die Gewinne machen. So wäre die
Arbeitsteilung nicht richtig. Die richtige Arbeitsteilung
ist, dass der Staat für einen verlässlichen Rechtsrahmen
sorgt und Private ihre Leistungen gegen Entgelt und bei
Übernahme des unternehmerischen Risikos anbieten.
Warum sollte das, was bei den Telefon- und Energienet-
zen alles in allem gut funktioniert, nicht auch im Ver-
kehrsbereich stärker einzusetzen sein, zumal andere
Länder das erfolgreich vormachen? Wir brauchen hier
bessere Möglichkeiten für private Investoren. Wir arbei-





Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble


(A) (C)



(D)(B)

ten daran. Wir weiten planmäßig, Schritt für Schritt, die
Lkw-Maut – Toll Collect – aus. Wir machen auch ande-
res. Wir werden das in dieser Legislatur fortführen und
auch in der nächsten fortsetzen. Das erreichen wir besser
durch eine Finanzierung durch die Nutzer. Ein Engage-
ment privater Investoren wird übrigens erst dann richtig
sinnvoll, wenn sie ihre Investitionen an den tatsächli-
chen Bedürfnissen der Nutzer ausrichten können. Das
sorgt dann für ein passgenaues und effizientes Angebot,
und damit ist auch den Nutzern gedient. Deutschland lei-
tet übrigens auf der Ebene der G-20-Staaten gemeinsam
mit Indonesien und Mexiko eine Arbeitsgruppe, die
Standards entwickelt, wie privates Kapital in die Finan-
zierung von Infrastrukturinvestitionen gelenkt werden
kann.

Natürlich arbeiten wir auch daran, den Bereich Infra-
struktur stärker für Investitionen der Versicherungswirt-
schaft, der Pensionskassen und der anderen großen Ka-
pitalsammelstellen zu öffnen. Dazu überprüfen wir,
inwieweit Regulierung Investitionsmöglichkeiten unnö-
tig versperrt. Ich füge hinzu: Wir gehen dabei vorsichtig
vor, weil ein Übermaß an Risikoübernahme mit der Ver-
lässlichkeit von Versicherungen nicht zu vereinbaren ist.
Die deutsche Versicherungsbranche hat sich in der
Finanz- und Bankenkrise als sehr widerstandsfähig er-
wiesen. Das dürfen wir nicht gefährden.

Gute und verlässliche Rahmenbedingungen für pri-
vate Investitionen flankieren wir mit gezielten staatli-
chen Investitionen. Der wichtigste und erste Schwer-
punkt ist der Bereich Bildung, Wissenschaft und
Forschung. Der Bund übernimmt von den Ländern – das
haben wir vor kurzem so beschlossen und umgesetzt –
vollständig die Zahlungen der Leistungen nach dem
BAföG. Mehr Schüler und Studenten erhalten Zugang
zum BAföG. Wir passen die Regelsätze an die Entwick-
lung der Lebenshaltungskosten an. Wir finanzieren wei-
ter den Hochschulpakt und sorgen so für zusätzliche Stu-
dienplätze. Wir stocken auch das Sondervermögen
„Kinderbetreuungsausbau“ ein weiteres Mal auf. Im Üb-
rigen ist mit den Ländern verabredet, dass die Entlastun-
gen durch die Übernahme des BAföG für zusätzliche In-
vestitionen in Schulen und Hochschulen genutzt werden.
Wir steigern die Ausgaben für Wissenschaft und For-
schung kontinuierlich, 2015 um 1 Milliarde Euro. In der
gesamten Legislaturperiode haben wir für Forschung zu-
sätzliche Mittel in Höhe von 3 Milliarden Euro einge-
plant, vor allem für die Exzellenzinitiative und für den
Pakt für Forschung und Innovation. Wir sind bei den
Forschungsausgaben international in der Spitzengruppe.
Mit unserer starken Forschung und Entwicklung, mit
den hohen Ausrüstungsinvestitionen auch in unserer In-
dustrie steht Deutschland bei den besonders wachstums-
relevanten Investitionen im internationalen Vergleich gut
da. Das relativiert manchen oberflächlichen Quotenver-
gleich, der in den internationalen Statistiken durch Bau-
booms gelegentlich sehr verzerrt dargestellt wird. Auch
daran muss man gelegentlich erinnern.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das alles ist kein Grund, sich auszuruhen. Wir müs-
sen das weiter ausbauen, weil wir Wachstum eben nur
über Innovationen erreichen. Ich wiederhole es: Bei un-
serer demografischen Entwicklung – wir werden weni-
ger und älter – können wir Wachstum nicht durch mehr
Köpfe steigern, sondern nur durch kreative Köpfe, die
Innovationen vorantreiben und dadurch Wachstum
schaffen. Wachstum durch Innovation bedeutet übrigens
Hightech. Deswegen ist es richtig, dass die Bundesregie-
rung letzte Woche die neue Hightech-Strategie beschlos-
sen hat. Diese Hightech-Strategie trägt dazu bei, dass die
hohe Innovationsfähigkeit unseres Landes weiterhin eine
unserer herausragenden Stärken bleibt. Dies erklärt
übrigens, warum wir im Augenblick besser als andere
europäische Länder dastehen. Auch das muss man sich
gelegentlich anschauen. Wenn man die Ausgaben für
Forschung und Entwicklung in Europa vergleicht, findet
man eine Erklärung, warum die Entwicklung in einzel-
nen Ländern unterschiedlich ist. Das sage ich immer
wieder, wer auch immer es hören mag oder nicht.

Wir brauchen kreative Antworten auf die Herausfor-
derungen unserer Zeit. Gute Ideen müssen schnell in in-
novative Produkte und Dienstleistungen umgesetzt wer-
den. Der Wettbewerb wird immer schneller. Deswegen
muss die Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft
immer enger werden. Wir konzentrieren uns als Bundes-
regierung auf Felder mit einer großen Innovationsdyna-
mik. Wir werden kleine und mittlere Unternehmen sowie
technologieorientierte Unternehmensgründungen unter-
stützen. Wir sorgen für günstige Rahmenbedingungen
bei der Fachkräftesicherung, bei der Finanzierung und
bei anderen gesellschaftlichen, technischen und rechtli-
chen Voraussetzungen.

In unserem zweiten Schwerpunkt, Infrastruktur – so
haben wir es auch im Koalitionsvertrag vereinbart –, in-
vestieren wir zusätzlich 5 Milliarden Euro Bundesmittel
in Straßen, Schienen und Wasserstraßen in dieser Legis-
laturperiode, 1 Milliarde Euro bereits im kommenden
Jahr. Im Übrigen kommt hinzu: Die vom Bund gerade
auf den Weg gebrachten und die schon in der letzten Le-
gislatur beschlossenen massiven Entlastungen der Län-
der und Kommunen stärken auch deren Investitionskraft
im Bereich von Verkehr und Infrastruktur. Durch die
Übernahme der Kosten für die Grundsicherung im Alter
und bei der Erwerbsminderung – der Bund hat sie voll
übernommen – werden die Kommunen in Deutschland
in diesem Jahr um fast 5,5 Milliarden Euro entlastet.
Dies muss man immer wieder in Erinnerung rufen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die so entstandenen Spielräume sollten die Kommu-
nen und auch die Länder möglichst konsequent für In-
vestitionen nutzen. Es ist übrigens erfreulich, dass wir
bei den Kommunen einen massiven Anstieg der Investitio-
nen feststellen können. Auch hier sind gute Rahmenbedin-
gungen entscheidend. Dazu zählt, dass wir die Leistungs-
fähigkeit unseres föderalen Staats insgesamt erhalten.
Auch die Länder müssen ihre gesamtstaatliche Verant-
wortung wahrnehmen. Auch sie müssen sich an die
Schuldenbremse, wie sie für die Länder im Grundgesetz





Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble


(A) (C)



(D)(B)

steht, halten, und sie müssen im Übrigen an der Einhal-
tung unserer gesamtstaatlich übernommenen europäi-
schen Verpflichtungen mitwirken. Deswegen wollen wir
den Stabilitätsrat, der die Finanzsituation von Bund und
Ländern überwacht, mit zusätzlichen Kompetenzen aus-
statten, damit er in Zukunft Haushalte zurückweisen
kann, die den gemeinsam vereinbarten und im Grundge-
setz festgelegten Regeln der Schuldenbremse und auch
den Regeln des europäischen Fiskalvertrags widerspre-
chen. Das, was wir in Europa brauchen, müssen wir auch
im bundesstaatlichen Verhältnis berücksichtigen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Der Bund hat übrigens die Länder in den vergangenen
Jahren – auch das muss einmal gesagt werden – massiv
unterstützt. Schon in den 90er-Jahren hat es eine starke
Verlagerung von Anteilen an den jährlichen Steuerein-
nahmen vom Bund zu den Ländern gegeben. Das wirkt
bis heute fort. Ohne diese Verlagerung läge der Anteil
des Bundes an den gesamtstaatlichen Steuereinnahmen
heute um rund 6 Prozent höher und der Anteil der Län-
der um 6 Prozent niedriger.

Das prominenteste Beispiel für diese Verlagerung
sind die Umsatzsteueranteile, die der Bund den Ländern
für die Einbeziehung der ostdeutschen Länder in den ge-
samtdeutschen Länderfinanzausgleich abgetreten hat.
Bei aller Kreativität der gegenwärtigen Vorschläge zum
künftigen Schicksal des Solidaritätszuschlags nach Aus-
laufen des Solidarpakts II, und zwar Ende 2019, darf die-
ser Zusammenhang mit der Übertragung von Mehrwert-
steueranteilen vom Bund auf die Länder, zu deren
Ausgleich der Solidaritätszuschlag wesentlich mit einge-
führt worden ist, nicht unterschlagen werden. Auch da-
ran muss man die Länder erinnern.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das zeigt, dass die Spielräume des Bundes für weite-
res Entgegenkommen gegenüber den Ländern sehr be-
grenzt sind. Es muss bei den begonnenen Verhandlungen
zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen
vor allem darum gehen, den Gesamtstaat, die Bundes-
republik Deutschland, die aus Bund und Ländern be-
steht, handlungsfähiger zu machen. Die Länder müssen
sich auch ernsthaft an den Überlegungen beteiligen, wie
dieser Gesamtstaat noch effizienter und leistungsfähiger
werden kann. Nur auf Mittel des Bundes zu schielen,
greift zu kurz.

Es muss in erster Linie um eine sachgerechte Aufga-
benzuordnung zwischen den staatlichen Ebenen und es
darf eben nicht um bloße Finanzverschiebungen gehen.
Wir brauchen klare Verantwortlichkeiten. Jede Aufgabe
sollte am besten von der staatlichen Ebene erfüllt und
finanziert werden, die sie am effizientesten erfüllen
kann. Das heißt, dass bei Leistungen, bei denen es prak-
tisch und vor Ort Handlungs- und Entscheidungsspiel-
räume gibt, die diskretionäre Entscheidung gestärkt wer-
den und dann auch die Finanzverantwortung vor Ort
liegen sollte; denn so fördern wir effizienten und sparsa-
men Mitteleinsatz. Umgekehrt sollten gesamtstaatlich
bedeutsame Aufgaben, die bundeseinheitlich erfüllt wer-
den müssen, in der Finanzverantwortung des Bundes lie-
gen. Mit der vollständigen Übernahme des BAföG durch
den Bund haben wir einen wichtigen Schritt in genau
diese Richtung getan.

Bund und Länder brauchen für die Erfüllung ihrer
Aufgaben eine angemessene Finanzausstattung. Dabei
muss man sagen: Die Finanzkennzahlen des Bundes sind
deutlich schlechter als die der Länder. Die Zinsbelastun-
gen des Bundeshaushaltes – jeder, der sich damit
beschäftigt, weiß es – sind im Verhältnis zu Steuerein-
nahmen und Gesamthaushalt doppelt so hoch wie die
Zinsbelastungen der Länderhaushalte. Auch das muss
man bei den Verhandlungen gelegentlich sagen. Unsere
gesamtstaatliche Finanzpolitik ist nur dann tragfähig,
wenn wir am Verzicht auf Neuverschuldung bei den
Ländern und beim Bund festhalten, was im Übrigen die
Handlungsspielräume für Investitionen von Bund und
Ländern gleichermaßen erhöht.

Wir sollten aus Anlass dieser Haushaltsdebatte auch
einen kritischen Blick auf die Struktur unserer Haushalte
werfen, gerade vor dem Hintergrund des demografischen
Wandels. Es hat in den vergangenen Jahrzehnten – das
ist nicht zu kritisieren, aber man muss es im Blick haben –
eine Verschiebung von Ausgaben zulasten von Investi-
tionen und zugunsten von eher gegenwartsorientierten
Sozialausgaben gegeben. Dafür gab es im Einzelnen im-
mer gute Gründe. Dennoch müssen wir wieder stärker
auf die Zukunftsorientierung unserer Ausgaben achten.
Das Bundesfinanzministerium legt regelmäßig langfris-
tige Tragfähigkeitsberechnungen für unsere öffentlichen
Haushalte vor. Sie zeigen, dass wir bei dauerhafter Ein-
haltung der Schuldenbremse die Tragfähigkeitsrisiken
unserer öffentlichen Finanzen insgesamt in den Griff
bekommen können. Aber sie zeigen auch, dass dies
Maßnahmen erfordert, um den Druck vor allem aus den
Sozialversicherungssystemen auf den Bundeshaushalt
abzufedern. Tragfähigkeit ergibt sich nicht von selbst.
Deswegen war es zum Beispiel richtig, dass die Be-
schlüsse zur Erleichterung des Rentenbezugs für lang-
jährig Erwerbstätige mit dem Auftrag verbunden wur-
den, eine generelle Lösung für einen flexibleren
Renteneintritt zu finden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Unsere älter werdende Gesellschaft braucht die Älte-
ren, ihr Wissen, ihre Arbeitskraft, ihre Einsatzbereit-
schaft. Deswegen müssen wir darauf achten, dass es
nicht zu stärkeren finanziellen Fehlanreizen kommt,
durch die Menschen früher aus dem Berufsleben ausstei-
gen, während die finanziellen Lasten bei der Allgemein-
heit verbleiben. Der selbstbestimmte Renteneintritt bei
mehr finanzieller Eigenverantwortung, das ist die zen-
trale Aufgabe einer Flexirente und das stärkt die Tragfä-
higkeit. Übrigens hat das die ganz überwiegende Mehr-
heit unserer Bürger verstanden. Deshalb ist es wichtig,
dass wir jetzt substanziell bei der Flexirente etwas errei-
chen. Da sind die Politik wie die Tarifpartner gefordert.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)






Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble


(A) (C)



(D)(B)

Flexibilisierung des Renteneintritts zählt genauso zu
den wichtigen Rahmenbedingungen für mehr private In-
vestitionen wie eine auch geopolitisch sichere Energie-
versorgung mit wettbewerbsfähigen Energiepreisen.
Dazu haben wir mit der EEG-Novellierung einen ersten
wichtigen Schritt getan.

Der Abbau von Handelsbarrieren stärkt immer das
Wachstum. Das gilt für den europäischen Binnenmarkt,
und das gilt für das Transatlantische Freihandelsabkom-
men, das wir erfolgreich zum Abschluss bringen müs-
sen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


So viel will ich zum Transatlantischen Freihandelsab-
kommen an dieser Stelle dann doch sagen: Es erfordert
ein Aufeinanderzugehen beider Seiten ohne übertriebene
Ängste mit dem Ziel eines Ausgleichs zwischen der
wohlstandsfördernden Erleichterung wirtschaftlichen
Austauschs und dem Respekt vor kulturell begründeten
und demokratisch legitimierten Vorstellungen und Re-
geln beider Seiten. Aber vielleicht bieten ja die weltpoli-
tischen Krisen dieser Tage auch eine Chance, sich der
Bedeutung der westlichen Wertegemeinschaft auf beiden
Seiten des Atlantiks wieder bewusster zu werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Zu guten und verlässlichen Rahmenbedingungen für
private Investitionen zählt, dass wir auch in der Steuer-
politik halten, was wir versprochen haben. Es bleibt,
meine sehr verehrten Damen und Herren, bei dem zuge-
sagten Verzicht auf Steuererhöhungen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Gleichzeitig müssen wir bei einer immer komplizierter
und stärker werdenden internationalen Verflechtung un-
sere Steueransprüche auch konsequent und vernünftig
durchsetzen. Das wird zunehmend schwieriger. Die Aus-
nutzung von unterschiedlichen steuerrechtlichen Regu-
lierungen in einer globalisierten Welt mit globalisierten
Finanzmärkten ist eine unglaubliche Herausforderung,
die wir gar nicht national, allein in den Griff bekommen
können. Deswegen müssen wir europäisch und global
entschieden in diese Richtung wirken. Wir tun das. Die
Chancen für internationale Regulierung steigen: Interna-
tional ist das Bewusstsein gewachsen, dass die Staaten
letztlich in einem Boot sitzen.

Wir haben zuletzt in der Europäischen Union mit der
Änderung der Richtlinie über das gemeinsame Steuer-
system der Mutter- und Tochtergesellschaften einen
wichtigen Schritt getan, um rein steuerlich motivierte
Gewinnverschiebungen einzudämmen.

Die Bundesregierung hat diese Entwicklung auf der
Ebene der G 20 wie der OECD von Anfang an maßgeb-
lich vorangetrieben, und wir werden das weiter tun. Wir
werden in zwei Wochen beim G-20-Finanzministertref-
fen in Australien konkrete Schritte – natürlich auch in
Vorbereitung auf den G-20-Gipfel im November in Bris-
bane – vorbereiten. Wir richten im Oktober in Berlin die
Jahrestagung des Global Forum on Transparency and
Exchange of Information for Tax Purposes aus, die glo-
bale Konferenz der OECD für den Informationsaus-
tausch, bei der es zugleich um die Bekämpfung von
Steuervermeidung durch internationale Regulierungen
geht. Das wird vermutlich eine der größten Steuerkonfe-
renzen weltweit sein. Die Größe allein ist aber nicht so
wichtig; entscheidend ist, dass bei dieser Tagung über
30 Staaten eine Vereinbarung über einen automatischen
Informationsaustausch bei Finanzkontendaten ab 2017
unterzeichnen werden. Das ist ein großer Schritt, und es
ist erfreulich, dass wir in so kurzer Zeit über 30 Staaten
dafür gewinnen konnten, diese Vereinbarung Ende Okto-
ber hier zu unterschreiben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir werden in Kürze auch die gemeinsam mit den
Bundesländern erarbeitete maßvolle Verschärfung der
Regeln für die strafbefreiende Selbstanzeige voranbrin-
gen. Die strafbefreiende Selbstanzeige hat sich als
Rechtsinstitut trotz aller öffentlichen Debatte bewährt.
Wir verlängern nun die strafrechtlichen Verjährungsfris-
ten für Steuerhinterziehung, und wir heben die Zu-
schläge bei der Nachzahlung hinterzogener Steuern an.

Darüber hinaus arbeiten wir in Zusammenarbeit mit
unseren europäischen Partnern an intelligenten, punktge-
nauen Formen steuerlicher Förderung von Forschung
und Entwicklung im Zusammenhang mit der Nutzung
von Patenten aus eigener Forschung.

Auch hier muss das Prinzip durchgesetzt werden, dass
eine vor Ort erbrachte echte Forschungsleistung begüns-
tigt wird und nicht einfach nur steuerliche Gestaltungs-
möglichkeiten eröffnet werden, sodass es zu einer Verla-
gerung der Besteuerung in das niedriger besteuernde
Ausland kommt. Das ist der falsche Weg. Wir müssen
eigene Forschungsleistungen begünstigen – auch steuer-
lich –, und es darf nicht zu einem fortgesetzten Aus-
nutzen unterschiedlicher Regelungen zur Minderung der
Steuerbelastung kommen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir bringen in Kürze Maßnahmen zur Verbesserung
der steuerlichen Förderung von Wagniskapitalfinanzie-
rung auf den Weg, indem wir den öffentlichen Investi-
tionszuschuss steuerfrei stellen. Gerade auch in unserem
älter werdenden Deutschland brauchen wir eine Grün-
dungskultur, eine Haltung der Neugier und auch die Hal-
tung, scheitern zu dürfen und neu anfangen zu können;
denn sonst gibt es keine Gründungskultur. Wenn jedes
Scheitern mit dem Risiko verbunden ist, dass es für im-
mer ist, macht es keinen Sinn. Deswegen ist es auch
wichtig, dass wir erfahrenen Managern und Kapitalge-
bern, die Start-up-Unternehmen unterstützen, helfen und
ihnen keine Steine in den Weg legen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir werden in Deutschland und in Europa im globa-
len Wettbewerb, der immer härter wird, nur mit Arbeits-
plätzen, die auf technologischen Innovationen beruhen,
wirtschaftlich konkurrenzfähig bleiben. Billiger als an-





Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble


(A) (C)



(D)(B)

dere werden wir in Deutschland und in Europa nicht
werden, sondern wir können nur besser und innovativer
als andere bleiben und, wo nötig, werden.

Wir sollten uns keiner Illusion hingeben: Wenn wir
mit unserem Lebensstandard und unserer vergleichs-
weise hohen sozialen Absicherung in der globalisierten
Welt mithalten wollen, dann müssen Deutschland und
Europa an der Spitze der Innovationsentwicklung blei-
ben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Deswegen dürfen wir uns nicht der Illusion hingeben,
dass wir, anstatt an der Spitze der Innovationsentwick-
lung zu bleiben, die Probleme mit einem immer größe-
ren Einsatz öffentlicher Mittel und mit immer höheren
Defiziten lösen werden. Das ist eine große Gefahr und
eine große Illusion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Forderung in Europa, immer mehr öffentliche
Gelder unter Inkaufnahme immer höherer Defizite und
Verschuldungen einzusetzen, führt in die Irre. Wachstum
und Arbeitsplätze entstehen nicht durch immer höhere
Defizite. Sonst hätten wir aktuell wirklich keine Pro-
bleme. Es tut mir leid: Wenn es mit höheren Defiziten
und Schulden leichter wäre, dann dürften wir eigentlich
keine Probleme haben; denn die Verschuldung der In-
dustrieländer – damit wir wissen, wovon wir reden – ist
wieder auf dem Niveau, auf dem es am Ende des Zwei-
ten Weltkrieges gewesen ist. Durch eine Steigerung wer-
den wir nur neue Ungewissheiten, neue Blasen, Unsi-
cherheiten und Volatilität, aber keine strukturelle Lösung
unserer Probleme erreichen. Deswegen helfen nur Inno-
vationen, Strukturreformen, Investitionen, verlässliche
Rahmenbedingungen und eben vor allen Dingen Ver-
trauen in die Nachhaltigkeit.

Man kann allein mit öffentlichem Geld Arbeitsplätze
und Wachstum nicht dauerhaft herbeikaufen. Es bringt
auch nichts, im Zusammenhang mit Wachstum und Be-
schäftigung einfach auf die Europäische Zentralbank zu
schielen. Sie tut, was sie kann, aber sie hat ihr Instru-
mentarium im Wesentlichen ausgereizt, wie man an den
aktuellen Entwicklungen sehen kann. Billiges Geld kann
Wachstum eben auch nicht erzwingen. Sonst hätten wir
derzeit keine Probleme.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Johannes Kahrs [SPD])


Es ist doch auffallend – das hören Sie nicht gern, aber
es ist eine Tatsache –: Bei sinkendem Zinsniveau – das
Zinsniveau ist aktuell so niedrig wie selten zuvor – steigt
in wichtigen europäischen Ländern die private Spar-
quote. Die Ökonomen können das nur schwer erklären.
Sie sagen: Eigentlich müssten sinkende Zinsen dazu füh-
ren, dass man weniger spart. Das Gegenteil ist der Fall,
und das zeigt, dass psychologische Fragen eine viel grö-
ßere Wirkung haben. Bei sinkenden Zinsen steigt in
wichtigen europäischen Ländern die Sparquote!

In Deutschland haben wir übrigens eine starke Kon-
sumnachfrage, die die wesentliche Stütze unserer wirt-
schaftlichen Entwicklung ist. Das wiederum zeigt, dass
das Vertrauen in die Nachhaltigkeit unserer Finanzen
wirtschaftlich von einer gar nicht zu überschätzenden
Bedeutung ist.

Im Übrigen hat der Sachverständigenrat zur Begutach-
tung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in Deutsch-
land in seinem letzten Jahresgutachten 2013/2014 aus-
drücklich auf die Gefahr hingewiesen, dass zu hohe
Erwartungen an die Handlungsmöglichkeiten der Euro-
päischen Zentralbank am Ende nur die Durchsetzung der
notwendigen Budget- und Strukturreformen durch die
politisch Verantwortlichen in den Mitgliedstaaten schwä-
chen könnten. Auch das muss man sich wieder und wie-
der ins Gedächtnis rufen.

Obwohl Liquidität heute eher im Übermaß vorhanden
ist, bleibt der Zugang zu Kapital für kleine und mittlere
Unternehmen in Teilen Europas infolge der Finanzkrise
immer noch beeinträchtigt. Dieses Problem ist auch
durch mehr Liquidität nicht zu beseitigen. Die entschei-
dende Frage ist: Warum gelingt es nicht, diese reichlich
vorhandenen Mittel stärker in die unternehmerischen In-
vestitionen zu leiten?

Das ist eben der Punkt: Nachhaltiges Wachstum ent-
steht nur durch Innovationen, durch unternehmerische
Ideen und ihre Umsetzung. Wo das ausbleibt, stimmen
die Rahmenbedingungen nicht. Diese müssen wir auf
europäischer wie nationaler Ebene weiter verbessern.
Das bedeutet Strukturreformen, Verbesserung der Wett-
bewerbsfähigkeit, Stärkung von Forschung und Ent-
wicklung. Deswegen lege ich zusammen mit meinem
französischen Kollegen Michel Sapin anlässlich unseres
informellen Finanzministertreffens am Freitag und
Samstag dieser Woche gemeinsame Vorschläge vor, wie
wir die nationalen und europäischen Umfelder für Inves-
titionen, und zwar nicht nur für Finanzierungen von In-
vestitionen, sondern auch für tatsächliche Möglichkeiten
für Investitionen, verbessern können. Das ist der ent-
scheidende Punkt.

In diesem Zusammenhang ist auch wichtig: Die Ban-
kenunion, die kurz vor ihrer Umsetzung steht – die Euro-
päische Zentralbank ist gerade in der entscheidenden
Vorbereitungsphase für den Aufbau der Europäischen
Bankenaufsicht –, wird die Leistungsfähigkeit und die
Krisenresistenz der europäischen Banken verstärken.
Wir arbeiten an regulatorischen Erleichterungen für
langfristige Investitionen durch Kapitalsammelstellen.
Wir arbeiten auch an der Wiederbelebung des Marktes
für Hochqualitätsverbriefungen in Europa, der durch die
Bankenkrise in Misskredit geraten ist. Wir arbeiten an
einem robusten Rahmen für Unternehmensanleihen.

Auf der Ebene der G-20-Staaten entwickeln wir in der
schon erwähnten Arbeitsgruppe mit Indonesien und Me-
xiko Standards für Qualitätsverbriefungen von Mittel-
standskrediten. Standards von Verbriefungen heißt übri-
gens nicht, dass die Zentralbanken die entscheidenden
Käufer für solche Verbriefungen sein müssen. Nein, wir
wollen sie in erster Linie marktfähig machen – um es mit
freundlicher Zurückhaltung zu sagen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)






Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble


(A) (C)



(D)(B)

Ein wachstumsfreundliches Umfeld, und zwar nur ein
solches Umfeld, fördert private Investitionen. Deshalb
muss jedes Land in Europa für sich selbst wettbewerbs-
fähiger werden. Jedes Land muss Strukturreformen auf
den Arbeitsmärkten umsetzen. Das ist schwierig zu ma-
chen; das weiß ich. Die Länder, in denen das notwendig
ist, müssen die Leistungsfähigkeit und Effektivität ihrer
öffentlichen Verwaltung steigern. Das jedenfalls macht
die Länder für Investitionen attraktiver.

Natürlich hilft die Leistungsfähigkeit der Verwaltun-
gen auch, sicherzustellen, dass die schon bereitstehenden
EU-Mittel tatsächlich abgerufen werden. Auch das ist
ein Kapitel für sich. Das gilt gerade für das Thema Be-
kämpfung der Arbeitslosigkeit und vor allen Dingen der
immer noch viel zu hohen Jugendarbeitslosigkeit in eini-
gen Ländern Europas.

Frau Bundeskanzlerin, Sie werden erlauben: Bereits
vor einigen Jahren haben die Staats- und Regierungs-
chefs nach hartem Ringen darüber, ob 6 Milliarden Euro
hierfür nicht zu wenig seien, die Einrichtung eines sofort
zur Verfügung gestellten Fonds zur Bekämpfung der Ju-
gendarbeitslosigkeit beschlossen. Werte Kolleginnen
und Kollegen, es kann einfach nicht hingenommen wer-
den, dass von diesen 6 Milliarden Euro bis heute prak-
tisch nichts abgeflossen ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Entschuldigung, da bleibt mir fast die Stimme weg. Man
könnte auch sagen: Da bleibt einem tatsächlich das Wort
im Halse stecken.


(Heiterkeit)


Alle sind sich einig, dass die Bekämpfung der Jugend-
arbeitslosigkeit dringend ist. 6 Milliarden Euro werden
bereitgestellt, und es wird sogar gesagt, das reiche nicht.
Dann aber muss man nach ein paar Jahren feststellen,
dass von diesem Geld kaum etwas abgeflossen ist. Das
hat etwas mit den Verwaltungsstrukturen in den betroffe-
nen Ländern zu tun. Aber es ist im Übrigen auch eine
Herausforderung in dieser neuen Periode von Europäi-
schem Parlament und Europäischer Kommission, die Ef-
fizienz des Mitteleinsatzes in Europa deutlich zu erhö-
hen. Da gibt es bei der EU wirklich viel Luft nach oben.

Öffentliche Investitionen in Europa müssen auf lang-
fristiges und nachhaltiges Wachstum ausgerichtet sein.
Sie sollten sich konzentrieren auf Forschung und Ent-
wicklung, Bildung und Ausbildung, Innovationen und
Start-up-Unternehmen, den digitalen Sektor, eine gute,
überregionale Verkehrsinfrastruktur, die Finanzierung
von kleinen und mittleren Unternehmen und die Ener-
giewende.

Wir haben die Europäische Investitionsbank mit Blick
auf diese Ziele gestärkt; wir haben auch ihr Kapital we-
sentlich erhöht. Auch der EU-Haushalt und die europäi-
schen Struktur- und Investitionsfonds müssen konse-
quent auf die Zukunftsfähigkeit Europas ausgerichtet
werden.

Und da wir alle einig sind, dass wir eine Energieunion
und eine digitale Union in Europa brauchen – mit euro-
päischer Netzwerkinfrastruktur, mit guten Bedingungen
für europäische Player im Hard- und Softwarebereich –,
müssen wir in Europa einfach nur noch die Vorausset-
zungen in der Regulierung dafür schaffen. Das ist eine
der zentralen Aufgaben in dieser neuen Periode europäi-
scher Politik.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Europäische Union – man kann es nicht oft genug
sagen – muss sich auf das konzentrieren, was die Mit-
gliedstaaten alleine nicht mehr leisten können. Das be-
trifft vor allem die grenzüberschreitenden Netze von
Verkehr, Energie und Telekommunikation. Hier muss die
europäische Ebene leistungsfähiger werden und die re-
gulatorischen Voraussetzungen dafür schaffen, dass das
weltweit ja eher im Übermaß vorhandene und anlagesu-
chende Finanzvolumen tatsächlich in diesen Bereichen
investiert wird. Das ist eine Frage der Regulierung, um
die Voraussetzungen zu schaffen, dass das Kapital auch
investiert werden wird.

Aber noch einmal: Wachstum in Europa heißt eben
auch, dass alle Staaten ihre Hausaufgaben machen. Wir
haben uns gemeinsam viel vorgenommen. Aber das, was
an Haushaltssanierungen, an Strukturreformen angekün-
digt wurde – und angekündigt haben wir alle das oft –,
muss auch konsequent umgesetzt werden. Es bleibt da-
bei: Solange wir eine gemeinsame Währung und eine ge-
meinsame Geldpolitik, aber keine gemeinsame Finanz-
und Wirtschaftspolitik haben, so lange bleibt es beson-
ders unverzichtbar, dass sich alle an Absprachen und Re-
geln halten.

Man muss daran erinnern: Viele Ökonomen haben ge-
sagt, eine Währungsunion ohne gemeinsame Finanz-
und Wirtschaftspolitik geht gar nicht, jedenfalls nicht auf
Dauer. Dann haben wir den Stabilitäts- und Wachstums-
pakt geschaffen, damit es doch geht. Aber es geht nur,
wenn wir uns an die Regeln halten. Das ist auch keine
Frage von Sturheit oder Beliebigkeit, sondern eine Vo-
raussetzung für die Stabilität unserer gemeinsamen
Währung.

Ein bedeutender amerikanischer Präsident hat einmal
einen Wahlkampf geführt mit dem Slogan: „It’s the
economy, stupid!“ Wir könnten heute auch einfach sa-
gen: „It’s the implementation, stupid!“ Einfach nur im-
plementieren, machen, umsetzen, was man angekündigt
hat – darauf kommt es an. Nur dann werden wir nachhal-
tig Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit Europas und sei-
ner Staaten gewinnen.

Wir müssen uns in dieser sich schneller und stärker
globalisierenden Welt wirtschaftlich behaupten. Unser
Ziel in Deutschland und in Europa ist die Sicherung der
Leistungskraft der westlichen Welt. Es geht auch um
Handlungsfähigkeit in wirtschaftlichen und politischen
Krisen, die uns auch in Zukunft ereilen können und si-
cherlich auch ereilen werden. Es geht am Ende auch um
die Grundlagen von Sicherheitspolitik, innen- wie au-
ßenpolitisch. Wir schaffen Stabilität und Berechenbar-
keit; wir geben Orientierung.





Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble


(A) (C)



(D)(B)

Wenn wir in den Krisen dieser Monate – vor allem im
Verhältnis zu Russland – mit unseren europäischen Vor-
stellungen von Außen- und Sicherheitspolitik, wie sie
die Bundeskanzlerin wieder und wieder von diesem Pult
aus definiert hat, erfolgreich sein wollen – nämlich nicht
Einsatz militärischer Mittel zur Durchsetzung von Inte-
ressen, sondern Partnerschaft, Zusammenarbeit, Aus-
tausch, freiheitlicher Wettbewerb –, dann, verehrte Kol-
leginnen und Kollegen, müssen wir wirtschaftlich und
gesellschaftlich stark sein – und damit attraktiv. Die Welt
beobachtet genau, ob Europa dem Anspruch, den es an
andere stellt, selbst genügen wird; darauf kommt es an.

Vertrauen, das die Welt in Europa hat, aber auch Ver-
trauen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, das wir
selbst in unsere Zukunft haben, ist letztlich die Grund-
lage unserer Überzeugungskraft. Unsere Außen- und
Sicherheitspolitik gründet darauf, und eine stabilitäts-
orientierte Finanzpolitik leistet einen kleinen, aber not-
wendigen Beitrag.

Herzlichen Dank.


(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804900100

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem

Kollegen Dietmar Bartsch für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804900200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bun-

desfinanzminister, ich habe Ihnen aufmerksam zugehört
und festgestellt, dass wir in Deutschland keine Probleme
haben, wenn überhaupt, nur einige Aufgaben; unsere
Nachbarn haben Probleme. Ich kann Ihnen eines versi-
chern: Das hat mit der Lebenswirklichkeit vieler Men-
schen sehr, sehr wenig zu tun.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich will vorab darauf eingehen, dass Sie einen Etat-
entwurf ohne Neuverschuldung vorlegen. Ich sage: Re-
spekt, und zwar deshalb, weil das mehrfach von Ihren
Vorgängern angekündigt, aber nie erreicht worden ist.
Das ist jetzt der Fall. Das ist für Linke, die die schwarze
Null nicht als heilige Kuh anbeten, trotzdem sehr wohl
ein Ereignis.

Die entscheidende Frage wird allerdings sein: Reali-
sieren Sie das dann auch im Haushaltsvollzug? Denn das
ist bei allen Entwürfen entscheidend. Und die zweite
Frage ist – darauf müssen wir genau achten –: Um wel-
chen Preis wird die schwarze Null bzw. der Verzicht auf
Neuverschuldung erzielt?

Ich will als Zweites unbedingt erwähnen, dass in kür-
zester Frist der zweite Haushaltsentwurf vorliegt. Dabei
gebührt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den
Ministerien, besonders auch im Finanzministerium, ganz
herzlicher Dank. Sie haben Tolles auch für die Opposi-
tion geleistet. Ich will das deshalb voranschicken.


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)

Meine Damen und Herren, die Linke kritisiert den
Haushaltsentwurf aus folgenden Gründen:

Erstens. Dieser Haushalt ist das Gegenteil von verant-
wortungsvoller Politikgestaltung. Zentrale Herausfor-
derungen der Politikgestaltung, das heißt die Moderni-
sierung des Bildungswesens, der Infrastruktur und der
Energienetze und die Überwindung des Investitions-
staus, finden sich im Haushalt nicht ausreichend wieder.
Die Investitionsquote stagniert in Deutschland seit Jah-
ren. Seit zehn Jahren liegen wir – teilweise um 2 bis
3 Prozent – unter dem europäischen Durchschnitt.

Was Sie hier dargestellt haben, ist real nur ein Tropfen
auf den heißen Stein. Selbst das DIW mahnt: Die ma-
rode Infrastruktur wird zur Gefahr für die Wirtschaft in
Deutschland. Die Bruttoinlandsinvestitionen des Staates
sind geringer als die Abschreibungen. Jedes Unterneh-
men, das so agieren würde, wäre in einigen Jahren in
Konkurs gegangen. Aber Sie betreiben diese Politik seit
einigen Jahren. 120 Milliarden Euro müssten in den
nächsten Jahren investiert werden. Aber Sie tun viel zu
wenig.

Jährlich verfällt in Deutschland Infrastruktur im Wert
von 4 Milliarden Euro. Es reicht deshalb nicht aus, Herr
Schäuble, zu sagen: Die Rendite ist für Unternehmen das
Entscheidende. Nein, die Rendite kann nicht der aus-
schlaggebende Punkt sein. Investitionen in die Infra-
struktur sind für die Menschen in diesem Lande wichtig.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Bei Ihnen finden Investitionen derzeit vor allen Din-
gen auf einem Feld statt: Sie reden über die Dobrindt-
Maut, und Sie sprechen hier von Verlässlichkeit und Ver-
trauen. Angesichts der Maut muss ich feststellen: Das,
was Sie hier aufführen, ist Kasperletheater.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es ist konzeptionslos, ein bürokratisches Monster und
verschlingt öffentliche Mittel. Was es bringen wird, weiß
kein Mensch. Sie verärgern sogar unsere ausländischen
Nachbarn, und zwar nicht nur in West und Süd, sondern
auch im Osten. Das ist doch ein Riesenproblem, und das
hat überhaupt nichts mit Vertrauen zu tun.


(Beifall bei der LINKEN)


Jetzt sind Ihre Begründungen: Seehofer muss liefern.
Sie wollen nicht das Schicksal der FDP teilen. – Was
sind das denn für Argumente bei diesem doch so wichti-
gen Thema? Hören Sie auf mit diesem Unsinn! Die
Kanzlerin hat doch im Rededuell mit Steinbrück gesagt:
Die Maut wird nicht kommen. Das war doch eine rich-
tige Äußerung. Jetzt wird in den Debatten darüber dau-
ernd der Koalitionsvertrag als Begründung genannt.
Aber ob ich die Wehrpflicht, den Atomausstieg oder
Ähnliches nehme: Sie haben schon oft Koalitionsver-
träge gebrochen. Hören Sie auf mit dem Unsinn der
Maut! Das verärgert nur die Menschen in diesem Land.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)






Dr. Dietmar Bartsch


(A) (C)



(D)(B)

Zweitens. Haushaltsrisiken scheinen für Sie ein
Fremdwort zu sein. Im Koalitionsvertrag heißt es: „Un-
ser Grundsatz heißt: ‚Kein Finanzmarkt, kein Finanzpro-
dukt, kein Finanzmarktakteur ohne Aufsicht‘.“ Das Ge-
genteil ist der Fall. Die Sparkassen und Volksbanken
regulieren Sie. Die müssen immer mehr Leute einstellen
und werden schon irre ob der Regulierung. Aber bei den
Großen rollt die Kasinokugel weiter. Bei den Invest-
mentbankern haben Sie fast nichts gemacht.


(Beifall des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE])


Sie können doch nicht die Kleinen totregulieren und bei
den anderen mehr oder weniger nichts machen. Das ist
doch ein Riesenproblem.


(Beifall bei der LINKEN)


Nun war gestern wieder von der Finanztransaktion-
steuer die Rede. Es ist wunderbar, dass hier noch mehr
Druck entsteht. Wir haben das damals in den Bundestag
eingebracht. Tun Sie etwas auf europäischer Ebene! Sie
haben unsere Unterstützung. Wann wird die Trans-
aktionsteuer endlich eingeführt? Dann kommt doch Geld
in die Kassen, und die Transaktionen auf dem Finanz-
markt werden etwas verlangsamt.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Kommen wir zu den Haushaltsrisiken. Wenn ich das
richtig gelesen habe, ist das Bruttoinlandsprodukt in
Deutschland im zweiten Halbjahr zurückgegangen. Ist das
kein Problem? Die Bauinvestitionen sind um 4,2 Prozent
zurückgegangen. Im Bereich der Ausrüstungen ist ein
Rückgang um 0,4 Prozent zu verzeichnen. Der Ifo-Ge-
schäftsklimaindex ist zum dritten Mal in Folge gefallen.
Das sind doch reale Probleme und Risiken. Im Übrigen
führen die Wirtschaftssanktionen gegen Russland, die
wir für grundsätzlich falsch halten, natürlich dazu, dass
die Exporte nach Russland zurückgegangen sind, insbe-
sondere in den neuen Bundesländern. In meinem Hei-
matland Mecklenburg-Vorpommern sind beispielweise
die Exporte von Fleisch, Milch, Gemüse und Käse deut-
lich zurückgegangen. Das ist ein Problem. Das muss
man wenigstens reflektieren.


(Beifall bei der LINKEN)


Das Agieren Deutschlands in den aktuellen Krisen-
herden wie dem im Irak macht deutlich – ich will auf die
politische Debatte gar nicht detailliert eingehen –: Das
wird immens viel Geld kosten. Dieses Geld ist teilweise
völlig falsch angelegt. Zu diesem Schluss komme ich
insbesondere dann, wenn ich mir die Debatte vor Augen
führe, dass der Verteidigungsetat ob dieser Risiken er-
höht werden soll.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Mit diesem Kurs gefährden Sie aufs Gröbste die Zukunft
des Landes.


(Beifall bei der LINKEN)

Drittens. Sie haben keine gesellschaftliche Vision von
unserem Land. Sie versprechen im Koalitionsvertrag:
„Unser Maßstab für eine erfolgreiche Politik ist die Le-
bensqualität der Menschen …“ Wenn dem doch nur so
wäre, dann wäre es wunderbar.


(Johannes Kahrs [SPD]: Es ist wunderbar!)


Aber vieles, was Sie im Koalitionsvertrag niederge-
schrieben haben, bleibt folgenlos, wird wie zum Beispiel
bei der Mütterrente völlig falsch finanziert oder führt,
wie das Betreuungsgeld zeigt, zu den vorausgesagten
völlig negativen Entwicklungen.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie haben versprochen: „Wir wollen: Gute Arbeit für
alle – sicher und gut bezahlt“. Was sagen Sie den
2,9 Millionen Arbeitslosen und insbesondere den über
1 Million Langzeitarbeitslosen in diesem Land, deren
Zahl im Vergleich zum vergangenen Jahr um 1 Prozent
gestiegen ist, oder den 500 000 Menschen, die im Alter
oder aufgrund von Erwerbsminderung auf Grundsiche-
rung angewiesen sind? Nennen Sie das gute Lebensqua-
lität der Menschen? Nein, das kann man nicht so nennen.
Das hat überhaupt nichts mit Gerechtigkeit zu tun.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Außerdem geht die Schere zwischen Arm und Reich
in unserem Land immer weiter auseinander. Wenn die
500 reichsten Deutschen über ein Vermögen von
615 Milliarden Euro verfügen – das ist das Doppelte des
Bundeshaushalts –, dann wissen Sie genauso gut wie ich,
dass da etwas nicht in Ordnung ist. Da muss man doch
etwas tun. Angesichts dessen muss man doch über Ver-
teilungsgerechtigkeit reden.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Man kann dann nicht einfach sagen: Steuern erhöhen wir
auf keinen Fall. – Vielmehr muss man diese Vermögen-
den zur Kasse bitten. Wie ich höre, denken Sie über die
Abschaffung des Solidaritätszuschlags nach. Darüber
kann man sicherlich reden. Aber das muss gegenfinan-
ziert werden, und zwar von denjenigen, die von der
Krise profitiert haben. Bei diesen ist schließlich etwas zu
holen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Was ist denn daran gerecht, wenn in den vergangenen
15 Jahren die Produktivität um 16 Prozent gestiegen ist,
die Tariflöhne aber statistisch gesehen nur um 10 Pro-
zent zugelegt haben? Da läuft doch etwas schief. Die
Vermögen werden immer größer. Ein Drittel der Men-
schen hat kein Vermögen oder hat Schulden, während
1,1 Millionen Menschen Vermögensmillionäre sind. Da
ist etwas schief in Deutschland. Die Schere geht immer
weiter auseinander. Angesichts dessen darf man nicht
nur zuschauen, sondern muss etwas dagegen tun, auch
im Haushalt.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)






Dr. Dietmar Bartsch


(A) (C)



(D)(B)

Sie sagen immer: Der soziale Etat ist der größte, und
wir tun doch so unsagbar viel.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ja, mehr als die Hälfte!)


– Ja, es ist richtig, dass der Sozialetat mehr als die Hälfte
des Bundeshaushalts ausmacht. Das wissen die Haushäl-
ter aller Fraktionen.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Dann sagen Sie es doch mal!)


Das ist das Ergebnis von Politik. Diese hohen Sozialkos-
ten sind das Ergebnis Ihrer Politik, die so viel Bedürftig-
keit und Not produziert. Das ist die Ursache für diesen
hohen Etat.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Michael GrosseBrömer [CDU/CSU]: Was ist das denn für eine Argumentation?)


Haushaltspolitik darf nicht einer imaginären schwar-
zen Null geopfert werden. Eine Politik um der schwar-
zen Null willen, die die Schulden von heute in kaputte
Städte und Gemeinden, marode Gesundheits-, Kultur-
und Bildungseinrichtungen unserer Enkel tauscht, ist der
falsche Weg. Es ist keine Neuverschuldung notwendig,
wir können das finanzieren, wenn wir eine andere Steu-
erpolitik betreiben. Wir wollen keine allgemeinen Steu-
ererhöhungen und auch nicht den Weg in den Schulden-
staat beschreiten. Das Gegenteil ist der Fall.

Lassen Sie uns die Haushaltsberatungen nutzen, da-
mit sinnvolle Vorschläge Ihren Entwurf hin zu mehr so-
zialer Gerechtigkeit relevant verändern können.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804900300

Für die SPD-Fraktion erhält nun der Kollege Carsten

Schneider das Wort.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Carsten Schneider (SPD):
Rede ID: ID1804900400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit

dem Haushalt 2015, den die Regierung hier eingebracht
hat, beginnt eine Zeitenwende. Es ist der erste Bundes-
haushalt seit mehreren Jahrzehnten, mit dem der Versuch
unternommen wird – ich hoffe, wir werden es auch
schaffen –, die Neuverschuldung nicht nur zu reduzie-
ren, sondern sie gänzlich auf null zu setzen. Das hat es
seit 1969 nicht mehr gegeben.

Wir als Sozialdemokraten haben uns im Regierungs-
programm zur Bundestagswahl vorgenommen, genau
dies zu erreichen. Wir haben 2009 in der Großen Koali-
tion hier im Bundestag die Schuldenbremse mit be-
schlossen, und wir werden sie vorfristig, nämlich schon
im Jahr 2015, erreichen. Das ist ein Quantensprung, auf
den wir Sozialdemokraten stolz sind.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Nicht nur ihr!)


Dies wird von einer breiten Mehrheit im Deutschen
Bundestag, von den Kollegen der Union und, wie ich ge-
hört habe, auch von der Linkspartei und, wie ich ver-
mute, grundsätzlich auch von den Grünen, getragen.
Über den Weg dahin streiten wir.

Es ist richtig, Kollege Bartsch, dass wir in der Steuer-
politik, gerade was die Verteilungsfrage betrifft, Unter-
schiede in der Koalition haben. Wir haben uns nicht auf
alle Punkte einigen können, die Bestandteil unseres Re-
gierungs- und Wahlprogramms waren. Das bleibt einer
politischen Entscheidung im Anschluss an die nächste
Bundestagswahl vorbehalten.

Trotzdem haben wir die Wachstumskräfte, die in
Deutschland derzeit die Konjunktur stützen und für die
gute Entwicklung verantwortlich sind, nämlich die Bin-
nennachfrage, extrem gestärkt. Das Wichtigste dabei ist
die ab dem 1. Januar 2015 beginnende Einführung des
gesetzlichen Mindestlohns. Er wird allein in meinem
Heimatland Thüringen für über ein Drittel der Beschäf-
tigten für die größte Lohnerhöhung sorgen, die diese Be-
schäftigten jemals erreicht haben. Das ist ein Fortschritt,
auf den wir Sozialdemokraten stolz sind.


(Beifall bei der SPD)


Aber nicht nur der Mindestlohn wird eine Stütze der
Konjunktur sein und zu höheren Steuereinnahmen füh-
ren, sondern auch die Tarifabschlüsse. Nun weiß ich
nicht, Kollege Bartsch, ob die von Ihnen genannten Zah-
len inflationsbereinigt waren oder nicht. Wahrscheinlich
waren sie inflationsbereinigt,


(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Natürlich!)


was die Steigerung betrifft. Nichtsdestotrotz sehen auch
wir, ähnlich wie die Deutsche Bundesbank, Luft nach
oben, was die Lohnentwicklung betrifft. Die Tarif-
abschlüsse müssen in den nächsten Jahren höher werden,
und der Anteil der Arbeitnehmer an der gesamtwirt-
schaftlichen Leistung muss gerechter ausfallen; das ist
gar keine Frage.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ja, wir haben auch eine Diskussion über die Zukunfts-
investitionen. Ich finde, völlig zu Recht; denn die Ana-
lyse, dass wir in weiten Teilen von der Substanz leben
und die öffentliche, aber auch die private Investitionsbe-
reitschaft – Stichwort „Kapitalstock der Unternehmen“ –
schwach ist, ist nicht neu. Ich würde sie auch nicht in-
frage stellen. Ich glaube viel eher, dass sie richtig ist und
dass wir darauf Antworten geben müssen.

Wir tun das in Teilen durch die Verabredung im Ko-
alitionsvertrag, was die Investitionen im Bereich Ver-
kehr betrifft – 5 Milliarden Euro mehr – und was den
Bildungsbereich betrifft – 6 Milliarden Euro mehr; hinzu





Carsten Schneider (Erfurt)



(A) (C)



(D)(B)

kommen 3 Milliarden Euro mehr für Forschungsausga-
ben. Das ist ein klarer Trend nach oben. Die Zukunfts-
ausgaben werden verstetigt, aber das wird sicherlich
nicht ausreichen.

Aus diesem Grund unterstütze ich grundsätzlich die
Überlegungen sowohl des Bundeswirtschaftsministers
als auch des Bundesfinanzministers, das enorme Sparka-
pital, das in Deutschland zur Verfügung steht, für Inves-
titionen zu akquirieren, sei es in Unternehmen, sei es in
die öffentliche Infrastruktur, also da, wo es um Nutzer-
finanzierung geht. Ich halte die Diskussion über die
Gründe, die 2008 in die Finanzkrise geführt haben, näm-
lich dass die Überschüsse, die wir hier erwirtschaftet ha-
ben, ins Ausland exportiert und nicht in Deutschland in-
vestiert wurden, für absolut überfällig.

Wir brauchen die hiesigen Unternehmensgewinne
und die hiesige Sparquote für Investitionen in Deutsch-
land, damit wir zukunftsfähig bleiben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Wir wollen nicht wieder die Situation erleben, dass Le-
bensversicherungen, Banken und andere Kapitalanleger
ihre hier erwirtschafteten Ersparnisse im Endeffekt im
Ausland anlegen. Ich verweise auf die Geldverluste, die
wir bei den amerikanischen Subprime-Papieren erlebt
haben. Von daher, Herr Minister, sehe ich die Wiederbe-
lebung des ABS-Marktes, also des Marktes für forde-
rungsbesicherte Wertpapiere, kritisch.


(Beifall der Abg. Annette Sawade [SPD])


Sicher ist es so, dass die mit Unternehmenskrediten
besicherten Papiere nicht in dem Maße gehandelt wor-
den sind wie andere. Nur, wer kontrolliert das? Ich
glaube, dass wir die Chance viel besser nutzen müssen,
die Bereinigung des Bankensektors im Verlaufe dieses
Jahres durch eine unabhängige, qualifizierte Prüfung
durch die europäische Bankenaufsicht, also durch die
Europäische Zentralbank, vornehmen zu lassen. Wir
müssen dafür sorgen, dass die sogenannten Zombieban-
ken, die nur noch durch das billige Geld der EZB am Le-
ben erhalten werden, aber nicht mehr dafür sorgen, dass
neu gegründete Unternehmen, die Innovationen vorneh-
men, finanziert werden, vom Markt verschwinden. Das
heißt für Deutschland im Zweifel: kritische Eingriffe.
Sie sind aber notwendig, um den Steuerzahler langfristig
vor weiteren Schäden zu bewahren und außerdem um
zusätzliche Wachstumsimpulse zu schaffen.

Herr Minister, ich finde, Sie haben zu Recht auf die
Initiative zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit
hingewiesen. Es bringt nichts, große Summen – hier
6 Milliarden Euro – in den Raum zu stellen, die im End-
effekt nicht abfließen. Ja, wir als Exportnation – heute
hieß es, dass wir im letzten Monat Exporte im Wert von
über 100 Milliarden Euro getätigt haben; das zeigt, dass
wir immer noch eine Exportnation sind; wir sollten also
den Teufel nicht an die Wand malen – haben ein großes
Interesse daran, dass der europäische Binnenmarkt funk-
tioniert, dass unsere Partner in Frankreich und Italien
über eine stabile Wirtschaftsentwicklung verfügen kön-
nen. Deswegen bin ich sehr dafür, dass wir die vorgege-
benen Spielräume innerhalb des Stabilitäts- und Wachs-
tumspaktes nutzen. Das heißt: Strukturreformen und im
Gegenzug mehr Zeit beim Defizitabbau. Das Gleiche ha-
ben wir in Deutschland in den Jahren 2005 und 2006 in
der Großen Koalition gemacht, und zwar erfolgreich. Ich
erinnere daran, dass wir damals das höchste Haushalts-
defizit hatten, und dagegen sind wir mit wirklichen
Strukturreformen angegangen.

Mit Herrn Renzi und Herrn Hollande haben wir es mit
einem Ministerpräsidenten und einem Präsidenten zu
tun, die solche Reformen – vielleicht zu spät – in Angriff
nehmen. Wir als Deutscher Bundestag haben das größte
Interesse daran, dass die beiden Länder Italien und
Frankreich stabil bleiben, dass sie wirtschaftlich voran-
kommen und dass dort keine Extremisten an die Macht
kommen. Deswegen sollten wir sie auf ihrem Weg un-
eingeschränkt unterstützen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Herr Minister, meine Damen und Herren, ich will auf
einen letzten Punkt eingehen: auf die Besteuerung des
Finanzsektors. Die heutige Haushaltsdebatte ist in die-
sem Zusammenhang bereits ein Anfang. Bisher muss
man sagen: Da tut sich nichts. Wir werden das Banken-
insolvenzrecht mit der Schaffung der Europäischen Ban-
kenunion ändern. Das wird uns im Herbst dieses Jahres
hier im Deutschen Bundestag beschäftigen. Das Ganze
ist ein richtiger Schritt. Aber klar ist auch, dass die Kos-
ten der Krise, die auch wir in Deutschland zu schultern
haben, vom Steuerzahler getragen wurden. Der Finanz-
sektor hat dazu keinen Beitrag geleistet. Im Gegenteil:
Die zukünftig auszugestaltende Bankenabgabe – sie
wird zu leisten sein, wenn auf europäischer Ebene eine
Bank pleitegeht – bedeutet, dass der Finanzsektor die
Kosten dafür tragen muss.

In Deutschland ist diese Abgabe nicht steuerabzugs-
fähig, in anderen europäischen Ländern schon. Ähnlich
ist es mit der Finanztransaktionsteuer. Ihre Einführung
war die Voraussetzung für die Zustimmung der SPD und
auch der Grünen zum europäischen Fiskalpakt. Ich er-
warte diesbezüglich substanzielle Fortschritte auf euro-
päischer Ebene, damit wir diejenigen, die die Krise mit
verursacht haben, tatsächlich an den Kosten ihrer Bewäl-
tigung beteiligen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Das ist eine Frage der öffentlichen Legitimation von De-
mokratie.

Ich sage das auch in Richtung Frankreich und Italien;
beide Länder spielen in diesem Bereich eine Schlüssel-
rolle. Diese Länder dürfen nicht nur fordern, dass wir ih-
nen beim Defizitabbau und bei der Wachstumsstimulie-
rung helfen, sondern sie müssen auch die Lobbyisten zur
Seite drängen und gemeinsam mit uns dafür sorgen, dass
wir eine gerechtere Besteuerung des Finanzsektors in
Deutschland zustande bringen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU])






Carsten Schneider (Erfurt)



(A) (C)



(D)(B)

Sie haben dazu, Herr Minister, die volle Unterstützung
des Deutschen Bundestages. Wenn wir das bis Ende des
Jahres nicht schaffen sollten, werden wir sehr wohl über-
legen müssen, ob wir dazu nicht national Regelungen
treffen und vorangehen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804900500

Nächster Redner ist der Kollege Kindler für die Frak-

tion Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Sehr geehrter Minister Schäuble! Wir haben
es hier auch gerade in der Haushaltsdebatte gehört: Die
Große Koalition lobt sich selbst für den Haushalt 2015.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Das können Sie auch tun, Herr Kindler!)


Aber wir müssen als Haushälter beim Haushalt natürlich
auch ins Detail gucken. Wenn wir ins Detail gucken,
dann sehen wir: Es gibt drei zentrale Defizite in diesem
Haushalt: Das erste ist das Hoffen auf die gute Konjunk-
tur. Zweitens. Es gibt kaum Investitionen. Dieser Haus-
halt lebt von der Substanz. Das dritte ist der unsoziale
Griff in die Rentenkasse und in den Gesundheitsfonds.
Das ist wahrlich kein Grund, sich selbst zu loben. Das ist
waghalsig. Das ist zukunftsvergessen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Mit diesem Haushalt 2015 wollen Sie keine neuen
Schulden mehr bei den Banken aufnehmen, aber Sie
nehmen neue Schulden bei der Infrastruktur auf. Sie
nehmen neue Schulden bei der Zukunft auf, weil Sie
kaum investieren. Sie nehmen neue Schulden bei den
Krankenkassen auf. Sie nehmen neue Schulden bei der
Rentenversicherung auf. Ihr Haushalt, Herr Schäuble,
hat eine große versteckte Verschuldung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Schauen wir uns die drei zentralen Defizite doch ein-
mal konkret an:

Erstens. Das Hoffen auf die Konjunktur. Sie profitie-
ren enorm von der guten Konjunktur, von den historisch
niedrigen Zinsen, von den guten Steuereinnahmen, und
Sie gehen davon aus, dass das alles so rosarot bleibt bis
2018. Sie rechnen mit jährlich 3,8 Prozent Steigerung
bei den durchschnittlichen Steuereinnahmen. Schon
dann, wenn man nur einen halben Prozentpunkt weniger
annimmt, 3,3 Prozent, haben Sie eine große Lücke von
14 Milliarden Euro im Finanzplan.

Herr Schäuble, Sie haben selber darauf hingewiesen:
Es gibt international viele große Krisen, in Syrien, im
Irak, in der Ukraine und anderswo. Das alles kann Aus-
wirkungen auf Unternehmen, auf die Konjunktur haben.
Schon die Steuerschätzung im Mai hat nach unten ge-
wiesen und gezeigt, dass man sich eigentlich nicht auf
die gute Konjunktur verlassen kann. Aber in Ihrem
Haushalt ist keine Vorsorge getroffen. Es sind keine Ri-
siken eingepreist. Das hat nichts mit einer seriösen
Haushaltsplanung zu tun.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])


Das hat vielmehr damit zu tun, dass Sie strukturell
nicht an diesen Haushalt ranwollen. Sie wollen keine
strukturellen Reformen machen. Sie wollen auch nicht
wirklich gerechte Ausgabenkürzungen vornehmen. Sie
wollen nicht an den Subventionsabbau ran, wodurch
man Milliarden Euro, gerade im umweltschädlichen Be-
reich, einsparen könnte. Sie wollen nicht an gerechte
Einnahmeverbesserungen ran.


(Johannes Kahrs [SPD]: Nennen Sie mal ein paar Beispiele!)


Sie wollen nicht darangehen, diesen Haushalt wirklich
strukturell zu konsolidieren. Aber wir brauchen keine ro-
sarote Haushaltspolitik; wir brauchen eine strukturelle,
eine engagierte Haushaltspolitik.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das zweite große Defizit, das zentrale Defizit in die-
sem Haushalt, ist die versteckte Verschuldung bei den
Investitionen. Dieser Haushalt lebt von der Substanz.
Die Investitionsquote sinkt im Finanzplan bis 2018 auf
8 Prozent. Deutschland hat jetzt schon eine der niedrigs-
ten Investitionsquoten weltweit. Das stellt man fest,
wenn man die Volkswirtschaften vergleicht. Damit ver-
schulden Sie sich massiv. Investitionen, die Sie heute
nicht tätigen, sind die Kosten und Schulden von morgen
und übermorgen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das Vermögen des Staates sinkt dadurch, die versteckte
Verschuldung steigt – und das trotz Ihrer sehr optimisti-
schen Annahmen bei den Steuermehreinnahmen.

Wenn wir uns das einmal anschauen, stellen wir fest:
Sie rechnen von 2014 bis 2018 im Finanzplan in der
Summe mit 111 Milliarden Euro Steuermehreinnahmen.
Nur, es ist völlig unklar, wo das Geld eigentlich bleibt.
Es versickert im Etat, ohne Gestaltungsanspruch, ohne
Prioritäten. Es ist nicht klar, wo das Geld bleibt. Es ist
nur klar, dass es eben nicht investiert wird. Die Investi-
tionsquote sinkt auf 8 Prozent, und das ist ein echtes Ar-
mutszeugnis der Bundesregierung. Das ist nicht genera-
tionengerecht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])


Was heißt das konkret? „Unterlassene Investitionen“,
das klingt sehr haushaltstechnisch. Aber diese unterlas-
senen Investitionen haben sehr reale Auswirkungen auf
die Bürgerinnen und Bürger, auf unsere Gesellschaft, auf
die Unternehmen in diesem Land. Jede zweite Brücke ist
sanierungsbedürftig, ist baufällig. In Zukunft müssen





Sven-Christian Kindler


(A) (C)



(D)(B)

viele Bahn- und Straßenbrücken gesperrt werden, wenn
sie jetzt nicht saniert werden.

Wir wissen auch: Jeder dritte Bürger in diesem Land
hat kein schnelles Internet. Das ist gerade für die Men-
schen im ländlichen Raum ein großes Problem, weil sie
sozialökonomisch abgehängt werden.

In den Schulen bröckelt der Putz von der Decke. Es
gibt nicht genug Ganztagsplätze. Darunter leiden Kinder
und Eltern.

Die Investitionen in den Klimaschutz und in die Ener-
giewende werden drastisch zurückgefahren. Das führt
dazu, dass das Klima weiter zerstört wird. Das führt
dazu, dass Arbeitsplätze im Handwerk und im Mittel-
stand gefährdet werden.

Von außen hat dieser Haushalt eine polierte, glän-
zende Fassade, dahinter bröckelt es gewaltig. Das Fun-
dament wackelt gewaltig. Sie fahren diese Gesellschaft
auf Verschleiß. Das ist eine Versündigung an unserer Zu-
kunft.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE] – Johannes Kahrs [SPD]: Man könnte auch mal Beispiele nennen! – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Ihr könnt doch sagen, dass das ein guter Haushalt ist!)


Vor meiner Zeit im Bundestag habe ich im Unterneh-
menscontrolling eines Industriebetriebes gearbeitet. Ich
sage Ihnen: Mit einer solchen Unternehmensstrategie,
mit einer solchen Finanzpolitik kann kein Unternehmen
mittelfristig überleben.

Wenn wir uns den Haushalt anschauen, dann sehen
wir, dass wir ein gutes Marketing, eine gute PR-Abtei-
lung haben. Aber in der Forschungs- und Entwicklungs-
abteilung fehlt das Geld. Es wird nicht in die Mitarbeiter
investiert. Die Maschinen in der Werkshalle sind kaputt
und werden bald zerfallen. Die Buchhaltung muss krea-
tive Buchführung machen und den Haushalt und die Bi-
lanz für die Gesellschafter ordentlich schönen. Mit einer
solchen Geschäftspolitik kann kein Unternehmen mittel-
fristig überleben. Da geht jedes Unternehmen mittelfris-
tig insolvent. Ihre Bilanz, Herr Schäuble, ist einfach
nicht ehrlich. Ihr Haushalt lebt von der Substanz.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])


Ich komme zum dritten großen Defizit Ihres Haushal-
tes. Sie greifen mit vollen Händen in den Gesundheits-
fonds und in die Rentenkasse. Die Rentenreformen der
Großen Koalition führen erstens nicht dazu, dass das
Problem Altersarmut gelöst wird, sie führen aber zwei-
tens dazu, dass die Rentenkasse bis 2018 leer ist. Das
große schwarze Loch hinterlassen Sie der nächsten Re-
gierung. So droht ein sinkendes Rentenniveau bei stei-
genden Beitragssätzen. Das ist eine große versteckte
Verschuldung bei der Rentenkasse. Dies alles wird uns
noch teuer zu stehen kommen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und Sie greifen für den Haushalt 2015 ungeniert in
den Gesundheitsfonds mit 2,5 Milliarden Euro und neh-
men damit Schulden bei den Krankenkassen auf. Das
wird massive Auswirkungen auf die Beitragszahlerinnen
und Beitragszahler haben. Schon jetzt hat ein Drittel al-
ler Kassen angekündigt, dass sie 2015 Zusatzbeiträge für
die Versicherten erheben wollen. Sie finanzieren diesen
Haushalt auf dem Rücken der einfachen Arbeitneh-
merinnen und Arbeitnehmer. Das ist extrem unsozial.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Mit diesem Haushalt produzieren Sie ganz viele Ver-
lierer. Wer sind die Verlierer Ihrer Haushaltspolitik? Die
Verlierer sind die Kinder und Jugendlichen, denen es an
guter Bildung und Betreuung fehlt. Die Verlierer sind die
gesetzlich Krankenversicherten, die bald Zusatzbeiträge
zahlen müssen. Die Verlierer sind Beschäftigte mit klei-
nen und mittleren Einkommen, die nachher die Zeche
zahlen werden. Die Verlierer sind aber auch Unterneh-
men, deren Transportwege kaputt sind und die im ländli-
chen Raum keinen Zugang zu schnellem Internet haben.
Die Verlierer sind die Kommunen, deren versprochene
Entlastung von 5 Milliarden Euro auf 2018 verschoben
wird. Die Verlierer sind das Klima und die Umwelt, die
weiter zerstört werden. Die Verlierer sind auch die
Flüchtlinge in vielen Kriegen der Welt, weil humanitäre
Hilfe nicht ausreichend bereitgestellt wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])


Angesichts dieser vielen Verlierer Ihrer Haushalts-
politik fordere ich Sie auf, die Haushaltsberatungen für
2015 für Verbesserungen zu nutzen. Hören Sie auf, sich
selbst zu loben und sich selbst zu feiern. Gehen Sie die
zentralen Defizite im Haushalt an. Wir werden Ihnen
dazu solide und durchfinanzierte Alternativen vorlegen.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: So lange Sie es nicht machen, machen wir es!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804900600

Ralph Brinkhaus erhält nun das Wort für die CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Ralph Brinkhaus (CDU):
Rede ID: ID1804900700

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ja

notwendig, dass die Opposition den Haushaltsentwurf
kritisiert, aber zwei Dringe fand ich sehr befremdlich.
Herr Bartsch von den Linken: Habe ich Sie richtig ver-
standen? Sie kritisieren die Russland-Sanktionen, weil
sie die Wirtschaftskraft in Deutschland beschädigen?


(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Dann haben Sie nicht richtig zugehört!)


Selbst als Wirtschafts- und Finanzpolitiker muss ich sa-
gen: Es gibt Dinge auf der Welt, die wichtiger sind als
wirtschaftliches Wachstum.





Ralph Brinkhaus


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Sie müssen richtig zuhören!)


Herr Kindler von den Grünen, ich finde es drollig,
dass die Grünen kritisieren, wir würden hier in Deutsch-
land nicht genug investieren. Ich nehme in meinem Hei-
matbundesland Nordrhein-Westfalen wahr, dass dort der
größte Investitionsverhinderer Ihr grüner Bundesum-
weltminister Remmel ist.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wenn wir über Investitionen reden, dann müssen wir
uns auch die Rahmenbedingungen ansehen. Was Sie da
betreiben, ist schon aller Ehren wert. Ich glaube, so viel
können wir gar nicht falsch machen, wie Sie es an der
Stelle tun.

Ich wollte eigentlich auf etwas anderes hinaus. Die
Fußballweltmeisterschaft hat stattgefunden. Wir haben
sie gewonnen und haben richtig gefeiert – die einen in
Rio und die anderen hier in Deutschland. Wenn wir in
der Wirtschaft einen schönen Abschluss tätigen, dann
wird gefeiert. Wenn in der Familie ein gutes Ereignis
stattfindet, dann wird gefeiert. Wann feiert eigentlich die
Politik einmal das, was gut läuft? Wann freut sich die
Politik eigentlich, wenn etwas richtig gut läuft?


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Ganz genau!)


Es ist doch so: Jedes Mal, wenn etwas gut gelaufen
ist, wenn zum Beispiel die Beschäftigungssituation gut
ist, wir wirtschaftlich stark sind oder wir einen ausgegli-
chenen Haushalt haben, dann rennen hier alle mit einer
Leichenbittermiene durch die Gegend und reden von der
nächsten Katastrophe und von den schlimmen Dingen,
die da kommen. Es sollte unabhängig davon, welcher
Partei wir angehören, zu unserem Selbstverständnis ge-
hören, dass wir uns auch einmal freuen, wenn etwas gut
gelaufen ist. Ich glaube, heute ist ein Anlass dazu.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Diese Freude manifestiert sich in drei Zahlen:
299,5 Milliarden Euro, 299,5 Milliarden Euro und 0 Euro.
Das sind die Einnahmen, die Ausgaben und die Nettokre-
ditaufnahme von 0 Euro. Ich kann nur das wiederholen,
was ich auch anlässlich der Einbringung des Haushalts
2014 gesagt habe: Generationen von Finanzministern
wären froh gewesen, wenn sie heute hier an der Stelle
von Wolfgang Schäuble gesessen hätten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ein Finanzminister – diese Spitze muss ich als Nord-
rhein-Westfale einfach bringen – wäre besonders froh
gewesen, und zwar Herr Walter-Borjans, der nämlich
überhaupt nicht mit dem, was er in Nordrhein-Westfalen
hat, klarkommt.

Dieser ausgeglichene Haushalt ist zustande gekom-
men, obwohl wir weder Steuern erhöht noch neue einge-
führt haben. Dieser ausgeglichene Haushalt ist zustande
gekommen, obwohl wir Kommunen und Länder im mitt-
leren zweistelligen Milliardenbereich entlastet haben
und entlasten werden. Dieser Haushalt ist zustande ge-
kommen, obwohl wir in ganz wichtigen Zukunftsberei-
chen – Herr Kollege Schneider hat es gerade erläutert –
nicht gespart haben, sondern zum Beispiel im Bereich
Bildung und Forschung draufgelegt haben. Meine Da-
men und Herren, das ist aller Ehren wert.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es wurde gemeinhin kritisiert, dass der Haushalt mit
Risiken behaftet ist. Ja, mein Gott! Ist das je anders ge-
wesen? Gab es je einen Haushalt, der nicht mit Unsi-
cherheiten und Risiken behaftet war? Das ist doch im-
mer so. Zukunft hat nun einmal die Eigenschaft, dass sie
unsicher ist. Die Tatsache, dass es Risiken gibt, ist nicht
das Entscheidende. Das Entscheidende ist, wie wir mit
diesen Risiken umgehen und was wir daraus machen.

Man kann die Risiken benennen – sie sind von den
Rednern alle aufgeführt worden –: Natürlich gibt es ein
konjunkturelles Risiko. Das heißt, wir müssen uns noch
mehr anstrengen, damit die Wirtschaftskraft in diesem
Land erhalten bleibt. Das gilt insbesondere für den Ar-
beitsmarkt. Der Haushalt ist vom Arbeitsmarkt abhän-
gig. Deswegen ist es sehr wichtig, dass wir viele Men-
schen in Brot und Arbeit bringen. Natürlich haben wir
ein niedriges Zinsniveau. Wenn ich mir angucke, was die
EZB momentan so treibt, dann denke ich, dass es noch
lange Zeit so niedrig bleiben wird.

Es gibt auch noch andere Risiken. Momentan wird
zum Beispiel höchstrichterlich über die Brennelemente-
steuer entschieden. Damit müssen wir uns beschäftigen.

Wir können auch nicht länger das machen, was wir in
den vergangenen Jahrzehnten gemacht haben, nämlich
die Friedensdividende ernten und den Verteidigungs-
haushalt zur Spardose des Bundeshaushaltes machen.
Das geht nicht.

Es wäre skandalös – das ist ganz richtig; das ist eben
angesprochen worden –, wenn wir die Menschen, die hu-
manitäre Hilfe brauchen, im Stich lassen, weil wir sagen:
Wir interessieren uns nur für uns. – Das geht nicht, und
das muss auch im Haushalt abgebildet werden. Das ist
alles ganz richtig.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir müssen auch über unsere Investitionen nachden-
ken. Das gilt sowohl für Investitionen im Bereich der di-
gitalen Welt und der Energienetze als auch im Bereich
der Verkehrsinfrastruktur. Ich bin froh, dass wir diesbe-
züglich neue Wege gehen. Man sollte aber bei aller Kri-
tik – auch wenn sie berechtigt ist – eines nicht aus dem
Auge verlieren: Wir haben nicht die Infrastruktur eines
Entwicklungslandes. Wir gehören immer noch zu den
Top Ten dieser Welt. Wir müssen nur dafür sorgen, dass
das so bleibt.

Es ärgert mich schlichtweg, wenn vonseiten der Zei-
tungen so getan wird, als wenn dieses Land in den nächs-
ten zehn Minuten auseinanderfällt. Das ist schlichtweg
nicht wahr. Das stellt auch das, was in der Vergangenheit
vernünftigerweise an Investitionen getätigt wurde, in ein
schlechtes Licht. Das ist falsch.





Ralph Brinkhaus


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Carsten Schneider [Erfurt] [SPD])


Jetzt kann man sich überlegen, wie man mit diesen
Herausforderungen umgeht.


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Muss man! Nicht „kann man“!)


Da gibt es zum einen eine Antwort aus dem letzten Jahr-
hundert, die uns zu dem Elend geführt hat, das wir heute
bei vielen Haushalten dieser Welt haben: Wenn man ein
Problem auf der Ausgabenseite hat, dann erhöht man die
Einnahmen, indem man sich mehr verschuldet oder die
Steuern erhöht. – Das ist ziemlich unintelligent und wird
der Gestaltungsfähigkeit von uns Haushältern – ich
schaue Norbert Barthle und Johannes Kahrs an – nicht
gerecht. Ich glaube, dass wir das besser können; wir kön-
nen andere Antworten geben. Wenn das die Politik aus
dem letzten Jahrhundert, wenn das Haushalt 1.0 war,
dann können wir auch Haushalt 4.0 machen.

Haushalt 4.0 heißt, dass wir einfach mal intelligentere
Fragen stellen, dass wir uns die Frage stellen, wie wir
die vorhandenen Mittel, die wir jedes Jahr ausgeben,
besser einsetzen können, sodass wir die Aufgaben besser
erfüllen und mehr erreichen können.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zum Beispiel im Rüstungsbereich!)


Meine Damen und Herren, diese Frage wird leider viel
zu selten gestellt.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zum Beispiel bei neuen Straßen!)


Ich gebe Ihnen einige Beispiele dafür:

Erstes Beispiel: Priorisierung. Wo gibt es eine Priori-
sierung der Themen, die uns jetzt wirklich wichtig sind?
Sind wir bereit, für die Sachen, die uns wirklich wichtig
sind, an anderer Stelle Opfer zu bringen? Wir haben das
an einer Stelle hervorragend durchexerziert: Wir haben
in den letzten Jahren Bildung und Forschung im Bundes-
haushalt priorisiert. Wir haben gesagt: Wir sparen an vie-
len Stellen, aber dort gibt es einen Mittelaufwuchs. –
Das war eine Priorisierung, wie wir sie auch in anderen
Bereichen brauchen.

Zweites Beispiel: Effizienz. Wie effizient setzen wir
denn eigentlich unsere Mittel ein? Fangen wir mit dem
Straßenbau an: Wie effizient sind unsere Raumord-
nungs- und Planfeststellungsverfahren? Was verlieren
wir da? Was ist die Zusatzlast, die im Straßenbau durch
gut gemeinte Umweltmaßnahmen entsteht? Ich will nur
eines sagen: Eine Grünbrücke kostet 3 bis 6 Millionen
Euro; damit können wir auch 1 Kilometer Autobahn
bauen.

Wie sieht es eigentlich mit den Ausschreibungsver-
fahren in Deutschland aus? Sind sie effizient, oder brin-
gen sie mittlerweile Nachteile für die Wirtschaft hier?
Wie sieht es mit den Bewirtschaftungskosten und ähnli-
chen Sachen aus? Da ist noch viel Luft.
Zur Effizienz in der Beschaffung. Wir alle wissen,
dass wir beispielsweise im Bereich des Bundesverteidi-
gungsministeriums Beschaffungsprobleme haben. Ich
meine, das kann man an dieser Stelle nicht verschwei-
gen; das können wir besser. Ich bin sehr froh, dass un-
sere Bundesverteidigungsministerin genau das jetzt zum
Schwerpunkt ihrer Arbeit macht.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo denn?)


Das ist richtig und gut.

Dritter Bereich: soziale Ausgaben. Wir schlagen uns
– auch das ist angesprochen worden – mit dem Problem
der Langzeitarbeitslosigkeit herum; wir schaffen es
nicht, sie zu senken, obwohl wir dort Milliarden reinste-
cken. Sie als Haushälter wissen: Leider stecken wir viel
zu viel in die Verwaltung und viel zu wenig in Maßnah-
men, die direkt bei den Langzeitarbeitslosen ankommen.
Auch da haben wir Potenzial nach oben.


(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Ändern Sie das doch einfach! Sie regieren doch!)


Meine Damen und Herren, es gibt viele Bereiche, in
denen wir mit unseren Mitteln effizienter umgehen kön-
nen, als wir es bisher getan haben. Es ist natürlich unbe-
quem, da heranzugehen. Es ist viel einfacher, zu sagen:
Na, machen wir doch ein bisschen mehr Schulden, und
dann wird das alles schon irgendwie funktionieren. –
Das hier ist der unbequeme Weg, der untere Weg, der
steinige Weg; aber wenn wir seriös arbeiten wollen, dann
müssen wir diesen Weg gehen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir müssen uns auch fragen, ob wir noch in der Lage
sind, Strukturen infrage zu stellen. Wir unterhalten uns
– der Bundesfinanzminister hat es angesprochen – über
die Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Das kann sich
nicht nur darauf erstrecken, dass wir einen Verteilungs-
kampf um den Soli führen, sondern wir müssen auch bei
den Strukturen, bei der Wettbewerbsfähigkeit etwas ver-
ändern. Wir müssen den Ländern mehr Handlungsspiel-
raum, mehr Autonomie geben. Auch das kann dazu füh-
ren, dass wir haushalterisch viel besser dastehen als in
der Vergangenheit. Ich glaube, auch da sollten wir heran-
gehen.

Ein letzter Punkt, der für die Haushaltspolitik 4.0 sehr
wichtig ist: Wir sollten nicht auf jedes Thema aufsprin-
gen, das gerade durch die Medien und Gazetten getrie-
ben wird, sondern sollten sehr langfristig agieren. Da
möchte ich noch mal den Bereich von Frau Wanka, den
Forschungsbereich, herausgreifen. Wir haben hier in
Deutschland sehr langfristig in unsere Spitzenfor-
schungsinstitute investiert, ob es nun das Helmholtz-,
Leibniz-, Fraunhofer- oder Max-Planck-Institut ist. Wir
haben über Jahrzehnte hinweg eine Struktur geschaffen,
um die uns die ganze Welt beneidet und die uns sehr viel
nützt, auch in der wirtschaftlichen Entwicklung. Das ist
ein Bereich, bei dem Prioritäten gesetzt worden sind, bei
dem langfristig gearbeitet worden ist. Ich würde mir
wünschen, dass die Haushaltspolitik 4.0 so erfolgt.





Ralph Brinkhaus


(A) (C)



(D)(B)

Jetzt gibt es einige Leute, die aktuell in den Medien,
in Büchern und wo auch immer sagen: Ihr seid viel zu
sehr auf die schwarze Null fixiert. Das ist doch über-
haupt nicht notwendig. Lasst uns das doch noch mal ein
bisschen verschieben. Momentan gibt es noch so viele
Probleme, die wir lösen müssen; momentan ist nicht die
Zeit dafür. – Ich frage Sie, meine Damen und Herren:
Wann ist denn die richtige Zeit, um einen ausgegliche-
nen Haushalt zu haben, wenn nicht jetzt?


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Im Übrigen haben wir das mit unseren sozialdemo-
kratischen Kollegen im Koalitionsvertrag vereinbart.
Wir ziehen das durch, und zwar ohne Steuererhöhungen
und ohne neue Steuern. Genau dadurch schaffen wir Ver-
trauen bei den Menschen. Die Menschen glauben an die
Wirtschaftspolitik, wenn man verlässlich handelt, und
nicht, wenn man seine Konzepte alle Nase lang wech-
selt, wie das – das ist der nächste Punkt – auf europäi-
scher Ebene leider viel zu oft der Fall ist. Ich gebe
Wolfgang Schäuble absolut recht: Die Tatsache, dass
Deutschland der Stabilitätsanker in Europa ist, weil wir
einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen, nützt auch den
europäischen Nachbarländern. Das nützt den anderen
Wirtschaftsnationen viel mehr, als wenn wir mit noch ei-
nem Programm und noch einem Programm aus der
Hüfte schießen. Ich denke, wir haben nicht nur eine Ver-
antwortung in Deutschland, sondern wir haben auch eine
Verantwortung gegenüber Europa. Wir werden dieser
Verantwortung in den Haushaltsberatungen gerecht wer-
den. Wir werden wieder um die Positionen ringen. Wir
haben mit den Haushältern Norbert Barthle und
Johannes Kahrs an der Spitze gute Truppen am Start.
Herr Kindler und Herr Bartsch, wir werden Ihre Vor-
schläge natürlich aufgreifen.


(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Sehr gut! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Super!)


Wir werden darüber streiten und wahrscheinlich zu dem
Ergebnis kommen, dass sie nicht so gut sind. Aber damit
müssen Sie dann leben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja widersprüchlich!)


In diesem Sinne wünsche ich uns allen gute Beratungen.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804900800

Das Wort erhält nun der Kollege Johannes Kahrs für

die SPD-Fraktion.


Johannes Kahrs (SPD):
Rede ID: ID1804900900

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Der Kollege Brinkhaus hat dankenswerter-
weise eine in weiten Teilen sehr sozialdemokratische
Rede gehalten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dafür möchte ich mich natürlich sehr herzlich bedanken.
Insbesondere möchte ich mich für die gute Zusammenar-
beit bedanken, die wir im Haushaltsausschuss pflegen.
SPD, CDU und CSU arbeiten hier hervorragend zusam-
men. Selbst CDU und CSU arbeiten im Haushaltsaus-
schuss gut zusammen.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich finde, das ist bemerkenswert. Das ist gut, und das
sollte auch so bleiben.

Der Bundeshaushalt umfasst 3 000 Seiten. Auf einer
Seite steht, dass es Einnahmen aus Krediten vom Kredit-
markt gibt, Kapitel 3201. Dort standen 2013 noch
22 Milliarden Euro neue Schulden. Für das Jahr 2014
standen dort 6,5 Milliarden Euro neue Schulden. Für das
Jahr 2015 steht dort einfach ein Strich. Das ist eine große
Leistung. Diese Leistung ist mit den letzten Haushalten
vorbereitet worden. Es gab auch im letzten Haushalt Ri-
siken. Wir haben sie gesehen und hier lange darüber dis-
kutiert. Die Frage war, ob man die 6,5 Milliarden Euro
halten kann oder nicht. Die Haushälter haben sie am
Ende gehalten. Das war nicht ganz einfach. Ich glaube,
dass wir alle zur Kenntnis nehmen müssen: Das ist kein
Fetisch. Wir machen das nicht, weil wir die schwarze
Null wollen. Die schwarze Null ist nicht das Kriterium.
Wir wollen keine neuen Schulden machen. Das ist der
wesentliche Punkt, weil das bedeutet, dass dieses Land
solide wirtschaftet und wir uns nicht irgendwann in der
gleichen Situation wiederfinden, in der sich zurzeit viele
Länder in Europa befinden. Das kann keiner wollen. Das
hat etwas mit Generationengerechtigkeit zu tun. Man
kann dagegen anlaufen. Man kann sagen, man will neue
Schulden machen. Aber ich habe weder von Herrn
Bartsch gehört, dass er neue Schulden machen möchte,
noch habe ich von Herrn Kindler gehört, dass er neue
Schulden machen möchte.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)


Das heißt, dieses Haus ist sich einig: Wir wollen keine
neuen Schulden machen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich finde, das ist doch mal ein Konsens. Den kann man
hervorheben. Ich glaube, Herr Schäuble, mit einem sol-
chen Bundestag im Rücken kann man vernünftig und
verlässlich arbeiten.

Jetzt geht es darum, dass wir das tun, was zu meiner
großen Freude der Kollege Brinkhaus angekündigt hat. Er
hat davon gesprochen, dass man in dem vorgelegten
Haushalt Prioritäten setzen muss, dass man umschichten
muss. Ich wollte darauf eigentlich erst später zu sprechen
kommen; denn erst auf Seite 11 meines Redemanuskripts
steht: Ich bin mir sicher, das Parlament wird den Regie-
rungsentwurf wie in jedem Jahr an einigen Punkten ver-





Johannes Kahrs


(A) (C)



(D)(B)

ändern und dadurch verbessern. Sollten sich Gestal-
tungsspielräume ergeben, werden wir sie nutzen, um mit
mehr Investitionen unser Land noch weiter voranzubrin-
gen. – Da der Kollege Brinkhaus für die CDU/CSU of-
fensiv eingefordert hat, dass wir diesen Haushalt verän-
dern und als Parlament Prioritäten setzen, insbesondere
im Bereich Investitionen, bin ich mir sicher, insbeson-
dere wenn ich in die Gesichter meiner Kollegen Norbert
Barthle und Bartholomäus Kalb aus dem Haushaltsaus-
schuss sehe, mit denen wir ja gut zusammenarbeiten,
dass wir dieser Einladung der Fraktionsspitze der CDU/
CSU folgen werden und in den Haushaltsberatungen
Prioritäten setzen werden.

Ich glaube, dass es wirklich wichtig ist, dass es – ge-
rade bei Investitionen im Verkehrsbereich – Transpa-
renz, Steuerung und Kontrolle gibt. Wir werden gemein-
sam dafür arbeiten. Mehr Geld heißt auch mehr
Verantwortung. Jeder Bürger muss nachvollziehen kön-
nen, wo das Geld landet. Das ist, glaube ich, die richtige
Richtung. Wir werden diesen Weg beschreiten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Hier ist gesagt worden, wir würden nur keine neuen
Schulden machen, aber etwas anderes würde uns nicht
einfallen. Ehrlich gesagt, das kann nur behaupten, wer
diesen Haushalt nicht gelesen hat. Wir haben im Koali-
tionsvertrag der Großen Koalition festgelegt, dass wir in
den nächsten Jahren 23 Milliarden Euro investieren wol-
len. Das ist eines der größten Investitionsprogramme, die
es bisher gegeben hat. Wenn man wissen will, wo genau
investiert werden soll, muss man das einfach lesen. Kol-
lege Kindler, der jetzt leider nicht zuhört, hat hier ein-
fach nur sehr wolkig von allen möglichen Berichten ge-
sprochen. Das war sehr ungefähr und sehr theoretisch. Er
hat immer Allgemeinplätze bemüht und fiel von einem
zum anderen. Da ich seine Rede schon zur Einbringung
des Haushaltes 2014 gehört hatte, kann ich sagen, dass
nichts Neues vorkam.

Wenn man diesen Haushalt anschaut, dann stellt man
fest, dass die Große Koalition sehr genau und sehr konkret
wird. Allein 2015 werden zum Beispiel die Kommunen
um 1 Milliarde Euro entlastet. Das heißt: 500 Millionen
Euro höherer Bundesanteil an den Kosten der Unter-
kunft, 500 Millionen Euro höherer Gemeindeanteil an
der Umsatzsteuer. Das alles wird jetzt kommen. Das
wird dazu führen, dass die Kommunen in der Lage sind,
ihre Aufgaben besser wahrzunehmen. Ich glaube, das
muss man auch betonen.

Gleichzeitig ist es so, dass wir in dieser Legislatur-
periode 6 Milliarden Euro für Bildungsaufgaben, Kin-
derkrippen, Kitas, Schulen und Hochschulen investieren.
Das heißt zum Beispiel für 2015, dass der Bund allein
die Kosten für das BAföG übernimmt. Auch das kann
man einmal erwähnen.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was bringt das den Studierenden?)


Hier wird immer gesagt, der Bund macht nichts und wir
drücken uns. Vielmehr ist es ganz konkret so, dass der
Bund allein die Kosten für das BAföG übernimmt und
die Länder entlastet.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den Studierenden bringt das nichts!)


Das heißt, wir als Bund können, was das BAföG angeht,
sehr viel freier agieren. Auf der anderen Seite sind die
Länder entlastet. Ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt.
Wir sind die Partei, die das BAföG damals erfunden hat.
Wir haben es unter Willy Brandt durchgesetzt. Wir wol-
len das BAföG weiter ausbauen. Wenn diese Große Ko-
alition das tut, ist das richtig, wichtig und gut.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Da man ja im Konkreten bleiben soll, Herr Kindler,
und nicht immer nur wolkig sein sollte: Es ist so, dass wir
das Sondervermögen „Kinderbetreuungsausbau“ in dieser
Wahlperiode auf 1 Milliarde Euro aufgestockt haben. Das
heißt, auch in diesem Jahr wird etwas passieren. Für For-
schung werden wir 3 Milliarden Euro zusätzlich zur Ver-
fügung stellen. Auch in diesem Jahr wird hier viel Geld
fließen. Wir geben in dieser Legislaturperiode 5 Milliar-
den Euro zusätzlich für Infrastruktur aus. In diesem Jahr
heißt das 1 Milliarde Euro on top: 700 Millionen Euro
für die Straße, 200 Millionen Euro für die Schiene und
100 Millionen Euro für die Wasserstraße. Auch hier
glauben wir, dass das zu wenig ist. Wir haben ja gerade
vom Kollegen Brinkhaus gehört, dass die CDU/CSU
und die SPD gemeinsam für Umschichtungen in diesem
Etat arbeiten werden, um mehr Geld für diesen Bereich
ausgeben zu können.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn mit der Maut?)


– Was die Maut angeht, würde ich vorschlagen, dass wir
alle in diesem Hohen Hause und in diesem Land uns ein-
fach zurückhalten. Ich glaube, die ganze Mautdebatte
blamiert uns alle. Im Ergebnis ist es doch besser, dass
man den Gesetzentwurf abwartet.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Kluge Worte von Johannes Kahrs!)


Wenn man den Gesetzentwurf hat, dann kann man über
ihn reden, diskutieren und streiten. Alles, was vorher
dazu stattfindet, ist – ich sage mal – ein bisschen Pop-
corntheater. Jeder macht sich lustig, von links nach
rechts. In der Sache hilft es niemandem. Man muss die-
sem Minister die faire Chance geben, einen Gesetzent-
wurf vorzulegen. Dann kann man darüber reden. Ich
finde, die Reihenfolge ist ein bisschen durcheinanderge-
raten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Wer hat das denn zu verantworten?)


Wenn das passiert ist, kann man auch in diesem Hause
vernünftig arbeiten. Es gibt einen Koalitionsvertrag. In
diesem steht, zu welchen Konditionen dieser Gesetzent-
wurf vorgelegt werden muss. Am Ende muss auch mehr
Geld für Investitionen dabei herauskommen. Darauf





Johannes Kahrs


(A) (C)



(D)(B)

freuen wir uns. Darauf warten wir. Wir alle werden den
Minister darin unterstützen, dass es vernünftig funktio-
niert.

Weiterhin haben wir in dieser Koalition mehr Geld für
den Städtebau vorgesehen – das halte ich für einen ganz
wichtigen Punkt –, insbesondere für das Programm „So-
ziale Stadt“.


(Beifall bei der SPD)


– Genau. – Wir werden alleine in diesem Jahr 400 Mil-
lionen Euro zusätzlich für die Entwicklungszusammen-
arbeit ausgeben. Die Rentenversicherung wird einen
deutlich höheren Bundeszuschuss als im letzten Jahr be-
kommen. Für die Eingliederung Arbeitsuchender wer-
den wir 350 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung
stellen. Und so geht das weiter. Wenn sich die Opposi-
tion hier hinstellt und ein bisschen nölt, dass diese Re-
gierung nicht weiß, was sie will, und dass die „schwarze
Null“ nur ein Fetisch ist, muss ich sagen: Das ist absurd.
Keiner von uns kämpft für eine „schwarze Null“; dafür
gibt es zu viele.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)


Was wir tun, ist: Wir kämpfen dafür, dass wir keine
neuen Schulden machen. Ich glaube, das ist ein wesentli-
cher Punkt.

Da Kollege Brinkhaus ja gerne Nordrhein-Westfalen
erwähnt: In Nordrhein-Westfalen haben wir eine rot-
grüne Regierung. Die hat ein Land übernommen, so wie
Schwarz-Gelb es hinterlassen hat. Dass sie Schwierig-
keiten haben und dass sie jetzt daran arbeiten, dieses
Land nach vorne zu bringen,


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU: Oh! Oh! – Die? Wohl kaum!)


und Walter-Borjans eine schwere Aufgabe hat, das wis-
sen wir, Herr Brinkhaus. Wir Sozialdemokraten wollen,
dass es der Regierung in Nordrhein-Westfalen einfacher
gemacht wird, diese schwarz-gelbe Last zu beseitigen.


(Beifall der Abg. Dagmar Ziegler [SPD])


Wir wollen Kommunen und Länder entlasten und ihnen
helfen, damit die Menschen in Nordrhein-Westfalen
merken: Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen wirkt ge-
nauso gut wie die Große Koalition im Bund.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Oh nein! Weiß Gott nicht! – Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war jetzt aber eine Beleidigung für Rot-Grün!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804901000

Nun erhält die Kollegin Karawanskij für die Fraktion

Die Linke das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)


Susanna Karawanskij (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804901100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Liebe Gäste! Sie haben ja gerade, Kollege Kahrs, viel
Eigenlob verteilt,


(Johannes Kahrs [SPD]: Zu Recht!)


gerade in Bezug auf die Kommunalfinanzen. Wenn Sie
die 1 Milliarde Euro erwähnt und gesagt haben, dass Sie
bei der Kindertagesbetreuung finanzielle Unterstützung
leisten, muss ich Ihnen sagen: Das sind alles kleine
Trostpflästerchen. Das Übel ist damit noch nicht besei-
tigt; das ist also keine Lobeshymnen wert.

Wir haben natürlich Kommunen, die in den letzten
Jahren sehr gut dagestanden und Überschüsse erwirt-
schaftet haben. Aber ihnen steht doch eine erschreckend
große Anzahl an Kommunen gegenüber, die arm und vor
allen Dingen auch strukturell unterfinanziert sind. Ich
bin der Meinung, es ist höchste Eisenbahn, hier zu han-
deln. Wir brauchen eine umfassende Gemeindefinanz-
reform,


(Beifall bei der LINKEN)


eine Gemeindefinanzreform, die allen Kommunen hö-
here und vor allen Dingen stabile Einnahmen bringt, da-
mit die Pflichtaufgaben, aber auch die freiwilligen Auf-
gaben erfüllt werden können.

Genau deshalb haben wir in diesem Hohen Hause
schon den Antrag eingebracht, die Gewerbesteuer zu
erhalten und sie zu einer Gemeindewirtschaftsteuer wei-
terzuentwickeln. Wir schlagen zudem zwei Sofortmaß-
nahmen vor: Erstens wollen wir eine kommunale Inves-
titionspauschale einführen. Zweitens wollen wir die
Gewerbesteuerumlage an den Bund sofort und die an die
Länder schrittweise aussetzen, und zwar bis 2019.


(Beifall bei der LINKEN)


Hier muss auch darüber diskutiert werden, dass der
kommunale Anteil am Gesamtsteueraufkommen ange-
hoben werden muss. Wir brauchen eine sozial gerechte
Steuerreform, und wir müssen den Länderfinanzaus-
gleich reformieren. Auch dazu liegt unser Konzept
schon vor. Wir laden Sie gerne zur Diskussion darüber
ein. Das muss grundsätzlich angepackt werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Es gibt einen zweiten Bereich, den ich ansprechen
möchte, und zwar die Finanzmarktregulierung – dazu
haben wir schon etwas gehört –, bei der Sie ebenfalls nur
Halbgares produzieren. Ganz aktuell geht es um das
Kleinanlegerschutzgesetz, das ich herausgreifen möchte.
Damit soll der Graue Kapitalmarkt stärker reguliert wer-
den. Aber auch hier produzieren Sie nur Halbgares. Ihr
Blick ist sehr stark auf die Prospektpflicht und das Infor-
mationsblatt fokussiert. Doch viel Papier bringt noch
lange kein gutes Ergebnis, vor allen Dingen nicht, was
die Regulierung angeht.

Sie schießen zum Teil über das Ziel hinaus. So soll es
keine abgestuften Regelungen für Genossenschaften,
Vereine und Initiativen geben, die eben nicht, wie im
Fall Prokon, mit utopischen Renditeversprechen locken,
sondern auf alternative, solidarische Finanzierungsmittel





Susanna Karawanskij


(A) (C)



(D)(B)

setzen. Wir Linke fordern seit langem, dass der Graue
Kapitalmarkt nicht nur umfassend und lückenlos zu re-
gulieren ist, sondern dass wir in diesem Bereich auch
eine einheitliche und effektive Finanzaufsicht brauchen.
Es kann zum Beispiel nicht sein, dass für den einen Teil
der Kontrolle die Gewerbeämter zuständig sind, für den
anderen Teil dagegen die Finanzdienstleistungsaufsicht.
Deswegen brauchen wir eine einheitliche Aufsicht. Hier
muss auch bei der BaFin selbstverständlich personell
und finanziell aufgestockt werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie übersehen einen weiteren Punkt, und zwar, dass
nur noch die Finanzinstrumente und Akteure und Ver-
triebspraktiken zugelassen werden sollten, die letztend-
lich auch transparent und vom Risiko her beherrschbar
sind, vor allen Dingen aber zur Absicherung realer Ge-
schäfte dienen. Hier brauchen wir einen Finanz-TÜV,
der erst einmal genau prüft und dann zulässt, also das
bisherige Prinzip umkehrt. Einen solchen Finanz-TÜV
einzuführen, wäre ein weitsichtiger und ökonomisch
sinnvoller Schritt.

Meine Damen und Herren von der Regierungsbank,
legen Sie mehr politischen Biss an den Tag! Verkennen
Sie vor allen Dingen die Probleme in den Kommunen
nicht! Regeln Sie das! Werden Sie da aktiv!


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sind wir schon!)


Und vor allen Dingen: Machen Sie eine ordentliche
Finanzmarktregulierung und nicht so ein halbgares
Zeug!

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804901200

Nächster Redner ist der Kollege Norbert Barthle für

die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Johannes Kahrs [SPD]: Also! Jetzt, Norbert!)



Norbert Barthle (CDU):
Rede ID: ID1804901300

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten

Damen und Herren! Die Zeiten ändern sich wirklich:
Während die Haushaltspolitiker noch vor nicht allzu lan-
ger Zeit von der Euro-Krise geschüttelt wurden, haben
derzeit unsere Außenpolitiker Sorgenfalten im Gesicht.
Die Haushälter dagegen bewegen sich mit einem Lä-
cheln auf dem Gesicht. Haushalts- und Finanzpolitik
macht derzeit wirklich Freude. Das liegt an der Tatsache,
dass wir mit dem Haushaltsentwurf für 2015 einen histo-
rischen Moment erreichen, den man nicht genug würdi-
gen kann; denn, meine Damen und Herren, seien wir
doch mal ehrlich: Über Jahre und Jahrzehnte hinweg
– auch vor Franz Josef Strauß’ ausgeglichenem Haushalt
1969 – wurde der deutschen Bevölkerung immer wieder
erklärt: Wir müssen jetzt investieren, damit wir in der
Zukunft sparen; wir müssen jetzt etwas für die Wirt-
schaftsförderung tun, damit wir in der Zukunft sparen;
wir müssen jetzt etwas für die Jugend tun, damit wir in
der Zukunft die Rendite haben; wir müssen jetzt die Ar-
beitslosigkeit bekämpfen, damit wir in der Zukunft ein-
sparen können. – Was war das Ergebnis dieser Mär? Der
Schuldenberg wuchs beim Bund auf 1,3 Billionen Euro,
gesamtstaatlich auf 2,3 Billionen Euro.


(Johannes Kahrs [SPD]: So ist das!)


Mit diesem Haushalt 2015 schaffen wir endlich den Um-
stieg, kommen wir weg von dieser Mär, die letztendlich
doch nichts anderes war als eine Legitimations- bzw. Ar-
gumentationsschleife, um dem jeweiligen Finanzminis-
ter, egal von welcher Partei, das Handwerkszeug zu ge-
ben, um mehr Geld ausgeben zu dürfen, als er hatte. Von
dieser Politik der vergangenen Jahre verabschieden wir
uns in dieser Großen Koalition endgültig. Damit sind
CDU und CSU die wahren Modernisierer in diesem
Land. Herr Kollege Kindler, wahre Modernisierung
heißt: Raus aus dieser ewigen Schuldenfalle, hinein in
ausgeglichene Haushalte! Dass die SPD diesen Weg mit-
trägt und sich beteiligt – sogar die Grünen und die Lin-
ken sagen: wir wollen auch keine neuen Schulden –, das
ist aller Ehren wert und eine große Leistung der deut-
schen Sozialdemokratie. Ich würde mir wünschen, dass
so mancher Sozialist oder Sozialdemokrat auf europäi-
scher Ebene, sei es in Frankreich, sei es in Italien, sich
vielleicht ein klein wenig an diesem Weg orientiert.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Der Finanzminister hat nochmals begründet, warum
wir dieses tun; die „schwarze Null“ ist ja kein Selbst-
zweck. Ich will das nicht wiederholen, sondern will nur
noch mal betonen: Wir erwarten eine doppelte Rendite.
Die eine Rendite besteht darin, dass wir, wenn der
Schuldenberg nicht weiter wächst und damit auch die
Zinsausgaben nicht wachsen, tatsächlich neue Finanzie-
rungsspielräume eröffnen für die Zukunft. Herr Kollege
Kindler, das ist die beste Politik für die nachfolgende
Generation: wenn die Kinder und Jugendlichen später
nicht noch mehr Schulden zu tragen haben, sondern sich
auf eine Perspektive ohne neue Schulden verlassen kön-
nen, auf dauerhaft ausgeglichene Haushalte.

Die zweite Rendite – auch darauf hat der Bundes-
finanzminister hingewiesen – ist das unglaubliche Ver-
trauen, das wir gewinnen: Vertrauen bei den Bürgerin-
nen und Bürgern, nicht nur in Deutschland, auch in
Europa, und Vertrauen vor allem in der Wirtschaft, bei
den Investoren. Deshalb nochmals: Wir erreichen das Ziel
der „schwarzen Null“ – davon sind wir fest überzeugt –;
denn unsere Haushalte für die kommenden Jahre sind
nicht auf Kante genäht. Auch wenn es konjunkturelle
Schwankungen geben wird, sind wir zuversichtlich, die-
ses Ziel halten zu können. Das baut auf dem auf, was wir
in der Vergangenheit bereits gemacht haben: Das war
eine solide Politik, die darin bestand, die Ausgabenstei-
gerungen moderat zu halten und gleichzeitig in Zu-
kunftsbereiche zu investieren.

Ich will es wiederholen: Die Ausgaben für Bildung,
Forschung, Wissenschaft und Kultur haben im Jahre
2005 noch 11,4 Milliarden Euro betragen. 2018 werden
es 22,8 Milliarden Euro sein. Das ist eine Verdoppelung





Norbert Barthle


(A) (C)



(D)(B)

der Ausgaben. Alleine der Bildungsetat wird sich von
8,5 Milliarden Euro im Jahre 2005 auf voraussichtlich
17,5 Milliarden Euro im Jahre 2018 mehr als verdop-
peln. Das sind die Zukunftsinvestitionen, die wir tätigen,
und sie werden sich nachhaltig auswirken.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dass wir im Bereich der Verkehrsinfrastruktur einen
hohen Investitionsbedarf haben, ist auch im Hinblick auf
den Ausbau der digitalen Infrastruktur unbestritten.
5 Milliarden Euro mehr sind hier ein klares Zeichen. Da-
rüber hinaus haben wir uns in der Koalition bereits da-
rauf verständigt: Wenn wir zusätzliche Spielräume ent-
decken, dann wollen wir sie ganz gezielt für die
Infrastruktur einsetzen. Ich glaube, auch das ist eine
wichtige Verabredung.

An dieser Stelle erlaube ich mir den Hinweis, dass ein
erheblicher Teil der öffentlichen Investitionen natürlich
auch von Ländern und Kommunen getätigt wird. Des-
halb zur Erinnerung: In der 17. Legislaturperiode haben
wir Länder und Kommunen um round about 60 Milliar-
den Euro entlastet.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind die Steuersenkungen eingepreist? Hotelsteuer?)


Wir werden diese Politik der Entlastung der Kommunen
und der Länder fortsetzen; das ist gar keine Frage. Diese
Entlastung wird durch neue Zusagen ergänzt, die wir ge-
macht haben.

Lieber Kollege Kindler, Sie tragen hier vor, das alles
sei Makulatur. Das kennen wir von jeder Haushaltsbera-
tung; das wird immer wieder vorgetragen. Viele Spiel-
räume, die wir uns erarbeitet haben,


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was denn?)


sind eben darauf zurückzuführen,


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gute Konjunktur!)


dass wir solide gewirtschaftet haben. Deshalb haben wir
niedrige Zinsen,


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch die Euro-Krise!)


gute Beschäftigungszahlen und gute Steuereinnahmen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Lassen Sie mich auf das Thema „Bund und Länder“
zurückkommen. Die Neugestaltung der Finanzbeziehun-
gen steht an. Lassen Sie mich deshalb nochmals daran
erinnern: Der Bund hat mit 1,3 Billionen Euro mehr als
doppelt so hohe Schulden wie die Länder. Wenn man
sich die Pro-Kopf-Verschuldung anschaut, dann sieht
man, dass nur zwei Länder, nämlich Bremen und Berlin,
eine höhere Pro-Kopf-Verschuldung als der Bund haben.
Ansonsten haben wir die größte Schuldenlast zu tragen.
Diese Unwucht spiegelt sich auch bei den Zinszah-
lungen wider. Der Finanzminister hat auch schon darauf
hingewiesen: 2013 haben wir noch 31,3 Milliarden Euro
an Zinsen gezahlt, was gut 10 Prozent unserer Ausgaben
entspricht. Bei den Ländern waren es 17,6 Milliarden
Euro. Das entspricht einem Anteil der Zinsausgaben von
weniger als 6 Prozent.

Diese gute Haushaltslage der Bundesländer spiegelt
sich auch beim Defizit in Höhe von 1,9 Milliarden Euro
wider, das die Gesamtheit der Länder im Jahre 2013 zu
tragen hatte. Die Gesamtheit der Kommunen hatte in ih-
ren Kernhaushalten sogar einen Überschuss in Höhe von
1,7 Milliarden Euro vorzuweisen.

Sie sehen also: Das Gesamtsystem des Ausgleichs
und der Bund-Länder-Finanzbeziehungen kann so falsch
nicht sein. Dass es lokal und regional große Unter-
schiede gibt, ist unbestritten. Hier werden wir sicherlich
helfen müssen, aber das muss zielgenau und so passie-
ren, dass der Begriff der Solidarität richtig definiert
wird; denn ich nehme überrascht zur Kenntnis, dass die
Bundesländer Solidarität derzeit vor allem so definieren,
dass sie sagen: Keiner von uns soll weniger haben, aber
alle mehr. – Wenn das das Verständnis von Solidarität
ist, dann sagen wir: Gut, dann darf auch der Bund nicht
weniger haben, und alle sollen mehr haben. – Die Frage
ist dann nur, woher das Geld kommen soll.


(Heiterkeit des Abg. Johannes Kahrs [SPD])


Es wird also noch einiger Anstrengungen bedürfen,
dieses Problem in den kommenden Monaten zu lösen.
Aber nochmals: In der 17. Legislaturperiode haben wir
bereits erhebliche Zugeständnisse gemacht und erhebli-
che Leistungen für die Länder und Kommunen über-
nommen. Ich erinnere nur an die Grundsicherung im
Alter, an die Kosten der Unterkunft, an die Entflech-
tungsmittel, an die Kindergelderhöhung über das FAG,
an den Hochschulpakt, an die Fluthilfe und an den Kita-
ausbau.

In dieser Legislaturperiode kommen nochmals
12 Milliarden Euro für die Länder und Kommunen
hinzu. Als Stichworte nenne ich die Entlastung der
Kommunen in Höhe von zunächst 1 Milliarde Euro, die
BAföG-Übernahme, das Sondervermögen „Kinderbe-
treuung“, den Hochschulpakt und die Eingliederungs-
hilfe in Höhe von 5 Milliarden Euro pro Jahr ab 2018.
Wenn ich dazu noch die Erwartungen der Kommunen
addiere, dann komme ich auf round about fast 100 Mil-
liarden Euro, die aus dem Bundeshaushalt in die Haus-
halte der Länder und Kommunen fließen und damit zu
deren Entlastung beitragen. Aber damit ist die Grenze
der Belastungsfähigkeit des Bundeshaushaltes erreicht.
Das muss allen klar sein.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das muss auch die Vorgabe bei allen neuen Debatten
über Altschuldentilgung, über Euro-Bonds, über Bund-
Länder-Bonds und über die Zukunft des Soli sein. Ak-
tuell läuft über die Medien die Meldung, dass der Bun-
desfinanzminister über eine Neugestaltung des Soli
nachdenke, verbunden mit der Falschmeldung, er plane
Steuerhöhungen. Steuererhöhungen sind aus Sicht der





Norbert Barthle


(A) (C)



(D)(B)

CDU/CSU-Fraktion in dieser Periode ausgeschlossen.
Wir werden auf keinen Fall Steuern erhöhen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang ein Wort
zum Verteidigungsetat sagen. Auch dieser Etat spielt
derzeit in der öffentlichen Debatte eine große Rolle.
Wenn es Ziel der NATO sein sollte, 2 Prozent des Brut-
toinlandsprodukts für die Verteidigung auszugeben,
dann werden wir uns als langfristiges Ziel daran orientie-
ren; gar keine Frage. Derzeit aber ist der Verteidigungs-
etat mit genügend Mitteln ausgestattet.

Im vergangenen Jahr sind fast 1 Milliarde Euro in den
Bundeshaushalt zurückgeflossen, weil einige Beschaf-
fungsvorhaben nicht rechtzeitig umgesetzt werden konn-
ten. Grund dafür war, dass manche Firmen nicht recht-
zeitig geliefert haben. Wir hatten, nebenbei bemerkt, für
den Einsatz in Afghanistan 1,4 Milliarden Euro in den
Haushalt eingestellt. Dieses Jahr sind es noch 460 Mil-
lionen Euro, und zwar ohne dass der Plafond abgesenkt
wurde. Auch da gibt es also entsprechende Reserven.

Insofern kann man davon ausgehen, dass die Verteidi-
gungsministerin derzeit mit dem Geld, das wir ihr zur
Verfügung stellen, auskömmlich wirtschaften kann. Wie
das in den kommenden Jahren aussehen wird, ist eine
zweite Frage. Aber darauf werden wir uns einstellen
können.

Ich schließe mit der Aussage: Der Haushalt 2015
stellt einen historischen Wendepunkt in der Haushalts-
und Fiskalpolitik der Bundesrepublik Deutschland dar.
Noch nie konnten sich eine Bundeskanzlerin und ein
Bundesfinanzminister vor die deutsche Öffentlichkeit
stellen und sagen: Wir kommen mit dem Geld aus, das
uns die Steuerzahler geben und das wir aus sonstigen
Quellen erwirtschaften. – Und dabei bleibt es.

Danke.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804901400

Das Wort erhält nun die Kollegin Anja Hajduk für die

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804901500

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Herr Brinkhaus möchte feiern; Herr Kahrs freut
sich, dass an der Stelle neuer Schulden nun Striche im
Finanzplan zu sehen sind. Ich kann Ihnen nur sagen:
Diese Selbstgefälligkeit treibt einem eher die Sorgenfal-
ten auf die Stirn.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dagmar Ziegler [SPD]: Das war harte Arbeit! – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Man darf sich über die „schwarze Null“ freuen!)


Wir sagen ja gar nicht, dass die „schwarze Null“ für
den Haushalt 2015 und die Finanzplanperiode – das ist ja
Ihr Ziel – falsch ist. Aber Sie können sich doch nicht der
Einsicht verschließen, dass die „schwarze Null“ letztlich
nicht der richtige Maßstab ist, um zu bewerten, ob wir
finanzpolitisch auf einem zukunftsgerechten Kurs sind.
Das müssen Sie doch eingestehen; so klug sollten Sie
doch sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die „schwarze Null“ heißt nicht umsonst „schwarze Null“!)


Wissen Sie, warum? Einige Kollegen mögen sich fra-
gen: Was will sie denn? Die „schwarze Null“ ist doch gut.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Genau!)


Die „schwarze Null“ in der Finanzplanperiode bedeutet
leider auch – das haben Sie so ausgestaltet –, dass das öf-
fentliche Vermögen bis zum Jahr 2018 stetig schrumpft.
Der Vermögensverzehr ist in Ihrer Finanzplanung ange-
legt. Weil das so ist, ist auch klar: Diese „schwarze Null“
reicht nicht aus. Sie ist nicht zukunftsgerecht.

Sie müssen den Menschen einmal erklären – das muss
auch Herr Schäuble erklären –: Warum steigt bei Ihnen
die Ausgabenlinie bis zum Jahr 2018 um satte 10 Prozent,
und warum schrumpft parallel dazu die Investitionsquote
um ein Fünftel? Mit dieser Erkenntnis müssen Sie sich
auseinandersetzen. Das bedeutet letztendlich: Dieser
Finanzplan steht nicht für Verlässlichkeit. Dieser Finanz-
plan steht für Verschleiß.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Investitionsquote, der Anteil der Investitionen,
sinkt bedenklich. Herr Barthle, setzen Sie sich doch ein-
mal mit der eigenen Finanzplanung auseinander, auf die
Sie so stolz sind! Hinzu kommt, dass das zu einem Zeit-
punkt stattfindet, zu dem die Steuereinnahmen durch-
schnittlich um 3,8 Prozent wachsen sollen. 3,8 Prozent
durchschnittliches Steuerwachstum – das ist eine enorm
positive Entwicklung. Und zu einem Zeitpunkt, zu dem
man so eine enorm positive Entwicklung hat – von mir
aus auch vor dem Hintergrund einer viel zu langen Ver-
schuldungsperiode, aber auch eines mangelnden Sanie-
rungswillens –, muss man umdrehen und das öffentliche
Vermögen wieder aufbauen. Davon ist leider bei Ihnen
nichts zu sehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich muss noch einen Punkt draufsetzen: Deswegen
stimmt es mich auch so bedenklich, dass aus dem
Finanzministerium Veröffentlichungen kommen, in de-
nen festgestellt wird, dass es in Deutschland angeblich
gar keine Investitionsschwäche gebe. Es ist zwar richtig:
Den Immobilienboom in manchen europäischen Län-
dern sollte man nicht als positives Beispiel für Investi-
tionsstärke beschreiben. Aber gleichzeitig steht in den
Unterlagen, dass wir ein Problem bei den Brutto-
anlageinvestitionen der öffentlichen Haushalte haben.
Das muss man nur ehrlich interpretieren. Deswegen:
Auch diese Erklärungen treiben einem die Sorgenfalten
auf die Stirn.





Anja Hajduk


(A) (C)



(B)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])


Ich möchte noch zu einem anderen Punkt kommen:
Herr Schäuble hat heute den Vorschlag gemacht, den
Soli umzubauen. Er will die Einkommensteuer, die Kör-
perschaftsteuer und die Kapitalertragsteuer zukünftig er-
höhen und den Soli dabei wahrscheinlich irgendwie inte-
grieren.

Auch wir Grüne meinen, man sollte den Soli nicht
einfach abschaffen. Stattdessen muss man den Solidari-
tätszuschlag neu begründen. Man kann ihn nicht einfach
so einbehalten. Er ist, verknüpft mit einem Solidaritäts-
versprechen, zusätzlich von den Leuten eingenommen
worden.

Deswegen sage ich Ihnen: Man sollte ernsthaft da-
rüber nachdenken, den Soli zu nutzen, um das Altschul-
denproblem wirklich anzugehen, und man sollte mit ihm
weiterhin ein Solidaritätsversprechen verbinden, und
zwar für die Regionen in Deutschland, die nicht eine so
hohe Finanz- und Wirtschaftskraft haben. Das Einsacken
des Soli ohne eine gute Zielvorgabe wäre ein Armuts-
zeugnis für die föderale Ordnung. Ich hoffe, Sie werden
diesen Weg nicht gehen.

Schönen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804901600

Nächster Redner für die SPD-Fraktion ist der Kollege

Lothar Binding.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Lothar Binding (SPD):
Rede ID: ID1804901700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr verehrte Damen und Herren! Ich weiß nicht, wie es
denen, die schon seit vielen Jahrzehnten Wahlkämpfe
mit begleiten, gegangen ist. Mir sind dabei Sätze begeg-
net wie: Mit dem Geld auskommen, das man euch gege-
ben hat! – Die Politik ist unfähig, mit dem Geld – und
wir zahlen so viele Steuern – auszukommen, das wir ihr
gegeben haben. – Ihr sollt keine neuen Schulden ma-
chen! – Neue Schulden kosten unsere Zukunft.

Ich weiß nicht, ob es Ihnen auch so gegangen ist. Wer
hat das noch nicht gehört? Ich glaube, die meisten haben
es gehört. Verbände, Kammern, Stiftungen haben Gut-
achten dazu erstellt, wie schädlich Schulden für die Zu-
kunft sind. Das haben wir gelernt; alle gaben uns diese
Aufgabe. Und jetzt muss man fairerweise sagen: Diese
Aufgabe löst dieser Haushalt. Ich glaube schon, dass das
eine besondere Leistung ist.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Aber damit ist Politik natürlich nicht zu Ende, und ich
glaube, wir müssen uns auch an ein neues Gefühl ge-
wöhnen. Bisher war es ja relativ einfach: Wenn jemand
eine neue Verantwortung, neue Aufgaben übernehmen
und Probleme lösen wollte, schöne Ideen oder Wünsche
hatte, was haben wir dann gemacht? Wir haben lange
diskutiert, und wenn es keine Lösung gab, gab es am
Ende neue Schulden, und damit war das Problem eigent-
lich gelöst.


(Zuruf des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU])


Im Ergebnis waren die Effekte dieser Politik aber
nicht ganz so angenehm. Sie lassen sich in etwa mit ei-
nem Zollstock messen – für die Älteren von Ihnen ist das
ein Déjà-vu; denn den hatte ich vor einigen Jahren schon
einmal ausgeklappt.


(Der Redner klappt einen verschiedenfarbigen Zollstock aus)


Das stellt die ungefähr 2 Billionen Euro Schulden, die
die Politik in den letzten Jahrzehnten aufgebaut hat, dar.


(Zuruf von der CDU/CSU: In Bayern ist das ein Meterstab! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wie groß sind Sie denn?)


Einen großen Anteil hat natürlich Schwarz-Gelb – Gelb
war übrigens fast immer dabei –; auch Schwarz-Rot ist
dabei.


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Und wer war nicht dabei? – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Wer war nicht dabei?)


Auch Rot-Grün war natürlich dabei; dann kam noch ein-
mal Schwarz-Gelb.

Und immer war es die jeweilige Opposition, die
wusste, dass die neuen Schulden böse sind. Diesmal – so
muss man sich das vorstellen – kommt erstmals kein
Millimeter obendrauf. In diesem Jahr wird der Zollstock
erstmals nicht verlängert.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wenn es uns gelingt, diesen Zollstock in den nächsten
Jahren nicht mehr zu verlängern, dann sind wir, glaube
ich, auf einem ganz guten Weg.

Allerdings braucht das sicherlich auch eine andere
Politik. Dazu gehört zum Beispiel die Gewöhnung da-
ran, dass Einzelpläne nicht mehr automatisch wachsen.
Es gibt Einzelpläne, die sogar unanständig stabil bleiben –
auch in diesem Haushalt. Ich will nur einen nennen: Der
Etat für Entwicklungspolitik wächst zurzeit zu wenig.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir haben gar keine Übung, damit umzugehen, mehr zu
wollen, aber zunächst nicht mehr zu haben, weil wir in
dieser Legislaturperiode die Steuern nicht angehen. Sie
bleiben unverändert; das ist aber eine Zukunftsaufgabe.
Wir müssen ein neues Gefühl entwickeln. Diese Art der
Deckung innerhalb eines Haushalts haben wir in der
Form nicht zwingend geübt. Notwendig sind auch mehr
Investitionen. Es ist schon mehrfach vorgetragen wor-
den: Wenn man die Investitionen erhöhen will und der
Haushalt stabil bleibt, dann muss man neue Ideen haben.
Zurzeit gibt es die Idee der Aktivierung privaten Kapi-
tals. Das ist sicherlich ein eigenes Kapitel für die nächs-

(D)






Lothar Binding (Heidelberg)



(A) (C)



(D)(B)

ten Monate. Aber es zeigt, dass wir kreativ sein werden
müssen, um die Aufgaben zu lösen, vor denen wir ste-
hen.

Es ist übrigens keine ganz neue Idee. Es ist nicht so,
dass noch niemand versucht hätte, keine neuen Schulden
zu machen. Nehmen wir zum Beispiel die mittelfristige
Finanzplanung von Stoltenberg in den 80er-Jahren:
Auch er hatte einen Entschuldungspfad, der bei null en-
dete. Die Grafiken von Hans Eichel zeigen, dass auch er
diesen Plan hatte. Auch Peer Steinbrück hatte diesen
Plan. Warum hat das eigentlich nie geklappt? Lag das
am Parlament? Haben wir immer obendrauf gesattelt?
Die ehrliche Antwort lautet: Nein. Die Ziele hatten wir,
aber es kamen besondere Situationen dazwischen wie
die Wiedervereinigung, die Wirtschaftskrise um 2000
oder die Finanzkrise 2007/2008. Das waren Krisen, die
uns besondere Aufgaben aufgegeben haben. Damit
konnten wir in der damaligen Situation keinen Haushalt
mit einer Nullverschuldung machen.

Ich hoffe mit unserem Finanzminister, dass uns so et-
was nicht wieder passiert. Wer wollte das ausschließen?
Dass der Haushalt Zukunftsrisiken enthält, weiß jeder.
Deshalb müssen wir besondere Überlegungen anstellen,
um sie auszuschließen. Ich will einige Punkte anspre-
chen: Wir haben zurzeit niedrige Zinsen; das hilft dem
Haushalt. Die niedrige Arbeitslosigkeit hilft dem Haus-
halt und den Sozialkassen. Wir haben über die Zeit ein
ordentliches Wachstum erreicht; das hilft dem Haushalt.
Wir haben einen Exportüberschuss; auch das hilft dem
Haushalt. Allerdings ist das nur in Verbindung mit der
Stärkung der Binnennachfrage zukunftsfähig. Wenn der
Exportüberschuss sich so weiterentwickelt, dann ist er
ohne Binnennachfrage auch nicht ganz ungefährlich für
Europa.

Wir brauchen also neue Ideen, um den Haushalt zu-
kunftsfest zu machen. Johannes Kahrs und Carsten
Schneider haben einige genannt: die Stärkung von For-
schung und Entwicklung sowie die Stärkung von Inno-
vationen. Wirtschaftsminister Gabriel will ein Venture-
Capital-Gesetz machen, um Mittel für die Forschungs-
förderung der privaten Industrie und zur Entwicklung
von Innovationen zu generieren, die unseren Haushalt
zukunftsfest machen.

Wir haben des Weiteren mit dem BEPS eine wichtige
Aufgabe, nämlich die internationale Steuergestaltung zu-
rückzudrängen und zu versuchen, die Einnahmeseite zu
stärken, zunächst ohne die Steuersätze zu erhöhen, son-
dern indem wir erst einmal alle motivieren, ihre Steuern
fair zu zahlen, statt die Gewinne ins Ausland zu verla-
gern. Finanzminister Schäuble hat gesagt: Wir brauchen
einen automatischen Informationsaustausch. – Das ist
seit 20 Jahren unser Wunsch, und wir sind froh, dass es
damit jetzt einen großen Schritt vorangeht. Man muss
sich klarmachen, welche Leistung das ist: Viele Finanz-
ämter in vielen anderen Ländern haben vielleicht gar
keine große Neigung, vollständig transparent zu machen,
was bei ihnen passiert, und die Informationen nach
Deutschland zu liefern. Umgekehrt ist es ähnlich: Wir
haben diese Neigung auch nicht ohne Weiteres. Das
macht deutlich, was zwischen den Ländern passieren
muss, damit fair Steuern gezahlt werden.

Wir wissen: Selbst wenn wir das machen, gibt es in-
ternationale Konzerne, die sich auf dem Rücken einzel-
ner Länder, die eine unfaire Steuerpolitik machen, ausru-
hen. Dagegen müssen wir, denke ich, international
vorgehen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Denn das ist letztendlich ein Race to the Bottom. Das
heißt, Land A senkt die Steuern so weit, bis auch Land B
die Steuern entsprechend gesenkt hat, und das geht letzt-
lich so weiter, bis sich die Unternehmen in einem Dritt-
land ansiedeln. Zum guten Schluss hat keiner mehr
Steuern und Industrieansiedlungen. Das können wir na-
türlich nicht wollen.


(Beifall bei der SPD)


Es gibt eine Aufgabe – das wurde schon verschiedent-
lich angesprochen –, die wir im Moment nicht lösen
können. Natürlich wird mit diesem Haushalt nicht jede
Ungerechtigkeit vermieden. Es gibt eine ungerechte Ver-
mögensverteilung, eine ungerechte Einkommensvertei-
lung sowie eine ungerechte Verteilung von Arbeit und
Arbeitseinkommen. Deshalb bleibt es eine Aufgabe für
die Zukunft, Gerechtigkeit herzustellen. Diese werden
wir angehen, auch in den nächsten Legislaturperioden.
Wir wissen, dass wir das private Kapital noch auf ganz
andere Weise aktivieren müssen. Die Bodewig-Kommis-
sion hat festgestellt, dass wir pro Jahr mindestens 7 Mil-
liarden Euro mehr an Investitionsmitteln brauchen.
Tatsächlich haben wir im Koalitionsvertrag nur 5 Mil-
liarden Euro für vier Jahre verabredet. Daran sieht man:
Wir üben auch Selbstkritik. Ohne Selbstkritik könnten
wir die Leistungen im Rahmen dieses Haushalts gar
nicht erbringen. Insofern passen Eigenlob und Selbstkri-
tik sehr gut zusammen. Erst in diesem Spannungsver-
hältnis können wir eine gute Zukunft schaffen. Da hilft
weder Schönreden noch Schlechtreden. Ein halbwegs
objektiver Blick auf die Aufgaben hilft uns, sorgt dafür,
dass wir gute Politik machen, und sichert unsere Zu-
kunft.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804901800

Das Wort hat der Kollege Norbert Brackmann für die

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Norbert Brackmann (CDU):
Rede ID: ID1804901900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Der Kollege Binding hat eben darauf hingewiesen, dass
es bereits drei Finanzminister gab, die eine Nullver-
schuldung unmittelbar vor Augen hatten. Ich möchte er-
gänzen – so viel Reverenz an die Adresse der CSU muss
sein –: Es gab noch Theo Waigel. Vier Finanzminister
standen also unmittelbar davor, eine schwarze Null zu
schreiben. Das ist nicht immer ganz einfach. Schon Bert





Norbert Brackmann


(A) (C)



(D)(B)

Brecht hat gesagt: „Ja, mach nur einen Plan! Sei nur ein
großes Licht! Und mach dann noch nen zweiten Plan.
Geh‘n tun sie beide nicht.“ Damit unser Plan in Erfül-
lung geht und Bert Brecht nicht recht behält, ist nicht der
Plan das Ziel. Vielmehr muss das Ergebnis stimmen. Wir
gehen jedenfalls voller Überzeugung in die anstehenden
Haushaltsberatungen, dass wir die gesetzlichen Grundla-
gen dafür schaffen, dass wir im nächsten Jahr erstmalig
keine Neuverschuldung haben werden. Dies ist keine
Selbstverständlichkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es gibt Grund zur Freude, aber keinen Grund zur Eu-
phorie. Wir haben allein als Bund 1,1 Billionen Euro
Schulden. Die daraus resultierende Zinslast ist riesig.
Wir freuen uns darüber, dass die Zinslast zurzeit etwas
geringer ist als in den letzten Jahren. Noch 2008 haben
wir 40 Milliarden Euro dafür aufgewendet. Im nächsten
Jahr sollen es nur noch 28 Milliarden Euro sein. Den
größten Teil der Schuldenlast trägt allerdings der Bund.
Vergleicht man die Staatsverschuldung in den letzten
Jahren, dann stellt man fest, dass sich die Staatsverschul-
dung von Bund und Ländern von 2012 auf 2013 um
30 Milliarden Euro verringert hat. Zwei Drittel der Ent-
schuldung entfallen allerdings auf die Länder. Dennoch
darf man nicht vergessen: Der Bund macht in dieser Le-
gislaturperiode – genauso wie schon in der letzten –
zahlreiche finanzielle Zugeständnisse und erbringt Kom-
pensationsleistungen, von denen die Länder und die
Kommunen profitieren. So werden die Länder und Kom-
munen bei der Grundsicherung im Alter, der Erwerbs-
minderung sowie den Kosten der Unterkunft und der
Heizung, der Exzellenzinitiative, beim Hochschulpakt
2020, beim BAföG und bei der öffentlichen Betreuung
von Kindern unter drei Jahren entlastet. Immer mehr
Leistungen erbringt der Bund, um Kommunen und Län-
der zu unterstützen. Das ist auch gut so, weil es den
Menschen in Deutschland zugutekommt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es wurde vorhin darauf hingewiesen, dass auch Risi-
ken bestehen, und zwar nicht nur im Ausland, sondern
auch innerhalb Deutschlands. Wir werden noch in die-
sem Herbst über die Neuordnung der Bund-Länder-
Finanzbeziehungen sprechen. Das birgt angesichts der
Diskussionen nicht unerhebliche Risiken für den Bund.
Die Länderfinanzminister sind sich einig, dass sie
– möglichst ohne Gegenleistung – vom Bund 35 Milliar-
den Euro mehr haben wollen, ohne eine Antwort darauf
zu geben, woher das Geld kommen soll.

Ich möchte das, was der Kollege Norbert Barthle vor-
hin gesagt hat, noch ergänzen: Die Länder haben bisher
überproportional profitiert. So sollen wir als Bund 2014
nach der Steuerschätzung insgesamt 1,5 Prozent Mehr-
einnahmen, die Länder 3 Prozent Mehreinnahmen ha-
ben. Schaut man auf die Entwicklung der Einnahmen
von 2013 bis 2018, dann stellt man fest, dass nach der
Prognose der Zuwachs für den Bund 43 Milliarden Euro
beträgt, der für die Länder hingegen 53 Milliarden Euro.
Wenn man sich diese Rechnung vor Augen führt, dann
müssten eigentlich die nächsten Gespräche über die
Bund-Länder-Finanzbeziehungen genau umgekehrt lau-
fen. Wir als Bund müssten sagen, was wir von den Län-
dern zum Ausgleich für diese unterschiedliche Entwick-
lung haben wollen. Das wäre natürlich unrealistisch.


(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Es gibt Länder, die ignorieren die Fakten!)


Wir dürfen dem Geld nicht hinterherlaufen, sondern
müssen ihm entgegengehen. Der Kollege Brinkhaus hat
das Haushalt 4.0 genannt. Wir brauchen eine effizientere
Politik. Wir dürfen nicht übereinander reden und von
dem jeweils anderen ohne Gegenleistung etwas fordern,
sondern müssen uns darauf besinnen, was wir in
Deutschland in unserer Verwaltung machen können und
wie wir Einnahmen generieren, über deren Verteilung
wir uns hinterher unterhalten können.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir haben das einmal in der letzten Föderalismus-
kommission mit den Ländern hinbekommen, indem wir
die Einnahmen aus der Kfz-Steuer von den Ländern auf
den Bund übertragen haben. Wir stellen heute fest, dass
wir, nachdem wir am 1. Juli die Kfz-Steuer komplett
übernommen haben, nur noch die Hälfte der Beschäftig-
ten haben, die die Länder hatten. In diesen waren ur-
sprünglich einmal 3 300 Beamte damit beschäftigt, wir
sind jetzt bei 1 771. Die EDV-Kosten sind gesunken, und
der Bürger hat überhaupt keinen Nachteil dadurch. Diese
Effizienzrendite gibt es auch an anderer Stelle, und da-
rüber werden wir diskutieren müssen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Schauen wir uns zum Beispiel die Umsatzsteuer an.
Wir haben 16 Steuerverwaltungen der Länder plus eine
Steuerverwaltung des Bundes. Wenn wir uns die euro-
päischen Berichte anschauen und uns die Umsatzsteuer-
betrügereien vergegenwärtigen, dann stellen wir fest,
dass der Betrug häufig nach demselben Strickmuster ge-
schieht. Firmen ziehen die Vorsteuer in dem einen Land
ein, gehen dann in ein zweites Land und anschließend in
ein drittes. Nach Tschechien gehen sie übrigens nicht;
denn in Tschechien gibt es einen automatischen Daten-
abgleich, wodurch man einen Betrug sehr schnell fest-
stellen würde. In Deutschland ist das aber schlichtweg
nicht möglich, weil wir uns mit den Ländern nicht da-
rüber einigen können, einen automatischen Datenab-
gleich durchzuführen. 16 unterschiedliche EDV-Systeme
zu harmonisieren, bedeutet einen mehrjährigen Auf-
wand, und das Ergebnis ist nicht einmal sichergestellt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das BMF hat bereits vor einigen Jahren ermitteln las-
sen, welche Rendite zu erzielen wäre, wenn wir unsere
Steuerverwaltung auf eine neue gemeinsame Grundlage
stellen würden. Über 11 Milliarden Euro Effizienzren-
dite könnten wir jährlich erzielen. Das muss unser Ziel
auch für diesen Haushalt sein. Wir müssen die Initiative
ergreifen und Mehreinnahmen schaffen, Bürgerfreund-





Norbert Brackmann


(A) (C)



(D)(B)

lichkeit erhalten und das Geld von denjenigen nehmen,
die es dem Staat vorenthalten wollen. Dann, glaube ich,
haben Bund und Länder gemeinsam etwas davon, und
die schwarze Null bleibt Realität und nicht nur Plan.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804902000

Ebenfalls für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege

Bartholomäus Kalb das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Bartholomäus Kalb (CSU):
Rede ID: ID1804902100

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolle-

ginnen und Kollegen! Wenn man so lange dem Deut-
schen Bundestag angehören darf wie ich und in der
Haushaltspolitik mitwirken darf, dann darf man sagen:
Heute ist für einen Haushälter wirklich ein Tag der
Freude und der Genugtuung. Der Bundesfinanzminister
hat vorhin einen Haushaltsentwurf für das Jahr 2015 vor-
gestellt, in dem zum ersten Mal in der Zeit, in der ich da-
bei sein darf, absolut keine Neuverschuldung mehr vor-
gesehen ist. Ich denke, das darf auch gewürdigt werden.


(Beifall des Abg. Norbert Barthle [CDU/ CSU])


Wolfgang Schäuble ist der dritte Finanzminister, dem
es tatsächlich gelingt, einen ausgeglichenen Haushalt
ohne neue Schulden vorzulegen. Ich darf daran erinnern:
Es war vor 45 Jahren der Bayer Franz Josef Strauß und es
war in den 1950er-Jahren der Passauer Abgeordnete Fritz
Schäffer – auch ein Bayer; er war damals Bundesfinanz-
minister –, die ebenfalls einen ausgeglichenen Haushalt
vorlegen konnten. Nach Schäffer und Strauß kamen viele
andere Finanzminister. Nun ist Wolfgang Schäuble kein
Bayer, aber zumindest ein Südstaatler; das sollte uns
freuen. Ich darf sagen – ich kann hier natürlich nicht mit
der schwäbischen Hausfrau dienen –: Auch ein umsichtig
agierender badischer Hausvater ist gut für dieses Land,
das seit nunmehr 65 Jahren besteht. Herzlichen Glück-
wunsch!


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Menschen draußen meinen, es sei ganz einfach,
das alles zustande zu bringen. Sie hören, dass das Statis-
tische Bundesamt sprudelnde Steuereinnahmen vermel-
det, weswegen sie glauben, es könne nicht so schwer
sein, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Im Ge-
genteil: Diesem Haushaltsentwurf ging unglaublich
harte Arbeit voraus; das war eine ganz gewaltige He-
rausforderung. Wir hatten zwar mehr Steuereinnahmen,
aber gleichzeitig mussten wir enorm gestiegene Aufga-
ben bewältigen. Ich erinnere an das – von meinen Vor-
rednern sind schon viele Beispiele genannt worden –,
was wir in den Bereichen Bildung und Forschung, Erzie-
hung und Kinderbetreuung, Sicherstellung der Sicher-
heit nach innen und nach außen, soziale Absicherung
und kommunale Entlastung zusätzlich leisten.

Dass die Steuereinnahmen gestiegen sind und die So-
zialkassen heute so gut dastehen, ist keine Selbst-
verständlichkeit, sondern auch Ergebnis einer wirtschaft-
lichen Entwicklung, zu der wir ganz maßgeblich
beigetragen haben, indem wir die Weichen dafür gestellt
haben. Wir haben heute mit über 42 Millionen Erwerbs-
tätigen in der Bundesrepublik Deutschland Gott sei
Dank die höchste Zahl aller Zeiten. Wir haben heute
Gott sei Dank die höchste Zahl an versicherungspflichtig
Beschäftigten. Das ist natürlich Ergebnis einer klugen
Politik, gepaart mit dem Fleiß und der Kreativität der
Menschen sowie dem Ideenreichtum unserer Unterneh-
mer. Daraus ergibt sich auch die Robustheit unserer
Wirtschaft und unseres Arbeitsmarktes.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Deutsch-
land hat bewiesen, dass Konsolidierung, Sparen, Schul-
denbegrenzung und strukturelle Reformen richtig sind.
Nur dadurch ist es uns gelungen, vom einst als „kranker
Mann Europas“ apostrophierten Land zum Spitzenreiter,
zum Stabilitätsanker und zum Wirtschaftsmotor in
Europa zu werden. Heute sind wir zum Glück in der
Lage – der Bundesfinanzminister hat es in seiner Rede
angesprochen; es wäre wünschenswert, es würde noch
mehr geschehen –, auch jungen Menschen aus anderen
europäischen Ländern bei uns eine Chance zu bieten.

Wir alle wissen, dass man unsere Auffassungen in Pa-
ris und in Rom nicht immer ganz teilt. Aber gerade die
Länder, die es schwer hatten, die Reformländer – ich
denke an die baltischen Staaten, an Irland, an Spanien,
an Portugal, aber auch an Griechenland und Zypern –,
haben enorme Anstrengungen unternommen und einen
vernünftigen Kurs der Konsolidierung eingeschlagen.
Man kann nur sagen: Respekt für das, was hier geleistet
worden ist! In Richtung Finanzmärkte sei gesagt: Unsere
Maßnahmen haben sich als richtig erwiesen. Zu Beginn
der Finanzkrise ist der Versuch unternommen worden,
auszutesten, wie stabil der Euro sein werde. Heute traut
sich niemand mehr, einen solchen Test noch einmal
durchzuführen, weil alle wissen, dass man damit gegen
eine Wand laufen würde, dass ein solcher Versuch
schiefgehen würde. Auch hier haben sich die Maßnah-
men, die wir gemeinsam mit der EZB zur Stabilisierung
des Euro ergriffen haben, als absolut richtig und erfolg-
versprechend erwiesen. Vielleicht sollte man in einer
Debatte wie dieser auch sagen: Viele Maßnahmen, die
wir hier nach intensivsten Beratungen und Diskussionen
beschlossen haben, sind seinerzeit von der Bevölkerung
nicht nur als gut angesehen worden. Heute stellen wir
aber fest: Diese Maßnahmen haben sich als absolut rich-
tig erwiesen.

Ich nenne ein zweites Beispiel. Es ist schon gesagt
worden: Es gab Finanzminister und Situationen, bei de-
nen wir schon nahe an der schwarzen Null, am ausgegli-
chenen Haushalt waren. – Theo Waigel hätte 1989 für
das Haushaltsjahr 1990 einen ausgeglichenen Haushalt
vorlegen können. Dann kam aber die Wiedervereini-
gung; ich sage nicht „leider“, sondern „Gott sei Dank“.
Es war ein Glück, es war ein Segen, dass die Teilung un-
seres Vaterlandes und unseres Kontinents mit Mauer,
Stacheldraht und Schießbefehl friedlich überwunden
werden konnte.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)






Bartholomäus Kalb


(A) (C)



(D)(B)

Ich nenne ein weiteres Beispiel. Nicht alle Maßnah-
men, die wir ergriffen haben, als uns 2008/09 die Wirt-
schafts- und Finanzkrise größte Sorgen bereitet hat, wur-
den seinerzeit von der Bevölkerung als absolut richtig
angesehen. Aber das Ergebnis hat unsere Politik bestä-
tigt. Sie hat sich als richtig erwiesen. Vielleicht sollte
man das auch öffentlich sagen. Wir mussten den Ban-
kensektor stabilisieren, haben daran noch zu arbeiten.
Aber wenn sich herausstellt, wenn es eine Tatsache ist,
dass alle Garantien, die wir für diesen Bereich ausgege-
ben haben, nicht in Anspruch genommen worden sind,
dass das ohne einen einzigen Eurocent an Verlust geblie-
ben ist, dann zeigt das, dass die Maßnahmen richtig wa-
ren, dass sie zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Leis-
tungsfähigkeit beigetragen haben und dass sie zum
Erhalt der Arbeitsplätze und zum Aufbau neuer Arbeits-
plätze beigetragen haben. Ich denke, das ist dann auch
ein Beweis dafür, dass politisch gut und richtig gehan-
delt worden ist. Heute können wir uns darüber freuen,
dass Deutschland gut dasteht, dass die Wirtschaft stabil
ist, dass der Arbeitsmarkt robust ist.

Wir können nur hoffen, dass die Ereignisse von der
Ukraine bis zum „arabischen Krisenbogen“, wie es
Michael Stürmer formuliert hat, nicht dazu führen, dass
es einen Wirtschaftseinbruch, einen konjunkturellen Ein-
bruch in Europa oder gar eine Weltwirtschaftskrise gibt.
Damit hoffe ich auch, dass es nicht zu dem kommt, was
Bundesfinanzminister Schäuble in einem Interview ge-
genüber der Neuen Passauer Presse zum Ausdruck ge-
bracht hat: Denn wenn die Welt einstürzen würde, dann
sähe alles ganz anders aus. Wir hoffen, dass wir eine
gute Zukunft haben, dass die Krisen bewältigt werden,
auch und gerade durch die Anstrengungen der Bundesre-
gierung insgesamt und der Frau Bundeskanzlerin im Be-
sonderen. Dann haben die Menschen im Lande, dann ha-
ben die Menschen in Europa eine gute Zukunft.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804902200

Die Kollegin Antje Tillmann hat für die CDU/CSU-

Fraktion das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. René Röspel [SPD])



Antje Tillmann (CDU):
Rede ID: ID1804902300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Liebe Zuschauer und Zuhörer! „Kommunen erzielten im
Jahr 2013 einen Überschuss von 1,1 Milliarden Euro“,
so titelte das Statistische Bundesamt am 21. März dieses
Jahres. Im ersten Halbjahr 2014 waren es sogar bereits
über 5,3 Milliarden Euro. Die kommunalen Spitzenver-
bände rechnen für die Jahre 2014 bis 2016 damit, dass
die Städte und Gemeinden jährlich jeweils über 4 Mil-
liarden Euro mehr einnehmen, als sie ausgeben.

Dieser Erfolg ist natürlich ganz zuvorderst Lohn der-
jenigen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpoliti-
ker, die die Haushalte auch auf lokaler Ebene in den
Griff zu bekommen versuchen. Großer Dank dafür! Na-
türlich macht es mehr Spaß, an die Wählerinnen und
Wähler Geschenke zu verteilen, als zu sparen. Wenn
man das auch noch ehrenamtlich tun muss, dann ist das
einer hohen Anerkennung wert.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])


Aber der Dank gilt natürlich auch Ihnen als Bürgerin-
nen und Bürger; denn seit einiger Zeit achten Sie bei
Wahlen sehr wohl darauf, dass Sie sich Vertreter in die
Parlamente wählen, die Ihnen nicht nach dem Motto
„Was kostet die Welt?“ Versprechungen machen. Sie
achten in Ihrer Verantwortung als Bürger dieses Landes
darauf, dass wir als Politiker mit dem Geld, das Sie uns
zur Verfügung gestellt haben, ordnungsgemäß umgehen.
Herzlichen Dank, dass Sie uns da den Rücken stärken!


(Beifall bei der CDU/CSU)


Aber der Erfolg der Kommunen ist auch ganz ent-
scheidend davon geprägt, was wir in den letzten Jahren
zugunsten der Kommunen entschieden haben. Bei der
Grundsicherung im Alter beträgt die jährliche Entlastung
5 Milliarden Euro. Die Mittel für den Ausbau der Kin-
derbetreuung sind auf 1 Milliarde Euro aufgestockt wor-
den. Die Beteiligung an den Betriebskosten für die Kin-
derbetreuung wird 2017 weiter erhöht. Im Vorgriff auf
das Bundesteilhabegesetz entlastet der Bund die Kom-
munen noch einmal um jährlich 1 Milliarde Euro.

Ich kenne durchaus das Problem der Durchschnitte.
Was nützt es einer schlecht aufgestellten Kommune,
wenn die Kommune neben ihr Überschüsse macht? Wir
müssen an dieser Stelle aber immer wieder daran erin-
nern, dass der Ausgleich zwischen den Kommunen zu-
vorderst Länderaufgabe ist. Es ist Aufgabe der Länder,
über die kommunalen Finanzausgleiche sicherzustellen,
dass Gelder, die wir ihnen geben, tatsächlich dort an-
kommen, wo sie gebraucht werden. Die Länder konnten
sich in den vergangenen Jahren nicht beklagen; denn
auch sie haben die Neuverschuldung von null bisher nur
knapp verpasst. Im Jahr 2013 betrug sie noch insgesamt
1,9 Milliarden Euro. Im ersten Quartal 2014 beträgt sie
knapp über null. Das liegt nicht nur ganz wesentlich an
den Kollegen in den Landtagen, die versuchen, die
Haushalte zu konsolidieren, sondern auch an den Mit-
teln, die der Bund weitergereicht hat: 5 Milliarden Euro
für Bildung, Komplettübernahme des BAföG; Entflech-
tungsmittel von über 2,6 Milliarden Euro fließen bis
2019 an die Länder. Wir danken den Finanzministern,
die ihre Versprechen einhalten, diese Gelder an die
Kommunen weiterzureichen oder für Bildung vor Ort
auszugeben. Leider tun das nicht alle Finanzminister. Ich
bin aber froh, dass mein Finanzminister in Thüringen
versprochen hat, die BAföG-Ersparnis sofort für Bil-
dung und Forschung in den Hochschulen Thüringens
auszugeben.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Nun zum Bund. Der Bund nimmt dank des Finanz-
ministers, aber auch dank der Haushälterinnen und
Haushälter im nächsten Jahr keine neuen Schulden auf.
Das einmal zu schaffen, ist super; Herr Brinkhaus hat





Antje Tillmann


(A) (C)



(D)(B)

darauf hingewiesen. All denen, die meinen, wir freuten
uns heute zu viel, kann ich nur den Hinweis geben: Wir
wissen, dass es ein noch viel schwierigerer Weg ist,
diese Null zu halten. Selbstverständlich kennen wir die
Krisen und die Auswirkungen auf die Wirtschaft. Im
Rahmen der Föderalismuskommission werden wir über
eine Neuaufteilung der Bund-Länder-Finanzbeziehun-
gen sprechen.

Liebe Frau Hajduk, Sie mahnten gerade Solidarität
mit den Schwächeren an. Ich sage selbstbewusst aus
Thüringer Sicht: Gott sei Dank sind wir nicht mehr die
arme Region der Republik.


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe das offengelassen!)


– Das ist auch keine Kritik. Ich sage nur: Die Schwäche-
ren sind nicht nur im ehemaligen Osten.


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)


Viele neue Bundesländer können selbstbewusst sa-
gen: Wir haben viel geschafft.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Helft den Kommunen in NRW!)


Ich danke Herrn Finanzminister Schäuble, der in den
vergangenen Tagen in mehreren Interviews deutlich ge-
sagt hat: Auch wenn der Solidarpakt ausläuft, wird es
Solidarität mit den Schwächeren geben. – Ich meine: Die
Regionen können sehr wohl im Westen und im Osten lie-
gen; denn die Bürgerinnen und Bürger in den neuen Län-
dern haben schon Erhebliches erreicht. In vielen Berei-
chen sind wir sogar besser als manch westdeutsches
Land. Darauf sind wir stolz.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Bettina Hagedorn [SPD])


Haushalte kann man sanieren, indem man spart oder
indem man in den Bereichen, in denen es zu höheren
Steuereinnahmen kommen kann, diese auch generiert.
Wir haben über Wirtschaftswachstum gesprochen. Die
Senkung von Arbeitslosigkeit führt zu weniger Kosten
und mehr Steuereinnahmen, ohne dass es irgendjeman-
dem wehtut, ganz im Gegenteil. Wir konzentrieren uns
im Finanzausschuss sehr wohl auch auf das Thema „ge-
rechte Steuereinnahmen“. Das Stichwort BEPS wurde
schon genannt. Wir wollen Steuerschlupflöcher stopfen.
Wir wollen, dass sich jeder nach seiner Leistungsfähig-
keit an den Einnahmen des Staates beteiligt. Wir wollen
Dokumentationspflichten nur da einführen, wo sie tat-
sächlich zur gerechten Besteuerung erforderlich sind.
Wir wollen aber auch bei der Steuervereinfachung wei-
termachen; ich weiß, dass viele dieses Wort nicht mehr
hören können. Wir planen, die Bürger und Bürgerinnen
von Aufzeichnungspflichten und der Einreichung von
Belegen zu entlasten. Künftig soll der Bürger seine Steu-
ererklärung abgeben und Belege nur noch dann kopieren
müssen, wenn in seinem Fall etwas anders ist als im
Normalfall. Auch da können wir den Steuerzahlerinnen
und Steuerzahlern erhebliche Arbeit ersparen. Das gehen
wir an.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])


– Danke, Herr Binding.

Auch beim Thema „Vereinbarkeit von Familie und
Beruf“ gehen wir weiter voran. Wir werden die Leistun-
gen des Arbeitgebers zur besseren Vereinbarkeit bei
Pflegebedürftigkeit und bei der Betreuung von Kindern
steuerfrei stellen. Wir werden die private Altersvorsorge
noch mehr fördern, als wir es bisher schon getan haben.
Wir werden sicherstellen, dass Bürgerinnen und Bürger
nur die Steuern zahlen, die gesetzlich vorgesehen sind.
Auch da sind wir auf einem guten Weg. Im Herbst wer-
den dazu viele Gesetze verabschiedet.

Ich komme zur dritten Säule. Um die staatlichen
Finanzen in Ordnung bringen zu können, ist sicherzu-
stellen, dass Steuergelder nicht dorthin fließen, wo sie
nicht hingehören. In diesem Zusammenhang möchte ich
das Stichwort „Bankenunion“ nennen. Wir haben in der
Vergangenheit mit Steuergeldern Banken retten müssen.
Das hat uns alle verärgert. Wir gehen im nächsten Monat
unser Vorhaben an, eine europäische Bankenunion zu in-
stallieren. Wichtigstes Anliegen in Bezug auf diese Ban-
kenunion ist es, dass wir keinen Euro der Steuerzahlerin-
nen und Steuerzahler mehr in Bankenrettungen stecken
müssen.

Herr Kollege Bartsch, wie Sie auf die Idee kommen,
wir hätten bisher nicht reguliert, ist mir nicht klar.


(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Es wurde überreguliert bei den Banken und bei der Sparkasse! Oder beim Investmentbanking!)


Ihr Kollege Troost aus dem Finanzausschuss kann Ihnen
von 30 zum Teil erheblichen Regulierungen erzählen.
Wir haben zum Beispiel die Vorstände in Haftung ge-
nommen und die Boni reduziert. Wir werden nun mit der
europäischen Bankenunion dafür sorgen, dass diejeni-
gen, die Risiken eingehen, auch dafür zahlen müssen.
Dies wird nicht zuletzt der Bankenfonds sicherstellen.
Wir tun dies letztendlich für die normalen Steuerzahle-
rinnen und Steuerzahler. Denn jeder Euro, den wir nicht
für Bankenrettungen ausgeben müssen – dort gehört das
Geld im Übrigen auch nicht hin –, steht uns zur Verbes-
serung der Finanzsituation und für Investitionen zur Ver-
fügung. Künftige Generationen werden es uns danken.
Lassen Sie uns heute den Weg zu einem geordneten
Finanzsystem in Deutschland gehen. Ich lade Sie dazu
recht herzlich ein.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804902400

Weitere Wortmeldungen zur Allgemeinen Finanzde-

batte liegen nicht vor.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums des Innern, Einzelplan 06.

Das Wort hat der Bundesminister des Innern,
Dr. Thomas de Maizière.


(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) (C)



(D)(B)

Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung bringt
heute den Haushalt 2015 ein. Erst vor wenigen Wochen
haben wir den Haushalt für das Jahr 2014 beschlossen.
Wir haben über viele innenpolitische Themen diskutiert,
zum Beispiel über die IT. Mittlerweile ist die Digitale
Agenda beschlossen. Mittlerweile habe ich den Entwurf
eines IT-Sicherheitsgesetzes vorgelegt.

Viele andere Themen sind wichtig und beschäftigen
uns. Ich nenne sie stichwortartig: der NSU und dessen
weitere Aufarbeitung, die NSA und die Spionageabwehr
in Verbindung mit den wichtigen Beziehungen zwischen
uns und den Vereinigten Staaten von Amerika, die digi-
tale Verwaltung und die Investitionen in Netze des
Bundes, der Datenschutz, insbesondere die EU-Daten-
schutzverordnung, die Tarifeinheit, die Frage, ob wir
Olympische Spiele in Deutschland wollen


(Beifall der Abg. Dr. Eva Högl [SPD] – Dr. Eva Högl [SPD]: Wollen wir!)


und welche Rolle wir dabei einnehmen, die Sportförde-
rung und vieles andere mehr. All das haben wir disku-
tiert und werden es auch weiterhin diskutieren.

Ich möchte mich heute in meiner Rede auf zwei The-
men konzentrieren, die uns in diesen Tagen besonders
beschäftigen und in den nächsten Jahren weiterhin be-
sonders beschäftigen werden. Das ist einmal das Thema
Sicherheit und einmal das Thema Asyl und Migration.

Zunächst zum Thema Sicherheit. Deutschland ist ei-
nes der sichersten Länder in der Welt. Die Zahl der poli-
zeilich registrierten Straftaten liegt seit Jahren unter
6 Millionen. Wir haben sogar eine geringfügige Senkung
beobachten können. Dennoch haben heute mehr Men-
schen als früher das Gefühl, dass die Zahl der Straftaten
in Deutschland zunimmt. Das liegt möglicherweise darin
begründet, dass die Zahl der unmittelbar persönlich
wahrnehmbaren Straftaten gestiegen ist. So belegen die
aktuellen Zahlen, dass die Zahl der Wohnungseinbrüche
im letzten Jahr um 3,7 Prozent gestiegen ist. Dies ge-
schieht nicht zum ersten Mal. Wir sind zwar noch nicht
so weit wie Anfang der 90er-Jahre, aber seit zwei oder
drei Jahren steigt die Zahl der Einbruchdiebstähle.

Im Bereich des Kfz-Diebstahls haben wir zwar nur ei-
nen geringfügigen Anstieg um 0,5 Prozent. Regional ist
das aber sehr unterschiedlich. In bestimmten Ballungs-
zentren und bestimmten Grenzregionen im Osten und
Norden haben wir es mit besorgniserregenden Fallzahlen
zu tun. Darauf müssen wir reagieren, und darauf haben
Bund und Länder reagiert. Bund und Länder haben auf
der letzten Innenministerkonferenz den Einbrechern in
diesem Land gemeinsam den Kampf angesagt. Wir müs-
sen regional ermitteln. Die Länder müssen gut zusam-
menarbeiten. Die Länder müssen gut mit dem Bund
zusammenarbeiten. Wir müssen international besser zu-
sammenarbeiten; denn wir haben es mit international or-
ganisierter Bandenkriminalität zu tun.

Wir haben auch ein Maßnahmenpaket gegen die
grenzüberschreitende Kfz-Kriminalität erarbeitet. Wir
haben den deutsch-polnischen Polizeivertrag zu Ende
verhandelt. Wir sind in Schlussverhandlungen mit der
Tschechischen Republik über einen entsprechenden Ver-
trag. Mit meinen französischen und niederländischen
Kollegen arbeite ich bei der Bekämpfung grenzüber-
schreitender Kriminalität mit Hochdruck zusammen.

In vielen dieser Fälle – ich sagte es – stellen wir ver-
stärkt Bezüge zur Organisierten Kriminalität, zur Ban-
denkriminalität fest. Wir nennen es Vorfeld-OK – der
Begriff der Organisierten Kriminalität ist in der Krimi-
nalistik eng definiert –; faktisch ist es Organisierte Kri-
minalität. Rund 78 Prozent der 2013 in Deutschland
geführten Ermittlungsverfahren im OK-Bereich hatten
internationale Bezüge – in 128 Staaten. Die Zentralen
dieser international agierenden Banden liegen in Italien,
in den Balkanstaaten, in Georgien, in Russland; und im-
mer sind deutsche Staatsbürger dabei.

Auf diese Entwicklungen müssen unsere Ermittlungs-
behörden antworten. Um Schritt zu halten, entwickeln
Polizei und Staatsanwaltschaften neue Bekämpfungs-
strategien. Das BKA, Europol und Interpol arbeiten
international mit Partnern zusammen. Wir werden dem-
nächst, noch im November, einen Deutschen, nämlich
den Vizepräsidenten des BKA, als Präsidenten von Inter-
pol haben – ein schöner Erfolg für Deutschland.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir arbeiten, wo es eben geht – um es mal so zu for-
mulieren –, mit den Regierungen vor Ort zusammen. Es
ist jedoch auch die Aufgabe des Gesetzgebers, dafür
Sorge zu tragen, dass unseren Ermittlern im Kampf ge-
gen das international organisierte Verbrechen die nötigen
Instrumente zur Verfügung stehen. Dafür haben wir uns
in der Koalition auf Ziele geeinigt: Wir haben vereinbart,
die Geldwäschebekämpfung zu intensivieren. Wir müs-
sen endlich den Rahmenbeschluss der Europäischen
Union zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität in
deutsches Recht umsetzen. Wir werden die Abschöpfung
von Vermögen aus Straftaten vereinfachen. Denn es trifft
die OK und vor allem die Führer der OK am allermeis-
ten, wenn das, worum es geht, nämlich das Geld aus Ver-
brechen, eingezogen wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Bei all diesen Vorhaben haben wir keine Zeit zu verlie-
ren. Mein Kollege Maas und ich arbeiten deshalb mit
Hochdruck daran, diese Vorhaben zügig umzusetzen.

Meine Damen und Herren, eine größer werdende Be-
drohung für die öffentliche Sicherheit in Deutschland
stellt weiterhin der islamistische Extremismus dar. Ich
bin von Herzen froh, dass sich die ganz überwiegende,
große Mehrheit der Moslems gerade in den letzten Tagen
über ihre Verbände öffentlich davon distanziert hat.


(Beifall im ganzen Hause)


Das ist ein großer Beitrag zur Stärkung des inneren Zu-
sammenhalts und isoliert diejenigen, die sich für ihre
politischen Zwecke fälschlicherweise auf den Islam be-
rufen.





Bundesminister Dr. Thomas de Maizière


(A) (C)



(D)(B)

Wir haben in den vergangenen Jahren im Bereich des
Salafismus eine steigende Anhängerzahl festgestellt; wir
schätzen die Zahl auf rund 6 000. Derzeit bereiten uns
vor allem die Reisebewegungen radikalisierter deutscher
Islamisten oder von Islamisten anderer Staatsangehörig-
keit aus Deutschland große Sorge. Seit 2012 wissen wir
von mehr als 400 Ausreisen aus Deutschland in syrische
Kampfgebiete und vermehrt auch in den Irak. Es gibt
Hinweise, dass dabei mehr als 40 Personen ums Leben
gekommen sind, einige davon als Selbstmordattentäter
im Irak. Über 100 Islamisten sind bisher zurückgekehrt,
viele frustriert, aber andere mit Kampferfahrungen; sie
haben gelernt, zu hassen und zu töten, sie sind vernetzt,
sie sind ausgebildet und möglicherweise bereit zum Wis-
senstransfer zu anderen. In manchen Szenen gelten sie
als Helden. Wir wollen verhindern, dass diese radikali-
sierten Kämpfer ihren Dschihad in unsere deutschen
Städte tragen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ich will es noch einmal ernster sagen: Wenn wir nicht
wollen, dass deutsche Soldaten an der Seite von Kurden
gegen IS bzw. ISIS kämpfen, dann müssen wir wenigs-
tens dafür sorgen, dass nicht Männer und Frauen aus
Deutschland an der Seite von IS gegen Kurden, gegen
Jesiden und gegen Christen kämpfen.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir setzen dabei auf die Arbeit unserer Sicherheitsbe-
hörden; sie arbeiten gut. Am vergangenen Wochenende
sind vier Rückkehrer – es handelt sich in diesem Fall um
Personen aus dem Bereich der al-Schabab – auch dank
der Zusammenarbeit mit dem kenianischen Dienst auf
ihrem Weg nach Deutschland verhaftet worden. Drei von
ihnen sitzen in Haft. Wir denken darüber hinaus intensiv
darüber nach und prüfen, welche neuen Maßnahmen wir
in Deutschland kurzfristig ergreifen können, um gegen
die Aktivitäten des IS in Deutschland vorzugehen. Sehr
schnell werden dazu Entscheidungen fallen.

Ich möchte noch etwas zum Thema Asyl sagen. Ich
denke, das erwarten Sie von mir, und das ist angesichts
der Lage auch angemessen. Deutschland ist ein Einwan-
derungsland geworden, und die meisten Menschen in
unserem Land stehen der Zuwanderung inzwischen posi-
tiv gegenüber. Das ist ein großer Fortschritt gegenüber
den 70er- und 80er-Jahren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Angesichts der Tatsache, dass wir wegen des demografi-
schen Wandels künftig dringend auf mehr Zuwanderung
angewiesen sein werden, ist das eine gute Nachricht. Es
gibt kein einziges Handwerkerforum, in dem ich nicht
auf das Thema Zuwanderung und Fachkräftemangel an-
gesprochen werde. Das ist auch angesichts der Tatsache,
dass gerade jetzt die Zahl der Menschen, die als Asylbe-
werber Schutz in unserem Lande suchen, massiv an-
steigt, eine gute Nachricht. Der UN-Flüchtlingskommis-
sar Guterres, der eine klare Aussprache normalerweise
nicht scheut, hat in den letzten Tagen gesagt:

Deutschland spielt eine führende Rolle beim Flücht-
lingsschutz und dient als positives Beispiel …

Im Jahr 2013 wurden in der Europäischen Union
435 000 Asylanträge registriert. Allein auf Deutschland
entfielen davon 30 Prozent. Für das laufende Jahr zeich-
net sich ein Anstieg ab. Ich rechne für dieses Jahr mit
200 000 oder vielleicht sogar etwas mehr Asylanträgen
in Deutschland. Angesichts der Lage in den Ländern und
Kommunen, die an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit
gelangen, müssen wir nach Lösungen suchen. 2014 ha-
ben wir das entsprechende Bundesamt mit zusätzlichen
Stellen und Sachmitteln für die schnellere Bearbeitung
der Verfahren gestärkt. Für 2015 sprechen wir noch über
die entsprechenden Haushaltsauswirkungen.

Da mit einer kurzfristigen Umkehr dieses Trends an-
gesichts der geopolitischen Lage leider nicht gerechnet
werden kann, müssen wir alles dafür tun, die tatsächliche
Aufnahmebereitschaft in Europa für die wirklich schutz-
bedürftigen Flüchtlinge, für die schutzbedürftigen Asy-
lanten längerfristig zu erhalten. Ein dringend notwendi-
ger Schritt – damit spreche ich die Grünen noch einmal
an – ist deshalb der Gesetzentwurf zu den sicheren Her-
kunftsstaaten, mit dem wir die faktische Armutsmigra-
tion, zum Teil aus Ländern, die einen EU-Beitrittskandi-
datenstatus haben, reduzieren wollen. Ich werbe an
dieser Stelle noch einmal ausdrücklich um die Zustim-
mung zu diesem Gesetzentwurf im Bundesrat.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir brauchen aber auch dringend eine gemeinsame
europäische Antwort auf die steigenden Flüchtlingszah-
len und die verheerende Situation im Mittelmeerraum.
Deshalb haben mein französischer Freund und Kollege
Bernard Cazeneuve und ich eine Initiative gestartet, die
wir heute in Form eines Briefes an die EU-Kommission
senden – gemeinsam mit unseren polnischen und spani-
schen Kollegen sowie mit unserer britischen Kollegin.
Wir wollen eine gemeinsame europäische Antwort auf
diese Herausforderung. Diese Initiative umfasst sieben
Punkte:

Erstens. Wir wollen mit Blick auf die Zuwanderung in
die Europäische Union eine bessere Kontrolle der exter-
nen Grenzen der Europäischen Union. „Mare Nostrum“
war als Nothilfe gedacht und hat sich als Brücke nach
Europa herausgestellt. Das kann nicht auf Dauer so sein.
Deswegen soll „Mare Nostrum“ im Herbst durch ein an-
deres Mandat abgelöst werden, durch eine Operation, die
etwas weiter gefasst ist als laufende Frontex-Operatio-
nen.

Zweitens. Wir müssen darauf bestehen, dass alle Län-
der, egal ob sie im Norden, in der Mitte oder im Süden
Europas liegen, sich an die Regeln halten, die sie selber
unterschrieben haben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)






Bundesminister Dr. Thomas de Maizière


(A) (C)



(D)(B)

Das heißt, alle Flüchtlinge, alle Asylbewerber, die an-
kommen, müssen registriert werden. Es müssen ihre Fin-
gerabdrücke genommen werden, und sie müssen in den
Ländern, in denen sie ankommen, menschenwürdig und
anständig aufgenommen werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Tatsache, dass wir das als Punkt einer Initiative her-
vorheben, zeigt, dass wir dort Mängel haben.

Drittens. Wir sind auch in der Europäischen Union
bereit zu einer koordinierten gemeinsamen Politik der
Rückführung in Länder, in die sie unter humanitären Ge-
sichtspunkten möglich ist.

Viertens. Wir wollen überlegen, ob wir für die Län-
der, bei denen das Bestehen eines Rechtes auf Asyl
ziemlich klar ist, zu einem schnelleren Asylverfahren
– auch in Europa – kommen, damit schneller klar ist,
wer bleiben darf.

Fünftens. Das ist ein wichtiger und neuer Punkt. Wir
sind sogar bereit, darüber zu sprechen, ob wir auf frei-
williger Basis zeitlich befristet die Länder entlasten, die
überproportional viele Flüchtlinge aufnehmen. Natürlich
muss sich jedes Land an seine Verpflichtungen halten.
Dies geschieht zwingend unter Anrechnung der Lasten,
die die Länder bereits schultern, die besonders viele
Flüchtlinge aufgenommen haben. Faktisch haben wir
nämlich in nur 10 von 28 europäischen Ländern eine
Aufnahme von Flüchtlingen in nennenswertem Umfang.
Eine solche Verteilung – manche fordern sie seit langem –
ist nicht einfach zu organisieren. Wir werden viele De-
batten darüber führen müssen. Aber wenn bestimmte
Länder an der Grenze ihrer Aufnahmekapazität sind,
dann müssen wir über eine zeitlich befristete, auf frei-
williger Basis erfolgende Veränderung sprechen, natür-
lich unter Anerkennung des geltenden Regelwerks.

Sechstens. Wir wollen in Europa verstärkt gegen den
Menschenhandel kämpfen. Denn alles, was wir hier an
Folgen bei den Menschen erleben, hat mit der verbreche-
rischen Aktivität von Menschenhändlern in Afrika und
in Europa, auch unter Beteiligung von Deutschen, zu
tun. Gegen diese müssen wir viel entschlossener als bis-
her vorgehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Siebtens. Wir brauchen einen viel koordinierteren, ge-
meinsamen, kohärenten – so nennt man das – Ansatz
gegenüber den Transitstaaten und gegenüber den Her-
kunftsstaaten. Wir alle wissen, wie schwierig es in Li-
byen ist. In Libyen ist es schwieriger als in Marokko.
Wir wissen, dass Eritrea und Somalia komplizierte
Strukturen haben. Wir können dies nicht einfach nur ta-
tenlos hinnehmen, sondern wir müssen mit gemeinsamer
europäischer Außenpolitik, mit Flüchtlingspolitik, mit
Entwicklungspolitik und mit der Innenpolitik ganz an-
ders auf diese Länder zugehen und mit ihnen arbeiten.

Ich hoffe, dass mit diesen sieben Punkten etwas in
Bewegung kommt, was auch Deutschland hilft. Wir er-
warten, dass wir am 9. und 10. Oktober, wenn sich die
europäischen Innenminister treffen, ein entsprechendes
Maßnahmenpaket beschließen können.

Wir brauchen einen klugen Umgang mit Zuwanderern.
Dafür brauchen wir einen Kompass. Mein Kompass ist
ganz einfach: Ja zur Aufnahme politisch Verfolgter. Ja zur
Aufnahme von Flüchtlingen aus Krisengebieten. Nein
zur Fehlleitung von Menschen in wirtschaftlicher Not
ins Asylsystem. – Wir stehen in Deutschland vor großen
Herausforderungen. Gerade in den Bereichen Sicherheit
und Migration ist es unsere gemeinsame Verantwortung,
die Weichen gegebenenfalls neu zu stellen. Wir wollen
hier die Gemeinsamkeit der Demokraten und nicht eine
Belastung des Zusammenhalts unserer Gesellschaft. Wir
wollen nicht, dass manche politisch davon Nutzen ha-
ben. Eine Grundlage dafür legt auch der Haushalt des
Jahres 2015.

In diesem Sinne freue ich mich auf die anstehenden
Beratungen und viel Unterstützung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804902500

Für die Fraktion Die Linke hat nun der Kollege Jan

Korte das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Jan Korte (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804902600

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Bevor wir uns den Haushaltsberatungen zu-
wenden, möchte ich für die Fraktion Die Linke zu dem,
was in Wuppertal unter dem Stichwort Scharia passiert
ist, zwei, drei Sätze verlieren. Ich fand die Reaktion des
Innenministers und des Justizministers angemessen und
sinnvoll. Wir sind auch bereit, wenn es nötig ist, uns
konstruktiv in gegebenenfalls anstehende Gesetzesände-
rungsverfahren einzubringen. Wichtiger finde ich aber,
um das klar zu sagen: Was ist die richtige Antwort da-
rauf, wenn religiöse Fanatiker, egal woher sie kommen,
junge Menschen am Feiern hindern wollen? Die Antwort
darauf kann nur sein, am nächsten Wochenende mehr zu
feiern. Wenn religiöse Fanatiker jungen Menschen das
Recht absprechen wollen, ordentliche Rockmusik zu hö-
ren, dann ist die Antwort darauf, mehr Rockmusik zu hö-
ren, und zwar noch lauter. Das ist die richtige Antwort
der Gesellschaft.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Für uns als Politiker gilt natürlich, dass wir mehr indi-
viduelle Freiheit, mehr Rechte für Migranten, mehr Inte-
gration, mehr Teilhabe und vor allem mehr Wertschät-
zung auch für die vielen Tausend Muslime organisieren
müssen, die in unserem Land mit uns zusammenleben.


(Beifall bei der LINKEN)


Mehr Lob ist heute nicht drin, Herr Minister.

Wir kommen nun zum zweiten Punkt. Ich meine, es
ist schon bemerkenswert, dass Sie in Ihrer Rede nicht ei-
nen Satz zu Edward Snowden, zur NSA und zum Über-





Jan Korte


(A) (C)



(D)(B)

wachungsskandal der letzten Monate verloren haben. Es
ist wirklich der Hammer, dass Ihnen dazu nichts einfällt.
Seit Snowden, seit über einem Jahr, ist unsere Gesell-
schaft – ich weiß ja nicht, inwieweit das bei Ihnen ange-
kommen ist – eine andere geworden. Das Nichtstun der
Bundesregierung liegt natürlich darin begründet, dass
Sie im Hinblick auf den Kampf gegen den internationa-
len Terrorismus im Kern dasselbe Denken haben – dass
nämlich der Zweck die Mittel heiligt – und dass Sie na-
türlich ganz, ganz dicke darin verstrickt sind. Das haben
wir hier schon oft dargelegt. Das hatte aber leider keine
nachhaltige Wirkung.

Deswegen will ich heute einen anderen Gedanken
vortragen; vielleicht bewegt er etwas im Hinblick auf
Ihre Innenpolitik. Es geht um die Frage: Was bedeutet
das, was wir von dieser Dimension seit mittlerweile über
einem Jahr wissen, eigentlich für die Gesellschaft? Mas-
senhafte anlasslose Überwachung ist ein schleichendes
Gift für jede Demokratie. Der Soziologe Wolfgang
Sofsky hat in einem treffenden Buch zur Verteidigung
der Privatsphäre geschrieben:

Wer jederzeit damit rechnen muß, ins Visier zu ge-
raten, der paßt sich freiwillig an.

Das ist bei all dem, was wir in den letzten Monaten
gehört haben, die große Gefahr; denn das können wir
nicht wollen. Wir wollen keine Anpassung. Wir wollen
Widerspruch. Wir wollen Ungehorsam, Engagement und
aufrechten Gang. In Ihrer Rede, die Sie eben vorgetragen
haben, hätten Sie dazu etwas sagen müssen. Dass Sie das
nicht getan haben, ist wirklich nicht zu fassen.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Und: Die freie Gesellschaft ist auf einen geschützten
privaten Raum angewiesen, in dem wir unsere privaten,
intimen, politischen Dinge bereden können, frei von
Überwachung. Aber dafür tun Sie nichts.

Drittens. In genau dieselbe Richtung weist auch Ihr
Verhalten im Hinblick auf die parlamentarische Kon-
trolle. Sie ist übrigens nicht nur für die Opposition, son-
dern auch für die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen
wichtig. Sie sitzen hier ja nicht als Pressesprecher der
Bundesregierung.


(Dr. Eva Högl [SPD]: Nein! Natürlich nicht!)


Vielmehr haben gerade die Innenpolitiker, auch die der
Koalitionsfraktionen, die Aufgabe, die Bundesregierung
und die Behörden zu kontrollieren. Das klappt gar nicht.

Ich will das an einem Beispiel deutlich machen. Seit
anderthalb Jahren verwenden wir – zumindest diejeni-
gen, die parlamentarische Kontrolle ernst nehmen – am
Telefon, sei es im Gespräch mit Mitarbeitern, sei es im
Gespräch mit Journalisten oder sonst wem, die Rede-
wendung: Nicht am Telefon.


(Zuruf von der CDU/CSU: Wie früher in der DDR, oder?)


Das kann doch nicht allen Ernstes der Normalzustand
sein, wie wir parlamentarische Kontrolle ausüben! Es
müsste Sie doch bewegen, dass es nicht mehr möglich
ist, am Telefon parlamentarische Kontrolle zu organisie-
ren. Das kann es nicht sein, und dagegen müssen wir,
alle Parlamentarier, gemeinsam entschieden vorgehen.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Schauen wir uns im Bereich der Kontrolle das Verhal-
ten der Bundesregierung im Detail an. Es gab eine
Anhörung im Untersuchungsausschuss. Nicht irgendje-
mand, sondern der ehemalige Präsident des Bundesver-
fassungsgerichts, Professor Dr. Hans-Jürgen Papier,
sagte sinngemäß, dass die Auslandsaufklärung des Tele-
kommunikationsverkehrs im Ausland durch den BND
ohne eine gesetzliche Grundlage verfassungswidrig ist.
Das ist, wie ich finde, ein durchaus massiver Vorwurf.
Darüber kann man nicht einfach hinweggehen, wie Sie
es leider tun.

Um hier ein wenig Bewegung hineinzubringen, hat
meine Fraktion in Bezug auf die Aussage Hans-Jürgen
Papiers und die Position der Bundesregierung eine de-
taillierte Anfrage formuliert. Sie haben es wirklich hin-
bekommen, auf elf detaillierte Fragen mit gerade einmal
13 Zeilen zu antworten – ohne einen Satz des Nachden-
kens, ohne mit einem Satz die Vorwürfe von Hans-
Jürgen Papier und anderen führenden Verfassungsrecht-
lern zu prüfen. Es ist doch wirklich nicht in Ordnung,
gegenüber dem Bundestag, der hier eine Aufgabe zu er-
füllen hat, so zu reagieren.


(Beifall bei der LINKEN)


Wenn das nicht schon Hammer genug ist, will ich Ih-
nen nicht vorenthalten, was Sie in Ihren Abschlusssätzen
schreiben. Die Bundesregierung antwortet – ich darf zi-
tieren –:

Der Respekt vor dem Deutschen Bundestag gebie-
tet, dass die Bundesregierung zunächst die Ergeb-
nisse des Untersuchungsausschusses abwartet. Die
Arbeit des Untersuchungsausschusses steht erst am
Anfang. Aus den Ergebnissen wird die Bundes-
regierung die notwendigen Konsequenzen ziehen.

Zitat Ende. Das ist wirklich der Hammer, noch so einen
frechen Satz hinterherzuschieben – wo wir doch wissen,
dass Sie vonseiten der Bundesregierung nun wirklich
maßgeblich die Arbeit dieses Untersuchungsausschusses
mit allen Mitteln torpedieren. So eine Antwort ist wirk-
lich der Hammer!

Übersetzt bedeutet das für alle Abgeordneten, egal
welcher Partei sie angehören, dass Sie im Bereich der In-
nenpolitik nicht bereit sind, zum Thema Überwachung
Kleine Anfragen zu beantworten, schriftliche Fragen zu
beantworten, mündliche Fragen zu beantworten, weil ja
der Untersuchungsausschuss noch tagt – wahrscheinlich
noch die gesamte Legislaturperiode. Wir alle, die wir im
Bereich der Innenpolitik tätig sind, können nach Hause
gehen, wenn bis dahin nichts mehr beantwortet wird. Ich
finde, dieses Verhalten ist an Arroganz nicht zu überbie-
ten, und fordere Sie wirklich auf, endlich Ihrer Aufgabe
nachzukommen, der Opposition und überhaupt allen





Jan Korte


(A) (C)



(D)(B)

Parlamentariern, die gewählt worden sind, um Sie zu
kontrollieren, ordentliche Auskunft zu geben!


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


In dem Sinne – vierter Punkt – geht natürlich auch der
heute vorliegende Einzelplan 06 – Bundesinnenministe-
rium – genau diesen Weg weiter. Um auch einmal an
Zahlen zu verdeutlichen, was ich eben im Bereich der
parlamentarischen Kontrolle darzustellen versucht habe,
schauen wir uns einmal die Relationen an: Das BKA soll
416 Millionen Euro bekommen, das Bundesamt für Ver-
fassungsschutz 209 Millionen Euro. Wie das dort aufge-
teilt wird und ob wir das sinnvoll finden oder nicht, ist
dann im Bereich der Haushaltsberatungen zu diskutieren.
Aber wenn man sich anschaut, was die Bundesbeauftragte
für den Datenschutz und die Informationsfreiheit demge-
genüber bekommen soll, muss man feststellen: Das sind
schlappe 9 Millionen Euro – in einer Zeit, wo der Daten-
schutz angesichts von Überwachung und Geheimdienst-
kontrolle eigentlich auf Platz eins der Agenda des Innen-
ministeriums stehen sollte.

Es geht noch weiter: Auch das IT-Sicherheitsgesetz,
das Sie vorgelegt haben, werden wir in zukünftigen
Haushaltsberatungen mit Zahlen untermauern müssen.
Dafür sind vorgesehen – um noch ein paar Zahlen zu
nennen –: 133 Stellen für das BSI, 79 Stellen für das
BKA, 55 Stellen für das Bundesamt für Verfassungs-
schutz, ganze 4 Stellen für die Bundesbeauftragte für
den Datenschutz. Das ist nicht angemessen. Wir fordern
Sie zu einer grundlegenden Umkehr in diesem Bereich
auf, so auch in der Stellen- und Finanzpolitik im Bereich
der Innenpolitik.


(Beifall bei der LINKEN)


Zum Schluss. Meine Fraktion und ich meinen, dass
wir in der Innenpolitik in der Tat einen grundlegenden
Richtungswechsel brauchen. Wir brauchen eine Debatte
über strukturelle Reformen bei den Geheimdiensten. Die
sind lange angekündigt worden. Bis jetzt habe ich nur
mitbekommen, dass beim Bundesamt für Verfassungs-
schutz ein Besucherzentrum eröffnet wurde; mehr habe
ich noch nicht gehört.


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch schon einmal ein Anfang! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das andere ist geheim!)


Ich finde, das ist zu wenig. Wir sind im Übrigen bereit
– und tun das auch als Linke –, mit den Geheimdiensten
zu diskutieren, wie dort mehr Kontrolle, mehr Refor-
men, möglich sind. Die Bundesbeauftragte für den Da-
tenschutz muss gestärkt werden, und sie muss schon vor
2016 völlig unabhängig werden.

Ich fasse zusammen: Der Bundestag muss auch im
Bereich der Innenpolitik seiner Aufgabe gerecht werden
können, die Bundesregierung, die Behörden zu kontrol-
lieren. Deswegen: Hören Sie mit dem Mauern und Ver-
weigern auf! Es ist grundsätzlich so, dass man den Obe-
ren immer auf die Finger schauen sollte. Im Bereich der
Innenpolitik muss man auch Ihnen von der Bundesregie-
rung im Speziellen auf die Finger schauen. Das werden
wir als linke Opposition mit großem Engagement und
großer Freude weiter tun; darauf können Sie sich verlas-
sen. Ich freue mich auf konstruktive Debatten in den
nächsten Wochen und Monaten.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804902700

Das Wort hat der Kollege Martin Gerster für die SPD-

Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Martin Gerster (SPD):
Rede ID: ID1804902800

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Ich denke, heute ist in der Tat ein historischer Tag, wir
erleben ein historisches Jahr. Ich will noch einmal in Er-
innerung rufen, was wir heute Morgen in der Allgemei-
nen Finanzdebatte, bei der Einbringung des Bundeshaus-
halts durch den Bundesfinanzminister, hier feststellen
konnten: Wir haben einen ausgeglichenen Haushalt vor-
gelegt bekommen, wir machen keine weiteren Schulden
mehr; diese Botschaft muss auch bei den Haushaltsbera-
tungen zum Einzelplan 06 an allererster Stelle stehen.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben die Verschuldung bei der Infrastruktur versteckt!)


Man muss an dieser Stelle auch einmal klar sagen: Das
sind natürlich harte Rahmenbedingungen, denen wir uns
alle natürlich ganz gezielt und bewusst unterworfen ha-
ben. Deswegen will ich an dieser Stelle auch noch mal
ein Dankeschön aussprechen an die Mitglieder der Ko-
alitionsfraktionen, aber natürlich auch an das Bundes-
innenministerium, speziell an den Bundesinnenminister;
denn ich bin der Meinung, dass bereits in den vergange-
nen Jahren die einzelnen Bereiche des Bundesinnen-
ministeriums einen erheblichen Beitrag dazu geleistet
haben, dass wir jetzt über einen ausgeglichenen Haushalt
beraten und ihn dann auch beschließen können. Deswe-
gen will ich einfach noch einmal darauf hinweisen, Herr
Bundesinnenminister, dass es doch völlig klar ist, dass
nicht alle Wünsche – insbesondere in Ihrem Geschäfts-
bereich – erfüllbar sind; denn Sie haben eine ganz beson-
dere Herausforderung zu meistern, da der Personalanteil
in Ihrem Haushalt sehr groß ist und Ihr Haushalt durch
eine große Bandbreite gekennzeichnet ist. Sie haben
aber natürlich auch strukturell und ganz aktuell enorme
Herausforderungen zu bewältigen. Ich darf für die SPD-
Fraktion hier einmal sagen: Aus unserer Sicht haben Sie
bei Ihrer Rede zur Einbringung Ihres Haushalts gerade
eben die richtigen Schwerpunkte gesetzt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Ich will auch deutlich machen, dass wir sehr froh und
glücklich sind, dass die Förderung des wichtigen Be-
reichs der Integration und der Integrationskurse, die wir





Martin Gerster


(A) (C)



(D)(B)

beim letzten Mal in einem gemeinsamen großen Kraftakt
hinbekommen haben, nachdem es mit den Bildungsmit-
teln nicht so geklappt hatte, wie wir uns das gewünscht
hatten, jetzt fortgeschrieben wird. Ich will ausdrücklich
würdigen, dass im Haushalt jetzt bereits von vornherein
244 Millionen Euro dafür eingestellt bzw. veranschlagt
sind, weil ich glaube, es ist ein sehr gutes Zeichen, dass
Menschen, die in unser Land kommen, auch bereit sind,
Integrationskurse zu besuchen, und sagen: Jawohl, das
bringt mich nach vorne, das tue ich für meine eigene be-
rufliche und Lebensperspektive. – Es ist aber doch auch
wichtig für unsere Gesellschaft, dass wir dieses Angebot
machen, und da es so gut angenommen wird, sollten wir
hier natürlich entsprechend nachsteuern und die notwen-
digen Plätze von vornherein bereitstellen.


(Beifall bei der SPD)


Ein zweiter wichtiger Punkt – Sie haben das ja auch
selbst angesprochen – sind die kriegsähnlichen Kon-
flikte, die rund um Europa bedauerlicherweise zuneh-
men und natürlich eine besondere Herausforderung be-
inhalten – insbesondere für Ihr Ressort. Ich will an
dieser Stelle einfach auch noch einmal in Erinnerung ru-
fen, dass bereits im Haushalt 2014 300 zusätzliche Stel-
len für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ste-
hen. Jetzt satteln wir noch einmal mindestens 50 Stellen
drauf. Das ist absolut notwendig. Wer mehr fordert,
muss sich natürlich auch überlegen, ob es überhaupt
möglich wäre, mehr qualifiziertes Fachpersonal in so
kurzer Zeit zu gewinnen, sodass diese Stellen dann auch
besetzt werden könnten. Deswegen glaube ich, dass es
wichtig ist, hier mit Augenmaß voranzugehen und trotz-
dem im Blick zu behalten, dass alle Asylanträge gut,
qualifiziert und individuell beschieden werden. Dabei
sollten wir trotz der steigenden Zahl natürlich auch nicht
das Ziel aus den Augen verlieren, die Zeit für die Bear-
beitung eines Asylantrags zu verkürzen, wie wir das im
Koalitionsvertrag gemeinsam verabredet haben.

Ich möchte jetzt gerne noch einige Sätze zum Thema
Bundespolizei sagen. In den letzten Tagen gab es immer
wieder seltsame Medienberichte, wonach die Bundes-
polizei pleite sei. Das ist natürlich – das muss man an
dieser Stelle einfach auch einmal klar sagen – Humbug.
Die Bundespolizei geht nicht pleite. Wir haben hier ja
zwei zuständige Minister: den Bundesinnenminister de
Maizière von der Union und natürlich den Bundes-
finanzminister Wolfgang Schäuble, der früher auch ein-
mal Innenminister war. Beide kennen sich hier gut aus
und haben eine entsprechende Expertise. Deswegen ge-
hen wir vonseiten der SPD-Fraktion davon aus, dass sich
die zwei zusammensetzen und die kurzfristigen Eng-
pässe – sollten sie tatsächlich vorhanden sein – beseiti-
gen;


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Norbert Barthle [CDU/CSU])


denn es kann natürlich nicht sein, dass irgendwelche
Prophezeiungen in Medienberichten zur Realität wer-
den. Die Erwartung der SPD-Fraktion ist hier klar.

Allen, die jammern und sagen, hier werde der Sicher-
heitsbereich vernachlässigt, will ich einfach noch einmal
in Erinnerung rufen, dass wir als Große Koalition bereits
ein großes Stellenhebungspaket für diese Legislatur-
periode auf den Weg gebracht haben. Insgesamt werden
über 1 300 Beamtinnen und Beamte befördert; in diesem
Jahr erfolgt die Beförderung der zweiten Tranche. Das
sollten wir nicht verheimlichen, sondern offensiv ver-
künden. Das gehörte nicht nur letztes Jahr erwähnt, son-
dern das gehört jedes Jahr erwähnt.

Ich muss auch vonseiten der SPD-Fraktion sagen: Wir
sind sehr froh, dass insbesondere der mittlere Dienst im
Bereich der Bundespolizei davon profitieren wird, dass
auch im nächsten Haushaltsjahr Mittel für Beförderun-
gen von der Besoldungsgruppe A8 auf A9 vorgesehen
sind. Insofern sage ich: Das, was darüber hinaus noch
möglich ist, sollten wir noch einmal besprechen. Aber
die Ausgaben für die Bundespolizei mit einem großen
Anteil im Haushalt sollten wir nicht aus den Augen ver-
lieren. Das Gleiche gilt für unsere Einrichtungen und
Behörden im Bevölkerungsschutz und bei der Katastro-
phenhilfe.

Noch ein Wort zum Sport. Die SPD-Fraktion freut
sich sehr, dass die Mittel für „Jugend trainiert für Olym-
pia“ und „Jugend trainiert für Paralympics“ wieder im
Haushalt eingestellt sind. Aber wenn die Jugend jetzt für
Olympia und für die Paralympics trainiert, dann sollten
wir auch die Bewerbung für Olympia offensiv vorantrei-
ben.


(Beifall der Abg. Dr. Eva Högl [SPD])


Zunächst lassen wir den DOSB entscheiden. Aber dann
wollen wir gemeinsam dafür werben, dass wir nicht nur
Fußballweltmeister werden können, sondern auch ein
hervorragender Ausrichter der Olympischen und Para-
lympischen Spiele in unserem Land sein können.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


– Herzlichen Dank. – Ich freue mich auf die weiteren
Beratungen und auf die gute Zusammenarbeit, die wir
bereits bei der letzten Haushaltsdebatte hatten.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804902900

Das Wort hat der Kollege Volker Beck für die Frak-

tion Bündnis 90/Die Grünen.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804903000

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr In-

nenminister, weil Sie uns direkt angesprochen haben,
will ich mit dem Thema Flüchtlinge beginnen. Ich finde
es gut, dass wir uns bereit erklären, mehr Flüchtlinge aus
Irak und Syrien aufzunehmen. Wir brauchen hier eine
gemeinsame europäische Anstrengung, um die humani-
täre Situation durch Aufnahme von Flüchtlingen wie
durch humanitäre Hilfe vor Ort zu entspannen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jan Korte [DIE LINKE])






Volker Beck (Köln)



(A) (C)



(D)(B)

Aber es ist unanständig, wenn wir bestimmte Flücht-
lingsgruppen, etwa die aus dem Balkan und die aus Irak
und Syrien, in der Debatte gegeneinander ausspielen.


(Jan Korte [DIE LINKE]: Genau!)


Sie selber haben mit Ihrem Sieben-Punkte-Plan gerade
anerkannt: Das Dublin-System, bei dem der Artikel 16 a
Grundgesetz hinsichtlich der Regelungen zu sicheren
Herkunfts- und Drittstaaten Pate stand, ist in seiner
Durchführung faktisch gescheitert. Ich nenne hier nur
Italien und Griechenland. Sie wissen selber, welche Pro-
bleme dort aufgetreten sind.

Die Hypothese, dass man über ein ganzes Land pau-
schal sagen kann: „Das ist für alle Gruppen gleicherma-
ßen sicher“, stimmt einfach nicht. Es stimmt bei diesen
drei Balkanstaaten für zwei Gruppen besonders nicht:
für die Gruppe der Roma und für die Gruppe der Homo-
sexuellen. Diese werden in diesen Ländern diskriminiert
und verfolgt. Das kann man nicht einfach vom Tisch wi-
schen und sagen: Das schauen wir uns im Sinne eines in-
dividuellen Grundrechts auf Asyl gar nicht mehr an. –
Das ist das falsche Konzept. Deshalb lehnen wir das ab.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Die Behauptung, der Gesetzentwurf zu den sicheren
Herkunftsstaaten entlaste die Kommunen, stimmt nun
gar nicht. Sie wissen genau: In vielen Fällen werden An-
träge von Flüchtlingen aus diesen Ländern ganz schnell
als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt. Es wird
durch dieses Gesetz keine Verfahrensbeschleunigung
und deshalb auch keine Entlastung geben. Das sind alles
Schalmeiengesänge. Hier soll eine Kampagne gegen die
Flüchtlinge gemacht werden. Aber dieses Gesetz wird
keine Hilfe für die Kommunen sein.

Ich bin dafür, dass wir den Kommunen helfen. Ich bin
auch dafür, dass wir darüber reden: Wie gehen wir in
diesem Land mit Flüchtlingen um? Wenn das Asylbe-
werberleistungsgesetz, das das Bundesverfassungsge-
richt für verfassungswidrig erklärt hat, gestrichen wird,
dann helfen wir den Kommunen bei den finanziellen
Lasten unmittelbar. Machen Sie das! Bringen Sie einen
entsprechenden Gesetzentwurf auf den Weg.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wenn wir jetzt bis hinein in die CDU entdecken – die-
sen Wandel will ich wohlwollend anerkennen –, dass
man sich im Rahmen der Aufnahme von Flüchtlingen
aktiv bemühen und engagieren muss, dann müssen wir
auch darüber reden: Wie gehen wir mit diesen Menschen
um? Dann muss auch klar sein: Residenzpflicht, das
Asylbewerberleistungsgesetz, aber auch Vorrangprüfung
beim Zugang zum Arbeitsmarkt müssen weg. Wir dürfen
diese Menschen nicht als Lasten begreifen. Wenn wir sie
aufnehmen, um ihnen Schutz zu gewähren, müssen wir
auch ihre Potenziale sehen und ihnen die Möglichkeit
geben, ihre Potenziale in unsere Gesellschaft einzubrin-
gen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Dieses Geschacher wird Ihnen mittlerweile Gott sei
Dank auch draußen im Lande übel genommen. Ulrich
Schneider vom Paritätischen Gesamtverband hat heute
gesagt, dass es unanständig ist, diese Gruppen in einem
parteipolitischen Geschacher gegeneinander auszuspie-
len, dass es unanständig und unsinnig ist, die Einstufung
als sichere Herkunftsstaaten zum Beispiel gegen Verbes-
serungen bei der Altfallregelung zu verdealen. Entweder
ist ein Herkunftsstaat tatsächlich sicher – dann muss man
die Einstufung nicht verdealen – oder nicht. Entweder ist
eine Altfallregelung humanitär geboten – dann muss
man sie nicht zum Preis für eine Zustimmung zu irgend-
welchem Unsinn machen – oder nicht. Also lassen Sie
uns das sachlich betrachten und zu einer vernünftigen In-
nenpolitik zurückkehren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Eine bessere Einwanderungspolitik heißt auch: Will-
kommenskultur und nicht Diffamierung. Über einen
Punkt haben Sie in diesem Zusammenhang übrigens gar
nicht gesprochen: über Ihren Gesetzentwurf zur Ände-
rung des EU-Freizügigkeitsrechts. Darin ist viel Europa-
rechtswidriges enthalten. Darin ist aber zum Beispiel
auch eine Maßnahme beim Kindergeldbezug enthalten,
gegen die man im Prinzip gar nichts haben kann. Sie hat
bloß dummerweise mit den EU-Freizügigkeitsrechten
gar nichts zu tun. Aber der Bundesrechnungshof hat Ih-
nen einen Bericht auf den Tisch gelegt, in dem steht,
dass es einen Kindergeldbetrug von Tausenden von deut-
schen Beamten gab. Soweit ich weiß, sind deutsche Be-
amte überwiegend keine Bulgaren und Rumänen.


(Zuruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


– Ja, man soll ja nie behaupten, dass etwas zu 100 Pro-
zent so ist; da könnte man immer eine Ausnahme finden.

Zum Thema Menschenhandel haben Sie gesagt: Da
müssen wir energischer vorgehen. – Das teile ich voll
und ganz. Aber bitte lassen Sie uns nicht über Strafrechts-
ästhetik streiten. Das meiste davon ist strafbar, und dazu
gibt es einen alten Entwurf aus dem BMJ, den ich im
Wesentlichen – bis auf einige Details – gar nicht ver-
kehrt finde. Das lohnt den Streit nicht.

Lassen Sie uns endlich den Opfern des Menschenhan-
dels helfen! Ein Opfer von Menschenhandel darf nicht in
die Situation zurückgeschoben werden, aus der es ge-
raubt und hierher verbracht wurde, sodass es wieder in
eine Zwangssituation kommt. Opfer von Menschenhan-
del brauchen einen Aufenthaltstitel, und zwar unabhän-
gig davon, ob sie vor Gericht aussagen oder nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Denn oftmals – das wissen auch Sie – sind die Kinder
oder die Eltern der Opfer noch im Heimatland. Wenn die
Opfer hier vor Gericht aussagen wollen, werden sie da-
mit unter Druck gesetzt. Wenn wir ihre Familie auch ho-





Volker Beck (Köln)



(A) (C)



(D)(B)

len und retten, können wir erwarten, dass sie aussagen,
aber ansonsten funktioniert das einfach nicht.

Nun zu einem Thema, das uns alle umtreibt: die ak-
tuelle Sicherheitslage. Wie gehen wir mit den Fragen
ISIS, „Scharia-Polizei“, Islamisten und Salafisten um?

Der erste Punkt ist, finde ich: Wir sollten uns zügig
daranmachen, die UN-Resolution 2170 umzusetzen, was
Aufgabe der Innenpolitik ist. In der Resolution steht
nämlich: Wir müssen den Fluss von Kämpfern aus unse-
ren Ländern in diese Region stoppen. – Ich verstehe
nicht, dass in diesem Zusammenhang dauernd über neue
Gesetzgebung geredet wird, während gleichzeitig das
bestehende Recht überhaupt nicht zur Anwendung
kommt.

Personalausweisgesetz bzw. Passgesetz erlauben es
schon heute, Reisepässe zu entziehen und den Geltungs-
bereich des Personalausweises auf die Bundesrepublik
Deutschland zu beschränken. Auch Ausländern kann
man die Ausreise – wie Deutschen, nach den gleichen
Voraussetzungen wie im Passgesetz – verbieten. Aber
von einem Anwendungsfall, in dem man das wirklich
durchgesetzt hätte, habe ich bis jetzt nichts gehört. Ich
habe vom Innenminister Jäger des Landes Nordrhein-
Westfalen mit Blick auf das Personalausweisgesetz ge-
hört, dann stünde die Beschränkung ja nur in einer Datei.
Da müsste man natürlich dafür sorgen, dass in solchen
Fällen ein Sichtaufdruck auf den Personalausweis
kommt, damit jede Fluggesellschaft beim Einchecken
weiß: Dieser Mensch darf keinen Flug ins Ausland neh-
men; der muss hierbleiben.

Da müssen Sie rangehen. Sie sollten nicht nach neuen
Gesetzen schreien, sondern das Notwendige endlich auf
den Weg bringen und die geltenden Gesetze auch an-
wenden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Am Wochenende gab es ja die Diskussionen zur
„Scharia-Polizei“ in Wuppertal. Es ist völlig klar: Auf
deutschen Straßen übt die Hoheitsgewalt nur die deut-
sche Polizei aus und sonst niemand. Auf unseren Straßen
darf im privaten Bereich niemand anders Uniform tragen
als Funken im Karneval und Schützenvereine, die sich
solche Hoheitsgewalt auch nicht anmaßen.

Der Innenminister in Nordrhein-Westfalen hat ein
entsprechendes Verbot durchgesetzt. Gut so! Aber wir
müssen auch aufpassen, dass wir es bei solchen Punkten
mit der Aufregung unter den Innenpolitikern nicht über-
treiben. Der Kollege Herrmann aus Bayern hat jetzt ei-
nen „Sondergipfel“ gefordert; wir müssten das gesamte
deutsche Recht mal durchforsten, um zu prüfen, ob es
„islamistenfest“ ist. – Meine Güte: Über islamistischen
Terrorismus reden wir seit dem 11. September 2001, der
sich tragischerweise in dieser Woche zum 13. Mal jährt. –
Wir haben unsere Gesetze darauf geprüft, und wir müs-
sen sie einfach umsetzen. Wir sollten nicht die innen-
politische Diskussion nach dem Drehbuch dieser Halb-
starken aus Wuppertal führen. Die lachen sich doch ins
Fäustchen. Sie sind doch die Helden in ihrer Szene,
wenn sie mit einer Weste, die sie hinten aus einem Pkw
geholt und ein bisschen beklebt haben, die ganze deut-
sche Innenpolitik auf die Palme bringen und verrückt
machen. Da heißt es: konsequente Anwendung des
Rechts.

Wir sind in einer Haushaltsdebatte. Wo ist der Bereich
der Prävention? Ich habe den Haushaltstitel „Deradikali-
sierungsprogramme für die islamistische Szene“ vergeb-
lich in Ihrem Einzelplan gesucht. Ich finde, in diesem
Bereich müssen wir mehr machen. Wir können uns nicht
auf ein paar Modellprojekte zurückziehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Dazu passt auch, dass Ihre bisherigen Programme
nicht erfolgreich waren. Das Bundesamt für Verfas-
sungsschutz hatte eine Helpline. Ich habe gestern auf der
Homepage gesehen, dass sie im September 2014 einge-
stellt wurde. Man lässt das jetzt vom Bundesamt für Mi-
gration machen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804903100

Kollege Beck, achten Sie bitte auf die Zeit.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804903200

Aber nur Aussteigerprogramme am Ende des Radika-

lisierungsprozesses zu finanzieren, reicht nicht aus. Wir
müssen den Einstieg verhindern, indem wir den Men-
schen das Gefühl geben: Ihr seid hier zu Hause, und wir
setzen uns mit euren Konflikten und Problemen demo-
kratisch auseinander.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804903300

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege

Stephan Mayer das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Stephan Mayer (CSU):
Rede ID: ID1804903400

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolle-

ginnen! Sehr geehrte Kollegen! Ich bin davon überzeugt,
dass es uns selten so stark ins Bewusstsein kommt wie
derzeit, dass die unterschiedlichen Krisenherde auf unse-
rem Globus ganz unmittelbare Auswirkungen auf
Deutschland und auch auf die Sicherheit in Deutschland
haben. Wer vielleicht bisher glaubte, dass wir auf einer
Insel der Seligen leben und das, was in der Ukraine, im
Mittleren Osten und in manchen Teilen Afrikas passiert,
keine Auswirkungen auf Deutschland hat, der wird,
glaube ich, jetzt ganz deutlich eines Besseren belehrt.

Wir sehen dies zum einen im schon erwähnten deutli-
chen Anstieg des islamistischen Fundamentalismus in
Deutschland. Wir haben annähernd 6 000 Salafisten in
Deutschland, und ich glaube, es bedarf hier auch eines
klaren Aufschreis aller überzeugten Demokraten, dass es
nicht hinnehmbar ist, dass Personen in Deutschland, de-
nen gegenüber wir loyal sind und denen wir unsere frei-
heitlich-demokratischen Rechte gewähren, ganz offen





Stephan Mayer (Altötting)



(A) (C)



(D)(B)

skandieren, dass sie im Zweifel die Scharia vor deut-
sches Recht setzen.

Genauso unerträglich ist es, was sich in den letzten
Wochen leider Gottes auch in vielen Orten Deutschlands
abgespielt hat, nämlich antiisraelische und antijüdische
Demonstrationen mit volksverhetzendem Charakter.
Dies darf in Deutschland nicht passieren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen,
ebenso inakzeptabel sind die Umtriebe der Anhänger des
„Islamischen Staates“ in Deutschland. Das ist nicht hin-
nehmbar, und wir müssen auch deutlich dagegen vorge-
hen, dass auf deutschen Straßen und Plätzen Fahnen des
„Islamischen Staates“ mit dem Logo des „Islamischen
Staates“ geschwenkt werden. Wenn die Unterstützung so
groß ist, wie im Verlauf der vorhergehenden Wortmel-
dungen durchaus deutlich wurde, dann möchte ich ganz
klar dafür plädieren, dass wir die Sympathiewerbung für
terroristische Organisationen wieder unter Strafe stellen.
Lassen Sie uns dies tun. Das war schon einmal der Fall
und ist dann leider Gottes 2003 abgeschafft worden.
Aber es spricht überhaupt nichts dagegen, dass wir die-
sen Straftatbestand wieder einführen.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804903500

Kollege Mayer, gestatten Sie eine Frage oder Bemer-

kung des Kollegen Beck?


Stephan Mayer (CSU):
Rede ID: ID1804903600

Selbstverständlich. Sehr gerne.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804903700

Ich habe zwei Fragen, damit wir den Sachverhalt im

Zusammenhang mit den §§ 129 a und 129 b Strafgesetz-
buch klären. Würden Sie zustimmen, dass jede Mitglied-
schaft in einer terroristischen Vereinigung und jede
Unterstützungshandlung wie Geldsammlungen oder Re-
krutierungshandlungen nach dem bestehenden Recht
selbstverständlich strafbar sind? Würden Sie mir viel-
leicht auch darin zustimmen, dass wir im deutschen
Recht nicht nur das Werben oder Sympathiebekundun-
gen für ISIS unter Strafe stellen können, sondern das ab-
strakt für alle terroristischen Vereinigungen machen
müssen? Und was machen wir dann mit dem Satz, den
wir dann der politischen Beurteilung und Artikulation
entziehen: „Wir sind dankbar dafür, dass die syrische
PKK die Jesiden aus der Hand der ISIS befreit hat.“? Die
PKK ist eine verbotene Terrororganisation. Das, was ich
gerade im Zusammenhang mit den Jesiden gesagt habe,
wäre nach Ihrem Vorschlag eine strafbare Aussage. Ich
meine, Ähnliches hier im Hause schon gehört zu haben.


Stephan Mayer (CSU):
Rede ID: ID1804903800

Herr Kollege Beck, selbstverständlich ist die Mit-

gliedschaft in einer terroristischen Organisation in
Deutschland heutzutage unter Strafe gestellt; das ist auch
richtig so. Aber was leider Gottes nicht unter Strafe ge-
stellt ist, ist, auf den Plätzen und Straßen in Deutschland
seine Sympathie für den „Islamischen Staat“ offen zu
bekunden.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was machen Sie mit der PKK?)


Da der „Islamische Staat“ kein Verein ist, kann er nach
dem derzeit in Deutschland geltenden Vereinsrecht nicht
verboten werden.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die müssen wir gesellschaftlich ächten!)


Es ist deshalb umso wichtiger, dass wir die Sympathie-
werbung für derartige Bewegungen unter Strafe stellen.
Herr Kollege Beck, ich fordere Sie auf, sich zusammen
mit Ihrer Fraktion unserer Initiative und unserem
Wunsch anzuschließen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie könnten dabei ganz deutlich Ihre demokratische Ge-
sinnung zum Ausdruck bringen.


(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Was das Verbot der PKK angeht: Herr Kollege Beck,
die Einstufung erfolgt durch das Bundesinnenministe-
rium. Wir Parlamentarier, denen nicht die gleichen Infor-
mationen zur Verfügung stehen wie beispielsweise dem
Bundesinnenministerium, sollten uns hier nicht zu inten-
siv darüber auseinandersetzen, ob die PKK eine terroris-
tische Organisation ist oder nicht.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie steht auf unserer Terrorliste!)


Ich bin der festen Überzeugung, dass es nach wie vor
gute Gründe gibt, die PKK in Deutschland als terroristi-
sche Organisation einzustufen. Solange das Gegenteil
nicht bewiesen wird und solange nicht offenkundige Tat-
sachen vorgebracht werden, die dafür sprechen, hier eine
Veränderung vorzunehmen, sollten wir uns mit solchen
Forderungen und Wünschen wie den Ihrigen sehr zu-
rückhalten.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804903900

Kollege Beck, Sie müssen abwarten, ob eine zweite

Frage oder Bemerkung Ihrerseits zugelassen wird. Ich
mache darauf aufmerksam, dass hier kein Dialog entste-
hen darf. Wir müssen trotz allem in der Debatte vorwärts
kommen.

Erlauben Sie eine weitere Frage des Kollegen Volker
Beck?


Stephan Mayer (CSU):
Rede ID: ID1804904000

Sehr gerne.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804904100

Vielen Dank. – Ich glaube, es ist gut, dass wir uns

auch in der Öffentlichkeit über solche Fragen fachlich
austauschen.





Volker Beck (Köln)



(A) (C)



(D)(B)

Ich habe nicht gesagt, dass die PKK von der Terror-
liste gestrichen werden soll. In der Tat möchte ich mehr
von den Diensten erfahren, bevor ich mir dazu ein neues
Urteil anmaße. Aber würden Sie mir vor dem Hinter-
grund, dass es sich hier eindeutig um eine Vereinigung
nach § 129 b und möglicherweise sogar nach § 129 a
handelt, zustimmen, dass es nicht sinnvoll wäre, die
politische Debatte in der Öffentlichkeit dahin gehend zu
beschneiden, dass man den Satz, den ich vorhin genannt
habe, unter Strafe stellt? Man muss diese Aussage nicht
für richtig halten. Aber die entscheidende Frage lautet:
Ist er strafbar? – „Ich bin dankbar, dass die syrische PKK
die Jesiden aus der Hand der ISIS befreit hat“: Soll ein
solcher Satz strafbar werden oder nicht?


Stephan Mayer (CSU):
Rede ID: ID1804904200

Herr Kollege Beck, zu dem Satz, den Sie nun zwei-

mal vorgetragen haben, sage ich ganz offen: Das hat
nichts mit Sympathiewerbung zu tun.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Natürlich! Kennen Sie die alte Werbungsrechtsprechung zum 129 a nicht?)


Es ist doch ein großer Unterschied, ob man auf dem
Potsdamer Platz in Berlin oder auf dem Marienplatz in
München freudestrahlend die Fahne des „Islamischen
Staates“ schwenkt oder ob man sagt, dass man Erkennt-
nisse hat, die belegen, dass Kämpfer der PKK dazu bei-
getragen haben, Jesiden oder Christen zu befreien. Das
hat doch nichts mit Sympathiewerbung zu tun. Das ist
vielmehr die Feststellung einer Tatsache. Herr Kollege
Beck, Sie müssen doch die Sachverhalte voneinander
trennen. Es darf nicht hingenommen werden, dass die
IS-Fahne in Deutschland straffrei geschwenkt werden
darf und dass man sich straffrei für den IS und seine Be-
strebungen offen aussprechen kann.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Der Herr Bundesinnenminister hat es schon erwähnt:
400 Deutsche sind bislang in den syrischen Bürgerkrieg
gezogen, um dort zu kämpfen. Wir dürfen unseren Blick
aber nicht nur auf diese 400 aus Deutschland Ausgereis-
ten richten. Mittlerweile sind über 3 000 Menschen aus
ganz Europa nach Syrien ausgereist. Erst vor wenigen
Wochen ereignete sich ein tragischer Zwischenfall in
Brüssel. Ein Franzose, der auch die marokkanische
Staatsbürgerschaft besaß, brachte vier Menschen im Jü-
dischen Museum in Brüssel um. Er war über Frankfurt
eingereist. Wir müssen uns ganz klar vor Augen halten:
Was vor wenigen Wochen in Brüssel passiert ist, hätte
genauso gut in Berlin, in Frankfurt oder in München pas-
sieren können. Deshalb sind alle aufgerufen – allen vo-
ran die Verfassungsschutzämter –, hierauf einen intensi-
ven Blick zu werfen. Ich sage ganz offen: Wir müssen
im Hinblick auf die anstehenden Haushaltsberatungen
intensiv darauf achten, unser Bundesamt für Verfas-
sungsschutz personell und finanziell so auszustatten,
dass es den gewachsenen Herausforderungen gerecht
werden kann.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Es geht nicht darum, den Verfassungsschutz abzu-
schaffen, wie Sie von den Linken, Herr Kollege Korte,
es immer wieder stereotyp fordern, sondern es geht da-
rum, die Kompetenzen des Verfassungsschutzes in man-
chen Bereichen zu stärken


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vor allem die fachliche Kompetenz! Das wäre mal vonnöten!)


und insbesondere für die notwendige personelle Ausstat-
tung des Verfassungsschutzes zu sorgen.

Es ist gut, dass bisher schon alles dafür getan wurde,
die Ausreise von Dschihadisten nach Möglichkeit zu
verhindern. Da war der Verfassungsschutz durchaus
schon erfolgreich. Ich glaube, dies gilt es herauszustel-
len. Ich finde es aber auch richtig, dass intensiv geprüft
wird, ob nicht auch die Möglichkeiten und die rechtli-
chen Kompetenzen erweitert werden müssen, um die
Rückreise von Dschihadisten nach Deutschland zu ver-
hindern. Ich bin der Innenministerkonferenz sehr dank-
bar, dass sie sich dahin gehend derzeit intensive Gedan-
ken macht.

Uns alle zieht natürlich die Entwicklung im Bereich
des Asyls in ihren Bann. Es ist vom Bundesinnenminis-
ter schon erwähnt worden, dass in diesem Jahr aller Vo-
raussicht nach über 200 000 Erstanträge in Deutschland
gestellt werden und wir darüber hinaus noch weitere
Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen. Ich glaube, man kann
wirklich mit Fug und Recht behaupten – das Zitat von
Herrn Guterres ist schon erwähnt worden –: Deutschland
ist hier vorbildlich. Ich finde es teilweise etwas schade,
dass von manchen Seiten immer zu vermitteln versucht
wird, dass wir unserer Verantwortung nicht gerecht wür-
den und Deutschland nicht solidarisch sei. Das Gegenteil
ist der Fall. 30 Prozent aller Asylbewerber in ganz Eu-
ropa nimmt allein Deutschland auf. Ich glaube, das kann
sich sehen lassen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Gleichwohl stehen alle politischen und staatlichen
Bereiche in Deutschland derzeit vor einer großen He-
rausforderung. Es bedarf mit Sicherheit eines konzertier-
ten Ansatzes, um dieser großen Herausforderung gerecht
zu werden. Wenn man sich die Schutzquote der Asylbe-
werber in Deutschland ansieht, dann muss man feststel-
len: Sie liegt im Durchschnitt bei 30 Prozent. Nur, wenn
man sich die einzelnen Herkunftsländer wiederum an-
sieht, dann stellt man fest, dass die Unterschiede sehr
groß sind. Die Quote liegt zwischen teilweise 100 Pro-
zent, wie bei den syrischen Flüchtlingen, und, wie bei
den Asylbewerbern aus den Ländern des westlichen Bal-
kans, bei annähernd 0 Prozent.

Wenn man sich einmal vor Augen hält, Herr Kollege
Beck, dass 20 Prozent aller Asylbewerber in Deutsch-
land alleine aus den drei Ländern Serbien, Bosnien-Her-
zegowina und Mazedonien kommen, dann ist doch fol-
gender Gedanke alles andere als abwegig: Wenn die
Schutzquote bei den Asylbewerbern aus diesen drei ge-
nannten Ländern bei 0,1 Prozent oder maximal 0,2 Pro-
zent liegt,





Stephan Mayer (Altötting)



(A) (C)



(D)(B)


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Um wie viel schneller geht das mit „offensichtlich unbegründet“? Das ist weiße Salbe!)


müssen wir die Kapazitäten, die wir in Deutschland ha-
ben, in erster Linie für die freihalten, die in höchstem
Maße schutzbedürftig sind und denen in höchstem Maße
Gefahr für Leib und Leben droht. Deswegen möchte ich
eines deutlich betonen: Der Ball liegt im Spielfeld der
Grünen.

Ich möchte noch eines deutlich machen: Wir haben
aus meiner Sicht in Deutschland eine große Empathie
der Bevölkerung gegenüber schutzbedürftigen Flüchtlin-
gen, gegenüber Menschen, die politisch verfolgt werden
und denen Gefahr für Leib und Leben droht. Ich möchte
wirklich dafür sorgen – ich glaube, das ist eine Aufgabe,
die wir hier als Bundestag haben –, dass diese hohe Em-
pathie und Solidarität der deutschen Bevölkerung auch
aufrechterhalten werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Deswegen ist es aus meiner Sicht wichtig, dass am
19. September der Bundesrat dem Gesetz zu den siche-
ren Herkunftsstaaten zustimmt. Genauso wichtig ist es,
dass andere EU-Länder, allen voran Italien, auch ihrer
Verantwortung und ihren rechtlichen Verpflichtungen
nachkommen. Es kann nicht weiter angehen, dass zum
Beispiel Italien wie im letzten Jahr 60 000 Flüchtlinge
aufnimmt, aber von diesen 60 000 Flüchtlingen gerade
einmal 28 000 registriert und den Rest über Österreich
und Deutschland teilweise in die skandinavischen Län-
der weiterreisen lässt.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das zeigt: Dublin ist gescheitert!)


Auch andere EU-Länder müssen ihrer rechtlichen Ver-
pflichtung nachkommen.

Wir als Bundestag sind unserer Verpflichtung, das
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entsprechend
personell auszustatten, schon im Haushalt 2014 nachge-
kommen, indem wir 300 zusätzliche Stellen geschaffen
haben. Weil in manchen Reden insinuiert wird, es werde
nicht ordentlich geprüft, Anträge würden schnell abge-
lehnt und die Mitarbeiter des BAMF kämen ihrer Ver-
pflichtung nicht nach, möchte ich in aller Deutlichkeit
eine Lanze für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge brechen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Die machen einen guten Job. Sie stehen momentan, ge-
nauso wie viele andere auch, vor großen Herausforde-
rungen. Deswegen ist es richtig, dass zusätzliche Stellen
schon jetzt im Haushaltsentwurf ausgebracht sind und
man sich im parlamentarischen Verfahren möglicher-
weise über weitere Stellenmehrungen unterhalten wird.

Ich möchte nicht versäumen, noch darauf hinzuwei-
sen, dass insbesondere die finanzielle, aber auch die per-
sonelle Ausstattung der Bundespolizei den aktuellen
großen Herausforderungen nicht gerecht wird. Wir dür-
fen uns in diesen Haushaltsberatungen nicht nur auf die
Stellenmehrungen beim BAMF konzentrieren. Ich
glaube, insbesondere was die Situation bei der Bundes-
polizei anbelangt, ist vieles der Beschwer nicht über-
trieben, sondern durchaus berechtigt. Wir als Haushalts-
gesetzgeber stehen hier klar in der Verantwortung
gegenüber den Beamtinnen und Beamten in der Bundes-
polizei.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, zum
Abschluss noch ein herzliches Dankeschön. Sehr geehr-
ter Herr Bundesinnenminister, ich möchte es nicht ver-
säumen, Ihnen dafür zu danken, dass es Ihnen gelungen
ist, insbesondere in einem sehr konstruktiven Miteinan-
der mit dem Bundesaußenminister, einen langgehegten
Wunsch der Vertriebenenverbände, vor allem des Bun-
des der Vertriebenen, in die Tat umzusetzen, nämlich
dass wir in Deutschland endlich einen nationalen Ge-
denktag für die deutschen Heimatvertriebenen und
Flüchtlinge feiern können. Erstmals wird dies am
20. Juni des nächsten Jahres passieren. Es war ein langer
Weg dahin; aber endlich sind wir so weit. Ich glaube, das
ist etwas, worauf wir alle stolz sein können, worauf wir
uns freuen können. Vielen herzlichen Dank für Ihren
Einsatz in diesem Bereich.

Danke für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804904300

Das Wort hat die Kollegin Ulla Jelpke für die Fraktion

Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Ulla Jelpke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804904400

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein zen-

trales innenpolitisches Thema der letzten Monate ist un-
zweifelhaft der Umgang mit schutzsuchenden Menschen
in Deutschland. Die Debatte lässt sich meines Erachtens
kurz zusammenfassen: Je größer die Herausforderungen
für die Flüchtlingspolitik sind, desto hartherziger sind
die Vorschläge aus dem Innenministerium. Da hat mich
auch heute, Herr Innenminister, nicht überzeugt, was Sie
hier vorgetragen haben; denn ich fand es sehr abstrakt
und nicht konkret.

Bei der großen Zahl von Flüchtlingen, die hier Schutz
suchen, ist das, was Sie bisher in Gesetzesvorschlägen
vorgelegt haben, im Grunde Ausdruck des Ziels – es
wird immer wieder deutlich –: Man will abschotten, und
man will vor allen Dingen abschrecken. Das kann aus
unserer Sicht nicht die richtige Antwort sein.


(Beifall bei der LINKEN)


Um ein Beispiel zu nennen: Das erste zentrale Vorha-
ben ist die Einstufung von Serbien, Mazedonien und
Bosnien-Herzegowina als sogenannte sichere Herkunfts-
staaten. Asylanträge von Menschen aus diesen Ländern
sollen pauschal abgelehnt werden. In den Debatten hier
in diesem Hause haben Sie die Verletzung von Men-
schenrechten, insbesondere der Roma aus diesen Län-





Ulla Jelpke


(A) (C)



(D)(B)

dern, massiv bagatellisiert. Wir hoffen deswegen weiter-
hin, dass dieser Gesetzentwurf im Bundesrat scheitert.
Wir werden auf jeden Fall unseren Beitrag dazu leisten.

Trotz der Not dieser Menschen scheuen Sie von der
CDU/CSU sich nicht, die Flüchtlinge gegeneinander
auszuspielen. Sie suggerieren, es sei ausreichend Platz in
den Flüchtlingsunterkünften, wenn es Asylsuchende aus
den Balkanstaaten nicht mehr gäbe. Das verdreht
schlicht und einfach Ursache und Wirkung und ist daher
falsch. Seit vier Jahren steigen in Deutschland und in
Gesamteuropa die Asylbewerberzahlen. Spätestens
durch den Krieg in Syrien, aber auch aufgrund der Si-
cherheitslage in Afghanistan, in Somalia, in Eritrea und
in jüngster Zeit auch wieder im Irak steigen die Flücht-
lingszahlen. Darauf hätten Deutschland und die Bundes-
regierung vorbereitet sein müssen.

Bund, Länder und Kommunen hätten ebenfalls re-
agieren können und reagieren müssen. Das Versagen den
Flüchtlingen anzulasten, ist meines Erachtens pure Stim-
mungsmache. Wer wirklich Flüchtlingsschutz will, muss
den Kommunen endlich finanziell unter die Arme grei-
fen und sie wirklich entlasten.


(Beifall bei der LINKEN)


Herr Innenminister, Sie haben hier heute angekündigt,
dass es eine neue EU-Initiative zur Verteilung der
Flüchtlinge geben soll. Wir begrüßen das sehr. Wir ha-
ben hier immer wieder vorgetragen, dass es in Gesamt-
europa eine andere, eine humanitäre Flüchtlingspolitik
geben muss. Aber auch hier möchte ich erst einmal ab-
warten, was wirklich vorgelegt wird. Denn bisher ist
die Flüchtlingspolitik auch von deutscher Seite her un-
solidarisch gegenüber anderen Ländern. Sie wissen
ganz genau – Sie haben kürzlich mit dem italienischen
Innenminister geredet –, dass Italien wenigstens
60 000 Flüchtlinge gerettet hat. Jetzt wird einfach davon
geredet, dass Frontex II das übernehmen soll. Wie das
genau ablaufen soll und wie vor allen Dingen die EU-
Grenzländer, die eine enorme Belastung zu tragen haben
– wie Griechenland und Italien –, mit der Flüchtlingsflut
fertigwerden sollen, das ist im Grunde genommen nach
wie vor nicht beantwortet.

Die Dublin-III-Verordnung ist in der Tat gescheitert
und muss unseres Erachtens weg. Das unwürdige Hin-
und-her-Geschiebe der Flüchtlinge muss endlich ein
Ende haben.


(Beifall bei der LINKEN)


Meine Damen und Herren, aus dem BMI sind in den
vergangenen Monaten immer wieder Gesetzesinitiati-
ven im Bereich des Asyl- und Aufenthaltsrechts vorge-
legt worden. Sie alle tragen unseres Erachtens das Gift
von Abschottung und Abschreckung in sich. Ich gebe ei-
nige Beispiele: Im Asylbewerberleistungsgesetz wollen
Sie noch mehr Möglichkeiten für Leistungskürzungen
schaffen. Die Hürden für eine Ausweisung, also eine
Abschiebung, sollen gesenkt werden. Abschiebehaft soll
leichter verhängt werden können. Das Freizügigkeits-
recht für EU-Bürger wird populistischen Scharfmachern
geopfert, die überall nur Betrug und Missbrauch wittern
wollen. Dieser Politik der Abschreckung und Abschot-
tung werden wir mit aller Macht weiter entgegentreten.
So kann man keine solidarische Flüchtlingspolitik entwi-
ckeln.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804904500

Die Kollegin Dr. Eva Högl hat nun für die SPD-Frak-

tion das Wort.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Eva Högl (SPD):
Rede ID: ID1804904600

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich
möchte zu Beginn hier feststellen, dass diese Koalition
acht Monate hart gearbeitet hat und dass wir gerade in
der Innenpolitik seit Beginn der 18. Legislaturperiode
eine ganze Menge erreicht haben und eine ganze Menge
verbessert haben für die Bürgerinnen und Bürger.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Na ja! – Jan Korte [DIE LINKE]: Echt jetzt?)


Ich möchte Herrn Bundesinnenminister de Maizière
und auch Frau Staatsministerin Özoğuz – sie hat nämlich
daran mitgewirkt – ganz herzlich dafür danken, dass wir
insbesondere bei dem Thema „Migration, Einwande-
rung, Zuwanderung“ wichtige Vorhaben auf den Weg
gebracht haben. Ich will drei nennen:

Das eine ist – daran erinnere ich heute; es ist bisher
noch nicht genannt worden –: Wir haben endlich die Op-
tionspflicht abgeschafft.


(Zuruf des Abg. Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Das haben wir gemeinsam hier beschlossen, und wir ha-
ben damit einen wirklichen Erfolg für junge Menschen
mit Migrationsgeschichte und für unsere gesamte Ge-
sellschaft erzielt. Das ist ein Meilenstein in der deut-
schen Innenpolitik.


(Beifall bei der SPD – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Die CDU klatscht ja gar nicht!)


Zweitens. Ich unterstütze für die SPD-Fraktion ganz
ausdrücklich den Gesetzentwurf zum Thema „Sichere
Herkunftsstaaten und erleichterter Zugang für Flücht-
linge zum Arbeitsmarkt“. Wir haben ihn hier gemeinsam
mit großer Mehrheit beschlossen. Ich hoffe sehr, dass am
19. September auch der Bundesrat so weise und so gut
beraten ist, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen. Es geht
darum, dass wir die wichtige Entscheidung treffen kön-
nen, wer von denen, die hier Schutz suchen, bleiben
kann und auch eine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt
haben kann.

Drittens. Ich möchte daran erinnern, dass wir es kurz
vor der Sommerpause geschafft haben – auch das ist ein
wichtiger Erfolg für uns –, mit dem Bundeshaushalt
2014 Geld für eine gute Politik im Bereich Migration zur





Dr. Eva Högl


(A) (C)



(D)(B)

Verfügung zu stellen, nämlich 40 Millionen Euro zusätz-
lich für die Integrationskurse. Es ist wichtig, dass wir
den Menschen die Chance geben, sich bei uns gut zu in-
tegrieren. Außerdem sind die 300 Stellen für das Bun-
desamt für Migration und Flüchtlinge zu erwähnen. Da
sind wir noch nicht am Ende. Da brauchen wir noch
mehr, um bei der Bearbeitung von Asylverfahren weiter-
zukommen, aber das war schon einmal ein großer
Schritt.

Ich nenne einen weiteren Punkt. Den Staatssekretärs-
bericht zum Thema Einwanderung hat die Bundesregie-
rung auf den Weg gebracht, und der wird uns im Parla-
ment noch weiter beschäftigen. Dadurch ist es möglich
– das begrüßen wir; die Bundesregierung hat da gut vor-
gelegt –, dass wir einmal auf der Basis von Fakten da-
rüber sprechen: Wer kommt eigentlich zu uns ins Land?
Was müssen wir an welcher Stelle der Gesetze verbes-
sern? Was funktioniert ganz gut? Da liefert der Staatsse-
kretärsbericht für uns eine gute Grundlage.

Ich freue mich, dass ich auch bei den Reden des Ko-
alitionspartners, insbesondere von Ihnen, Herr de
Maizière, festgestellt habe, dass wir eine große Überein-
stimmung haben in den großen Linien der Einwande-
rungspolitik, in den großen Linien der Flüchtlingspolitik.
Ich freue mich, dass wir auch hier heute noch einmal
ganz deutlich sagen: Deutschland – Sie haben es gesagt,
Herr de Maizière – ist ein Einwanderungsland. Wir wol-
len den Menschen, die hier Schutz suchen, zumindest
zeitweilig ein Zuhause geben und zu unserer Verantwor-
tung stehen.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und
Kollegen, weltweit sind 40 Millionen Menschen auf der
Flucht. Selbstverständlich können wir nicht alle in Eu-
ropa oder gar in Deutschland aufnehmen; viele von ih-
nen sind Binnenflüchtlinge. Aber wir müssen sehr gut
darüber nachdenken, wie wir unserer Verantwortung ge-
recht werden. Die weltweiten Krisen – Ukraine, Nahost,
Irak – zeigen uns, dass eine Konsequenz dieser Krisen
ist, dass Menschen weltweit auf der Flucht sind. Es
wurde schon gesagt: Wir haben plötzlich festgestellt, wie
nah diese Krisen sind und wie viel das mit uns in
Deutschland zu tun hat. Deswegen ist es wichtig, dass
wir uns auch heute in der Haushaltsdebatte sehr sorgfäl-
tig und sehr gründlich darüber Gedanken machen, wer
bei uns bleiben kann, wen wir aufnehmen, für wen wir
Mittel für eine gute Integration zur Verfügung stellen
und zu wem wir leider sagen müssen: Ihr könnt nicht
hierher kommen bzw. müsst wieder gehen. – Das gehört
zur Wahrheit dazu. Wir wissen, dass bitterarme Familien
in allen Teilen der Welt ihre letzten Ersparnisse zusam-
menkratzen, um ein oder zwei Mitglieder ihrer Familie
nach Deutschland zu schicken. Wem wollen wir übel-
nehmen, dass Menschen ihr Glück suchen, dass sie hier-
her kommen, dass sie sagen: „Meine Bedingungen vor
Ort sind nicht gut, deshalb mache ich mich auf den Weg
nach Deutschland“? Aber es ist falsch, liebe Kolleginnen
und Kollegen, dass wir all diese Menschen auf den Weg
des Asylrechts verweisen. Dahin gehören sie nicht. Für
diese Menschen müssen wir andere Möglichkeiten
schaffen, ihr Glück zu suchen und es auch zu finden,
auch bei uns in Deutschland.


(Beifall bei der SPD)


Deshalb kommt es sehr darauf an, liebe Kolleginnen
und Kollegen – da hoffe ich auf große Übereinstimmung
hier im Bundestag –, dass wir eine Balance schaffen und
dass es uns gelingt, diese Balance gut auszugestalten. Ei-
nerseits geben wir schutzbedürftigen Menschen die
Chance, hierherzukommen, vorübergehend oder sogar
dauerhaft. Wir schaffen auch in der Bevölkerung eine
große Akzeptanz für die Flüchtlinge aus anderen Teilen
der Welt, damit sie hier aufgenommen werden können.
Wir sind alle froh, dass wir inzwischen eine andere Dis-
kussionskultur haben als Anfang der 90er-Jahre und dass
es eine große Bereitschaft gibt, diesen Menschen Schutz
zu geben.


(Beifall bei der SPD)


Aber wir müssen andererseits ganz deutlich sagen:
Wer nicht bleiben kann, muss irgendwann wieder gehen.
Dazu müssen wir vor allen Dingen die Verfahren verkür-
zen. Das ist eine ganz wichtige Forderung. Wir haben
ambitioniert festgehalten, dass wir die Verfahren auf drei
Monate verkürzen wollen. Es ist nur fair, richtig und ge-
recht, Menschen schnell zu sagen, ob sie hier für eine
Weile oder auch für länger bleiben können oder nicht.
Deswegen bleibt es unsere Aufgabe, das Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge weiterhin mit mehr Stellen zu
unterstützen und beste Arbeitsbedingungen zu schaffen,
damit im Sinne der Flüchtlinge schneller geprüft und die
Verfahren verkürzt werden können.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wenn die Menschen hier sind, dann müssen sie or-
dentlich untergebracht werden, ordentlich versorgt wer-
den und Gesundheitsleistungen bekommen. Das ist nicht
nur eine Aufgabe der Kommunen, sondern auch eine
Aufgabe des Deutschen Bundestages. Deshalb müssen
wir nicht nur die Kommunen unterstützen, sondern auch
das Asylbewerberleistungsgesetz überarbeiten. Das tun
wir gerade. Wir müssen auch die Gesundheitsversorgung
verbessern. All diejenigen, die sich die Lage der Flücht-
linge in den Unterkünften anschauen, stellen fest, dass
sie nicht optimal ist. Auch wenn sie nur kurzfristig bei
uns sind, müssen wir hier noch Anstrengungen unterneh-
men.


(Beifall bei der SPD)


Wenn wir die Flüchtlinge ermuntern wollen, einen
Fuß in unseren Arbeitsmarkt zu setzen, und ihnen den
Zugang erleichtern wollen, dann müssen wir auch die
Sprachkurse ausbauen. Die Integrationskurse sind nicht
für die Flüchtlinge. Wir müssen für die Flüchtlinge Rah-
menbedingungen schaffen, damit sie auf unserem Ar-
beitsmarkt Fuß fassen und hier ihren Beitrag leisten kön-
nen.

Wir haben noch eine ganze Menge am Wickel, meine
Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir werden uns künftig noch mit dem EU-Freizügig-
keitsrecht beschäftigen. Das Bleiberecht und Aufent-
haltsrecht sowie das Asylbewerberleistungsgesetz wer-





Dr. Eva Högl


(A) (C)



(D)(B)

den Gegenstand unserer Debatten sein. Ich würde mich
sehr freuen, wenn wir mit großer Geschlossenheit und
Gemeinsamkeit im Sinne der betroffenen Menschen die
nötigen Weichen stellen könnten. Das tun wir auch mit
dem Bundeshaushalt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich möchte gern noch ein weiteres Thema anspre-
chen, das für uns alle sehr wichtig ist und das mich per-
sönlich besonders beschäftigt, nämlich das Thema NSU
und Schlussfolgerungen daraus. Vor einem Jahr haben
wir den Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsaus-
schusses im Deutschen Bundestag verabschiedet. Es ist
bald drei Jahre her, dass die NSU-Terrorgruppe aufflog
und der NSU-Terror bekannt wurde. Deswegen erinnere
ich an dieser Stelle daran – das hat auch etwas mit dem
Haushalt zu tun –, dass wir die Voraussetzungen dafür
schaffen müssen, endlich die Konsequenzen aus diesem
schrecklichen Skandal und aus den Fehlern, Versäumnis-
sen und Unzulänglichkeiten ziehen zu können. Das
bleibt für dieses Parlament eine dauerhafte Aufgabe. Der
Thüringer Untersuchungsausschuss hat uns auf 1 800
Seiten drastisch vor Augen geführt, wie stark das Versa-
gen war, wie desaströs die Arbeit der Ermittlungsbehör-
den war. Deswegen ist es unsere Aufgabe, die richtigen
Konsequenzen daraus zu ziehen und Polizei, Verfas-
sungsschutz und Justiz grundlegend zu reformieren.


(Beifall des Abg. Martin Gerster [SPD])


Justizminister Maas hat schon zwei Gesetzentwürfe
auf den Weg gebracht; dazu wird im Rahmen der Justiz-
debatte sicherlich gleich gesprochen werden. Ich möchte
aber einmal an die Reform des Verfassungsschutzes erin-
nern. Herr Minister de Maizière, wir haben das bereits
vereinbart. Es ist gut, dass wir das in Ruhe angehen und
mit den Ländern besprechen. Wir müssen nun bald aber
wirklich vorankommen; denn es gibt eine ganze Menge
zu tun. Ich möchte an dieser Stelle sehr deutlich sagen,
dass es für uns wichtig ist, die Zentralstellenfunktion des
Bundesamtes für Verfassungsschutz auszubauen. Für
Bund und Länder ist diese Zentralstellenfunktion des
Bundesamtes wichtig.

Wir müssen auch eine ganze Menge im Bereich der
V-Leute reformieren. Da reicht es nicht, einfach nur
Kleinigkeiten zu verändern. Das muss auf ganz andere
Grundlagen gestellt werden. Wir müssen die Kontrollen
weiter verbessern. Deswegen wäre es sehr gut und rich-
tig und wichtig, die Reform des Verfassungsschutzes
hier im Deutschen Bundestag zügig anzugehen und sie
mit größter Beteiligung aller auch zu verabschieden.

Es ist schon eine ganze Menge zum Thema Salafis-
mus gesagt worden. Der Kampf gegen den Salafismus
bleibt eine wichtige Aufgabe und Herausforderung. Es
wird sicherlich noch Gelegenheit geben, sich darüber
auszutauschen. Das, was bisher von den Kolleginnen
und Kollegen dazu gesagt wurde, kann ich, auch im Na-
men der SPD-Fraktion, vollumfänglich unterstützen.
Mehr kann ich heute an dieser Stelle nicht dazu sagen.
Nur so viel: Es darf uns nie wieder passieren, wie es uns
leider beim Rechtsextremismus passiert ist, dass den Si-
cherheitsbehörden ein so wichtiges Thema von der
Agenda rutscht. Es darf nicht passieren, dass unsere Si-
cherheitsbehörden nicht so gut aufgestellt sind – das be-
trifft Polizei, Verfassungsschutz und Justiz –, dass sie die
Gefahr, die sich hinter dem gewaltbereiten Islamismus
verbirgt, übersehen oder nicht angemessen reagieren.
Deswegen müssen wir entsprechend tätig werden.

Ich bin bereits als Befürworterin der Olympischen
Spiele in Berlin geoutet worden. Ja, ich würde mich
freuen, wenn Deutschland die Olympischen Spiele aus-
trägt. Mit Johannes Kahrs muss ich das mit Hamburg
noch auskämpfen. Aber wenn es 2024 oder 2028 Berlin
wird, wäre das natürlich super.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo sollen die Leute denn landen?)


– Ich hoffe, dass wir dann auch einen Flughafen haben,
lieber Herr Beck.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hoch zu Pferde, oder wie?)


– Wir werden dann einen Flughafen haben.

Ich freue mich auf die weitere konstruktive Debatte
zum Haushalt des Innern.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804904700

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die

Kollegin Monika Lazar das Wort.


Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804904800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich möchte den Faden der Kollegin Högl aufnehmen und
etwas zu den Konsequenzen aus dem NSU-Untersu-
chungsausschuss sagen. Es gab einen fraktionsübergrei-
fenden, einheitlichen Antrag, für den wir alle waren. Vor
der Sommerpause haben wir hier im Bundestag noch
über unsere grünen Zusatzvorschläge debattiert. Man
kann wirklich sagen: Es liegt alles auf dem Tisch. Das
erste Jahr nach der Bundestagswahl ist vorbei. Deswe-
gen kann ich Sie in dem, was Sie gesagt haben, nur un-
terstützen: Wir alle müssen in die Puschen kommen und
zusehen, dass wir vorankommen. Die angesprochenen
Ministerien müssen entsprechende Vorlagen erarbeiten.
Der Aufgabenkatalog ist sehr vielfältig.

Wir sind uns auf alle Fälle darin einig, dass wir uns
im Bereich der Prävention weiter engagieren müssen. Im
Etat des Innenministeriums gibt es das Programm „Zu-
sammenhalt durch Teilhabe“, das die Zivilgesellschaft,
insbesondere im ländlichen Raum, stärken soll. Das ist
ein gutes Programm. Es ist mit 6 Millionen Euro etati-
siert und galt bisher nur für die ostdeutschen Bundeslän-
der. Nun wird es sinnvollerweise auf ganz Deutschland
ausgeweitet. Die Zahlen bleiben allerdings die gleichen.
Wenn man von 5 Ländern auf 16 ausweitet, der Etat aber
bei 6 Millionen Euro bleibt, dann ist dies natürlich nicht





Monika Lazar


(A) (C)



(D)(B)

genug. Es braucht keine höhere Mathematik, um zu er-
kennen, dass diese Rechnung nicht aufgeht.


(Jan Korte [DIE LINKE]: Das stimmt!)


Das muss sich noch ändern. Wir werden im Laufe der
Haushaltsberatungen auf alle Fälle den Antrag stellen,
die Gelder von 6 Millionen Euro auf 10 Millionen Euro
zu erhöhen. Ansonsten führt das zu Frustration bei allen,
die an diesem Programm teilhaben wollen. Das kann
nicht in unserem Sinne sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jan Korte [DIE LINKE])


Auch bei der Sportförderung gibt es nach wie vor
große Baustellen. Das Innenministerium hat es im Prin-
zip erkannt, gehandelt wurde bisher aber nicht ausrei-
chend. Ich glaube, wir alle sind froh, dass der Fehler der
beabsichtigten Kürzung der Mittel für „Jugend trainiert
für Olympia“ und „Jugend trainiert für Paralympics“ er-
kannt und die Kürzungen jetzt zurückgenommen wur-
den, sodass es da entsprechend weitergeht.

Allerdings hat der Innenminister in der ersten Sitzung
des Sportausschusses Strukturreformen unter anderem
im Bereich der Spitzensportförderung angekündigt. Das
ist mittlerweile ein Dreivierteljahr her. Wir haben ge-
dacht, dass Sie uns mit dem Haushalt für das nächste
Jahr Ihre Vorstellungen dazu unterbreiten; aber bis jetzt
können weder wir noch die Öffentlichkeit erkennen, was
da geändert werden soll. Wir Grüne können da gerne
Denkanstöße geben. Zum Beispiel könnten Sie sich da-
für starkmachen, dass nicht mehr der Medaillenspiegel
für die Höhe der Fördergelder ausschlaggebend ist, son-
dern zum Beispiel die Mühen im Antidopingkampf oder
die Ermöglichung einer dualen Karriere. Auch wäre es
dringend nötig, über das Durcheinander bei der Athle-
tenförderung zu sprechen.

Ausdrücklich loben möchte ich, dass nun die Gelder
für die Nationale Anti Doping Agentur, NADA, fest
eingeplant sind. Wir gehen davon aus, dass damit das
übliche Hickhack der letzten Jahre vorbei ist. Die Bun-
desregierung und die Koalition müssen da ihrer Verant-
wortung dauerhaft gerecht werden. Aber auch die Mittel,
die jetzt in den Haushaltsplan eingestellt wurden, rei-
chen nicht; denn die NADA hat uns im Sportausschuss
sehr eindrücklich und plausibel erklärt: Wenn wir auf
dem Gebiet der Dopingkontrollen, vor allem bei der Prä-
vention von Doping, nachhaltigen Erfolg haben wollen,
reicht 1 Million Euro bei weitem nicht. – Die NADA sel-
ber spricht von 10 Millionen Euro. Es ist klar, dass man
das wahrscheinlich nicht auf einmal hinbekommt; aber
die Tendenz muss da entsprechend sein.


(Dagmar Freitag [SPD]: Das ist nicht nur Aufgabe des Bundes, Frau Kollegin!)


Das Thema Doping verfolgt uns momentan auch aus
einem anderen Anlass: Am 23. Oktober jährt sich zum
40. Mal die Gründung der DDR-Arbeitsgruppe „Unter-
stützende Mittel“. Hier wurde erstmals die Abgabe von
Dopingmitteln an Minderjährige staatlich verordnet.
Auch 24 Jahre nach der Wiedervereinigung ist in diesem
Bereich noch längst nicht alles Unrecht aufgearbeitet.
Die Opfer des Dopings von damals, die zum Teil bis
heute seelisch und körperlich leiden, verdienen unsere
breite Unterstützung, über die geleistete Einmalzahlung
hinaus.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Auch das wäre ein Beitrag zum gesellschaftlichen Zu-
sammenhalt. Ich habe wirklich große Hoffnung, dass wir
da in den nächsten Jahren vorankommen und etwas Geld
zur Verfügung stellen. Das sind wir den Opfern schuldig.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804904900

Mein Respekt, Kollegin Lazar. Sie sind bei diesem

Punkt tatsächlich die erste Rednerin, die es geschafft hat,
wirklich in der Redezeit zu bleiben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jan Korte [DIE LINKE]: Ich auch!)


Das muss man einmal anmerken.

Das Wort hat der Kollege Dr. André Berghegger für
die Unionsfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. André Berghegger (CDU):
Rede ID: ID1804905000

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-

nen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der Staat
ist und bleibt Hüter unserer Rechts- und Werteordnung.
Er allein ist für die Durchsetzung von Recht und Gesetz
verantwortlich. Im Mittelpunkt unseres innenpolitischen
Handelns liegt naturgemäß die innere Sicherheit – übri-
gens eines der Themen, die die Bürger unter dem Stich-
wort „subjektives Sicherheitsgefühl“ am meisten bewe-
gen. Deswegen sind wir bei der gezielten Provokation
der sogenannten Scharia-Polizei sehr wachsam; wir neh-
men sie sehr ernst. Unsere Rechts- und Werteordnung
steht nämlich nicht zur Disposition. Wir werden entspre-
chend handeln.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Eva Högl [SPD])


Sicherheit und Freiheit sind zwei Begriffe, die un-
trennbar miteinander verbunden sind: Jede Maßnahme
zur Gewährleistung der Sicherheit auf der einen Seite
beschränkt auf der anderen Seite die Freiheit. Trotzdem
müssen wir umsichtig und selbstbewusst handeln. Wir
sind dankbar und glücklich zugleich, in einem in diesem
Sinne sicheren und freien Land in Europa leben zu dür-
fen. Der Blick in andere Teile der Welt zeigt mehr denn
je: Es gibt viele – viel zu viele – Regionen, in denen sta-
bile Verhältnisse fehlen und in denen die Menschen in
Angst und Schrecken leben. Ich bin der Bundeskanzlerin
und der Bundesregierung deswegen sehr dankbar dafür,
dass sie sich gemeinsam mit Deutschlands Partnern für
Stabilität und damit auch für die Freiheit der Menschen
in diesen Regionen einsetzen.





Dr. André Berghegger


(A) (C)



(D)(B)

In dieser globalen Situation sind die wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen naturgemäß schwieriger gewor-
den. Dennoch erleben wir zurzeit eine außergewöhnliche
Situation: Das erste Mal seit 1969 haben wir einen aus-
geglichenen Haushalt ohne neue Schulden. Ich glaube,
das kann man gar nicht oft genug betonen.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch offensichtlich die Losung der parlamentarischen Geschäftsführung der CDU/CSU: Sagt das jeweils zweimal!)


Dieser Einzelplan umfasst rund 5,7 Milliarden Euro.
Das Absinken um rund 170 Millionen Euro im Vergleich
zum letzten Jahr beruht im Wesentlichen auf dem ge-
planten Absinken im Bereich der Einführung des Digi-
talfunks, sprich: des Abbaus der Haushaltsreste dort, und
der Erstattung für die Durchführung der Fluggast- und
Reisegepäckkontrollen.

Zur Struktur dieses Einzelplans nur wenige Stich-
worte: Es ist ein bunter Strauß an Behörden und Aufga-
ben. Wenn ich richtig gezählt habe, sind es 18 Behörden
inklusive Ministerium; rund 60 Prozent der Ausgaben
sind Personalausgaben, und zwei Drittel der Ausgaben
entfallen auf den Bereich der inneren Sicherheit im en-
geren, eigentlichen Sinne. Deswegen möchte ich zwei
Themengebiete herauspicken und etwas ausführlicher
ansprechen; sie sind heute – wen wundert es? – schon
häufiger erwähnt worden.

Erstens: die Asylbewerberzahlen und die Integra-
tionsarbeit. Deutschland ist ein attraktives Land für viele
Menschen in dieser Welt und Wunschziel. Nach den
Zahlen des Statistischen Bundesamtes stieg die Zuwan-
derung auf Rekordniveau. 2013 erlebten wir die stärkste
Zuwanderung seit 20 Jahren. Die Zahl der Erstanträge
von Asylbewerbern hat sich im Vergleich zum letzten
Jahr um 60 Prozent auf die erwähnten gut 200 000 er-
höht bzw. wird sich erhöhen.

Von den Auswirkungen vor Ort kann sich, glaube ich,
jeder persönlich ein Bild machen. In meinem Wahlkreis,
im Landkreis Osnabrück, gibt es eine Erstaufnahmeein-
richtung in Bramsche-Hesepe. Wenn man mit Vertretern
der Kommunen vor Ort über die Situation spricht und sie
selbst sieht, erkennt man unzweifelhaft sofort: Wir alle
stehen vor einer großen Herausforderung. Der Bund leis-
tet wichtige Beiträge zur Bewältigung dieser Herausfor-
derung, natürlich durch die Aufnahme der Flüchtlinge
– das ist gar keine Frage –, aber auch durch die Hilfeleis-
tung in den Krisengebieten vor Ort. Ich glaube, das ist
genauso wichtig; denn wenn es möglich ist, müssen wir
versuchen, dafür zu sorgen, dass es den Menschen in ih-
rer angestammten Heimat gut geht. Deshalb wird es im-
mer verschiedene Maßnahmen geben, denen wir uns
widmen müssen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich glaube, das hat auch der mehrfach zitierte UN-
Flüchtlingskommissar, Herr Guterres, mit Blick auf
Deutschland so gesagt.

Wir erwarten, dass die Entwicklung anhält. Die Ent-
wicklung ist aber nicht planbar. Wir werden deshalb ver-
suchen, diese Entwicklung an verschiedenen Stellen zu
beeinflussen. Der Minister hat vorhin den eindrucksvol-
len Sieben-Punkte-Plan mit den verschiedenen Eingriffs-
möglichkeiten erwähnt. Bereits 2014 wurden 300 zu-
sätzliche Stellen im BAMF zur Beschleunigung der
Asylverfahren eingerichtet; 50 weitere werden in diesem
Jahr folgen, um den Menschen zu helfen, die wirklich
der Hilfe bedürfen. Wir müssen uns weiter anstrengen
– ohne Frage –, aber das bedeutet auch, dass Entlastung
an anderer Stelle nottut. Die Einstufung der drei mehr-
fach angesprochenen Länder als sichere Herkunftsländer
würde sicherlich helfen. Das sagen nicht nur wir; das hat
vor wenigen Tagen auch der Leiter des BAMF in einer
Berliner Tageszeitung erwähnt. Eine Lösung wäre hier
wünschenswert, zumal es nur um eine Verfahrensverein-
fachung geht. Natürlich ist es im Einzelfall weiter mög-
lich, die politische Verfolgung darzulegen. Wir hoffen
auf ein gutes Ergebnis in diesem Sinne.

Unser Innenminister hat gesagt: Alle haben Anspruch
auf ein Asylverfahren; alle, die politisch verfolgt wer-
den, haben Anspruch auf Schutz. Wir können aber nicht
alle Mühseligen und Beladenen aufnehmen. – Dem kann
ich mich nur anschließen. Insbesondere für die hohe
Zahl syrischer Flüchtlinge im Rahmen des Resettlement-
Programms sowie für Integrationskurse werden wir im
Vergleich zu den Vorjahren 49 Millionen Euro mehr be-
reitstellen. Damit stehen dem BAMF für die Themen In-
tegration und Migration insgesamt über 300 Millionen
Euro zur Verfügung. Ich denke, das ist eine beachtliche
Summe.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der zweite Bereich, den ich ansprechen möchte, ist
der Bereich der Bundespolizei. Der Etat beträgt knapp
2,5 Milliarden Euro und entspricht damit rund der Hälfte
des gesamten Einzelplans. Auch hier sehen wir einen
vielfältigen Aufgabenbereich. Die Absenkung in diesem
Bereich ist im Vergleich zu anderen Aufgabenbereichen
geringer ausgefallen, da wir durch Umschichtungen den
Bereich „Festigung der IT-Struktur“ mit 12 Millionen
Euro verstärken konnten.

Der Großteil der Mittel wird naturgemäß für das Per-
sonal ausgegeben. Das Programm zur Hebung von rund
1 300 Stellen bei der Bundespolizei, das wir 2014 be-
gonnen haben, werden wir 2015 fortsetzen. Das schafft
Raum für verdiente Beförderungen, motiviert die Mitar-
beiter und steigert die Attraktivität des Arbeitgebers. Im
Rahmen des Machbaren, das heißt unter Wahrung der
haushaltspolitischen Grundsätze, müssen wir aber auch
– Stephan Mayer hat das vorhin angesprochen – über
den Stellenplan nachdenken. Das gilt auch für andere
Behörden des Bundes; ich denke insbesondere an das
BSI. Das erfährt, glaube ich, jeder von uns in Gesprä-
chen vor Ort. Das oberste Ziel muss aber immer der aus-
geglichene Haushalt sein, ein Haushalt ohne Neuauf-
nahme von Schulden.

Ich möchte an dieser Stelle gerne für die Solidarität
mit unseren Polizeibeamten werben, die den Rechtsstaat
vertreten und sich jeden Tag für ihn einsetzen. Vielen
Dank für die tagtägliche Arbeit!


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)






Dr. André Berghegger


(A) (C)



(D)(B)

Es ist unsere Aufgabe, für einen ausgewogenen Haus-
halt in Ihrem Einzelplan zu sorgen, Herr Minister. Ich
glaube, dieser Entwurf bietet eine gute Grundlage dafür.
Ich freue mich auf die kommenden Gespräche.

Vielen Dank für das freundliche Zuhören.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804905100

Das Wort hat die Kollegin Fograscher für die SPD-

Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Gabriele Fograscher (SPD):
Rede ID: ID1804905200

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Die krisenhaften Entwicklungen in der Welt haben
ganz konkrete und spürbare Auswirkungen auch auf
Deutschland. Deutlich wird das an den steigenden Zah-
len von Menschen, die auf der Flucht vor Krieg, Terror
und Vertreibung sind und bei uns Zuflucht suchen. Die
Zahl der Asylanträge steigt, ebenso die Zahl der Bewilli-
gungen. Deshalb ist es gut und richtig, dass wir Vorsorge
getroffen haben und bereits im Haushalt 2014 für das
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 300 zusätzli-
che Stellen geschaffen haben und dass jetzt im Haus-
haltsjahr 2015 weitere 50 Stellen vorgesehen sind. Da-
rüber, ob die im Haushalt vorgesehenen und im
Vergleich zu 2014 konstanten Mittel für die Integrations-
kurse angesichts der rasch steigenden Zahlen anerkann-
ter Asylbewerber ausreichen, müssen wir in den anste-
henden Haushaltsberatungen ergebnisoffen diskutieren.

Deutschland ist eines der sichersten Länder der Welt,
wie Sie, Herr Bundesinnenminister, auch heute wieder
gesagt haben. Doch die internationalen Krisen sind eine
Herausforderung für die innere Sicherheit: die Radikali-
sierung junger muslimischer Männer, die Rückkehr von
Extremisten aus Syrien und dem Irak, die meist deutsche
Staatsangehörige sind, und die etwa 6 000 Salafisten, die
in Deutschland die Scharia als islamisches Recht durch-
setzen wollen. Wir sind hier doppelt gefordert: Auf der
einen Seite müssen wir die Dschihadisten stärker über-
wachen, Aus- und Einreise mehr kontrollieren, Pässe
einziehen, alle bestehenden Möglichkeiten der deut-
schen Gesetze nutzen. Auf der anderen Seite dürfen wir
aber keinen Generalverdacht gegen die große Mehrheit
der Muslime, die friedlich in unserem Land lebt, schü-
ren. Wir brauchen einen Spagat zwischen Härte gegen-
über den Feinden von Demokratie, Freiheit und Vielfalt
sowie Solidarität mit unseren Mitbürgerinnen und Mit-
bürgern.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir sind dankbar
für das vielfältige ehrenamtliche Engagement von Bür-
gerinnen und Bürgern, zum Beispiel beim THW, bei den
Feuerwehren, bei Projekten gegen Rassismus und Frem-
denfeindlichkeit, bei Initiativen für Toleranz und Inte-
gration. Dieses Engagement kann sich nur entfalten,
wenn auch der Bund und vor allem das BMI weiterhin
finanzielle Unterstützung leisten. Wir müssen Lösungen
finden, damit sich der Bund weiterhin aktiv am Zivil-
schutz beteiligt und der Zivilschutz mit dem Bevölke-
rungs- und Katastrophenschutz besser vernetzt wird.
Eine rechtskonforme Lösung für die Ausstattung der
Feuerwehren zu finden, wäre besser für die Motivation
von Ehrenamtlichen als Kürzungen oder gar ein kom-
pletter Ausstieg des Bundes.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Auch zivilgesellschaftliche Projekte im Bereich der
Demokratieförderung, Toleranz und Gewaltprävention
müssen besser ausgestattet werden; denn aktuelle Ereig-
nisse zeigen, dass im Bereich der Demokratieförderung
und Toleranz gegenüber Andersdenken in Deutschland
nicht alles zum Besten bestellt ist. Ich erinnere an die
Demonstrationen in Berlin. Wütende Menschen arabi-
scher Herkunft haben wegen des Gazakonflikts anti-
semitische Parolen bei Demonstrationen in Deutschland
gebrüllt. Das ist beschämend. Leider – auch das ist be-
schämend – griff die Polizei nicht ein. Seit Jahren zeigen
mehrere Studien konstant, dass circa 20 Prozent aller
Deutschen – diese hohe Zahl ist besorgniserregend – an-
tisemitische Einstellungen haben.

Ein weiteres Beispiel: Eine Studie der Antidiskrimi-
nierungsstelle des Bundes hat festgestellt, dass ein Groß-
teil der Deutschen Sinti und Roma nicht als gleichbe-
rechtigte Bürgerinnen und Bürger wahrnimmt. Die
Vorurteile gegen diese Bevölkerungsgruppe sitzen tief.

Auch die sinkende Wahlbeteiligung, die ihren trauri-
gen Tiefpunkt bei der vergangenen Landtagswahl in
Sachsen hatte, zwingt uns zum Handeln. Die Wahlbetei-
ligung betrug nur 49,2 Prozent. Nicht einmal die Hälfte
der Wahlberechtigten hat also den Weg zur Urne gefun-
den oder ihre Stimme per Briefwahl abgegeben. Welche
Legitimation hat ein Parlament, wenn nur wenige zur
Wahl gehen? Welche Legitimation haben Entscheidun-
gen und Gesetze, wenn sie von Parlamenten beschlossen
werden, die von weniger als der Hälfte der Wahlberech-
tigten gewählt sind?

Ich begrüße daher die Initiative von Sigmar Gabriel,
ein Bündnis aller demokratischen Parteien ins Leben zu
rufen, um die Wahlbeteiligung zu steigern. Die SPD hat
bereits eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die entspre-
chende Vorschläge erarbeiten und diese dann mit allen
anderen interessierten Parteien diskutieren soll.

Wir müssen weiter für unsere Demokratie werben.
Wir müssen die wichtige Arbeit der Bundeszentrale für
politische Bildung stärken, in den Kitas und Schulen al-
tersgerecht über Demokratie aufklären, zum Mitmachen
einladen, Vorurteile abbauen, Wissen über andere Reli-
gionen und Kulturen vermitteln.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, der Haushalt
2015 wird der erste Haushalt seit 46 Jahren sein, bei dem
keine neuen Schulden aufgenommen werden.


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da ist der Satz ja wieder!)






Gabriele Fograscher


(A) (C)



(D)(B)

Der Haushalt des BMI trägt seit Jahren zur Konsolidie-
rung bei. Wenn sich durch den künftigen Schuldenabbau
neue Handlungsspielräume ergeben, dann muss davon
auch das BMI mit seinen zahlreichen Aufgaben wie der
inneren Sicherheit, der Prävention, der Integration, der
Förderung des Ehrenamtes und der politischen Bildung
profitieren.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804905300

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Einen schönen Nach-

mittag von mir Ihnen allen!


(Beifall des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE] – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das klang so, als ob wir jetzt gehen können!)


– Nein. Ich sagte nur: Guten Tag bzw. einen schönen
Nachmittag von mir! Nein, Herr Beck, Sie können jetzt
nicht gehen. Sie lauschen jetzt Herrn Gienger.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gibt es denn auch Kuchen heute Nachmittag?)


Eberhard Gienger hat das Wort.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Eberhard Gienger (CDU):
Rede ID: ID1804905400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Natürlich auch einen schönen Nachmittag von mir! Ich
freue mich, dass auch der Sport hier zur Sprache kommt.
Schließlich ist der Sport ein zentraler Bestandteil des ge-
sellschaftlichen Zusammenlebens. Das zeigt sich insbe-
sondere an den 27 Millionen Mitgliedschaften im Deut-
schen Olympischen Sportbund und nicht zuletzt auch an
den über 90 000 Sportvereinen in Deutschland. Sport ist
somit die größte Bürgerbewegung in unserem Land.

Dass der Sport auch zu einem Imagegewinn bzw. zu
einer Veränderung der Wahrnehmung auch im Ausland
führen kann, hat zuletzt die Fußballweltmeisterschaft
2006 unter Beweis gestellt. Dies ist auch der Grund,
weshalb der Bund und hier das Bundesministerium des
Innern den Sport fördern, und zwar in diesem Jahr mit
139 Millionen Euro und im kommenden Jahr mit
140 Millionen Euro.

Angesichts der gewachsenen Konkurrenz bei Olym-
pischen Spielen, Weltmeisterschaften und anderen inter-
nationalen Wettbewerben wollen wir durch eine gezielte
Sportförderung dazu beitragen, dass wir weiterhin zur
Weltspitze gehören. Dies wollen wir durch verschiedene
zentrale Maßnahmen erreichen. Dazu gehört die Grund-
förderung der Bundessportfachverbände, unter anderem
für Stützpunkttraining oder Lehrgänge. Dazu gehören
aber auch Maßnahmen zur gezielten Olympiavorberei-
tung im Rahmen der Top-Team-Förderung. Eine solide
finanzielle Basis muss auch für das Leistungssportperso-
nal bereitgestellt werden. Eine weitere tragende Säule
des Spitzensports besteht schließlich aus den Olympia-
stützpunkten und den Bundesleistungszentren. Der ge-
samte Umfang der Fördermaßnahmen beläuft sich auf
immerhin fast 85 Millionen Euro.

Spätestens seit den Olympischen Spielen 2008 in Pe-
king erfährt auch der Behindertensport in der internatio-
nalen Aufmerksamkeit zunehmende Bedeutung. Dies
begrüßen wir natürlich sehr. Wir unterstützen den Leis-
tungssport von Menschen mit Behinderungen. Dies gilt
sowohl für die Bundesstützpunkte im Behindertensport,
die wir mit 3,5 Millionen Euro unterstützen, als auch für
das notwendige Leistungssportpersonal, für das wir
1,5 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Im Übrigen
werden von der Bundesregierung schon seit langem die
gleichen Förderkriterien zugrunde gelegt, und es wird in
Relation zur Kaderstärke die anteilig gleiche Unterstüt-
zung gewährt wie auch bei den nichtbehinderten Athle-
tinnen und Athleten.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ohne das Institut für
Angewandte Trainingswissenschaft und das Institut für
Forschung und Entwicklung von Sportgeräten wären wir
im internationalen Wettbewerb kaum so erfolgreich und
konkurrenzfähig. Die komplexe Trainings- und Wett-
kampfforschung sowie die Technologieentwicklung tra-
gen wesentlich zum Erfolg unserer Athletinnen und Ath-
leten bei. Die Nachfrage bei den Instituten ist nach wie
vor sehr hoch. Deswegen werden wir auch im kommen-
den Jahr in diese Forschungseinrichtungen 13 Millionen
Euro investieren. Dabei stehen die Kooperationen von
IAT und FES mit zum Teil über 20 Spitzensportverbän-
den weit oben; über 30 dieser speziellen Projekte sind
enorm vielschichtig und anspruchsvoll.

Auch das Bundesinstitut für Sportwissenschaft nimmt
– mit einer ganzheitlichen und problembezogenen Per-
spektive – im wissenschaftlichen Verbundsystem eine
zentrale Stellung ein. Auch hier wollen wir durch die
verschiedenen Forschungsprojekte Unterstützung ein-
bringen, deren Relevanz weit über den Spitzensport hi-
nausgeht. Hier ist exemplarisch das Forschungsprojekt
„Rückenschmerz“ zu nennen. Den Aufwuchs im Haus-
halt des BMI für 2015 um 1 Million Euro für das Bun-
desinstitut für Sportwissenschaft begrüßen wir daher
sehr.

Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, dass wir
die Sportförderung unter die Lupe nehmen wollen. Zu-
sammen mit dem organisierten Sport wollen wir zu einer
Optimierung und einer Effizienzsteigerung kommen.
Deswegen werden wir unter anderem, Frau Lazar, am
13. Oktober 2014 eine Anhörung im Sportausschuss
durchführen,


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist mir bewusst!)


wo Sie sich dann entsprechend einbringen können.


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das werden wir tun!)


Viele weitere sportpolitische Ziele fallen ebenfalls in
die Zuständigkeit des BMI, zum Beispiel die Förderung
der internationalen Sportbeziehungen. Dies ist besonders





Eberhard Gienger


(A) (C)



(D)(B)

wichtig im Hinblick auf die derzeitigen Herausforderun-
gen und Konflikte. So konnte zum Beispiel in den letz-
ten Jahren die Zusammenarbeit mit der Volksrepublik
China, mit Israel und mit den palästinensischen Gebieten
verbessert und ausgebaut werden. Auch auf europäischer
Ebene haben wir viele zentrale Wegmarken erreicht,
zum Beispiel die Förderung von Fair Play sowie die Be-
kämpfung von Rechtsextremismus, Diskriminierung und
Gewalt im und durch den Sport.

Erfolge im Spitzensport und die Förderung durch den
Bund machen nur dann Sinn und haben ihre Berechti-
gung, wenn sie auf eine saubere Art und Weise erstritten
werden. Der nationale und grenzüberschreitende Kampf
gegen Doping im Sport zählt daher zu den wichtigsten
Aufgaben. Dafür wollen wir über 5 Millionen Euro bereit-
stellen. Die Dopingprävention fällt darunter, die Doping-
forschung und -analytik, die Europäische Beobachtungs-
stelle für neue Dopingsubstanzen, die Beratungsstelle
des Vereins doping-opfer-hilfe und schließlich auch
Maßnahmen zur direkten Dopingbekämpfung; aber auch
der Zuschuss an die Anti-Doping-Weltagentur wird wei-
tergeführt. Entsprechend den Zusagen im Koalitionsver-
trag werden wir die Zuwendungen an die Nationale Anti
Doping Agentur in Deutschland um 1,25 Millionen Euro
erhöhen.

Auch planen wir ein Antidopinggesetz. Aber wie
schwierig es ist, ein solches Antidopinggesetz einzufüh-
ren, sieht man schon allein daran, dass offensichtlich
vonseiten der Grünen die Freigabe von Haschisch gefor-
dert wird


(Lachen der Abg. Monika Lazar NIS 90/DIE GRÜNEN – Jan Korte [DIE LINKE]: Von uns auch!)


und im Antidopinggesetz dann der Konsum von Ha-
schisch zu einer Straftat werden soll.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Hintze will Gift zum Sterben verteilen, da nehme ich doch lieber Haschisch! – Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haschisch ist eher nicht leistungssteigernd!)


Sie sehen daran, wie schwierig es ist, ein solches Gesetz
überhaupt durchzusetzen.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804905500

Herr Kollege – –


Eberhard Gienger (CDU):
Rede ID: ID1804905600

Ich bin gleich fertig.

In jedem Falle darf ich sagen, dass von uns ein sehr
solider Sporthaushalt vorgelegt wurde. Wir schreiben die
Kontinuität in der Sportförderung fest. Ich möchte mich
an dieser Stelle beim Bundesinnenminister, beim Bun-
desfinanzminister und schließlich auch bei den Haushäl-
tern bedanken, die für uns Überschläge und Klimmzüge
gemacht haben und dies natürlich mit harter Arbeit un-
terlegt haben.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804905700

Danke, Herr Kollege Gienger. – Nächster Redner für

die SPD: Matthias Schmidt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Matthias Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804905800

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren auf den Zuschauertribünen! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Herr Kollege Gienger, ich danke Ihnen,
dass Sie wenigstens überwiegend in Ihrer Rede Ihren
Schwerpunkt auf den Bereich des Sports gelegt haben.
Daran möchte ich nahtlos anschließen. Der Sport ist bei
uns ein Politikfeld, das wir oftmals unterschätzen. Herr
Minister, ich verstehe, dass Sie die Sportpolitik und die
Olympiabewerbung in Ihrer Rede nur in der Überschrift
erwähnen konnten, weil Sie noch viele andere Felder zu
beackern haben.

In der Bundesrepublik sind – Kollege Gienger hat da-
rauf hingewiesen – 27 Millionen Menschen Mitglieder
eines Sportvereins. Darüber hinaus gibt es weitere, die
Sport treiben, ohne in einem Verein zu sein, indem sie
einfach joggen oder in ein Fitnessstudio gehen. Daneben
gibt es natürlich auch viele Menschen, die Sport passiv
konsumieren, indem sie sich zum Beispiel am Samstag-
abend die Sportschau angucken. Für all diese müssen
wir etwas tun, Herr Minister.

Zunächst einmal herzlichen Dank an den Bundes-
innenminister und die Kolleginnen und Kollegen der
Sportabteilung für die Erstellung dieses Haushaltsent-
wurfs. Die Kolleginnen und Kollegen dort sind in keiner
leichten Situation, trotzdem haben sie uns eine gute Ent-
scheidungsgrundlage vorgelegt.

Wenn man den Haushaltsentwurf 2015 in die Hand
bekommt, dann legt man ihn erst einmal neben den
Haushalt 2014, bildet Salden und schaut, was beim Sport
unter dem Strich herauskommt. Sie wissen natürlich,
dass im Haushalt das, was unter dem Strich heraus-
kommt, oben steht; man muss also gar nicht nach unten
schauen. Ganz oben steht, dass die Sportförderung von
139,5 Millionen Euro auf 140,1 Millionen Euro angeho-
ben wird, und das, Herr Minister, ist ein sehr gutes Zei-
chen. Herzlichen Dank!


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Gigantische Steigerung!)


– Herr Kollege Hahn, Sie sagen „gigantische Steige-
rung“. Sie müssen sehen: Wenn man versucht, im Ge-
samthaushalt keine Schulden mehr anzuhäufen, dann ist
es aller Ehren wert, dass die Mittel für einzelne Felder,
wie für den Sport, noch angehoben werden. Ich finde,
das sollten wir auch entsprechend würdigen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die nackten Zahlen des Haushalts sind Ausdruck der
Politik, die wir betreiben wollen. Wenn wir uns die ein-
zelnen Titel anschauen und diese den entsprechenden Ti-
teln im Haushalt 2014 gegenüberstellen, dann stellen wir





Matthias Schmidt (Berlin)



(A) (C)



(D)(B)

an einigen Stellen einen Zuwachs und an anderen Stellen
eine Kürzung fest.

Wir haben uns sehr gefreut, dass es einen Zuwachs an
Mitteln bei „Jugend trainiert für Olympia“ und bei „Ju-
gend trainiert für Paralympics“ gibt, sodass hier das Ni-
veau aus dem Jahre 2013 wieder erreicht wird, und wir
freuen uns, dass die Universiade durchgeführt wird und
das Deutsche Turnfest und die Europäischen Makkabi
Spiele gefördert werden.

Zu IAT und FES hat Kollege Gienger schon etwas ge-
sagt. Auch hier bin ich sehr froh, dass wir das Niveau
des letzten Jahres fortschreiben können. Das ist sehr
wichtig für den Sport.

Ähnlich wichtig ist die Förderung der NADA. Dort
haben wir im letzten Jahr 1 Million Euro draufgelegt, um
auf ungefähr 4,3 Millionen Euro zu kommen. Diese Mil-
lion ist fortgeschrieben und um noch einmal eine Viertel-
million Euro erhöht worden. Frau Kollegin Lazar, Sie
hatten sich ein bisschen darüber beklagt, dass das von
10 Millionen Euro noch zu weit entfernt sei. Die Förde-
rung der NADA ist eben nicht alleine Aufgabe des Bun-
des,


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich auch nicht gesagt!)


sondern hier gibt es auch noch andere Beteiligte. Wir
wollen die Länder und auch den organisierten Sport
nicht aus der Verantwortung entlassen. Ich stelle aber
fest: Der Bund ist hier seiner Verpflichtung nachgekom-
men, und das ist auch gut so.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zu den Kürzungen, die uns natürlich nicht so gut ge-
fallen: Hier ist zum einen das Leistungssportpersonal zu
nennen. Die Mittel dafür werden um 1,27 Millionen
Euro verringert. Darüber müssen wir im Ausschuss si-
cherlich noch einmal ausführlich reden.

Eine Sache, die uns besonders wehtut und zufällig
350 000 Euro ausmacht, ist die Kürzung beim Posten
„Jahresplanungen der Behindertensportverbände“. Ich
hoffe, dass es hier keinen Zusammenhang mit den Pos-
ten „Jugend trainiert für Olympia“ und „Jugend trainiert
für Paralympics“ gibt. Genau darüber wollen wir im
Ausschuss noch einmal ausführlich diskutieren, um zu
schauen, was wir anschließend daraus machen.

Vielen herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804905900

Danke, Herr Kollege Schmidt. – Der letzte Redner in

dieser Debatte: Dr. Reinhard Brandl, CDU/CSU-Frak-
tion.


(Beifall bei der CDU/CSU – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Jetzt spricht Bayern Klartext!)


Dr. Reinhard Brandl (CSU):
Rede ID: ID1804906000

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Lassen Sie mich zu Beginn meiner Ausführungen
zuerst einmal der Regierung dafür danken,


(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Das macht sich immer gut!)


dass sie wesentliche Anliegen, die uns im Parlament
beim letzten Haushalt, beim Haushalt 2014, gemeinsam
beschäftigt haben, bereits im Haushalt 2015 verankert
hat.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er bedankt sich bei der Regierung und bei Ihrer Majestät Angela I.!)


– Herr Kollege Beck, ich glaube, solche Anliegen wie
Integrationskurse – 40 Millionen Euro mehr – und


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo sind da 40 Millionen Euro mehr?)


die humanitäre Aufnahme syrischer Flüchtlinge – 9 Mil-
lionen Euro mehr – oder ein erhöhter Ansatz für das
Technische Hilfswerk


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


haben uns gemeinsam beschäftigt, und die Regierung hat
dies fortgeschrieben.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804906100

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage vom

Kollegen Beck?


Dr. Reinhard Brandl (CSU):
Rede ID: ID1804906200

Herr Beck, bitte.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Er will sich bei der Regierung bedanken!)


– Das freut mich.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804906300

Auch ich will jederzeit Ihrer Majestät und der Regie-

rung meinen Dank aussprechen.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Es geht doch!)


Damit ich das in voller Inbrunst tun kann, will ich Sie
fragen, wo die 40 Millionen Euro stehen. Unter dem
Haushaltstitel 684 12-219 – Durchführung von Integra-
tionskursen – steht unter „Soll 2014“ 244 077, also
244 Millionen Euro, und unter „Soll 2015“ findet sich
die identische Zahl: 244 077. Wo sind da die 40 Millio-
nen Euro geblieben?


Dr. Reinhard Brandl (CSU):
Rede ID: ID1804906400

Herr Kollege Beck, das kann ich ganz einfach erklä-

ren. Sie müssen überlegen, was Sie vergleichen.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den Haushalt 2014 und den Haushalt 2015 logischerweise!)






Dr. Reinhard Brandl


(A) (C)



(D)(B)

Im Haushaltsentwurf 2014 waren diese 40 Millionen
Euro im Titel für die Integrationskurse nicht enthalten.
Dann haben wir als Parlament hier in diesem Haus be-
schlossen, diesen Titel um 40 Millionen Euro zu erhö-
hen.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das weiß ich alles!)


Was die Regierung dann gemacht hat, ist, den Beschluss,
den wir hier gefasst haben, im Haushalt 2015 nachzu-
zeichnen.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja toll!)


Dafür habe ich mich bedankt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja toll! Die Regierung hält sich an die Beschlüsse des Parlaments! Wahnsinn!)


– Natürlich hält sich die Regierung im Haushalt 2014 an
die Beschlüsse des Parlaments.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber toll! Die wählen wir noch einmal!)


Aber was sie für das Jahr 2015 gemacht hat, ist, die Be-
schlüsse des Parlaments proaktiv nachzuzeichnen.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Großartig!)


Ich hoffe, dass wir diese Form der Zusammenarbeit auch
in diesem Haushalt an der einen oder anderen Stelle fort-
setzen können.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Taschenspielertricks!)


Meine Damen und Herren, Sie werden sich nicht
wundern, dass wir als Koalition den Regierungsentwurf
grundsätzlich mittragen können.


(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Nein, das wundert mich nicht!)


Aber wir müssen feststellen, dass seit der Aufstellung
des Haushalts im Frühsommer die Welt nicht stehen ge-
blieben ist. Verschiedene Vorredner haben bereits den
Anstieg der Asylbewerberzahlen genannt. Dieser He-
rausforderung müssen wir im Haushalt und im parla-
mentarischen Verfahren begegnen.

Wir werden auch prüfen, ob wir zum Beispiel im Be-
reich des Einzelplans 06 sinnvolle Unterstützungsmaß-
nahmen für die Ukraine mitfinanzieren können. Deutsch-
land hat eine internationale Verantwortung. Wir werden
dieser Verantwortung gerecht werden. Wir werden dabei
die Regierung im Haushaltsausschuss aktiv unterstützen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Martin Gerster [SPD])


Die verschiedenen Krisenherde in der Welt sind auch
eine latente Bedrohung für unsere Sicherheit im Inland.
Es wurde ebenfalls angesprochen: Im Moment sind über
400 Inländer, Deutsche oder aus Deutschland stam-
mende Bürger, in den Dschihad bzw. nach Syrien ge-
reist. Möglicherweise wollen sie zurückkommen und
den Kampf in Deutschland und in Europa fortsetzen. Wir
werden uns deswegen in den Haushaltsberatungen inten-
siv mit der Ausstattung der verschiedenen Sicherheitsbe-
hörden des Bundes beschäftigen und überprüfen, ob sie
dieser Herausforderung mit den Mitteln, die ihnen zur
Verfügung stehen, in ausreichender und guter Form ge-
recht werden.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte die
Gelegenheit nutzen, ein Thema anzusprechen, das uns
im Haushaltsausschuss sehr beschäftigt, das heute aber
noch nicht Gegenstand der Debatte war, nämlich die IT
des Bundes. Die IT des Bundes kann man natürlich unter
Kriterien wie Kosten und Leistungsfähigkeit messen.
Aber man muss sie auch unter dem Kriterium der Sicher-
heit messen.

Im Grundgesetz ist die Eigenverantwortlichkeit der
Ressorts verankert. Das hat sich bewährt. Das hat aber
im Bereich der IT dazu geführt, dass es innerhalb der
Bundesverwaltung eine Vielzahl von kleinen und kleins-
ten IT-Inseln mit eigenen Netzen und Rechenzentren
gibt.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: IT-Seychellen!)


Das hat Folgen. Es wird für die Ressorts und für die Be-
hörden immer schwieriger, die gestiegenen Sicherheits-
anforderungen zu gewährleisten. Die Haushaltsmittel
und das Fachpersonal sind knapp. Synergiepotenziale,
die man zum Beispiel durch eine gemeinsame Beschaf-
fung heben könnte, werden nicht oder nur kaum genutzt.
Die Handlungsfähigkeit der Regierung, zum Beispiel im
Fall einer großen IT-Krise, ist durch diese verstreuten
Zuständigkeiten eingeschränkt.

Die Bundesregierung hat am 20. August – der Minis-
ter hat es erwähnt – die Herausforderungen und die er-
forderlichen Maßnahmen in ihrer Digitalen Agenda sehr
eindrucksvoll und prägnant beschrieben. Ich verweise in
diesem Zusammenhang vor allem auf das Kapitel „Inno-
vativer Staat“.

Dieses vom Kabinett beschlossene Dokument unter-
streicht den Willen dieser Koalition, den digitalen Wan-
del aktiv zu gestalten, und es eröffnet im Bereich der
Bundesverwaltung die Chance, bei einer ressortübergrei-
fenden Zusammenarbeit, beim Betrieb und Aufbau von
Netzen und Rechenzentren endlich voranzukommen.
Wir werden einen solchen ressortübergreifenden Ansatz
im Haushaltsausschuss unterstützen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum
Schluss der Debatte als Hauptberichterstatter noch ein
paar allgemeine Bemerkungen zum Haushalt machen.

Mit diesem Haushalt macht der Bund keine neuen
Schulden mehr.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wurde schon von einem Vorredner gesagt!)






Dr. Reinhard Brandl


(A) (C)



(D)(B)

– Das ist eine historische Zäsur, auf die man nicht oft ge-
nug hinweisen kann, Herr Beck. – Strukturell ist bereits
der Haushalt 2014 ausgeglichen.


(Zurufe von der LINKEN)


Meine Damen und Herren, das ist nicht nur ein Saldo,
der sich aus der Haushaltsrechnung ergibt, sondern der
ausgeglichene Haushalt ist ein Versprechen, das wir den
Menschen und den kommenden Generationen gegeben
haben.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der ausgeglichene Verschleiß!)


Wir dürfen dieses Versprechen auch nicht leichtfertig
brechen, wenn wir das Vertrauen der Menschen in den
Staat insgesamt nicht gefährden wollen.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch nicht bei der Straße und bei der Schiene!)


Dieses Versprechen einzulösen, ist nicht ganz einfach.
Wir können nicht jeden Wunsch, der an uns herangetra-
gen wird, erfüllen. Schwierig ist es vor allem, wenn er
ohne Gegenfinanzierungsvorschlag geäußert wird.

Wir müssen uns immer auf die vorsichtige Seite stel-
len. Es kann zum Beispiel sein, dass sich im Haushalts-
verlauf Tatsachen, Sachverhalte ergeben, mit denen man
bei der Aufstellung noch nicht gerechnet hat. Früher
hätte man dann neue Schulden gemacht. Das geht jetzt
nicht mehr. Der damit verbundene Vertrauensverlust
wäre gigantisch.

Meine Damen und Herren, ich führe das deswegen
aus, weil das der Kern der Begründung ist, warum wir
im Haushalt 2014 vorsorglich eine Haushaltssperre mit-
beschlossen haben. 5 Prozent der Ausgaben sind für den
Notfall erst einmal gesperrt. Erst wenn absehbar ist, dass
bei den Einnahmen und Ausgaben alles nach Plan läuft,
wird das Geld freigegeben.

Ich hoffe, dass dies in wenigen Wochen – nach Aus-
wertung der August-Zahlen – der Fall ist und die Behör-
den, insbesondere auch im Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums des Innern, wieder voll auf ihre Ansätze
und Ausgabenreste zugreifen können. In der Zwischen-
zeit haben wir mit dem Bundesfinanzministerium das
gute Einvernehmen erreicht, dass unabweisbare Ausga-
ben auch in diesem Fall genehmigt und geleistet werden
können. Ich weiß, dass man für Maßnahmen wie Haus-
haltssperren keinen großen Applaus erntet. Aber sie die-
nen einem großen Ziel: die Zeiten der immer weiter stei-
genden Schulden zu beenden.

Unter dieser Maßgabe werden wir in den nächsten
Wochen verhandeln. Wir werden versuchen, die zahlrei-
chen Anliegen, die heute in der Debatte von den Fach-
politikern geäußert worden sind, mit unterzubringen.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und
Kollegen, ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit
bei den Haushaltsberatungen 2015.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804906500

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Brandl. – Weitere

Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen nicht vor.

Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz,
Einzelplan 07.

Ich eröffne die Debatte. Das Wort hat der Bundes-
minister Heiko Maas.

Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Ver-
braucherschutz:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Auch im Haushaltsjahr 2015 stellt
unser Ministerium, das Ministerium der Justiz und für
Verbraucherschutz, einen doppelten Rekord auf. Wir ha-
ben zum einen die geringsten Ausgaben, zum anderen
aber prozentual die höchsten Einnahmen. 73 Prozent un-
serer Ausgaben sind durch eigene Einnahmen gedeckt.
Der Dank geht insbesondere an eine gut geordnete nach-
geordnete Behörde, das Bundesamt für Justiz, genauso
wie an das Patent- und Markenamt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden
aus dem Ministerium in den kommenden Wochen, ja
teilweise sogar in den kommenden Tagen wichtige Ge-
setzgebungsvorhaben abschließend im Kabinett behan-
deln, um sie dann dem Parlament zur weiteren Beratung
und schließlich auch zur Beschlussfassung vorzulegen.
Ein Gesetzentwurf, der eben beim Einzelplan 06 schon
von Herrn de Maizière angesprochen wurde, nämlich zur
Umsetzung der Empfehlung des NSU-Untersuchungs-
ausschusses, liegt Ihnen bereits vor.

Ich will insbesondere drei Gesetzentwürfe erwähnen,
die wir Ihnen in Kürze zuleiten wollen. Das ist zum ei-
nen das Gesetz zur Änderung des Sexualstrafrechtes. Es
geht um das Gesetz, in dem unter anderem die Verjäh-
rung beim sexuellen Missbrauch erst ab dem 30. Lebens-
jahr des Opfers einsetzen soll, weil wir festgestellt ha-
ben, dass viele Missbrauchte erst sehr spät beginnen
können, darüber zu reden.

Wir verschärfen die Regelungen zur Strafbarkeit der
Herstellung und Verbreitung von kinderpornografischen
Erzeugnissen. Auch da wissen wir, dass Strafrecht nicht
allein helfen kann. Wir haben die Mittel für die Präven-
tion schon im letzten Haushaltsjahr ganz wesentlich an-
gehoben. Aber wir sind auch der Auffassung, dass ge-
rade in diesem Bereich Strafbarkeitslücken nicht
akzeptabel sind, und deshalb wollen wir sie schließen.

Wir werden uns zum Dritten in dem Gesetzentwurf
mit dem Thema Cybermobbing auseinandersetzen und
auch hier Strafbarkeitsregeln einführen, weil wir selber
darüber erschrocken sind, dass junge Menschen darunter
so sehr leiden, dass sie bis hin in den Selbstmord getrie-
ben werden.

Ein zweiter wichtiger Gesetzentwurf, den wir inner-
halb der Regierung beraten und auch demnächst vorle-
gen wollen, betrifft die Mietpreisbremse. Ich will noch
einmal darauf hinweisen: Bereits seit 2009 steigen in
Deutschland zumindest in den Ballungsgebieten die





Bundesminister Heiko Maas


(A) (C)



(D)(B)

Mieten. Ich nenne einige aktuelle Zahlen: Münster hat
ein Plus von 34 Prozent zu verzeichnen, in Hamburg be-
trägt der Mietpreisanstieg 28 Prozent sowie in München
und Berlin jeweils 20 Prozent. Deshalb ist die Einfüh-
rung einer Regelung überfällig, dass die Miete bei Wie-
dervermietung nur noch insoweit steigen kann, dass sie
um 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete
liegt.

Ich will noch auf einen anderen Punkt hinweisen, der
immer wieder angesprochen worden ist: Die Mietpreis-
bremse ist keine Investitionsbremse, weil sie für Neu-
bauten gar nicht gilt. Es gibt aber viele Tausend Men-
schen, die darauf warten, dass die Mietpreisbremse
endlich Realität wird.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir werden den Gesetzentwurf zur Frauenquote in
der Bundesregierung endberaten. Der Teil, den das Jus-
tiz- und Verbraucherschutzministerium dazu beisteuert,
nämlich die Änderung des Aktiengesetzes, also die Ein-
führung einer gesetzlichen Quote in den Aufsichtsräten,
ist ein überfälliger Schritt. Ich will auch hierzu aktuelle
Zahlen nennen. Bei den Top-200-Unternehmen ist die
Entwicklung in den Aufsichtsräten rückläufig. Nur
15 Prozent der dortigen Mandate sind mit Frauen be-
setzt. Bei den DAX-Unternehmen ist die Entwicklung in
den Vorständen ebenfalls rückläufig. Der Anteil von
Frauen in den Vorständen beträgt 6,3 Prozent.

Wir werden nur die Quote für die Aufsichtsräte ge-
setzlich festlegen. Aber wenn eine britische Studie ak-
tuell zu dem Ergebnis kommt, dass von 45 untersuchten
Wirtschaftsnationen Deutschland bei der Vertretung von
Frauen in Führungspositionen den letzten Platz ein-
nimmt, dann ist es wirklich Zeit, dass wir dieses Gesetz
jetzt auf den Weg bringen.


(Beifall bei der SPD)


Meine Damen und Herren, auch im Verbraucher-
schutz sind bereits nicht unwesentliche Dinge auf den
Weg gebracht worden. Aber wir haben uns insbesondere
für die kommende Zeit einiges vorgenommen. Ich will
nur aktuelle Dinge kurz ansprechen.

Fast 50 Prozent aller Ausgaben in Deutschland wer-
den heute ohne Bargeld abgewickelt. Überweisungen,
Lastschriften und Bankkarten: Für all dies braucht ein
Mensch ein Girokonto. Trotz mancher Anstrengung in
der Vergangenheit bleibt es aber bedauerlicherweise eine
Tatsache: Noch immer wird zu vielen Menschen in
Deutschland ein eigenes Bankkonto verweigert. Die Be-
troffenen geraten dabei – das erkennen wir immer wie-
der – in einen Teufelskreis. Wer kein eigenes Konto hat,
erweckt Misstrauen und hat es schwerer, einen Arbeits-
platz zu finden und eine Wohnung anzumieten, und ist
auch bei vielen anderen lebenswichtigen Dingen einge-
schränkt. In der kommenden Woche tritt nun die EU-
Richtlinie in Kraft, mit der das Girokonto für jeder-
mann endlich Wirklichkeit werden soll. Wir haben im
Koalitionsvertrag festgelegt, dass wir diese Initiative
unterstützen. Die Bundesregierung beginnt nun mit der
Umsetzung und verfolgt dabei das klare Ziel, die Diskri-
minierung beim Zugang zum Girokonto grundsätzlich zu
beenden. Ich finde, dass das ein guter Anlass ist, vertieft
in die Arbeit einzusteigen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ein eigenes Konto eröffnet die Chance, am Finanzle-
ben teilzuhaben. Aber es ist für viele Verbraucherinnen
und Verbraucher auch zu einem Risiko geworden. Das
hängt vor allen Dingen mit den hohen Zinsen für Über-
ziehungskredite zusammen. Wir müssen sicherstellen,
dass die Dispozinsen in Zukunft nicht, wie es in der Ver-
gangenheit und der Gegenwart noch viel zu häufig der
Fall ist, zu einer Schuldenfalle für Verbraucherinnen und
Verbraucher werden. Ich will gar nicht in Abrede stellen,
dass es Kreditinstitute gibt, die darauf bereits mit ver-
nünftigen Maßnahmen reagieren. Aber ich will auch in
aller Deutlichkeit sagen: Wenn ich mir die eine oder an-
dere Begründung der Banken für ihre hohen Überzie-
hungskreditzinsen anschaue, dann komme ich zu dem
Schluss, dass eine Bank, deren Geschäftsmodell auf
Überziehungszinsen von bis zu 14 Prozent angewiesen
ist, kein wirkliches Geschäftsmodell hat. Niemand kann
mir erzählen, dass dem nicht so ist. Deshalb werden wir
hier tätig.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


Wir wollen zukünftig die Banken in dieser Sache stär-
ker in die Verantwortung nehmen. Die Zinsen und die
Höhe der Zinssätze müssen offengelegt werden. Das
schafft mehr Transparenz als bisher. Wir wollen außer-
dem eine Beratungspflicht schaffen. Wenn ein Verbrau-
cher über lange Zeit tief in den roten Zahlen steckt, dann
soll die Bank künftig ihren Kunden ansprechen. Sie soll
ihm aufzeigen, welche Alternativen es zu den teuren
Dispokrediten gibt und wie er zum Beispiel durch eine
Umschuldung aus der Schuldenfalle herauskommen
kann. Ich finde, dass das eigentlich eine Selbstverständ-
lichkeit ist, erst recht dann, wenn man der Werbung der
Banken im Fernsehen glauben darf. Da die Realität lei-
der anders ist, wollen wir mit einer Beratungspflicht der
Entwicklung auf die Sprünge helfen. Das ist nach wie
vor bitter nötig.


(Beifall bei der SPD)


Das ist weder eine Bevormundung noch eine Überregu-
lierung. Ich bin der Auffassung, dass moderne Verbrau-
cherpolitik insbesondere dann sinnvoll ist, wenn sie ver-
braucherfreundliche Entwicklungen anstößt. Sie ersetzt
sicherlich nicht die Eigenverantwortung der Verbrau-
cher. Aber wir wollen mit solchen Maßnahmen Rechte
und vor allen Dingen den Rahmen schaffen, in dem die
Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Eigenverantwor-
tung wahrnehmen können.

Die Politik tut gut daran, gute Ideen – das ist in den
bereits erwähnten Fällen auch so gewesen – aus Wissen-
schaft, NGOs und der Zivilgesellschaft noch stärker als
bisher zu berücksichtigen. Wir werden dies in meinem
Ministerium auch tun. Im Herbst nimmt der neu einge-
richtete Sachverständigenrat für Verbraucherfragen seine





Bundesminister Heiko Maas


(A) (C)



(D)(B)

Arbeit auf. Wenn es seit Jahrzehnten selbstverständlich
ist, dass die sogenannten Wirtschaftsweisen der Bundes-
regierung Ratschläge geben, dann ist es vielleicht sogar
überfällig, dass es einen vergleichbaren Sachverständi-
genrat gibt, der der Bundesregierung Hilfestellung und
Hinweise gibt, wenn es darum geht, die Rechte der Ver-
braucherinnen und Verbraucher zu schützen und auch ih-
nen eine starke Stimme zu geben. Das tun wir jetzt.

Wir werden das Projekt der Marktwächter auf den
Weg bringen, wenn uns die entsprechenden Mittel zur
Verfügung gestellt werden. Dieses Projekt ist außeror-
dentlich wichtig. Wir wollen mit den Finanzmärkten be-
ginnen und es dann im Internetbereich fortsetzen. Die
verbraucherschutzrelevanten Maßnahmen, die wir in der
digitalen Welt auf den Weg bringen müssen, werden uns
sicherlich noch viel Arbeit bereiten.

Sie sehen, wir sind außerordentlich dankbar dafür,
dass die Arbeit, die wir uns vorgenommen haben, auch
mit ausreichenden Mitteln ausgestattet wird. Dazu wol-
len wir in den anstehenden Beratungen unseren Teil bei-
tragen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804906600

Danke, Heiko Maas. – Nächster Redner in der De-

batte ist Roland Claus für die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Roland Claus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804906700

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr ge-

ehrter Herr Bundesminister! Traditionsgemäß lässt die
Opposition bei der Beratung über den Justizhaushalt im-
mer eine gewisse Milde walten. Das hat zum einen den
Grund darin, dass es eine ganze Reihe von Vorhaben, die
Sie soeben angekündigt haben, gibt, die durchaus unsere
Unterstützung finden, das hat zum anderen aber auch da-
mit zu tun, dass die Opposition natürlich ihrerseits an ei-
ner leistungsfähigen Justiz interessiert ist, sind es doch
häufig erst die Gerichte, die parlamentarischen Mehrhei-
ten oder auch Verwaltungen Einhalt gebieten, wenn
diese zuweilen geltendes Recht brechen oder in Einzel-
fällen dagegen verstoßen. Dass das vorkommt, haben Sie
jüngst bei den Kommentierungen von Beobachtungen
von Bundestagsabgeordneten meiner Fraktion wahrge-
nommen. Daraus folgt: Die Opposition wird dem Justiz-
minister zuweilen helfen, und deshalb sollte umgekehrt
gelten: Der Justizminister sollte es sich mit der Opposi-
tion nicht verscherzen. Ich denke, da können wir Einig-
keit erzielen.


(Beifall bei der LINKEN)


Es gibt eine Reihe von Gründen, die diesen Haushalt
umso vieles wichtiger machen, als er es bisher schon
war. Zwei davon heißen NSU, Nationalsozialistischer
Untergrund, und NSA, die amerikanische Sicherheitsbe-
hörde, und die Enthüllungen Edward Snowdens. Ich
denke, da geht es nicht mehr mit einem Weiter-so, da
sind neue Ansätze gefragt. Wir müssen uns doch nur ein-
mal eines vor Augen halten: Während wir in diesen Mi-
nuten diesen Etat beraten, werden erneut Daten von
Handys und von PCs auch aus der Mitte des Parlaments
auf US-amerikanischen Servern gesammelt. Jetzt ist
doch die Frage: „Wollen wir uns daran gewöhnen, oder
wollen wir uns dagegen zur Wehr setzen?“, wobei wir
für Letzteres wären.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Gefahr besteht doch darin, dass mit einer schlei-
chenden Unterwanderung des Rechtsstaates bisherige
Standards der Vergangenheit angehören. Deshalb, denke
ich, müssen wir die Idee des Rechtsstaates neu denken,
um die Idee vom Rechtsstaat zu bewahren.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich würde in dem Zusammenhang gern die Bundes-
kanzlerin zitieren, die am 23. Februar 2012 auf der Ge-
denkveranstaltung für die Opfer des NSU zu den Hinter-
bliebenen gesagt hat:

Als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutsch-
land verspreche ich Ihnen: Wir tun alles, um die
Morde aufzuklären, um die Helfershelfer und
Hintermänner aufzudecken und alle Täter ihrer ge-
rechten Strafe zuzuführen. Daran arbeiten alle zu-
ständigen Behörden in Bund und Ländern mit
Hochdruck.

Es sind seitdem zweieinhalb Jahre vergangen. Die
Untersuchungsausschüsse im Bundestag, im Thüringer
Landtag und in anderen Landtagen brachten zutage, dass
dieses Versprechen der Kanzlerin schon deshalb nicht er-
füllt werden kann, weil nach dem Tod der beiden NSU-
Terroristen Böhnhardt und Mundlos ungezählte Akten
vernichtet wurden. Ich frage mich, ob aus dem Verspre-
chen der Bundeskanzlerin einerseits und den massiven
Vorwürfen der Untersuchungsausschüsse an Verfas-
sungsschutz, Polizei und auch die Justiz andererseits
nicht der Schluss zu ziehen wäre, auch im Haushalt des
Ministeriums die Vorsorge zu treffen, um hier zu ande-
ren Ansätzen zu kommen.

Wo bleibt beispielsweise ein Titel „Aufarbeitung von
Justizversagen beim NSU“, wo bleiben die Ansätze zur
besseren Fort- und Weiterbildung von Juristinnen und
Juristen auf diesem Gebiet? Wir haben festgestellt:
Nichts ist wirklich aufgeklärt. Es waren Prozesse, die
mit den Begriffen Schreddern, Vertuschen, Korpsgeist-
verhalten und Kompetenzwirrwarr zu beschreiben sind.
Nur eine Frage: Konnte V-Leuten bei den Nazis Geld
und Straffreiheit wirklich ohne staatsanwaltschaftliche
Beteiligung zugesichert werden? Ich denke, wer Zivil-
courage will, muss hier auch Justizcourage zeigen.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich meine natürlich eine Justizcourage, die den Leuten
Mut und nicht Angst macht.

Bekanntlich irrt Justitia manchmal. Den Bundestag
und damit uns alle erreichen viele Vorschläge, so etwas
wie einen Justizopferfonds einzuführen.


(Beifall des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])






Roland Claus


(A) (C)



(D)(B)

Ich denke einmal, Sie werden das ganz sicher anders
nennen. Aber so etwas auf den Weg zu bringen, wäre
schon ein wichtiger Schritt; denn es gibt viele Betrof-
fene, und für sie wäre schon die nächste Instanz eine In-
stanz zu viel.

Herr Minister, ich will noch ein paar Worte zum Be-
reich des Verbraucherschutzes sagen. Da haben wir es
mit einer Einzigartigkeit, ja mit einem Kuriosum zu tun.
Wir haben ein Bundesministerium der Justiz und für
Verbraucherschutz, und wir haben ein Bundesamt für
Verbraucherschutz. Wenn man das so hört, geht man wie
selbstverständlich davon aus, dass dieses Bundesamt im
Geschäftsbereich dieses Ministeriums angesiedelt ist. Ist
es aber nicht! Angesiedelt ist dieses Bundesamt im Ge-
schäftsbereich des Ministeriums für Ernährung und
Landwirtschaft. Ich glaube, da haben Sie sich ganz
schön über den Tisch ziehen lassen, Herr Bundesminis-
ter. Wir wollen, dass dort, wo Verbraucherschutz drauf-
steht, auch Verbraucherschutz drin ist. Dass das klar ist!


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dass die Linke in Regierungsverantwortung gute
Dinge auf den Weg bringen kann, können Sie auch daran
sehen, dass die Regierung in Brandenburg mit der Ver-
braucherschutzministerin Anita Tack den von Ihnen
schon genannten Bundesratsbeschluss zur Begrenzung
von Dispozinsen initiiert und dann auf den Weg gebracht
hat. Wenn die Bundesregierung diesem Vorschlag jetzt
zustimmen will, haben wir einiges erreicht.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir werden Ihnen in den Beratungen erneut einige
Vorschläge unterbreiten, wie wir mit dem Deutschen Pa-
tent- und Markenamt in München noch besser umgehen
können. Sie wissen, da sind wir immer für Vorschläge
gut. Erfreulich ist, dass die Bundesregierung den Vor-
schlägen aus der Opposition diesmal schon im Ansatz
ein Stück weit gefolgt ist – ein viel zu kleines, wie wir
meinen; aber wir bleiben dran. Insofern stehen wir vor
spannenden Beratungen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804906800

Vielen Dank, Herr Kollege Claus. – Nächste Rednerin

in der Debatte ist Elisabeth Winkelmeier-Becker für die
CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU):
Rede ID: ID1804906900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Viele Finanzminister haben es versucht und haben es
auch beherzt angekündigt, aber unser Finanzminister,
Dr. Schäuble, schafft es jetzt. Ich möchte deshalb an den
Anfang meiner Rede mein Lob, meinen Dank und meine
Anerkennung an die Haushälter der Fraktionen und der
Koalition richten, dass sie dazu beigetragen haben, dass
zum ersten Mal der Entwurf eines Haushaltes ohne Neu-
verschuldung vorgelegt wird. Ich denke, wir werden uns
alle sehr darum bemühen, dass dieser Entwurf das Ge-
setzgebungsverfahren übersteht, sodass am Ende ein
ausgeglichener Haushalt stehen wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Nicht nur als Rechtspolitikerin, sondern auch als Mut-
ter von drei Kindern, Großmutter eines kleinen Enkel-
kindes und als Nordrhein-Westfälin freue ich mich sehr
darüber. In Nordrhein-Westfalen sind wir im Moment
anderes gewohnt: Da trinkt die Regierung nur noch Lei-
tungswasser und kann sich noch nicht einmal Sprudel
leisten,


(Burkhard Lischka [SPD]: Na ja!)


weil man dort eben nicht so talentiert im Umgang mit
Geld ist.


(Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich trinke auch Leitungswasser, obwohl ich mir Sprudel leisten kann!)


Ich möchte auf den Justizhaushalt eingehen, der der
kleinste aller einzelnen Haushalte ist. Er umfasst
0,16 Prozent des Gesamtvolumens der Einnahmen und
0,22 Prozent des Gesamtvolumens der Ausgaben. Durch
Gebühren und Einnahmen in seinem Geschäftsbereich
liegt die Deckungsquote aber bei immerhin 73 Prozent.
Das sind natürlich Zahlen, mit denen wir Rechtspolitiker
uns beim Finanzminister beliebt machen können. Unser
Schwerpunkt liegt eben nicht im Verteilen von Geld,
sondern in guten Regeln, in guter Rechtspolitik.

Aber so ganz ohne Geld geht es natürlich auch nicht.
Aus dem Einzelplan Justiz und Verbraucherschutz wer-
den zum Beispiel die Bundesgerichte finanziert. Herr
Minister, wir waren am vergangenen Freitag beim Bun-
desverwaltungsgericht, als dort die Amtseinführung sei-
nes neuen Präsidenten und seines neuen Vizepräsidenten
stattfand. Es wurden Reden gehalten, und es wurde auch
die Bedeutung des Bundesverwaltungsgerichtes heraus-
gehoben. Sie selber haben Gustav Radbruch zitiert, der
gesagt hat: Gerade die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist der
Schlussstein des Rechtsstaats, weil sie den Bürgern die
Möglichkeit gibt, gegen Eingriffe seitens des Staates und
der Verwaltung vorzugehen. Es war gerade 25 Jahre und
einen Tag her, dass die erste Montagsdemo stattgefunden
hat, bei der die Menschen genau darum gekämpft und
dafür demonstriert haben. Ich denke, wir haben da einem
sehr würdigen Akt beigewohnt.

Aber im gleichen Atemzug, Herr Minister, nehmen
Sie dort eine Stelle weg. Sie streichen eine Richterstelle
und ziehen die Stelle praktisch ins eigene Haus, geben
das Geld also für zusätzliche eigene Ministerialbeamte
aus. Das, denke ich, geht nicht. Wir können nicht das
Bundesverwaltungsgericht, Teil der dritten Staatsgewalt,
hier behandeln wie eine nachgeordnete Behörde. Da
nimmt man Geld aus dem einen Haushalt und verleibt es
dem eigenen ein. Dazu ist das Bundesverwaltungsge-
richt zu wichtig. Wir haben einige große Planungsvorha-
ben. Bei denen ist es nicht untypisch, dass sich Gerichts-
verfahren anschließen. Die dürfen nicht deshalb länger





Elisabeth Winkelmeier-Becker


(A) (C)



(D)(B)

dauern, weil wir weniger Richter und mehr Ministerial-
beamte haben.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben in der Rechtspolitik ein sehr breit gefä-
chertes Feld von Themen. Man kann nicht alles beleuch-
ten. Ich möchte heute vor allem auf das eingehen, was
wir in der Rechtspolitik gerade vonseiten der Union tun
wollen, um den Mittelstand, den wirtschaftlichen, aber
auch den gesellschaftlichen Mittelstand, zu stärken, weil
er das Rückgrat unserer Wirtschaft und auch der Gesell-
schaft ist. Er ist es deshalb wert, dass man sich hier be-
sonders um ihn kümmert.

Wir haben in diesem Zusammenhang vor der Som-
merpause bereits das Gesetz zur Bekämpfung von Zah-
lungsverzug im Geschäftsverkehr beschlossen und damit
den exorbitanten Zahlungsfristen, die es teilweise gab,
ein Ende gesetzt. Wir haben uns da ganz bewusst ge-
meinsam für die mittelstandsfreundliche Variante ent-
schieden. Wir wollen nicht dabei stehen bleiben, sondern
viele Punkte, die der Koalitionsvertrag enthält, jetzt auf
die Agenda setzen.

Als erstes Beispiel nenne ich das Insolvenzrecht. Hier
brauchen wir mehr Planungssicherheit für Unternehmen.
Wir haben in der Vergangenheit verstärkt Fälle geschil-
dert bekommen, in denen Insolvenzverwalter hohe For-
derungen an Unternehmer oder typischerweise an kleine
Handwerker gestellt haben, die Jahre zuvor ihrem Ge-
schäftspartner, der später in Insolvenz gegangen ist, Kre-
dite gegeben, Zahlungsfristen eingeräumt haben – völlig
geschäftstypische Vorgänge, auch gewünschte Vorgänge,
gerade in Branchen, die saisonabhängig sind. Diese Un-
ternehmer, diese Handwerker wurden dafür bestraft,
dass sie ihrem Geschäftspartner solche Fristen einge-
räumt haben.

Wir denken, es kann nicht sein, dass so etwas im
Nachhinein bestraft wird, nämlich dadurch, dass noch
Jahre später das Geld, das man für erbrachte Leistungen
bekommen hat, in die Konkursmasse zurückgeholt wer-
den kann. Hier müssen wir trennen zwischen geschäfts-
typischem und gewünschtem Verhalten auf der einen
Seite und missbräuchlichen Fallgestaltungen auf der an-
deren Seite, die es natürlich auch gibt und bei denen eine
Anfechtung berechtigt ist. Hier müssen wir uns um Kri-
terien kümmern, die das eine vom anderen trennen. Wir
haben das vereinbart. Sie haben es auch versprochen. Ich
hoffe, dass wir bald eine gute Beratungsgrundlage be-
kommen und das dann auch noch in das laufende Ge-
setzgebungsverfahren zum Konzerninsolvenzrecht ein-
beziehen können.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ein zweiter Punkt ist das Gewährleistungsrecht, auch
gerade für Handwerker ein wichtiger Punkt. Da gibt es
eine Unwucht zulasten mittelständischer Unternehmen,
gerade in den Fällen, in denen die Produkte, die verwen-
det werden, die zum Beispiel eingebaut werden, uner-
kannte Mängel haben. Nehmen Sie als Beispiel den
Handwerker, der Fliesen einbaut, die äußerlich makellos
sind, aber dann schnell brüchig werden! Dann kann sein
Kunde ihn in Anspruch nehmen. Er muss alles wieder
herrichten, kann seinerseits natürlich seinen Lieferanten
in Anspruch nehmen, bleibt aber auf den Kosten des
Einbaus oder Umbaus sitzen, obwohl sein Lieferant
möglicherweise schuldhaft schlechtes Material geliefert
hat. Da wollen wir einen Regressanspruch etablieren, da-
mit derjenige haftet, der den Mangel auch zu verantwor-
ten hat.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Ein weiterer Punkt, um es unseren mittelständischen
exportorientierten Firmen einfacher zu machen: Wir dis-
kutieren im Moment auch auf europäischer Ebene über
die Etablierung einer neuen Gesellschaftsform, die es er-
leichtern soll, in verschiedenen europäischen Staaten un-
ternehmerisch tätig zu sein. Im Moment liegt ein Richtli-
nienvorschlag zur SUP, Single Member Company, auf
dem Tisch, der sich am angelsächsischen Vorbild orien-
tiert. Aus unserer Sicht gibt es Nachteile beim Vertrau-
ensschutz, was notariell geprüft wird oder nicht. Wir ha-
ben sehr schwache Vorgaben beim Haftungskapital, und
wir haben – auch das ist relevant – deutlich schlechtere
Rahmenbedingungen bei der Mitbestimmung der Arbeit-
nehmer im jeweiligen Kontrollgremium. Das ist nicht
unsere Vorstellung von einer neuen europäischen Gesell-
schaftsform.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir wollen einen besseren Ansatz. Den gibt es auch
schon. Die SPE, eine andere Gesellschaftsform, orien-
tiert sich mehr an unserem System. Hier habe ich die
herzliche Bitte – ich glaube, wir sind uns hier einig; das
entnehme ich Ihrer Reaktion –, dass wir uns auf euro-
päischer Ebene rechtzeitig aufmachen, um bei anderen
Ländern Verbündete zu suchen; denn nicht jeder findet
automatisch das deutsche System besser als das angel-
sächsische. Ich bin davon überzeugt, dass unser System
maßgebliche Vorteile hat und dass es sich lohnt, es auch
auf europäischer Ebene zu etablieren.

Der nächste Punkt bezieht sich auf die Frauenquote.
Ich freue mich sehr, dass wir in dieser Legislaturperiode
maßgebliche Schritte machen werden, damit es letztlich
auch in den Führungspositionen nur noch auf die Quali-
fikation und nicht mehr auf das Geschlecht ankommt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich bin auch dankbar, wenn wir in dieser Phase darauf
achten, wie das Ganze praktikabel umgesetzt werden
kann; und wir sollten ein offenes Ohr dafür haben, wo es
in der Praxis Umsetzungsschwierigkeiten gibt. Sie sind
naturgemäß da am größten, wo die Gremien kleiner sind
oder auch die Familienbindung eines Unternehmens grö-
ßer ist. Für ein familiengebundenes Unternehmen – an-
ders ist die Situation in einem nichtfamiliengebundenen
Unternehmen – ist es schwierig, die Frauenquote zu er-
füllen, wenn es nur Söhne gibt. Ich bin sehr dankbar,
dass wir die Freiheit und die Flexibilität haben, darauf
einzugehen; denn davon wird die Akzeptanz der Frauen-





Elisabeth Winkelmeier-Becker


(A) (C)



(D)(B)

quote abhängen und damit auch die Frage, wie sehr sie
funktioniert.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auf einen Wi-
derspruch hinweisen. Maßgebliche Impulse für diese
Frauenquote kamen aus Europa. Die Justizkommissarin
Viviane Reding hat Druck gemacht und unsere Diskus-
sion ein Stück weit mitbestimmt. Jetzt haben wir den Be-
fund, dass gerade bei der Europäischen Gesellschaft, der
SE, diese Quote nicht verbindlich gilt, sondern nur für
Aktiengesellschaften. Das ist letztendlich ein Parado-
xon; das muss man wirklich sagen. Von Europa kam
diese Vorgabe, und jetzt ist die europäische Gesell-
schaftsform geradezu der Ausweg, um sich der ver-
pflichtenden Vorgabe zu entziehen. Das betrifft Firmen,
die eigentlich klare Kandidaten für diese Quote wären:
BASF, SAP, Allianz usw. usf. Ich rege an, dass wir auf
europäischer Ebene vorschlagen, dass dieser Wider-
spruch aufgehoben wird. Ich lege dem Minister ans
Herz, dies in Brüssel anzusprechen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Die letzten Sekunden nutze ich für ein Thema, das zu-
nehmend wichtiger wird. Das betrifft die Situation der
Syndikusanwälte. Es gibt ein aktuelles, viel beachtetes
Urteil des Bundessozialgerichtes, das sich auf die ge-
setzliche Rentenversicherung bezieht und auf die Frage,
unter welchen Bedingungen Syndikusanwälte davon be-
freit werden können. Es gibt eine langjährige Praxis: An-
gestellte Syndikusanwälte können dann, wenn sie wei-
sungsungebunden, rechtsgestaltend und beratend für ein
Unternehmen tätig sind, im Versorgungswerk der Rechts-
anwälte bleiben. Das ist bisher die Grundlage für berufli-
che Verläufe, die sehr flexibel sind, die von den Unter-
nehmen erwartet werden und die einen Mehrwert an
Erfahrung bieten. Wenn das unterbunden wird, dann
führt das zu sehr viel Verunsicherung und zu schlechte-
ren Ergebnissen. Es ist klar: Wer durch einen beruflichen
Wechsel aus seiner gewohnten Altersversorgung ausstei-
gen muss, wird sich den Wechsel dreimal überlegen.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804907000

Frau Kollegin.


Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU):
Rede ID: ID1804907100

Wir sind daran interessiert, an einer flexiblen und

sachgerechten Lösung zu arbeiten, und haben uns das
auch fest vorgenommen. Die ersten Vorschläge und
Überlegungen liegen bereits vor. In diesem Sinne wer-
den wir weiter dafür sorgen, dass gute Rahmenbedin-
gungen für unseren wirtschaftlichen und gesellschaftli-
chen Mittelstand gegeben sind. Ich wünsche uns
weiterhin gute Beratungen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804907200

Danke, Frau Kollegin. – Nächster Redner in der De-

batte: Dr. Tobias Lindner für Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804907300

Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Wahrlich, wir diskutieren hier einen besonderen Etat.
Der Kollege Roland Claus sprach von Milde der Opposi-
tion. Keine Sorge: Ich werde sparsam damit umgehen.

Der Minister und Sie, Frau Winkelmeier-Becker, ha-
ben erwähnt, dass wir über den mit Abstand kleinsten
Etat eines Ministeriums in der Bundesregierung reden.
Ich will den Zuschauerinnen und Zuschauern ein illus-
tratives Beispiel geben: Allein die Kürzung, die die
Große Koalition im letzten Haushalt in der Nacht der
Bereinigungssitzung an den Mitteln für das Verteidi-
gungsressort vorgenommen hat – das waren 400 Millio-
nen Euro –, entspricht fast den Ausgaben, die Heiko
Maas im Jahr 2015 tätigen können soll, nämlich
414 Millionen Euro. Man könnte versucht sein, zu den-
ken, wir würden hier über einen Geschäftsbereich der
Bundesregierung reden, der unbedeutend wäre.

In dieser Debatte – das will ich auch als Hauptbericht-
erstatter für diesen Etat sagen – ist bereits deutlich ge-
worden: Es geht nicht nur um Geld. Wir alle – egal von
welcher Fraktion – haben Interesse an einem funktionie-
renden Justizsystem. Natürlich braucht es hier vor allem
kluge und gut gemachte Regeln. Ich will der Koalition
an einer Stelle entgegenkommen: Man braucht im Be-
reich des Verbraucherschutzes sogar kluge Regeln und
Normen.

Jetzt kommt das große Aber. In einem Bundesminis-
terium der Justiz und für Verbraucherschutz, dessen
Teile erst noch zusammenwachsen müssen, ist Geld viel-
leicht nicht alles, aber, liebe Kolleginnen und Kollegen,
da geht ohne Geld manchmal auch nichts. Da reicht es
nicht aus, dass nur ein Drittel der Mittel für den Verbrau-
cherschutz bei dem Neuzuschnitt der Ministerien in das
BMJV gelangt ist. Der Verbraucherschutz ist, wie auch
im Haushalt 2014, leider immer noch chronisch unterfi-
nanziert.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich will dies an zwei Themen deutlich machen. Die
Marktwächter wurden bereits angesprochen. Im letzten
Haushalt hat die Koalition Mittel für eine Anschubfinan-
zierung für einen Marktwächter im Bereich des Finanz-
markts in Höhe von 2,5 Millionen Euro eingestellt. Sie
haben sich in Ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen,
Marktwächter für den Finanzmarkt und für die digitale
Welt zu schaffen. Damit Sie mich richtig verstehen: Das
ist auch bitter notwendig.

Wenn wir eine Lehre aus der Finanzkrise ziehen soll-
ten, dann ist es, dass wir die Lobby der Verbraucherin-
nen und Verbraucher stärken müssen. Heute Morgen
sprach Wolfgang Schäuble über die Industrie 4.0, über
die Digitalisierung unserer Wirtschaft und über neue Ge-
schäfts- und Nutzungsmodelle. Wenn wir auch daraus
eine Lehre ziehen wollen, dann muss die Lehre heißen,
dass die Lobby, die Interessenverbände und die Macht
der Verbraucherinnen und Verbraucher in diesem Be-
reich unbedingt gestärkt werden müssen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)






Dr. Tobias Lindner


(A) (C)



(D)(B)

Es reicht eben nicht aus, wenn Sie die Mittel im
Etatansatz nur um 800 000 Euro erhöhen wollen. Der
Verbraucherzentrale Bundesverband selbst spricht von
einem Bedarf für eine Anschubfinanzierung in Höhe von
7 Millionen – und nicht von 3,3 Millionen Euro, die es
dann eigentlich wären. Wenn beide Marktwächter dann
hoffentlich aktiv sind, kommt mittelfristig ein Finanzbe-
darf von insgesamt etwa 14 bis 15 Millionen Euro auf
uns zu.

Bevor die geschätzten Kollegen Gröhler und Rohde
mir später entgegnen, dieses Geld sei in Zeiten einer
schwarzen Null nur schwer im Einzelplan zu finden, will
ich schon jetzt erwidern: Was Sie eben nicht tun können,
liebe Kolleginnen und Kollegen von der Großen Koali-
tion, ist, einen Koalitionsvertrag zu verabschieden und
zu sagen: Alle nicht prioritären Vorhaben müssen aus
den Einzelplänen finanziert werden. – Dann schneiden
Sie die Ministerien neu zu – das können Sie ja tun; es
gibt durchaus Gründe dafür, das so zu sehen, wie Sie es
sehen –, statten dann die Häuser aber nicht mit den Mit-
teln aus, die erforderlich sind, um diesen Koalitionsver-
trag umsetzen zu können. Nein, ich will es viel deutli-
cher sagen: Sie haben ein Ministerium geschaffen, auf
das Ihr eigener Koalitionsvertrag nicht anwendbar ist,
liebe Kolleginnen und Kollegen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich will einen zweiten Punkt im Bereich des Verbrau-
cherschutzes erwähnen: die institutionelle Förderung.
Jetzt steht zwar ein Grüner vor Ihnen, aber ich habe mich
in meinem Studium viel mit Ludwig Erhard und den Vä-
tern der sozialen Marktwirtschaft befasst.


(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)


Ich habe mich lange gefragt: Was würde wohl Ludwig
Erhard in einer Situation wie der heutigen sagen,


(Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU]: Sehr guter Ansatz!)


in der wir es zunehmend mit Lobbyinteressen, Digitali-
sierung und Internationalisierung unserer Wirtschaft zu
tun haben? – Wenn man in Schriften von Erhard und
Eucken schaut, dann sieht man, dass dort sehr wohl da-
von gesprochen wird, dass wir mündige Konsumentin-
nen und Konsumenten brauchen, dass wir das abbauen
müssen, was der Fachmann oder die Fachfrau als Infor-
mationsasymmetrie bezeichnet.

Wenn wir mündige und mächtige Verbraucherinnen
und Verbraucher brauchen, liebe Kolleginnen und Kolle-
gen, dann geht es eben nicht, was Sie in Ihrem Haus-
haltsentwurf bei den Mitteln für den Verbraucherzentrale
Bundesverband und die Stiftung Warentest vorsehen.
Die Mittel für den Verbraucherzentrale Bundesverband
erhöhen Sie nur in sehr geringem Maße; damit kann man
nicht einmal Tarifsteigerungen auffangen. Bei der Stif-
tung Warentest toppen Sie das noch: Sie setzen nicht nur
das, was in Ihrem Koalitionsvertrag auf Seite 125 steht,
nämlich dass die Zuwendungen erhöht werden sollen,
nicht um – nein, Sie kürzen die Mittel sogar. Das ist ein
Widerspruch zu dem, was Sie vor einem Jahr verabredet
haben. Da werden wir Grüne Ihnen in den Haushaltsbe-
ratungen aufzeigen, was wir anders machen würden und
wie wir die institutionelle Förderung der Arbeit für die
Verbraucherinnen und Verbraucher stärken würden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])


Ich will zum Schluss kommen. Als Hauptberichter-
statter freue ich mich auf die Zusammenarbeit mit den
Kolleginnen und Kollegen hier im Hause, im Haushalts-
ausschuss, mit Roland Claus, Dennis Rohde und Klaus-
Dieter Gröhler; ich freue mich auf die Zusammenarbeit
mit dem Ministerium. Ich hoffe, dass wir am Ende dieser
Haushaltsberatungen nicht nur – wie heute – irgendwie
fröhlich sind, dass wir einen Haushaltsplan ohne neue
Schulden vor uns haben, sondern dass wir in ein paar
Wochen auch einen Verbraucherschutz- und Justizetat
endberaten werden, der den Herausforderungen der Zeit
wirklich gerecht wird und ein wirklicher Etat für den
Verbraucherschutz ist.

Ich danke Ihnen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804907400

Danke, Herr Kollege Lindner. – Nächster Redner in

der Debatte: Dennis Rohde für die SPD.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dennis Rohde (SPD):
Rede ID: ID1804907500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Deutschland ist das Land der Ideen und Innovationen:
Ingenieurskunst, medizinischer Fortschritt, Logistik,
Transport und zukunftsweisende Entwicklungen im In-
ternet


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und im Fußball!)


stehen exemplarisch für eine führende Rolle auf dem
Markt der Ideen. Wir als SPD-Bundestagsfraktion wol-
len, dass das auch so bleibt. Denn unsere Wirtschaft ver-
dankt einen guten Teil ihrer Stärke und Robustheit eben
gerade dem Erfindungsreichtum von Unternehmern, von
Wissenschaftlern und von Tüftlern. Diese Stütze unserer
Wirtschaft wollen wir schützen und noch weiter verstär-
ken: schützen zum einen durch ein Urheberrecht, das auf
der Höhe der Zeit ist, schützen aber auch – ich möchte
das zum Hauptgegenstand meiner Rede zum Entwurf
des Einzelplans 07 machen – durch eine Stärkung der
Arbeit des Deutschen Patent- und Markenamtes.

Das deutsche Patent genießt nicht von ungefähr im in-
ternationalen Kontext den Ruf, ein goldenes Patent zu
sein. Auch darum geht beim Deutschen Patent- und Mar-
kenamt eine beeindruckend hohe Zahl von Patentanträ-
gen ein. Allein im Jahr 2013 wurden über 60 000 Patente
angemeldet, darunter auch ein großer Teil von ausländi-
schen Antragstellern: Antragsteller aus den Vereinigten
Staaten von Amerika, aus Japan, der Republik Korea,
aus Österreich, Schweden oder Taiwan. Das zeigt deut-





Dennis Rohde


(A) (C)



(D)(B)

lich: Das deutsche Patent genießt Wertschätzung in aller
Welt.

Aber gerade dieser Stellenwert des deutschen Patents
bringt Herausforderungen mit sich, die wir nicht auf die
lange Bank schieben können, sondern die wir jetzt anpa-
cken und lösen müssen. Zu den genannten über 63 000
Patentanmeldungen, die das DPMA 2013 erreichten,
kommen nämlich noch 15 500 Gebrauchsmusteranträge,
60 000 Anträge auf Eintragung einer Marke und 55 000
Beantragungen zum Schutz eines Designs hinzu.

Die Quantität der Prüfungen allerdings ist nur die eine
Seite der Medaille. Modernste Elektronik, Informations-
technologie, Biotechnologie, aber auch die Globalisie-
rung – das alles fordert immer größeres Fachwissen, eine
immer größere Wissenstiefe auch in Bezug auf Details,
und das immer auf dem aktuellsten Stand von Forschung
und Technik und insbesondere von bereits vergebenen
Patenten.

Derzeit gibt es im DPMA etwa 170 000 offene Vor-
gänge. Dass eine gewisse Zahl von Patentanträgen im-
mer in Bearbeitung ist, liegt in der Natur der Sache; aber
der Rückstau wächst Jahr für Jahr. Die Anzahl der nicht
bearbeiteten Anträge steigt jährlich um circa 5 000 an.
Ich möchte an dieser Stelle dem Koalitionskollegen
Klaus-Dieter Gröhler danken. Lieber Herr Kollege, Sie
haben bereits im Juni betont, dass wir die Personalstruk-
tur des DPMA einer kritischen Betrachtung unterziehen
müssen. Dem kann ich nur beipflichten. Das vorhandene
Personal und das Antragsaufkommen müssen in einem
vernünftigen Verhältnis zueinander stehen. Wir wollen
in der Großen Koalition, dass das deutsche Patent wei-
terhin attraktiv und ein goldenes Patent ist.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Das wollen wir aus guten Gründen, nämlich weil es ga-
rantiert, dass unser Land seinen Erfindern auch weiter-
hin den bestmöglichen patentrechtlichen Schutz bietet,
und weil es damit der Absicherung der Innovationskraft
unserer Republik dient, einer Innovationskraft, die es zu
bewahren gilt.

Meine Damen und Herren, egal wer seinen Zeigefin-
ger mahnend erheben wird: Die Große Koalition will,
dass das DPMA vernünftig ausgestattet ist und seinen
Auftrag, das intellektuelle Eigentum zu schützen, ver-
nünftig angehen kann. Aber ich sage auch deutlich – das
unterscheidet uns von Teilen der Opposition; das wird
auch durch einen Blick auf Ihren Antrag, Kollege Claus,
aus dem letzten Haushaltsjahr deutlich –: Wir werden
ganz bestimmt nicht irgendwelche Fantasiezahlen für
zusätzliche Personalstellen in den Haushalt einstellen.
Wir werden nicht einfach ohne Sachverstand Verände-
rungen vornehmen, deren Umfang planlos und deren
Nachhaltigkeit zweifelhaft ist. Nein, wir wollten und
werden keinen Blindflug ohne Navigationsgeräte betrei-
ben.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Das müssen wir auch nicht. Das Patent- und Markenamt
hat nunmehr eine Personalbedarfsermittlung vorgelegt.
Diese werden wir in der Koalition kritisch begutachten
und dann die sich daraus ergebenden richtigen Schritte
einleiten – im Sinne der Innovationskraft unseres Lan-
des, aber eben auch mit Blick auf gestaltende Führung
eines ausgeglichenen Haushalts.

Der Schutz der Wirtschaftskraft ist übrigens auch Be-
standteil unseres Verständnisses von Verbraucherschutz.
Nein, das ist kein Widerspruch – ganz im Gegenteil:
Eine gute Verbraucherpolitik schützt und stärkt nämlich
auch diejenigen Unternehmer, die ihr Geschäft redlich
betreiben. Für diejenigen, die schon in der Vergangen-
heit zum Beispiel ihre Angebote im Internet deutlich als
kostenpflichtig ausgewiesen haben, waren klarere Rege-
lungen zur Kennzeichnung kein Verlust an Gestaltungs-
möglichkeiten, sondern ein Gewinn an Wettbewerbs-
gleichheit. Das gilt übrigens auch für andere Bereiche.
Die Einführung des Bestellerprinzips bei den Immobili-
enmaklern schafft Wettbewerbsgleichheit und schützt
diejenigen, die bereits heute die Kosten durch den Be-
steller des Auftrags bezahlen lassen und dadurch eine
schwierigere Wettbewerbsposition vorfinden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Unsere Reform im Bereich des Anlegerschutzes und
die Einrichtung eines Finanzmarktwächters sorgen da-
für, dass seriösen Akteuren auf dem Finanzmarkt nicht
von windigen Anbietern, die sich durch die Täuschung
von Kleinanlegern bereichern wollen, der Rang abgelau-
fen wird. Und indem wir uns für Fahrgastrechte einset-
zen, sei es in der Bahn, im Flugzeug oder im Fernbus,
belohnen wir die Beförderungsunternehmen, die schon
jetzt die Rechte der Passagiere achten, statt sich vor ih-
ren Pflichten zu drücken.

Meine Damen und Herren, ich habe deutlich gemacht,
dass auch im Geschäftsbereich des Bundesministers der
Justiz und für Verbraucherschutz nicht nur über schein-
bar trockene Rechtssetzungs- und Rechtsdurchsetzungs-
akte entschieden wird. Eine gute Justizpolitik und ein
weitsichtiger Verbraucherschutz sind auch wirtschafts-
politisch wichtige Aufgaben. Sie bestimmen über unser
Zusammenleben, aber eben auch über die Frage der
Wirtschafts- und Innovationskraft unseres Landes. In
diesem Sinne wird die Große Koalition weiterhin gestal-
tend die vor uns liegenden Herausforderungen angehen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804907600

Danke, Herr Kollege Rohde. – Nächster Redner in der

Debatte: Harald Petzold für Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Harald Petzold (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804907700

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten

Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Liebe Besu-
cherinnen und Besucher auf den Besuchertribünen! Viel-
leicht hatte die eine oder der andere von Ihnen im ver-
gangenen Jahr Gelegenheit, sich den Dokumentarfilm
Nach Wriezen anzugucken. Für diejenigen von Ihnen,
die bis jetzt noch nicht Gelegenheit dazu hatten, sage ich
ganz kurz etwas zum Inhalt: Der von mir hochgeschätzte





Harald Petzold (Havelland)



(A) (C)



(D)(B)

brandenburgische Nachwuchsdokumentarfilmregisseur
Daniel Abma hat in dem Film die Lebensgeschichte von
– so würde man umgangssprachlich sagen – drei ganz
harten Jungs aufgezeigt, von drei jungen Männern, die
ziemlich harte Straftaten begangen haben und dafür
lange Haftstrafen absitzen mussten. Aber es ging ihm
nicht so sehr um die Straftaten an sich oder um den All-
tag in der JVA Wriezen, sondern sehr viel stärker um den
Weg dieser drei jungen Männer wieder zurück in die Ge-
sellschaft und damit um die Resozialisierung von Tätern
und um die Wichtigkeit eines funktionierenden gesell-
schaftlichen und sozialen Umfelds.

Wenn ich als neu gewählter Obmann meiner Fraktion
für den Ausschuss Justiz und Verbraucherschutz heute
zum ersten Mal zu diesem Haushalt spreche, dann möchte
ich das nicht gleich mit einer Breitseite von Kritik tun
– Herr Claus hat ja Milde der Opposition angekündigt –,
sondern auf ein positives Beispiel für gelungene Justiz-
politik hinweisen. Denn im Land Brandenburg ist unter
gemeinsamer Regierungsverantwortung von SPD und
Linken eine gute Justizpolitik betrieben worden.


(Zuruf des Abg. Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


– Sie brauchen sich nicht aufzuregen, Herr Kollege von
Notz; Sie haben an der Stelle ja mitgemacht. – In Bran-
denburg hat ein Neudenken von Justizpolitik stattgefun-
den. Dort wird vor allen Dingen auf Resozialisierung ge-
setzt, und es wurde ein Justizvollzugsgesetz auf den Weg
gebracht, das genau diesen neuen Schwerpunkt setzt.


(Zuruf des Abg. Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Herr Justizminister Maas, ich möchte Sie einladen,
wenn sich die Rauchwolken der Landtagswahlen verzo-
gen haben, mit mir und mit den Mitgliedern des Rechts-
ausschusses einmal gemeinsam nach Brandenburg zu
fahren und sich dort mit dem erfolgreichen Justizminis-
ter Helmuth Markov zu treffen und über genau diese Re-
sozialisierungspolitik im Rahmen der Justizpolitik des
Landes Brandenburg zu sprechen;


(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


denn ich denke, dass die Justizpolitik dort einen erfolg-
reichen Weg darstellt. Wie gesagt, die Kolleginnen und
Kollegen von den Grünen brauchen das Atmen nicht zu
vergessen. Sie sind ja möglicherweise ab dem Wochen-
ende mit uns und der SPD in Thüringen mit dabei.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ohne Braunkohle! Sie haben vergessen, von der Braunkohle zu erzählen!)


Dann können wir zusammen auch nach Thüringen fah-
ren und uns dort alles anschauen.


(Beifall bei der LINKEN)


Es gibt weitere Gemeinsamkeiten zumindest mit lin-
ker Justizpolitik, die ich ansprechen möchte. Das ist zum
einen die Frage der Zinsbremse. Sie haben dieses Vorha-
ben angesprochen, Herr Justizminister Maas. Branden-
burg hat hier eine Initiative im Bundesrat auf den Weg
gebracht.
Auch in der Frage der Rehabilitierung von nach § 175
StGB verurteilten schwulen Männern haben Sie das
Land Brandenburg und mich an Ihrer Seite. Es lohnt
sich, auch darüber zu sprechen.

Ich möchte aber auch auf Dinge hinweisen, die wir
noch als Manko benennen müssen. So hat Justizminister
Markov sehr stark betont, dass das Ziel der Resozialisie-
rung durch die bislang nicht erfolgte Einbeziehung von
Gefangenen in die Renten- und Sozialversicherung kon-
terkariert wird. Ich erlaube mir, Frau Präsidentin, mit Ih-
rer Genehmigung, den Minister zu zitieren. Er hat ge-
sagt:

Dass die von Gefangenen geleistete Arbeit derzeit
nicht bei der gesetzlichen Renten-, Kranken- und
Pflegeversicherung berücksichtigt wird, hat verhee-
rende Auswirkungen auf die Zeit nach der Haftent-
lassung.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Die entstandenen Versicherungslücken führen zu
sehr niedrigen Altersrenten, die selbst die Mitglied-
schaft in der Krankenversicherung als Rentner in
Frage stellen. Denn Ansprüche auf Leistungen der
gesetzlichen Pflegeversicherung oder auch auf Er-
werbsminderungsrente können nur bei Einhaltung
bestimmter Vor- bzw. Mindestversicherungszeiten
geltend gemacht werden. Die Bundesregierung, in
deren Zuständigkeit das Sozialversicherungsrecht
liegt, weigert sich jedoch beharrlich, die überfällige
Änderung des Renten- und Sozialversicherungs-
rechts in Angriff zu nehmen. Das ist inakzeptabel!

Wie gesagt, auch deswegen, Herr Minister Maas, gilt
meine Einladung, hier mit Brandenburg ins Gespräch zu
kommen.


(Beifall bei der LINKEN)


Zweiter Punkt. Die Nationale Stelle zur Verhütung
von Folter ist eigentlich etwas, bei dem wir inhaltlich
übereinstimmen. Aber wir müssen feststellen: Diese
Stelle, die zuständig ist für die Überprüfung von Straf-
vollzugs- und Untersuchungshaft, von Jugendstrafvoll-
zug, Jugendarrest usw., ist unterfinanziert und kann ge-
genwärtig ihre Aufgabe, nämlich Misshandlungen durch
regelmäßige unangemeldete Besuche in allen Haft- und
Gewahrsamseinrichtungen in Deutschland vorzubeu-
gen, nicht annähernd erfüllen. An dieser Stelle verweise
ich auf Ihren eigenen, also von der Koalitionsmehrheit
beschlossenen Entschließungsantrag, der besagt, dass
der Finanzanteil des Bundes auf 180 000 Euro zu erhö-
hen ist. Dies findet sich bislang nicht im Haushaltsent-
wurf wieder. Diesen Punkt werden wir nicht akzeptieren.
Hier melden wir Änderungsbedarf an.


(Beifall bei der LINKEN)


Dritter Punkt: die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld.
Herr Minister, Sie waren am letzten Donnerstag mit mir
gemeinsam auf dem Charity-Dinner dieser Stiftung, auf
dem Spendengelder eingeworben wurden. Sie selbst ha-
ben in Ihrem Grußwort die zentralen neuen Projekte ge-
würdigt. Ich möchte Sie an dieser Stelle in Ihren Bemü-
hungen bekräftigen, die beiden großen Projekte „Fußball





Harald Petzold (Havelland)



(A) (C)



(D)(B)

für Vielfalt – Fußball gegen Homophobie“ und „Archiv
der anderen Erinnerungen“ tatsächlich so zu unterstüt-
zen, dass die Stiftung diese umfangreiche Arbeit auch
leisten kann. Die Erhöhung des Stiftungskapitals, die wir
im Frühjahr beschlossen haben, ist inzwischen geflos-
sen. Aber auch damit ist es nach wie vor nicht möglich,
die Stiftung so auszustatten, dass Bildung und For-
schung und die wissenschaftliche Arbeit in auskömmli-
cher Art und Weise ausfinanziert werden können. Hier
fordern wir ebenfalls entweder eine Aufstockung des
Stiftungskapitals oder – aus unserer Sicht wäre das sogar
noch viel besser – eine institutionelle Förderung in Höhe
von 250 000 Euro. Wir fordern darüber hinaus – Frau
Präsidentin, ich sehe, dass es hier vorne blinkt –


(Vereinzelt Heiterkeit)


die Aufstockung des Fonds „Härteleistungen für Opfer
extremistischer Übergriffe“.

Abschließend: Unsere Unterstützung wäre Ihnen auch
sicher, wenn Sie tatsächlich einen Gesetzentwurf zur
Einführung einer Mietpreisbremse einbringen würden.
Im Moment verdient der vorgelegte Gesetzentwurf den
Namen noch nicht. Wir werden an dieser Stelle Nach-
besserungen einfordern.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804907800

Danke schön, Herr Kollege. – Nächster Redner in der

Debatte: Dr. Patrick Sensburg für die CDU/CSU-Frak-
tion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Patrick Sensburg (CDU):
Rede ID: ID1804907900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrter Minister Maas, Sie haben ja
eine nüchterne und trockene Haushaltsrede gehalten.


(Burkhard Lischka [SPD]: Eine gute! Vor allen Dingen eine gute!)


Aber sie hat es in sich gehabt.


(Burkhard Lischka [SPD]: Ja, genau!)


In der Sache hat sie es in sich gehabt. Ich glaube, diese
Rede hat gezeigt, dass das Justizressort zwar den kleins-
ten Einzeletat hat, dass die Justizpolitik in der Sache
aber sehr stark aufgestellt ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Von daher begrüße ich die Justizpolitik, wie sie sich bei
uns im Parlament im Rechtsausschuss widerspiegelt
– Frau Künast, schön, dass Sie hier sind –


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


und wie sie von Minister Maas heute vorgetragen wor-
den ist.

Sie haben ein großes Vorhaben gar nicht besonders
pointiert betont, nämlich die Reform der Strafprozess-
ordnung. Sie ist für mich einer der wesentlichen Punkte
dieser Legislaturperiode. Es geht um eine umfassende
Überarbeitung der StPO, wesentlicher Paragrafen des
Strafgesetzbuches, und um eine Reform vom Ermitt-
lungsverfahren über das Zwischenverfahren bis hin zum
Hauptverfahren.

In den einzelnen Kommissionen, die Sie gebildet ha-
ben, werden das Rechtsmittelverfahren und das Vollstre-
ckungsverfahren überarbeitet werden. Sie werden grund-
legend darüber diskutieren, wie der Beschuldigtenstatus
definiert werden muss. Sie werden darüber diskutieren,
wie es mit dem Richtervorbehalt, zum Beispiel im Hin-
blick auf § 81 a der StPO, etwa bei der Blutentnahme,
aussieht. Es wird auch um die Regelungen zu Befangen-
heitsanträgen gehen, wenn sie verspätet kommen. Von
ihnen ahnt oder weiß man frühzeitig; sie werden dann
aber doch nicht gestellt, um das Verfahren zu verzögern.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Na, na, na!)


Wir werden darüber diskutieren, ob solche Befangen-
heitsanträge nicht als verspätet gestellt anzusehen sind
und dann zurückgewiesen werden müssen. Wir werden
auch darüber diskutieren, ob es nach den §§ 407 ff. der
StPO beim Strafbefehl nicht einen höheren Strafrahmen
geben muss. Ich muss sagen: Wir haben hier ein Projekt,
das mit viel Sorgfalt angegangen werden muss. Sie ha-
ben eine Kommission eingesetzt, die Sachverstand hat.
Ich würde mir wünschen, dass das Parlament frühzeitig
beteiligt wird und wir nicht vor vollendete Tatsachen ge-
stellt werden, sondern intensiv und von Anfang an mit-
diskutieren können.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


In einem zweiten Punkt, sehr geehrter Herr Minister,
muss ich Sie auf eine Situation hinweisen, die nicht neu
ist, die aber durch das, was wir jetzt als „Scharia-Poli-
zei“ erleben, medial gegenwärtig wird. Aber das ist ein
Thema, das, wie gesagt, alt ist. Wir haben bereits in un-
seren Reden zum Haushalt 2011/2012 eine eigene Stelle
im Bundesjustizministerium gefordert, um das Phäno-
men des Scharia-Rechts näher zu beleuchten. Sie haben
in Ihrem Ministerium eine Stelle, die sich ausschließlich
damit beschäftigt, Licht in das Dunkel des Scharia-
Rechts und dieser Paralleljustiz zu bringen, eine Stelle,
für die wir im Haushalt A 13 bis B 3 vorgesehen haben,
also eine wirklich solide Stelle. Sie soll dieses Phäno-
men erst einmal beleuchten, damit wir aufgrund solider
Kenntnisse Schlussfolgerungen ziehen können und nicht
Spekulationen oder Vermutungen anstellen müssen. Seit
zwei Jahren ist diese Stelle besetzt. Ich bitte Sie, in Ih-
rem eigenen Ministerium zu überprüfen, wie der Sach-
stand ist und was da herausgekommen ist. Wir sollten
keine wilden Diskussionen über einen Sachverhalt füh-
ren, über den wir zu wenig wissen. Sie müssen hier für
Aufklärung sorgen. Ich glaube, wir haben frühzeitig da-
rüber diskutiert, und Sie haben die notwendigen Voraus-
setzungen in Ihrem Ministerium. Auch da erwarten wir
Aufklärung.


(Beifall bei der CDU/CSU)






Dr. Patrick Sensburg


(A) (C)



(D)(B)

Ein weiterer Punkt – die Kollegin Winkelmeier-
Becker hat ihn angesprochen – ist das Thema Insolvenz-
ordnung, hier die Änderung der §§ 133 und 142. Es gibt
in vielen Gewerben und vielen Handwerksbereichen,
insbesondere im Baustoffhandel, immer wieder Fälle
von ganz normalen Stundungen. Die aktuelle Rechtspre-
chung führt dazu, dass man sich bis zu zehn Jahre nach
einer Stundung nicht sicher sein kann, ob möglicher-
weise der gestundete und dann gezahlte Betrag in die In-
solvenzmasse fällt. Das führt zu großer Rechtsunsicher-
heit bei den Unternehmen.

Es geht hier für die Wirtschaft um einen zwei-, teil-
weise wird sogar gesagt, dreistelligen Millionenbetrag.
Hier müssen wir etwas tun. Hier fällt auseinander, was
der Gesetzgeber mit der Insolvenzanfechtung meinte
und was die Rechtsprechung inzwischen immer öfter in
Einzelfallentscheidungen darunter versteht. Wir sind es
der Wirtschaft schuldig, dass wir hier zügig handeln. Ich
freue mich, dass die Union sich gemeinsam mit der SPD
jetzt dieses Themas annimmt. Ich glaube, das könnte et-
was sein, wo die Opposition mit einsteigt; denn dieses
Thema ist wichtig für unsere Wirtschaft insgesamt. Ich
würde mich freuen, wenn wir Rechtspolitiker uns dessen
gemeinsam annehmen könnten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ein weiteres Thema, auch angesprochen von Frau
Winkelmeier-Becker, ist das Thema Syndikusanwälte.
Syndikusanwälte gibt es in Deutschland seit dem Mittel-
alter; das ist nichts Neues. In der Bundesrechtsanwalts-
ordnung stehen sie seit 1959. Jetzt kam im April 2014
eine Entscheidung des Bundessozialgerichtes, die die
Verhältnisse auf den Kopf stellt, weil Syndikusanwälte
ihr zufolge nicht mehr im Versorgungswerk rentenversi-
chert sein können. Das geht nicht, meine Damen und
Herren. Hier müssen wir Klarheit schaffen! Rund ein
Viertel der deutschen Anwälte sind Syndikusanwälte,
30 000 bis 40 000. In der gegenwärtigen Situation haben
diese Anwälte keine Klarheit mehr bezüglich der Renten-
versicherung bei den Versorgungswerken. Das müssen
wir angehen. Diese Entscheidung des Bundessozialge-
richtes ist eine Einzelentscheidung, die schwerst nach-
vollziehbar ist. Wenn Unklarheit herrscht, ist die Politik
in der Pflicht, Klarheit zu schaffen, und das werden wir
in der Koalition angehen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich möchte nur noch auf zwei Punkte eingehen. Einer
liegt mir am Herzen als Berichterstatter für Mediation.
Wir haben in der letzten Legislaturperiode mit allen
Fraktionen einstimmig ein Mediationsgesetz verabschie-
det. Nach langem Ringen, auch mit dem Bundesrat, im
Vermittlungsausschuss, ist es uns gelungen, zu einem
guten Ergebnis zu kommen. Dieses Mediationsgesetz
wird in der Fachwelt positiv angenommen. Jetzt geht es
um die Umsetzung, um die Rechtsverordnung, die das
Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz
am 31. Januar dieses Jahres zur Diskussion gestellt hat.
Ich bin mir sicher, dass diese Rechtsverordnung in den
nächsten Wochen und Monaten auch verabschiedet wird;
das Bundesjustizministerium arbeitet mit Hochdruck da-
ran. Ich glaube, dass wir den Bereich der Mediation stär-
ken können, wenn wir nun auch durch diese Rechtsver-
ordnung Klarheit bezüglich der Ausbildung haben. Das
Gesetz ist in Kraft; aber die Rechtsverordnung muss
noch kommen. Bald zwei Jahre nach Veröffentlichung
des Gesetzes ist die Zeit reif, durch die Rechtsverord-
nung eine Abrundung der Mediation zu schaffen, insbe-
sondere weil uns neue Bereiche, ODR und ADR, eine
Verordnung und eine Richtlinie aus Europa, beschäfti-
gen. Die Richtlinie müssen wir umsetzen. Konsistenz im
Bereich der außergerichtlichen Streitbeilegung muss
Ziel unserer Rechtspolitik sein. Dafür müssen wir jetzt
gemeinsam mit dem Bundesjustizministerium die richti-
gen Weichen stellen.

Letzter Punkt. Kollege Lindner, ich war begeistert
von Ihrer Rede; ich kannte Sie so gar nicht als Unterstüt-
zer und Freund der sozialen Marktwirtschaft. Das freut
mich, muss ich ganz ehrlich sagen.


(Zuruf des Abg. Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Sie müssen jetzt nur mal überlegen, ob Sie in Ihrer
Partei richtig sind; denn um Sie herum sind nicht gerade
die Unterstützer der sozialen Marktwirtschaft.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Soll das jetzt ein Abwerbungsversuch sein, oder wie? – Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU]: Die Grünen können ja noch lernen!)


Was Sie gesagt haben, war gut; aber man muss sich
hin und wieder schon fragen, ob man sich in der eigenen
Fraktion mit den Thesen, die man aufstellt, noch wieder-
findet. Herr Kollege, Sie haben das Leitbild des mündi-
gen Bürgers betont. Der mündige Bürger muss natürlich
auch da im Vordergrund stehen, wo es um Datenschutz,
Datensicherheit geht. Wir haben nicht nur die Magnus-
Hirschfeld-Stiftung – Herr Petzold hat diese Stiftung an-
gesprochen –, wir haben auch die Bundesstiftung Daten-
schutz.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die wickeln Sie ab, die Bundesstiftung Datenschutz!)


Ich würde mir sehr wünschen, dass wir den Fokus
auch einmal auf die anderen Bereiche, die im Bereich
des Etats des Bundesministeriums der Justiz liegen, rich-
ten. Ich glaube, dass es keine glückliche Überlegung ist,
die Bundesstiftung Datenschutz in die Stiftung Waren-
test zu überführen und sie damit aufzulösen. Wenn man
überlegt, was allein im Bereich „NSA, Ausspähen von
Daten, Datenkriminalität durch Organisierte Kriminali-
tät“ in Deutschland passiert, dann steht es uns gut an,
eine Stiftung Datenschutz zu haben, sie zu stärken und
sie nicht völlig ohne Mittel dastehen zu lassen. Die
Magnus-Hirschfeld-Stiftung hat damals den höchsten
Einzelposten im Einzelplan 07 – Bundesjustizministe-
rium – gehabt. Wir hatten in der letzten Legislaturpe-
riode vereinbart, dass es keine weiteren Einzelzahlungen
mehr gibt. Jetzt haben wir wieder 1,75 Millionen Euro





Dr. Patrick Sensburg


(A) (C)



(D)

bereitgestellt. Für die Bundesstiftung Datenschutz haben
wir das nicht gemacht. Wir müssen uns schon Gedanken
machen, wie wir auch diesen Bereich stärken und der
Bundesstiftung Datenschutz alle Möglichkeiten geben
können, für uns Bürger da zu sein.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist richtig!)


Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und für die
Toleranz der Präsidentin, –


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804908000

Sie kennen sie nicht.


Dr. Patrick Sensburg (CDU):
Rede ID: ID1804908100

– mich eine knappe Minute länger reden zu lassen.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804908200

Das ist die Milde heute im Raum.


(Roland Claus [DIE LINKE]: Ist das so, wenn man die Grünen lobt?)


Nächste Rednerin: Katja Keul für Bündnis 90/Die Grü-
nen.


(Beifall des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])



Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804908300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrter Minister Maas, bevor ich zum
rechtspolitischen Tagesgeschäft komme, will ich an die-
ser Stelle ein paar Worte zum Thema der Sondersitzung
in der letzten Woche sagen. Waren Sie als Justizminister
eigentlich in irgendeiner Weise in die Entscheidung ein-
gebunden, Kriegswaffen an die kurdischen Peschmerga
zu liefern? Nicht, dass ich eine Verfechterin des Bundes-
sicherheitsrates bin – im Gegenteil: ich halte die gängige
Praxis sogar für verfassungswidrig, weil Artikel 26 des
Grundgesetzes für Waffenexporte die Entscheidung des
gesamten Kabinetts vorsieht –;


(Beifall des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])


aber selbst der Erfinder des Bundessicherheitsrates,
Franz Josef Strauß, hat das Justizressort dabei berück-
sichtigt. Ist es wirklich so, dass die Kanzlerin den Kreis
der Einbezogenen jetzt weiter beliebig verkleinert hat?
Ich finde, das sollten Sie nicht einfach so hinnehmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Eine Waffenlieferung an nichtstaatliche Kampftrup-
pen ohne eindeutige Anfrage der Zentralregierung halte
ich schlicht für völkerrechtswidrig. Daran ändert auch
eine Zwischenlandung in Bagdad nichts. Ein Kollege
wollte mir sogar erklären, die Peschmerga seien quasi
ein Teil der irakischen Armee. Das ist nun wirklich völ-
lig absurd, da Bagdad selber gerade keine Waffen an die
Peschmerga liefert. Besonders bedenklich finde ich es,
wenn einige das Völkerrecht als kleinkarierte Förmelei
abtun; denn die Einhaltung des Rechts ist national wie
international die Grundlage für Frieden und Freiheit. Da-
ran zu erinnern, sollte unter anderem die Rolle des Jus-
tizministers sein. Eine Verteidigungsministerin, die stolz
darauf ist, ein Tabu zu brechen, kann Sie in dieser Rolle
jedenfalls nicht ersetzen.

Echte Friedensförderung ist das, was die Deutsche
Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit
seit Jahren leistet: die Beratung von Ländern, die einen
demokratischen Rechtsstaat aufbauen wollen.


(Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: KinkelStiftung!)


Leider fehlen diesen Programmen oft die Richter und
Staatsanwälte. Hier sollte dringend das Dienstrecht an-
gepasst werden, damit diejenigen, die sich in Auslands-
missionen engagieren, nicht um ihre Inlandskarrieren
gebracht werden.

Zu Recht fördern Sie rechtsstaatliche Entwicklungen
in anderen Ländern wie beim Rechtsstaatsdialog mit
China und der Kampagne „Law – Made in Germany“.
Manchmal beschleicht mich das Gefühl, wir könnten im
Inland auch bald so eine Kampagne gebrauchen.

Zu viele halten unseren funktionierenden Rechtsstaat
für so selbstverständlich, dass sie vergessen, dass man
dieses System auch hegen und pflegen muss, um es zu
erhalten. Wenn Richterinnen und Richter darunter lei-
den, dass es nur noch um Schnelligkeit und Erledigungs-
zahlen geht und die Qualität der Urteile immer weniger
wertgeschätzt wird, dann haben wir insgesamt ein Pro-
blem und dann braucht es auch den Bundesminister der
Justiz, um gegenüber dem Finanzressort, aber auch ge-
genüber den Ländern deutlich zu machen, welche Be-
deutung das Vertrauen in die Rechtsprechung für das
Funktionieren unserer Gesellschaft hat.

Sie sind deswegen auch gefordert, die unsäglichen
Schiedsgerichte in TTIP und CETA zu verhindern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Vor der Sommerpause hatten Sie laut und deutlich ge-
sagt, dass es so etwas mit Ihnen nicht geben wird. Jetzt
lese ich auf www.tagesschau.de, dass bei CETA genau
diese Klagerechte bereits im Vertragstext stehen. Was
unternehmen Sie denn jetzt dagegen?


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Nichts!)


Vertrauen kann auch dadurch aufs Spiel gesetzt wer-
den, dass wir als Gesetzgeber immer schneller immer
neue Reformgesetze verabschieden. Das ist nicht nur für
die Rechtsanwender eine Zumutung. Nehmen wir als
Beispiel das Insolvenzrecht. Statt jetzt eine mittelmäßig
gelungene Neuregelung zum Konzerninsolvenzverwal-
ter auf den Weg zu bringen und im nächsten Jahr das An-
fechtungsrecht zu reformieren, sollten Sie den Gesetz-
entwurf vielleicht noch einmal zurücknehmen und dann

(B)






Katja Keul


(A) (C)



(D)(B)

ein Gesetz auf den Weg bringen, das die drängenden
Probleme miterfasst.


(Beifall der Abg. Elisabeth WinkelmeierBecker [CDU/CSU])


– Vielen Dank.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Auch der Gesetzentwurf zur Kinderpornografie sollte
noch einmal überdacht werden, besonders hinsichtlich
des missglückten Vorschlags zur Strafbarkeit bloßstel-
lender Bilder.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE])


Die überfälligen Anpassungen an die EU-Richtlinie sind
sicherlich angebracht. Es gibt aber Überlegungen, wie
das Sexualstrafrecht grundsätzlich neu geordnet und ent-
schlackt werden könnte. Ich denke hier an den Vorschlag
des Deutschen Juristinnenbundes zu einer systemati-
schen Neuordnung der §§ 174 bis 177 Strafgesetzbuch,
der es wert ist, bedacht zu werden.

Es gibt aber auch Fälle, bei denen die Belastung der
Menschen gerade durch eine Verzögerung des Gesetzes-
verfahrens gravierend ist. Sie haben zum Beispiel ange-
kündigt, den steigenden Mieten durch die Mietpreis-
bremse einen Riegel vorzuschieben. Das ist ja gut
gemeint; aber wenn diese Mietpreisbremse noch Monate
auf sich warten lässt, dann war das ein Bumerang, da Sie
allen die Gelegenheit geben, vorher schnell noch einmal
herauszuholen, was herauszuholen ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Auch bei der Frauenquote, die angeblich bis Ende des
Jahres verabschiedet sein soll, erleben wir, dass die zeit-
liche Verzögerung leider nicht der Verbesserung des Ent-
wurfes dient, sondern den Auseinandersetzungen zwi-
schen den Koalitionspartnern. Sie wissen ja, dass Ihr
Vorschlag uns Grünen längst nicht weit genug geht.
Wenn Ihr Koalitionspartner jetzt noch weitere Aufwei-
chungen verlangt, kann ich nur sagen: Standhaft bleiben,
sonst bleibt von der Quote gar nichts mehr übrig.

Dann gibt es da noch sinnvolle Projekte, die schon so
lange in der Diskussion sind, dass ich nicht verstehe, wa-
rum sich da gar nichts mehr tut. Ein Stichwort hier ist
der Whistleblower-Schutz bzw. – auf Deutsch – der
Schutz der Hinweisgeber. Wir Grünen haben bereits in
der letzten Legislatur nach umfangreichen Fachgesprä-
chen einen Entwurf vorgelegt, den die Mehrheitsfraktio-
nen abgelehnt haben. Von Ihnen haben wir dazu immer
noch nichts gesehen. Wir können den Entwurf gerne
noch einmal vorlegen. Sie können aber auch, wenn Sie
nächste Woche auf dem Deutschen Juristentag in Hanno-
ver sind, Herr Minister, den Parlamentarischen Abend
der Grünen-Bundestagsfraktion besuchen. Dort werden
wir den Entwurf noch einmal zur Diskussion stellen.
Wenn Sie dann überzeugt sind, können Sie den Gesetz-
entwurf selber einbringen und ihm so die erforderliche
Mehrheit verschaffen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])


Bis dahin erst einmal vielen Dank für Ihre Aufmerk-
samkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804908400

Vielen Dank, Frau Kollegin.

Falls Sie sich wundern, dass es hier bei uns etwas un-
ruhig ist: Das liegt daran, dass wir heute – ich weiß
nicht, wie es Ihnen geht – Probleme mit dem Sound ha-
ben.


(Heiterkeit)


Manche klugen Reden – das gilt fraktionsübergreifend –
sind sehr schlecht zu verstehen. In der laufenden Debatte
können wir das nicht mehr ändern; aber wir werden ver-
suchen, den Ton heute Abend neu einpegeln zu lassen.
Es wäre ja schade, wenn diese großartigen Beiträge nicht
für alle zu hören wären. Das ist heute wirklich extrem
schwierig. Wenn ich blöd gucke, dann hat das nichts mit
Ihrer Rede zu tun, sondern mit meinem eingeschränkten
Hörvermögen.


(Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann sind wir ja beruhigt!)


Nächste Rednerin ist Elvira Drobinski-Weiß für die
SPD.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Elvira Drobinski-Weiß (SPD):
Rede ID: ID1804908500

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren

auf den Tribünen! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Alle reden von TTIP, wir auch. Aber im Moment finde
ich CETA viel wichtiger. Seit 2009 verhandeln die EU
und Kanada über ein umfassendes Handelsabkommen.
Das Abkommen soll, ähnlich wie TTIP mit den USA,
Handelshemmnisse senken und Kooperationen bei der
Standardsetzung entwickeln. Sowohl die EU als auch
Kanada versprechen sich davon ein gesteigertes Wirt-
schaftswachstum und einen Zuwachs an Arbeitsplätzen.
So weit, vielleicht so gut. Aber schauen wir einmal ge-
nauer hin.

Ich möchte es deutlich sagen: Es gibt mehrere Passa-
gen – das ist eben schon kurz angeklungen –, die wir So-
zialdemokratinnen und Sozialdemokraten sehr kritisch
sehen. Aber raus muss auf jeden Fall das Kapitel über
die außergerichtlichen Streitschlichtungsverfahren, auch
bekannt als Investorenschutzabkommen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es kann doch nicht sein, dass zwischen zwei Staaten mit
entwickelten Rechtssystemen Investoren die Möglich-





Elvira Drobinski-Weiß


(A) (C)



(D)(B)

keit haben, die EU oder ihre Mitgliedstaaten direkt auf
Entschädigung für entgangene Gewinne oder sogenannte
indirekte Enteignung zu verklagen.

Lange hieß es: Am 25. September soll der formelle
Abschluss der Verhandlungen durch Paraphierung des
Vertragstextes erfolgen. Letzte Woche folgte dann die
Botschaft: Die EU-Behörde will die Verhandlungen zu
CETA für abgeschlossen erklären, ohne den Text vorher
paraphiert zu haben. Die Paraphierung ist vielleicht
„nur“ eine Formalie, aber eine mit Symbolcharakter.
Hier wird doch der Versuch unternommen, die Kritik des
Parlamentes zu umgehen. Das müssen wir verhindern.
Die Regelung zum Investorenschutz muss raus, sowohl
aus CETA als auch aus TTIP.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Was bewegt die Menschen derzeit, verbraucherpoli-
tisch betrachtet, in Deutschland? Einige Punkte hat der
Herr Bundesjustizminister, der auch für den Verbrau-
cherschutz zuständig ist, genannt. Ein kurzer Blick durch
die Schlagzeilen der letzten Tage: „EZB senkt Leitzins
auf 0,05 Prozent“. Die Frage der Verbraucherinnen und
Verbraucher: Geht die Enteignung weiter? Wälzen die
Banken den EZB-Strafzins auf mein Konto ab? – Oder:
„Tricksen leicht gemacht! Sind Hotelbewertungen im In-
ternet verlässlich?“ Oder: „Millionen Deutsche werden
online abgezockt“. Die Frage der Verbraucherinnen und
Verbraucher: Tappe ich nach der Button-Lösung, die
eine Verbesserung gebracht hat, in eine neue Falle? Ich
nenne hier als Stichworte die Hausaufgabenhilfe gerade
für unsere jüngeren Zuhörerinnen und Zuhörer und den
Rezeptzugang.

Oder: „Umstrittener Fahrdienst Uber: Legal, illegal –
sch(…)egal“. Die Frage der Verbraucherinnen und Ver-
braucher: Ist das Unternehmen Uber mit den offensicht-
lich akzeptierten Mitfahrgelegenheiten vergleichbar?

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dies ist na-
türlich eine kleine, zugegeben auch provokante Aus-
wahl. Wir wissen: Das Themenspektrum ist viel größer,
und die Reaktionen der einzelnen Konsumenten auf sol-
che Schlagzeilen sind sicherlich sehr verschieden. Klar
ist: Folgt man den Ergebnissen der Verbraucherfor-
schung und erkennt an, dass es sowohl den verletzlichen
wie den vertrauenden als auch den verantwortungsvollen
Verbraucher gibt, bedarf es verschiedener Arten der An-
sprache und Unterstützung dieser Gruppen seitens der
Politik. Herr Kollege Lindner, nochmals als Hinweis für
Sie: Den mündigen Verbraucher, die mündige Verbrau-
cherin gibt es nicht.

Antworten auf bzw. Lösungen für die sehr vielfältigen
Fragen und Probleme am Finanzmarkt oder in der digita-
len Welt zu finden, steht in dieser Legislaturperiode klar
im Vordergrund unserer Verbraucherpolitik. Das spiegelt
sich auch im Haushalt des Bundesministeriums wider.
Wir werden zukünftig verschiedene Verbraucherzentra-
len in den Bereichen Finanzmarkt und digitale Welt mit
einer Marktwächterfunktion ausstatten, um die Konsu-
menten in die Lage zu versetzen, sich am Markt sicherer
zu bewegen. Zudem wollen wir weitere im Koalitions-
vertrag festgeschriebene Projekte voranbringen wie zum
Beispiel die Einsetzung des Sachverständigenrats; der
Herr Bundesminister hat bereits darauf hingewiesen.

Nicht neu im Koalitionsvertrag und bereits über meh-
rere Jahre bezuschusst ist etwa die Stiftung Warentest.
Als unbestechliches Portal für Produktbewertung, aber
auch als Informationsplattform verdient sie weiterhin
unsere größte Anerkennung und finanzielle Unterstüt-
zung.

Wir sehen aber auch die europäische Dimension des
Verbraucherschutzes. Das Netzwerk der Europäischen
Verbraucherzentren – hier vor allem das Europäische
Verbraucherzentrum in Kehl – leistet seit Jahren hervor-
ragende, grenzüberschreitende Dienste. Diese Funk-
tionsfähigkeit muss unbedingt weiter sichergestellt wer-
den.

Mit Blick auf die eben zitierten Schlagzeilen müssen
wir uns aber auch die Fragen gefallen lassen: Haben wir
schon alle Problembereiche im Blick? Investieren wir
genug unserer Mittel in die Forschung der Verbraucher-
politik? Wie können wir die aktuell zur Verfügung ste-
henden Haushaltsmittel optimal verteilen?

Der Herr Minister hat die Stichpunkte Mietpreis-
bremse und Bestellerprinzip im Maklerrecht bereits an-
gesprochen. Weitere Stichpunkte sind ein bildungs- und
wissenschaftsfreundliches Urheberrecht; gesetzliche Re-
gelungen über die Höhe der Dispozinsen und das wich-
tige „Konto für jedermann“ wurden genannt.

Diese Arbeitsvielfalt im Bereich Verbraucherpolitik
erfordert jedoch auch in unserem Ministerium die ent-
sprechende Man- und Womanpower. Ich unterstütze den
Ausbau der personellen Ausstattung und fordere, die
räumliche Trennung von Justiz- und Verbraucherpolitik
im BMJV im Sinne einer effektiven Arbeitsatmosphäre
schnellstmöglich zu beenden.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804908600

Danke, Frau Kollegin. – Der nächste Redner ist

Dr. Volker Ullrich, CDU/CSU-Fraktion, aus Augsburg.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Volker Ullrich (CSU):
Rede ID: ID1804908700

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen

und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Die Ereignisse der letzten Wochen haben uns den Wert
eines funktionierenden Rechtsstaats vor Augen geführt.
Der Schutz der Würde des Menschen und die Gewähr-
leistung von Recht und Gerechtigkeit sind zentrale Auf-
gaben der Politik.

Wir haben uns gemeinsam auf den Weg gemacht, um
gegen Zwangsprostitution und Menschenhandel zu
kämpfen. Die Ergebnisse der Gespräche, die bislang ge-





Dr. Volker Ullrich


(A) (C)



(D)(B)

führt worden sind, sind vielversprechend, aber noch
nicht zufriedenstellend.


(Beifall der Abg. Dr. Silke Launert [CDU/ CSU])


Wir haben bei zahlreichen Punkten noch keine Einigkeit
erzielt, die wir aber eigentlich erzielen müssten, wenn
wir es mit dem Schutz der Opfer wirklich ernst meinen.
Wir sind in der Frage des Weisungsrechtes beim Prosti-
tutionsgesetz nicht weitergekommen. Die Fragen des
Mindestalters, der Gesundheitsuntersuchungen und der
verpflichtenden Beratungen stehen noch im Raum. Es ist
auch nicht absehbar, wann das Bundesjustizministerium,
gemeinsam mit dem Bundesfamilienministerium, end-
lich den Gesetzentwurf vorlegt. Wir dürfen nicht mehr
zögern. Wir werden uns langsam für unser Zögern ver-
antworten müssen, wenn wir hier nicht endlich zu einer
politischen Entscheidung kommen. Es gilt: Wenige
Frauen haben einen gesetzlichen Schutz; viele Frauen,
die jetzt Hilfe benötigen, haben keinen gesetzlichen
Schutz. Das müssen wir ändern.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Metin Hakverdi [SPD])


Es sei in dieser Debatte auch auf die Ereignisse der
letzten Tage in Sachen Scharia-Polizei hingewiesen. Es
gilt der Satz, dass die Scharia nicht mit unserer freiheit-
lich-demokratischen Grundordnung in Einklang zu brin-
gen ist.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wer die Scharia und die Dschihadisten unterstützt, der
will nichts anderes, als die freiheitlich-demokratische
Grundordnung zu beseitigen. Ich glaube, dass wir da-
rüber debattieren sollten, weil die Frage nicht erlaubt ist,
ob es noch harmlos ist, wenn es nur 10 sind, oder ob es
zu tolerieren sei, wenn es 100 sind. Wo fangen wir an,
und wo hören wir auf? Wenn unser Rechtsstaat angegrif-
fen wird und Meinungen geäußert werden, die mit der
Würde des Menschen nicht vereinbar sind, dann hat der
Staat gemäß dem Motto „Wehret den Anfängen“ sofort
zu handeln. Um diese Umtriebe zu verhindern, brauchen
wir gesetzliche Grundlagen, die über das reine Ver-
sammlungsrecht hinausgehen. Der Rechtsstaat muss
wehrhaft sein. Wehret den Anfängen!


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir brauchen auch härtere Gesetze für diejenigen, die
für Terrorbanden wie ISIS Sympathie haben und interna-
tionale Dschihadisten unterstützen. Wer für radikale
Salafisten und Unterstützer von ISIS Sympathie zeigt,
geht nichts anderes als eine Art geistige Komplizen-
schaft mit Tod und Terror ein. Dem muss mit Mitteln des
Strafrechts begegnet werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, die Frage der Wirksamkeit
des Rechtsstaats wird auch durch das Verfahren be-
stimmt. Vertrauen in den Rechtsstaat kann nur wachsen
und gleichbleiben, wenn die Verfahren zügig abge-
schlossen werden und Überlastungsvorkommnisse an
unseren Gerichten minimiert werden oder gar der Ver-
gangenheit angehören. In diesem Zusammenhang ist es
zu begrüßen – das ist eine gute Leistung –, dass trotz ei-
nes ausgeglichenen Haushaltes der Justizetat in diesem
Jahr leicht ansteigt und es im Großen und Ganzen keine
Stellenkürzungen bei den Gerichten gibt, die dem Bund
obliegen.

Ganz anders sieht es in einigen Ländern aus. Frau
Kollegin Keul, ich verstehe Ihre Irritation über Verfah-
rensfehler nicht, wenn in den Ländern, wo die Grünen in
der Regierung sind, wie Baden-Württemberg und Rhein-
land-Pfalz bei der Justiz gespart und Stellen abgebaut
werden. Sie können sich nicht hier beklagen, wenn dort,
wo die Grünen Verantwortung tragen, die Justiz totge-
spart wird. Das ist kein redliches Verhalten.


(Beifall bei der CDU/CSU)


In Baden-Württemberg werden 2015 30 Millionen Euro
und 2016 40 Millionen Euro bei der Justiz eingespart. In
Rheinland-Pfalz fallen in den nächsten zwei Jahren
86 Stellen in der Justiz weg. Ich glaube, wir sollten den
Kolleginnen und Kollegen in den Ländern signalisieren:
Es gibt nur ein einheitliches Funktionieren unseres
Rechtsstaates. Die Gesetze, die der Bund beschließt,
müssen durch eine funktionierende Justiz in den Ländern
angewandt werden. Wenn die Länder in diesem Bereich
kürzen, gefährden sie Stück für Stück das Vertrauen in
den Rechtsstaat und seine Funktionsfähigkeit. Dagegen
sollten wir uns alle gemeinsam wenden.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Bei allen Detailfragen zu vielen Themen, über die wir
rechtstechnisch debattieren und die wir in vielen Punk-
ten angehen, bleibt eines unsere vordringlichste Auf-
gabe: der Schutz der Würde des Menschen und die Gel-
tung des Rechts und der Gerechtigkeit. Lassen Sie uns in
diesem Sinne gemeinsam über den Justizhaushalt bera-
ten und die Beratungen zu einem guten Abschluss brin-
gen!

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804908800

Danke, Herr Kollege Ullrich. – Nächster Redner in

der Debatte ist Metin Hakverdi für die SPD.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Metin Hakverdi (SPD):
Rede ID: ID1804908900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Die sozialdemokratische Fraktion freut sich,
dass mit dem Einzelplan 07, über dessen Entwurf wir ge-
rade diskutieren, die Verbraucherpolitik in unserem
Sinne konsequent und adäquat weiterentwickelt wird.
Das betrifft die zielgerichtete weitere Stärkung der Ver-
braucherzentralen. Geld, das wir in diesen Bereich in-
vestieren, ist doppelt gut investiert. Erstens sparen wir
den Bürgerinnen und Bürgern wertvolle Zeit, indem wir
die Verbraucherzentralen so ausstatten, dass sie im Be-
reich der Finanzmärkte und der Banken eine Markt-
wächterfunktion übernehmen. Zweitens hat die bloße





Metin Hakverdi


(A) (C)



(D)(B)

Existenz von Marktwächtern eine positive Auswirkung
auf den Markt selbst. Die Anbieter von Finanzprodukten
werden in Kenntnis der Marktwächter bei der Entwick-
lung und dem Vertrieb ihrer Produkte in Zukunft vor-
sichtiger sein; und das ist auch gut so.

Besonders wichtig ist, dass auch im Bereich der digi-
talen Welt eine weitere Stärkung des Verbraucherschut-
zes stattfinden wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich weiß nicht, wann Sie das letzte Mal die AGB-Ände-
rungen bei Facebook, Amazon, iTunes oder anderen In-
ternetanbietern gelesen haben. Wer möchte auch seine
Lebenszeit darauf verwenden, dies wöchentlich zu tun?
Wir finden es richtig, dass sich einzelne Verbraucher
nicht mit den AGB herumschlagen müssen. Wir müssen
unsere Verbraucherzentralen befähigen, als Anwälte der
Verbraucherinnen und Verbraucher zu agieren. Das tun
wir nun, indem wir ihnen die finanziellen Mittel geben,
um für die Verbraucher einzutreten.

Wir werden aber auch die rechtlichen Rahmenbedin-
gungen verbessern. Gesetz zur Verbesserung der zivil-
rechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden
Vorschriften des Datenschutzrechts, das hört sich kom-
pliziert an, ist aber in der Sache ganz einfach. In Zukunft
müssen Internetdienstleister, die mit den Daten ihrer
Kunden nicht sorgfältig umgehen, damit rechnen, dass
nicht nur einzelne Kunden gegen sie vorgehen werden.
In Zukunft werden wir dafür sorgen, dass diese Dienst-
leister es mit den Verbraucherzentralen zu tun bekom-
men, die wir entsprechend finanziell ausstatten. Das ist
Waffengleichheit. Das ist sozialdemokratische Politik,
und das macht den konkreten Unterschied für jede ein-
zelne Verbraucherin und jeden einzelnen Verbraucher
aus.


(Beifall bei der SPD)


Zu einer Debatte über den Haushalt gehört aber auch,
dass die Rechtspolitik in einem breiten Sinne aufgegrif-
fen wird. Ein Thema, dessen Beratungen wir in den
nächsten Monaten aufnehmen und im nächsten Jahr in-
tensiv fortführen werden, ist die Sterbehilfe. Dieses
Thema treibt die Menschen in unserem Land um. Meiner
Ansicht nach ist es wichtig, dass wir nicht eine entkop-
pelte Gesinnungsethikdebatte führen, die die Nöte und
Sorgen der betroffenen Menschen aus den Augen ver-
liert. Menschenwürdiges Sterben ist kein abstrakter Ge-
genstand einer Ethikdebatte. Menschenwürdiges Sterben
ist eine sehr konkrete Angelegenheit. Es kommt auf die
konkrete Situation der betroffenen Menschen an. Da
sind der Suizidwillige, die behandelnden Ärzte und die
Angehörigen. Diese müssen im Fokus bleiben. Die eine
gute und richtige Entscheidung wird es in dieser Frage
wohl nicht geben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Aber am Ende werden wir eine vertretbare Entscheidung
treffen müssen.

Eine gute und richtige Entscheidung werden wir bei
der Einführung der Mietpreisbremse treffen. Mir ist sie
besonders wichtig. In Wilhelmsburg, einem Hamburger
Stadtteil, in dem der Wahlkreis liegt, in dem ich gewählt
wurde, hat im letzten Jahr eine Internationale Bauaus-
stellung stattgefunden. Diese soll eine Aufwertung be-
wirken, die ich übrigens sehr unterstütze. Die Menschen
haben aber Angst, verdrängt zu werden. In vielen Einzel-
gesprächen haben sie mir ihre Ängste geschildert. Sie
wollen nicht den Stadtteil verlassen, in dem sie aufge-
wachsen sind. Ich möchte nicht, dass die Wilhelmsbur-
gerinnen und Wilhelmsburger wegziehen müssen, weil
sie sich die Mieten nicht mehr leisten können. Wohn-
raum muss bezahlbar bleiben, in Wilhelmsburg genauso
wie in Bergedorf und Harburg, genauso wie in Berlin,
München, Frankfurt oder an anderen Orten Deutsch-
lands.


(Beifall bei der SPD)


Die Bürgerinnen und Bürger müssen, nachdem sie die
Miete gezahlt haben, noch genug im Portemonnaie ha-
ben, um am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Um
das zu erreichen, brauchen wir die Mietpreisbremse.
Auch wenn wir mit den Kolleginnen und Kollegen von
der Union noch Einzelfragen klären müssen, sage ich
den Bürgerinnen und Bürgern in Wilhelmsburg, Harburg
und Bergedorf: Die Mietpreisbremse wird kommen, und
sie wird gut, und sie wird helfen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Abschließend möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf
ein weiteres Gerechtigkeitsproblem lenken. Es geht um
die Frauenquote in Aufsichtsräten. Zitat:

Solange Selbstregulierung erfolgversprechend ist,
bedarf es gerade keiner gesetzlichen Quoten.

Diese Annahme von Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger hat sich als falsch erwiesen. Die be-
schlossene Selbstverpflichtung von 2001 hat eben nicht
zu Chancengleichheit der Frauen in Spitzenpositionen
der Wirtschaft geführt. Der Minister hat in seiner Ein-
gangsrede die Zahlen genannt. Dieser Diskriminierung
der Frauen – machen wir uns nichts vor; um nichts ande-
res handelt es sich – muss gesetzgeberisch entgegenge-
treten werden. Ich bin überzeugt, dass die Frauenquote
in Aufsichtsräten ein erster Schritt ist. Gelingt es der
Wirtschaft nicht, auch in Vorständen eine deutliche Er-
höhung des Anteils von Frauen zu erreichen, wird der
Gesetzgeber wieder tätig werden müssen. Alle sind gut
beraten, es nicht darauf ankommen zu lassen.

Glück auf! Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804909000

Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächste Rednerin in der

Debatte ist Mechthild Heil für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Mechthild Heil (CDU):
Rede ID: ID1804909100

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolle-

gen! In allen Debatten zu verbraucherpolitischen Fragen
wird immer der gleiche Gegensatz zwischen der Wirt-





Mechthild Heil


(A) (C)



(D)(B)

schaft und den Verbrauchern konstruiert. Für meinen
Geschmack haben sich leider viel zu viele mit diesem
Feindbild gut angefreundet. Ja, es gibt viel zu viele, die
das sogar befeuern. Die Wirtschaft auf der einen Seite
ruft dann immer: Lasst uns doch in Ruhe. Je weniger
Eingriffe, umso besser. – Die Verbraucherverbände und
die NGOs auf der anderen Seite sagen uns: Wir brauchen
mehr Regeln, wir brauchen ein härteres Durchgreifen bis
hin zum Totalverbot von bestimmten Produkten. Nur so
können wir die Verbraucher richtig schützen.

Auch heute hören wir Ähnliches. Wir hören, die Dis-
pozinsen müssten gedeckelt werden. Das, Herr Minister
Maas, ist nicht Gegenstand unseres Koalitionsvertrags,
auch wenn Sie das heute hier so gesagt haben. Wir hö-
ren, vermeintlich ungesunde Lebensmittel sollten mit
Warnfarben gekennzeichnet werden und dürften nur
noch beschränkt beworben werden. Das Gleiche gilt für
manche Finanzanlageprodukte. Der Kreativität sind
wirklich keine Grenzen gesetzt. Der Politik wird ein
ganz langer Wunschzettel vorgelegt: Es soll gebremst,
gedeckelt und verboten werden. Das Misstrauen gegen-
über der Wirtschaft wird geschürt. Auf der anderen Seite
wird die moralische Überlegenheit der eigenen Position
nicht mehr infrage gestellt.

Ein Beispiel aus dem großen Forderungskatalog
möchte ich Ihnen geben. Wir alle – ich glaube, das ist
unstrittig – essen zu süß, zu fettig und zu salzig. Da wir
alle unbelehrbar sind, soll das verboten werden. Gefor-
dert wird alles Mögliche – von der Fettsteuer über die
Verbannung von Süßigkeiten aus den Regalen bis hin zur
Verringerung der Abfüllmenge von Limonaden. Aber
glaubt jemand, auch hier von uns, wirklich ernsthaft,
dass diese Verbote uns am Ende alle weniger krank, we-
niger dick oder weniger unglücklich machen? Und: Will
irgendjemand von uns in einem solchen Verbotsstaat le-
ben? Ich kann die Frage beantworten: Ich will das nicht.
Deshalb kann unsere Antwort nur heißen: Beide Seiten
tragen Verantwortung, auf der einen Seite die Wirtschaft,
auf der anderen Seite die Kunden. Wir als Koalition ent-
lassen keinen der beiden Partner aus seiner Verantwor-
tung.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wirtschaft und Verbraucher sind keine Gegensätze
oder sogar Feinde. Sie bedingen einander. Aber ihr Um-
gang miteinander braucht bestimmte Regeln. Ich
möchte, wenn ich darf, an der Stelle die Verbraucherzen-
trale Bundesverband zitieren, die wunderbar formuliert:

Die Idee des Verbraucherschutzes ist so eng mit
dem Schutz des Gemeinwohls verbunden, dass der
Staat es sich nicht leisten kann, die Verbraucherpo-
litik nur als … Kontrapunkt der Wirtschafts- und
Industriepolitik

zu betrachten.

Verbraucherpolitik ist Wirtschaftspolitik von der
Nachfrageseite.

Wir können es uns deshalb nicht leisten, die Dinge
anders zu sehen, weil es den Verbrauchern schaden
würde. Ich möchte das an einigen Beispielen verdeutli-
chen:

Am 1. August 2014 ist das neue Honoraranlagebera-
tungsgesetz in Kraft getreten. Neben der klassischen Be-
ratung auf Provisionsbasis können sich nun die Verbrau-
cher auch gegen ein Honorar beraten lassen. So weit, so
gut. Ja, es können bei Beratern auch Fehlanreize beste-
hen. Sie können mehr an ihren eigenen Geldbeutel den-
ken als an den Geldbeutel ihrer Kunden. Aber das gilt
für einen Honorarberater genauso wie für einen Berater,
der auf Provisionsbasis arbeitet.

Nun hören wir immer wieder Forderungen, die provi-
sionsbasierte Beratung solle komplett abgeschafft wer-
den. Ich finde, das ist völliger Unsinn. Denn wir müssen
an die Menschen denken, die sich kein 50- bis 100-Euro-
Beratungshonorar pro Stunde leisten können, um zum
Beispiel eine Haftpflichtversicherung abzuschließen.
Was würde denn mit ihnen passieren?

Wir sind nicht gewählt, um immer neue Regulie-
rungs- oder Verbotsorgien zu betreiben. Das wäre meist
sicherlich der einfachere Weg; aber es ist fast immer der
falsche Weg. Mit Verboten, mit Deckeln, mit Bremsen
werden wir die verbraucherpolitischen Fragen unserer
modernen Zeit nicht beantworten – nachhaltig schon gar
nicht.

Ich plädiere für eine wissenschaftliche, empirisch
fundierte Verbraucherpolitik. Sie greift auf das Sachver-
ständnis von Experten zurück, auf Erkenntnisse aus der
Verbraucherforschung und auf die Ergebnisse der Markt-
beobachtung, zum Beispiel durch die spezialisierten Ver-
braucherzentralen. Wir werden einen Sachverständigen-
rat einrichten. Die Pläne liegen schon, das haben wir
eben gehört, in der Schublade des Verbraucherministeri-
ums. Herr Minister, ich würde mich wirklich freuen,
wenn sie, wenn sie bei Ihnen schon vorliegen, auch das
Licht der Öffentlichkeit erblicken würden, zumal die Ar-
beit schon im Oktober aufgenommen werden soll.

Wir stellen erneut Gelder für die Verbraucherforschung,
nämlich 637 000 Euro, und für die Finanzierung einer Stif-
tungsprofessur Verbraucherrecht, nämlich 225 000 Euro,
zur Verfügung.

Außerdem sorgen wir für eine intensivere Marktbeob-
achtung durch die Verbraucherzentralen. Wir hatten be-
reits im letzten Haushaltsjahr, im Jahre 2013, dem vzbv
2,5 Millionen Euro als Anschubfinanzierung für den Fi-
nanzmarktwächter zur Verfügung gestellt. Mit diesem
Geld können die Verbraucherzentralen erstmals die wert-
vollen Erkenntnisse, die sie aus ihrer flächendeckenden
Beratung erhalten, systematisch erfassen, und die Daten
können dann erstmals ausgewertet, analysiert und am
Ende auch uns als Politikern zur Verfügung gestellt
werden. Diese 2,5 Millionen Euro sind bis jetzt im
Haushaltsentwurf 2015 ebenfalls veranschlagt. Ich als
Verbraucherschutzbeauftragte der CDU/CSU-Fraktion
würde diese Summe natürlich gerne auf die von uns an-
gedachten 4,5 Millionen Euro erhöhen, vorausgesetzt,
dass das Modell des Finanzmarktwächters wirklich trägt
und wir es in andere Bereiche ausweiten wollen.





Mechthild Heil


(A) (C)



(D)(B)

Außerdem erhöhen wir die institutionelle Förderung
des Verbraucherzentrale Bundesverbandes und stärken
damit „die Stimme der Verbraucher“, wie sich dieser
Verband selber nennt.

Darüber hinaus gibt es viele Bereiche, in denen wir
Verbraucherpolitik gestalten, ohne dass es sich im Haus-
halt widerspiegelt. Einige Beispiele:

Wir wollen Verbraucherinformationen verständlicher
gestalten, zum Beispiel bei den Allgemeinen Geschäfts-
bedingungen oder bei den Beratungsprotokollen. Wir
wollen eine Diebstahlsperre für Handys durchsetzen.
Wir wollen eine transparente Kennzeichnung von ho-
möopathischen Mitteln. Wir sorgen für sichere Lebens-
mittel, klare Kennzeichnung, artgerechte Tierhaltung
und dafür, dass die Bevölkerung bei Verstößen gegen das
Lebensmittelrecht frühzeitig und realistisch gewarnt
wird. Wir fördern einen gesunden Lebensstil, indem wir
die Menschen zu einer gesunden Ernährung, aber auch
zu ausreichend Bewegung motivieren. – Das sind nur ei-
nige Beispiele. Wir wissen alle, dass Verbraucherschutz
eine Querschnittsaufgabe ist und fast alle Politikbereiche
betrifft.

Mit unserer Verbraucherpolitik schauen wir aber
wirklich über den Tellerrand Deutschlands und auch Eu-
ropas hinweg. Wir erkennen, dass es Produkte gibt, die
eben nicht unter so fairen und nachhaltigen Bedingungen
wie bei uns in Deutschland hergestellt werden. Ich denke
da zum Beispiel an den Bereich Kleidung. Unser Ent-
wicklungsminister Gerd Müller hat dieses Thema aufge-
nommen. Gemeinsam mit der Wirtschaft werden Min-
deststandards entwickelt. Am Ende soll ein Label stehen,
das den Verbrauchern die Entscheidung für einen nach-
haltigen Konsum erleichtert.

Das ist ein gutes Beispiel. Wir, die CDU/CSU, die
Koalition, sind die verbindende Kraft zwischen den
Kunden und der Wirtschaft, und deshalb ist unsere Ver-
braucherpolitik auch so erfolgreich.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804909200

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Klaus-Dieter

Gröhler, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Klaus-Dieter Gröhler (CDU):
Rede ID: ID1804909300

Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Da-

men und Herren! Als letztem Redner zu dem Einzelplan
gestatten Sie mir vielleicht eine allgemeine Einleitung.
Der Kollege Lindner wartet schon darauf; das ist sehr
gut.

Ich will Sie noch einmal ein Momentchen zurückfüh-
ren. Heute vor einem Jahr standen wir alle auf der Straße
und haben fleißig Wahlkampf gemacht. Damals passierte
es mir, dass ich in meinem Wahlkreis in Berlin am Rü-
desheimer Platz ein älteres Ehepaar traf. Auf meine
Frage: „Darf ich Ihnen das Regierungsprogramm der
CDU/CSU mitgeben?“, antworteten sie mir: Wir haben
nicht viel Zeit. – Ich dachte: Typisch Pensionäre. Aber
dann sagte der Mann zu mir: Nennen Sie mir drei
Gründe, warum wir Sie wählen sollen! – Ich erwiderte:
Erster Punkt. Damit Angela Merkel Kanzlerin bleibt!


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Das reicht schon!)


Zweiter Punkt. Damit es keine Steuererhöhungen gibt!


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich dachte, wieder „Angela Merkel“!)


Dritter Punkt. Damit es in Zukunft keine neuen Schulden
mehr gibt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Daraufhin sagte der Mann zu mir: Okay, über die
Merkel kann man nicht meckern. – Originalton Berlin.
Das ist, glaube ich, mit das höchste Lob, das ein Berliner
verteilen kann.


(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Das höchste Lob, ja!)


– Ich sehe vom Kollegen Luczak Zustimmung an der
Stelle. – Der Mann fuhr fort: „Junger Mann,“ – ich weiß
nicht, ob das seine Distanz zur Politik darstellen sollte
oder für mich ein Lob sein sollte – „das mit den Schul-
den glauben Sie doch selbst nicht. Die Politik ist doch
viel zu verliebt in immer neue Projekte, und Sie werden
aus dieser Spirale nie rauskommen. Gucken Sie sich ein-
mal die Geschichte der Republik an! Sie haben immer
neue Schulden gemacht.“

Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, ob dieser
Bürger sich an das Gespräch erinnert, wenn er jetzt in
der Zeitung von der schwarzen Null liest – vielleicht
guckt er ja auch Parlamentsfernsehen; bei dem schönen
Wetter aber eher nicht –,


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Bestimmt! – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Vielleicht ruft er an und sagt: Er war es!)


aber ich will ihm Pars pro Toto zurufen: Wir haben die-
ser Versuchung widerstanden. Dieser Haushalt ist ausge-
glichen.

Warum erzähle ich diese kleine Geschichte, meine
Damen und Herren?


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Das würde ich auch gerne wissen!)


Weil sie auch bei den Haushaltsberatungen für einen so
kleinen Etat wie den von Minister Maas leitend sein
muss, weil wir auch bei einem so kleinen Etat in Zukunft
der Versuchung widerstehen müssen, immer noch was
obendrauf zu packen. Wir als Haushaltsgesetzgeber ha-
ben in zwei Dritteln der Zeit der Existenz des Bundesta-
ges – fast auf den Tag genau vor 65 Jahren war die erste
Sitzung des Bundestags – einfach nur etwas obendrauf
gepackt und in den Haushaltsberatungen gesagt: Wenn





Klaus-Dieter Gröhler


(A) (C)



(D)(B)

hier noch etwas fehlt und da noch etwas fehlt, weiten wir
einfach den Etat aus.

Damit ist jetzt Schluss. Das ist für uns eine größere
Herausforderung, auch für die Arbeit der jeweiligen Be-
richterstatter. Wenn wir in Zukunft an der einen oder an-
deren Stelle feststellen: „Da fehlt etwas“, dann werden
wir einen Deckungsvorschlag machen müssen. Das ist
für die Politik vielleicht eine zusätzliche Hürde, aber das
macht es auch ein Stück weit spannender.

An drei Punkten des Haushalts, glaube ich, lohnt es
sich, noch einmal vertieft hinzuschauen:

Erstens. Die Rechtsweggarantie aus Artikel 19 unse-
res Grundgesetzes – das klang bei meinen Vorrednern
eben schon so ein bisschen an – muss natürlich mit Le-
ben gefüllt sein. Ich hatte vor einigen Tagen eine Gruppe
chinesischer Schülerinnen und Schüler zu Besuch. Sie
fragten mich: Wie funktioniert in Deutschland ein Straf-
prozess? – Dann habe ich versucht, ihnen das in wenigen
Minuten darzustellen. Sie bekamen ganz leuchtende Au-
gen. Was ich ihnen natürlich nicht gesagt habe, ist, dass
der eine oder andere Bürger, der einen Zivilprozess
führt, was die Länge der Verfahren angeht, am Rechts-
staat schon ein ganz klein wenig zweifelt. Wenn man
sich die Situation bei den Verwaltungsgerichten als Ein-
gangsinstanz anschaut, dann weiß man, dass zwischen
dem Moment, wo man zum Gericht geht, und dem Mo-
ment, wo man tatsächlich Recht bekommt, viele Jahre
liegen können.

Das Abziehen einer Stelle aus dem Bundesver-
waltungsgericht zugunsten des Ministeriums – Frau
Winkelmeier-Becker hat hier darauf hingewiesen – ist an
der Stelle aus meiner Sicht das falsche Signal, auch das
falsche Signal an die Länder. Darüber werden wir reden
müssen. Wenn im Koalitionsvertrag steht, wir wollen
das Rechtsprechungsmonopol des Staates stärken, ille-
gale Paralleljustiz werden wir nicht dulden, dann werden
wir an dieser Stelle entsprechend handeln müssen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Mein Kollege Rohde hat seine Ausführungen zu
Recht weitestgehend auf das Patentamt beschränkt. Las-
sen Sie mich sagen: Auch das ist eine Frage effektiven
gewerblichen Rechtsschutzes. Der Laden muss vernünf-
tig laufen, wenn ich das zusammengefasst sagen darf.
Dass es lange dauert, bis man sein Patent bekommt,
hängt nicht nur mit der Personalsituation, sondern auch
mit der erfreulichen Situation zusammen, dass die Zahl
der Anträge inzwischen von 59 000 Patentanträgen im
Jahr auf inzwischen 63 000 gestiegen ist. Es gibt heute
13 Prozent mehr Patentanträge als noch vor vier Jahren.
Es gibt in den Patentämtern eine Menge offener Stellen.
Insofern ist es nicht die richtige Argumentation, vom
Ministerium zusätzliche Stellen für die Patentämter zu
fordern. Wir werden uns in den nächsten Tagen vertieft
anschauen müssen, ob die Mitarbeitergewinnung im
Amt vernünftig läuft, ob die Anforderungen an Neuein-
stellungen vielleicht zu hoch sind. Eines kann ich unter-
streichen, lieber Kollege Rohde, die Koalition wird kei-
nen Blindflug ohne Navigationsgerät machen. Wir sind
nicht die Opposition. Wir sind die Koalition. Das unter-
scheidet uns nicht nur an dieser Stelle ganz besonders.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut, dass Sie das noch einmal erwähnen, ich hätte es sonst vergessen!)


Stichwort „Verbraucherschutz“. Hierfür geben wir
nur aus dem Etat von Minister Maas 29 Millionen Euro
aus; 4,5 Millionen Euro mehr. Durch die Einführung der
sogenannten Marktwächter – zu dieser Begrifflichkeit
sage ich gleich noch etwas – dürfen die bisherigen Auf-
gaben des Verbraucherschutzes nicht vernachlässigt wer-
den. Es darf kein Ungleichgewicht geben. Darauf hat die
Verbraucherzentrale Bundesverband hingewiesen. Mich
stört aber der Begriff „Marktwächter“. Auf diesen soll-
ten wir es auf Dauer nicht verkürzen.


(Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht in Ihrem Koalitionsvertrag!)


– Ja, das ist durchaus richtig. Aber wenn wir darüber in-
tensiver sprechen, auch fachlich, lieber Herr Kollege,
dann müssen wir berücksichtigen, dass es um die ver-
braucherorientierte Beobachtung des Finanzmarktes geht.
Wir sollten bei den Leuten auf Dauer nicht den Eindruck
erwecken, dass der Wächter der ist, der auch Strafen
kann, sondern er beobachtet erst einmal. Dementspre-
chend sollten wir ihn auch ausstatten. Die eigentliche
Bearbeitung der Vorgänge ist nachher eine hoheitliche
Aufgabe, die sicherlich nicht der Bundesverband oder
die einzelnen Landesverbraucherzentralen wahrnehmen
können. Insofern sollten wir an dieser Stelle vorsichtig
mit der Begrifflichkeit sein.

Ein letztes Wort. Erfreulich ist das Präventionsprojekt
Dunkelfeld, meine Damen und Herren, also der Schutz
vor pädophilen Männern. Die Mittel für dieses Projekt
werden von früher 250 000 auf nun 560 000 Euro im
Jahr erhöht. Ich finde das sehr erfreulich.


(Abg. Roland Claus [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


– Ich sehe, der Kollege Claus möchte meine Redezeit
verlängern. Gerne.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804909400

Der Kollege Claus möchte gerne eine Zwischenfrage

stellen. Ich gehe davon aus, dass Sie zustimmen. – Bitte
schön, Herr Kollege Claus.


Roland Claus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804909500

Vielen Dank. – Da unsere Vorschläge nun zum zwei-

ten Mal mit dem Begriff „Blindflug“ geadelt wurden,
bleibt mir nichts weiter übrig, als Sie zu fragen, ob Sie
bereit sind, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir diese Vor-
schläge unter den Berichterstattern für den Einzelplan 07
in der vorigen und in der vorvorigen Beratung in diver-
sen BE-Gesprächen bei mehreren Besuchen beim Pa-
tentamt erarbeitet haben. Der Kollege Rohde hätte be-
stimmt nichts dagegen, wenn Sie den Kollegen Binding
in unserem Parlament als Kronzeuge für die solide Erar-





Roland Claus


(A) (C)



(D)(B)

beitung dieser Vorschläge zurate ziehen könnten. Ich
frage: Können Sie zur Kenntnis nehmen, dass es sich bei
den Vorschlägen nicht um Blindflüge handelt, sondern
um solide durchdachte Überlegungen?


(Beifall bei der LINKEN)



Klaus-Dieter Gröhler (CDU):
Rede ID: ID1804909600

Herr Kollege Claus, wenn ich in einem Patentamt fast

10 Prozent aller vorhandenen und im Haushaltsplan aus-
gewiesenen Stellen immer wieder unbesetzt habe, dann
stellt sich aus meiner Sicht erst einmal die Frage: Wie
bekomme ich die Stellen besetzt? Es stellt sich für mich
dann nicht die Frage, ob man zusätzliche Stellen in den
Haushaltsplan einstellen muss. Insofern haben wir offen-
sichtlich eine unterschiedliche Auffassung.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich verstehe, dass man aus Oppositionssicht sagt, dass
der Haushaltsansatz falsch sei. Aber vielleicht stimmen
Oppositionssicht und tatsächliche Situation nicht über-
ein.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Roland Claus [DIE LINKE]: Dann gehen Sie doch einmal zum Kollegen Binding!)


Ich bin aber sehr zuversichtlich, wenn ich dies ab-
schließend sagen darf – die letzten Berichterstatterge-
spräche waren über Fraktionsgrenzen hinweg konstruk-
tiv –, dass wir auch in dieser Frage miteinander zu einem
guten Ergebnis kommen werden. Die Opposition wird
sehen, dass sie nicht Milde walten lassen muss, weil ein
anständiger Bundeshaushalt vorgelegt wurde, sowohl
mit Blick auf Einzelplan 07 als auch darüber hinaus. Ich
bin sicher, dass wir den Haushalt im Spätherbst beschlie-
ßen können.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804909700

Vielen Dank. – Weitere Wortmeldungen zu diesem

Einzelplan liegen nicht mehr vor.

Wir kommen damit zu dem Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Gesundheit, Einzelplan 15.

Das Wort hat Bundesminister Hermann Gröhe.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Hermann Gröhe (CDU):
Rede ID: ID1804909800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die gesundheitliche Versorgung in unserem Land ist gut,
ja sogar sehr gut. Eine Befragung des Allensbach-Insti-
tuts vom April dieses Jahres hat ergeben, dass acht von
zehn Befragten erklärten,


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Wer hat das Gutachten in Auftrag gegeben?)


sie seien grundsätzlich sehr zufrieden mit dem Gesund-
heitswesen in der Bundesrepublik Deutschland. Das
sollte uns ein Ansporn sein, ein Ansporn, die Zufrieden-
heit weiter zu steigern, aber auch ein Ansporn, die He-
rausforderungen anzugehen, vor denen unser Gesund-
heitswesen steht. Das ist zuallererst die demografische
Entwicklung, das ist aber auch unser Anspruch, medizi-
nischen und medizintechnischen Fortschritt allen Men-
schen in diesem Land zugutekommen zu lassen. Bei der
Bewältigung dieser Herausforderungen sollten wir uns
alle an den Bedürfnissen der Menschen orientieren und
ihnen nachhaltige Hilfe zuteilwerden lassen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wir alle wissen, dass eine wachsende Zahl älterer
Menschen in unserem Land viele aktive Seniorinnen und
Senioren bedeutet, die sich mit Lebensfreude in das ge-
sellschaftliche Leben einbringen. Zugleich werden wir
aber auch immer mehr Menschen unter uns haben, die in
hohem Alter schwer mehrfach erkranken oder der Pflege
bedürfen. Eine gute und umfassende Versorgung für je-
den ist deshalb eine zentrale politische Aufgabe. Bereits
in diesem Jahr haben wir wichtige politische Entschei-
dungen getroffen; ich nenne nur das Stichwort „Stärkung
der Hausarztverträge“. Diesen Weg werden wir fortset-
zen.

Was haben Bundesregierung und Koalition vor?

Erstens die Schaffung zukunftsstarker Pflegestruktu-
ren. Eine spürbare Ausweitung der Leistungen, die wir
im ersten Pflegestärkungsgesetz nun auf den Weg brin-
gen, ist nur der erste Schritt. Sie wissen, dass es auch da-
rum geht, den Menschen verstärkt genau die Hilfe zuteil-
werden zu lassen, die sie persönlich auch benötigen.

Zweitens die Sicherung zukunftsfester Versorgungs-
strukturen. Diese brauchen wir flächendeckend, in guter
Qualität, bedarfsgerecht, in Stadt und Land.

Drittens exzellente Rahmenbedingungen für For-
schung und Innovation. Denn für eine zukunftsfähige
Versorgung sind Innovationen nicht nur bei Medikamen-
ten oder einzelnen Behandlungsmethoden, sondern auch
bei den Versorgungsstrukturen insgesamt unverzichtbar.

Und viertens und nicht zuletzt den Ausbau der Prä-
vention. Sie sollte bereits in Kita und Schule beginnen,
aber eben auch nicht im Berufsleben, ob im Betrieb oder
im Büro, enden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen, meine Herren, lassen Sie mich etwas
zu diesen einzelnen Punkten ausführen. Die Pflege
steht in den nächsten Jahren ganz oben auf der Agenda
dieser Bundesregierung. Bereits vor der Sommerpause
haben wir in der ersten Lesung das erste von zwei
Pflegestärkungsgesetzen beraten. Es sieht ab 1. Januar
des nächsten Jahres spürbare Verbesserungen für Pfle-
gebedürftige, ihre Angehörigen und auch wichtige Ver-
besserungen im Alltag der Pflegekräfte vor. Und wir
sorgen gleichzeitig vor. Mit dem Pflegevorsorgefonds
wollen wir künftige Beitragsanstiege dämpfen.





Bundesminister Hermann Gröhe


(A) (C)



(D)(B)

Mit dem zweiten Pflegestärkungsgesetz werden wir
den Weg zu einer verbesserten Qualität in der pflegeri-
schen Versorgung fortsetzen. So soll die bisherige Unter-
scheidung zwischen Pflegebedürftigen mit körperlichen
Einschränkungen und Demenzkranken der Vergangen-
heit angehören und es zu einer besseren, individuellen
Bewertung der Pflegebedürftigkeit kommen. Dies ist
uns, dies ist auch mir persönlich ein wichtiges Anliegen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Seit April dieses Jahres läuft die Erprobung des neuen
Begutachtungssystems. In über 4 000 Fällen werden
Pflegebedürftige nach dem bisherigen und dem neuen
Begutachtungssystem bewertet. Die so gewonnenen Er-
fahrungen wollen wir dann gleich zu Beginn des nächs-
ten Jahres in die Erarbeitung des Gesetzes zur Umset-
zung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs einbringen.

Meine Damen, meine Herren, der zweite Schwer-
punkt: zukunftsfeste Versorgungsstrukturen. Gerade für
eine älter werdende Gesellschaft ist eine gut erreichbare
medizinische Versorgung, ambulant wie stationär, von
besonderer Bedeutung. Das gilt für Stadt und Land in
gleicher Weise.

Ältere Menschen brauchen oftmals eine andere medi-
zinische Versorgung. Sie leiden aufgrund des hohen Al-
ters häufig unter chronischen oder unter Mehrfacher-
krankungen. Menschen mit demenziellen Erkrankungen
können weniger selbst Partner im Prozess der Behand-
lung sein, brauchen andere pflegerische und ärztliche
Zuwendung.

Das sind nur einige Beispiele, die deutlich machen,
vor welchen Herausforderungen unser Versorgungssys-
tem steht. Deshalb brauchen wir auch hier das Versor-
gungsstärkungsgesetz, das ich noch im Herbst dieses
Jahres vorlegen werde. Ich möchte die gesundheitliche
Versorgung der Menschen im Kontext des demografi-
schen Wandels weiterentwickeln und um neue Instru-
mente ergänzen. Dabei liegt mir die Sicherstellung der
Versorgung gerade im ländlichen Raum besonders am
Herzen.

Fest steht: Wir brauchen eine bessere Verteilung der
Ärztinnen und Ärzte. So haben wir gerade in manchen
Großstädten immer wieder eine ärztliche Überversor-
gung; in einigen ländlichen Regionen fehlen aber bereits
Ärztinnen und Ärzte oder drohen angesichts des Durch-
schnittsalters der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte
alsbald zu fehlen. Deswegen sollten wir mit gezielten
Maßnahmen sowohl die Überversorgung abbauen als
auch der Unterversorgung rechtzeitig begegnen.

Dabei geht es nicht zuletzt um die hausärztliche Ver-
sorgung. Der Hausarzt bzw. die Hausärztin ist der erste
Ansprechpartner für Menschen, wenn es um ihre Ge-
sundheitsfragen geht. Deshalb werden wir die Regelun-
gen zur Förderung der Weiterbildung in der Allgemein-
medizin erweitern und die Anzahl der zu fördernden
Stellen erhöhen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Zu einer guten Versorgung gehört auch, dass die Ver-
sicherten nicht wochenlang auf einen Facharzttermin
warten müssen. Mit Terminservicestellen der kassenärzt-
lichen Vereinigungen werden wir hier Abhilfe schaffen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Auch möchte ich die Verzahnung zwischen dem am-
bulanten und dem stationären Sektor weiter verbessern,
um eine gut abgestimmte Versorgung gerade der chro-
nisch und mehrfach erkrankten Menschen zu gewähr-
leisten. Um möglichst frühzeitig Maßnahmen zur Si-
cherstellung der Versorgung in einer Region ergreifen zu
können, schlage ich vor, die Regelungen für die Bildung
sogenannter Strukturfonds dahin gehend zu ändern, dass
sie in Zukunft eingerichtet und tätig werden können,
schon bevor eine akute Unterversorgung droht, um ange-
sichts der Altersstruktur der niedergelassenen Ärztinnen
und Ärzte rechtzeitig Maßnahmen ergreifen zu können.

Schließlich werden wir Krankenhäusern zunehmend
die Möglichkeit zur Teilnahme an der ambulanten ärztli-
chen Versorgung eröffnen müssen, wenn der Landesaus-
schuss einen entsprechenden Versorgungsbedarf festge-
stellt hat, der von niedergelassenen Ärztinnen und
Ärzten nicht abgedeckt werden kann.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Klar ist, dass wir in Zukunft Krankenhäuser brau-
chen, die gut aufgestellt sind und sich einer qualitätsge-
sicherten Versorgung verpflichtet fühlen. Qualität ist für
mich das entscheidende Kriterium einer patientenorien-
tierten Krankenhausplanung. Es gilt, gut erreichbare
Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung zu si-
chern und zugleich die Spitzenmedizin, wie sie zum Bei-
spiel an den Universitätskliniken und auch in ihren Am-
bulanzen angeboten wird, angemessen zu honorieren. In
diesem Sinne arbeiten wir seit Mai mit Vertretern der
Bundesländer in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe an
einer Krankenhausreform. Ich will mich an dieser Stelle
– am Montag war die jüngste Sitzung – bei allen Vertre-
tern der Bundesländer ausdrücklich für die vertrauens-
volle Zusammenarbeit bedanken. Unser Ziel ist es, bis
zum Ende des Jahres Eckpunkte zu erarbeiten, die dann
im nächsten Jahr in einem entsprechenden Gesetz umge-
setzt werden.

Der Stärkung der Versorgung und der besseren Ver-
netzung der Sektoren dient auch das E-Health-Gesetz,
das ich Ihnen noch in diesem Herbst vorstellen möchte.
Mit ihm sollen Anreize für eine schnellere Nutzung me-
dizinischer Daten, wie zum Beispiel die Nutzung von
Notfalldaten mithilfe der elektronischen Gesundheits-
karte, geschaffen werden.


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Wer’s glaubt!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sagte bereits:
Wir brauchen auch im Gesundheitswesen verstärkt
Forschung und Innovation, wenn es um Versorgungs-
strukturen geht. Mit einem Innovationsfonds, zu dem
wir ebenfalls im Versorgungsstärkungsgesetz gesetzli-
che Regelungen verankern werden, wollen wir 300 Mil-
lionen Euro jährlich in die innovative Entwicklung von
Versorgungsstrukturen und in die Versorgungsforschung
investieren. Schließlich wird alsbald das bereits gesetz-





Bundesminister Hermann Gröhe


(A) (C)



(D)(B)

lich verankerte Qualitätsinstitut mit seiner Aufbauarbeit
beginnen, um mit verlässlichen Kriterien und Transpa-
renz zur Qualitätssicherung beizutragen.

Auch in unserem Haushalt sollen die Aufwendungen
im Bereich Forschung nach unserem Vorschlag deutlich
erhöht werden, auf nunmehr 25,5 Millionen Euro. Dabei
geht es um Strategien zur Bekämpfung von Krebs, aber
auch um eine bessere Versorgung von Menschen, die an
seltenen Erkrankungen leiden. Ich denke zum Beispiel
an den Förderschwerpunkt der Bildung eines zentralen
Informationsportals über seltene Erkrankungen.

Schließlich werden wir noch in diesem Jahr den Ent-
wurf eines Präventionsgesetzes vorlegen, mit dem wir
das Ziel verfolgen, gesundheitsförderndes Verhalten von
der Kita über die Schule und den Arbeitsplatz bis hinein
in die Altenpflege bzw. die Altenhilfe zu fördern.

Hinsichtlich der Zahlen darf ich darauf hinweisen,
dass im Einzelplan 15 auch der Zuschuss an die gesetzli-
che Krankenversicherung für das Jahr 2015 um 1 Mil-
liarde Euro steigen soll und wir damit die Zusagen aus
dem Haushaltssicherungsgesetz einhalten. Das möchte
ich unterstreichen.

Lassen Sie mich angesichts der guten medizinischen
Versorgung in unserem Land und der Herausforderun-
gen, die wir bewältigen wollen, damit dies so bleibt, be-
wusst den Blick auf einen Krisenherd richten, auf die
Region Westafrika, auf die Herausforderung durch die
Ebola-Erkrankung. Die betroffenen afrikanischen Staa-
ten sind mit der Bekämpfung dieser Epidemie überfor-
dert. Sie haben weder die Infrastruktur noch ausreichend
medizinisches Personal, um diese todbringende Krank-
heit in den Griff zu bekommen. Sie brauchen die Solida-
rität der Staatengemeinschaft. Sie brauchen auch unsere
Solidarität.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Das Robert-Koch-Institut und das vom Bundesge-
sundheitsministerium institutionell geförderte Bernhard-
Nocht-Institut für Tropenmedizin haben bereits im März
zur Bekämpfung der Epidemie Expertinnen und Exper-
ten nach Afrika und zur WHO entsandt. Derzeit arbeiten
acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Robert-Koch-
Instituts und fünf Mitarbeiter des Bernhard-Nocht-Insti-
tuts in Guinea und in Nigeria. Ihnen, aber auch allen an-
deren Helferinnen und Helfern der unterschiedlichen
Hilfsorganisationen sei an dieser Stelle ausdrücklich für
ihren eindrucksvollen Einsatz gedankt.


(Beifall im ganzen Hause)


Darüber hinaus hat das Kompetenz- und Behand-
lungszentrum Nord in Hamburg, Universitätsklinikum
Eppendorf, im vergangenen Monat einen an Ebola er-
krankten senegalesischen WHO-Mitarbeiter zur Behand-
lung aufgenommen. Auch den Ärztinnen und Ärzten so-
wie den Pflegekräften dort gilt mein herzlicher Dank für
die ihm zuteilwerdende Behandlung. Wir wünschen ihm
natürlich von Herzen ein Gelingen dieser Behandlung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir werden alsbald Mittel für ein Trainingsprogramm
des Robert-Koch-Instituts zum Umgang mit Ebola-Ver-
dachtsfällen zur Verfügung stellen. Es soll einen Beitrag
dazu leisten, Helferinnen und Helfer zu trainieren, damit
sie sich bei der Behandlung der Erkrankten und der einer
Erkrankung Verdächtigen selbst schützen können, indem
sie die Schutzmaßnahmen beachten. Oft hält die Angst
vor der Ansteckung die Hilfspersonen davon ab, zu hel-
fen. Dieses Trainingsprogramm wird alsbald auf den
Weg gebracht werden. Wir leisten also auch in diesem
Bereich unseren Beitrag in enger Zusammenarbeit mit
dem Entwicklungshilfeministerium, dem Außenministe-
rium und dem Forschungsministerium. Dafür bin ich
dankbar.

Ich freue mich nun auf die vor uns liegenden Debat-
ten, natürlich in Sonderheit auf die Debatten mit den Be-
richterstatterinnen und Berichterstattern im Haushalts-
ausschuss.

In diesem Sinne danke ich für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804909900

Vielen Dank. – Nächste Rednerin in der Debatte ist

Dr. Gesine Lötzsch, Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804910000

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine sehr geehrten

Damen und Herren! Frau Schmidt, wieder haben Sie bei
einem Gesundheitsthema die Leitung. Wer weiß, viel-
leicht bereiten Sie sich ja auf neue Aufgaben vor; aber
ich will meine Zeit damit nicht vertrödeln.


(Lachen bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren! Der Bundesrechnungshof
hat uns gerade darauf hingewiesen, dass die Ausgaben
für den Gesundheitsfonds in den letzten Jahren fast dop-
pelt so schnell gestiegen sind wie die Einnahmen. Die
Lösung kann aber nicht darin bestehen, immer weiter die
Krankenkassenbeiträge zu erhöhen. Meine Fraktion fin-
det: Wir müssen grundsätzlicher an die Dinge herange-
hen. Wir müssen hier im Bundestag über krankma-
chende Arbeit sprechen und gemeinsam etwas dagegen
tun.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Chefs mehrerer Krankenkassen haben den deutschen
Arbeitgebern pauschal eine Mitschuld am dramatischen
Anstieg der sogenannten Burn-out-Erkrankungen und
Depressionsfälle in deutschen Unternehmen zugespro-
chen.

Deutsche Arbeitnehmer leisten nach Erkenntnissen
der EU-Kommission im Durchschnitt mehr Überstunden
als ihre Kolleginnen und Kollegen in den europäischen
Nachbarländern.





Dr. Gesine Lötzsch


(A) (C)



(D)(B)

In keinem Land der Eurozone gibt es einen so gro-
ßen Unterschied zwischen der tarifvertraglich ver-
einbarten Wochenarbeitszeit und der tatsächlichen
Wochenarbeitszeit wie in Deutschland.

Das stellte der zuständige EU-Kommissar fest. Ich finde,
das sollte uns zu denken geben.


(Beifall bei der LINKEN)


In Deutschland entstehen durch arbeitsbedingte psy-
chische Belastungen volkswirtschaftliche Kosten in
Höhe von 6,3 Milliarden Euro im Jahr. Laut aktueller
Studie der Betriebskrankenkassen sind darin 3 Milliar-
den Euro direkte Kosten für die Krankheitsbehandlung
und 3,3 Milliarden Euro Produktionsausfallkosten ent-
halten. Die Vorstandsvorsitzenden mehrerer Kranken-
kassen forderten nun eine Stärkung der Gesundheitsvor-
sorge in den Betrieben. Sie, Herr Minister Gröhe, haben
diesen Appell der Krankenkassen unterstützt. Das ist
gut, aber Appelle reichen nicht. Ich finde, wir müssen
handeln.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Die Art und Weise, wie wir in unserer Gesellschaft le-
ben und arbeiten, macht immer mehr Menschen krank.
Wer auf knallharte Konkurrenz, maximale Arbeitsver-
dichtung und 24-Stunden-Flexibilität setzt, der überfor-
dert jeden einzelnen Menschen, aber auch unser Gesund-
heitssystem. Darum, finde ich, muss es uns gelingen,
unsere Arbeits- und Lebenswelt solidarischer und ge-
rechter zu gestalten. Dann könnten auch die Gesund-
heitskosten bzw. Krankheitskosten rapide sinken.


(Beifall bei der LINKEN)


Vielleicht sollten wir auch einmal ernsthaft darüber
diskutieren, wie wir die Arbeitgeber stärker an den Ge-
sundheitskosten beteiligen, die sie direkt verursachen.
Man könnte zum Beispiel für jede geleistete Überstunde
den Krankenkassenbeitrag des Arbeitgebers um 50 Pro-
zent erhöhen. Ich glaube, eine solche Maßnahme würde
mit Sicherheit mehr Wirkung zeigen als alle mündlichen
Appelle.


(Beifall bei der LINKEN)


Damit der Finanzminister mit einer „schwarzen Null“
in die Geschichte eingehen kann, hat er sich vorgenom-
men, ab 2015 ohne neue Schulden auszukommen. Das
ist ja heute sehr oft erwähnt worden. An dieser Stelle
möchte ich allerdings den Kollegen Norbert Brackmann
von der Union – ich glaube, er ist gerade nicht im Saal –
aus dem Haushaltsausschuss besonders lobend hervorhe-
ben. Er war, glaube ich, der Einzige, der heute darauf
verwiesen hat, dass wir noch jede Menge alte Schulden
haben. Das sollte bei aller Euphorie über die „schwarze
Null“ nicht vergessen werden.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Mit euch hätten wir noch mehr Schulden!)


– Wenn Sie eine Zwischenfrage stellen, gehe ich gerne
darauf ein; ansonsten geht es auf meine Redezeit.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Ich habe keine Frage gestellt, ich habe eine Feststellung getroffen!)


Wie wird der Bundeshaushalt vom Bundesfinanz-
minister entlastet? Dies gelingt mit willkürlichen Hin-
und Herschiebungen. Zum Beispiel wird der Zuschuss
für den Gesundheitsfonds um insgesamt 6 Milliarden
Euro für zwei Jahre gekürzt. Ab 2017 soll der Zuschuss
dann wieder auf 14,5 Milliarden Euro steigen. Ich finde,
mit diesem Hin- und Herschieben wird kein einziges
Problem wirklich gelöst.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Verschiebung in die Sozialsysteme geht natürlich
vor allen Dingen auf Kosten der Geringverdiener, die
durch höhere Krankenkassenbeiträge für diese Art der
kreativen Buchführung zahlen müssen. Das finde ich un-
gerecht. Das lehnen wir Linke ab.


(Beifall bei der LINKEN)


Zum Abschluss möchte ich noch auf zwei Kürzungs-
positionen, die vorgeschlagen sind – wir beschließen den
Haushalt ja erst Ende des Jahres –, eingehen, die ich für
nicht sachgerecht halte. Zum einen soll bei der gesund-
heitlichen Aufklärung gekürzt werden und zum anderen
bei internationalen Aufgaben. Für die gesundheitliche
Aufklärung steht ein Posten, der sowieso nicht übertrie-
ben groß ist, zur Verfügung. Ich will daran erinnern, dass
immer mehr Menschen krank werden, weil sie sich zum
Beispiel falsch ernähren.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Wir alle!)


Darum ging es gerade auch beim Thema Verbraucher-
schutz. Die Lebensmittelindustrie steckt ein Vielfaches
in die Werbung für versalzene, überzuckerte und fettige
Produkte. In dieser Situation ist es, glaube ich, nicht
richtig, die Mittel für die Aufklärung zu kürzen. Es wäre
geradezu absurd.


(Beifall bei der LINKEN)


Letzter Punkt. Herr Gröhe, Sie haben sehr eindrucks-
voll berichtet, wie sich die Bundesrepublik, insbeson-
dere das Robert-Koch-Institut, in der Ebola-Frage enga-
giert. Darum ist es umso verwunderlicher, dass gerade
die Mittel für die internationalen Aufgaben gekürzt wer-
den sollen. Denn in Zeiten einer globalisierten Welt
muss auch ein Gesundheitsminister global denken und
schnell handeln. Ich glaube, das gelingt nicht mit einer
Kürzung auf genau diesem Gebiet.

Der Haushaltsentwurf bedarf aus Sicht der Linken ei-
ner grundsätzlichen Überarbeitung. Aber dafür haben
wir ja bis November Zeit. Wir werden mit Elan und vie-
len Vorschlägen an die Sache gehen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804910100

Vielen Dank. – Nächster Redner für die SPD-Fraktion

ist Dr. Karl Lauterbach.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)







(A) (C)



(D)(B)


Dr. Karl Lauterbach (SPD):
Rede ID: ID1804910200

Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine sehr verehr-

ten Damen und Herren! Ich will zunächst kurz auf die
Einlassungen von Frau Lötzsch zu sprechen kommen.
Sie erwähnten – das stimmt auch –, dass wir am Arbeits-
platz immer mehr Stress haben. Das ist richtig, und da-
gegen unternehmen wir etwas. Ich hoffe daher, dass wir
Ihre Unterstützung bekommen, wenn Andrea Nahles
hier die Antistressverordnung verabschieden will. Dann
werde ich Sie an Ihre Worte erinnern. Denn es hilft
nichts, ein Problem zu benennen, aber nicht konstruktiv
mitzuarbeiten, wenn es um die Lösung geht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das Gleiche gilt auch für die Vorbeugemedizin. Es ist
richtig, dass wir in den Betrieben mehr Prävention brau-
chen. Es ist aber auch richtig – das hat der Minister eben
in seiner Rede angekündigt, und wir haben es hier schon
mehrfach vorgetragen –, dass wir noch in diesem Jahr
ein Präventionsgesetz vorlegen werden, das eine bessere
Vorsorgemedizin in den Betrieben zum Ziel hat. Somit
hoffe ich dann ebenfalls auf Ihre Unterstützung.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Und schließlich: Sie sagten, Sie würden beklagen,
dass wir alte Schulden haben. Das höre ich mit großem
Interesse. Das steht nämlich im Widerspruch zu den Vor-
schlägen, die wir in fast jeder Plenardebatte von Ihnen
hören und deren Umsetzung darauf hinauslaufen würde,
dass wir sogar neue Schulden machen müssten. Das ist
ein Widerspruch.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Jens Spahn [CDU/CSU]: Das ist sozialistische Dialektik!)


Ich glaube, wenn man auf die erste Phase dieser Re-
gierungszeit zurückschaut, kann man mit Blick auf die
Gesundheitspolitik – ohne sich zu Unrecht zu loben oder
die Dinge zu selbstgerecht darzustellen – sagen: Wir ha-
ben eine Menge geschafft. Zum Beispiel ist es uns trotz
stetig steigender Bedarfe, neuer, innovativer Produkte
und zum Teil auch sehr teurer Produkte gelungen, die
Kosten im Bereich der Arzneimittelversorgung im We-
sentlichen zu begrenzen. Wir haben das Preismoratorium
fortgesetzt. Wir haben den Herstellerrabatt mit 7 Prozent
auf einem Niveau gehalten, das passt. Wir haben mit den
Hausarztverträgen Anreize für eine evidenzbasierte Ge-
nerikabehandlung geschaffen; das funktioniert gut. Au-
ßerdem haben wir die Qualitätssicherung durch die
Chronikerprogramme und die Disease-Management-
Programme verbessert. Mittlerweile bekommt der größte
Teil der Patienten in Deutschland eine wissenschaftlich
gut gesicherte Medizin, dort, wo möglich, in Form von
Generika, und dort, wo nicht in Form von Generika
möglich, auf der Grundlage von unter Berücksichtigung
der Kosten-Nutzen-Relation verhandelten Preisen.

Vor Jahren ist das nicht möglich gewesen. An diesen
Reformen arbeiten wir gemeinsam seit vielen Jahren.
Diese Arbeit wurde in der ersten Phase dieser Legislatur-
periode fortgesetzt. Da gab es also keinen Bruch, son-
dern eine kontinuierliche Weiterentwicklung, für die wir
im Ausland gelobt werden. Hier müssen wir gemeinsam
weiter an einem Strang ziehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Zum Zweiten. Ich weise darauf hin: Wir haben eine
große Ungerechtigkeit in unserem System beseitigt, und
zwar gemeinsam – hierfür möchte ich mich ausdrücklich
auch bei den Kolleginnen und Kollegen von der Union
bedanken –: Wir haben die Gesundheitsprämie bzw. die
kleine Kopfpauschale abgeschafft. Sie hätte für unsere
Rentner eine nicht unerhebliche Belastung dargestellt;
denn es ging um einen Sozialausgleich, der von der
Steuer abhängig gewesen wäre. Jetzt gibt es einkom-
mensabhängige Zusatzbeiträge, die für einen Geringver-
diener gering und für einen Gutverdiener entsprechend
höher ausfallen. Arbeitslose, die Arbeitslosengeld I oder
II empfangen, müssen gar keinen Zusatzbeitrag bezah-
len. Ich sage es einmal so: Das ist zwar nicht ganz die
Bürgerversicherung – das räume ich hier ein; sie wäre
mir zu jedem Zeitpunkt lieber –,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


aber ein wichtiger Fortschritt. Angesichts dieses wichti-
gen Fortschritts sage ich: Dafür muss man der Union
danken. Das ist eine Richtungsänderung, ein ganz ge-
zielter Schritt in Richtung von mehr Solidarität.

Die Pflegereform wurde von Minister Gröhe schon
angesprochen. Auch sie ist eine Reform mit Augenmaß.
Klar ist: Wenn wir in der Lage wären, den neuen Pflege-
bedürftigkeitsbegriff jetzt einzuführen – flächendeckend,
in ganz Deutschland, sofort –, dann müssten wir das tun,
und dann wäre es verantwortungslos, das nicht zu tun.

Die Wahrheit ist aber: Ein so großes Experiment
– den Pflegebedürftigkeitsbegriff, der für so viele Men-
schen, für mehr als 2 Millionen zu Pflegende, die Orga-
nisation und Bezahlung ihrer Versorgung regelt, auf ei-
nen Schlag zu verändern – wäre nicht verantwortbar.
Zuvor müssen wir mit den Projekten, in die wir 4 000 zu
Pflegende einbeziehen, erst einmal schauen, wie der
neue Pflegebegriff funktioniert. Bis dahin dynamisieren
wir die Leistungen. Auch da wäre mehr möglich gewe-
sen; aber 4 Prozent sind 4 Prozent. Wir bringen im Prin-
zip so etwas wie ein flexibles Budget bei der Verhinde-
rungspflege und der Kurzzeitpflege; das ist etwas, was
an der Basis immer wieder gewünscht wurde. Das ist
auch ein Vertrauensbeweis gegenüber den Angehörigen,
die das Geld dann besser disponieren können, ohne dass
jeder Euro genau dokumentiert werden muss.

Wir schaffen etwa 20 000 bis 25 000 zusätzliche Be-
treuungsstellen. Die Betreuungsstellen – sowohl bei der
teilstationären als auch bei der stationären Pflege – sind
von absoluter Bedeutung: Das sind die Stellen, die dafür
sorgen, dass die Menschen, die Pflege benötigen, auch
wirklich gepflegt werden können, dass die gut ausgebil-
deten Pflegekräfte nicht die ganze Zeit mit, ich sage ein-
mal, Beobachtungsleistungen wie „Läuft er hierhin,
dorthin?“ verbringen, die auch einmal Gespräche führen
können, Zeit haben, sich einfach hinzusetzen und mit
den zu Pflegenden etwas zu machen. Daher sind die Be-
treuungsleistungen von allergrößter Bedeutung. Dass wir





Dr. Karl Lauterbach


(A) (C)



(D)(B)

durch die Veränderung des Schlüssels mindestens
20 000 zusätzliche Stellen schaffen, ist eine große Leis-
tung. Das wird paritätisch bezahlt. Damit wird unser So-
zialstaat in eine Richtung ausgedehnt, wo der größte Be-
darf besteht. Dafür möchte ich mich bei allen, die daran
mitgewirkt haben, ganz ausdrücklich bedanken.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ich selbst stehe zu der Schaffung einer Rücklage von
1,2 Milliarden Euro; unsere gesamte Fraktion steht zu
diesem Beschluss. Das ist keine unsinnige Verwendung.
Wir sehen durchaus Bedarf, für die Babyboomer-Gene-
ration, die irgendwann als Kollektiv in die Pflegebedürf-
tigkeit übertreten wird, Geld zurückzulegen. Jetzt kann
man sagen: „Das Geld verzinst sich nicht so gut“; aber
es ist besser, man hat auch bei niedriger Verzinsung et-
was zurückgelegt, als dass man, wenn man Geld braucht,
gar nichts zurückgelegt hat. Somit haben wir diese
Rücklage zum „Entsparen“ im Jahr 2035. Das ist etwas,
wozu wir gemeinsam stehen; das ist etwas Sinnvolles.
Gepaart mit den Verbesserungen der Pflegeleistungen
und Investitionen in die Vermeidung von Pflegebedürf-
tigkeit durch eine bessere Hausarztmedizin, durch bes-
sere Prävention und durch eine bessere Integration der
Leistungen machen wir unser Pflegesystem langfristig
bezahlbarer und auch leistungsgerechter.

Ich komme zum Abschluss auf den Krankenhaussek-
tor zu sprechen; da haben wir vieles vor. Wir müssen im
Krankenhaussektor aus meiner Sicht in allererster Linie
ein Problem lösen, das mittelfristig größer sein wird als
jedes andere Problem dort. Dieses Problem ist damit zu
beschreiben, dass wir in der Qualifikation und auch in
der Zahl in den Krankenhäusern in Deutschland mittel-
fristig viel zu wenige Pflegekräfte haben werden.


(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)


Insbesondere in der Stationspflege werden wir zu we-
nige Pflegekräfte haben. Die Funktionspflege wird noch
einigermaßen funktionieren; aber an der Stationspflege
haben die Krankenkassen meistens kein großes Inte-
resse, weil sich das in den Gesamtausgaben nicht wider-
spiegelt. Wie die Krankenhäuser die Mittel verwenden,
ist der Krankenkasse egal. In den Krankenhäusern sind
es oft die Ärzte, die mit den Pflegekräften um Einkünfte
konkurrieren und somit im Prinzip den Kuchen dort
noch kleiner machen. Es ist auch so, dass sehr häufig
kurzfristig Gewinne gemacht werden, indem in der
Pflege gespart wird. Dieses Sparen bei der Pflege ist für
die Patienten sehr gefährlich,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


weil es einer der wichtigsten Gründe für vermeidbare
Krankenhausinfektionen ist. Vermeidbare Krankenhaus-
infektionen, das bedeutet, dass man an etwas erkrankt,
was mit der Indikation, wegen der man in die Klinik ge-
kommen ist, nichts zu tun hat. Hier werden zum Teil
Menschen schwer krank und versterben nach Routine-
eingriffen, bei denen niemals mit einer solchen Kompli-
kation zu rechnen gewesen wäre. Langfristig werden die
Stationen und die Kliniken, wenn wir hier nicht gegen-
steuern, zu einem Sicherheitsrisiko für die Patienten.
Das müssen wir vermeiden. Bei allen Manövern, die wir
bei der Krankenhausreform machen – das sind eine
ganze Menge –, wird das ein wichtiges Ziel sein müssen.

Wenn wir jetzt nicht gegensteuern, dann gewinnen
wir die jungen Leute nicht, die wir für die Pflege brau-
chen. Man kann heute nämlich junge Leute mit einer gu-
ten Qualifikation, die sich eine Stelle aussuchen können,
nicht für einen Beruf gewinnen, der unterbezahlt ist, bei
dem man sehr stark gestresst und sozusagen vom Burn-
out bedroht wird und bei dem man in der Hierarchie
ganz unten steht. Daher brauchen wir hier die Unterstüt-
zung aller im Haus, und ich bin mir sicher, dass wir sie
zum Schluss auch bekommen werden.

In diesem Sinne danke auch ich Ihnen für die vorzüg-
liche Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804910300

Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt Ekin Deligöz,

Bündnis 90/Die Grünen.


Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804910400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wenn ich mir den Etat 2015 des Gesundheitsministeri-
ums anschaue, dann sehe ich vier große Baustellen: Die
erste ist sicherlich die Pflegereform, die zweite ist die
globale Minderausgabe, die dritte sind die verschiedenen
Modellmaßnahmen im Drogenbereich, und die vierte
– das ist die größte Baustelle überhaupt – ist der Bundes-
zuschuss zum Gesundheitsfonds.

Durch die Senkung des Beitragssatzes in der GKV
fehlen den Kassen schlicht und einfach mehrere Milliar-
den Euro. Die Versicherten werden das ausgleichen müs-
sen. Immer mehr Kassen – das ist ein großes Thema bei
diesem Haushalt – kündigen schon jetzt an, dass sie Zu-
satzbeiträge erheben müssen. Zusatzbeiträge bleiben
Zusatzbeiträge. Man kann sie nicht sozial begründen,
sondern das sind zunächst einmal Kosten für die Versi-
cherten.

Zusätzlich kommen die 2,5 Milliarden Euro hinzu,
um die die Regierung den Bundeszuschuss kürzen will,
wodurch das Gesundheitssystem noch mehr belastet
wird, und das bei gleichzeitigem Anstieg der Ausgaben
für Gesundheit und Behandlung in dieser Gesellschaft,
die auch vom demografischen Wandel betroffen ist. Das
kann man nicht einfach übergehen, und vor allem kann
ich nicht aufhören, immer wieder zu sagen: Dieser Bun-
deszuschuss ist keine Gefälligkeitszahlung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Er drückt die Solidarität der Steuerzahler mit den Erzie-
henden, den Familien und den Kindern in einem gesetz-
lichen Versicherungssystem aus. Es geht hier um die be-
rühmten versicherungsfremden Leistungen. Deshalb ist
das auch keine Großtat. Weil Sie mit der Kürzung des
Bundeszuschusses die Mehrbelastung der Versicherten





Ekin Deligöz


(A) (C)



(D)(B)

schlicht und einfach von vornherein geradezu mit anle-
gen und nochmals steigern, werden wir hierzu einen Än-
derungsantrag stellen, um den Bundeszuschuss auf die
gesetzlich vorgesehene Summe aufzustocken.

Wer sind die Versicherten? Das will ich auch noch
einmal dazu sagen: Nach der Statistik 2010 hat die
Hälfte der Versicherten im gesetzlichen Versicherungs-
system ein Monatsbrutto von unter 1 500 Euro, selbst
wenn ich die ALG-II-Empfänger herausnehme. Für
diese Familien sind diese Kosten schlicht und einfach
real vorhanden. Sie müssen sie tragen. Das ist nicht so-
zial gerecht. Sozial gerecht wäre eine Entlastung und
nicht eine stärkere Belastung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich wünschte mir, Sie hätten gerade in einer solchen
Phase, in der es uns gut geht, den Mut, die Haushalts-
konsolidierung nicht auf Kosten der Versicherten, son-
dern durch strukturelle Reformen anzugehen. Dazu ge-
hört auch die Bürgerversicherung. Mir fallen hier noch
ein paar andere Einzelpläne ein, an die wir sehr wohl he-
rangehen könnten, zum Beispiel an den Subventionsab-
bau außerhalb Ihres Haushaltes. Diesen Mut vermissen
wir aber leider im gesamten Haushalt, durchgehend in
allen Einzelplänen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Schauen wir uns das Beispiel Pflege an. Ja, Herr
Minister, wir unterstützen Sie absolut, dass wir hier
Leistungsverbesserungen brauchen und dass wir die Be-
lange der Pflegebedürftigen und der Angehörigen ernst
nehmen müssen. Wir sind komplett bei Ihnen, dass es an
der Zeit ist, das Ganze zu überdenken. Sie gehen hier ein
paar Schritte an, die wir durchaus mittragen können.

Die wichtigen Fragen lassen Sie aber unbeantwortet.
Wir brauchen hier eben gerade keine kleinen Schritte,
sondern wir brauchen auch hier einen Systemwechsel
hin zu einer Pflegebürgerversicherung, und wir brauchen
auch den neuen Pflegebegriff, weil das die Grundlage
des Wandels ist und nicht am Ende dieses Prozesses ste-
hen kann. Deshalb wünschte ich mir, dass Sie hier ein
bisschen schneller vorangehen würden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Das, was Sie mit dem Pflegevorsorgefonds vorschla-
gen, halte ich für schwierig. Hier will ich als Haushälte-
rin argumentieren. Natürlich sagen Sie: Damit bauen wir
dem demografischen Wandel ein Stück weit vor. Auf
das, was kommt, müssen wir uns vorbereiten. – Das
wird aber nicht funktionieren. Warum wird das nicht
funktionieren? Irgendwann einmal wird der Anteil der
Menschen, die versichert sind, zurückgehen. Das gilt
aber auch für den Anteil der Beitragszahlerinnen und
Beitragszahler. Dadurch kommt weniger Geld in die
Kasse. Der Beitragssatz wird aber konstant bleiben oder
vielleicht sogar steigen. Damit haben Sie nicht das er-
reicht, was eigentlich erreicht werden sollte.
Ihre Idee ist ja, Geld anzusparen, um eine Rücklage
zu bilden. Aus den anderen Bereichen in der Politik ler-
nen wir, dass angespartes Geld in öffentlicher Hand
Begehrlichkeiten weckt. Diese Begehrlichkeiten werden
kommen. Die Frage ist, ob Sie das angesparte Geld bis
zu dem Zeitpunkt, an dem es gebraucht wird, halten kön-
nen, ohne den Begehrlichkeiten nachzugeben.

Diese Kritik am Pflegevorsorgefonds kommt nicht
nur von den Grünen, sondern sie kommt auch aus Ihren
eigenen Reihen und von vielen Sachverständigen in den
Anhörungen. Ich finde, mit dieser Kritik müssen Sie sich
auseinandersetzen. Wenn es um Nachhaltigkeit geht,
dann darf eine solche Kritik nicht einfach beiseitege-
wischt werden, sondern sie muss ernst genommen wer-
den. So wie Sie es machen, wird es nicht funktionieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich will noch drei weitere Punkte nennen. Der erste
Punkt ist die globale Minderausgabe von 6,5 Millionen
Euro in Ihrem Haushalt. Das klingt erst einmal nach we-
nig Geld, ist es aber nicht. In diesem Haushalt haben Sie
wenig Spielraum. Um dieses Geld zu erwirtschaften,
müssen Sie irgendwo kürzen. Wird das bei der Krebsfor-
schung sein? Werden das die Mittel für die chronisch
Kranken sein? Wird die Kürzung womöglich andere
Modelle treffen? Wie auch immer: Irgendwo wird es
schmerzen. Ich hoffe, wir finden einen Weg, wie wir ge-
meinsam damit umgehen können.

Der zweite Punkt sind die seltenen und vernachlässig-
ten Krankheiten. Ich bin froh, dass wir Grüne das Thema
bereits im Haushalt für 2014 angesprochen haben, und
wir werden an diesem Thema konsequent dranbleiben.
All das, was über die Ebolaepidemie ausgeführt wird,
bestätigt mich darin, dass wir dieses Thema nicht gering-
schätzen dürfen. Es ist auch unsere Pflicht als Haushäl-
ter, Antworten auf diese Herausforderungen zu finden
und zu sehen, was im Bundeshaushalt 2015 dazu mög-
lich ist.

Der dritte Punkt sind die Drogenmodellmaßnahmen.
In den letzten Haushaltsberatungen war es ein Anliegen
der Grünen, dass die Mittel für diese Projekte nicht ge-
kürzt werden. Ich danke Ihnen, Herr Minister, dass Sie
unsere Anregungen aufgenommen haben, im Bereich
Crystal Meth aktiver zu werden und Projekte zu fördern.
Die öffentliche Debatte zeigt, dass die Zeit dafür gekom-
men ist. Aber – jetzt kommt das große Aber – Sie haben
keine neuen Mittel bereitgestellt, sondern sie mit den
Mitteln für die Infoknotenstelle im Bereich Sucht zu-
sammengelegt. Das ist wirklich mehr als bedauerlich.
Deshalb werden wir an diesem Punkt dranbleiben.

Mir fallen noch ein paar weitere Punkte auf.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804910500

Frau Kollegin Deligöz, bitte kommen Sie zum

Schluss.


Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804910600

Danke, mein letzter Satz. – Bei den ersten beiden

Punkten, Bundeszuschuss und Pflege, besteht politischer





Ekin Deligöz


(A) (C)



(D)(B)

Dissens; das wird auch so bleiben. Bei allen anderen
Punkten hoffe ich auf eine gute und konstruktive Zusam-
menarbeit.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804910700

Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege

Rudolf Henke, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Rudolf Henke (CDU):
Rede ID: ID1804910800

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine Damen und Herren! Worum geht es ei-
gentlich, wenn wir einen solchen Haushalt wie den des
Bundesgesundheitsministeriums diskutieren? Es geht
um genau die Aufgaben, die die Menschen im Gesund-
heitsbereich, denen wir für ihre Leistung danken, über-
nommen haben: Leben retten, Gesundheit erhalten,
Krankheit heilen, Leiden lindern und Sterbenden helfen,
so gut es geht.

Die Erfüllung dieser Aufgaben zu ermöglichen: Das
genau ist der Grund dieser Haushaltsberatung. Das ge-
nau ist der Zweck der Arbeit des Ministeriums. Das ge-
nau ist unsere Aufgabe, wenn wir über diesen Haushalt
diskutieren. An diesen Zielen können und müssen wir
uns messen lassen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich weiß, dass wir natürlich mit Recht eine Debatte
über Wartezeiten im Gesundheitswesen führen. Aber ich
will auch sagen, dass in kaum einem anderen Land der
Welt die Wartezeiten auf einen Termin für eine notwen-
dige Operation so kurz sind wie bei uns.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich will auch sagen, dass in kaum einem anderen Land
der Welt die Eigenbeteiligung an den Kosten für Ge-
sundheit niedriger ist als hier. Ich will auch sagen, dass
in kaum einem anderen Land der Welt die Versorgung
der Kranken, die auf der Schattenseite der Gesellschaft
leben, so zuverlässig wie in Deutschland ist.


(Pia Zimmermann [DIE LINKE]: Nein!)


Es lohnt sich, sich dafür einzusetzen, dass das in Zukunft
so bleibt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Damit das in Zukunft so bleibt, müssen wir in den
Rahmenbedingungen einen Dreiklang herstellen. Dieser
Dreiklang besteht aus einer guten wirtschaftlichen Ent-
wicklung – gute wirtschaftlicher Entwicklung nützt der
Leistungskraft im Gesundheitswesen –, einer guten Be-
schäftigungslage – eine gute Beschäftigungslage nützt
der Finanzkraft der gesetzlichen Krankenkassen – und
stabilen öffentlichen Finanzen. Stabile öffentliche Finan-
zen helfen uns dabei, kein Geld mehr in Zinszahlungen
zu verbrennen und so zu mehr Spielräumen zu kommen.
Weil wir uns dieses Zusammenhangs bewusst sind
– stabile öffentliche Finanzen, Wachstum und Beschäfti-
gung –, beraten wir heute zum ersten Mal seit 1969 ei-
nen Bundeshaushalt ohne Neuverschuldung, eine Punkt-
landung. Dass das ohne steigende Steuern geht und wir
damit ein wesentliches Versprechen erfüllen, ist schon
ein Grund zur Genugtuung. Ich bin kein Anhänger von
Stolz, aber Genugtuung darf in einem solchen Moment,
glaube ich, sein.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Karl Lauterbach [SPD])


Wir halten die nationale Schuldenregel mit großem
Sicherheitsabstand ein. Bis zum Ende des Jahres 2015
wird die tatsächliche Neuverschuldung kumuliert um
rund 100 Milliarden Euro unter der nach Schuldenregel
zulässigen Neuverschuldung liegen. Das ist auch vor-
bildlich für andere in Europa.

Wenn ich mir als „verflossener“ Abgeordneter des
Landtags von Nordrhein-Westfalen einen kleinen Blick
darauf erlauben darf, wie man sich in meinem Heimat-
land, wo morgen eine Haushaltsdebatte stattfindet und
ein Nachtragshaushalt beraten wird, quält, dann stelle
ich fest: Alleine durch diesen Nachtragshaushalt, der für
2014 vorgelegt worden ist, steigt die Neuverschuldung
dort von 2,4 auf 3,2 Milliarden Euro. Und mit dem
Haushalt 2015 kommen nach der Schätzung des dortigen
Finanzministers weitere 2,3 Milliarden Euro hinzu.

Lieber Herr Kollege Lauterbach: Ja, natürlich mag
man in Zeiten, in denen sich nicht jede Kostenentwick-
lung im Gesundheitsbereich in den Vergütungen bei-
spielsweise in den Krankenhäusern abbildet, davon spre-
chen, dass manche Krankenhäuser in der Tat auf
Mehrleistungen, die sie im Zusammenhang mit Arztstel-
len erbringen müssen, reagieren, indem sie in der Pflege
nicht das tun, was notwendig ist. Aber gestatten Sie mir
als jemandem, der das lange mitverfolgen konnte, doch
den kleinen Hinweis: Der Hauptgrund dafür, dass es
Krankenhäusern finanziell schlecht geht, ist nicht die
Tatsache, dass wir hier auf Bundesebene Stop-and-Go-
Betrieb bei der Finanzierung der Krankenhäuser haben
– das ist auch die Wahrheit, das haben wir ja –, sondern
ist das Versagen etlicher Bundesländer – Nordrhein-
Westfalen gehört leider trotz dieser Schuldenentwick-
lung dazu – bei der Investitionsfinanzierung der Kran-
kenhäuser.

Wenn man sich anguckt, dass heute bei einem Bedarf
von 6 Milliarden Euro 2,7 Milliarden Euro von den Län-
dern bereitgestellt werden und die Krankenhäuser eben
nicht die Betriebskosten durch Abschreibungen für die
Investitionen ausgleichen können, dann ist das, finde
ich, eine Aufgabe, der wir uns dann, wenn im Dezember
die Vorschläge aus der Bund-Länder-Kommission kom-
men, widmen müssen. Das werden wir sicherlich auch
tun. Ich bin froh, dass die Durchsetzungsstärksten von
uns und diejenigen, die am besten unterrichtet sind
– dazu gehören ja auch Sie, Herr Lauterbach –, dort mit-
wirken. Das ist sehr gut.


(Beifall bei der CDU/CSU)






Rudolf Henke


(A) (C)



(D)(B)

Zehn Jahre nach dem Rekordschuldenstand in Höhe
von damals 8,3 Milliarden Euro steht die gesetzliche
Krankenversicherung, verehrte Frau Deligöz, weiter auf
einem sehr soliden finanziellen Fundament. Und der Ge-
sundheitsfonds und die Krankenkassen verfügen am
Ende des ersten Halbjahres über Reserven in einer Grö-
ßenordnung von insgesamt rund 26,6 Milliarden Euro –
16,2 Milliarden Euro bei den Krankenkassen und
10,4 Milliarden Euro beim Gesundheitsfonds.

Ich habe zwar Verständnis dafür, dass Sie versuchen,
immer wieder an etwas zu mäkeln, aber in Wirklichkeit
sind doch der Gesundheitsfonds und die Liquiditätsre-
serve so ausgestattet, dass es nicht etwa wegen der Haus-
haltstechnik zu steigenden Beiträgen kommt, sondern
das führt lediglich zu einem Schwanken der vorhande-
nen Reserve. Das zeigt die Stabilität einer Finanzarchi-
tektur, für die wir alle gemeinsam sehr viel getan haben.
Ich finde, Sie streuen den Menschen an dieser Stelle ein
bisschen Sand in die Augen und locken sie auf einen Irr-
weg.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Meine Damen und Herren, unser Bundesminister für

Gesundheit, Hermann Gröhe, hat auf Vorhaben hinge-
wiesen, die wir als Gesetzgeber im nächsten Jahr und
schon beginnend im nächsten halben Jahr diskutieren
werden. Dabei geht es um die Frage der Versorgungs-
struktur, die Frage des Megathemas Krankenhaus, die
aktuell wird, wenn die Bund-Länder-Kommission ihre
Ergebnisse vorlegt, und die E-Health-Thematik.

Ich will auf einen Punkt aufmerksam machen, der mir
besonders am Herzen liegt. Das ist das Thema Präven-
tion; denn Prävention, und zwar sowohl Verhaltensprä-
vention als auch Verhältnisprävention, ist von einer zen-
tralen Bedeutung. Vielleicht ist sie die einzige Chance,
künftige Kostenbelastungen, die wir sonst hätten, zu ver-
meiden – wenn es uns gelingt, die Menschen für Präven-
tion zu gewinnen und sie ihnen so zu organisieren, dass
sie sie tatsächlich nutzen. Ich glaube, das ist der eigentli-
che Auftrag, wenn wir über das Präventionsgesetz spre-
chen.

Meine letzte Bemerkung. Wir werden im Laufe der
kommenden Monate auch über das Thema der Suizid-
assistenz sprechen. In der Debatte zum Justizhaushalt
heute hat jemand gesagt: Wenn wir dieses Thema be-
kommen, dann soll man das nicht mit ethischen Grund-
satzfragen überladen.


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Wie denn sonst?)


Das mag zwar alles so sein, aber ich glaube, es ist trotz-
dem wichtig, sich auch darauf zu besinnen, ob das Leben
in des Menschen Hand gegeben ist, ob wir das Leben er-
werben wie ein Gut, das in unser Eigentum rückt. Nie-
mand verdankt sein Leben sich selbst. Weil das so ist,
liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Her-
ren, glaube ich auch nicht, dass das Leben – weder das
eigene noch das fremde – in unsere eigene Verfügung
gegeben ist. Deswegen, finde ich, gehört auch das zu ei-
ner solchen Debatte.

Ich bedanke mich sehr, dass Sie mir zugehört haben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804910900

Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Pia

Zimmermann, Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Pia Zimmermann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804911000

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Ich selber habe viele Jahre in der Pflege
gearbeitet, und ich habe in den letzten Wochen und Mo-
naten viele Pflegeeinrichtungen besucht und mit den
Kolleginnen und Kollegen, aber auch mit den Pflegebe-
dürftigen und den Angehörigen gesprochen. Drei ganz
gravierende Punkte sind mir dabei immer wieder aufge-
fallen: Erstens klagen alle über zu wenig Zeit für gute
Pflege und zweitens darüber, dass es einen Mangel an
Selbstbestimmung darüber gibt, was mit dem zu Pfle-
genden oder der zu Pflegenden getan wird. Der dritte
Punkt war die unzureichende und unübersichtliche ge-
samte Pflegeinfrastruktur in unserem Land.

Herr Minister Gröhe, Sie müssen, denke ich, Ihren
pflegepolitischen Leitsatz überdenken. Sonst wird es
weiter so sein, dass diese Bundesregierung die Pro-
bleme, die wir in der Pflege haben, nicht anpackt. Denn
Ihr sogenanntes Pflegestärkungsgesetz ist eine Mogelpa-
ckung.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Leistungen der Pflegeversicherung werden nämlich
faktisch nicht erhöht, sondern nur an die Kostenentwick-
lung der letzten Jahre angepasst, und das auch noch
schlecht. Das, was Sie jetzt machen, ist ein Nachholen
dessen, was in den letzten Jahren versäumt wurde. Eine
qualitative Verbesserung der Pflege ist dabei nicht he-
rausgekommen. Das, Herr Minister Gröhe, ist eine Pfle-
gepolitik, die ziemlich fahrlässig ist.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich bin auch der Meinung, dass die Alarmsignale, die
wir haben, längst bei Ihnen angekommen sein müssen.
Denken Sie doch an die vielen Überlastungsanzeigen
von Pflegekräften. Ihre Zahl steigt, und sie zeigt, wie
überlastet die Menschen in diesem Beruf sind. Oder neh-
men Sie die Verweildauer in den Pflegeberufen, die sie-
ben Jahre kaum übersteigt. Das muss uns doch deutlich
machen, dass die Menschen, die in der Pflege arbeiten,
am Limit sind, weil Personal fehlt, der Arbeitsdruck
steigt und sie ihre Arbeit nicht mehr so machen können,
wie sie es in der Ausbildung gelernt haben. Hinzu
kommt noch, dass sie am Ende schlecht bezahlt werden.

In diesem Zusammenhang möchte ich ganz ausdrück-
lich meine wirklich starke Empörung darüber zum Aus-
druck bringen, dass der Betreiber des Seniorenheimes
„Haus der Geborgenheit“ im Kreis Recklinghausen, die
Mantra Sozial GmbH, elf Pflegerinnen gekündigt hat,
die eine Überlastungsanzeige geschrieben haben. So
geht es nun wirklich nicht.





Pia Zimmermann


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall bei der LINKEN – Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Ja! Das ist eine Sauerei!)


Aber solange Pflege dem Wettbewerb und dem Profit-
streben ausgesetzt ist und Wohlbefinden und gute Ver-
sorgung nicht zählen, wird sich hier nichts ändern. Der
Zusammenhang zwischen der Personalsituation und der
Versorgungsqualität ist bekannt. Somit ist eines klar: Wir
benötigen endlich höhere Pflegesätze für eine bessere Fi-
nanzierung der professionellen Pflege.

Das allein aber reicht nicht. Wir benötigen ebenso
eine bundeseinheitliche, verbindliche Personalausstat-
tung in der stationären Altenpflege. Die bestehende mas-
sive Unterdeckung darf nicht länger zulasten der Ange-
stellten, der Pflegenden, der Patienten und der Menschen
mit Pflegebedarf gehen. Viele Pflegebedürftige haben
mir gesagt, dass sie ihr Selbstbestimmungsrecht in ganz
vielen Fällen nicht mehr wahrnehmen können. Ich will
das an dem Beispiel einer 92-jährigen Heimbewohnerin,
die ich getroffen habe, deutlich machen. Mit Unterstüt-
zung wäre sie sehr wohl in der Lage, ihren Toilettengang
allein zu bewältigen. Das kann sie aber nicht, weil die
persönliche Assistenz, die sie dazu benötigt, aus Zeit-
gründen fehlt. Wie wird nun verfahren? Es wird auf In-
kontinenzeinlagen ausgewichen. Damit kann die Frau im
Bett bleiben und braucht nicht mehr zur Toilette ge-
bracht zu werden. Das sind skandalöse Zustände. Das
sind Auswirkungen einer verfehlten Pflegepolitik der
letzten Jahre.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Gute Pflege achtet die Würde der Pflegebedürftigen.
Dieser Grundsatz muss endlich Eingang in Ihre Politik
finden.


(Beifall bei der LINKEN)


Meine Damen und Herren, am 21. September jährt
sich der Welt-Alzheimertag zum 20. Mal. An diesem
Tag soll auf die schwierige Situation von Menschen mit
demenziellen Erkrankungen und ihren Familien auf-
merksam gemacht werden. Dieser Tag soll auch darauf
aufmerksam machen, dass diese Situation veränderbar
ist. Sie ist veränderbar durch politisches Handeln. Die
etwa 1,5 Millionen an Demenz erkrankten Menschen
werden aber weder in diesem Jahr noch im nächsten Jahr
in der Pflege mehr Unterstützung erfahren, jedenfalls
nicht so viel Unterstützung, wie sie tatsächlich brauchen,
um ihr Leben würdevoll zu gestalten. Ob überhaupt noch
etwas in dieser Legislaturperiode geschieht, steht in-
frage. Denn wenn es Ihnen mit einer vollumfänglichen
Pflege tatsächlich ernst wäre: Warum haben wir dann
nicht schon die gesetzlichen Grundlagen für die Einfüh-
rung des neuen Pflegebegriffs, der den demenziell Er-
krankten gerecht wird und sie angemessen erfasst? Ich
will Ihnen gleich die Antwort darauf geben. Das passiert
nicht, weil diese grundlegende Neuausrichtung der
Pflege zu teuer ist. Herr Minister Gröhe, eines ist doch
klar: Gute Pflege kostet nun einmal Geld; es gibt sie
nicht zum Nulltarif.


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Richtig!)

Die geplante Erhöhung der Beitragssätze reicht bei wei-
tem nicht aus.


(Beifall der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])


Unser Konzept der solidarischen Bürgerinnen- und
Bürgerversicherung schafft eine gute Finanzierungs-
grundlage und entlastet zudem Bezieher niedriger und
mittlerer Einkommen und nimmt gleichzeitig Bezieher
hoher Einkommen in die Verantwortung. Haben Sie end-
lich den Mut, mit einer gerechten Pflegefinanzierung die
bestehenden Missstände aufzuheben und zu einer guten,
auskömmlichen Pflege zu kommen! Haben Sie den Mut,
die Chefärztin und die Pflegekraft entsprechend ihren
Einkommen an der Finanzierung der Pflegeversicherung
zu beteiligen! Kommen wir also zu einer Ausweitung
der Beitragspflicht auf alle Einkommen und Einkom-
mensarten! Wir sollten zusätzlich zu den Löhnen die Un-
ternehmensgewinne und die Kapitalerträge einbeziehen
und die Beitragsbemessungsgrenze abschaffen. Das
wäre eine gerechte Angelegenheit. Zudem dürfen wir die
Integration der privaten Versicherung in die soziale Pfle-
geversicherung nicht vergessen. Dass das möglich ist,
haben wir schon bei einer anderen Versicherungsart ge-
lernt. Sie brauchen also nicht zu behaupten, dass das
nicht möglich sei.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804911100

Frau Kollegin Zimmermann, bitte kommen Sie zum

Schluss.


Pia Zimmermann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804911200

Ich komme zu meinem letzten Satz. – Wir, die Linke,

sind die Partei der Pflegegerechtigkeit. Wir fordern Sie
auf, Herr Minister Gröhe: Packen Sie das Problem der
Pflege endlich ernsthaft an; denn gute Pflege ist ein
Menschenrecht.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804911300

Vielen Dank. – Für die SPD hat jetzt das Wort Petra

Hinz.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Petra Hinz (SPD):
Rede ID: ID1804911400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Minister Gröhe! Liebe Frau Staatssekretärin und
Beauftragte des Ministeriums! Ich fange fast jedes Mal
meine Rede gleich an, zumindest in diesem Jahr, weil
wir zwei Haushalte zu beraten haben. Ich bin immer
wieder sehr erstaunt darüber, dass, obwohl wir hier fast
gebetsmühlenartig erklären, welche Auswirkungen der
Gesundheitsfonds hat und was wir im Bereich der Pflege
auf den Weg gebracht haben, dieses nicht positiv zur
Kenntnis genommen wird. Es geht mir nicht darum, dass
uns recht gegeben wird, sondern in diesem Fall muss
man zur Kenntnis nehmen, was richtig ist.





Petra Hinz (Essen)



(A) (C)



(D)(B)

Frau Zimmermann, ich beziehe mich jetzt auf Sie, ich
könnte mich aber auch auf Frau Deligöz von den Grünen
beziehen. Etwas einfach nur zu skandalisieren oder
Dinge zu überzeichnen, halte ich für falsch. Sie wollen
die Dinge nicht positiv würdigen. Sie haben gesagt, die
Pflegepolitik sei fahrlässig, und Sie haben noch anderes
kritisiert. Das hat eine fatale Wirkung, weil Sie all das
mit Ihrer Kritik überdecken, was von uns tatsächlich auf
den Weg gebracht worden ist, was den Menschen Chan-
cen eröffnet, und zwar denen, die gepflegt werden, und
denen, die pflegen. Diese Menschen werden in Zukunft
darüber informiert, welche Möglichkeiten sie haben und
welche Rechte sie bekommen.

Bringen Sie sich bitte in den parlamentarischen Dia-
log ein, wenn es auch negative Einzelfälle gibt, die zu
kritisieren sind. Nehmen Sie aber auch zur Kenntnis,
dass die Pflegepolitik, die diese Koalition auf den Weg
bringt, weder fahrlässig noch sonst irgendetwas in dieser
Art ist.


(Pia Zimmermann [DIE LINKE]: In den Einrichtungen hören Sie was anderes!)


Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass die Einrichtung des
Gesundheitsfonds nicht dazu führen wird, dass die Kas-
sen geplündert werden. Ganz im Gegenteil: Das Geld,
das jetzt nicht benötigt wird, wurde in den Haushalt ein-
gestellt, um in anderen Bereichen investieren zu können.
Das ist auch richtig so.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich habe im Rahmen der Haushaltskonsolidierung
meiner Stadt, Essen, etwas sehr deutlich gemacht – das
mache ich jetzt auch hier –, nämlich dass Konsolidierung,
Einsparung oder der Verzicht auf Neuverschuldung nicht
das oberste Ziel sind. Das ist auch nicht unbedingt das,
was gute Politik ausmacht. Aber Geld einzusparen und
auf Neuverschuldung zu verzichten, ergibt doch dann
Sinn, wenn man die eingesparten Mittel für andere Pro-
jekte verwendet und damit zur Schaffung von sozialer
Gerechtigkeit beiträgt.

Gerade im Gesundheitsbereich geht es oft um Quer-
schnittsthemen. Ich bin sehr froh darüber, dass wir mehr
in die Bildung investieren. Wir haben es in dieser Koali-
tion geschafft, das Programm „Soziale Stadt“ wieder mit
mehr Geld auszustatten. Wir investieren Geld, um Um-
weltschäden zu verhindern. Ich nenne als Beispiel die
Sanierung von Bahnschienen zur Lärmreduzierung oder
andere Maßnahmen, die vor Verkehrs- oder Fluglärm
schützen.

Warum sage ich das? Investitionen in Bildung haben
gerade im Gesundheitsbereich große Auswirkungen. Es
gibt einschlägige Literatur, die deutlich macht, dass ge-
rade die Menschen, die ausgebildet, informiert und auf-
geklärt sind, wesentlich gesundheitsbewusster als andere
Menschen sind und mehr für ihre Gesundheitsvorsorge
tun. Insofern ist die Investition in Bildung und Aufklä-
rung genau die richtige Investition.

Ich möchte noch einmal darauf zurückkommen, dass
die Pflegepolitik fahrlässig sei. Frau Zimmermann, es ist
gerade von meinen Fachkollegen sehr ausführlich, aber
auch vom Minister deutlich dargelegt worden, welche
Dinge in diesem Jahr noch angegangen werden sollen.
Wir als Haushälter haben die Aufgabe, all das, was die
Fachpolitiker und auch das Ministerium im Laufe des
Jahres auf den Weg bringen, nachzuvollziehen und dafür
zu sorgen, dass das auch tatsächlich im Haushalt umge-
setzt wird. Weil das inhaltlich schon diskutiert wurde,
belasse ich es jetzt bei der Aufzählung von Spiegelstri-
chen.

Den Alltag der zu Pflegenden und der Pflegerinnen
und Pfleger zu verbessern – das wird auf den Weg ge-
bracht. Die Pflege muss genauer bzw. auf den Punkt ab-
gestimmt werden – auch das sieht das Gesetz vor. Wir
werden die Leistungen verbessern; auch das steht im Ge-
setz, und das ist mehrfach hier beschrieben worden. Wie
gesagt, werden auch die pflegenden Angehörigen ge-
stärkt. Jeder, der schon einmal Angehörige gepflegt hat,
mitbekommen hat, wie Familienmitglieder gepflegt wer-
den, oder schon einmal Pflegeheime aufgesucht hat, um
sich zu informieren, weiß, was dort geleistet wird. Des-
wegen ist dieser Punkt ganz besonders wichtig.

Diejenigen, die pflegen, ob es nun Angehörige oder
Mitarbeiter in Pflegeheimen sind, brauchen – auch da-
rüber ist schon berichtet worden – wesentlich mehr Zeit.
Auch dem wird im Gesetzentwurf Rechnung getragen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der Einzelplan 15, Gesundheit, ist ein Querschnitts-
haushalt: Er umfasst den Bereich Pflege und Ausbildung
sowie die Veränderung des Berufsbildes. Dabei geht es
nicht nur um das Berufsbild des Pflegers, sondern auch
um die medizinischen Veränderungen und die damit ver-
bundenen Auswirkungen auf die Ausbildung. Durch den
Einzelplan 15, aber auch durch den Einzelplan 30, Bil-
dung und Forschung – er betrifft das Ressort von Frau
Wanka –, wird vieles auf den Weg gebracht.

Zu den Eckdaten des Regierungsentwurfs, über wel-
chen wir in den nächsten Wochen und Monaten zu bera-
ten haben: Der Haushaltsentwurf umfasst für den Ge-
sundheitsetat Gesamtausgaben von rund 12,1 Milliarden
Euro. Für gesundheitspolitisch relevante Maßnahmen
sind rund 78,3 Millionen Euro veranschlagt. Das ist ei-
gentlich die Summe, über die wir im Einzelnen zu spre-
chen haben. Da geht es um Forschungsvorhaben. Da
geht es um Modellprogramme. Da geht es um Maßnah-
men zur gesundheitlichen Aufklärung. Gerade in diesem
Bereich muss weiter investiert werden. Es geht um Kam-
pagnen zur Information der Bevölkerung. Außerdem
geht es um folgenden wichtigen Punkt – ich bin dem
Herrn Minister sehr dankbar dafür, dass er es angespro-
chen hat; ich denke, ich sage das stellvertretend für viele
von uns –: um die Frage Ebola und darum, inwieweit das
Robert Koch-Institut hierbei international gefragt ist. Es
sei an dieser Stelle allen Helferinnen und Helfern dank-
gesagt.

Eins werde ich Ihnen als Hauptberichterstatterin für
den Einzelplan des Ministeriums für Gesundheit zusa-
gen: Das Protokoll dieser Sitzung, das heute angefertigt
wird – mit allen Vorwürfen, mit allen unzutreffenden,





Petra Hinz (Essen)



(A) (C)



(D)(B)

aber auch zutreffenden Hinweisen und Anregungen –,
werden die Berichterstatter in ihrem nächsten Gespräch
gerne auswerten. Alle aufgeworfenen Fragen werden wir
schlussendlich klären. Ich habe die Hoffnung, dass in der
abschließenden Plenardebatte gegen Ende des Jahres
nicht wieder Dinge behauptet werden, die eindeutig
nicht stimmen.

Wir haben im zurückliegenden Haushalt 2014, den
wir erst vor kurzem verabschiedet haben, zum Beispiel
Modellmaßnahmen zur Förderung der Kindergesund-
heit berücksichtigt. Wir haben den entsprechenden Be-
trag im Haushaltsentwurf 2015 auf 1 Million Euro ange-
hoben. Wir müssen genau nachfragen, was im Einzelnen
vorgesehen ist. Insgesamt erwarte ich vom Ministerium,
dass uns bezüglich der Modellmaßnahmen wirklich im
Detail dargelegt wird, welche Maßnahmen auf den Weg
gebracht worden sind, welche Maßnahmen auf den Weg
gebracht werden, welche Evaluierungen vorliegen, so-
dass wir bzw. der Fachausschuss dann tatsächlich mitar-
beiten können.

Im zurückliegenden Haushalt haben wir gewährleistet
– das war mir ein sehr wichtiges Anliegen –, dass die fi-
nanzielle Unterstützung von durch Blutprodukte HIV-in-
fizierten Personen – es geht also um Menschen, die un-
verschuldet in eine lebensbedrohliche Situation
gekommen sind – mit 10 Millionen Euro zumindest bis
zum Jahr 2017 in der bisherigen Form fortgeführt wird.
Das heißt nicht, dass darüber hinaus Finanzierungen von
uns gewährleistet werden. Sie haben zugesagt, dass Sie
sich mit den Vertretern der Länder, des DRK und der
Wirtschaft weiterhin an einen Tisch setzen, um zu einer
zufriedenstellenden Regelung zu kommen. Ich möchte
Sie bitten, darauf im Berichterstattergespräch aufmerk-
sam zu machen und darüber zu informieren.

Auch internationale Beziehungen sind hier angespro-
chen worden. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf
die WHO verweisen, zu deren Finanzierung wir als dritt-
größter Beitragszahler einen nicht gerade unerheblichen
Beitrag leisten. Um einmal zu zeigen, wie nah uns die
WHO ist: Im Oktober trifft sich das Gesunde-Städte-
Netzwerk; Vertreter von Kommunen und Städten ver-
schiedener Länder treffen sich, um sich auszutauschen.
Zwei Themen stehen dabei eigentlich im Vordergrund.
„Pflege und Gesundheit“ ist auch ein kommunales
Thema. Insofern müssen auch wir hier darauf achten,
dass wir die Kommunen in den Bund-Länder-Beziehun-
gen mitnehmen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Jetzt liegt der Gesetzentwurf vor. Wir können mit der
Arbeit beginnen. Ich habe von den Fachkolleginnen und
-kollegen meiner Fraktion schon einige Hinweise be-
kommen, welche Punkte im Einzelplan jetzt offensicht-
lich nicht zu finden sind, obwohl sie gesellschaftsrele-
vant sind und in verschiedenen Organisationen
übergreifend diskutiert werden. Auch hier werden wir
natürlich sehen, inwieweit wir dies im Haushaltsgesetz
entweder explizit erwähnen oder aber neu veranschlagen
werden.
Ich habe gerade die WHO genannt. Die Frage ist: Wie
definiert man Gesundheit? Gesundheit kann ja nicht nur
die Abwesenheit von Krankheit sein. Die WHO hat be-
reits 1948 den Begriff „Gesundheit“ ganz klar definiert:

Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen kör-
perlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und
nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebre-
chen.

In diesem Sinne wünsche ich uns eine gute Beratung,
auf dass die Menschen, die unsere Unterstützung brau-
chen, sich in unserem Einzelplan, in unserem Haushalt
wiederfinden.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804911500

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Dr. Harald Terpe,

Bündnis 90/Die Grünen.


Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804911600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

„Trotz kranker Krankenhäuser heilt der Gesundheits-
fonds den Bundeshaushalt.“ So könnte eine Ihrer ge-
sundheitspolitischen Botschaften zur ersten Lesung des
Bundeshaushalts lauten.

Frau Hinz, Sie haben gesagt, wir skandalisierten. Das
muss ich in aller Form, jedenfalls für die Bündnisgrünen,
zurückweisen, zumal unsere Kollegin Deligöz gesagt
hat, auf welchen Feldern wir zusammenarbeiten.

Ich möchte an der Stelle auch Kollegen Henke an-
sprechen, der zu uns gesagt hat, wir würden den Men-
schen Sand in die Augen streuen, wenn wir sagen, dass
2,5 Milliarden Euro aus dem Gesundheitsfonds genom-
men werden; denn diese würden doch nur aus der Rück-
lage genommen. Aber wenn die Rücklage zu groß ist,
gehören die Rücklagegelder zunächst einmal der Ge-
sundheitspolitik, und man kann sie für Verbesserungen
in den Gesundheitsstrukturen verwenden. Man kann
auch sagen: Es sind Beitragsgelder; sie gehören den Bei-
tragszahlern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Birgit Wöllert [DIE LINKE])


Insofern kann man nicht einfach sagen, wir würden den
Menschen Sand in die Augen streuen.

Ich werde am Beispiel der Krankenhäuser nachzuwei-
sen versuchen, wo wir das Geld gut verwenden können.
Nicht jedes Krankenhaus, aber zunehmend mehr Kran-
kenhäuser sind finanziell und/oder personell oder struk-
turell erkrankt. Es ist beileibe nicht so, dass für alle diese
Sachen die Bundespolitik zuständig ist. Das klang auch
bei Herrn Henke schon an, der gefragt hat: Wie ist denn
das mit der Investitionsfinanzierung? – Darauf werden
wir zurückkommen.

Jedenfalls ist es so, dass wir uns in der Problem-
analyse wahrscheinlich gar nicht so groß unterscheiden.
Es ist auch richtig, dass unter Leitung des Gesundheits-
ministers eine Arbeitsgruppe für die Krankenhäuser ins





Dr. Harald Terpe


(A) (C)



(D)(B)

Leben gerufen worden ist, in der solche Probleme hof-
fentlich angesprochen werden. Es war hier die Rede da-
von, dass die durchsetzungsstärksten Parlamentarier da-
ran teilnehmen. Wir sind nicht daran beteiligt, aber das
ist auch nicht so schlimm, wenn denn die durchsetzungs-
stärksten, die daran beteiligt sind, auch die richtigen
sind.


(Beifall der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Wenn die das richtig durchsetzen!)


Die Problemanalyse zeigt, dass in den Krankenhäu-
sern Betriebsmittel zweckentfremdet werden, beispiels-
weise für die Investitionsfinanzierung. Was hat das zur
Folge? Das hat zur Folge, dass ein Druck auf die Perso-
nalstellen bei der Pflege entsteht. Das wissen wir alle: Es
gibt viel zu wenig Pflegestellen. Der Kollege Lauterbach
hat es auch berichtet. Ich stimme ihm ausdrücklich darin
zu, dass wir ein Problem haben werden.

Es ist aber nicht so, dass das Problem dadurch ent-
steht, dass letztendlich eine Konkurrenz zwischen ärztli-
chen und Pflegestellen vorhanden ist, was die Bezahlung
betrifft, sondern es ist auch an dieser Stelle wieder die
Investitionsfinanzierung, die den Krankenhäusern fehlt.


(Rudolf Henke [CDU/CSU]: Genau!)


Es gibt mehrere namhafte Beispiele aus der Bundesrepu-
blik dafür, dass direkt gesagt wird: Wenn wir weiter in-
vestieren, wird das bei uns auf Kosten von Pflegestellen
passieren. – Ich nenne da einmal den Fall Freiburg, wo
das anschaulich wurde.

Wir haben einen Investitionsstau von 3 Milliarden
Euro oder sogar mehr pro Jahr. Seit mindestens sieben
Jahren wird das diskutiert. Schon in der letzten Großen
Koalition war das der Fall. Da müssen wir Abhilfe
schaffen. Wir haben Unter-, Über- und Fehlversorgung
im Krankenhausbereich. Ich bin dem Minister dankbar,
dass er das Problem für den ambulanten Bereich schon
angesprochen hat. Aber das gilt natürlich auch für den
Krankenhausbereich. Ich sage Ihnen voraus: Versicherte
wollen nicht Über- und Fehlversorgung subventionieren
und dann vielleicht sogar von Unterversorgung betroffen
sein. An der Stelle muss etwas geschehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es ist auch eine Folge unserer Krankenhauspolitik,
dass wir eine Arbeitsverdichtung in den Krankenhäusern
haben. Es sind nicht nur die Pflegekräfte, die eine Ar-
beitsverdichtung haben. Wir treffen zunehmend auch
junge Kollegen, denen es wirklich reicht. Ärztliche Kol-
leginnen und Kollegen sagen: Jeden Tag wird etwas von
der Leistungsstatistik in den Krankenhäusern erzählt, da-
mit die Defizite, die in den Krankenhäusern bestehen,
ausgeglichen werden.

Ich möchte bei dem Beispiel der Unterversorgung
bleiben. Hier könnte der Schlüssel für die dringend be-
nötigte Reform der Versorgungsstruktur liegen, allein
schon aus der Not geboren. Stationäre und ambulante
Versorgung dürfen nicht mehr isoliert betrachtet werden.
Deswegen wundert es mich, dass das Strukturgesetz
schon im Herbst kommt, obwohl die Gespräche über die
Krankenhausversorgung noch nicht abgeschlossen sind.
Für uns gehört das im Grunde genommen zusammen. In
Ihrem Koalitionsvertrag wurde es noch isoliert betrach-
tet. Ich höre jetzt aber auch vom Minister die Einschät-
zung, dass man das zusammen sehen muss.

Wir Bündnisgrünen schlagen eine sektorenübergrei-
fende Versorgungsplanung vor, und zwar nicht zum ers-
ten Mal. Dazu wollen wir das gemeinsame Gremium
nach § 90 a SGB V aufwerten. Im ersten Schritt, viel-
leicht als Modell gedacht, könnte das bedeuten, dass der
Sicherstellungsauftrag bezüglich der medizinischen Ver-
sorgung in unterversorgten Regionen oder von Unterver-
sorgung bedrohten Regionen auf dieses Gremium über-
geht. Das wäre insofern gut, als dann schon die
Kommunikation geübt würde, die man beispielsweise
zur Beantwortung der Frage braucht: Beteiligt sich die
gesamte bundesrepublikanische Gesellschaft an der In-
vestitionsfinanzierung? Da würden wir niemals einen
Blankoscheck ausstellen wollen, damit nur die Länder-
haushalte entlastet werden, sondern mit diesen Mitteln
wollen wir auch die Strukturreform vorantreiben, die
Überversorgung in den Griff bekommen und eine ge-
meinsame Versorgungsplanung aufgrund konkreter Be-
darfsplanung in den Regionen installieren. Aus diesem
Grund sagen wir: Wir müssen Gremien schaffen, die
verantwortungsvoll mit den Mitteln umgehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Birgit Wöllert [DIE LINKE])


Hier schließt sich der Kreis, und wir sind wieder beim
Bundeshaushalt; denn es sollen Gelder aus dem Gesund-
heitsfonds zur Haushaltssanierung verwendet werden.
Das macht aber Versicherungsgelder zur Verschiebungs-
masse; denn sie sollen genutzt werden, um Steuerlöcher
zu stopfen. Das darf man nicht wegdiskutieren. Darüber
hinaus stellen wir Gesundheitspolitiker nicht sicher, dass
die Investitionsquote gesteigert wird, sondern sie bleibt
genauso gering wie im Bundeshaushalt insgesamt. Das
müssen wir ändern.

In diesem Sinne freue ich mich auf die Diskussion,
auch im Zusammenhang mit dem Haushalt. Wir betonen
noch einmal, dass wir auf jeden Fall konstruktiv mitar-
beiten werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804911700

Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege

Irlstorfer, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Erich Irlstorfer (CSU):
Rede ID: ID1804911800

Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kolle-

gen! Wir beraten heute in erster Lesung den Entwurf des
Haushaltsgesetzes 2015. Mit dem Entwurf, den Bundes-
finanzminister Dr. Schäuble heute Vormittag eingebracht
hat, setzen wir auch in Europa ein Zeichen, indem wir in





Erich Irlstorfer


(A) (C)



(D)

2015 ohne Neuverschuldung auskommen werden.
Gleichzeitig möchte ich darauf hinweisen, dass ein aus-
geglichener Haushalt keine Selbstverständlichkeit dar-
stellt und naturgemäß eine starke Wirtschaftsleistung vo-
raussetzt. Aus diesem Grunde möchte ich unterstreichen,
dass wir uns strukturell auch weiterhin auf die wandeln-
den Bedingungen auf dem Weltmarkt, in der Informa-
tionstechnologie, in Wissenschaft und Forschung vo-
rausschauend einstellen müssen. Wissenschaft und
Forschung sind Kernbereiche einer zukunftsorientierten
Wirtschaftspolitik, aber auch einer sich ständig entwi-
ckelnden Gesundheits- und Pflegepolitik. Ausreichende
Mittel für diese Bereiche müssen auch weiterhin einen
Eckpunkt unserer Haushaltspolitik darstellen.

Im Gesundheitsbereich sind zur Verbesserung der
Versorgung, aber auch zur Begrenzung der Kostensteige-
rungen weitergehende Anstrengungen in der Versor-
gungsforschung und die Förderung von Innovationen
nötig. Der geplante Innovationsfonds hat zwar viele Be-
gehrlichkeiten geweckt; aber unter der Bedingung einer
umsichtigen Mittelvergabe bin ich zuversichtlich, dass
er ein zielführendes Instrument für die wissenschaftlich
fundierte Ausgestaltung des künftigen Gesundheitswe-
sens darstellt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Mit dem für die nächsten Monate geplanten Gesetz zur
Verbesserung der Versorgungsstruktur werden wir hier-
für die Voraussetzungen schaffen.

In der gesetzlichen Krankenversicherung steigen die
Ausgaben bekanntlich schneller als die Einnahmen. Dies
ist vor allem auf den demografischen Wandel, aber auch
schlicht und ergreifend auf Leistungsverbesserungen zu-
rückzuführen,


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Auf die Gesundheitssituation!)


die wir alle natürlich wollen und auch befürworten. Eine,
wenn auch nur vorübergehende, Kürzung des Bundeszu-
schusses 2014 und 2015 ist vor dem Hintergrund der
Leistungsfähigkeit des deutschen Gesundheitswesens
auch Ausdruck einer erfolgreichen Gesundheitspolitik.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass wir mit dem
Haushaltsentwurf für 2015 eine Reihe moderater Mittel-
erhöhungen planen, etwa für Aufklärungsmaßnahmen
auf dem Gebiet des Drogen- und Suchtmittelmissbrauchs
sowie für Modellmaßnahmen und Forschungsvorhaben
auf diesem Gebiet. Wir wollen den im Haushalt 2014
erstmals eingesetzten Betrag von 3 Millionen Euro für
Pflegekampagnen in derselben Höhe auch 2015 für die
Mobilmachung nutzen.


(Dr. Harald Terpe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir nicht!)


Mit dem GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiter-
entwicklungsgesetz haben wir nicht nur den Grundstein
für das neue Qualitätsinstitut gelegt, sondern wir haben
auch den Krankenkassen das Recht zurückgegeben, die
Höhe ihrer Beitragssätze festzulegen.
Mit den Pflegestärkungsgesetzen werden wir auch in
der Pflegeversicherung substanzielle Änderungen vor-
nehmen. Die im Koalitionsvertrag vereinbarten Erhö-
hungen des Beitragssatzes zunächst um 0,3 und dann um
0,2 Prozentpunkte stecken den finanziellen Rahmen un-
serer ambitionierten Pflegepolitik in dieser Wahlperiode
ab. Mit dem Pflegevorsorgefonds streben wir bekannter-
maßen eine Abmilderung der finanziellen Konsequenzen
des demografischen Wandels in der Pflegeversicherung
an. Wir werden das Leistungsvolumen der Pflegeversiche-
rung in dieser Wahlperiode also um insgesamt 5 Milliar-
den Euro pro Jahr – das heißt um mehr als 20 Prozent –
erhöhen, und wir beginnen damit nicht irgendwann, son-
dern sofort zum 1. Januar 2015.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Mit dem ersten Pflegestärkungsgesetz wird eine
Reihe notwendiger Schritte unternommen:

Wir werden Unterstützungsleistungen wie Kurzzeit-,
Verhinderungs-, Tages- und Nachtpflege erweitern und
sie besser miteinander kombinierbar machen. Damit wer-
den Pflegebedürftige und pflegende Angehörige glei-
chermaßen entlastet.

Menschen in der Pflegestufe 0, vor allem Demenz-
kranke, erhalten erstmals Anspruch auf Tages-, Nacht-
und Kurzzeitpflege.

Wir werden die Rahmenbedingungen der sogenann-
ten niedrigschwelligen Angebote verändern. Es werden
neue zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen
eingeführt, etwa für Hilfe im Haushalt oder Alltagsbe-
gleiter und ehrenamtliche Helfer.

Besonders wichtig ist aber auch folgender Punkt: Der
Zuschuss für Umbaumaßnahmen steigt von bisher
2 557 Euro auf jetzt 4 000 Euro pro Maßnahme. Mit ei-
nem rechtzeitigen Umbau können die Menschen der
Notwendigkeit der stationären Pflege oftmals vorbeugen
und länger in ihren eigenen vier Wänden bleiben. In ei-
ner Pflege-WG zum Beispiel kann sogar ein Betrag von
bis zu 16 000 Euro eingesetzt werden. Für Pflegehilfs-
mittel des täglichen Verbrauchs steigen ebenfalls die Zu-
schüsse. Die Bedeutung dieser Zuschüsse dürfen wir
nicht unterschätzen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Mit der zweiten Stufe der Pflegereform werden wir
dann bis 2017 einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff
einführen. Dies ist notwendig, da der bisherige Pflegebe-
dürftigkeitsbegriff rein somatisch ausgerichtet war, nun
aber auch andere wesentliche Aspekte wie Kommunika-
tion und soziale Teilhabe berücksichtigt werden. Damit
werden insbesondere Verbesserungen für Menschen mit
Demenz oder psychischen Problemlagen einhergehen.

Ich möchte im Rahmen der Finanzdebatte allerdings
daran erinnern, dass zwischen Bund und Ländern gerade
in Finanzierungsfragen noch Diskussionsbedarf in zwei
Bereichen besteht: erstens in der Krankenhausfinanzie-
rung und zweitens in der Finanzierung der Reform der
Pflegeausbildung. Wir als Union und gerade auch als

(B)






Erich Irlstorfer


(A) (C)



(D)(B)

CSU sind der Überzeugung, dass unsere Antwort auf
Fachkräftemangel in den Pflegeberufen nicht Schulgeld,
sondern Schulmittelfreiheit und attraktive Rahmenbe-
dingungen heißen muss.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU] – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Sehr gut!)


Wir werden in den nächsten Wochen darüber diskutie-
ren, wie wir die Pflegeberufe modernisieren und zu-
kunftsfähig machen, damit wir der täglich steigenden
Zahl an Pflegebedürftigen in den privaten Haushalten,
aber auch in den stationären Einrichtungen sowie in un-
seren Kliniken bestmöglich qualitativ begegnen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich möchte auch ganz klar sagen: Ob diese Maßnah-
men jetzt Generalistik, integrierte Ausbildung oder
Pflege 2030 heißen,


(Mechthild Rawert [SPD]: Generalistik!)


ist mir völlig egal. Klar muss sein, dass Krankenpflege
und Altenpflege ein gemeinsames Wissens- und somit
Ausbildungsfundament benötigen. Ein Dreiklang in der
Pflege aus Stärkung der Pflegebedürftigen, Stärkung der
Angehörigen und Stärkung der Pflegekräfte durch ver-
besserte Ausbildung ist unser großes Ziel. Denn die Ver-
besserungen müssen am Bett, in der Familie, aber auch
bei unseren 950 000 in der Pflege beschäftigten Men-
schen ankommen – das ist unser Kompass, das ist unser
Anspruch.

In diesem Sinne: Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804911900

Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt das

Wort Burkhard Blienert.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Burkhard Blienert (SPD):
Rede ID: ID1804912000

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Zum Gesundheitsfonds ist in dieser Debatte schon vieles
gesagt worden; manches war richtig, manches war nicht
ganz so richtig. Mein Kollege Karl Lauterbach hat das
Ganze für unsere Fraktion insgesamt sehr richtig einge-
ordnet. Ich kann mich ihm nur anschließen; er hat die
richtigen Bemerkungen zum Gesundheitsfonds gemacht.
Der Haushalt des Bundesgesundheitsministeriums um-
fasst jedoch weitere Bereiche.

Der zweite wesentliche Bereich sind die in der Ver-
antwortung des Bundes liegenden Einrichtungen wie die
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, das Deut-
sche Institut für Medizinische Dokumentation und Informa-
tion – wie die BZgA in Köln ansässig –, das Paul-
Ehrlich-Institut, das Bundesinstitut für Arzneimittel und
Medizinprodukte in Bonn sowie das meistens – auch
heute schon – genannte und bekannte Robert-Koch-In-
stitut in Berlin. Diese Einrichtungen des Bundes sind der
interessierten Öffentlichkeit aufgrund ihrer Aufgaben-
struktur mehr oder weniger bekannt. An dieser Stelle ist
es jedoch einmal geboten, sich bei den dortigen Beschäf-
tigten für ihren bisherigen Einsatz und ihre Arbeit zu be-
danken.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Gleiches gilt natürlich für die Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter im Gesundheitsministerium, die – es ist schon
gesagt worden – eine Menge Aufgaben vor sich haben;
denn wir müssen jetzt viele dringende Sachen auf den
Weg bringen.

Die Zuständigkeit für die Kranken- und Pflegeversi-
cherung sowie für den Bereich der Drogen- und Sucht-
politik spiegelt sich ebenfalls im Haushalt wider. Daher
ist auch das eindeutig festzustellen: Mit diesem ersten ei-
genen Haushalt der Großen Koalition gehen wir nun
konsequent unseren eingeschlagenen Weg weiter: Vor-
sorge stärken und Hilfe ausbauen, und dies alles im Zu-
sammenspiel mit einer verantwortungsvollen Haushalts-
politik.

Mit diesem Haushalt sind wir in der Lage, die Bedeu-
tung der wichtigen gesundheitspolitischen Kampagnen
der schwarz-roten Gesundheitspolitik zu unterstreichen.
Wir reagieren auf die gesellschaftlichen Herausforderun-
gen einer alternden Bevölkerung, indem wir die Pflege-
leistungen ausbauen und zukunftssicherer machen. Wir
sorgen vor, indem wir Beratungsstellen und Modellpro-
jekte auskömmlich finanzieren.

Die Herausforderungen im Gesundheitsbereich sind
nicht klein. Pflege, Krankenhaus und Prävention sind
nur einige der riesigen Aufgabenblöcke in der Gesund-
heitspolitik, die es in den nächsten Wochen und Monaten
zu bewerkstelligen gilt. Wir lesen, sehen und hören tag-
täglich, an welchen Stellen in diesen Bereichen Hand-
lungsbedarf besteht.

Exemplarisch möchte ich auf den komplexen Bereich
der Suchtprävention hinweisen. Nach wie vor ist hier
Crystal Meth das große Thema. Fast wöchentlich gibt es
hierzu neue Meldungen, die schockieren. Die betroffe-
nen Regionen fordern zu Recht Antworten auf die Frage,
wie der Problematik nun endlich Einhalt geboten werden
kann. Insbesondere Sachsen und Bayern haben hier mas-
sive Probleme, die endlich angegangen werden müssen.
Die Bilder der von Crystal gezeichneten Menschen müs-
sen aus den Medien verschwinden. Wir müssen vor Ort
insbesondere gefährdete Jugendliche und junge Erwach-
sene schützen und vor den schrecklichen Folgen des
Drogenkonsums warnen. Hierzu braucht es ausreichend
Anlaufstellen und Beratungsangebote in den Regionen.

Aber nicht alles hat zunächst etwas mit Geld zu tun.
Ein zweiter Themenkomplex, den ich nennen möchte, ist
der Bereich Tabak. Nichtraucher- und Passivraucher-
schutz darf nicht nur auf dem Papier stehen, sondern
muss nun konsequent in allen Bereichen verankert wer-
den.





Burkhard Blienert


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Karin Maag [CDU/CSU] und Dr. Harald Terpe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Nichtraucherschutz hängt immer auch eng mit Kinder-
und Jugendschutz zusammen.


(Dr. Karl Lauterbach [SPD]: So ist es!)


Vor diesem Hintergrund muss das Tabakwerbeverbot
nun endlich auch in der Bundesrepublik umgesetzt wer-
den.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE] und Dr. Harald Terpe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


In diesem Zuge müssen wir auch den Boom von E-
Shishas und E-Zigaretten bei jugendlichen Konsumenten
stoppen. E-Shishas und E-Zigaretten haben in den Hän-
den von Kindern und Jugendlichen nichts zu suchen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Harald Terpe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Um dafür zu sorgen, braucht es nicht viel Geld. Dafür
braucht es lediglich die Entschlossenheit, das Jugend-
schutzgesetz zu ändern und damit den Jugendschutz zu
stärken.

Auch im Bereich des Alkohols muss, insbesondere
wegen des mancherorts leider verbreiteten Komasaufens
bei Jugendlichen, im Sinne einer präventiven Gesund-
heitspolitik gehandelt werden.

Ich begrüße es außerordentlich – das möchte ich an
dieser Stelle sagen –, dass Bundeswirtschaftsminister
Gabriel endlich eine Novellierung der Spielverordnung
einleiten will. Das von der Automatenindustrie prakti-
zierte System der Spiele ist im eigentlichen Sinne krank.
Hier muss gehandelt werden. Manches Bundesland hat
im Rahmen seiner Möglichkeiten schon gehandelt. Das
Land Berlin hat es vorgemacht, der Bund kann nachzie-
hen.

Einiges ist also ohne viel Geld, sondern vielmehr mit
sinnvoller und konsequenter Gesetzgebung zu erreichen.
Aber natürlich müssen wir für den gesamten Suchtbe-
reich und die damit verbundenen Probleme auch entspre-
chende finanzielle Mittel zur Verfügung stellen. Laut
dem vorliegenden Regierungsentwurf sind wir hierbei
gemeinsam auf einem guten Weg.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Diese Regierung hat den Irrsinn des ehemaligen libe-
ralen Gesundheitsministers, im Bereich des Drogen- und
Suchtmittelmissbrauchs zu kürzen, gestoppt. Es hat
nichts mit Liberalismus zu tun, wenn man die Menschen
mit ihren Süchten alleinlässt. Liberal ist es vielmehr, jen-
seits des Strafrechts Wege aus der Sucht zu finden. Hier
müssen der Staat und die Gesellschaft Lösungen für die
betroffenen Menschen finden. Der Entwurf sieht in die-
sem Bereich Steigerungen vor, insbesondere bei den so
wichtigen Modellmaßnahmen und Forschungsvorha-
ben. Das ist richtig und wichtig.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Ende möchte
ich noch auf ein in den nächsten Wochen anstehendes
sehr wichtiges Gesetzgebungsverfahren eingehen. Es
geht um das Präventionsgesetz. Erst ein sorgsam ausfor-
muliertes Präventionsgesetz, in dem insbesondere auch
die oben genannten Aspekte ihren Niederschlag finden,
stellt einen notwendigen Überbau für die Ziele einer vor-
sorgenden Gesundheitspolitik dar. Hier müssen neben
vielen anderen Themen Aspekte der Suchtprävention
verankert werden. Nur wenn dies gelingt, können die be-
reitgestellten Finanzmittel ihre gesamte Wirkung entfal-
ten. Anderenfalls werden nur Symptome behandelt, die
Wurzel des Problems bleibt dann jedoch verschont. Inso-
fern bleibt uns allen noch viel zu tun.

Ich bin guter Dinge, dass die konstruktive Zusam-
menarbeit der Vergangenheit zwischen uns Fachpoliti-
kern, den Haushältern und dem Ministerium auch dieses
Mal erfolgreich verlaufen wird. Dies ist der zweite
Haushalt, den wir innerhalb weniger Wochen beraten.
Insofern müssen wir stark darauf achten, ob die Pro-
gramme und Projekte greifen. Diese müssen wir evaluie-
ren, um eine gezielte und wirkungsvolle Förderung zu
erreichen, um die richtigen Fragen zu stellen, zum Bei-
spiel, warum die soziale Situation immer noch unmittel-
bar auf die gesundheitliche Situation wirkt und wo Prä-
vention sinnvollerweise ansetzt.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Die Herausforderung wird wieder einmal sein, das

vorhandene Geld gerecht und nachhaltig an den ent-
scheidenden Stellen für die Gesundheit der Bevölkerung
gewinnbringend einzusetzen. In diesem Sinne wünsche
ich uns allen gute Beratungen in den nächsten Wochen.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804912100

Vielen Dank. – Der Kollege Monstadt ist jetzt der

nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der SPD)



Dietrich Monstadt (CDU):
Rede ID: ID1804912200

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren! Da ich fast am Schluss dieser
Debatte zum Einzelplan 15 spreche, darf ich mir erlau-
ben, auf einige mir besonders wichtige Aspekte hinzu-
weisen.

Gesundheitspolitik ist von ihrem Selbstverständnis
her immer daran ausgerichtet, Probleme anzugehen und
langfristige Entwicklungen möglichst positiv zu beein-
flussen. Dabei haben wir es uns in dieser Koalition zum
Ziel gesetzt, dass der Zugang zu einer qualitativ hoch-
wertigen Gesundheitsversorgung für alle Bürgerinnen
und Bürger in unserem Land unabhängig von Alter, Ge-
schlecht, Wohnort und Geldbeutel gesichert ist und auch
in Zukunft gewährleistet sein muss.


(Beifall bei der CDU/CSU)






Dietrich Monstadt


(C)



(D)(B)

Wir wollen mit einer guten Gesundheitspolitik auch
die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen positiv beein-
flussen. Zudem sollen und müssen wir auch die Belas-
tungen der kommenden Generationen im Blick behalten.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dies alles geschieht vor dem Hintergrund zunehmend
schwieriger werdender Rahmenbedingungen. Das Statis-
tische Bundesamt hat berechnet, dass in Deutschland die
Zahl der Personen, die 80 Jahre oder älter sind, zwischen
2011 und 2050 von 4,3 Millionen auf 10,2 Millionen
steigen wird. Damit wird es fast so viele Menschen in
diesem hohen Alter geben wie unter 20-Jährige, die dann
gerade noch 15,6 Prozent der Bevölkerung ausmachen
werden. Das ist aus meiner Sicht eine nachhaltig schwie-
rige Prognose, auf die wir unabhängig vom jeweiligen
politischen Lager gemeinsam reagieren müssen. Denn
konkret bedeutet dies weniger Einnahmen und mehr
Ausgaben. In diesem Zusammenhang kann die Arbeit
der Haushälter und der an der Erarbeitung des Bundes-
haushalts 2015 Beteiligten nicht oft genug gewürdigt
werden. Ein Stopp für neue Schulden ist die Investition
in die Zukunft, ist Gerechtigkeit für unsere Kinder und
Enkel.


(Beifall bei der CDU/CSU)


An dieser Stelle drücke ich meinen ausdrücklichen
Dank auch an unseren Bundesminister für Gesundheit,
Hermann Gröhe, aus, der mit der Kürzung des Bundes-
zuschusses für den Gesundheitsfonds für die Jahre 2014
und 2015 ein Signal in Richtung Haushaltskonsolidie-
rung auch und insbesondere mit Blick auf die Zukunft
gesetzt hat. Herr Minister, das war und bleibt die richtige
Entscheidung.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Lassen Sie mich einen weiteren Punkt auch im Hin-
blick auf Generationengerechtigkeit ansprechen: den ge-
planten Pflegevorsorgefonds. Meine Damen und Herren
von der Opposition, eines möchte ich an dieser Stelle in
aller Deutlichkeit unterstreichen: Der Pflegevorsorge-
fonds ist das geeignete Instrument, um die Belastung
durch die sogenannte Babyboomer-Generation in der
Zukunft teilweise aufzufangen. Mit einem Kapitalvolu-
men in Höhe von rund 40 Milliarden Euro ist er geeig-
net, die Spitzenbelastung ab dem Jahr 2035 abzufedern.
Damit geben wir schon heute ein Signal für das, was uns
wichtig ist: Arbeitsplätze und die Wettbewerbsfähigkeit
unserer Wirtschaft auch in der Zukunft.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die CDU-geführte Bundesregierung erweist sich somit
als finanzieller und konjunktureller Stabilitätsanker. Das
ist vor allen Dingen gelebte und tatsächlich umgesetzte
Generationengerechtigkeit.

Wir sollten diese angesprochenen Aspekte in fast
allen Bereichen der Gesundheitspolitik beachten. Das
durch den Minister angekündigte Präventionsgesetz bie-
tet ebenfalls die Chance, hier nachhaltige Impulse zu set-
zen. Ziel muss es sein, das Bewusstsein jedes Einzelnen
für die Früherkennung und den Ausbau gesundheitsför-
dernder Maßnahmen wieder vollumfänglich zu schärfen.
Nur so kann die Teilhabe der Betroffenen an der Arbeits-
welt und Gesellschaft in Gesundheit positiv beeinflusst
werden.

Für mich als Berichterstatter meiner Fraktion für Dia-
betes und Adipositas, den größten nicht übertragbaren
Volkskrankheiten in unserem Land, muss hier die Forde-
rung nach mehr Eigenverantwortlichkeit in den Fokus
rücken. Ich weiß mich dort einig mit unseren Verbrau-
cherpolitikern. Mechthild Heil hat auch in der Vorde-
batte überzeugend eine gesunde Ernährung und mehr
Bewegung eingefordert.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Zahlen belegen: Diabetes und Adipositas werden
wie ein Tsunami auf unsere Bevölkerung und uns als
verantwortliche Politiker zurollen. Schon heute leiden
rund 8 Millionen Menschen an Diabetes. Es ist von einer
zusätzlichen Dunkelziffer in Höhe von 2 bis 3 Millionen
auszugehen. Rund 60 Prozent aller Frauen und Männer
sind übergewichtig. Ein Viertel der Bevölkerung ist adi-
pös, mit schwerwiegenden Folgeerkrankungen, die zu
hohen Belastungen der Betroffenen und des Systems
führen. Erschreckend ist, dass die Zahl der betroffenen
Kinder und Jugendlichen kontinuierlich und drastisch
ansteigt.

Aufgrund dieser starken Zunahme führt dies für unser
Gesundheitssystem zu Belastungen, die nur unter aller-
größten Anstrengungen zu schultern sein dürften. Diabe-
tes und seine Folgeerkrankungen belasten unser Gesund-
heitssystem mit direkten Kosten in Höhe von circa
48 Milliarden Euro jährlich. Die durchschnittlichen Kos-
ten der Versorgung sind bereits von 4,9 Milliarden Euro
im Jahr 2002 auf heute 6,3 Milliarden Euro gestiegen.
Neuere Zahlen dürften noch höher liegen. Daher halte
ich die für den Bereich Prävention und Aufklärung vor-
gesehenen 43 Millionen Euro für den richtigen Impuls,
Herr Minister, um ein Umdenken in der Zukunft auf den
Weg zu bringen.

Durch gezielte Präventions- und Aufklärungsmaß-
nahmen können wir die Entwicklung von Krankheiten
wie Diabetes verlangsamen oder gar verhindern. In die-
sem Zusammenhang ist nach meiner Auffassung ein
Konzept erforderlich, das dezidierte Präventionsstrate-
gien sowie Früherkennungs- und Versorgungsmaßnah-
men beschreibt. Eine nationale Diabetesstrategie könnte
solch ein Konzept darstellen. Darüber muss in den
nächsten Wochen auch mit den Ländern intensiv disku-
tiert werden.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum
Abschluss noch kurz auf das bevorstehende Versor-
gungsgesetz II eingehen. Für mich als Abgeordneten aus
Mecklenburg-Vorpommern mit einem Wahlkreis, der
überwiegend im ländlich geprägten Raum liegt, ist die
Sicherstellung einer flächendeckenden ärztlichen Ver-
sorgung eine der zentralen Herausforderungen.

Mit dem Versorgungsstrukturgesetz der vergangenen
Legislatur haben wir bereits wichtige Reformen in die-
sem Bereich auf den Weg gebracht. Aber die Umsetzung
durch die Selbstverwaltung ist in manchen ländlichen

(A)






Dietrich Monstadt


(A) (C)



(D)(B)

Regionen – auch in der Region, die ich hier vertrete –
nach wie vor nicht ausreichend, um die Probleme vor
Ort, die an Geschwindigkeit zunehmen, in den Griff zu
bekommen. Deshalb ist es zwingend notwendig, die be-
reits eingeführten Reformen nun weiterzuführen, sie an
die fortschreitenden Veränderungen anzupassen und
noch zukunftsfähiger zu machen. Lassen Sie uns ge-
meinsam daran arbeiten!

Meine Damen und Herren, ich kann für mich sagen,
dass ich über das bisher Erreichte froh bin. Wenn man
sich als Gesundheitspolitiker im Jahr 2010 mit einem
Defizit von circa 10 Milliarden Euro konfrontiert sah
und jetzt über Reserven von insgesamt circa 26 Milliar-
den Euro sprechen kann – auch Rudolf Henke hat das
angesprochen –, ist dies ein klares Zeichen dafür, dass
die Union mit ihren Partnern über Jahre hinweg mit Au-
genmaß die richtigen Entscheidungen getroffen hat.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, dieser Haushalt fördert die
Generationengerechtigkeit, und er geht die Probleme der
Zukunft in unserem Land entschlossen an. Ich werbe
deshalb um Ihre Zustimmung.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804912300

Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt der Kollege

Heiderich.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Helmut Heiderich (CDU):
Rede ID: ID1804912400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Werte Zuhörer am heutigen späten Nachmittag! Auch
wenn es eben schon mehrfach angesprochen worden ist,
will ich es wiederholen: Wir beraten mit dem Haushalt
2015 zum ersten Mal einen Haushalt, der in sich ausge-
glichen ist. Ja, es ist richtig: Dieser Gesundheitsetat trägt
dazu ein Stück weit bei. Aber ich meine, wir Parlamenta-
rier sollten darüber froh sein, dass es uns mit diesem
Haushalt zum ersten Mal gelingt, das eigene Leben
selbst und nicht auf Kosten unserer Kinder zu finanzie-
ren. Deswegen ist das, was wir mit diesem Haushalt ma-
chen, ein deutlicher Schritt nach vorn.

Es ist nicht richtig, wenn die Opposition an dieser
Stelle den Eindruck zu erwecken versucht, als würden
hier zulasten der Patienten oder anderer Sparmaßnahmen
umgesetzt. Ich habe eben wieder gehört, dass es hieß,
aufgrund dieser Kürzung würden bei den Kassen Mil-
liarden Euro fehlen. Oder es heißt – um aus der letzten
Haushaltsdebatte zu zitieren –: Mit jeder Kürzung pro-
vozieren Sie Beitragssatzsteigerungen. – Oder: Wenn an
der einen Stelle gekürzt wird, dann wird an anderer
Stelle Geld fehlen, und die Beiträge werden steigen.

Wie sieht denn die Realität aus? Als Haushälter, der
sich mit den Zahlen ja immer ein wenig mehr beschäfti-
gen muss, habe ich mir das einmal etwas genauer ange-
sehen.

Nehmen wir den Gesundheitsfonds. Der Gesundheits-
fonds hatte vor genau einem Jahr, in der Mitte des Jahres
2013, einen Bestand von 11,1 Milliarden Euro. Am Ende
des Jahres 2013 waren es dann 13,6 Milliarden Euro. In
der Mitte dieses Jahres waren es 10,4 Milliarden Euro.
Das heißt, der Bestand sank von 11,1 Milliarden Euro
auf 10,4 Milliarden Euro. Es hat sich also nicht beson-
ders viel verändert. Ich glaube, da können Sie nicht sa-
gen, durch diese Kürzung sei an anderer Stelle Negatives
hervorgerufen worden.


(Dr. Harald Terpe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wem gehört denn das Geld?)


Nehmen wir die Krankenkassenrücklagen.


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat denn das Geld da eingezahlt?)


Mitte des Jahres 2013 hatten wir einen Bestand von
16,6 Milliarden Euro. Am Ende des Jahres 2013 hatten
wir einen Bestand von 16,8 Milliarden Euro. Wir haben
jetzt, nach der Hälfte des Jahres 2014, einen Bestand von
16,2 Milliarden Euro, und jeder weiß, dass sich zum
Ende des Jahres diese Entwicklung durch höhere Ein-
nahmen noch weiter verbessert. Also, wenn Sie hier vor-
tragen, es sei durch massive Kürzungen irgendwo ein
Nachteil für die Versicherten entstanden, dann ist das
schlicht und einfach nicht richtig.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Harald Terpe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wem gehört das Geld?)


Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, es ist
eben schon mehrfach darauf hingewiesen worden, dass
für die zukünftigen Ausgaben die Frage der Prävention
eine bedeutende Rolle spielt, und das ist richtig. Wir ha-
ben für Prävention und Aufklärung etwa 45 Millionen
Euro in diesem Haushalt und können damit eine Reihe
von Maßnahmen umsetzen. Aber ich will einmal ganz
konkret auf das eingehen, was Minister Gröhe am An-
fang gesagt hat: Insbesondere in Kita und Schule müssen
wir ansetzen. – Ich habe mir einmal zwei Maßnahmen
herausgesucht, die Pilotcharakter haben:

Es gibt aus Baden-Württemberg, von der Universität
Ulm ausgehend, von einem Professor Steinacker ein Pi-
lotprogramm an den Schulen, das inzwischen 50 000
Kinder erfasst, über fünf Jahre läuft und mit ganz her-
vorragenden Ergebnissen bei den Kindern und in den
Schulen angekommen ist. Ich glaube, wir müssen
schauen, was wir aus solchen Beispielen lernen können,
und sie dann auch entsprechend weiter unterstützen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Petra Hinz [Essen] [SPD])


Ein zweites Beispiel, das wir selbst im eigenen Hause
seit vielen Jahren betreiben, ist die sogenannte
Klasse2000. An der Klasse2000 sind mithilfe eines Trä-
gervereins 2013/2014 insgesamt etwa 18 000 Schulkin-
der beteiligt. Die Evaluierung dieses Projektes und
dieser Maßnahmen kommt ebenfalls zu positiven Ergeb-





Helmut Heiderich


(A) (C)



(D)(B)

nissen: Auch in späteren Schuljahren haben die Kinder
aus dieser Betreuung in der Grundschule etwas fürs Le-
ben mitgenommen und stehen in Fragen der Gesundheit
deutlich besser da als andere Kinder.

Aber ich wundere mich etwas, wenn ich dann lese
– Zitat –: Nach wie vor wollen mehr Schulen mitma-
chen, als finanzierbar ist. Mit weiteren Finanzmitteln
könnten wir noch deutlich mehr Schulen in Deutschland
einbeziehen. – Meine sehr verehrten Kolleginnen und
Kollegen, wenn ich dann auf Rückfrage höre, dass es
hier – bei einem Haushalt von 12,1 Milliarden Euro –
um einen Betrag von 220 000 Euro geht, muss ich sagen:
Ich glaube, dass wir in der Fachdebatte und in der Haus-
haltsdebatte der nächsten Wochen und Monate an diesen
beiden Stellen noch einmal ansetzen und dies positiv
weiterentwickeln sollten, damit wir mehr Schulen, mehr
Schüler und mehr Projekte bedienen können. Denn
Minister Gröhe hat vollkommen recht: Wenn wir in der
Schule ansetzen, haben Präventionsmaßnahmen die bes-
ten Effekte.


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Eine kleinere Summe ist manchmal schwerer zu kriegen als eine große!)


– Deswegen sollten wir uns gemeinsam bemühen, Frau
Kollegin, und ich bin sicher, dass wir das gemeinsam
hinbekommen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Lassen Sie mich noch einen zweiten Punkt kurz an-
sprechen. Wir sagen immer: Alle sollen den gleichen Zu-
gang zum Gesundheitssystem haben. – Der wesentliche
Zugang – da sind wir uns auch einig – ist der Hausarzt,
ist das Hausarztsystem. Da gab es nun in der letzten Wo-
che zwei Presseveröffentlichungen, aus denen ich hier
zitieren möchte. Die eine betrifft eine Studie – die Fach-
leute kennen sie –, die gemeinsam mit der Universität
Trier durchgeführt worden ist. Der Artikel trägt die
Überschrift „Deutschland droht der große Hausarztman-
gel“. Dort heißt es:

Gegenwärtig sind noch 40 Prozent aller niederge-
lassenen Ärzte Allgemeinmediziner. Doch nur elf
Prozent aller Mediziner entscheiden sich, Facharzt
für Allgemeinmedizin zu werden.

Wenn man das so weiterrechnet, kommt man tatsächlich
zu dem Ergebnis, das die Welt hier als Überschrift ge-
wählt hat.

Es gibt dann, auch aus der letzten Woche, vom 4. Sep-
tember, eine weitere Veröffentlichung, vom Verband der
Ersatzkassen, wo er sagt: Trotz all der Maßnahmen, die
wir gemeinsam schon gemacht haben, um das Hausarzt-
system zu verbessern, sind wir dort noch nicht wesentlich
vorangekommen. – Ich will auch hier zwei Beispiele nen-
nen: Auf der einen Seite würden momentan etwa 750 Haus-
ärzte fehlen, auf der anderen Seite seien 5 500 – sie
nennen das hier „überzählige“ – Hausärzte in den Über-
versorgungsgebieten vorhanden. Auch hier müsse ein
besserer Ausgleich geschaffen werden.

Dann kommt er noch auf die von uns geschaffene Mög-
lichkeit des freiwilligen Aufkaufs überflüssiger Arztsitze
zu sprechen. Hierzu wird zitiert, das sei in drei Jahren
nur ein einziges Mal passiert.

Wenn das wirklich so sein sollte, dann müssen wir
uns hier gemeinsam bemühen, mit dem Versorgungs-
strukturgesetz II, das Minister Gröhe ja schon angekün-
digt hat, an dieser Stelle noch etwas mehr nachzuarbei-
ten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich
will noch darauf verweisen, dass wir im Koalitionsver-
trag gemeinsam einen Masterplan Medizinstudium 2020
verankert haben. Dieser Masterplan soll dafür sorgen,
dass bis 2020 ein Ausgleich zwischen den unterversorg-
ten und den überversorgten Gebieten stattgefunden hat.
Da ich davon ausgehe, dass ein Medizinstudium mindes-
tens fünf Jahre dauert, müssen wir mit dem Haushalt
2015 die Grundlagen dafür legen, dass wir 2020 dort
besser dastehen, als das hier vom vdek und von der Stu-
die prognostiziert wird. Darum bitte ich Sie in den Bera-
tungen des Haushaltes.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Herr Minister,
vielen Dank fürs Zuhören.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804912500

Vielen Dank. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, da

der Kollege Heiderich der letzte Redner zum Einzel-
plan 15 war, sind wir am Schluss der heutigen Tagesord-
nung angekommen.

Morgen findet hier im Plenarsaal um 9 Uhr eine Ge-
denkstunde aus Anlass des 75. Jahrestages des Beginns
des Zweiten Weltkrieges statt.

Die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages be-
rufe ich auf morgen, Mittwoch, den 10. September 2014,
10.30 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen allen
einen schönen Abend.