Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz.Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sieherzlich zu unserer Plenarsitzung.Ich habe zunächst einige Mitteilungen zu machen:Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, unser Kol-lege Dr. Werner Hoyer, hat vor wenigen Tagen seinen60. Geburtstag gefeiert. Dazu möchte ich ihm im Namendes gesamten Hauses auch auf diesem Wege noch ein-mal herzlich gratulieren und alle guten Wünsche über-mitteln.
Der Kollege Alexander Süßmair hat sein Schriftfüh-reramt niedergelegt. Als neuen Schriftführer schlägt dieFraktion Die Linke den Kollegen Thomas Lutze vor.Sind Sie damit einverstanden? –
Heftige Zustimmung aus den Reihen der Fraktion DieLinke, wohlwollende Akzeptanz bei den anderen Frak-tionen. Dann ist der Kollege hiermit gewählt.Der Tagesordnungspunkt X f wird abgesetzt. Sind SieImDfeekddbkuVweMaLtijeGdauch damit einverstanden? – Ja. Dann ist das so be-schlossen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt I auf:Vereinbarte DebatteMordserie der Neonazi-Bande und die Arbeitder SicherheitsbehördenHierzu liegt ein gemeinsamer Entschließungsantragaller Fraktionen vor.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache 75 Minuten vorgesehen. – Ich höre kei-nen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.Bevor ich die Aussprache eröffne, möchte ich Sie bit-ten, sich von Ihren Plätzen zu erheben.
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das Versprechen, den geistigen Sumpf, der diesen Unta-ten zugrunde liegt, mit aller Kraft auszutrocknen.
Diese Morde sind nicht nur Angriffe auf einzelneMenschen, sondern ein Angriff auf unsere Gesellschaft,auf unsere freiheitliche Ordnung, auf unsere Demokra-tie. Ich denke, wir müssen deutlich machen, dass dieFrage der Achtung der Würde des Menschen nicht nureine staatliche Aufgabe, sondern eine gesamtgesell-schaftliche Aufgabe ist, vor der wir nun gemeinsam ste-hen. Für Extremismus, für politische Gewalt und fürFremdenfeindlichkeit darf in unserem Land kein Platzsein.
Meine Damen und Herren, 1998 sind drei Verdäch-tige, denen schon damals Gewalttaten angelastet wur-den, spurlos verschwunden, und sie sind verschwundengeblieben. Momentan wird in Thüringen von einem Son-derermittler unter Federführung des dortigen Innen-ministers mit aller Kraft daran gearbeitet, die Hinter-gründe, die Umstände und die Zusammenhänge dieserTatsachen aufzuklären. Die Aufklärung der Verbrechendieser Mordserie war schwierig. Sie war deswegenschwierig, weil es zu keiner Zeit ein Bekenntnis zu die-sen Taten gab. Das mag eine Erklärung sein; aber ichgebe zu: Befriedigend ist diese Erklärung nicht, und sieist keine Entschuldigung. Deswegen müssen wir einStück tiefergehen und weiterfragen.Das Bundeskriminalamt hat am 11. November imAuftrag des Generalbundesanwaltes seine Arbeit mit ei-ner Sondereinheit von 170 Mann begonnen. Inzwischenarbeiten insgesamt über 400 Polizeikräfte des Bundesund der Länder an dem Fall, man muss sagen: an denFällen. Denn es ist eine ganze Serie von Fällen, die auchauf der DVD, die die Täter angefertigt haben oder habenanfertigen lassen, im Einzelnen aufgelistet ist.Die Ermittlungen bewegen sich in zwei Strängen:Der eine Strang umfasst die polizeilichen Ermittlun-gen des Bundeskriminalamts im Auftrag des General-bundesanwaltes und der Landeskriminalämter; die Poli-zeien des Bundes und der Länder arbeiten zusammen.Der zweite Strang umfasst den Verfassungsschutz. ImBereich des Bundes ist das Bundesamt für Verfassungs-schutz zuständig. Wir haben bereits am Sonntag vor ei-ner Woche eine Arbeitsgruppe konzipiert – wir haben sieam Montag eingesetzt –, die zunächst einmal in allenoch vorhandenen Akten über den Zeitraum Einblicknimmt, in dem die Morde stattgefunden haben: 1996,1997 und 1998 sowie die Folgezeit. Die Verfassungs-schutzämter der Länder unterstehen der dortigen Kon-trolle durch die Länder. Aber sie arbeiten eng mit demBundesverfassungsschutz zusammen und tauschen jetztihre Informationen und die aktuellen Erkenntnisse aus,die jeweils zutage treten. Ich denke, dass wir sowohlüber das Bundesamt für Verfassungsschutz wie auchüber die Polizeiermittlungsbehörden der Länder raschein Gesamtbild bekommen werden. Der Generalbundes-anwalt, dem ich an dieser Stelle ganz herzlich für seineAggEdDsSnLtegvzvaarereZsuaDÄadinwbwgsstrLfedmincsdFcwfügGdwLdisru
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zes eindeutig und klar dem Verfassungsschutz des Bun-des zuzuordnen, das heißt, die Länder zu verpflichten,den Behörden des Bundes Erkenntnisse ihrer Verfas-sungsschutzbehörden ungefiltert und unbewertet, sozu-sagen in Rohform, zu liefern. Ich halte das für zentralund wichtig. Wir werden das im Kreis der Innenministerder Länder besprechen, wenn die Innenministerkonfe-renz übernächste Woche ihre Arbeit aufnimmt.In diesem Zusammenhang ist einmal mehr die Redevon einem NPD-Verbotsverfahren. Ich denke, wir solltendiesen Aspekt jetzt nicht in den Mittelpunkt rücken. Jetztgeht es vielmehr darum, die Konsequenzen zu ziehen.Gleichwohl wird sich die Diskussion über ein solchesNPD-Verbotsverfahren nicht vermeiden lassen.
Ich selber habe keine Zweifel, dass es sich bei der NPDum eine verfassungsfeindliche Partei handelt. Die Fragelautet: Ist es sinnvoll, eine solche Partei zu verbieten?Hat man mit einem Verbot bereits den geistigen Sumpf,der dort herrscht, ausgerottet? Nein, natürlich nicht.Dennoch glaube ich, dass ein Verbotsverfahren oder einVerbot, wenn es denn erreichbar wäre, sinnvoll ist, weilman damit zumindest schon einmal verhindert hätte,dass eine solche Partei auch noch aus dem Bereich derParteienfinanzierung unterstützt wird.
Gleichwohl ist es nicht einfach, ein solches Verbots-verfahren erfolgreich durchzuführen. Denn das Bundes-verfassungsgericht hat uns 2003 Hinweise gegeben, wel-che Qualität verwertbarer Beweise es erwartet. Es hatklipp und klar gesagt: Ihr müsst die Quellen, die ihr zu-mindest in den Führungsbereichen dieser Partei habt, ab-schalten. – Das ist mit einem Risiko verbunden. Ichmöchte in diesem Zusammenhang sagen, dass wir dasThema V-Leute zwar diskutieren müssen, dass ich dieV-Leute aber grundsätzlich für ein wichtiges und unver-zichtbares Frühwarnsystem in der Szene halte.
Wir sehen, dass es notwendig ist, entsprechende Infor-mationen aus den verschiedenen Organisationen zu be-kommen.Ich möchte darauf hinweisen, dass seit 1990 über30 rechtsextremistische Organisationen verboten wordensind. Diese Verbote waren möglich, weil man Informa-tionen und verwertbare Beweise hatte. Ich glaube, dassdie V-Leute da eine wichtige Rolle spielen. Dennochwird man im Zusammenhang mit dem NPD-Verbotsver-fahren unter Abwägung von Risiko und Nutzen prüfenmüssen, ob man ein solches Verbotsverfahren durchfüh-ren kann, und zwar mit Erfolg; denn darauf wird es an-kommen. Wir werden das im Kreise der InnenministervbnmgcdkaESBwFdgSsFtebladskuWgzhhbliriteliufesm
Das Wort erhält nun der Kollege Frank-Walter
teinmeier für die SPD-Fraktion.
Herr Präsident, ich danke Ihnen für die Erklärung zueginn dieser Debatte, die diesem Parlament wirklichürdig war. Herzlichen Dank!
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!assungslos stehen wir vor den Taten junger Deutscher,ie offenbar über Jahre hinweg mit bestialischem Eiferemordet haben, das gemordet haben, was aus ihrericht nicht deutsch oder nicht lebenswert war. Entsetzttellen wir fest, dass der alte Geist von Rassismus undremdenhass erneut viele Opfer in diesem Lande gekos-t hat. Mir fällt es schwer, zu glauben, dass eine Mord-ande von Neonazis über Jahre hinweg durch Deutsch-nd reist, planmäßig Menschen geradezu hinrichtet undass sie bei all dem nicht einmal unerkannt, aber wahr-cheinlich über zehn Jahre hinweg unbehelligt blieb. Dasann man – das sage ich Ihnen offen – kaum ertragen,nd das erfüllt einen mit Trauer und mit Scham.
Fassungslosigkeit, Entsetzen, Scham – das sind dieorte, nach denen vermutlich wir alle in den letzten Ta-en gesucht haben, um Ausdruck für das Unglaublicheu finden. Ich sage Ihnen: Bei mir kommt noch einesinzu, und das ist vor allen Dingen Wut. Wut kommtinzu, wenn ich sehe, dass über diese beispiellose Serierutalster Verbrechen bei uns über Tage hinweg – eigent-ch bis heute – unter der Überschrift „Döner-Morde“ be-chtet wird.
Sprache ist oft verräterisch. Ich habe mich in den letz-n Tagen wirklich häufiger gefragt: Was soll das eigent-ch heißen, Döner-Morde? Heißt das, das hat nichts mitns zu tun, das ist irgendwie Milieu? Mafia? Drogenum-ld? Irgendetwas, das nicht in der Mitte der Gesell-chaft stattfindet, sondern vor den Toren der Stadt? Nein,eine Damen und Herren, da sind Menschen in hass-
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Dr. Frank-Walter Steinmeier
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erfülltem Nationalismus hingerichtet worden, Men-schen, die unter uns, mit uns lebten, die zu uns gehörten.Das festzustellen, gehört an den Anfang, bevor die Auf-klärung wirklich beginnt.
Mehr noch: Diese Truppe von Neonazis hat brutalMenschenleben ausgelöscht. Uns muss darüber hinausaber eines klar sein: Wenn das über Jahre hinweg ge-schieht – ganz offenbar systematisch –, dann ist das nochmehr als ein Angriff auf Einzelne, auf Ausländer oderauf Menschen, die irgendwie anders waren. Das ist einAngriff auf die Art und Weise, wie wir in diesem Landezusammenleben. Das ist ein Angriff auf uns alle, auf dasdemokratische Gemeinwesen selbst!
Ich bin nicht, wie viele in diesem Hohen Hause, über-rascht davon, dass es Rechtsextremismus in diesemLande gibt. Ich bin, wie viele in diesem Hause, ständiggefragt, bei Auftritten in Schulen, an Gedenkstätten, beiVeranstaltungen zu reden gegen die rechte Gefahr. Ichbin in der Tat überrascht – ich sollte sagen: es sprengtalle meine Vorstellungen –, wozu Neonazis in diesemLande fähig sind, ohne dass Sicherheitsbehörden dasmitbekommen oder einschreiten. Es ist Aufgabe desStaates – darüber streiten wir hier nicht –, dafür zu sor-gen, dass Bürger in Sicherheit leben können. In zentralenFunktionen hat unser Staat auf beschämende Art undWeise versagt, und das muss Konsequenzen haben.
Wenn jetzt überall nach dem Aufstand der Anständi-gen gerufen wird, dann sage ich: Wir brauchen erst ein-mal den Anstand der Zuständigen, und davon kann dochkeine Rede sein.
Davon kann doch keine Rede sein, wenn wir hören, dassin der Vergangenheit ganz offensichtlich diejenigen oderEinzelne von denen, die man bekämpfen wollte, zu-nächst einmal massenhaft mit Geld ausgestattet wordensind: allein 200 000 D-Mark für einen der gefährlichstenNeonazis im Osten. Das ist kein Anstand, meine Damenund Herren, auch nicht der Zuständigen. Das ist einSkandal, und da brauchen wir lückenlose Aufklärung –im Interesse aller hier im Hause.
Aber es ist ja nicht nur das. Wenn nur die Hälfte vondem wahr ist, was wir in den letzten Tagen gelesen ha-ben, dann ist der Verfassungsschutz in diesem Land ineiner schweren Glaubwürdigkeitskrise. Es ist ein unge-heuerlicher Verdacht, dass einzelne Ämter nicht nurnichts gesehen haben, sondern dass V-Leute bei An-schlägen offenbar auch noch dabei gewesen sind oderdhwArusSbBnsdzAloSslokdvgmresgazmdhdVdewnürüwdsD
Aufklärung ist notwendig. Aber es geht nicht nur umufklärung, es muss auch Schluss sein mit der Verharm-sung rechtsextremer Gewalt.
ie haben das alle gelesen: Annähernd 140 Opfer soll eseit 1990 gegeben haben. Trotzdem blieb die Grundphi-sophie der Sicherheitsbehörden ganz offenbar: Es gibteinen organisierten gewalttätigen Rechtsterrorismus iniesem Lande. Das war die Überschrift, unter der dannieles eingeordnet wurde.Wenn Sie einmal auf die Ermittlungen in der Vergan-enheit schauen: Es sind – egal was geschehen ist – im-er Einzeltäter, es sind Verirrte, oder es sind Waffennar-n. Dies galt, sofern solche Zuordnungen überhaupttattgefunden haben. Selbst brutalste Körperverletzun-en tauchen in den Statistiken nicht als rechte Gewaltuf, sondern sie werden schlicht dem kriminellen Milieuugerechnet, selbst wenn man bei den Tätern zu Hauseassenhaft rechtsextremes Propagandamaterial gefun-en hat. Es durfte nicht sein, was nicht sein konnte. Des-alb wurden die Augen verschlossen, und deshalb wurdeas Ausmaß rechtsextremer Gewalt kleingeredet. Diesererdacht drängt sich auf, und damit muss Schluss sein.
Stattdessen hätten sämtliche Horden von V-Leutenoch berichten können, wie missliche Personen gezieltingeschüchtert werden, wie sie Jugendliche verführen,ie sie sich in manchen Regionen inzwischen als Ord-ungsmacht aufspielen. Diese braune Brut hat dochberall dort Chancen, wo sich staatliche Strukturen zu-ckziehen, wo sie ausfallen, wo Kommunen ausbluten,o es kein Gegengewicht mehr gibt. Nazis haben überallort eine Chance, wo man sie gewähren lässt. Wir dürfenie nicht gewähren lassen.
as muss aufhören.
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Dr. Frank-Walter Steinmeier
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Herr Friedrich, ich bin Ihnen deshalb dankbar, dassSie hier eine – zwar, wie ich finde, zu vorsichtige, aberimmerhin vollzogene – Öffnung hin zu einem NPD-Ver-bot angedeutet haben. Wir müssen das überdenken, auchmit Blick auf das Verfassungsgerichtsurteil. Das bedeu-tet zunächst einmal, dass wir alle Hindernisse beseitigenmüssen, die aus unserer Sicht gegen eine Wiederholungdes Verbotsverfahrens bestehen. Deshalb müssen dieV-Leute, die dort im Übermaß vorhanden sind, abge-schaltet werden. Das ist der erste Schritt.
Zweitens. Ich habe in diesen Tagen versucht, meineneigenen Blick in Richtung dieser rechten Szene zu schär-fen. Wenn man sich die Biografien der Haupttäter an-sieht, dann drängt sich doch die Einsicht auf: Die Tren-nung, die wir in der Vergangenheit fehlerhaft gemachthaben, die sich auch durch die Rechtsprechung des Bun-desverfassungsgerichts zieht, nämlich hier die ordentli-che NPD auf der einen Seite und dort der gewaltbereiteRechtsextremismus auf der anderen Seite, war offen-sichtlich immer eine Schimäre. Da gibt es ein ganz engpersönlich verflochtenes Netzwerk: auf der einen Seitedie Nazis in Bügelfalten, die an den Wahlen teilnehmen,in Parlamente einziehen, über die ParteienfinanzierungGeld ins rechte Lager holen, und auf der anderen Seiteder rechtsextreme Untergrund. Es ist aber ein und das-selbe Lager! Das gehört alles zusammen. Das muss dieSichtweise sein, mit der wir das Verbotsverfahren vorbe-reiten.
Ich sage – das habe ich, Herr Kauder, bereits heuteMorgen in der Besprechung über die gemeinsame Ent-schließung getan –: Wir sind auch mit Blick über diedeutschen Grenzen hinweg gut beraten, die Mittel, dieuns gegen rechten Terror und rechte Gewalt zur Verfü-gung stehen, tatsächlich auszuschöpfen. Wenn wir jetztdarüber hinweggehen und über das NPD-Verbot über-haupt nicht mehr diskutieren, dann bleiben viele Irrita-tionen, auch bei unseren Freunden im Ausland.Besonders aufmerksam werden wir in den nächstenTagen und Wochen – das will ich Ihnen auch sagen – aufdas Haus von Frau Ministerin Schröder schauen.
Frau Schröder, es ist ja noch nicht so lange her – ichhabe das in guter Erinnerung –, da haben Sie vor allenDingen im Fernsehen über Rassismus gegen Deutschegesprochen. Sie waren es, die die jungen Leute, die mitviel Mut – schauen Sie einmal nach Mecklenburg-Vor-pommern und in einige andere Regionen, wo das wirk-lich schwierig geworden ist – und teilweise auch unterEingehung eigener Gefahren für Leib und Leben gegendie rechtsextreme Gewalt, gegen die rechtsextreme Pro-paganda einstehen, unter linksextremen Generalverdachtgestellt haben. Dies wiederholen Sie heute in den Zei-tungen.jeGfahnPmsLdEgPcriÄa1–SDDindmghgdbFg
Ich finde, es ist der Demokratie nicht würdig, all die-nigen, die das tun, die diesen Mut aufbringen, einemesinnungs-TÜV zu unterziehen. Dieses Vorgehen istlsch – das ist das Entscheidende –, weil man so tut, alsätten wir beides in gleicher Art und Weise: auf der ei-en Seite Rechtsextremismus, gewalttätig und in denarlamenten, und auf der anderen Seite Linksextremis-us. Es gibt keine linksextremen Schlägertrupps in die-em Lande, die ganze Regionen terrorisieren.
esen Sie doch die Berichte des Verfassungsschutzes,ie unter Ihrer Regierung entstanden sind.
s gibt sie nicht, die linksextremen Schlägertrupps, dieanze Regionen terrorisieren, die mit dieser Haltung inarlamente einziehen. Das, was Sie miteinander verglei-hen wollen, ist nicht vergleichbar.
Ich sage Ihnen: Wer das schlicht und einfach igno-ert, wer trotz der Unterschiede, Frau Schröder, aufquidistanz bei Links und Rechts schaut, wer nicht be-chtet, dass wir 140 Opfer rechtsextremer Gewalt seit990 haben, der – –
Lesen Sie es noch einmal nach! Es stand gestern in derZ – Äquidistanz kann auch Verharmlosung sein, meineamen und Herren!
eshalb: Wenn Sie, wie wir, daran interessiert sind, dass diesem Land nicht nur Aufklärung stattfindet, sondernass zivilgesellschaftliche Gruppen auch weiterhin er-utigt werden, gegen rechte Parteien und Gruppierun-en anzutreten, dann nehmen Sie – und erklären Sie dasier im Parlament! – die Kürzungen der Mittel für zivil-esellschaftliche Gruppen zurück, und hören Sie auf miten Gängelungen. Ermutigen Sie die Leute!
Bei allen Unterschieden, die wir in der Sichtweise ha-en werden: Sorgen wir dafür, dass in diesem Land
remdenhass und Rassismus, ganz gleich, ob er mit Bü-elfalten oder Springerstiefeln daherkommt, nie wieder
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Dr. Frank-Walter Steinmeier
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eine Chance haben und dass wir diesen braunen Sumpfin diesem Lande endlich austrocknen! Es ist Zeit dafür.
Das Wort erhält nun die Bundesministerin der Justiz,Frau Leutheusser-Schnarrenberger.
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-ministerin der Justiz:Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-nen und Kollegen! Das ist die Stunde der Demokraten,die Stunde der Verteidiger des demokratisch verfasstenRechtsstaats und die Stunde der Verteidiger der Unan-tastbarkeit der Menschenwürde. Unsere Aufmerksam-keit und unser Einsatz und unser Bewusstsein richtensich gegen alle Gefahren unserer freiheitlich demokrati-schen Grundordnung, egal aus welcher Ecke der Gesell-schaft diese Gefahren kommen.
Wir müssen immer dann aufmerksam und wachsamsein, wenn sich extremistisches, fremdenfeindliches, an-tisemitisches, aber auch grundsätzlich ideologisch auf-geladenes Denken gegen die Werte, die wir in unsererVerfassung verankert haben, in Deutschland – in unter-schiedlichen Strukturen, mit unterschiedlichen Hinter-gründen – breitmacht. Ich glaube, es bringt uns nichtweiter, Gefährdungen und Entwicklungen gegeneinan-der auszuspielen.
Es geht darum, einen sehr klaren Blick auf die sich jetztimmer deutlicher abzeichnende Situation, dass wir auchrechtsextremistische Netzwerke, Strukturen, Organisa-tionen in Deutschland haben, zu richten. Auf keinemAuge sind wir blind, meine Damen und Herren, und wirdürfen es auch nicht sein.
Das heißt, es wird keine Gefahr verharmlost.Wir werden aber den Blick genau auf die Frage rich-ten: Wie sind denn die rechtsextremistisch begründetenStrukturen in Deutschland? Lassen Sie mich an dieserStelle Arthur Schopenhauer zitieren:Wir sind nicht nur für das verantwortlich, was wirtun, sondern auch für das, was wir widerspruchsloshinnehmen.Wir nehmen nicht hin, weder die Bundesregierung nochdie sie tragenden Fraktionen, dass sich Strukturen undGedankengut so breitmachen und ausprägen können,dass es zu Verletzungen von Bürgerinnen und Bürgernanderer Herkunft, anderen Glaubens, anderer Ethniekommt. Deshalb sind wir uns darin einig, dass es als Ers-telyDtuwmgtrdTtemUlaTggstewisFztiBgamDmgwissssiswpuKdnd
Meine Damen und Herren, wir müssen den Blick aufie Frage lenken: Sind die Strukturen des islamistischenerrorismus, den wir erleben mussten – er hatte ja fürch-rliche Auswirkungen –, mit denen des Rechtsextremis-us vergleichbar? Ich glaube, wir müssen auch auf dienterschiede achten. Rechtsextremismus ist in Deutsch-nd regional unterschiedlich verortet. Es gibt Neonazi-ruppen, es gibt Kameradschaften, es gibt die NPD, esibt andere Organisationen – also in dieser Form eineanz andere Strukturierung und Verortung in unserer Ge-ellschaft, als es bei dem mehr international ausgerichte-n islamistischen Terrorismus – natürlich auch mit Aus-irkungen und Gefährdungen in Deutschland – der Fallt. Das muss bei der Suche nach Antworten auf dierage: „Wie können nach schonungsloser Analyse Defi-ite und Schwächen beseitigt werden?“, mitberücksich-gt werden.Ich glaube nicht, dass man einfach eine Eins-zu-eins-laupause anlegen darf, dass alles, was beim Vorgehenegen islamistischen Terrorismus wichtig war, auch aufndersgeartete Strukturen, verbunden mit Rechtsextre-ismus in Deutschland, passt.
eshalb werden wir, die Innenminister und die Justiz-inister von Bund und Ländern, sehr sorgfältig überle-en, wie die richtigen Antworten lauten.
Ohne Zeitverzögerung und mit Nachdruck werdenir überlegen: Warum hat es Informationsdefizite – dast ja unstreitig – gegeben, innerhalb des Verfassungs-chutzverbundes von Bund und Ländern, aber auch zwi-chen Polizei und Verfassungsschutz auf den unter-chiedlichen Ebenen, obwohl doch im Gesetz festgelegtt, dass eine Verpflichtung zur Information besteht,enn es beim Verfassungsschutz entsprechende Anhalts-unkte für die Strafverfolgung gibt? Aus dieser Analysend aus dieser Bewertung werden dann die richtigenonsequenzen gezogen. Wir alle sind uns doch einig,ass das natürlich immer nur unter Beachtung des Tren-ungsgebotes erfolgen und geschehen kann. Das verhin-ert nicht besseren Informationsaustausch, beinhaltet
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Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
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aber ein ganz klares Nein zu gemeinsamen operativenAktionen von Polizei auf der einen Seite und Verfas-sungsschutz auf der anderen Seite.Herr Steinmeier, Sie haben das NPD-Verbotsverfah-ren angesprochen. In Art. 21 Abs. 2 Grundgesetz steht,dass eine Partei nur vom Bundesverfassungsgericht fürverfassungswidrig erklärt werden kann. Wir sind uns ei-nig, dass eines auf keinen Fall wieder passieren darf:dass erneut ein Verfahren so wie das damalige, das javon Bund, Ländern und Bundesregierung in gemeinsa-men Anträgen eingeleitet wurde, beim Bundesverfas-sungsgericht wegen Verfahrenshindernissen scheitert.Wir dürfen auf keinen Fall ein Verfahren einleiten, dasnicht ausreichende Aussicht auf Erfolg hat.
Wenn die Analyse besagt: „Wir haben heute Verfah-renshindernisse, wie sie auch damals bestanden, mitStrukturen von V-Leuten in verschiedenen Führungsebe-nen“, dann, glaube ich, müssen wir uns unserer Verant-wortung stellen und sagen: Wir können den grundlegen-den Schritt der Einleitung eines Verbotsverfahrens nurdann gehen, wenn diese Verfahrenshindernisse beseitigtwerden. Wenn es Gründe dafür gibt, das nicht zu tun,dann muss auch über diese gesprochen werden; denn wirwerden nicht sehenden Auges in ein Verfahren gehen,das nicht wirklich die Aussicht auf Erfolg hat, die nötigist.
Sonst würde es ja ein zweites Mal zu einer Niederlage allderjenigen kommen, die aus tiefer Überzeugung gegennationalsozialistisches Gedankengut und entsprechendverfestigte Strukturen vorgehen.
Herr Präsident, lassen Sie mich ein letztes kurzesWort zu der kleinen Geste sagen, die wir versuchen zugeben. Im Bundeshaushalt gibt es im Einzelplan 07, inmeinem Haushalt, einen Titel – bei jeder Haushaltbera-tung beraten wir mit den Haushältern immer sehr inten-siv darüber – für die Entschädigung von Opfern extre-mistischer Gewalt, egal aus welcher Richtung dieseextremistische Gewalt kommt. Aus diesem Titel sind inder Vergangenheit nur wenig Gelder abgeflossen, weil esso gut wie keine Anträge gab.
Ich glaube, das Mindeste, was wir jetzt tun müssen,ist, mit diesem Titel, für den 1 Million Euro zur Verfü-gung stehen, wie es die Haushälter bei der letzten Haus-haltsaufstellung für 2011 festgelegt haben, alles zu tun,um auf diese Art und Weise unbürokratisch – so ist die-ser Titel angelegt – ein kleines Zeichen zu setzen undden Opfern und ihren Angehörigen eine Entschädigungzu geben. Dafür haben Sie den Titel geschaffen.mHdmgfijanbmssrumzis–dhDtisezow1riNtahk
Frau Ministerin, lassen Sie dazu eine Zwischenbe-
erkung oder -frage des Kollegen Beck zu?
Halten Sie es für möglich, dass insbesondere bei den
aushaltstiteln, die Frau Schröder zu verantworten hat,
er Mittelabfluss deshalb nicht funktioniert, weil hier
it der Extremismusklausel, mit der Pflicht zur Beantra-
ung über die Kommunen und mit dem Zwang zur Ko-
nanzierung Hindernisse aufgebaut wurden? Wir wissen
einerseits, dass sich die Leute diesen Generalverdacht
icht gefallen lassen wollen, und andererseits, dass es
ei den kommunalen Entscheidungsträgern in den Kom-
unen, in denen diese Initiativen besonders notwendig
ind, manchmal nicht das Bewusstsein gibt, dass sie die-
en Antrag befördern und vielleicht auch die Kofinanzie-
ng zur Verfügung stellen müssen.
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
inisterin der Justiz:
Dieser Titel ist nicht so angelegt, dass eine Unterstüt-
ung durch Organisationen und Initiativen notwendig
t, sondern wir konzentrieren uns damit ganz bewusst
das wurde gemeinsam hier im Hause beschlossen – auf
ie Opfer extremistischer Gewalttaten und deren Ange-
örige.
eshalb hat dieser Haushaltsansatz nichts mit Organisa-
onen, einer finanziellen Unterstützung oder einer ent-
prechenden Zusammenarbeit zu tun.
Frau Ministerin, darf die Kollegin Hendricks noch
ine ergänzende Frage stellen?
Frau Ministerin, sehen Sie hier einen Zusammenhangu dem Sachverhalt, dass die Behörden bisher 47 Mord-pfer durch rechtsextremistische Gewalttaten annehmen,ährend Zählungen aus der Zivilgesellschaft auf bis zu80 Opfer kommen? Könnte es nicht sein, dass die ge-nge Inanspruchnahme dieses Titels daran liegt, dass dieichtanerkennung, Opfer einer extremistischen Gewalt-t gewesen zu sein, unmittelbar dazu führt, dass Ange-örige keinen Antrag auf Opferentschädigung stellenönnen?
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Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-ministerin der Justiz:Es gibt unaufgeklärte Gewaltverbrechen. Die zustän-digen Ermittlungsbehörden nehmen sich jetzt ja alleFälle, bei denen man meint, sie mit einem rechtsextre-mistischen Hintergrund irgendwie in Verbindung brin-gen zu können, noch einmal vor und untersuchen sie er-neut.
Wir haben gemeinsam mit den Haushältern gerungenund für den Haushalt 2012 einen Vermerk aufgenom-men, um besser über das zu informieren, was der Staatauch hier in kleinem Umfang leisten will.
Das ist bei vielen nicht bekannt. Wir stehen deshalb inKontakt mit allen Initiativen und Verbänden. Sie allekönnen sich an uns wenden. Ich denke, von daher ist esjetzt nicht angebracht, anzunehmen – wir können dasnicht belegen –, dass es hier einen solchen Zusammen-hang gäbe, sozusagen eine Grundstimmung nach demMotto: Es gibt keine rechtsextremistisch oder extremis-tisch motivierten Taten.
Von daher tun wir das, was wir aufgrund der vorlie-genden Erkenntnisse tun können. Damit das auch 2012erfolgen kann, wird es ausreichend Mittel dafür geben.Ich glaube, diesbezüglich gibt es in diesem Haus über-haupt gar keine Bedenken. Auch da sind wir uns einig.Vielen Dank.
Gregor Gysi ist der nächste Redner für die Fraktion
Die Linke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ereig-nisse des Rechtsterrorismus haben uns schockiert. Sielösen bei den meisten Menschen, so auch bei mir, glei-chermaßen Trauer wie auch Empörung aus.Das Bemühen der Bundesregierung und der Ermitt-lungsbehörden, die Morde und die Verstrickungen staat-licher Stellen, insbesondere der Verfassungsschutzämter,aufzuklären, kommt spät, für bestimmte Menschen lei-der auch zu spät, ist und bleibt aber dringend erforder-lich.
Nicht durch Aufklärung der Ermittlungsbehörden, son-dern durch den Tod von zwei Tätern aus einer neonazis-tischen Terrorgruppe wurde bekannt, dass es bei uns seitüber einem Jahrzehnt Rechtsterrorismus gibt.znfuaromtrdbNDunimruTwsB–oroaFBewnheteusnPmhdsliGnAab
Seit Jahren gibt es ein Gemeinsames Terrorismusab-ehrzentrum. Es existieren Zentraldateien für islamisti-che Straftäter. Es gibt schon längst – seit 1992! – aufeschluss der Innenminister von Bund und Ländern, die ich zitiere wörtlich – „Informationsgruppe zur Be-bachtung und Bekämpfung rechtsextremistischer/-ter-ristischer, insbesondere fremdenfeindlicher Gewalt-kte“, abgekürzt IGR. Zu deren Aufgaben zählen dieortschreibung bestehender und die Entwicklung neuereobachtungs- und Bekämpfungskonzepte gegen rechts-xtremistische bzw. rechtsterroristische Gewaltakte so-ie die Intensivierung des diesbezüglichen Erkennt-isaustausches zwischen den beteiligten Behörden. „Wasat diese Informationsgruppe die ganzen Jahre hindurchigentlich getrieben?“, lautet meine Frage.
Mit den von Ihnen, Herr Bundesinnenminister, geplan-n neuen Dateien werden noch lange keine Straftatennd Straftäter ermittelt. Hierfür sind immer noch Men-chen zuständig. Die vollständigsten Dateien können garicht helfen, wenn die zuständigen Politikerinnen undolitiker und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Er-ittlungsbehörden nicht über das nötige Bewusstseininsichtlich der Gefahren des Rechtsextremismus undes Rechtsterrorismus verfügen,
ondern für viele in der Politik und noch mehr und deut-cher im Inlandsgeheimdienst „Verfassungsschutz“ dieefahren vornehmlich von links ausgehen.Wie kommt es eigentlich, dass die Bundesregierungach wie vor, auch nach der Beantwortung der Großennfrage unserer Fraktion, von einer Zahl von 48 Opfernusgeht, die seit 1990 durch rechtsextreme Gewalt ster-en mussten? Der Tagesspiegel und die Zeit gehen von
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Dr. Gregor Gysi
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138 diesbezüglich getöteten Personen aus. Nach Recher-chen von Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung, wurden sogar 182 Menschen Opferrechtsextremer Gewalt. Zwei Beispiele:Am 14. Juni 2000 wurden die Polizisten ThomasGoretzky, Matthias Larisch-von-Woitowitz und die Poli-zistin Ivonne Hachtkemper mit gezielten Kopfschüssenbei einer Fahrzeugkontrolle ermordet. Bei dem Täterhandelte sich um den auch den Behörden bekanntenNeonazi Michael Berger. Die Behörden fanden in seinerWohnung weitere Waffen und Munition. Warum tauchtdieser Mann nicht in der Statistik der rechtsextremenGewalttäter auf?
Am 7. Oktober 2003 ermordete der Neonazi ThomasA. einen Anwalt, dessen Ehefrau und dessen Tochter. DieRichter bescheinigten dem Mann seine nationalsozialisti-sche Gesinnung. Aber auch dieser Fall wird bis heute we-der von der Bundesregierung noch der Landesregierungin Nordrhein-Westfalen dem Rechtsextremismus undRechtsterrorismus zugeordnet. Wir warten auf ein Zei-chen, dass die Bundesregierung die von Journalistinnenund Journalisten sorgfältig recherchierten Mordfälle mitrechtsextremem Hintergrund endlich als solche erfasstund sich diesbezüglich korrigiert.
Es ist bemerkenswert, dass die NPD und ihr rechts-extremes, auch rechtsterroristisches Umfeld seit Jahren,seit Jahrzehnten mit V-Leuten durchsetzt sind. Wennüber 13 Jahre lang keine einzige Information zu den bis-her bekannten Mordfällen von den V-Leuten kam, ist dasBeweis genug für die ganze Nutzlosigkeit dieser Strate-gie.
Wenn es allerdings – lassen Sie mich das sagen – vondiesen V-Leuten Informationen gegeben haben sollte,wäre es noch viel schlimmer.
Diese V-Leute sind Personen mit teils kriminellemHintergrund, auf jeden Fall aber mit nazistischen Ein-stellungen, vor allem mit rassistischen. Ihr Job ist für sienicht, brauchbare Informationen über die Nazi-Szene zuliefern, sondern die eigene Szene zu decken, Nazitum zufördern und mit reichlich Steuergeldern zu finanzieren.Noch schlimmer: Sie prahlen teilweise damit, dass ihreStraftaten vom Verfassungsschutz und damit von denSteuerzahlerinnen und Steuerzahlern, also von uns allen,finanziert werden.Der Inlandsgeheimdienst findet keine demokrati-schen, antifaschistischen Kräfte, die sich rechtsextremverstellen und jahrelang zur Informationsgewinnung inredSGVnSgfühecfaremtemssdmdhshueliVsfüglianmuAmbsd
Der Frage wird nachzugehen sein: Wer führt eigent-ch wen? Die Neonazis den Verfassungsschutz oder dererfassungsschutz die Neonazis?Das ganze V-Leute-System hat versagt. Es ist ge-cheitert, und es war und bleibt ein ernsthaftes Hindernisr ein dringend notwendiges neues Verbotsverfahrenegen die NPD. Deshalb müssen die V-Leute unverzüg-ch, wie es so schön heißt, abgeschaltet werden.
War der Inlandsgeheimdienst „Verfassungsschutz“uf dem rechten Auge blind, oder sah er, aber handelteicht? Menschen stellen sich gegen den Rechtsextremis-us, wenden sich gegen ihn und werden verfolgt, auchnser Fraktionsvorsitzender im Landtag von Sachsen,ndré Hahn. Der Sächsische Landtag hob mit den Stim-en von Union, FDP und NPD seine Immunität auf. Ichitte Sie: Denken Sie darüber nach.
Mit welchem Eifer und mit welcher Akribie die säch-ischen Ermittlungsbehörden vorgehen, zeigt, dass sieie Wohnung des Jenaer Jugendpfarrers Lothar König
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Dr. Gregor Gysi
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durchsuchten, jenes Pfarrers, der sehr frühzeitig vor demTreiben der Jenaer Neonazi-Szene und dem Heimat-schutzbund warnte. Nun stellt sich weiter heraus, dassHolger Apfel, Landtagsabgeordneter der NPD im Säch-sischen Landtag und neuer Bundesvorsitzender derNPD, ein Wahlkreisbüro in Chemnitz eröffnete. Der Ei-gentümer des Hauses dieses Wahlkreisbüros ist zugleichder Produzent der Nazi-Rock-CD, auf der die sogenann-ten Döner-Morde verherrlicht und gefeiert werden.
Wir fordern:Erstens. Schnell und großzügig eine Entschädigungfür die Angehörigen der Opfer und die Verletzten.Zweitens. Eine vollständige und schonungslose Auf-klärung dieses Rechtsterrorismus und aller Umständeeinschließlich des Handelns der Sicherheitsbehörden,insbesondere des Inlandsgeheimdienstes.Drittens. Eine Abschaltung der V-Leute und anschlie-ßende Einleitung eines NPD-Verbotsverfahrens.
Herr Kollege.
Ich bin sofort fertig, Herr Präsident. – Viertens. Alle
Programme und Projekte gegen Rechtsextremismus sind
dergestalt zu ändern, dass linke und andere demokrati-
sche Kräfte nicht mehr ausgeschlossen werden. Die Ex-
tremismusklausel muss gestrichen werden.
Es ist zu begrüßen, dass wir uns heute fraktionsübergrei-
fend geeinigt haben, die Mittel dafür wenigstens nicht zu
kürzen.
Fünftens. Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister
und die Gegnerinnen und Gegner der Neonazis in soge-
nannten national befreiten Zonen bedürfen sofortiger
ideeller und materieller Unterstützung. Es darf keine
Dörfer und Ortsteile in den Händen der Neonazis geben.
Sechstens. Wir müssen deutlich mehr in Bildung in-
vestieren. Über die Verbrechen des Nazi-Regimes müs-
sen unsere Kinder so aufgeklärt werden, dass rechts-
extreme Anschauungen in der kommenden Generation
endlich marginalisiert werden.
Siebtens. Die Überwachung der Linken im Bundestag
und in den Landtagen durch diesen Inlandsgeheimdienst
ist unverzüglich einzustellen.
– Ja!
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Das Wort hat nun die Kollegin Renate Künast, Bünd-
is 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein be-chämendes Thema heute: Es ist beschämend, dass unserand vielen Menschen keinen Schutz vor rechtsterroris-schen Verbrechen geboten hat. Deshalb sind unsereedanken bei den Angehörigen der Opfer, die ein Fami-enmitglied oder einen Freund oder eine Freundin verlo-n haben,
ie lange vor einem Rätsel standen, dem Rätsel der Tat,nd sich sogar selber angegriffen fühlten, weil man be-auptet hat, dass die Opfer selber in Straftaten verstricktaren. Die Dauer und der Zufall der Aufklärung sindbenfalls beschämend.Wir müssen heute feststellen, dass wir dem Ziel, dassder, der in diesem Land lebt, sich auch sicher in seinerxistenz fühlen kann, nicht nahe gekommen sind. Manuss heute den Eindruck haben, dass Institutionen dericherheit in Deutschland auf dem rechten Auge blindind oder zumindest mit dem rechten Auge nicht genauinsehen. Auch das empfinde ich heute als beschämend.
Es gibt eine Legitimationskrise der Sicherheitsbehör-en, der Verfassungsschutzämter und der Polizei. Schlimmt dabei: Wenn man hätte wissen wollen, hätte man wis-en können, wenn man hätte sehen und hören wollen,ätte man sehen können. Aber bei uns sind die Verfas-ungsschutzämter nach dem Ende des Kalten Kriegesoch immer in einer Art nacheilendem Gehorsam vielehr auf den Linksextremismus fokussiert, den sie se-en wollen. Sie haben eine Ignoranz und Blindheit ge-enüber der rechten Seite.Ich muss an dieser Stelle wirklich sagen: Wenn manätte wissen und sehen wollen, dann hätten insbesondereas Ministerium von Frau Schröder und die Ministerinrau Schröder viel früher sehen können und müssen. Auchas ist eine beschämende Tatsache des heutigen Tages.
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Renate Künast
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Auf der Besuchertribüne sitzen Vertreterinnen undVertreter verschiedener Organisationen. Ich möchtegleich darauf zurückkommen.Herr Ziercke, der BKA-Chef, hat gesagt, bis zuletzthabe es keine Erkenntnisse über rechtsterroristischeStrukturen oder Anschlagsplanungen gegeben. Auchdazu sage ich: Man hätte wissen und sehen können. Wa-rum war der Nationalsozialistische Untergrund nicht be-kannt? Warum hat man nicht gesehen, dass es Geld-sammlungen gegeben hat? Überall waren V-Leute. Aberauch auf Musikveranstaltungen hat es Geldsammlungengegeben. Und niemand will es gesehen haben? Da wirdbei Demonstrationen mit großen Transparenten herum-gelaufen, auf denen „Nationalismus sucht Taten“ steht,aber niemand hat das gesehen. Überall waren V-Leute.Die Gruppe „Gigi & die braunen Stadtmusikanten“ ist2009 mit dem Lied vom „Döner-Killer“, wie es hieß, he-rausgekommen. Das ist eine beliebte Band. Dem Verfas-sungsschutz soll sie nicht bekannt sein? Aber wenigeTage nach dem Klarwerden dieser Vorfälle ist das Fern-sehen in der Lage, in einer Sendung Liveauftritte dieserGruppe zu zeigen. Wir sehen einen Text, in dem sich dieMusiker über diese Mordtaten freuen, indem sie diesesogenannten Döner-Killer sozusagen für ihren rechts-extremen Hass in ihre Szene einbeziehen. Die Botschaftin die Szene des Rechtsextremismus ist offensichtlichverstanden worden: Es waren Leute von ihnen, die Men-schen, die anders aussahen, ermordet haben. Aber derVerfassungsschutz will das nicht gesehen und nicht ge-hört haben. Das glaube ich nicht. Wenn man hätte sehenund wissen wollen, dann hätte man sehen und wissenkönnen. Das ist das Beschämende dieses Tages.
„Sehen und Hören“ hätte auch geheißen, das festzu-stellen, was die Amadeu-Antonio-Stiftung festgestellthat, nämlich 182 Todesopfer rassistischer oder rechts-extremer Gewalt seit 1990. Die Amadeu-Antonio-Stif-tung ist übrigens nach einem Mann benannt, der 1990nicht weit von hier, in Eberswalde, von rassistischen Ju-gendlichen zu Tode geprügelt wurde. Viele Fälle aus de-ren Liste tauchen in offiziellen Statistiken nicht auf: einedreiköpfige Familie aus Sri Lanka, die in Lampertheim ineinem brennenden Flüchtlingsheim umkam, ein 48-jähri-ger Homosexueller, Klaus-Peter B., der 1995 von Skin-heads in die Vils geworfen wurde und dort ertrank. Indem Urteil wird ausgeführt, dies sei an Scheußlichkeitund Menschenverachtung nicht zu überbieten und erin-nere an die düsteren Zeiten der deutschen Geschichte.Aber auch dieses Verbrechen ist nicht in der offiziellenStatistik enthalten.Schulklassen machen keine Ausflüge in bestimmteRegionen, weil man Sorge um das Leben der Kinder hat.Das sind „national befreite Zonen“ – so nennen esRechtsextreme –, wo Rechtsextreme die Vorherrschaftim Zentrum haben. Das alles hätte man sehen könnenund müssen.Deshalb brauchen wir jetzt eine vorbehaltlose, trans-parente und öffentliche Aufklärung. Wir wollen wissen,wnsdDsvsdkwDdihSngngnghnguohteVdZisMfeDtoatiVimdd
Dahinter steht dann auch die schonungslose, tabuloseebatte über die Frage: Wie weiter mit dem Verfas-ungsschutz? Ist es so, dass V-Männer geführt und mit soiel Geld ausgestattet werden, sodass das quasi eine in-titutionelle Projektförderung ist? Es kann nicht sein,ass jemand über Jahre hinweg 200 000 D-Mark be-ommt. Wie Horst Mahler immer sagt: Wir wissen doch,er V-Mann ist, und wir benutzen dieses Geld für uns. –as stört die gar nicht weiter. Es gibt V-Mann-Führer,ie besondere Vorkommnisse und ihr Wissen nicht anre Chefs, zum Beispiel die Innenminister, weiterleiten.chonungslose Aufklärung heißt auch, dass wir scho-ungslos schauen, wie der Sicherheitsbereich neu zu or-anisieren ist.
Zur aktuellen Aufklärung: Wenn ein hessischer In-enminister, weil der Generalbundesanwalt zum dorti-en Verfassungsschutz kommt, um Akteneinsicht zuehmen, von einem feindlichen Akt spricht, sage ichanz klar: Verfassungsschutzämter, die jetzt nicht mit-elfen, Bund und Länder gemeinsam zu einer scho-ungslosen Aufklärung und Offenlegung zu führen, be-ehen einen feindlichen Akt gegen unsere Verfassungnd Demokratie.
Wir lassen uns auch nicht auf sofortige Debatten ein,b man Ämter zusammenlegen sollte oder nicht. Wasilft uns die Zusammenlegung von zwei nicht gut arbei-nden Ämtern, die keine ordentliche Anweisung für die-Mann-Führung haben, oder was helfen uns Menschen,ie selber etwas rechts gesonnen sind? Wir wollen dieivilgesellschaft in die Aufklärung einbeziehen. Einest doch klar: Die Zivilgesellschaft und insbesondere dieitarbeiter der vielen Projekte gegen rechts wissen of-nsichtlich mehr, als der Verfassungsschutz je wusste.eshalb brauchen wir ein zivilgesellschaftliches Moni-ring.
Wir haben in unserem gemeinsamen Entschließungs-ntrag formuliert, dass zu prüfen ist – die Koalitionsfrak-onen wollten nicht mehr –, wo für Organisationen undereine, in denen Menschen seit Jahren auch ihr Leben Kampf gegen den Rechtsextremismus einsetzen, Hin-ernisse bestehen. Ich sage Ihnen: Wir wissen, wo Hin-ernisse sind.
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Renate Künast
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Die Extremismusklausel, wonach diejenigen, die gegenRechtsextreme kämpfen, selber erst erklären müssen,dass ihre Mitkämpfer auf dem Boden des Grundgesetzesstehen, ist nichts anderes als eine Anfeindung gegenüberden Betreffenden. Sie muss weg, weil sie das zentraleHindernis ist.
Die Kofinanzierung von 50 Prozent bei den Projektenmuss weg, Frau Schröder, weil sie ein Hindernis ist. Andieses Geld kommt man gar nicht heran. Ich frage an derStelle: Frau Bundesministerin Schröder, wo sind Sie ei-gentlich, wenn es entsprechend dem von Ihnen geleiste-ten Amtseid darum geht, jungen Menschen oder auchGeschäftsinhabern und Vereinen in diesem Land dieHand zu reichen und sie zu unterstützen? Bei Ihnen istein Mangel an Herzensbildung festzustellen, FrauSchröder,
ein Mangel an Herzensbildung, wenn es darum geht, sol-che Menschen zu unterstützen. Wir werden dazu einenAntrag stellen, der darauf abzielt, die bestehenden Hin-dernisse zu beseitigen, und darüber namentlich abstim-men lassen.
Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen.
Den Opfern sind wir aus Respekt schuldig, scho-
nungslos aufzuklären, es öffentlich darzulegen, dann zu
Strukturveränderungen zu kommen und alle Bürgerin-
nen und Bürger in diesem Land, die gegen rechts wirk-
lich beharrlich kämpfen, zu unterstützen. Der beste Ver-
fassungsschutz ist noch immer eine wachsame Gesell-
schaft, sind wachsame Bürgerinnen und Bürger.
Frau Kollegin Künast!
Eines sollten wir uns heute gegenseitig versprechen:
Diesmal darf es nicht so sein wie sonst, nämlich dass wir
uns aufregen und dann die Opfer vergessen. Ich sage Ih-
nen: „Nie wieder vergessen“ muss die Devise sein.
Hermann Gröhe ist der nächste Redner für die CDU/
CSU-Fraktion.
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as war in jeder Hinsicht unangemessen. Gerade weilh Ihr Gefühl der Fassungslosigkeit, der Trauer und derut teile, ist es unangemessen, hier in das parteipoliti-che Klein-Klein zu verfallen.
Frau Künast, wer diese Trauer mit billiger Polemikischt, der nimmt das Wort „Herzensbildung“ bessericht in den Mund; das war alles andere als überzeu-end.
Im Einzelnen. Herr Steinmeier sagte: Die links-xtreme Gefahr wurde aufgebauscht. – Es war der In-ensenator von Berlin, der im Frühjahr dieses Jahres an-esichts von Gewalttaten die Frage stellte, ob mannksextreme Gewaltbereitschaft unterschätzt habe – einozialdemokrat.Sie regen sich auf über die Bindung öffentlicher För-erung in der Extremismusbekämpfung an ein Bekennt-is zur Demokratie. Sie sollten einmal der Frage nachge-en, wer denn der Urheber solcher Mahnung an dieolitik auch im Bereich der Extremismusbekämpfungar. Es war der Staatssekretär Lutz Diwell im SPD-ge-hrten Innenministerium, der 2004 an alle Ministerien,brigens auch an das Bundeskanzleramt, Herr Steinmeier,
chrieb und erklärte, man müsse – er nahm dabei aus-rücklich Bezug auf staatliche Leistungen im Rahmener Extremismusbekämpfung – genauer darauf achten,ass durch diese Mittel nicht Gruppen finanziert werden,ie selbst extremistisch sind.
Ich zitiere aus diesem Schreiben von Herrn Diwell:Die Gewährung von Vorteilen an Organisationenund Personen, zu denen verfassungsschutzrelevanteErkenntnisse vorliegen, steht im Widerspruch zu ei-ner Strategie der ganzheitlichen Bekämpfung vonExtremismus und Terrorismus.
Sie steht nicht im Einklang mit der auf Stärkung derinneren Sicherheit gerichteten Politik der Bundes-regierung.
utz Diwell hat das allen geschrieben. Er hat angemahnt,och entschiedener vorzugehen. Jetzt regen Sie sich da-
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Hermann Gröhe
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rüber auf, dass wir der Überzeugung sind: Wer den Ex-tremismus bekämpft und dafür gefördert wird, der musssich auch unzweideutig zur Demokratie und zur Men-schenwürde bekennen.
Ich hätte mir in der Tat gewünscht – unser gemeinsa-mer Entschließungsantrag gibt die Grundlage dafür –,dass heute das Gemeinsame in der Abwehr des braunenTerrors im Vordergrund steht. Da muss an erster Stelledas Leid der Opfer stehen. Nach dem derzeitigen Standhat die Neonazi-Bande zehn Menschen getötet. Da istdas Leid der Angehörigen, die ihre Liebsten verloren ha-ben und die erfahren mussten, wie sie in schäbigsterWeise verhöhnt oder selbst ungerechtfertigten Verdächti-gungen ausgesetzt wurden. Wir müssen erfahren, dasseine Gruppe rechtsextremer Terroristen über Jahre un-entdeckt durch unser Land gezogen ist und eine Blutspurschrecklicher Mordtaten hinter sich hergezogen hat.Jedes menschliche Leben hat den gleichen unschätz-baren Wert. Wir trauern um jeden Menschen, gleich auswelchen Motiven er ermordet wird. Wir erwarten best-möglichen Schutz einer freiheitlichen Demokratie, zü-gige Aufklärung und angemessene Bestrafung solcherStraftaten.
Wo Menschen aufgrund von rechtsextremer Gesin-nung, Rassismus und Antisemitismus ermordet werden,gilt dieser Angriff – über die schreckliche Mordtat hi-naus – dem entscheidenden Eckpfeiler unserer demokra-tischen Ordnung, dem Bekenntnis zur gleichen Würdealler Menschen. Rechtsextremistische Verbrechen rich-ten sich daher immer auch gegen unser Gemeinweseninsgesamt. Sie richten sich gegen uns alle.
Über die entschiedene Strafverfolgung hinaus ist da-her eine politische Antwort von uns allen gefordert, unddie muss lauten: Brauner Terror ist eine Schande für un-ser Land. Wir treten diesem Terror mit ganzer Kraft undgemeinsam entgegen.
Wir sind uns alle einig: Die entsetzlichen Verbrechen,die jetzt offenbar wurden, sind lückenlos aufzuklären.Wir müssen aufklären, warum diese Verbrecherbandejahrelang weitgehend unentdeckt blieb und wo es dabeizu Versäumnissen bei den zuständigen Behörden gekom-men ist. Wir sind uns alle einig: Aus solchen Ermitt-lungsfehlern und aus einer unzureichenden Zusammen-arbeit, wo immer wir sie feststellen, müssen wir lernenund die richtigen Konsequenzen ziehen. Dazu gehörtauch eine aufmerksame Untersuchung aller Verbindun-gen zwischen rechtsextremer Politik und Parteien undrechtsterroristischer Gewalt. Deswegen gilt, dass imZuge dieser Ermittlungen auch die Erfolgsaussichten ei-nes erneuten NPD-Verbotsverfahrens zu prüfen sind.WbdAreEWhqzBininEgsKKsNhRdFmGwncwsMBkdzkGa
Es ist richtig, dass das Bundesinnenministerium undie Länder zügig handeln und beispielsweise mit einernti-Neonazi-Datei und einem Abwehrzentrum gegenchtsextremistische Gefahren zusammenführen, was anrkenntnissen offensichtlich nicht in ausreichendereise zusammengeführt wurde. Wo Fehler in Polizeibe-örden passiert sind, müssen sie aufgeklärt und Konse-uenzen gezogen werden.Ich sage aber auch: Wir stehen an der Seite der Poli-isten und Ermittlungsbehörden. 300 Polizisten ausund und Ländern ermitteln derzeit mit hohem Aufwand diesen schrecklichen Fällen. Wir stärken ihnen gerade dieser Zeit bewusst den Rücken.
Konsequenz ist jetzt gefragt; dazu gehört ein zügigesrmitteln. Das sind wir den Opfern und ihren Angehöri-en schuldig. Konsequenz ist dabei wichtiger als Laut-tärke oder Schnelligkeit; denn wir müssen die richtigenonsequenzen ziehen.
Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage der
ollegin Roth – und offenkundig die Bereitschaft Ihrer-
eits, sie zu akzeptieren.
Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN):
Danke, Herr Präsident. – Lieber Hermann Gröhe, du
ast gesagt: den Rücken stärken. – Ja, wir müssen den
ücken derer stärken, die Aufklärung leisten, aber auch
en Rücken derer, die in der Zivilgesellschaft gegen jede
orm von Rassismus, Rechtsextremismus, Antisemitis-
us und Islamophobie vorgehen.
Du hast davon gesprochen, dass man extremistischen
ruppen misstrauen muss. Da stimme ich dir zu. Aber
ie erklärst du dir dann, dass zum Beispiel DGB-Orga-
isationen oder Organisationen der evangelischen Kir-
he mit Anwendung der Extremismusklausel verdächtigt
erden, selbst nicht auf der Basis des Grundgesetzes zu
tehen? Wie erklärst du dir, dass viele Initiativen in
ecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Hessen,
ayern und Sachsen-Anhalt durch diese Extremismus-
lausel eher demotiviert worden sind und viele Projekte
arüber eingegangen sind? Ist das Rückenstärkung von
ivilgesellschaftlichem Engagement, das unsere Demo-
ratie so dringend braucht?
Ich antworte gerne auf diese Frage; denn sie gibt mirelegenheit, außerhalb meiner Redezeit etwas näheruszuführen, was ich ohnehin ausgeführt hätte, nämlich
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16770 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011
Hermann Gröhe
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dass es neben der Untersuchung der Sicherheitsbehördenund dem Ziehen von Konsequenzen aus Fehlern, die da-bei aufgedeckt werden, selbstverständlich darum gehenmuss, ein Klima der Ermutigung und der Stärkung füralle zu schaffen, die in der Zivilgesellschaft – häufig un-ter Inkaufnahme eigener Gefährdung – gegen rechts-extreme Gewalt vorgehen. Das steht in unserem gemein-samen Entschließungsantrag, und darin steht auch dieBereitschaft, über Hindernisse zu reden. Aber noch ein-mal: Ein Bekenntnis zur Demokratie
zur Grundlage für öffentliche Förderung zu machen, hatnichts mit einem Generalverdacht zu tun.
Das zu behaupten, ist eine Vereinfachung und bewussteVerängstigung.Wir reden mit den zivilgesellschaftlichen Gruppengerne darüber, wie wir ihnen in angemessener Weise hel-fen können. Wir haben zugesagt, dass entsprechendeProgramme in keiner Weise eine Kürzung erfahren. Abernoch einmal: Wo kommen wir eigentlich hin, wenn manschon unter Verdacht gestellt wird, nur weil man ein De-mokratiebekenntnis für angemessen hält? Das ist einemerkwürdige Verdächtigung.
Ich habe sehr deutlich gesagt: Wir sind zur Überprü-fung des NPD-Verbots und zur Überprüfung der V-Leutebereit. Aber da gilt es, genau hinzuschauen: Welche Er-kenntnisse verdanken wir ihnen – da gibt es nach dem,was wir jetzt wissen, sehr berechtigte Fragen –, und wogeht es darum, ein NPD-Verbot leichter herbeiführen zukönnen, indem wir die V-Leute abziehen bzw. abschal-ten, wie das dort genannt wird?
Lassen Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen
Beck zu?
Gerne.
Ich will nur zwischendurch den Hinweis geben: Wir
haben jetzt das Ende der vereinbarten Debattenzeit er-
reicht. Es stehen noch drei gemeldete Redner auf der
Liste, und es gibt eine Reihe von Kurzinterventionswün-
schen. Ich bitte, bei aller Bedeutung des Themas, die
weitere Tagesordnung nicht ganz aus dem Auge zu ver-
lieren und sich auf konzentrierte Bemerkungen zu be-
schränken. – Herr Kollege Beck.
Ich möchte die Debatte auf die Extremismusklausel,
die ja keine Demokratieerklärung im einfachen Sinne ist,
fokussieren.
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Kollege Beck, es ist schon bemerkenswert, dass Sieine Debatte vor einem solch erschütternden Hinter-rund dazu missbrauchen, jetzt weitere Lieblingsthemenu traktieren,
ie Ihre „Zuneigung“ zum Bund der Vertriebenen, derun wahrlich nichts damit zu tun hat.
Wir haben uns ausdrücklich zur Stärkung zivilgesell-chaftlicher Aktivitäten und zur Überprüfung etwaigerindernisse im Gespräch auch mit diesen Gruppen be-annt. Das gilt nach wie vor. Ich weise aber die Auffas-ung zurück, dass ein Bekenntnis zur Demokratie alsoraussetzung für öffentliche Förderung ein Generalver-acht hinsichtlich Extremismus ist.Ich habe deutlich gemacht, dass es eine rot-grüneundesregierung war – ich habe schon Herrn Diwell er-ähnt –, die unter ausdrücklichem Hinweis auf dashema Extremismusbekämpfung davor gewarnt hat,ass Mittel in falsche Kanäle gehen. Entsprechenderiefe sind auch bei Ihnen eingegangen.
ir reden darüber, aber wir sollten uns heute nicht inieser Weise einseitig an bestimmten Fragestellungenbarbeiten. Denn viel zu ernst ist das, was uns in ganzeutschland fordert.Mir liegt daran, zum Abschluss meines Beitrags eineseutlich zu machen: Auch wenn wir heute über diewickauer Terrorzelle reden, handelt es sich tatsächlichm ein Phänomen, das mit Taten – nicht nur in jüngstereit – einhergeht, die in Rostock, Hamburg, Dortmund,
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011 16771
Hermann Gröhe
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Kassel, Nürnberg, München, Heilbronn, vermutlich inKöln und Saarbrücken verübt wurden. Schon seit überzwei Jahrzehnten hat es in allen Regionen der Bundesre-publik Deutschland entsprechende Vorkommnisse gege-ben. Wir diskutieren derzeit öffentlich lediglich dieschlimmsten Fälle extremistischer Gewalt. Der Verfas-sungsschutz hat 2010 rund 16 000 rechtsextremistischeStraftaten registriert; das sind in etwa 40 pro Tag. Diesfordert uns als Politik und als Gesetzgeber, in der Polizeiund in der Zivilgesellschaft. Wir unterstützen diesenKampf gegen Rechtsextremismus nach Kräften. Wir ste-hen für diesen gemeinsamen Antrag.Herzlichen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Thomas Oppermann
für die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir ste-
hen erst am Beginn der Aufklärung dieser Verbrechen.
Wir können aber schon jetzt sagen – es ist ein durch und
durch deprimierender Befund –: Die deutschen Sicher-
heitsbehörden haben es den rechten Terroristen einfach
gemacht, diese Morde zu begehen. Das ist das Ergebnis
einer systematischen Unterschätzung des Rechtsextre-
mismus in Deutschland. Wir müssen uns fragen: Was ist
eigentlich der Kern dieser Fehleinschätzung? Wer das
erkennen will, der muss sich die Entstehungsgeschichte
dieser Terrorgruppe genau anschauen.
Der Nationalsozialistische Untergrund ist entstanden
in der Neonazi-Szene, in der freien Szene. Er ist entstan-
den aus rechtsextremen Kameradschaften, aus der Sek-
tion des sogenannten Thüringer Heimatschutzes. Das
heißt, es ist genau das passiert, was die Verfassungs-
schutzbehörden ausgeschlossen hatten, nämlich dass bei
den rechtsextremen Kameradschaften die aggressive Ge-
walt und die menschenverachtende Ideologie in rechten
Terror umschlagen können. Wenn das aber so ist, dann
können wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.
Wenn diese Kameradschaften hochgefährlich sind, dann
brauchen wir jetzt eine härtere Gangart gegenüber diesen
Kameradschaften.
Es gibt in Deutschland 5 000 bis 6 000 Neonazis. Ins-
gesamt gibt es über 9 000 gewaltbereite Rechtsextremis-
ten. Es ist nach meinem Verständnis die Aufgabe des
Staates, die Menschen vor diesen Rechtsextremisten zu
schützen. Deshalb, Herr Bundesinnenminister Friedrich,
habe ich die Bitte an Sie, jetzt gemeinsam mit Ihren Kol-
legen in den Ländern ein Konzept zu entwickeln, wie der
Fahndungs- und Beobachtungsdruck auf potenzielle
neonazistische Gewalttäter in Deutschland massiv er-
höht werden kann.
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ir brauchen mehr Polizeipräsenz in den Regionen, in
enen diese Personen auf dem Vormarsch sind und glau-
en, den Ton angeben zu können.
Als Anfang der 60er-Jahre die schwarzen Kinder in
tlanta nicht zur Schule gehen konnten, weil Rassisten
as verhindert haben, da hat der amerikanische Präsident
ie Nationalgarde in die Stadt geschickt, und sie ist dort
o lange geblieben, bis die Kinder wieder zur Schule ge-
en konnten. So muss jetzt der deutsche Staat in den Re-
ionen handeln, in denen Rechtsextreme glauben, das
ommando übernommen zu haben.
Zu einer härteren Gangart gegen rechts gehört aber
uch, dass wir jetzt wieder ein NPD-Verbotsverfahren in
ang bringen. Die Bundeskanzlerin hat zugesagt, das zu
rüfen. Ich gehe davon aus, dass das nicht nur eine takti-
che Äußerung war, um auf das Entsetzen zu reagieren,
ondern dass es ernst gemeint war. Die NPD ist eine ver-
ssungsfeindliche Partei. Die NPD ist ausländerfeind-
ch. Sie ist antisemitisch, antidemokratisch und in Tei-
n gewaltbereit. Es gibt nicht den geringsten Zweifel
aran, dass diese Partei verfassungsfeindlich ist. Ich sage
anz klar: Wir brauchen keine V-Leute, um diesen Be-
nd belegen zu können.
Herr Kollege Oppermann, darf der Kollege Hartmann
nen eine Zwischenfrage stellen?
Ja.
Herr Kollege Oppermann, ich bitte um Verständnis
r die Unterbrechung Ihrer Rede. Aber sind Sie nicht
it mir der Meinung, dass angesichts der sehr passenden
orte unseres Bundestagspräsidenten und angesichts
er Dramatik der Debatte, die wir insgesamt zu führen
aben, der Bundesinnenminister gefälligst von Anfang
is Ende an dieser Debatte teilzunehmen hätte?
Das wäre wünschenswert; denn ich glaube, es kommttzt darauf an, dass wir ein gemeinsames Verständnison der Gefährlichkeit der NPD entwickeln. Auch derundesinnenminister muss erkennen, dass die NPD nichtgendeine legale Partei ist; die NPD ist als legale Parteier legale Arm einer Vielzahl von rechtsextremistischen,ewalttätigen, illegalen Gruppen in diesem Land. Wirüssen den Gesamtkomplex sehen; auch Herr Friedrichuss ihn sehen.
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16772 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011
Thomas Oppermann
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Frau Justizministerin, Sie haben davon gesprochen,dass die V-Leute ein Verfahrenshindernis sind. Das istso. Aber es kann doch nicht sein, dass wir, der demokra-tische Staat, in einer verfassungsfeindlichen Partei Ver-fahrenshindernisse platzieren. Die V-Leute in der NPDdürfen doch jetzt nicht zu einer Entwicklungs- und Be-standsgarantie für diese rechtsextreme Partei werden.
Ein NPD-Verbot fällt nicht vom Himmel; es musshart erarbeitet werden. Die Arbeit muss sofort beginnen.Wir brauchen jetzt einen Masterplan für ein neues Ver-botsverfahren. Wir brauchen einen Plan, wie die V-Leuteaus dieser Partei systematisch abgezogen werden.Ich will gerne einräumen, dass ein kluger, dosierterEinsatz von V-Leuten in gewalttätigen Gruppen außer-halb der NPD durchaus auch in Zukunft notwendig ist.Aber es ist doch nicht hinnehmbar, wenn an der Spitzerechtsextremistischer Organisationen hasserfüllte neona-zistische Gewalttäter stehen und dann auch noch vomStaat finanziert werden.
So war es beim „Thüringer Heimatschutz“.Wenn sich jetzt bei den Ermittlungen herausstellensollte, dass staatliche Zuwendungen am Ende dazu bei-getragen haben, dass diese Terrorgruppe in den erstenMonaten nach dem Untertauchen ihr Leben im Unter-grund finanzieren konnte, dann wäre das der größte an-zunehmende Unfall für unseren Rechtsstaat; denn dannhätte am Ende der Staat selber mit dazu beigetragen,dass diese schrecklichen Verbrechen möglich gewordensind. Deshalb sage ich ganz klar: Wir müssen das Sys-tem der V-Leute im deutschen Verfassungsschutz und inden Nachrichtendiensten generell überdenken. Im Zwei-fel müssen wir uns gegen die V-Leute und für denRechtsstaat, für die Demokratie entscheiden.
Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.
Ich will eine Schlussbemerkung machen, Herr Präsi-
dent. – Erstens. Kein Bundesamt kann den stärksten Ver-
fassungsschutz bieten. Den stärksten Verfassungsschutz
kann nur eine wachsame, aktive demokratische Zivilge-
sellschaft bieten. Deshalb noch einmal: Die Aktivitäten
aus dieser Zivilgesellschaft dürfen nicht gegängelt, sie
müssen gefördert werden, und sie müssen ermuntert
werden.
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Das Wort erhält jetzt der Kollege Christian Lindner
r die FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!ie schockierenden Informationen, die uns dieser Tagerreichen, stellen vielleicht zu bequeme Gewissheitenfrage. Wir hätten es uns vermutlich alle nicht vorstel-n können, dass über Jahre Mitmenschen aus rassisti-cher Ideologie heraus ermordet werden, ohne dassechtsterrorismus als Motiv überhaupt in Erwägung ge-ogen wird. Wir hätten es uns nicht vorstellen können,ass in Deutschland Gewalttäter mitten unter uns überahre im Untergrund leben können. Wir hätten uns nichtorstellen können, dass die Sicherheitsbehörden vonund und Ländern über Jahre systematisch versagt ha-en.Diese unbequemen Gewissheiten müssen wir nun zurenntnis nehmen. Wir müssen zur Kenntnis nehmen,ass es ein systematisches Versagen von Sicherheitsbe-örden gegeben hat und dass wir alle umdenken müssen.Der Schock des Augenblicks darf aber nicht zu re-exhaften Reaktionen führen. Erst recht ist er nicht An-ss für parteipolitisches Klein-Klein.
h habe mich doch sehr wundern müssen über diechärfe des Tons von Herrn Steinmeier und auch zuletzton Herrn Oppermann. Wir wollen es zumindest einmalährend dieser Debatte gesagt haben: Die Mehrzahl derälle fiel in die Verantwortungszeit von Otto Schily.uch Ihre einfachen Rezepte haben nicht funktioniert.
eshalb sind wir gemeinsam vor Verantwortung und He-usforderungen gestellt. Ich hätte mir gewünscht, dassiese Gemeinsamkeit in Bezug auf die Herausforderung dieser Debatte stärker zum Ausdruck gekommenäre.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011 16773
Christian Lindner
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Die Morde haben das Vertrauen in unseren Rechts-staat erschüttert. Gerade die Millionen Menschen mit ei-ner Zuwanderungsgeschichte, die zufällig zu Opfernhätten werden können, müssen sich fragen, ob sie hinrei-chend geschützt werden. Jeder in Deutschland hat dasRecht, in Frieden und Freiheit zu leben. Deshalb habenwir als Gemeinschaft der Demokraten die Pflicht, dasRecht mit Mitteln des Rechtsstaats zu verteidigen. DieVerantwortung des Staates und unsere Scham angesichtsseines Versagens hat die Bundesjustizministerin dadurchzum Ausdruck gebracht, dass sie jetzt schnell und unbü-rokratisch eine Opferentschädigung ermöglicht hat. Da-für, Frau Justizministerin, gehört Ihnen der Dank desganzen Hauses.
Wir müssen die Sicherheitsarchitektur in Deutschlandin den Blick nehmen. Die föderale Struktur hat ihre Stär-ken; im Bereich der Sicherheitspolitik – das haben wirgesehen – hat sie sich allerdings nicht bewährt. Wir müs-sen den Rechtsstaat so effizient machen, dass er trotz-dem weiter dem Recht unterworfen bleibt. Für uns ist eseine Lehre der Geschichte, dass Geheimdienstarbeit undPolizei getrennt bleiben. Für uns ist es eine Lehre derGeschichte, dass der Rechtsstaat selbst an das Recht undden Schutz der Privatheit der Menschen gebunden ist.Deshalb heiligt auch jetzt nicht der Zweck die Mittel.Auf Rechtsstaatlichkeit, auch bei den Reaktionen, wer-den wir bestehen.
Ein letzter Gedanke, Herr Präsident, ich habe die Uhrgesehen. – Wir führen eine Debatte über ein Verbot derNPD. Fraglos ist diese Partei verfassungsfeindlich. De-mokraten dürfen sich aber nicht hinter dem Verbot einerPartei verstecken. Die eigentliche Aufgabe ist nämlicheine andere: Die NPD spricht inzwischen von einem bür-gerlichen, einem seriösen Radikalismus. Sie infiltriertdie soziale Infrastruktur in manchen LandschaftenDeutschlands. Da ist unsere Herausforderung als Demo-kraten, uns dem Umfeld und den Sympathisanten derNPD und aller anderen Extremisten entgegenzustellen.Dafür wird die Koalition die Mittel für eine wehrhafteDemokratie in der Haushaltsplanung wieder erhöhen.Wir können auch über Hürden sprechen, die Sie bei derFörderung beklagt haben. Trotzdem muss eines für unsklar sein: Die Demokratie verteidigen, das können wirnur mit Demokraten.Ich danke Ihnen.
Alexander Dobrindt ist für die CDU/CSU der letzte
Redner zu diesem Tagesordnungspunkt.
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Umso unverständlicher ist es, dass Sie, Herrteinmeier, die Gelegenheit nutzen wollen, um eine par-ipolitische Diskussion über linken und rechten Extre-ismus aufzumachen. Sie wollen offensichtlich einearteipolitische Diskussion darüber führen, wer oderas diesem Land und den Menschen wie schadet. Ichann Ihnen an dieser Stelle sagen: Wir treten gegen jedert von Extremismus an. Wir bekämpfen jede Art vonxtremismus.
ir haben erwartet, dass in diesem Entschließungs-ntrag ein Schulterschluss aller gegen den Rechtsextre-
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16774 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011
Alexander Dobrindt
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mismus formuliert wird, so wie dieser jetzt enthalten ist.Deswegen: Bitte unterlassen Sie an dieser Stelle einfachIhre Schwachheiten, um anderen zu unterstellen, siewürden wegschauen. In dieser Debatte ist kein Platz fürIhre parteiideologische Selbstfindung. Lassen Sie dieseUnterstellungen. Das verbietet sich hier für Demokraten.
Wir sind schockiert über die skrupellosen Taten derrechtsradikalen Bande, die glaubte, dass sie sich raubendund mordend außerhalb des demokratischen Rechtsstaa-tes bewegen kann, dass sie sich über den demokratischenRechtsstaat stellen kann. Darüber, dass man solchen Tä-tern nur mit der Stärkung des zivilgesellschaftlichenEngagements begegnen kann, sind wir uns einig.Ich denke, auch darüber, dass die Ermittlungsarbeitmit voller Härte geführt werden muss, herrscht in vielfa-cher Hinsicht Einigkeit. Das heißt, dass wir uns durchausauch über die Frage des Verfassungsschutzes und derV-Männer unterhalten können. Wir können uns Gedan-ken darüber machen, ob und wie sie ihre Arbeit erledi-gen und welche Erkenntnisse sie uns bringen. Aber wirkönnen uns nicht darüber unterhalten, ob sie grundsätz-lich sinnvoll sind, weil es nun einmal die Aufgabe desVerfassungsschutzes ist, Auskünfte, Nachrichten undUnterlagen darüber zu sammeln, ob es Bestrebungengibt, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundord-nung in unserem Land gerichtet sind, ob es in unsererGesellschaft das Bestreben gibt, das friedliche Zusam-menleben zu untergraben. Deswegen sollten wir daraufachten, dass wir uns als Staat nicht blind machen, indemalle Verfassungsschützer und alle V-Leute an dieserStelle abgezogen werden. Wir müssen auch dafür sorgen– auch das ist unsere Verantwortung –, dass sich dieseExtremisten nicht auf einmal sicher fühlen, weil sie dasGefühl haben, der Staat beobachte sie nicht mehr mitseinen V-Leuten.Meine Damen und Herren, wir müssen festhalten:Jegliche Unterstützung extremistischen oder fundamen-talistischen Gedankenguts bedeutet eine Absage an dieDemokratie, an die Würde und an die Freiheit der Men-schen. Die Extremisten suchen immer nach irgendeinerArt von Sündenbock, manchmal laut auf der Straße,wenn sie in Städten, Kommunen oder Gemeinden auf-marschieren. Ganz viele Gruppen nehmen das zur Gele-genheit, sich aktiv zur Wehr zu setzen; diese Gruppenhaben unsere Unterstützung.Manchmal agieren die Extremisten aber klammheim-lich: zu Hause oder mit modernen Kommunikationsme-thoden. Deswegen müssen wir auch darüber reden, inwelcher Art und Weise sich radikale Elemente des Inter-nets bemächtigen. Wir können alle feststellen, dassVolksverhetzung, dass der Aufruf zu Straftaten heuteauch im Internet erfolgt. Dagegen kann man nur dannwirksam vorgehen, wenn man einen erweiterten Zugriffauf diese Daten bekommt. Deswegen müssen wir eineDebatte auch darüber führen, was notwendig ist. Wirwollen keine flächendeckende Kontrolle über die Inter-netdienste, aber wir wollen im Zweifelsfall aufklärenkcpvdGwnmdreücmwndaNaRDdsduNlatidwwIcw
Es klingt immer selbstverständlich, wenn man sagt,ass die Wahrung unserer freiheitlich-demokratischenrundordnung uns alle angeht. Aber der Grundsatz derehrhaften Demokratie beschreibt auch eine Forderung,ämlich dass die Bürger in die Lage versetzt werdenüssen, ihre freiheitliche Ordnung zu verteidigen, undass sie sich aktiv gegen den Missbrauch der Grund-chte stellen dürfen. Karl Popper hat das einmal, als erber das Konzept der wehrhaften Demokratie gespro-hen hat, mit einer Abwehr gegen den politischen Extre-ismus beschrieben. Er hat es so formuliert:Wenn wir die unbeschränkte Toleranz sogar auf dieIntoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind,eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die An-griffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werdendie Toleranten vernichtet werden und die Toleranzmit ihnen.Meine Damen und Herren, das heißt natürlich, dassir denjenigen, die aktiv gegen unsere Gesellschaftsord-ung antreten, die ideologische Basis und den Nährbo-en entziehen müssen. Deswegen ist es richtig, jetztuch darüber nachzudenken und zu prüfen, wie einPD-Verbotsverfahren aussehen kann. Wir haben auchn dieser Stelle die Pflicht, dafür zu sorgen, dass sich derechtsstaat nicht zur Beute seiner Bekämpfer macht.eswegen müssen wir die Grundlagen dafür schaffen,ass am Schluss ein NPD-Verbotsverfahren erfolgreichein kann. Wir haben dies 2000 mit initiiert.
Herr Kollege Dobrindt, wollen Sie noch eine Frage
es Kollegen Ströbele beantworten? Ihre Redezeit ist
m.
Ich beantworte die Frage gerne.
Herr Kollege Ströbele, bitte schön.
Danke, Herr Präsident, dass Sie die Frage noch zuge-ssen haben.Herr Kollege, Sie sprechen von wehrhafter Demokra-e und haben schöne Zitate gebracht. Ich erinnere mich,ass bereits vor zehn, zwölf Jahren eine ähnliche Wort-ahl, ähnliche Zitate im Deutschen Bundestag zu hörenaren.
h höre den ganzen Vormittag die Empörung darüber,as jetzt deutlich geworden ist, nämlich dass es einen
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011 16775
Hans-Christian Ströbele
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aggressiven rechtsradikalen Terrorismus in Deutschlandgibt. Wir vergessen dabei, dass es auch in den 90er-Jah-ren terroristische Anschläge in Deutschland gegeben hat.Ich erinnere an Hoyerswerda, an Rostock, an Mölln undan Solingen. Das waren schlimmste terroristische Taten.
Haben Sie eine Erklärung dafür, warum nach dieserEmpörung, die einige Jahre angedauert hat, die Geldergekürzt wurden, das Interesse schwand, die Aufmerk-samkeit bei den Ermittlungsbehörden und Verfassungs-schutzbehörden nachgelassen hat? Plötzlich wollte mandas nicht mehr wahrhaben. In allen Verfassungsschutz-berichten der letzten Jahre steht der zentrale Satz: Eineterroristische rechtsextreme Gefahr gibt es nicht. – Dasheißt, wenn wir nicht immer wieder wohlfeile Wortebringen wollen, –
Herr Ströbele, ich glaube, die Frage ist angekommen.
– dann müssen wir irgendwann die Frage beantwor-
ten, wie wir uns kontinuierlich und ohne die Vergangen-
heit zu leugnen gegen solche Erscheinungen, gegen sol-
chen Terrorismus auf den Straßen und in den Lokalen
zur Wehr setzen können. Haben Sie darauf eine Ant-
wort?
Herr Ströbele, unterlassen Sie doch an dieser Stelle
den Versuch, einen Schwarzen Peter durch den Saal zu
schieben. Herr Ströbele, wir haben uns wie kein anderes
Land in Europa in den vergangenen Jahrzehnten mit um-
fangreichen finanziellen Mitteln dafür eingesetzt, um ge-
gen extremistische Gewalt, gegen Rechts- und gegen
Linksextremismus, gegen alles, was dieser Gesellschaft
massiv schadet, zu mobilisieren.
Das macht die Einigkeit an dieser Stelle aus, die uns
große Anerkennung in der Welt gebracht hat. Wer heute
in solch einer Stunde im Deutschen Bundestag den Ver-
such unternimmt, den Schwarzen Peter in einem Klein-
Klein zwischen den politischen Parteien hin und her zu
schieben und zu fragen,
wo man im Detail etwas anders machen könnte, der be-
geht einen großen Fehler; denn er kündigt die Einigkeit
auf, wenn es darum geht, sich gegen Extremisten in die-
sem Lande zu wehren, Herr Ströbele.
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Für eine letzte Kurzintervention erhält der Kollege
öhlinger das Wort. – Bitte schön.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine Damen underren! Die Stadt Jena ist in den vergangenen Wocheniederholt als Ausgangspunkt des Terrorismus der rech-n Szene genannt worden. Ich bin in der Zeit von 1990is 2006 Oberbürgermeister dieser Stadt gewesen undann Folgendes sagen: Ja, es gab dort von Beginn der0er-Jahre an Ausländerfeindlichkeit. Wir hatten in zu-ehmendem Maße auch mit Rechtsextremismus zu tun.ber wir haben auf der Grundlage des Rechtsstaates ver-ucht, Versammlungen und Demonstrationen von rechtsu verhindern, häufig durch eine Gegendemonstration.ir haben gesagt: Die Straße gehört uns, den Bürgern,en Familien, der Universität, der Wirtschaft usw. Dast uns gelungen. Aber wir hatten nicht damit gerechnet,ass wir es mit Mördern und Terroristen zu tun haben,ie sich nicht scheuen, das Leben anderer infrage zu stel-n.Ich habe in der vergangenen Woche mit einem dererhandlungsführer gesprochen, der mir Folgendes ge-agt hat: Ich bin manchmal mit großer Sorge nach Hauseegangen. Unter anderem hat einer von denen, die zuieser Szene gehörten und heute noch leben, zu mir ge-agt: Herr Pfeiffer, warum quälen Sie uns? Sie habenoch zwei nette kleine Kinder. – Ich will Ihnen damiteutlich machen, unter welchem Druck die Kommunentehen. Wir haben uns gemeinsam mit der Polizei undit der Justiz auf den Weg gemacht und haben, so glau-en wir, Schlimmeres verhindert. Tatsächlich sind dieseombenleger ja aus Jena weggegangen, vielleicht auchor dem Hintergrund, dass sie sich beobachtet fühltennd das Netzwerk in Jena nicht spannen konnten. Wiraren damit nicht zufrieden, sondern haben auch in denachbarstädten, zum Beispiel in Gera, in Rudolstadt undnderen, an den Demonstrationen gegen rechts teilge-ommen.Ich will damit sagen: Unter den Städten, zum Beispieluch Dresden, gibt es eine Solidarität in diesen Dingen.eswegen unterstütze ich diese Erklärung zur Stärkunger Zivilgesellschaft, die wir heute gehört haben. Wir
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Dr. Peter Röhlinger
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können nicht alles auf den Staat verlagern. Wichtig ist,die Zivilgesellschaft zu stärken, sie sensibel zu haltenund nicht die Gleichgültigkeit, das Wegsehen zu unter-stützen. Sensibilität muss weiter unterstützt werden, da-mit uns die Zivilgesellschaft mit der Unterstützung desStaates vor solchen Dingen künftig bewahren kann.Danke.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zu dem gemeinsamen Entschließungs-antrag aller Fraktionen auf der Drucksache 17/7771.Hierzu liegt mir eine schriftliche Erklärung zur Ab-stimmung des Kollegen Hunko von der Fraktion DieLinke vor.1)Wer stimmt für den gerade aufgerufenen gemeinsa-men Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? –Wer enthält sich? – Damit ist dieser Entschließungsan-trag einstimmig angenommen. Ich bedanke mich.
Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte II a und b auf:a) Zweite Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über dieFeststellung des Bundeshaushaltsplans für dasHaushaltsjahr 2012
– Drucksachen 17/6600, 17/6602 –b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haus-haltsausschusses zu der Unterrich-tung durch die BundesregierungFinanzplan des Bundes 2011 bis 2015– Drucksachen 17/6601, 17/6602, 17/7126 –Berichterstattung:Abgeordnete Norbert BarthleCarsten Schneider
Otto FrickeDr. Gesine LötzschPriska Hinz
Wir kommen nun zur Beratung der Einzelpläne, undzwar zunächst zur Beratung der drei Einzelpläne, zu de-nen keine Aussprache vorgesehen ist.
– Ich bitte darum, wieder Platz zu nehmen, damit wir zuden Abstimmungen über die Einzelpläne, die ohne Aus-sprache zur Abstimmung stehen, kommen können.Ich rufe zunächst den Tagesordnungspunkt II.1 auf:Einzelplan 01Bundespräsident und Bundespräsidialamt– Drucksachen 17/7101, 17/7123 –insmAdmGGAuhea1) Anlage 2
Bundesministerium der Finanzen– Drucksachen 17/7108, 17/7123 –Berichterstattung:Abgeordnete Norbert BrackmannCarsten Schneider
Otto FrickeDr. Gesine LötzschDr. Tobias Lindner
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011 16777
Präsident Dr. Norbert Lammert
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b) Einzelplan 20Bundesrechnungshof– Drucksachen 17/7123, 17/7124 –Berichterstattung:Abgeordnete Rüdiger KruseBernhard Brinkmann
Dr. Claudia WintersteinMichael LeutertSven-Christian KindlerNach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache zu diesen beiden Einzelplänen 90 Minu-ten vorgesehen. Können wir so verfahren? – Das ist of-fensichtlich der Fall. Dann ist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort demKollegen Carsten Schneider für die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wirbeginnen die Debatte über den Bundeshaushalt 2012,wie ihn der Haushaltsausschuss vor zwei Wochen be-schlossen hat.Wir befinden uns im zweiten Jahr der schwarz-gelbenKoalition
in einem europäischen Umfeld, das durch eine kritischeSituation der Staatsfinanzierung – darum geht es ja beimBundeshaushalt – gekennzeichnet ist, in einem Umfeld,in dem Länder mit hoher Verschuldung Probleme haben,sich dauerhaft am Kapitalmarkt zu refinanzieren, und ineinem Umfeld, in dem der Fraktionsvorsitzende derCDU/CSU Deutschland als fiskalisches Vorbild fürEuropa gepriesen hat. Er tat das auf dem Leipziger Par-teitag mit folgenden Sätzen:Wir spüren, dass wir dieses Europa in eine neueZeit führen müssen.Weiter sagte er:Auf einmal wird in Europa Deutsch gesprochen.Er forderte einheitliche Prinzipien der EU: Schulden-bremse, Haushaltsdisziplin und stärkere Kontrolle.Abgesehen von dem diplomatischen Geschmäckle– ich hätte so nicht formuliert – schließe ich daraus, dasssich die Bundesregierung als Vorreiter für Solidität inEuropa sieht. Ich frage mich natürlich: Stimmt das? Inganz Europa wird gekürzt, gespart, und die Defizite wer-den reduziert. Was ist die Situation in Deutschland?Wenn ich mir den Haushalt 2012 ansehe, dann erkenneich: In Deutschland werden die Defizite beim Bund – dieVerantwortung dafür tragen Sie – nicht reduziert, son-dern erhöht und ausgeweitet.
–gb–ddDmh2mfigWdwwnlazksngSlagghDaalesSSbzgdnfowbh
2 oder 26?Mit dieser Entscheidung, sehr geehrter Herr Finanz-inister, liebe schwarz-gelbe Koalition, haben Sie jedenanzpolitische Autorität in Europa verwirkt. Das Ge-enteil ist der Fall.
er in Europa Wasser predigt und zu Hause Wein trinkt,er muss sich nicht wundern, wenn seine Autorität ver-irkt ist und wenn letztendlich nicht mehr auf ihn gehörtird. Sie tun das insbesondere vor dem Hintergrund ei-er ausgezeichneten konjunkturellen Lage in Deutsch-nd.Verglichen mit den Planungen 2009/2010 ist das Defi-it gering; das will ich zugestehen. Für 2011 wurde mitnapp 48 Milliarden Euro geplant, im Ist sind es voraus-ichtlich 22 Milliarden Euro im Jahre 2011. Die Frage istur: Warum ist es von 2010 auf 2011 gesunken? Das istanz einfach: Weil die Konjunktur brummt, weil wirteuermehreinnahmen haben, weil die Leute in Deutsch-nd fleißig sind, weil wir gute Unternehmen und einenuten Mittelstand sowie ein gutes Handwerk haben, stei-en die Steuereinnahmen, sinkt die Arbeitslosigkeit undaben wir mehr in der Kasse und weniger Ausgaben.as ist der Grund, warum das Defizit sinkt. Das sindber Selbstläufer, das sind automatische Stabilisatoren,n denen Sie keinerlei Anteil haben.
Vor eineinhalb Jahren haben Sie ein Sparpaket vorge-gt. Wir als Sozialdemokraten haben hier immer kriti-iert, dass es dadurch zu einer ganz eindeutigen sozialenchieflage kommt; denn von den 80 Milliarden Euro, dieie über einen Zeitraum von vier Jahren sparen wollten,etrafen 40 Milliarden Euro nur den Sozialbereich: Kür-ungen beim Elterngeld, Kürzung beim Arbeitslosen-eld II – Stichwort „Rentenversicherung“ – etc. Alle an-eren Maßnahmen sind mittlerweile versandet. Ichenne hier nur einmal die ambitionierte Bundeswehrre-rm und die Finanztransaktionsteuer, die Sie einführenollten, wozu Sie Ihren Koalitionspartner aber nichtewegen können. Das Einzige, was von dem vor einein-alb Jahren mit brachialer Rhetorik angekündigten Spar-
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Carsten Schneider
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paket übrig geblieben ist, sind die Kürzungen im Sozial-bereich in Höhe von 40 Milliarden Euro. Alles andere istweg. Hier zeigt sich, dass Sie das soziale Gewissen inDeutschland nicht mehr verkörpern.
In Ihrem Koalitionsvertrag steht:Wir stellen den Mut zur Zukunft der Verzagtheitentgegen.
Ich weiß nicht, ob Sie ab und zu einmal den Koalitions-vertrag lesen. Ich schaue manchmal hinein und verglei-che. Mit Blick auf die Haushaltsberatungen kann ich nursagen: Sie sind so etwas von verzagt. Daher müsste esheißen: Mit unserer Verzagtheit stellen wir uns dem Mutzur Zukunft entgegen.
Ihre Etatplanung ist voller Löcher. Nehmen Sie nureinmal die Beschlüsse des Koalitionsausschusses vonvor drei Wochen. Bei Ihnen hat zwar alles nur eine ge-ringe Halbwertszeit, aber ich versuche, das einiger-maßen ernst zu nehmen. Sie haben schon Beschlüsse fürdie Jahre 2013 und 2014 gefasst. Wir sind allerdingsnoch im Jahre 2011. Daher frage ich mich: Warum mussman das jetzt schon beschließen? Aber bitte schön! BeiIhnen ist schon jetzt Weihnachten. Im Juni feiern Sieschon Weihnachten. Sie verteilen Geschenke für dienächste Legislaturperiode, die dann andere zu bezahlenhaben, aber okay.Sie haben beschlossen, die Steuern zu senken, undzwar im Volumen von 6 Milliarden Euro, davon betref-fen 4 Milliarden den Bund. Sie haben beschlossen, einBetreuungsgeld in Höhe von 2 Milliarden Euro für Män-ner oder Frauen einzuführen, die zu Hause bleiben undihre Kinder erziehen.
Makroökonomisch sinnvoll wäre zwar, die Arbeitskräftegerade jetzt zur Verfügung zu haben und angesichts derdemografischen Entwicklung in den Kitaausbau zu in-vestieren, aber das sei einmal dahingestellt. Ihre Politikführt jedoch dazu – ich zeige Ihnen die Grafik noch ein-mal –, dass die im Jahre 2014 von Ihnen geplante Kredit-aufnahme von 18 Milliarden Euro um 6 Milliarden EuroKoalitionskitt steigen wird. Hinzu kommt, dass darinnoch eine globale Minderausgabe von 5 Milliarden Euroenthalten ist. Das heißt, nach jetziger Planung haben Sieein Defizit, optimistisch geschätzt, von knapp 30 Mil-liarden Euro: 22 Milliarden Euro in 2011, 30 MilliardenEuro in 2014. Meine sehr verehrten Damen und Herren,Sie sind finanzpolitisch gescheitert!
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Wenn das nicht so bitter wäre, könnte man mit Humorarüber hinwegsehen. Aber wir haben derzeit in Europaine Existenzkrise. Statt Ihrer Vorbildfunktion nachzu-ommen – Sie wollen die Schuldenbremse exportieren,lle anderen sollen sie implementieren; ganz abgesehenavon, dass Sie, liebe FDP, damals nicht zugestimmt ha-en –, weichen Sie die Schuldenbremse in Deutschlanduf.
ie setzen die Regeln nicht so um, wie sie der Deutscheundestag beschlossen hat und wie es dem Geist des Ge-etzes angemessen wäre. Das sagen Ihnen der Bundes-chnungshof, der Sachverständigenrat und auch dieeutsche Bundesbank. Sie veranschlagen 50 Milliardenuro – das werden wir im März 2012 sehen – als höherereditaufnahme, sodass Sie die Möglichkeit haben,gendwann weitere Steuersenkungen zu finanzieren.er so handelt, der wird der Verantwortung Deutsch-nds und auch seiner Führungsrolle in Europa über-aupt nicht gerecht.
Wir Sozialdemokraten setzen dem einen Pakt für Bil-ung und Entschuldung entgegen. Mit den Vorschlägen,ie wir hier präsentieren und auf die ich eingehen werde,alten wir die Schuldenbremse nach genauer Anwen-ung der Regelungen ein. Wir kommen damit in diesemahr auf eine Kreditaufnahme von 20 Milliarden Euro.ir schaffen Vorsorge in Höhe von 1,5 Milliarden Euror mögliche Ausfälle bei den internationalen Krediten,um Beispiel für Griechenland.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011 16779
Carsten Schneider
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Vorsorge bei Ihnen: Null! Sie fahren sehenden Augesmit Vollgas auf eine Wand zu. Sie wissen noch nicht ein-mal, wie Sie in diesem Fall reagieren sollen. Das istabenteuerlich! Das ist nicht nach Art der schwäbischenHausfrau! Das ist letztendlich eine Vollkaskoversiche-rung. Es bedeutet, dass der Bund am Ende zahlt und dieSteuerzahler in der Zukunft, wenn die Steuereinnahmennicht mehr so sprudeln wie bisher, mit höheren Zinsenbelastet werden.Ich glaube, es ist logisch und entspricht der ökonomi-schen Theorie: Man muss als Staat auch in schlechtenZeiten handeln können. Wir haben das 2009 im Rahmender Konjunkturprogramme getan. Man muss zusätzlichinvestieren und die automatischen Stabilisatoren waltenlassen.
– Sie haben damals nicht zugestimmt, sehr geehrter HerrFricke. Sie profitieren heute von diesen Maßnahmen, diedazu geführt haben, dass wir Deutschland aus der Kriseherausgebracht haben und ein Wachstum erzielen, vondem Sie nicht einmal geträumt haben.
Wissen Sie, was die Kehrseite der Medaille ist? Wennes gut läuft, muss man die Mittel dafür einsetzen, dieSchulden zu reduzieren. Das tun Sie aber nicht.
Nein, Sie machen den klassischen Fehler: In guten Zei-ten prassen Sie, Sie erhöhen die Ausgaben, machenSteuergeschenke und führen das Defizit nicht im not-wendigen Maße zurück. Das ist brandgefährlich, weilkein anderes Land in Europa in einer konjunkturellenSchwächephase zu expansiver Finanzpolitik in der Lageist. Ich will es nicht herbeireden, aber wir befinden unsin einer fragilen Situation im Euro-Raum, von dem wirabhängig sind. Sie werden keine Kraft mehr haben, umgegenzusteuern. Das ist der dramatische Punkt, an demwir heute stehen.Deshalb ist diese Finanzpolitik nicht weitsichtig, son-dern kurzsichtig. Sie ist – das sieht man auch heute – ge-scheitert, weil sie keine Vorsorge trifft.
Wie bauen wir das Defizit ab? Ich will zwei Punktenennen. Erstens durch Subventionsabbau. Wir haben Ih-nen eine exakte Liste vorgelegt, auf der wir zum einenökologisch schädliche Subventionen aufgeführt habenund zum anderen die Subventionen im Einkommensteu-errecht, mit denen wir nach der Rasenmähermethodeverfahren wollen.
– Das kommt noch, sehr geehrter Herr Kollege.a4hNnNpDhdreSgmkulemwcriSdWKwabwNsdmSteow
ehmen wir nur Herrn Niebel als Entwicklungshilfemi-ister. Vor der Wahl wollte er das Ressort abschaffen.ach der Wahl wird es mit 160 Stellen erst richtig aufge-umpt. Dass Sie sich nicht ein bisschen schämen, meineamen und Herren!
Zweitens. Die Defizite, die wir in den Staatshaus-alten haben, gehen vor allem auf die Finanzkrise undie Rettungsmaßnahmen zurück, die wir als Bundes-publik für den Finanzsektor und letztendlich für dieparer mitgetragen haben.
Herr Kollege Schneider, Herr Koppelin würde Ihnen
erne eine Zwischenfrage stellen.
Gerne.
Lieber Herr Kollege Carsten Schneider, fangen wir
it dem Entwicklungshilfeministerium an: Ist dir be-
annt, dass vorher 700 Stellen gestrichen worden sind
nd dass wir gemeinsam beschlossen haben, diese Stel-
n zu schaffen, um die Reform im Entwicklungshilfe-
inisterium zusammen mit der GIZ durchzuführen? Das
ar das Entscheidende: 700 Stellen wurden gestrichen.
Wir haben immer den Abbau von Stellen im öffentli-
hen Bereich gefordert, etwa 1,5 Prozent in den Ministe-
en. Kannst du dem Hohen Hause erklären, warum die
ozialdemokraten in ihrem Antrag gefordert haben,
iese Stellen nicht abzubauen? Es geht um 3 000 Stellen.
ir ziehen das durch. Ihr wart dagegen.
Das kann ich Ihnen exakt sagen, lieber Kollegeoppelin. Sie machen eines: Oben in den Ministerienird kräftig aufgebaut, in der höchsten Besoldungsstufeb A 16 aufwärts. Da geht es um 5 000 bis 6 000 Eurorutto. In den unteren Chargen rasieren Sie gnadenloseg.
ehmen Sie den Zoll oder die Bundespolizei. In all die-en Bereichen, in denen wir die Leute vor Ort brauchen,ie mit ihrer Arbeit die Aufgaben des Staates wahrneh-en – wir brauchen sie auch bei der Kontrolle derchwarzarbeit –, wird rasiert. Die Stellen bei den unters-n Einkommen werden weggestrichen, und bei denbersten wird in ihren Ressorts dicke zugelangt. So et-as habe ich in allen Haushaltsberatungen bisher nicht
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16780 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011
Carsten Schneider
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erlebt: Es wird dicke zugelangt, und vor allem: DieHälfte aller Stellen geht in die FDP-Ressorts.Man kann nun denken: Rette sich, wer kann. Ob dasfür Deutschland gut ist, mag dahingestellt sein. Sie soll-ten zumindest dazu stehen, dass Sie in den Ministerien inden Stäben und Grundsatzabteilungen Personal aufbauenund in den untersten Bereichen Stellen streichen. Dasmachen wir Sozialdemokraten nicht mit. Damit habenSie recht.
Möchten Sie eine zweite Frage des Kollegen
Koppelin zulassen?
Ja.
Bitte schön, Herr Koppelin.
Lieber Kollege Carsten Schneider, darf ich dich einla-
den, morgen an der Debatte über den Verteidigungsetat
teilzunehmen? Wir haben im unteren Bereich der Besol-
dungsgruppen über 700 Stellen angehoben, damit die
Soldaten endlich befördert werden können.
Lieber Kollege Koppelin, in diesem Punkt geht es um
die Frage der Stellenhebung, also um die Eingruppie-
rung. Wenn jemand in einer A-8-Stelle eingruppiert ist
und diese Stelle angehoben wird, dann wird keine neue
Stelle geschaffen. Das Einkommen, das in diesen Besol-
dungsgruppen sehr gering ist, wird erhöht. Dem haben
wir zugestimmt. Das will ich ganz klar sagen. Der ent-
scheidende Punkt ist aber, dass Sie pauschal Stellen im
unteren Besoldungsbereich bei den nachgeordneten Be-
hörden, die Deutschland zusammenhalten und für Recht
und Ordnung sorgen, einsparen und sich selbst die
Pfründe in den Ministerien schaffen. Das machen wir
nicht mit. Das ist doch ganz klar.
Es tut mir leid, dass ich das so sagen muss, aber es ist
letztendlich das, was Sie beschlossen haben.
Meine Damen und Herren, einen zweiten Bereich
möchte ich noch kurz ansprechen. Es geht um die Frage
von Recht und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt. Ein Teil
unserer Gegenfinanzierung ist die Einführung eines ge-
setzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro. Wir sind der
Auffassung, dass wir Billigstlöhne in Deutschland nicht
mehr subventionieren sollten.
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Der Kollege Norbert Barthle hat das Wort für die
DU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrtenamen und Herren! Lieber Herr Kollege Schneider, einerage müssen Sie sich stellen: Was wollen Sie eigentlichamit erreichen, wenn Sie nicht nur den Bundeshaushalt,ondern ganz Deutschland, vor allem auch im europäi-chen Kontext, deutlich schlechter reden, als es tatsäch-ch ist? Was wollen Sie damit erreichen?
iese Frage sollten Sie sich einmal stellen. Auf die Fak-n gehe ich nachher noch ein.Der Haushalt, den wir in dieser Woche in zweiter undritter Lesung beraten, steht nach wie vor unter dem Ein-ruck einer verschärften Staatsschuldenkrise in Europa.as müssen wir zur Kenntnis nehmen. Die Nervositätuf den Anleihemärkten wächst noch, anstatt abzuneh-en. Am Konjunkturhimmel zeigen sich nicht nururopaweit die ersten dunklen Wolken. Die aktuelleerbstprognose der EU zeigt, dass die Krise in der Real-irtschaft angekommen ist. Der Aufschwung in der EUt sozusagen zum Stillstand gekommen. Für uns ineutschland erwächst dadurch eine doppelte Herausfor-erung; denn wir müssen als stärkste Volkswirtschaft inuropa sowohl Wachstumsmotor als auch Stabilitätsan-er sein. Dieser Verantwortung stellen wir uns. Ein Blickuf die Zahlen zeigt nämlich ganz deutlich, dass wir aufem richtigen Weg sind.
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Norbert Barthle
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Die christlich-liberale Koalition bleibt auf demwachstumsfreundlichen Konsolidierungskurs. Das zahltsich für uns und für Europa aus. Das deutsche Wachstumist nach den Schätzungen der Europäischen Kommissiondas höchste in der Euro-Zone. Auch im nächsten Jahrwerden wir trotz der Eintrübung das zentrale Kraftzen-trum in Europa sein. Daraus leitet sich die Zahlenbasisab: Wir sind beim Abbau unseres Defizits einen wesent-lichen Schritt vorangekommen. Laut EU-Kommissionbeträgt es in diesem Jahr 1,3 Prozent des Bruttoinlands-produkts – es ist damit das niedrigste Defizit in derEuro-Zone –, im nächsten Jahr wird es 1,0 Prozent undim darauffolgenden Jahr 0,7 Prozent betragen. UnterRot-Grün lag es drei Jahre hintereinander bei über 3 Pro-zent. Daran wollen wir erinnern.Mit dem Haushalt 2012 gehen wir diesen Weg konse-quent weiter. 26,1 Milliarden Euro Neuverschuldung:Damit bleiben wir deutlich unter der maximal zulässigenGrenze der Schuldenregel von 40 Milliarden Euro. Auchim kommenden Jahr werden wir die Schuldenregel strikteinhalten. Damit geben wir ein klares, deutliches undwichtiges Signal der Stabilität und der Verlässlichkeit fürganz Europa aus.Lassen Sie mich einmal die Herbstprognose der Euro-päischen Kommission zitieren: Wir bleiben in den Jah-ren 2012 und 2013 mit 1,0 bzw. 0,7 Prozent Defizit deut-lich unter der Drei-Prozent-Grenze.Bei den Haushaltsberatungen haben wir immer nachdem Grundsatz der Vorsicht agiert. Deshalb ist es unsgelungen, den schon guten Haushaltsansatz des Bundes-finanzministers mit 27,2 Milliarden Euro Nettokredit-aufnahme nochmals um 1,1 Milliarden Euro abzusen-ken.
Wir hätten den Etat auch aufhübschen können; keineFrage. Man hätte Planansätze aufbessern, Hoffnungs-werte und Schätzansätze hineinschreiben und damit dieNKA noch drücken können. Aber das tun wir nicht. ImGegenteil: Wir bleiben auf dem vorsichtigen Weg undschließen dann am Ende des Jahres lieber besser ab, an-statt Nachtragshaushalte aufzulegen.Wer schon länger dabei ist, erinnert sich noch an rot-grüne Regierungszeiten. Damals gab es in jedem Jahr ei-nen auf Kante genähten Haushalt. Herr KollegeSchneider, die von Ihnen zitierte schwäbische Hausfrauweiß ganz genau: Wer auf Kante näht, der riskiert, dassdie Naht bei der ersten Belastung ausreißt. Das machenwir nicht. Wir bleiben solide. Lieber haben wir am Jah-resende Reserven – wie auch dieses Jahr –, anstatt zu op-timistisch zu planen.
Jetzt zu Ihrer Argumentation und Ihren komischenBalken, die nicht wahrer werden, auch wenn sie schönbunt sind.WHPEPdlawfü2VddJrinnvkhbm2dDwLlagmdwmmasdvswsS
er seriös argumentiert, der vergleicht Haushaltssoll mitaushaltssoll und Haushaltsist mit Haushaltsist. Derlanwert für das Jahr 2010 betrug damals 80 Milliardenuro. Das Ist hingegen lag bei 44 Milliarden Euro. Derlanwert für 2011 betrug 48 Milliarden Euro. Im Ist wer-en wir irgendwo zwischen 20 und 25 Milliarden Euronden, vielleicht näher bei 20 Milliarden Euro, wenn eseiterhin gut läuft. Wer weiß, was in den nächsten vier,nf Wochen noch passiert.Aber das voraussichtliche maximale Soll des Jahres012 mit dem Ist des Jahres 2011 zu vergleichen, ist einergleich von Äpfeln mit Birnen, der nicht zulässig ist;enn Sie wissen nicht, wo wir Ende des Jahres 2012 lan-en werden. Auch wissen Sie nicht, wo wir Ende diesesahres landen werden. Deshalb ist dieser Vergleich unse-ös.Ich wiederhole: Wer auf die Sollzahlen der vergange-en zwei Jahre schaut, der sieht eine klar abfallende Li-ie der Nettokreditaufnahme. Wer auf die Istzahlen derergangenen zwei Jahre schaut, der sieht ebenfalls einelar abfallende Linie und keine steigenden Balken. Des-alb: Wer so argumentiert, der verrechnet sich entwederewusst oder unbewusst. Würde ich mit Balken argu-entieren, dann würde dieses Pult noch ausreichen, um6 oder 27 Milliarden Euro abzubilden. Die 80 Milliar-en Euro wären aber irgendwo dort oben an der Decke.eshalb lasse ich das mit den Balken.
Wir hören von der Opposition immer wieder den Vor-urf, wir müssten noch mehr sparen.
iebe Kolleginnen und Kollegen, an dieser Stelle er-ube ich mir den Hinweis, dass wir die Wachstumspro-nose für das kommende Jahr auf 1 Prozent zurückneh-en mussten. Das sind rund 2 Prozent weniger als iniesem Jahr. In dem Entwurf des Finanzministeriumsaren aber schon 2 Milliarden Euro zusätzliche Steuer-ehreinnahmen durch Wachstum eingepreist. Das mussan zur Kenntnis nehmen.Deshalb würde ich mir wünschen, dass solche Spar-ppelle nicht bei uns, bei der Koalition, die wirklichpart, und nicht beim Finanzminister anlanden, sondernass Sie in den Ländern für Disziplin sorgen,
or allem in den Ländern, die bisher noch sehr zögerlichind, sich der Schuldenbremse anzunehmen. Das wäreesentlich hilfreicher.
Der Haushalt 2012 ist ein guter Haushalt. Das zeigtich insbesondere an der Ausgabenentwicklung. Wennie sich die Ausgabenentwicklung einmal anschauen,
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Norbert Barthle
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dann stellen Sie fest, dass wir praktisch stabil sind. Wirhaben hier nur 0,1 Prozent Zuwachs gegenüber dem Vor-jahr. Das ist nahezu stabil.Wenn man 1,8 Prozent Inflationsrate hinzurechnet,dann ist die Ausgabensituation real betrachtet sogarrückläufig. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen.Das Geheimnis unserer Konsolidierungsstrategie ist,die Ausgaben zu begrenzen und damit die Haushaltenachhaltig zu konsolidieren. Das war bei Ihnen immerganz anders: Sie wollten mehr ausgeben und dafür dieSteuern erhöhen. Das ist nicht unser Weg. Unser Weg istdie nachhaltige Konsolidierung der Haushalte durch eineBegrenzung der Ausgaben. Damit sind wir erfolgreich.
Lassen Sie mich noch ganz kurz erwähnen, dass wirwährend der Haushaltsberatungen auf Initiative des Par-laments noch einige Schwerpunktverschiebungen vorge-nommen haben, dass aber die Mittel immer an andererStelle, entweder im selben Etat oder in anderen Etats,entsprechend eingespart wurden. Wir erhöhen die Mittelfür Investitionen in die Infrastruktur in den Jahren 2012und 2013 im Vergleich zum Regierungsentwurf um1 Milliarde Euro. Das ist ein deutliches Signal in dasLand hinein. Wir wollen den Substanzverzehr aufhaltenund tun etwas für die Infrastruktur, auch für die Zukunftunseres Landes. Wir geben im Vergleich zum Vorjahr11 Prozent mehr für Bildung und Forschung aus. Auchdas ist ein deutliches Signal. Wir haben zudem einenEnergie- und Klimafonds geschaffen, der für eine si-chere Finanzierungsbasis sorgt, und die Ausgaben ent-sprechend veranschlagt.
Wir haben die Ansätze für die Gemeinschaftsaufgabe„Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ undden Städtebau etwas besser ausgestattet, genauso wie fürden Luftfrachtsicherheitsbereich. Wir haben aber immerfür einen entsprechenden Ausgleich im selben Etat oderin anderen Etats gesorgt.Das sind die Schwerpunktsetzungen im parlamentari-schen Verfahren. Da wir im Laufe der Woche daraufnoch ausgiebig eingehen werden, will ich es damit be-wenden lassen.CDU/CSU und FDP handeln immer nach dem Drei-klang: konsolidieren, investieren, wo es notwendig ist,und steuerlich entlasten, wo es angebracht ist.
Herr Kollege!
Wir nehmen keine Steuererhöhungen vor, um mehr
Ausgaben tätigen zu können. Das ist nicht unser Weg.
Herzlichen Dank.
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enn der Haushalt 2012 ist ungerecht, unsozial und un-olide. Er steht vor allen Dingen unter drei Aspekten ininer unrühmlichen Kontinuität. Die erste Kontinuität istas Schuldenmachen. Die Bundesregierung spielt sichöllig zu Unrecht in Europa als Musterschüler beim Spa-n und in der Haushaltskonsolidierung auf. Von wegenskalisches Musterland! Jean-Claude Juncker bezeich-et die deutschen Staatsschulden völlig zu Recht als be-orgniserregend. Er kritisiert, dass unsere Schulden, be-ogen auf das Bruttoinlandsprodukt, höher als diepanischen sind. Der Mann hat recht.Wie sieht die konkrete Situation aus? Die Neuver-chuldung im Jahre 2012 steigt im Vergleich zu diesemahr um 4,1 Milliarden Euro. 4,1 Milliarden Euro mehrchulden wollen Sie aufnehmen. Das ist die konkrete Si-ation.
Weil ihr das so plant. Deswegen ist es so.
Für die gesamte Legislaturperiode, meine Damen underren von der Koalition, sollen 123,7 Milliarden Euroeue Schulden aufgenommen werden. 123,7 Milliardenuro neue Schulden! Da muss mir einer einmal erklären,as das mit der klugen schwäbischen Hausfrau zu tunaben soll. Das hat rein gar nichts damit zu tun.
ie sind ein Schuldenminister, Herr Schäuble.
Der Haushalt des Jahres 2012 ist auch deshalb unrealis-sch und unseriös, weil Sie entscheidende Haushaltsrisi-en nicht abgebildet haben. Der Konjunkturabschwung istereits sichtbar. Vielleicht gibt es ein Nullwachstum. So-ar ein sinkendes Bruttoinlandsprodukt ist möglich. Dieinanzkrise und die daraus entstehenden Krisenprozesseind in keiner Weise berücksichtigt. Was passiert, wennich die Entwicklung in Griechenland weiter verschärft?as passiert im nächsten Jahr in Italien? Was passiertei den Banken und insbesondere bei den Landesban-
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Dr. Dietmar Bartsch
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)ken? Welche Haushaltsrisiken sind damit verbunden?Das alles bilden Sie nicht ab. Die Zinsprognose ist reich-lich optimistisch gehalten.
Wenn wir sehen, dass schon heute die Belastung desBundes durch die Zinsen auf die 1,3 Billionen EuroSchulden 38,4 Milliarden Euro beträgt, dann wissen wir,in welcher Situation wir hier in Deutschland sind. WennSie der linken Opposition aus ideologischen Gründenschon nicht glauben: Angesichts von 800 MilliardenEuro Gewährleistungen und Bürgschaften des Bundesverweist der Bundesrechnungshof auf die riskanten Ver-pflichtungen, die sich daraus ergeben.Der Haushalt ist finanzpolitisch und haushaltspoli-tisch falsch. Deutschland hat ein Einnahmeproblem, keinAusgabeproblem. Und es ist eben nicht so, Herr Barthle,dass Sie in die Zukunft investieren. Sie sparen bei denInvestitionen in die Zukunft. Wichtige Zukunftsinvesti-tionen werden sogar zurückgefahren. Sie verweigernerforderliche Mittel für eine kommunale Investitions-pauschale. Sie reduzieren die Mittel für die Städte-bauförderung, insbesondere die für den erfolgreichenStadtumbau Ost, von dem im Übrigen auch Regionen inden alten Bundesländern profitieren können.
Sie verweigern die Mittel für die Beseitigung des Inves-titionsstaus in Krankenhäusern und vieles andere mehr.Sie setzen mit diesem Haushalt die ungerechte undunsoziale Umverteilungspolitik von unten nach oben fort.Die Krisenverursacher und die Nutznießer der Krise wer-den weiter nicht in die Pflicht genommen. Es ist wahr,dass in der tiefsten Krise die Zahl der Vermögensmillio-näre in Deutschland weiter gestiegen ist: 924 000 Vermö-gensmillionäre gibt es in Deutschland. Die Zahl der Mil-liardäre in Deutschland steigt.Zugleich geht die Schere zwischen Arm und Reichweiter auseinander. In Deutschland sind 12,6 MillionenMenschen von Armut bedroht. Weil keiner hier im Ple-num, mich eingeschlossen, aus eigenem Erleben weiß,was Armut heute heißt, will ich Ihnen das sagen: Aus fi-nanziellen Gründen können 16,2 Prozent dieser Men-schen ihre Wohnung nicht angemessen warm halten.Rund 30 Prozent dieser Menschen können sich nicht je-den zweiten Tag eine vollwertige Mahlzeit leisten. EineWoche Urlaub im Jahr, woanders als zu Hause, könnensich 60,5 Prozent der von Armut bedrohten Menschennicht leisten. Die Linke wird diesem Haushalt nicht zu-stimmen, weil diese Schere für uns inakzeptabel ist.
Nun will ich zu den wirklich aberwitzigen Steuersen-kungsplänen der Regierung in dieser Haushaltssituationkommen. Wenn es denn nur darum ginge, die kalte Pro-gression abzuschaffen oder den Freibetrag anzuheben,was ja verfassungsrechtlich geboten wäre, dann könntenSie sogar auf unsere Zustimmung rechnen,
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Wir haben in Deutschland ein Einnahmeproblem. Dieteuersenkungen sind falsch. Ich frage mich, warum Sieteuerpolitisch nicht auf folgende Ideen kommen – ichabe die Zahl der Vermögensmillionäre genannt –: Wa-m ist eine Millionärsteuer in dieser Situation denn sobwegig? Bei einem Freibetrag von 1 Million Euro sindergleichsweise viele schon einmal heraus. Ein Steuer-atz von 5 Prozent würde zweistellige Milliardenbeträge die öffentlichen Haushalte bringen. Warum kommenie nicht mal auf den Gedanken, den Spitzensteuersatz Richtung 50 Prozent anzuheben? Warum kommen Sieicht mal auf die Idee, die Erbschaftsteuer so zu refor-ieren, dass die wirklich großen Erbschaften – wiederei hohen Freibeträgen – tatsächlich zur Konsolidierunger Haushalte beitragen? Warum wird die Finanztrans-ktionsteuer nicht mit größerem Nachdruck vertreten?ie müssen unsere englischen Freunde etwas mehr be-rängen, damit nicht nur geredet wird, sondern damit wirirklich zu höheren Einnahmen kommen.
Ich will ein Wort zum Schuldenabbau und zu Einspar-öglichkeiten sagen. Früher, als die FDP noch in der
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Dr. Dietmar Bartsch
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Opposition war, gab es hier immer ein dickes LiberalesSparbuch.
– Gelb, gelb-blau. – Davon ist wirklich nichts geblieben.Wenn Sie sich die Vorschläge der Opposition anschauen,dann wissen Sie, dass wir mehrere Bände mit Sparvor-schlägen herausgeben könnten. Das ist die reale Situa-tion. Allein die Linke hat über 160 konkrete Änderungs-vorschläge gemacht.
Ich will nur zwei benennen, die aus meiner Sicht erwä-genswert sind:Erstens. Wenn wir das Berlin/Bonn-Gesetz ändernwürden, hätten wir dauerhafte Einsparmöglichkeiten.
Die Bundesregierung gehört nach Berlin. Allein dieFlugkosten belaufen sich auf 3,3 Millionen Euro. Wirfordern die Wiedervereinigung der Bundesregierung hierin Berlin.
Ich will einen zweiten Vorschlag ansprechen, der mirwichtig ist und der interessanterweise jetzt auch bei derCDU angekommen ist – darauf ist verwiesen worden –:das Thema Mindestlohn. Gegen Hungerlöhne und pre-käre Beschäftigung ist die Linke ohne Wenn und Aber.Aber ich will darauf hinweisen, dass bei einem angemes-senen Mindestlohn auch die Aufstockerkosten wegfallenwürden. Das wäre gut für die Sozialkassen, und es würdenach allen Studien auch mehr Einnahmen in die öffentli-chen Kassen bringen. Deshalb darf hier nicht nur gere-det, sondern muss auch gehandelt werden, meine Damenund Herren von der CDU. Bringen Sie doch Ihren An-trag auf einen flächendeckenden gesetzlichen Mindest-lohn ein! Sie haben im Deutschen Bundestag dafür eineMehrheit.
Herr Kollege, der Kollege Koppelin würde Ihnen gern
eine Zwischenfrage stellen.
Der Kollege Koppelin immer gerne.
Du redest so schnell, dass man gar nicht dazwischen-
kommt. – Ich habe eine Frage zum Thema Bonn/Berlin.
Habe ich es richtig zur Kenntnis genommen, dass laut ei-
nem Pressebericht ein Abgeordneter der Linken, der aus
Bonn kommt, genauso massiv wie alle anderen aus Bonn
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Die Linke hat in dieser Frage eine klare und eindeu-ge Position: Wir wollen die Wiedervereinigung derundesregierung in Berlin. Das ist Beschlusslage derraktion. Mir ist eigentlich kein Bonner Abgeordneterda muss ich mal Richtung NRW schauen – bekannt,er dagegen ist. Herr Weise hat doch, wie wir alle wis-en, einen guten Vorschlag für das Verteidigungsministe-um gemacht. Warum werden die Ministerien, die inonn sind, nicht hierher geholt? Allein die Flugkosten,er Transport von Papier usw. sind aberwitzig. Wir soll-n gemeinsam sehr sensibel, aber endlich dieses Gesetzodifizieren und die Bundesregierung komplett nacherlin holen.
Da ich Frau Schröder hier gesehen habe, möchte ichine Bemerkung zum Thema Rechtsextremismus ma-hen. Es ist gut, dass alle Fraktionen heute früh verein-art haben, die Kürzungen in diesem Bereich zurückzu-ehmen. Es ist auch sehr gut, dass wir über dieseshema eine Debatte geführt und dazu einen gemeinsa-en Antrag verabschiedet haben. Das ist höchst löblich.ber eines will ich doch kritisieren: dass überhaupt überolche Kürzungen nachgedacht worden ist und dass wo-henlang eine Tatenlosigkeit und Sprachlosigkeit derinisterin zu beobachten war. Das ist wirklich inakzep-bel, sehr geehrte Frau Schröder.
Gestatten Sie mir eine Bemerkung in Richtung CDU.h habe auf Ihrem Parteitag von der Kanzlerin viel ge-ört, von dem Kompass, den sie hat und der in die rich-ge Richtung weist. Dieser Kompass ist sozusagen dasichtigste Hilfsmittel der Bundeskanzlerin. Ich will Ih-en sagen: Ein Kompass taugt überhaupt nichts, wennan nicht weiß, wo man ist.
r taugt auch nichts, wenn man nicht weiß, wie man da-in gekommen ist. Das ist die Situation, in der sich dieundesregierung befindet.
ie werden am Ende der Legislatur eine Riesenschulden-st aufgehäuft haben. Sie werden am Ende der Legisla-r die Spaltung zwischen Arm und Reich – ich habe Ih-en die Zahlen genannt – weiter vertieft haben. Und Sieerden am Ende der Legislatur einen Riesenprob-mstau hinterlassen. Das alles ist in der Finanzplanungr das nächste Jahr festgemacht. Es ist die falsche Rich-
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Dr. Dietmar Bartsch
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tung, wenn Sie immer wieder bei den Reichen nichts ab-holen und bei den Armen viel zu wenig machen.Frau Bundeskanzlerin und Herr Schäuble, von derLinken können Sie zu dieser Haushaltspolitik und zudiesem Haushalt deshalb selbstverständlich keine Zu-stimmung erwarten. Es ist ein unsozialer, ungerechterund unsolider Haushalt. Wir werden unsere Vorschlägeund unsere Forderungen weiterhin in die Parlamentsde-batte einbringen, und wir werden sie auch außerhalb desParlaments sehr deutlich machen.Herzlichen Dank.
Otto Fricke hat das Wort für die FDP-Fraktion.
Geschätzte Frau Vizepräsidentin! Meine sehr geehr-ten Damen und Herren! Was heißt eigentlich Haushalt?
Worüber reden wir heute, und was beschließen wirheute? Für die Bürger scheint es so zu sein: Da wird be-schlossen, wie viel Geld im nächsten Jahr ausgegebenwird. Ich möchte das noch einmal klarstellen, weil wirgerade von Herrn Bartsch und von der SPD gehört habenund nachher sicher auch von den Grünen hören werden,dass alle ganz genau wissen, wie viel die Koalition imnächsten Jahr ausgibt. Das ist schlicht falsch.
– Das ist der Unterschied, liebe Kollegin. Für Sie und fürdie Opposition heißt Haushaltsplan: Das ist das Geld,das zumindest ausgegeben werden muss.
Für die Koalition ist es das Geld, das höchstens ausgege-ben werden darf. Da unterscheidet sich Ihre Ausgaben-politik von unserer vorausschauenden Haushaltspolitik.
Wenn Sie jetzt sagen: „Das stimmt doch gar nicht; dasist ja alles ganz anders“, dann empfehle ich Ihnen:Schauen Sie sich einmal die Haushaltsdebatte vor einemJahr an. Was hat uns die Opposition nicht erzählt: Wirwürden nicht sparen,
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Ja, die konjunkturelle Rendite. – Es zählt doch das,as herausgekommen ist. Wir sind jedes Jahr – 2010,011, und das werden wir auch 2012 schaffen – mit dem,as wir tatsächlich ausgegeben haben, unter dem geblie-en, was wir im Haushalt als Maximum veranschlagt ha-en.
as ärgert euch, und darüber seid ihr frustriert. Das wird diesem Jahr wieder ganz genauso sein.
Für den Bürger ist eine Frage wichtig: Geht die Ver-chuldung zurück, und ist sie im Vergleich zur Verschul-ung, die noch zu Zeiten von SPD-Finanzministern ge-lant wurden, niedriger?
h will darauf hinweisen, wie die Zahlen aussehen:010 – geplant: 80 Milliarden Neuverschuldung; tat-ächlich wurden es dann 44 Milliarden. Das ist immeroch zu viel, es sind aber 36 Milliarden weniger als ver-nschlagt. 2011 – geplant: 47 Milliarden. In jeder De-atte haben Sie gesagt: Das schafft ihr nicht. – Wirchaffen es aber unter 25 Milliarden; das gebt ihr sogarelber zu.
lso wieder derselbe Effekt: über 20 Milliarden weni-er. In diesem Jahr sagen wir: Für 2012 planen wir6 Milliarden. Das Ergebnis – daran muss man nachheressen – wird dasselbe sein. Bei der nächsten Haus-altsdebatte werdet ihr wieder sagen: Es reicht abericht, was ihr gespart habt.
Was hat denn die SPD in der letzten Planung, für dieie noch verantwortlich war, für das Jahr 2012 vorgese-en? Daran kann der Bürger das Ganze messen. Was wa-n Herrn Steinbrücks Pläne für die Neuverschuldung imahr 2012? Wissen Sie es noch, wie viel das war? DiePD hatte für das Jahr 2012 57 Milliarden vorgesehen.
unserer Planung gehen wir von 26 Milliarden aus.
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Otto Fricke
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– An der Lautstärke der Zwischenrufe merkt man im-mer: Treffer, versenkt. – Hier kann man den Unterschiederkennen. Sie haben eine Planung, die nach oben läuft,unsere Planung weist nach unten. Hieran muss gemessenwerden. Darüber können Sie sich ärgern; aber wir betrei-ben eben vorausschauende Haushaltspolitik.
Nächster Punkt. Wir halten die Schuldenbremse ge-mäß Verfassung ein. Es gibt die ewige Diskussion überden richtigen Ansatz. Ich kann Ihnen nur eines sagen:Die Einstellung der SPD zur Schuldenbremse könnenSie in allen Ländern erkennen, in denen die SPD regiert.Da geht es mit der Verschuldung nämlich nicht nach un-ten,
sondern da läuft es waagerecht. Das Land NRW ist dasbeste Beispiel. Wir schaffen es hier in diesem Jahr, dieNeuverschuldung enorm abzubauen. Und was macht dasLand NRW? Das Land NRW erhöht die Neuverschul-dung im Jahr 2011. In einem Jahr mit einem tollen Wirt-schaftswachstum – das haben Sie gerade selber gesagt –wird in NRW die Neuverschuldung ausgebaut. Das istder Unterschied. An den Zahlen muss man Sie messen,und nicht an irgendwelchen Ideen oder an der Frage, wasmöglicherweise in der Zukunft kommt.Ihre Zahlen in Ihren Ländern sind schlecht. Unseresind gut. Das kann man im Übrigen auch daran erken-nen, dass – wenn man sich ein wenig von parteipoliti-scher Taktik wegbewegt – wir als Deutsche die Kritikbekommen: Ihr sollt doch ein bisschen mehr ausgeben;ihr müsst doch etwas tun, wenn im nächsten Jahr dieNachfrage nachlässt. Dann gebt doch mehr Geld aus!
Das sind ja eure Ideen: Hartz IV erhöhen, Arbeitslosen-geld erhöhen,
– Ja, Löhne erhöhen, egal, irgendjemand wird das jaschon bezahlen. – Die Vorstellung ist: Alles erhöhen,und irgendeiner bezahlt es dann. Die Einstellung dieserKoalition ist eben anders. Ich kann nicht einfach irgend-jemandem immer weiter in die Tasche greifen. Ich mussauch dafür sorgen, dass diejenigen, die diesen Staat tra-gen, das auch weiterhin tun können. Diese Personen sindaber aus Ihrem Blickfeld schon längst verschwunden.
Wir haben – der Kollege Barthle hat es gesagt – einenganz wesentlichen Punkt bei der Frage, was voraus-schauende Haushaltspolitik ist, eingehalten: Wir sind beiden Ausgaben nicht hochgegangen; wir haben es nichtgetan. Egal welche Regierung der letzten 20 Jahre Siesich anschauen, Sie werden sehen: Die Ausgaben sindimmer gestiegen.wbmagedDDuhDgddGeliwwmOBdutendteadDamsKcSpteübnwgeBb
nd damit dem Bürger Geld nimmt, ist am Ende dabeierausgekommen, dass die Politik mehr Geld ausgibt.iese Politik verfolgt diese Koalition nicht, und das är-ert Sie.
Wir erleben jetzt wieder die wunderschöne Debatte,ass einerseits gesagt wird: Ihr spart nicht richtig. – Inen kommenden Debatten werden wir dann das genaueegenteil davon erleben. Wenn man sich die Presse-rklärungen der Kollegen der Opposition anschaut, dannest man: Hier wird gespart, dort wird kaputtgespart, daird totgespart, das ist unverantwortlich. – Andererseitserden wir in den Fachdebatten wieder hören: Hierüsst ihr mehr ausgeben, usw. – Ihr müsst euch in derpposition irgendwann einmal einigen: Sagt ihr denürgern: „Wir wollen weniger ausgeben“, oder sagt ihren Bürgern: „Wir wollen euch mehr Geld wegnehmennd es, nachdem wir 10 Prozent davon durch die Umver-ilung verloren haben, irgendwo zurückgeben, und zwarur denen, bei denen wir es für richtig halten, dass sieas Geld empfangen“? Das ist eine Politik, die geschei-rt ist und die diese Koalition nicht verfolgt. Diese Ko-lition betreibt eine vorausschauende Haushaltspolitik.
Meine Damen und Herren, vielleicht noch etwas zuen berühmten Alternativen. Ich habe mir da einmal dierucksache 17(8)3893 der SPD im Haushaltsausschussngeschaut; ich kann das jedem nur empfehlen. Da kannan einmal nachvollziehen, wie die Führung der Oppo-ition – so sieht sich die SPD – das so sieht. Sie sagt:ürzungen machen wir nicht, Ausgabenerhöhungen ma-hen wir, Stellenerhöhungen machen wir. – Der Kollegechneider hat das so ein bisschen verblümt gesagt. Dieauschale Stellenkürzung zu streichen – das hört sichchnisch an –, heißt nichts anderes, als dass die Stellenber die ganze Bandbreite – vom Staatssekretär bis zumerühmten Pförtner –
icht gekürzt werden. Diese Koalition hat gesagt: Nein,ir werden in dem gesamten Bereich kürzen, unabhän-ig von der Frage, wer wo wie viel verdient. Sie werdens am Ende der Legislatur und auch jetzt wieder erleben:eim Bund werden Ende dieses Jahres weniger Leute ar-eiten als Ende des letzten Jahres. Daran muss man es
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Otto Fricke
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messen, nicht an irgendwelchen vertrackten Anträgen, indenen Sie das Ganze verstecken.Zum Schluss etwas zum Thema Steuererhöhungen.Was will die SPD da eigentlich? Abgesehen von der An-hebung des Spitzensteuersatzes, geht es da um kleineDinge: Steuererhöhungen beim Agrardiesel, Steuererhö-hungen beim Firmenwagen, Steuererhöhungen für Leute,die in den Urlaub fliegen, Steuererhöhungen bei der Kfz-Steuer, Steuererhöhungen für die Landwirtschaft, Strei-chung bei der Arbeitnehmersparzulage, Kürzung derEinkommensteuerfreibeträge usw. Mit diesen ganzenIdeen betreiben Sie keine vorausschauende Haushalts-politik.
Mit diesen Ideen kommen Sie über kurz oder lang nur zueiner höheren Neuverschuldung, anders als diese Koali-tion.Herzlichen Dank.
Priska Hinz hat das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.
Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! LieberOtto Fricke, das war eine Rede nach dem Motto „Angriffist die beste Verteidigung“. Wenn ich hier die Verab-schiedung eines solchen Haushaltsplans verantwortenmüsste, würde ich auch lieber über vieles andere redenals über das, was ich da selber veranstalte. Man kann nursagen: Der Haushaltsplan, wie er Ende der Woche verab-schiedet werden soll, ist das Dokument des Scheiternsjeglicher Haushaltspolitik und jeglichen Gestaltungswil-lens der Koalition.
Kollege Barthle, wenn es wirklich so sein sollte, dasses eine doppelte Herausforderung gibt, dann ist die Ko-alition hier doppelt gescheitert.
Der Haushalt setzt einerseits keine Schwerpunkte bei derBewältigung der Zukunftsaufgaben. Andererseits gibt esnicht den Willen, überhaupt noch zu sparen und auf demPfad des Schuldenabbaus weiter voranzugehen.
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Zugegeben: Die Haushaltskonsolidierung ist einechwierige Aufgabe; sie kann nur gelingen, wenn alleitglieder der Gesellschaft solidarisch dazu beitragen.
afür muss man aber die Rahmenbedingungen setzennd den Willen haben, Solidarität einzufordern. Auchies tut die Koalition nicht. Sie macht das Gegenteil, in-em sie die Ausgaben nur im Sozialbereich senkt, wäh-nd sich alle anderen im letzten Jahr im sogenanntenparpaket festgelegten Einsparungen als Luftbuchungenrwiesen haben. Es wird nirgendwo gekürzt, außer imozialbereich. Das ist Ihre Haushaltspolitik der Zukunft.
Meine Damen und Herren, die Nettokreditaufnahmeird dieses Jahr voraussichtlich bei 22 Milliarden Euroegen. Im nächsten Jahr soll sie dann, im Vergleichazu, bei 26,1 Milliarden Euro liegen. Das heißt, es gehtie Treppe wieder hoch. Das widerspricht dem Geist derchuldenbremse.
olange die Konjunktur noch einigermaßen gut ist, mussan jede Milliarde, die man aufgrund einer positiventeuerentwicklung bekommt, in den Schuldenabbau ein-ringen und darf nicht das Geld sofort wieder verfrüh-tücken, so wie Sie es tun.Kommen wir einmal zur haushaltspolitischen Leis-ng bei der Senkung der Nettokreditaufnahme. Liebeoalitionäre, Sie haben die Nettokreditaufnahme imahmen der Bereinigungssitzung – Kollege Barthle hatas eben gefeiert – immerhin um 1,1 Milliarden Euro ab-esenkt;
as ist die Differenz zwischen der Zahl im Regierungs-ntwurf und der Zahl im jetzt vorliegenden Plan. Dabeit überhaupt kein eigenes Vermögen zu erkennen. Sieaben dazu überhaupt nichts beigetragen. Das Verdienster Koalition ist schlicht und einfach, dass Sie aufgrunder Zinsentwicklung die Ausgaben um 1,7 Milliardenuro senken konnten.
o erklärt sich der Teil der Nettokreditaufnahme, der ge-enkt wurde. Das allein ist Ihr Gestaltungswille in Bezuguf diesen Haushalt, und ich sage Ihnen: Das ist zu dürf-g.
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Der Minister Schäuble hat im Entwurf – auch das istein ungewöhnlicher Vorgang gewesen – das Ergebnis derSteuerschätzung vom November mit 2 Milliarden Eurovorweggenommen, und die 700 Millionen Euro, die dieNovemberschätzung darüber hinaus erbracht hat, habenSie auch gleich wieder verfrühstückt. Die hat zum gro-ßen Teil der Verkehrsminister bekommen, obwohl dernicht nur im Wasser- und Schifffahrtsamt unser Geldverschleudert, sondern, wie wir gehört haben, auch beiBahnstrecken. Das wird sicher bei der Debatte in dieserWoche noch eine Rolle spielen.Letzte Woche hat auch der Bundesrechnungshof ganzdeutlich gemacht, dass es nicht sinnvoll ist, das Ergebnisdieser positiven Steuerschätzung, diese Milliarden, so-fort wieder zu verfrühstücken. Im Gegenteil, die müssteman zur Senkung der Nettokreditaufnahme verwenden.Damit komme ich zu einem weiteren Punkt, wie SieIhren Haushaltsplan aufhübschen: indem Sie die Privati-sierungserlöse in die Höhe treiben. Im Haushalt stehen5,1 Milliarden Euro. Wir wissen, dass etwa 3,5 Milliar-den Euro hinterlegt sind. Der Rest ist eine Luftbuchung.Das ist wie mit Botox: Für einen kurzen Moment
können Sie sich und andere täuschen; aber wenn Sie län-ger hinsehen, werden Sie sehen, dass diese Falten – auchwas diesen Haushaltsplan angeht – nicht verborgen blei-ben.
Völlig absurd ist angesichts der geplanten Nettokre-ditaufnahme die Steuersenkung, die Sie für die Jahre2013 und folgende verabredet haben. Zu Recht warnt dieBundesbank in ihrem jüngst erschienenen Monatsberichtdavor, dass das Mittelfristziel eines strukturell ausgegli-chenen Staatshaushalts mit solchen Maßnahmen nichterreicht werden wird. Auch der Rechnungshof hat mo-niert, dass das Geld schon wieder verfrühstückt wird.Liebe FDP, dieses Notpaket reicht auch nicht zu IhrerRettung aus. Im Gegenteil, Ihre Umfragewerte dümpelnweiter im Keller. Es hätte solcher Zusagen nicht bedurft.Sie müssen schon etwas anderes bringen, um wieder aufdas Niveau einer seriösen Regierungspartei zu kommen.Mit solchen Plänen jedenfalls wird es mit Ihnen nichtsmehr werden.
Die Schuldenkrise zeigt uns, wie wichtig eine wirkli-che wirtschafts- und finanzpolitische Koordination inEuropa sowie nachhaltige Staatsfinanzen sind. Wir lie-gen mit unseren Schulden immer noch bei 80 Prozentdes BIP.
–gwSstikkdSüdMazsmddfuliseosSEDtehZmbGwwwsmfinstawL
as ist wirklich ein Skandal.Der Energie- und Klimafonds ist noch aus einem wei-ren Grund völlig unnötig: Er ist nicht nur ein Schatten-aushalt, sondern er ist auch noch völlig unterfinanziert.
urzeit sind die Zertifikatepreise im Keller. Sie wurdenit 17 Euro kalkuliert, zurzeit liegen sie bei 10 Euro; dasedeutet, dass Sie schlicht und einfach die ökologischeestaltungsmacht aufgegeben haben,
eil der Bundesfinanzminister darüber entscheidenird, wie die Energiewende eingeleitet und finanziertird. Es reicht nicht aus, den Atomausstieg nur zu be-chließen und über die Energiewende zu reden, sondernan muss die Energiewende dann auch wollen und aus-nanzieren.
Sie versagen bei der Neuausrichtung der Wirtschaftach ökologischen Maßstäben. Die Fördertöpfe im Wirt-chaftsministerium bleiben gleich. Man müsste sie abertsächlich an die neuen Rahmenbedingungen anpassen,enn es darum geht, wie das Wirtschaften in unseremand ökologisch gestaltet werden kann. Statt auch noch
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011 16789
Priska Hinz
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bei EADS einzusteigen und nicht einmal Stimmrechte zuverlangen, könnte man bei der zivilen Luftfahrt einspa-ren. Dazu haben wir Anträge eingebracht, die aber abge-lehnt worden sind.
Es wird in absehbarer Zeit keine Dividende aus derBundeswehrreform geben. Anstatt die Verkleinerung derStreitkräfte zügig voranzutreiben und die Materialbe-schaffung auf den Prüfstand zu stellen, haben Sie ohneNot den Reformdruck von der Bundeswehr genommen.Sie versagen, weil Sie mit Ausgabenreduzierungenschlicht und einfach nur den Sozialetat belasten. Dastrifft diejenigen, die durch Wiedereingliederungsmaß-nahmen angesichts der positiven Entwicklung auf demArbeitsmarkt in den nächsten Monaten eigentlich nochden Anschluss finden könnten. Auch das würde insge-samt zur nachhaltigen Finanzierung des Bundeshaushal-tes beitragen, weil die Menschen dann aus dem ALG-II-Bezug herauskämen. Auch hier haben Sie ein völlig ein-seitiges Bild vom Sparen.
Sie schröpfen immer nur die Kleinen, und Sie schaffenes nicht, eine gerechte Steuerverteilung in diesem Landhinzubekommen und denjenigen auf die Beine zu helfen,die es tatsächlich nötig haben.
Frau Hinz, kommen Sie bitte zum Ende.
Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Ich komme zum Schluss. – Nur über den Fachkräfte-
mangel zu reden, hilft nicht weiter, man muss auch et-
was dagegen tun.
Es bleibt mir nur, am Ende festzustellen: Von nach-
haltiger Finanzpolitik und Haushaltspolitik verstehen Sie
nichts. Das sollten Sie künftig lieber uns überlassen.
Danke schön.
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen,Dr. Wolfgang Schäuble.
Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-zen:Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Wir führen diese Haushaltsdebatte in einer Zeitungewöhnlicher Beunruhigungen an den Finanzmärkten.Wir wissen, dass sich die Unruhe an den Finanzmärktenallmählich in die Realwirtschaft umsetzt. Daran kannleider kein Zweifel bestehen; der Kollege NorbertBsSwssmbSWariBsnbsGAlusmhetusdgeFwinzdDwIhKPwÜwüwJbsVmhdEdas
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16790 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011
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gung beiträgt. Das ist wachstumsfreundliche Defizitre-duzierung.
Mit Zahlenspielen – da geht es endlos rauf und run-ter – kann man die Öffentlichkeit verwirren. Den Ver-such unternehmen Sie; aber auch durch Wiederholungwerden falsche Zahlen nicht richtig. Sie vergleichen beiSoll und Ist wirklich Äpfel mit Birnen.
– Aber natürlich.Wir haben angefangen mit dem Haushalt 2010. Dererste Entwurf, den ich vorfand, war noch von meinemVorgänger: 86,1 Milliarden Euro Neuverschuldung.
Dann haben wir den Entwurf mit 85,8 Milliarden Euroaufgestellt. Wir haben ihn mit knapp 80 Milliarden EuroNeuverschuldung verabschiedet. Im Ist waren es dannfür 2010 48 Milliarden Euro.
– 44 Milliarden Euro. – Gleichzeitig haben wir denHaushaltsentwurf für 2011 mit 48,4 Milliarden EuroNeuverschuldung im Parlament verabschiedet. Am Endedieses Jahres werden das – das ist jetzt absehbar – ver-mutlich 22 Milliarden Euro tatsächliche Neuverschul-dung sein. Nun stellen wir einen Haushalt mit 26,1 Mil-liarden Euro Neuverschuldung als Obergrenze auf.Der Kollege Fricke hat auf den grundlegenden Unter-schied in der Betrachtungsweise hingewiesen: Ihnengeht es immer darum, möglichst viel Geld auszugeben.
Uns geht es darum, eine möglichst vernünftige, verant-wortliche, solide Finanzpolitik zu betreiben.
– Ich sage Ihnen zu, Frau Kollegin Hinz: Sie werden auchim Jahre 2012 erleben, dass die Bundesregierung, die Ko-alition und der Bundesfinanzminister sehr darauf achten,dass wir auch im Haushaltsvollzug mit dem Geld derSteuerzahlerinnen und Steuerzahler sorgsam und verant-wortungsvoll umgehen. Wie hoch die Neuverschuldungam Ende des Jahres sein wird, wissen wir nicht. Aufgrundder Erfahrungen sage ich aber: Bei uns ist das Prinzip derVorsicht angesagt.
Sie brauchen sich doch nur anzuschauen, wie sich dieAusgaben im Bundeshaushalt in dieser Legislaturpe-riLdvwdJ–dadjüdciccumwdhkdssSawhmkegwmdsSfeDzeEdA
Um Himmels willen! Es ist doch erfreulich, dass sicher Arbeitsmarkt so positiv entwickelt hat. Das ist dochuch ein Erfolg der Politik dieser Bundesregierung, undazu gehört auch die Finanzpolitik.
Die Bundesbank hat uns aufgefordert – das steht imngsten Bundesbankbericht; Sie haben ihn erwähnt –,as Mittelfristziel eines strukturell annähernd ausgegli-henen Staatshaushalts früher zu erreichen. Dazu willh sagen: Das Mittelfristziel des annähernd ausgegli-henen Haushalts nach dem europäischen Stabilitäts-nd Wachstumspakt sieht ein strukturelles Defizit vonaximal einem halben Prozent vor. Dieses Ziel werdenir nach den jetzt vorliegenden Planungen im kommen-en Jahr erreichen. Wir sind weit vor dem Plan. Von da-er werden wir unserer Verantwortung als Wachstumslo-omotive und als Stabilitätsanker in Europa gerecht.
Ich möchte noch eine Bemerkung machen. Bereits iner Einbringungsrede zum Bundeshaushalt habe ich be-chrieben, dass wir keine vom Gesetzgeber nicht be-chlossenen Steuererhöhungen – das nennt man „kalteteuerprogression“ – wollen. Deswegen haben wir ver-bredet, dass wir so, wie es von Verfassung wegen not-endig ist, das Existenzminimum erhöhen und darüberinaus darauf achten werden, dass sich durch das Zusam-enwirken von Steuerprogression im Lohn- und Ein-ommensteuerbereich und Geldentwertungsrate nichtine höhere prozentuale Belastung der Einkommen er-ibt. Daraufhin hat ein Kollege der Opposition gesagt,ir würden die Steuerpolitik nicht für die kleinen Leuteachen,
ie seien davon gar nicht betroffen. Das ist wahr. Men-chen, die keine Steuern zahlen, sind weder von derteuerprogression noch von Steuerentlastungen betrof-n.
ass das Zerrbild, das Sie von unserem Steuersystem ge-eichnet haben, nicht stimmt, zeigt sich gerade darin, dassin erheblicher Teil unserer Bevölkerung von Lohn- undinkommensteuer befreit ist und bleibt, und zwar auchurch unsere Steuerpolitik, nämlich durch eine maßvollenhebung des steuerfreien Existenzminimums.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011 16791
Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
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Würden wir nicht eine solche Entscheidung treffen,dann würde man uns unterstellen, dass wir darauf setzen,dass durch das Zusammenwirken von weniger Preissta-bilität und Steuerprogression Mehreinnahmen entstehen.
– Genau die, die wir vorgerechnet haben.
– Wir werden demnächst einen Gesetzentwurf einbrin-gen. Dann werden wir darüber sehr ausführlich reden.
– Die Fakten haben wir schon. Das hat sein geordnetesVerfahren. Das ist im Grundgesetz und in der Geschäfts-ordnung des Bundestages geregelt. Dann werden wirvon Ihnen hören wollen, ob Sie entgegen den verfas-sungsrechtlichen Anforderungen gegen eine Anhebungdes steuerfreien Existenzminimums sind.
Ich sage Ihnen: Die glaubwürdigste Entscheidung ei-ner Regierung für Preisstabilität ist, dass sie dauerhaftauf die kalte Progression, auf die Vorteile einer heimli-chen Besteuerung verzichten will.
Die Auswirkungen sind jetzt aufgrund der niedrigenPreissteigerungsrate nur gering; das ist wahr. In der Ent-scheidung, dass wir dies in Zukunft als strukturelle Maß-nahme wieder und wieder machen, liegt der eigentlicheReformansatz dieser Verabredung. Deswegen ist es einBekenntnis zur Stabilität.Sie wollen mit all dem, was Sie finanzpolitisch vor-schlagen, in Wahrheit Steuererhöhungen. Steuererhö-hungen helfen hier nicht weiter. Wenn Sie das Geld zurVerfügung haben, wird es auch ausgegeben. Wenn Sie zueinem vernünftigen Umgang mit dem Geld der Steuer-zahler kommen wollen, müssen Sie die Einnahmenknapp halten. Das ist notwendig. Nur in diesem Rahmenkönnen wir die entsprechende Gestaltungsverantwortungtragen.Letzte Bemerkung. Wir arbeiten daran, unsere ge-meinsame europäische Währung stabil zu halten, weilwir eine Verantwortung für Europa haben und Europaeine Verantwortung in der globalen Welt hat. Diese Ver-antwortung kann Europa nur erfüllen, wenn wir fürNachhaltigkeit eintreten. Wenn wir Nachhaltigkeit wol-len, müssen wir in der Finanzpolitik für Stabilität sorgen.Der Haushaltsentwurf, so wie er zur Beschlussfassungvorliegt, entspricht diesen Anforderungen. Ich bitte umIhre Zustimmung.
CgSGgIcKmdwslugkAadrepeWsfüsBDnmmsaZutebdAwP
h glaube, es gibt in vielen Parlamenten auf dieser Weltollegen, die uns, wenn sie über Haushalte diskutierenüssen, um die Situation, in der wir uns befinden, benei-en,
eil sie nicht die Möglichkeit haben, derart zu gestalten,ondern sich in Notlagen befinden und keinerlei Hand-ngsoptionen mehr haben. Insofern sollten wir unslücklich schätzen, an welchem Punkt wir stehen.Zum Zweiten. Wir sorgen dafür, dass Deutschland zu-unftsfest gemacht wird. Wir haben für einen deutlichennstieg der Beschäftigung gesorgt; das zeichnet sichuch für das nächste Jahr ab. Dies ist ein massiver Erfolg,er uns hilft, unsere Haushalte strukturell zu konsolidie-n. Wir haben trotz Eintrübung der Konjunktur eineositive Entwicklung beim realen Wachstum. Wir wollentwas dafür tun, lieber Herr Schneider, dass es so bleibt.ir sorgen einerseits dafür, dass wir auf der Ausgaben-eite sparen; andererseits setzen wir aber auch Impulser die Zukunft – ich nenne hier Bildung und Infrastrukturowie die Strukturreform der Bundeswehr –, damit sicheschäftigung und Wachstum positiv entwickeln werden.as ist das Fundament, auf dem wir aufbauen müssen.
Diese Debatte findet vor dem Hintergrund der inter-ationalen Krise der Staatsschulden statt. Ich glaube, wirüssen an dieser Stelle drei Dinge tun: Erstens. Wirüssen glaubwürdig als Vorbild unseren Haushalt kon-olidieren, wenn wir von allen anderen einfordern, dassuch sie konsolidieren, um diese Krise zu bewältigen.weitens. Wir müssen eine gemeinsame Anstrengungnternehmen, um zu einer besseren Regulierung der in-rnationalen Finanzmärkte zu kommen. Drittens. Wirrauchen eine Vertiefung der Europäischen Union, um iner Krise handlungsfähig zu werden. – Das sind die dreiufgaben, die wir angehen müssen, um diese Krise be-ältigen zu können.Kollege Schneider hat vorhin vorgetragen, dass er dasroblem mit Steuererhöhungen lösen möchte.
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16792 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011
Dr. Michael Meister
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Sein Parteivorsitzender Gabriel möchte eine Haftungs-gemeinschaft über Euro-Bonds einführen. Ich sage Ih-nen an dieser Stelle eindeutig: Wenn wir diesen Vor-schlägen folgen würden, dann müssten wir mehr Geldallein für zusätzliche Zinszahlungen ausgeben, als wirdurch die Steuererhöhung einnehmen würden.
Wir wollen mit dem Geld handeln und es nicht für Zins-zahlungen, für eine Scheinlösung hinauswerfen. DieseScheinlösung löst nicht das Problem und führt nicht zusolider Haushaltsführung, sondern würde Fehlanreizesetzen und dafür sorgen, dass wir noch tiefer in dieStaatsschuldenkrise rutschen.
Kommen Sie endlich von diesen Scheinlösungen ab, dieSie präsentieren! Kommen Sie zu uns, zu richtigen Lö-sungen, um das Problem an der Wurzel anzupacken!
Um den Vorschlag von Herrn Gabriel einmal durch-zurechnen: Wir müssten die Neuverschuldung, die wirheute haben, etwa verdoppeln, wenn wir Ihrem Weg indie Euro-Bonds folgen würden. Das ist ein Irrweg. Keh-ren Sie um!
Schulden sind wie eine Droge. Am Anfang mögen sieein Stück weit Spaß und Freude machen.
Man braucht aber immer mehr. Irgendwann ist man soabhängig, dass es eine Entziehungskur braucht, um da-von loszukommen. Was wir momentan machen, ist, einStück weit weltweit eine solche Entziehungskur durch-zuführen.
Ich will den Vorwurf aufgreifen, wir würden dabeinicht sozial handeln. In dem Haushalt, der Ihnen vor-liegt, geben wir 160 Milliarden Euro von knapp über300 Milliarden Euro für den sozialen Bereich aus. Nochnie wurde in Deutschland so viel Geld für Soziales aus-gegeben wie in diesem Bundeshaushalt. Da muss unsniemand vorwerfen, er sei nicht sozial.
Wir denken auch an diejenigen, die uns überhaupt erstdie Chance geben, dass wir Sozialpolitik ernsthaft ge-stalten können. Das heißt, wir denken auch an diejeni-gen, die arbeiten gehen, die Unternehmen führen und da-für sorgen, dass wir Steuereinnahmen generieren, umdriünnESInemsIndsddKmwtihhDdünufünEdfoesEpSDmdlä
s war richtig, dass wir Unternehmen und Steuerzahlernteuervereinfachungen gewährt haben.
Es ist auch richtig, dass wir die Menschen nicht durchflationswirkungen im Steuerrecht bestrafen, sondernin Stück weit Leistungsgerechtigkeit schaffen und da-it dafür sorgen, dass sie gerne dazu beitragen, dass un-er Gemeinwesen funktioniert.
sofern ist die Anhebung des Existenzminimums bzw.ie Verschiebung des Tarifs richtig. Ich bin sehr ge-pannt, wie die Sozialdemokraten und die Grünen mitiesem Thema umgehen; denn an dieser Stelle geht esarum, das Verfassungsrecht einzuhalten. Nach meinerenntnis ist die steuerliche Freistellung des Existenz-inimums ein Grundrecht. Ich bin sehr gespannt, ob Sie,enn Sie sich am Ende des Tages in dieser Frage posi-onieren, innerhalb oder außerhalb der Verfassung ste-en.
Meine Damen und Herren, wir haben in diesem Haus-alt auch das Thema Kommunalfinanzen aufgegriffen.ie Grundsicherung im Alter werden wir – ansteigend inrei Schritten von 2012 bis 2014 – von den Kommunenbernehmen. Solide Finanzpolitik umfasst nämlich nichtur den Bundesetat, sondern auch die Etats von Ländernnd Kommunen. Wir schaffen damit die Grundlage da-r, dass auch die Kommunalhaushalte gesunden kön-en.Ich möchte allerdings anmahnen, dass wir, was dieinhaltung der Schuldenbremse betrifft, nicht nur aufen Bundesetat blicken dürfen. Der Schuldenbremse zu-lge ist 2012 maximal eine Nettokreditaufnahme vontwa 40 Milliarden Euro zulässig. Die geplante Neuver-chuldung soll im kommenden Jahr rund 26 Milliardenuro betragen. Es besteht also ein Abstand zwischen ge-lanter Nettokreditaufnahme und maximal zulässigerchuldenbremse.
as heißt, wir haben einen deutlichen Puffer. Ich macheir allerdings erhebliche Sorgen, ob die Verantwortung,ie der Bundestag lebt, auch in den einzelnen Bundes-ndern gelebt wird.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011 16793
Dr. Michael Meister
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Wir können nicht auf europäischer Ebene die Schulden-bremse anpreisen, wenn wir sie in unserem eigenen Ver-antwortungsbereich in Deutschland nicht leben. Des-halb: Auch in den Bundesländern muss an dieser StelleVerantwortung gelebt werden.
Jetzt komme ich zu den Zukunftsinvestitionen. Ichglaube, im Hinblick auf die Zukunftsinvestitionen ist esdringend geboten, dafür zu sorgen, dass wir die Bildungstärken. Ich glaube, wir werden unseren Wohlstand nurdann wahren können, wenn wir besser ausgebildeteMenschen haben, wenn wir für mehr Akzeptanz dafürsorgen, dass Menschen früher und länger im Berufslebenstehen, und wenn wir den Erwerbsanteil von Frauen stei-gern. Nur dann wird es möglich sein, dass genügendMenschen in Arbeit sind, die unseren Wohlstand, indemsie Steuern zahlen, auf Dauer finanzieren.
Wir sind dabei, die bestehenden Strukturen zu verän-dern.Ich will Ihnen eines sagen: Unser Hauptproblem wirdin Zukunft nicht die explizite Verschuldung sein; darüberhaben wir heute viel diskutiert. Unser zentrales Problemwird zukünftig die implizite Verschuldung des Staatessein.
Wir haben sie in den letzten sechs Jahren von rund350 Prozent auf 290 Prozent des Bruttoinlandsproduktsreduziert. Aber diese Zahl kann uns noch nicht stolz ma-chen. Es geht in die richtige Richtung. Dennoch müssenwir hier noch mehr erreichen. Das ist im Hinblick auf dieZukunft unseres Staatshaushalts unsere eigentliche Auf-gabe. Deshalb wäre es richtig, uns gemeinsam dieserzentralen Aufgabe zuzuwenden, statt über Nachkom-mastellen zu streiten, die am Ende nicht die Grundfrage,ob unser Land in freiem Willen und selbstgestaltend indie Zukunft gehen kann, beeinflussen werden.In diesem Sinne hoffe ich auf eine breite Unterstüt-zung für diesen Haushalt. Ich hoffe, wir tragen damitdazu bei, dass wir gemeinsam ein gutes Jahr 2012 erle-ben werden.Danke schön.
Nicolette Kressl hat jetzt das Wort für die SPD-Frak-
tion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Für solide Haushaltspolitik müssen beide Seiten betrach-tet werden, die Einnahme- und die Ausgabenseite. Ichwkmvu–vNdksFcDdssVmwZgsFswVgsSdüre2faEIculalye
ie kalte Progression entsteht im Übrigen nicht alleinurch Inflation. Das haben Sie gerade wieder so be-chrieben. Schauen Sie einmal auf Ihre eigene Internet-eite. Dort steht, dass Inflation und Lohnsteigerungenoraussetzungen dafür sind. Sie haben uns auch aufehrfache Nachfrage hin noch nicht darlegen können,ie hoch die kalte Progression im Moment durch dasusammenwirken von volkswirtschaftlichen Lohnstei-erungen und Inflation ist. Ich finde, Sie sollten nichttändig mit etwas argumentieren, wozu Sie nicht einmalakten vorlegen können. Das ist nicht real, das ist nichtolide. So geht das einfach nicht.
Herr Meister, das gilt auch für Ihre Behauptung: Wirollen einmal sehen, wie die Sozialdemokraten zu dererfassung stehen. – Wir haben schon immer deutlichemacht, dass das steuerfreie Existenzminimum im Ge-etz verankert werden muss.
ie müssten aber doch auch wissen, lieber Herr Meister,ass wir mit dem Grundfreibetrag im Moment deutlichber den Berechnungen liegen, dass die nächsten Be-chnungen erst 2012/2013 erfolgen und wir dann über014 reden. Sie orientieren sich doch nicht an der Ver-ssung, sondern verpacken Wahlgeschenke in Form desxistenzminimums.
h finde, Sie sollten das nicht durcheinanderbringennd die Menschen nicht so hinter die Fichte führen. Dasssen wir nicht mit uns machen. Steuerpolitik muss ana-tisch, logisch und stringent sein. Das, was Sie tun, istinfach nicht in Ordnung.
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Nicolette Kressl
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Mir ist noch etwas aufgefallen – das ist mir jetztschon noch einmal wichtig –: Herr Fricke, Sie stellensich ernsthaft hierher und sagen,
man dürfe der Politik keine Steuermehreinnahmen ge-ben.
Ich finde, 1,8 Prozent rechtfertigen diesen Populismusnicht.
– Was für 1,8 Prozent? Ich meinte die Umfragewerte, dieoffensichtlich zu grandiosem Populismus führen.
Ich finde schon, dass Sie darüber nachdenken sollten,was Sie hier sagen.Es ist doch hoffentlich richtig, dass wir alle der Mei-nung sind, dass Steuereinnahmen kein Selbstzweck seindürfen. Es gibt nicht die Politik, die irgendwie Geld ein-sackt. Diesen Eindruck haben Sie aber doch vermittelt.
Sie schneiden sich damit, was das Demokratieverständ-nis angeht, mittelfristig übrigens ganz übel in Ihr eigenesFleisch.
Es geht bei den Steuereinnahmen darum, dass wir alsStaat dafür sorgen müssen, dass zum Beispiel die Kom-munen ihre Aufgaben mit dem Geld, das sie haben, auchwahrnehmen können.
Hier geht es auch um Chancen für Menschen, beispiels-weise durch Bildung, und um Wirtschaftsentwicklung.Das sind die Aufgaben, die wir erfüllen müssen. Ichfinde, Häme ist hier fehl am Platz.
Steuerpolitik muss sich durch Verlässlichkeit und Stabi-lität auszeichnen – und dieser Haushalt auch.Lassen Sie mich noch eine Anmerkung zur Ausga-benseite machen. Ich frage mich ernsthaft, worin die Lo-gik bzw. die Stringenz besteht, wenn diese Koalition wi-der besseres Wissen Ausgaben für das Betreuungsgeld inHöhe von jährlich 2 Milliarden Euro beschließt.
Ich will den bildungspolitischen Irrsinn, den Sie hier be-treiben, nicht beschreiben; darüber ist oft genug geredetwahmtrwDuinnhDFsdkvdgaudnuliu–dKgmbcperemSWsmHSk
ass die FDP, die sich einmal die Bildungspolitik auf dieahnen geschrieben hatte, dem auch noch zustimmt,chlägt dem Fass den Boden aus. Das ist nur noch durchie Tatsache erklärbar: Gibst du mir, geb ich dir. Soommen dann am Schluss große Summen heraus, dieerpulvert werden.Sie vernachlässigen im Übrigen auch die Basis, aufer Steuern gezahlt werden; das kommt noch dazu. Esehört auch zu einer Haushaltsdebatte, zu sagen: Wirchten darauf, dass die Steuermehreinnahmen stabil sindnd die Löcher, die die Große Koalition beispielsweiseurch die Unternehmensteuerreform geschlossen hat,icht wieder aufgerissen werden. Sie haben ganz stillnd heimlich durch mehrere Gesetze wieder die Mög-chkeit eröffnet, Gewinne über die Grenzen zu schaffen,nd damit wieder Löcher aufgerissen.
Ein Beispiel ist die Funktionsverlagerung. Wir hattenazu gemeinsam eine Anhörung, Herr Flosbach. Dieommunen haben gesagt: Durch diese Funktionsverla-erung wird uns über 1 Milliarde Euro fehlen. Das kannan in den Protokollen zur Anhörung nachlesen. Sie ha-en sich diesen Argumenten verweigert und die entspre-henden Regelungen in ein Post-Umsatzsteuergesetz ge-ackt, damit es niemand merkt. Das wollen wir hier nurinmal festhalten.Sie haben bei der Brennelementesteuer wider besse-s Wissen darauf verzichtet, eine konkrete Vorlage zuachen, die wirklich gerichtsfest ist. Stattdessen sagenie immer: Da wird schon nichts passieren.
ir hoffen nun, dass die Gerichte entsprechend ent-cheiden.Das sind einige der Punkte, mit denen Sie an die Be-essungsgrundlage herangehen. Ich sage Ihnen: Solideaushaltspolitik basiert auch auf einer stringententeuerpolitik. Davon sind Sie weit entfernt. Deshalbann auch dieser Haushalt nichts werden.Vielen Dank.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011 16795
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Der Kollege Volker Wissing hat jetzt für die FDP-
Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Besten Dank! – Liebe Kolleginnenund Kollegen! Der Bundesfinanzminister hat zu Rechtdarauf hingewiesen, dass die Krise langsam in der Real-wirtschaft ankommt. Die Menschen machen sich Sor-gen. Deswegen ist es wichtig, dass wir in der Finanz-und Steuerpolitik dafür sorgen – das sollen wir eigent-lich gemeinsam tun –, dass private Träume hinsichtlichgesellschaftlicher Aufstiegschancen dort gesichert wer-den, wo sie vorhanden sind, und dort, wo sie noch nichtvorhanden sind, ermöglicht werden. Dazu gehört auch,dass man dafür sorgt, dass unser Steuersystem dem Prin-zip der Leistungsgerechtigkeit Rechnung trägt.
Bei einer Inflation von 2,5 Prozent und Lohnerhöhun-gen von 1,8 Prozent, liebe Frau Kollegin Kressl, stelltsich bei unserem linear-progressiven Tarif schon dieFrage nach der Steuergerechtigkeit. Ein Staat – ich bindankbar, dass der Finanzminister darauf hingewiesen hat –,der glaubhaft Geldwertstabilität zusichert, muss dafürsorgen, dass die öffentlichen Kassen nicht einseitig ander Inflation verdienen. Genau das tun wir mit unsererSteuerpolitik, wenn wir einerseits die Grundfreibeträgeder Preisentwicklung anpassen und damit das Existenz-minimum steuerfrei stellen und andererseits den Tarifentsprechend korrigieren. Das ist aber nicht alles; derFinanzminister hat es hier gesagt. Es geht nicht um einenEinmaleffekt. Wir wollen, dass künftig durch die kalteProgression Steuererhöhungen nicht mehr intransparentund heimlich geschehen, sondern dass man einen Pro-gressionsbericht vorlegt und analysiert, wie hoch dieProgressionsentwicklung ist, und dann vor der Öffent-lichkeit darüber entscheidet, wie man damit umgeht. Wirstehen dafür, dass man die kalte Progression dauerhaft inregelmäßigen Abständen beseitigt.
Die Aufregung, die Sie verbreiten, und die Krokodils-tränen, die Sie in der Öffentlichkeit über die Steuerpoli-tik vergießen, sind völlig unangemessen. Es gibt über-haupt keinen sachlichen Grund für Ihre Aufregung. Siehaben kein fachliches und schon gar kein rechtliches Ar-gument, dagegen in den Ländern eine Blockade aufzu-bauen.Dass ausgerechnet SPD und Grüne glauben, mankönne sich damit schmücken, dass man die kalte Pro-gression aufrechterhält, ist ein Schlag ins Gesicht derArbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie vermittelnden arbeitenden Menschen in Deutschland mit IhrerPosition nämlich Folgendes: Erstens. SPD und Grünewollen nicht, dass Arbeitnehmer einen verfassungskon-fowflmkSDlumhssbdekreßeintumhSHtiseeghuhw
Sie begründen Ihre unfaire Haltung damit, dass eseine Geschenke geben dürfe. Das haben der Kollegechneider und auch Frau Kressl heute gesagt.
as ist blanker Zynismus.
Lohnerhöhungen sind keine Geschenke. Es sind Zah-ngen, die sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-er durch eigene Anstrengung und Leistung verdientaben. Deshalb ist es richtig und auch wichtig, dafür zuorgen, dass den Menschen etwas von dem bleibt, wasie verdient haben. Die Arbeitgeber schenken den Ar-eitnehmern nichts, wenn die Löhne erhöht werden, under Staat schenkt den Arbeitnehmern auch nichts, wennr ihnen die Lohnerhöhung belässt, statt sie durch diealte Steuerprogression einzukassieren.
Hören Sie deswegen endlich auf, von Geschenken zuden! Sie verhöhnen mit diesem zynischen Bild die flei-igen Menschen, die in Deutschland den Aufschwungrarbeitet haben.
Es ist erschreckend, was das linke Parteienspektrum der Finanzpolitik zu bieten hat. In der letzten Legisla-rperiode haben Sozialdemokraten die Arbeitnehmerit der Mehrwertsteuererhöhung belastet. Zur Haus-altssanierung hat das nichts beigetragen, und da fordernie heute ernsthaft weitere Steuererhöhungen, weil deraushalt saniert werden müsse. Das Gegenteil ist rich-g: Der Haushalt muss endlich auf der Ausgabenseiteaniert werden. Das tut die christlich-liberale Koalition.
Ihnen fällt als Antwort auf die Euro-Krise nur nochines ein: Steuererhöhungen, Steuererhöhungen, Steuer-rhöhungen. Wie ein Mantra tragen Sie das durch dieanze Republik. 60 Milliarden Euro durch Steuererhö-ungen will die Linke, zig Milliarden wollen die Grünennd die SPD. Nichts haben Sie mit Ihrer Steuererhö-ungspolitik in der Vergangenheit erreicht, und nichtserden Sie in Zukunft erreichen. Sie machen damit nur
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Dr. Volker Wissing
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Politik auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Ar-beitnehmer.Die Beschäftigten sollen höhere Sozialabgaben zah-len, zusätzlich privat Vorsorge treffen und obendreinauch noch höhere Steuern an den Staat abführen. DasSchlimme ist, dass Sie mit dieser Politik den Arbeitneh-merinnen und Arbeitnehmern nicht nur in die Taschegreifen, sondern obendrein auch noch ihre Arbeitsplätzegefährden.
Die Grünen beschließen auf ihren Parteitagen großeSteuererhöhungskonzepte. In dem Moment, in dem sieder Regierungsverantwortung näherkommen, bekom-men sie Angst vor ihrer eigenen Politik. Frau Künastsagte vor der Berlin-Wahl, man müsse aufpassen; ein hö-herer Spitzensteuersatz sei schwierig für den Mittel-stand. Herr Kretschmann sagte, die Einkommensteuer-politik, vor allen Dingen beim Spitzensteuersatz, müssemit dem Mittelstand kompatibel sein.Denken darf man nicht erst, wenn es zu spät ist. Manmuss vorher wissen, was die richtige Politik ist.
Deswegen verweigern wir diese mittelstandsfeindlicheSteuererhöhungspolitik.Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ihre finanzpoliti-sche Antwort auf die Herausforderungen der Euro-Kriseist zu wenig:
Steuererhöhungen, Steuererhöhungen, Steuererhöhungen.Das ist keine Lösung. Deswegen bleiben wir bei demKurs der Stabilitätspolitik sowohl was unser Steuersys-tem als auch die Währungsstabilität angeht.Frau Kressl, ich finde, was die SPD mit der kaltenProgression aufführt, ist ein Affentanz. Sie fragen im-mer: Gibt es die wirklich? Schauen Sie sich die Lohn-steigerungszahlen und die Inflationsraten an! Dann kön-nen Sie sich das ganz einfach beantworten.Herr Steinbrück hat nichts gegen die kalte Progres-sion gemacht. Einmal sagt er, das sei ein aufgebauschtesProblem. Das versuchen Sie ja auch, der Öffentlichkeitklarzumachen. An anderer Stelle sagt er: Wenn man siekomplett abschaffen würde, dann würde das 25 Milliar-den Euro kosten. – Das passt nicht zusammen. Wenn esein aufgebauschtes Problem ist, dann kann es nicht um25 Milliarden Euro gehen.Ich finde es bemerkenswert, dass die linken Parteienkein Gespür für die Situation der Arbeitnehmerinnenund Arbeitnehmer haben. Die Menschen machen sichSorgen um ihren Arbeitsplatz. Sie wollen nicht, dass dieKonjunktur durch die falsche Politik gefährdet wird.Deswegen sind sie bei der christlich-liberalen Koalitiongut aufgehoben. Wir werden moderat und wachstums-orientiert vorgehen, und wir werden dafür sorgen, dasssdZuSwCKKrümsteh5seaEhFesvliMteüekSpwhvWvwHsLed
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrtenolleginnen und Kollegen! Ich darf auf den Beitrag desollegen Carsten Schneider zu Beginn der Debatte zu-ckkommen. Mittlerweile hat mir Kollege Schirmbeckit seinen technischen Möglichkeiten erlaubt, den Ent-chließungsantrag zu lesen, den Sie zur zweiten und drit-n Beratung eingebracht haben.
Überschlägig berechnet fordern Sie damit im Haus-alt 2012 Mehrausgaben in einer Größenordnung vonMilliarden bis 10 Milliarden Euro. Gleichzeitig kriti-ieren Sie, dass wir zu wenig sparen. Sie wollen Steuernrhöhen und mehr ausgeben, aber Sie wollen nicht soliderbeiten und nicht sparen. Frau Kollegin Kressl, Ihreinlassung zum Thema Steuerpolitik kann ich nun über-aupt nicht verstehen; Sie sind doch eigentlich vomach. Es geht hier nicht darum, was in der Koalition ver-inbart worden ist und dass wir irgendwelche Steuerge-chenke mir nichts, dir nichts verteilen wollten; wir tunielmehr nichts anderes als das, was verfassungsrecht-ch geboten ist und was sich gehört: Wir muten denenschen nicht zu, insbesondere nicht denen in den un-ren und mittleren Einkommensbereichen, dass sieberproportional steuerlich belastet werden. Das ist derigentliche Kern dieser Vereinbarung.Zu der Kritik, die Carsten Schneider vorhin geübt hat,ann ich nur sagen: Es gibt unter uns Haushältern denpruch, dass Haushaltsansätze nicht zum Ausgeben ver-flichten, sondern nur zum Ausgeben berechtigen. Esar auch in den zurückliegenden Jahren so, dass Haus-alte besser abgeschlossen werden konnten, als zunächstorgesehen war. Gott sei Dank sind wir auf unseremeg der Konsolidierung deutlich schneller und besserorangekommen. So ist auch dieser Haushalt, über denir jetzt beraten, wieder ein wesentlicher Schritt zuraushaltskonsolidierung. Er ist ein Beispiel für die ge-amte Europäische Union. Wir können von den anderenändern nicht erwarten, dass sie eine Schuldenbremseinführen, solide wirtschaften und strukturelle Reformenurchführen, wenn wir selber uns nicht besonders ehr-
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Bartholomäus Kalb
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geizigen Zielen verschreiben. Dies wiederum ist not-wendig, damit wir einer Kultur der Stabilität in Europazum Durchbruch verhelfen; denn wir stehen in einerganz besonderen Verantwortung für unsere Währung.Das erwarten die Menschen. Die Menschen kritisie-ren durchaus hier und da die Maßnahmen, die wir zurStabilisierung des Euro und zur Behebung der Schulden-krise in Europa ergreifen. Nur, in einem stimmen dieMenschen vollkommen mit uns überein: Sie verlangenvon uns, dass wir alles in unserer Kraft Stehende tun, fürdie Stabilität der Währung zu sorgen. Der Euro ist unsereWährung. Wir haben keine andere Währung. Deswegenfordern die Menschen von uns zu Recht, dass wir allesfür die Stabilität dieser Währung tun.
Wir müssen daran arbeiten, dass bald die neuen In-strumente EFSF, der vorläufige Rettungsschirm unddann auch der dauerhafte Rettungsschirm in Kraft tretenkönnen. Wir können zwar kritisieren, was die Europäi-sche Zentralbank in ihrer Unabhängigkeit tut, aber wirmüssen auch dafür sorgen, dass neben dem Einsatzfahr-zeug Europäische Zentralbank auch andere funktionsfä-hige Einsatzfahrzeuge geschaffen werden, die wir zurStabilisierung der Währung einsetzen können.Wir können uns nicht darauf verlassen, dass die Zins-belastung für unseren Bundeshaushalt auf die Dauer sogünstig sein wird, wie sie im Moment ist.
Im Verlauf der letzten 90 Jahre lag die durchschnittlicheZinsbelastung – die Kriegszeit herausgerechnet – bei5,7 Prozent, wenn ich das richtig gelesen habe. Wir ha-ben im Moment eine außerordentlich günstige Zinssitua-tion, aber darauf können wir auf die Dauer nicht setzen.Daher müssen wir sehen, dass wir von der Gesamtver-schuldung und insbesondere der Neuverschuldung he-runterkommen. Das ist wiederum in deutschem wieeuropäischem Interesse. Wir haben in den zurückliegen-den Jahren bessere Entwicklungen verzeichnen dürfen,nicht zuletzt auch aufgrund der Maßnahmen, die wir inder Krise ergriffen haben. Ich nenne die Konjunkturpro-gramme usw. Ich hätte mich schon gefreut, wenn auchdie Länder und die Gemeinden, die an den höheren Steu-ereinnahmen partizipieren, sich gemeinschaftsorientier-ter verhalten hätten, als es um wichtige Aufgaben ging.Richtig ist, dass wir Beschäftigung sichern konntenund dass wir im Moment eine außerordentlich günstigeSituation am Arbeitsmarkt haben. Noch nie hatten wir sowenige Arbeitslose: 2,7 Millionen. Noch nie hatten wireine so hohe Zahl von Erwerbstätigen: über 41 Mil-lionen. Noch nie hatten wir in Deutschland einen so ho-hen Stand an sozialversicherungspflichtig Beschäftigtenund offenen Stellen.Dies alles hat zur Konsequenz, dass die Einnahme-situation der öffentlichen Hände günstiger geworden ist,weil wir mehr Steuer- und Beitragszahler und wenigerLeistungsempfänger haben.HdakCKsdheWSbdkkzddswwteBagMrehA2skSwapmli
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16798 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011
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gen für eine wirtschaftlich vernünftige Entwicklung inDeutschland schafft, die die Menschen merken und vondenen die Menschen profitieren.
Dabei setzen wir auf die Zukunft. Wir machen hiernicht nur Kassenwart-Politik und sprechen über Einnah-mereduzierungen, sondern wir müssen auch dafür sor-gen, dass die Menschen in Zukunft von diesen Vorteilenprofitieren können.Deswegen ist es wichtig, zu sagen, dass die Zinssätzein Deutschland aufgrund der soliden Politik, die wir ge-macht haben, so niedrig sind; denn nur dadurch ist esmöglich, dass Firmen günstig an Geld kommen und dassdie Entwicklung am Arbeitsmarkt in die nächsten Jahreweiter trägt, obwohl wir europaweit die eine oder andereEintrübung hinnehmen müssen.Deswegen, lieber Carsten Schneider, habe ich über-haupt keine Skrupel, zu sagen, dass es Deutschland gutgeht. Sie predigen Wasser und trinken selbst Wein. DerErfolg unserer Politik besteht darin, dass wir angesichtsder Superergebnisse und Superzahlen den Menschen inDeutschland mehr bieten können als Länder in Südeu-ropa ihren Bevölkerungen. Das ist für uns der Anreiz, soweiterzumachen wie bisher.
Nehmen Sie doch die erwähnten Zahlen zur Kenntnis.Sie stellen in Abrede, dass wir erfolgreich sind, und ver-weisen dabei auf die Entwicklung bei der Nettokredit-aufnahme. Wir sind immerhin in der Lage, für 2012 ei-nen Haushalt vorzulegen, der ein Delta zwischen dernach dem Grundgesetz erlaubten Nettokreditaufnahmein Höhe von 40 Milliarden Euro und der tatsächlichenNettokreditaufnahme in Höhe von rund 26 MilliardenEuro vorsieht. Das heißt, wir geben ungefähr 14 Milliar-den Euro weniger aus, als wir könnten.
Das straft Sie doch Lügen, wenn Sie sagen, wir betriebenAusgabenpolitik. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Wirsichern Handlungsfähigkeit für die Zukunft, weil wir sozügig vorangehen.
Wir sind auch im europäischen Kontext hervorragendaufgestellt. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt beträgtdie Verschuldung in diesem Jahr nur noch 0,6 Prozent.Das sucht in Europa seinesgleichen. Vergleichbar guteZahlen werden Sie nur ganz selten finden. Unsere Stabi-litätspolitik ist im Sinne der Menschen in Deutschland– für die sind wir zuallererst da – erfolgreich. DieserHaushalt schafft die Voraussetzungen dafür, dass dasnicht nur 2012, sondern auch darüber hinaus so bleibt. Indiesem Sinne ist das ein erfolgreicher Haushalt, vorge-legt von einer Koalition, die erfolgreich Politik betreibt.Herzlichen Dank.
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Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dassdieser Haushalt in seinen Ansätzen in wesentlichen Tei-len von Klientelinteressen bestimmt ist.
Ich habe auch den Eindruck, dass die Ministerin sichgern vom Deutschen Bauernverband umarmen lässt.
Da kann man vielleicht ein bisschen weich liegen undkann Konfrontationen, die notwendig wären und dieman auch durchstehen müsste, aus dem Weg gehen.
Aber ich kann dazu nur sagen: In diesem Zusammen-hang ist der Deutsche Bauernverband sicherlich der fal-sche Liebhaber. Er ist an Geld interessiert, und wenn erdas hat, dann macht er sich davon, so wie es ein Heirats-schwindler immer macht.
– Nein. Der tritt bald ab; insofern ist das nicht die Frage-stellung für die Zukunft.Es ist wichtig, dass wir auf die Entwicklung des länd-lichen Raums ein besonderes Schwergewicht legen. Dahätte ich für die Finanzierung ein bisschen mehr erwar-tet. Ist die Ministerin da? – Doch, Gott sei Dank, sie istda.
– Hervorragend. Dann kann ich Sie auch persönlich an-sprechen. – Sie waren am Freitag letzter Woche auf demKreisbauerntag des Bayerischen Bauernverbands in Kö-nigsdorf.
– Ich gehe einmal davon aus, dass das in Ihrem Wahl-kreis ist. – Ich freue mich natürlich, dass Sie da entspre-chende Aussagen zur deutschen Agrarpolitik getroffenhaben. Der Vizekreisobmann, der Herr Fichtner, hat Sieganz konkret mit den Problemen des ländlichen Raumskonfrontiert. Ich zitiere einmal:Der ländliche Raum blutet aus, die Betriebe gebenauf, die Infrastruktur wie beispielsweise die ärztli-che Versorgung auf dem Land bricht weg.Ihre Antwort darauf: Die Regionen müssen gestärktwerden. Die Wertschöpfung muss in der Region bleiben.Wohl wahr! Aber an Ihrem Haushalt kann ich nichterkennen, dass Sie darauf einen Schwerpunkt legen. DasGegenteil ist der Fall. Sie haben die Gemeinschafts-aufgabe als gestaltendes Instrument für die Politik imländlichen Raum schon 2010 im Vergleich zu 2009 ent-scheidend beschnitten, nämlich um 85 Millionen Euro;das sind 15 Prozent. Wir als Sozialdemokraten halten da-gagnDKEwIhwDcraSindukdwzpläjedVIcGaalädgHläinremmsläaum
as zeigt Ihre Position und Ihr Verhältnis zum ländli-hen Raum.
In diesem Zusammenhang mache ich noch einmal da-uf aufmerksam, wo Sie die zentralen finanziellenpielräume in den letzten Jahren verspielt haben. Ich er-nere an die 750 Millionen Euro, die Sie einfach ausem Fenster geworfen haben: in wesentlichen Bereichennstrukturiert, ohne entsprechendes Konzept, einfachonsumtiv verausgabt. Damit hätte man Politik auch fürie Zukunft gestalten können. Mit diesen Ressourcenären wir in der Lage gewesen, ein innovatives Konzeptur Entwicklung des ländlichen Raums zu erarbeiten undolitisch umzusetzen. Aber das haben Sie nicht getan.Im Haushaltsentwurf findet sich im Gegenzug einppisches Trostpflaster von 6 Millionen Euro für Pro-kte: „LandZukunft“. Wohl wahr! Wichtig ist das. Aberas bietet bestimmt gute Gelegenheiten, um sich bei derergabe vor Ort gebührend feiern zu lassen.
h will Ihnen da nichts unterstellen, aber das ist weißott keine strukturierte Politik. Der Ansatz ist richtig,ber in der Konsequenz viel zu gering.
Greifen Sie doch endlich einmal die Kritik der OECDn der Politik und an dem Entwicklungskonzept für denndlichen Raum in Deutschland auf! Stellen Sie sichoch einmal der Aufgabe, und sagen Sie, wie Sie das an-ehen möchten: auch im Hinblick auf 2020, auch iminblick auf die Kofinanzierungsfunktion der Bundes-nder, die aufgrund der Schuldenbremse weitestgehendfrage gestellt ist. Ich kann da von Ihrer Seite kein kla-s Konzept erkennen.
Meine Antwort darauf lautet: weniger Flächenprämie,ehr Geld für den ländlichen Raum und mehr Engage-ent des Bundes, um in diesen Bereichen die Politik ge-taltungsfähig zu halten. Sonst läuft die Politik für denndlichen Raum in Zukunft ins Leere, und wir werdenm Ende vor den Trümmern der Entwicklung stehen undns vielleicht fragen, was wir hätten anders machenüssen.
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Dr. Wilhelm Priesmeier
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Wir als Sozialdemokraten plädieren für eine inte-grierte Entwicklungspolitik, die alle Fördertöpfe berück-sichtigt. Wir plädieren für ein Konzept, das regionaleEntwicklungsfonds beinhaltet und bei dem aus allenTöpfen synergistisch gefördert werden kann, damit diean sich bescheidenen vorhandenen finanziellen Ressour-cen optimal genutzt werden können. Das ist eine ver-nünftige Politik für den ländlichen Raum. Darum for-dern wir die Weiterentwicklung der GAK zu einerGemeinschaftsaufgabe für den ländlichen Raum. Dazuwird es vielleicht in zwei Jahren Gelegenheit geben,wenn wir Sozialdemokraten hoffentlich wieder gestal-tend an Koalitionsverhandlungen beteiligt sind.
Ich sehe das voraus. Dann ist Zeit und Gelegenheit, Bal-last abzuwerfen, neue Konzepte zu entwerfen und dieseKonzepte auch umzusetzen, im Sinne des ländlichenRaums und vor allen Dingen für die Menschen im ländli-chen Raum.
Wenn man einmal ein Fazit Ihrer bisherigen Politik– nicht nur der Politik, die aus diesem Haushalt spricht,sondern Ihrer Politik insgesamt – ziehen darf, dann lau-tet dieses: Schwarz-gelbe Agrarpolitik lässt in der Regelweitestgehend jeglichen Gestaltungsanspruch vermis-sen. Schwarz-gelbe Agrarpolitik bleibt häufig Klientel-politik. Schwarz-gelbe Agrarpolitik für den ländlichenRaum findet so gut wie gar nicht statt.Vielen Dank.
Der Kollege Georg Schirmbeck hat jetzt das Wort für
die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Ich möchte zu Beginn meiner Ausführungen zu-nächst der Bundesministerin, den Staatssekretären, aberauch dem Haushaltsausschuss und eigentlich dem gan-zen Hause sehr herzlich danken für die exzellente Zu-sammenarbeit, und zwar nicht nur in den letzten Wo-chen. Unsere Zusammenarbeit zeichnet sich dadurchaus, dass wir das ganze Jahr über eng kooperieren unduns nicht wechselseitig überraschen. Wir informierenund unterstützen uns gegenseitig. Das gilt ganz beson-ders für den Kollegen Peter Haustein. Wir arbeiten sozusammen, wie es sich in einer Koalition gehört.
Ich glaube, das ist für den einen oder anderen beispiel-haft. Aber auch in Richtung Christel Happach-Kasanund Franz-Josef Holzenkamp, also der Fachpolitiker,kann ich nur sagen: Wir sind nicht immer einer Mei-nung, aber dann hocken wir uns zusammen und sprechenmiteinander. Ich habe das schon im HaushaltsausschussgfebgDsgtehmSdtuwgDLssaeGtelugcläaVuvRdveJHmrupwdwsvodg
as zeigt doch, dass die Harmonie nicht nur gespielt ist.Meine Damen und Herren, ich sage das ein bisschencherzhaft am Anfang, weil die Zusammenarbeit wirklichut ist. Das zeigt sich auch daran, dass die Bundesminis-rin, die vorher Haushälterin war, die also das gemachtat, was ich jetzt für die CDU/CSU-Bundestagsfraktionachen darf, uns ihre Redezeit zur Verfügung gestellt hat.ie hat also Vertrauen in das Parlament und lässt uns überen Haushalt diskutieren. Das ist eine beispielhafte Hal-ng, die durchaus Schule machen könnte.Herr Kollege Priesmeier, wenn man das gehört hat,as Sie hier gesagt haben, müsste man Deutschland ei-entlich fluchtartig verlassen.
ie Lage ist doch ganz anders. In unserer gemeinsamenandeshauptstadt Hannover hat gerade die Agritechnicatattgefunden. Wenn man dort mit der Szene spricht,tellt man fest, dass sie sehr zufrieden ist, dass eigentlichlles zu gut ist. Wenn man sieht, dass in einem Bereichtwas hervorragend läuft, dann gehört es zur politischenröße, sich herauszuhalten und nicht irgendetwas zu un-rnehmen, was einer guten wirtschaftlichen Entwick-ng im Wege steht.Ich weiß – das habe ich auch in der ersten Beratungesagt –, dass es in den einzelnen Bereichen des ländli-hen Raums ganz unterschiedlich aussieht. In manchenndlichen Räumen gibt es einen richtigen Boom, und innderen läuft es nicht so toll, obwohl die gesetzlichenoraussetzungen die gleichen sind. Wir Politiker solltenns einmal die Frage stellen, woran das liegt. Liegt dasielleicht daran, dass es in unterschiedlichen ländlichenäumen unterschiedliche politische Ansätze gibt, weilort andere politische Mehrheiten herrschen? Liegt esielleicht nur an den Menschen, die dort leben, weil sieine andere Entwicklung haben wollen?In den ländlichen Räumen, in denen ich im Laufe desahres immer wieder bin, stelle ich einen Boom fest iminblick auf Solaranlagen, Biogasanlagen und Wind-ühlen. Dort werden Ställe und Fabriken für die Ernäh-ngswirtschaft gebaut. Da wird Grund und Bodenlötzlich teuer, weil viele ein Interesse daran haben, et-as zu unternehmen und zu investieren. Hintergrund füriese Investitionen sind politische Entscheidungen, dieir getroffen haben und die den ländlichen Raum offen-ichtlich nach vorne bringen. Ist das falsch? Wird dason Ihnen kritisiert?Wenn Sie sagen: „Die Haushaltsansätze müssten hierder dort besser sein“, dann verweise ich auf die Zeit, iner es eine legendäre Ministerin namens Renate Künastab.
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Georg Schirmbeck
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Ich habe es an dieser Stelle schon einmal gesagt: Wennich auf einer Veranstaltung bin, auf der viel gemotztwird, und dort an den Minister Trittin, Stichwort Do-senmaut, und an die Ministerin Künast erinnere, dannsind plötzlich alle wach und rufen: Das ja nicht wieder!Georg, macht ihr so weiter! Ihr macht eine gute Politik. –
Irgendwie sind dann alle zufrieden.Sie sagen bei entsprechendem Anlass immer, wasnoch alles gemacht werden sollte. Ich weiß gar nicht,wer von Ihnen einmal zur Kenntnis genommen hat, dasswir zurzeit das Internationale Jahr der Wälder begehen.
Deutschland ist das größte Forstland Europas. Mansollte sich bei den Haushaltsberatungen vielleicht einmal30 Sekunden Zeit nehmen, um darüber zu sprechen, wasin diesem Bereich geleistet wird. Wir als Koalition ma-chen das. Wir wollen, dass nicht nur im Jahr 2011 überdas Internationale Jahr der Wälder gesprochen wird,sondern dass die Kampagne fortgesetzt wird, weil daseine positive Entwicklung für die ländlichen Räume för-dert. In der Forstwirtschaft gibt es 2 Millionen Arbeits-plätze. Auf diese Arbeitsplätze kommt es an, und wir un-terstützen deren Erhalt durch zusätzliche Haushaltmittel.Diese haben wir eingestellt, und darauf sind wir stolz.
Sie können hier viel kritisieren und sagen, was allesnicht so gut läuft. Wenn Sie Deutschland aber einmalverlassen und sich im Ausland aufhalten – beispiels-weise dort, wo es Menschen gibt, die wirklich wissen,was Hunger bedeutet und was Armut ist –, dann werdenSie sehr demütig, wenn Sie wieder nach Hause kommenund erkennen, wie gut es uns in Wirklichkeit geht.
Es hilft langfristig überhaupt nicht, wenn wir im Fallevon großen Katastrophen Lebensmittel an den Unglücks-ort bringen. Das muss im Einzelfall geschehen, um akuteNot abzuwenden. Wenn wir aber dauerhaft helfen wol-len, dann müssen wir unser Know-how, das wir in allenBereichen der Ernährungswirtschaft, der Landwirtschaft,der Forstwirtschaft und der Fischerei haben, in dieseLänder bringen. Wir müssen dort ausbilden und qualifi-zieren. Das kann man mit vergleichsweise geringenSummen tun. Man braucht geeignetes Personal, um denHunger in der Welt zu bekämpfen. Hier wollen wir beimnächsten Haushalt, aber auch in den Folgejahren einenSchwerpunkt setzen. In den nächsten Jahren wollen wir8,75 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung stellen,um den Hunger in der Welt konkret – nicht mit Worten,sondern mit Taten – zu bekämpfen.
Wir wissen, dass sich die Welt an der einen oder ande-ren Stelle verändert hat. Das gilt auch für Deutschland,begonwimgnFBskdsmFbbruwewBskMisohbddtuRwogusruLTs
Das gilt auch für den Verbraucherschutz: Auch dortann man natürlich immer sagen, dass das eine oder an-ere neu geregelt werden muss. Wir werden aber fest-tellen, dass es trotz aller gesetzlichen Maßnahmen im-er Dinge geben wird, die wir so nicht wünschen,ehlentwicklungen, die wir uns so nicht vorgestellt ha-en.Ich glaube, die wirkungsvollste Maßnahme, die maneispielsweise in der Landwirtschaft und in der Ernäh-ngswirtschaft ergreifen kann, ist folgende: Wenn esirklich Betriebe gibt, die boshaft und vorsätzlich Fehl-ntwicklungen zu verantworten haben, müssen sie ge-issermaßen gebrandmarkt werden, sodass sie in derranche einfach nicht mehr akzeptiert werden. So ent-tehen in den verschiedenen Bereichen Selbstheilungs-räfte: Es führt dazu, dass solche Unternehmen auf demarkt überhaupt nicht mehr tätig werden können. Dast wirklich abschreckend und führt dazu, dass das eineder andere nicht mehr passiert. Es ist im Übrigen über-aupt keine Frage, dass hier das Strafrecht gelten muss.Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen – das ha-en wir beispielsweise im Falle von Ehec gesehen –,ass es zwar das eine oder andere zwischen den Län-ern, dem Bund und verschiedenen Forschungseinrich-ngen neu zu koordinieren gibt, dass es aber trotz alleregelungen, zu denen es zukünftig kommen muss, Ent-icklungen geben kann – das haben uns die Fachleute,hne dass die Medien darauf eingestiegen sind, deutlichemacht –, die man einfach zur Kenntnis nehmen mussnd die man wissenschaftlich nicht erklären kann.
Herr Kollege Schirmbeck, erlauben Sie eine Zwi-
chenfrage des Kollegen Priesmeier?
Gerne, Wilhelm. Du bist ein gescheiter Mensch. Wa-
m sollte man dich nicht reden lassen?
Zunächst einmal danke für die Vorschusslorbeeren. –ieber Kollege Schirmbeck, wenn du schon einmal denierschutz erwähnst, dann kannst du mir vielleicht auchagen, warum die beiden von uns eingebrachten Anträge
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Dr. Wilhelm Priesmeier
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zum Tierschutz – darin ging es vor allen Dingen um dieIndikatorenforschung im Tierschutz und um die Ausge-staltung eines Konzeptes, das als Forschungsgrundlagefür die Tierschutzindikatorenforschung internationaltragfähig ist – in den entsprechenden Ausschussberatun-gen seitens der Koalition abgelehnt worden sind.
Verehrter Herr Kollege, wir haben parallel zu den
Haushaltsplanberatungen im Fachausschuss – ich war
zugegen – einen Entschließungsantrag eingebracht, in
dem wir das, was ich hier ausgeführt habe, deutlich ge-
macht haben; wir gedenken das umzusetzen. Ich sage es
noch einmal: Wir wollen in diesem Bereich die wissen-
schaftlichen Erkenntnisse gewinnen, die dort zu gewin-
nen sind. Wenn uns diese wissenschaftlichen Erkennt-
nisse vorliegen, werden wir darauf entsprechend reagie-
ren.
Ich wiederhole: Gerade im Zusammenhang mit dem
Tierschutz sind in der Gesellschaft Dinge im Umlauf, bei
denen es aber eher – da sind insbesondere wir beide uns
einig – um Tierquälerei geht. Solche Dinge müssen ver-
hindert werden. Wir wollen nicht zurück, sondern nach
vorne. Dort, wo wir auf wissenschaftlicher Basis fest-
stellen, dass Korrekturen vorzunehmen sind, werden wir
diese vornehmen. Aber es wird zuerst geforscht und erst
dann entwickelt und gesetzgeberisch gehandelt, nicht
umgekehrt. Ich glaube, das ist sachliche Politik. Der
Tierarzt, der hier die Frage gestellt hat, und die anderen
Tierärzte in Deutschland erwarten das in diesem Bereich
von uns.
Manch einer, der im guten Sinne von Tierschutz redet,
hat von artgerechter Tierhaltung überhaupt keine Vor-
stellung; denn immer weniger Menschen in unserer Ge-
sellschaft kommen mit Tieren direkt in Kontakt. Ich
glaube, dass da ein großes Defizit besteht. Wir tun ge-
meinsam gut daran, die wissenschaftlichen Erkenntnisse
abzuwarten und dann zu handeln.
Meine Damen und Herren, schließlich und endlich
möchte ich sagen: Der Einzelplan 10 ist eigentlich ein
großer Sozialhaushalt. Der Sozialhaushalt im Rahmen
des Einzelplans 10 gewährleistet mit einem Umfang von
fast 4 Milliarden Euro die soziale Sicherheit im ländli-
chen Raum. Das sollte man immer wieder deutlich ma-
chen; das ist überhaupt nicht selbstverständlich. Wir ha-
ben es mehrfach angesprochen: Wir wissen, dass in der
landwirtschaftlichen Unfallversicherung Reformbedarf
besteht. Es muss dort einen Bundesträger geben. Das ist
mittlerweile unstrittig. Es gibt eine Vorstellung davon,
wie das im Einzelnen ablaufen soll. Wir werden diese
Reformen mit weiteren 150 Millionen Euro begleiten;
aber diese 150 Millionen Euro werden so lange vom
Haushaltsausschuss nicht freigegeben, bis die Sache ge-
setzgeberisch geregelt, bis also das entsprechende Ge-
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etzt komme ich zu dem Punkt, den wir hier prinzipiellu kritisieren haben: Landwirtschaftspolitik findet in-wischen nicht mehr in Parlamenten und Regierungentatt, sondern an Börsen, in Lebensmittelkonzernen und Discounterketten. Das ist genau das, was wir nicht un-idersprochen hinnehmen dürfen.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011 16803
Roland Claus
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Dass Agrarwirtschaft und marktwirtschaftliche Grund-sätze nichts mehr miteinander zu tun haben, dem werdennicht einmal mehr Sie widersprechen. Dass Ihnen diesaber hin und wieder ein Sozialist sagen muss, sollte Ih-nen zu denken geben.Wir hätten uns gewünscht, dass diese Beratung ge-nutzt worden wäre, um zu sagen: Spekulationen mitNahrungsgütern und agrarischen Rohstoffen gehörenverboten. Das ist unsere Forderung.
Wenn es zu der auch inzwischen von Bundesfinanz-minister Schäuble geforderten Einführung der Finanz-transaktionsteuer gekommen wäre, wäre der zweiteSchritt ein Verbot der Spekulationen mit Nahrungsgüternan den Börsen – zur Eindämmung der Macht der Börsenund der Finanzmärkte – gewesen. Das ist ein wesentli-cher Schritt, der hier notwendig wäre.
Das Ergebnis dieses Diktates der Lebensmittelkon-zerne und Kaufhausdiscounter ist eine schleichendePreiserhöhung für Verbraucherinnen und Verbraucher.Auch darf nicht unterschlagen werden: Es gibt einewachsende Selbstausbeutung der Bäuerinnen und Bau-ern, egal ob in großen oder kleinen Unternehmen. Das istebenfalls nicht hinzunehmen.
Alternativen finden Sie auch im neuen Programm derLinken, über das hier heute noch gar nicht gesprochenwurde; das vermisse ich regelrecht.
Ich will Ihnen sagen, wofür die Linke steht: Sie steht füreine Agrar- und Verbraucherschutzpolitik, die dem Kon-sumenten eine gesunde und bezahlbare Ernährung unddem Produzenten ein nachhaltiges und angstfreies Wirt-schaften sichert. Kleiner geht es nicht, meine Damen undHerren.
Auch da wird die CDU/CSU eines Tages von uns ab-schreiben, so wie sie das beim Mindestlohn, bei der Ban-kenregulierung oder beim NPD-Verbot gemacht hat.
Die Linke tritt in besonderem Maße für die Chancen-gleichheit der ostdeutschen Agrarunternehmen ein; dennes setzt sich folgende Erkenntnis mehr und mehr durch:Die ostdeutschen Agrarunternehmen sind Vorreiter imsozialökologischen Wandel. Anstatt diesen Erfahrungs-vorsprung endlich anzuerkennen, wird er leider immernoch diskriminiert und nicht bundesweit genutzt.Die Gegenseite ist, dass der Bioenergieboom dazu ge-führt hat, dass die Pachtflächenpreise im Osten seit demJahre 2007 auf über 300 Prozent angestiegen sind.
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Der größte Posten ist – das wurde schon angespro-hen – die Landwirtschaftliche Sozialversicherung, de-n Reform ansteht. Aus acht Versicherungen plus einer,er Gartenbau-BG, wollen Sie eine machen. Gute Erfah-ngen der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaftittel- und Ostdeutschland werden nach unserer Auffas-ung viel zu wenig beachtet. Nun kommen Sie als Ge-etzgeber und sagen: Zuschüsse gibt es nur, wenn dieusion nach den Wünschen von Bundesregierung undoalition erfolgt.
enn man eine bestimmte politische Entwicklung mit soiel Druck belegt, ist das dann nicht – das fragen sich dieäuerinnen und Bauern, ich traue mich nicht, das zu fra-en – so etwas wie eine Zwangsvereinigung? Das mussan doch einmal fragen dürfen.
Zum guten Schluss. Wenn Sie schon die landwirt-chaftlichen Sozialkassen vereinigen wollen, warumann nicht auch Ihr Ministerium, das immer noch auf dietandorte Bonn und Berlin aufgeteilt ist?
olange es ein geteiltes Ministerium gibt, haben Sie einlaubwürdigkeitsproblem. Wir denken, ein jegliches hateine Zeit; aber die Zeit dieser Teilung ist eigentlich vor-ei.
Das Wort hat jetzt der Kollege Heinz-Peter Haustein
on der FDP-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrtenamen und Herren! Deutschland ist ein schönes Land.
er Einzelplan 10 dieses Haushalts ist grundsolide auf-estellt und zukunftsweisend.Zuerst möchte ich mich bei den Berichterstattern fürie angenehme Zusammenarbeit bedanken, besonderseim kernigen Schorsch Schirmbeck. Ich möchte michuch beim Ministerium bedanken: sehr kompetent, sehrharmant. Frau Ministerin Aigner, vielen herzlichenank an Ihr Haus! Es waren gute Beratungen. Der Haus-
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16804 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011
Heinz-Peter Haustein
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halt spiegelt das wider, was bei uns in der christlich-libe-ralen Koalition Herzenssache ist: Soziales.
68 Prozent der 5,28 Milliarden Euro des Einzelplanes 10dieses Haushaltes sind Sozialausgaben.
Ob Zuschüsse zur Rente, Zuschüsse zur Unfallkasse undzur Krankenkasse oder andere Zuschüsse: Die sozialenAusgaben bestimmen diesen Einzelplan.52 Prozent der im Gesamthaushalt 2012 veranschlag-ten Ausgaben in Höhe von 306 Milliarden Euro sind fürSozialausgaben vorgesehen. Die Linken sagen immer:Teile dieses Hauses seien nicht sozial. Da kann ich nursagen: Da lachen ja die Hühner. Es hat noch nie einensozialeren Haushalt als den für 2012 gegeben.
Ein zweiter Punkt, der für uns Herzenssache ist: Wirsehen die Landwirte als Unternehmer und legen die Stre-cken so fest, dass der Landwirt als Unternehmer beste-hen kann, und zwar sowohl im weltweiten Wettbewerbals auch unter den ungewissen Wetterbedingungen, dieauf ihn hereinprasseln. Wir setzen die richtigen Plankenein. Ein wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang istder Agrardiesel. Ja, es stimmt: Wir subventionieren denAgrardiesel.
Das entspricht Steuermindereinnahmen in einer Größen-ordnung von circa 395 Millionen Euro. Doch wir sagen:Das ist richtig, und zwar deshalb, weil ein intakter Bau-ernhof, der Gewinne macht, besser ist als einer, der keineerwirtschaftet.
Ich wiederhole: Wir sehen die Landwirte als Unterneh-mer und tun alles, um sie darin zu stärken.
Herr Kollege Haustein, erlauben Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen Priesmeier?
Ja, gerne.
Bitte schön, Herr Priesmeier.
Herr Kollege, Sie haben den Bereich der agrarsozia-
len Sicherheit angesprochen. Das ist ein Bereich, der den
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Danke, Herr Kollege. – Wir sehen das natürlich an-ers. Wenn man im Glashaus sitzt, sollte man nicht mitteinen werfen.
chauen Sie sich einmal die Zeit der rot-grünen Regie-ng an. Sie haben von 1998 bis 2005 300 Milliardenuro Schulden gemacht, die wir heute abbauen müssen.ir sagen: Der Bauer, der Landwirt, ist zu unterstützen.
Das, was Sie hier vorbringen, würde das Problemicht lösen. Wir haben im Grundgesetz eine Schulden-remse eingebaut. Wir sagen: Haushaltskonsolidierungeht vor. Wir sparen auch mit diesem Haushalt. Eineinsparung in Höhe von 211 Millionen Euro im Ver-leich zum Haushaltsplan 2011 bildet dies ab.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, in diesemaushaltsentwurf sind auch Ausgaben für unsere Insti-te vorgesehen. Ich möchte ein paar nennen, die einechtig gute Arbeit machen: Das Bundessortenamt, zu-tändig für Sortenschutz und Sortenzulassung, bekommt4 Millionen Euro; das Julius-Kühn-Institut, zuständigr Pflanzengenetik, Pflanzenbau und Pflanzenernährung,ekommt 76 Millionen Euro; das Friedrich-Loeffler-Insti-t, das sich um landwirtschaftliche Nutztiere kümmert,ekommt 106 Millionen Euro; das Max-Rubner-Institut,as für den gesundheitlichen Verbraucherschutz im Er-ährungsbereich zuständig ist, bekommt 46 Millionenuro. Nicht zu vergessen ist das Johann-Heinrich-von-hünen-Institut – es ist für die Entwicklung im ländlichenaum zuständig –, das 79 Millionen Euro bekommt. Wir
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011 16805
Heinz-Peter Haustein
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tun also etwas in den Bereichen Landwirtschaft, Forst-wirtschaft und Fischerei.Ich möchte mich ganz herzlich bedanken, erst einmalbeim Steuerzahler; denn das Geld, das wir ausgeben, ha-ben die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler erwirtschaf-tet. Herzlichen Dank dafür!
Zweitens möchte ich mich bedanken bei unseren Institu-ten für die gute Arbeit. Nicht zuletzt: Liebe Fischerei-freunde, liebe Förster, liebe Winzer, liebe Bauern, herzli-chen Dank, dass ihr dieses Land ernährt. Es ist nichtselbstverständlich, dass man immer genug zu essen undzu trinken hat. Herzlichen Dank dafür! Wir als christ-lich-liberale Regierung, als christlich-liberale Koalitiontun alles, damit es euch gut geht. Wir schaffen die Rah-menbedingungen. In diesem Sinne ein herzliches Glück-auf aus dem Erzgebirge.
Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort die
Kollegin Katja Dörner.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen!
Liebe Kollegen! Ich habe Anfang Oktober bei den Festi-
vitäten zum Einheitstag in der wunderschönen Bundes-
stadt Bonn auch den Informationsstand des Ministeriums
für Landwirtschaft besucht. Was bekam man dort zu se-
hen? Schöne Äpfelchen, natürlich bio und aus der regio-
nalen Vermarktung.
Da gab es schöne Flyer mit Informationen über die För-
derung nachhaltiger Landwirtschaft, und im Hintergrund
hingen Poster, auf denen zufriedene Bauern mit der Mist-
gabel in der Hand vor ihren schnuckeligen Höfen abge-
bildet waren. Es ist einfach unverfroren, wie hier den Bür-
gerinnen und Bürgern Sand in die Augen gestreut wird;
denn mit der tatsächlichen Agrarpolitik dieser Regierung
haben diese schönen Flyer überhaupt nichts zu tun.
Die schwarz-gelbe Agrarpolitik setzt weiter auf Mas-
sentierhaltung.
Sie setzt weiter auf Industrialisierung und auf Exportför-
derung zulasten bäuerlicher Strukturen. Initiativen für
Nachhaltigkeit, für mehr Klimaschutz und für biologi-
schen Landbau werden gerade nicht gefördert. Ich kann
nur sagen: Schwarz-gelbe Agrarpolitik ist außen hui und
innen pfui.
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er Einzelplan 10 des Haushalts für 2012 macht das in
ahlen ganz deutlich.
Dabei ist die Art und Weise, wie wir in Deutschland
andwirtschaft betreiben, von enormer Bedeutung –
icht nur für unser Land, sondern auch weltweit.
Frau Kollegin Dörner, erlauben Sie eine Zwischen-
age des Kollegen Poland?
Ja.
Bitte schön.
Frau Kollegin Dörner, würden Sie mir bitte den Be-
riff der Massentierhaltung noch einmal erklären?
Sie müssen schon stehen bleiben. – Massentierhal-ng sehen wir da, wo riesige Ställe sind, wo Tierschutz,ie wir ihn uns vorstellen, nicht stattfindet, wo Tiere aufngstem Raum mit Antibiotika behandelt werden. Dieanze Antibiotikathematik ist ein sehr schönes Thema,as heute noch gar nicht angesprochen wurde. Der Be-riff der Massentierhaltung ist uns allen, die wir uns imgrarbereich bewegen, völlig klar. Dass es hier in dentzten Jahren in der Regentschaft von Schwarz-Gelb zuiner deutlichen Ausweitung gekommen ist, lassen dieahlen erkennen. Darüber müssen wir uns hier nicht län-er unterhalten.
Das Recht auf Nahrung weltweit durchzusetzen, derlimaschutz, der Erhalt der biologischen Vielfalt under Schutz des Wassers sind zentrale globale Herausfor-erungen unserer Zeit. Die Landwirtschaft darf nichtnger zur Verschärfung dieser Probleme, sondern mussu ihrer Lösung beitragen.
Natürlich ist hier – das ist bereits angesprochen wor-en – die EU gefragt. Wir wissen, dass die Ministerinktuell in intensiven Beratungen über die Gemeinsamegrarpolitik der EU nach 2013 ist. Die Kommission hatinige richtige und wichtige Vorschläge in diesem Be-ich gemacht. Jetzt ist unsere Ministerin, Frau Aigner,ringend aufgerufen, beispielsweise bei der Einführunginer Ökologisierungskomponente in die Direktzahlun-
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Katja Dörner
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gen nicht auf die Bremse zu treten. An dieser Stelle müs-sen wir uns aber leider Sorgen machen.Für die Förderung nach 2013 muss zudem die Chancegenutzt werden, das Prinzip „öffentliche Gelder für öf-fentliche Güter“ tatsächlich umzusetzen. Jegliche För-dergelder müssen an die Erbringung von gesellschaftli-chen Leistungen beim Klima- und Umweltschutz, beimTierschutz, beim Erhalt der Biodiversität, beim Verbrau-cherschutz und natürlich beim Erhalt von Arbeitsplätzengeknüpft werden. Fördermaßnahmen, die dem zuwider-laufen, müssen rigoros eingestellt werden.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, selbstverständlichist auch die Bundesrepublik gefragt. Wir als Grüne ha-ben im Haushaltsverfahren mit diversen Anträgen deut-lich gemacht, wie Schritte nach vorne vollzogen und fi-nanziert werden können. Ich möchte einige Stichwortenennen:Stichwort „Eiweißstrategie“. Viele wissen nicht, dassdie Bundesrepublik rund 3 Millionen Hektar Ackerflä-che außerhalb der EU zum Anbau von Eiweißpflanzen,vornehmlich von Sojapflanzen, nutzt. Der Anbau derFuttermittel in den Ländern des Südens führt dort zumassiven sozialen und ökologischen Verwerfungen.Kleinbauern werden von ihrem Land vertrieben. UmAckerflächen zu gewinnen, muss sogar der Regenwaldgerodet werden. Dagegen wird die Züchtung im Bereichder heimischen Eiweißpflanzen bei uns in der Bundesre-publik, aber auch in der EU seit Jahren vernachlässigt.Hier haben wir ein Förderprogramm beantragt, um dieEigenversorgung zu verbessern.
Stichwort „Energieeffizienz“. Die Landwirtschaft mussin die Anstrengungen zur CO2-Reduktion natürlich nochstärker einbezogen werden. Deshalb brauchen wir einFörderprogramm zur Entwicklung und Verwendungtreibstoffsparender und pflanzenöltauglicher Traktoren.Ich sage hier ganz klar, weil das Stichwort „Agrardiesel“schon gefallen ist: Selbstverständlich muss die Subven-tionierung des Agrardiesels wegen ihrer klimapolitischund technologisch negativen Lenkungswirkung drastischzurückgeführt werden.
Stichwort „Bundesprogramm Ökologischer Land-bau“. Durch die Aufhebung der Zweckbindung an dieFörderung des ökologischen Landbaus im vergangenenJahr hat die Bundesregierung gerade die nachhaltigsteund klimafreundlichste Anbaumethode in der Landwirt-schaft massiv geschwächt. Das ist vor allem angesichtsder immer weiter steigenden Nachfrage nach Biolebens-mitteln in Deutschland nicht nachvollziehbar und musszurückgenommen werden.
Frau Kollegin Dörner, auch der Kollege Schirmbeck
hätte noch das Bedürfnis zu einer Zwischenbemerkung.
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iesen bekommen wir aber nicht so einfach. Darauf
üssen Sie reagieren. Wie wollen Sie, wenn Sie die
ubventionen zurückfahren, die Einkommensausfälle
nd die Wettbewerbsnachteile, die durch diese Verwer-
ng in Europa bestehen, ausgleichen?
Zum einen kann man das sehr wohl sozialverträglichmsetzen
natürlich kann man das –,
um anderen ist es absolut wichtig, dass wir als Bundes-publik an dieser Stelle vorangehen;
enn der Agrardiesel ist total umweltschädlich und stellt Zusammenhang mit dem Klimawandel ein Problemar. Wir können da vorangehen: Unterm Strich stehenämlich die deutschen Bauern im europäischen Ver-leich auch ohne subventionierten Agrardiesel gut da.
h hoffe, dass Frau Aigner diese Anregung unseres Kol-gen Georg Schirmbeck, der ja selber sagt, man könneiese Subvention deutlich reduzieren, aufnimmt undass sie das auf EU-Ebene in die Beratungen einspeist,amit wir zu einer Lösung kommen. Das wäre natürlichchön.
Ich komme zu meinem letzten Stichwort, zur GAK.ier ist – das ist angesprochen worden – eine Weiterent-icklung dringend geboten. Gerade angesichts der not-
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Katja Dörner
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wendigen Haushaltskonsolidierung ist eine Konzentra-tion der Agrarstrukturmittel auf wirksame Maßnahmenzur ländlichen Entwicklung dringend geboten. Wir sindder Ansicht, dass die Pflichtaufgaben der Länder imRahmen der Flurneuordnung und des Wegebaus nichtlänger über die Gemeinschaftsaufgabe gefördert werdensollten. Wir wollen bei der GAK nicht sparen – das istwichtig –, sondern wir wollen die Mittel für die Förde-rung des Ökolandbaus, für Klimaschutzmaßnahmen undVerbesserungen beim Wassermanagement umwidmen.Diese und andere Ansätze – das sind alles wichtigeImpulse für den Klimaschutz, für den Artenerhalt, füreine nachhaltige Lebensmittelproduktion und für dieEntwicklung im ländlichen Raum – sind von der Koali-tion leider alle sang- und klanglos abgelehnt worden.
Ich muss leider sagen: Agrarfabriken statt Bauernhöfebleibt die schwarz-gelbe Devise. Das ist sehr traurig. Ichdenke, dass die Menschen in Deutschland und weltweitdafür in vielerlei Hinsicht bitter bezahlen werden. Dieseschlechten Aussichten sind im Einzelplan 10 für 2012klar dokumentiert. Deshalb werden wir ihn ablehnen.Vielen Dank.
Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Franz-
Josef Holzenkamp von der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Debattezeigt einmal mehr, wie groß auch in der Agrar- und Ver-braucherpolitik die Unterschiede zwischen Koalitionund Opposition sind. Deshalb möchte ich unsere Leit-linie in einem Satz zusammenfassen: Unsere Leitlinie istdie Weiterentwicklung einer modernen Landwirtschaftauf Basis der Schöpfung und der Nachhaltigkeit. Daswill ich dick unterstreichen. Das hat natürlich mit Idylleund Romantik nichts zu tun.
Frau Dörner, vielleicht sollten Sie einfach den einen oderanderen landwirtschaftlichen Betrieb besuchen, dann er-fahren Sie, was Realität ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir in Deutschlandhaben herausragende Standards in der Landwirtschaft, inder Forstwirtschaft und in der Fischereiwirtschaft. Wirwollen dieses herausragende Niveau nicht nur erhalten;waWWdmEs–teIcEsBeIcwwsstisS4AdDmrebdNvBgaTaaBtiS
ir wollen unsere Spitzenposition in Europa und in derelt ausbauen. Das ist unser Anspruch. Das ist auch iner Landwirtschaft der Anspruch der Koalition.
Deshalb sagen wir Ja zu einer unternehmerischen, fa-iliengeführten, mittelständisch orientierten Land- undrnährungswirtschaft in Deutschland, die vielen Men-chen
Wilhelm, das weißt du eigentlich – Beschäftigung bie-t: immerhin 5 Millionen Arbeitsplätze in Deutschland.h sage auch ganz bewusst Ja zu der Nutzung unsererxportchancen für unsere tollen Produkte. Rufen Sie esich noch einmal in Erinnerung: Wir haben eine negativeilanz. Wir importieren mehr Nahrungsmittel, als wirxportieren.
h habe den Eindruck, Sie wissen manchmal gar nicht,orüber Sie reden. Wenn Sie Export pauschal ablehnen,eil wir damit Ihrer Ansicht nach Entwicklungsländernchadeten, dann möchte ich Ihnen raten: Schauen Sieich doch einmal an, was tatsächlich passiert. Wir orien-eren uns an Ländern, in denen eine hohe Kaufkraft be-teht und in denen man unsere Produkte will.Ein Beispiel: Molkereiprodukte. Hier haben wir einenelbstversorgungsgrad von über 100 Prozent; aber0 Prozent werden importiert. Also müssen wir nachdam Riese auch ein bisschen exportieren. Sonst gehtie Rechnung einfach nicht auf. Das sollten Sie, meineamen und Herren von der Opposition, doch auch ein-al einsehen.
Wir sagen auch Ja zu weiteren Verbesserungen im Be-ich des Verbraucherschutzes und zu höheren Standardseim Tier- und Naturschutz; dazu bekennen wir uns aus-rücklich.
ur: Im Gegensatz zu Ihnen gibt es bei uns keine Denk-erbote.Diesen Grundsätzen wird auch der Haushalt desMELV gerecht. Dort, wo es problematische Bereicheibt, werden wir uns diese vornehmen, uns der Problemennehmen und sie durch Weiterentwicklung sicherlich ineilen beseitigen können. Das zeigt sich zum Beispielm hohen Ansatz für die Ressortforschung. Dazu gehörtuch die Forschung nach weiteren Verbesserungen deredingungen in der Tierhaltung, egal ob es um Kastra-on, das Kupieren von Schwänzen, das Kürzen vonchnäbeln usw. geht. Wir entwickeln Lösungen. Wir ma-
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Franz-Josef Holzenkamp
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chen das aber mit der Landwirtschaft. Nur so erreichtman nachhaltige Fortschritte.
Aus aktuellem Anlass zum Thema Antibiotika – daswurde vorhin auch schon angesprochen –: GesundeTiere müssen und dürfen nicht mit Antibiotika behandeltwerden; da sind wir uns alle einig. Kranke Tiere müssenjedoch behandelt werden; das gebietet schon der Tier-schutz. Aber ich habe den Eindruck, Sie vermischen– bewusst oder unbewusst – die Problematik multiresis-tenter Keime in Krankenhäusern mit der des Antibiotika-einsatzes in der Landwirtschaft.
Ich kann Ihnen nur raten: Lesen Sie sich einmal in Ruhedie Studien und Expertisen des BfR, des Bundesinstitutsfür Risikobewertung, durch. Das hilft auch Ihnen – viel-leicht.
Meine Damen und Herren, ich greife noch einmal dasThema Agrardiesel auf, verbunden mit einem ausdrück-lichen Dank an unsere Ministerin. Schorse Schirmbeckhat es gerade schon deutlich gemacht: Wir haben beimAgrardiesel immer noch einen großen Wettbewerbs-nachteil in ganz Europa. Wir gleichen nur einen Teilbe-reich aus. Sie wollen die deutschen Bauern in diesemBereich wieder einmal schröpfen. Das ist der Unter-schied zwischen uns. Dafür sind wir einfach nicht zu ha-ben, meine Damen und Herren.
Herr Kollege Holzenkamp, der Herr Kollege
Ostendorff würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stel-
len.
Ja, gerne.
Bitte schön.
Herr Kollege Holzenkamp, Sie haben betont, es sei
richtig, Antibiotika bei kranken Tieren einzusetzen. Ja,
das ist völlig klar. Das gebietet auch das Gesetz. Sie un-
terstellen damit, dass 96 Prozent der Tiere, die nach der
nordrhein-westfälischen Studie mit Antibiotika behan-
delt wurden, kranke Tiere waren. Verstehe ich Sie rich-
tig, dass Sie annehmen, dass all diese Tiere krank wa-
ren?
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Ich weiß, dass es eine Studie aus NRW gibt. Ich habe
azu eine Zusammenfassung gesehen.
Ja, natürlich. – Ich kenne natürlich nicht alle einzelnen
etriebe. Ich kann deutlich sagen: Tierarzneimittel dür-
n eingesetzt werden für die Behandlung kranker Tiere,
icht als Leistungsförderer. Leistungsförderer sind, wie
ie sicherlich wissen, seit über fünf Jahren, wie ich
laube, in Deutschland verboten. Es ist auch gut, dass
as so ist.
Ich will auch daran erinnern, dass die Regierungsko-
lition schon im April, wie ich glaube, Experten im Aus-
chuss gehört hat und sich dieses Themas offensiv ange-
ommen hat, mit dem Ziel, beim Einsatz von
ierarzneimitteln mehr Transparenz zu schaffen und den
mfang insgesamt zu minimieren. Das ist unser Ziel.
as ist das Ziel der Koalition. Hier sind wir gut unter-
egs.
Zum Stichwort „Agrardiesel“ – ich bin bereits darauf
ingegangen; auch Schorse hat es vorhin deutlich ge-
acht –: Wir können weitere Benachteiligungen nicht
kzeptieren. Da können Sie rufen, was Sie wollen.
Zum Stichwort „Sozialversicherung“.
Herr Kollege Holzenkamp, jetzt würde Ihnen auch die
ollegin Behm von den Grünen gerne eine Zwischen-
age stellen.
h würde aber bitten, liebe Kolleginnen und Kollegen,
ie Zahl der Zwischenfragen etwas zu begrenzen.
Vielleicht kann man sie auch bündeln; das wäre gar
icht schlecht.
Aber meinetwegen; okay, Frau Behm.
Das geht schwer, weil die Kolleginnen und Kollegenicht wissen, wer von ihnen eine Zwischenfrage stellenill. – Bitte, Frau Behm.
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Vielen Dank, Herr Präsident! – Lieber Kollege
Holzenkamp, ich muss hier noch einmal nachsetzen. Sie
haben ja noch einmal ausdrücklich betont, dass Sie es für
richtig halten, Antibiotika nur bei kranken Tieren einzu-
setzen. Nun liegt die Untersuchung vor; danach sind
96 Prozent der Hähnchen offensichtlich krank gewesen.
Welche Rückschlüsse lässt das aus Ihrer Sicht auf die
Haltungsform zu? Denn in der gleichen Untersuchung ist
ja auch festgestellt worden, dass in kleinen Betrieben
deutlich weniger Antibiotika eingesetzt worden sind und
sie dort vor allen Dingen über einen längeren Zeitraum
eingesetzt worden sind, wie es sich bei einer ordentli-
chen Behandlung einer Krankheit auch gehört, und nicht
nur kurzzeitig. Da Sie ja ein ausgemachter Agrarpoliti-
ker sind,
hätte ich von Ihnen gerne einmal eine Erklärung für
diese erschreckend hohe Zahl.
Noch einmal: Arzneimittel werden eingesetzt, wennTiere erkrankt sind.
Wenn ich die Studie richtig im Kopf habe, dann enthältsie hinsichtlich der Betriebsgrößen eine Staffelung: ganzkleine weniger, mittlere mehr, ganz große noch mehrAntibiotika. Ich kann mich aber natürlich nur dann imDetail dazu äußern, wenn mir auch wirklich alle Detailsvorliegen.Für uns als Koalition, aber, denke ich, auch für dieBundesregierung kann ich nur noch einmal grundsätz-lich deutlich machen: Wir arbeiten daran, mehr Transpa-renz und mehr Informationen zu bekommen, um damitinsgesamt – das ist das Ziel – den Einsatz an Tierarznei-mitteln zu reduzieren. Das sind ganz vielfältige Aufga-ben, die mit Tierarzneimitteln alleine nur wenig, abermit ganz vielen anderen Fragestellungen viel zu tun ha-ben. Denen stellen wir uns selbstverständlich auch, FrauKollegin.
Meine Damen und Herren, Stichwort „Sozialversi-cherung“: Herr Priesmeier, vieles ist gesagt worden. Ichwill das nicht alles wiederholen. Es ist wirklich eine guteInvestition, das Geld in die Entlastung von aktiven Bau-ern zu investieren. Dadurch werden die Bauernfamilienentlastet. Wir schaffen hier einen Bundesträger. Dafürmein Lob an das ganze Haus und alle Fraktionen. DiesenBundesträger wollen wir letztendlich auch zusammenauf den Weg bringen. Ich lade Sie zur Mitgestaltung ein;dann muss aber ein bisschen mehr kommen, als nur da-gegen zu sein. Das will ich gleich dazusagen.DnBmdinliwliWgdihudevImtiictedüzgkcDdülaWePtiweegSgrusdmMZnp
Auch in der Verbraucherpolitik sind wir gut dabei.afür gibt es viele Beispiele. Frau Heil wird nach miroch auf einige Dinge eingehen. Wir lernen auch: zumeispiel über Dioxin und über Ehec. In diesem Zusam-enhang ein zweites Dankeschön an unsere Ministerinafür, dass sie nicht, wie viele andere, in so einer Krise Hysterie verfällt, sondern dass sie diese Dinge sach-ch bearbeitet, wie es sich gehört, damit der Verbraucherirklich Informationen bekommt, mit denen er letztend-ch etwas anfangen kann.
ir wollen den eigenverantwortlich handelnden mündi-en Verbraucher stärken; das tun wir. Wir wollen, dasser Verbraucher selbst entscheidet und nicht, dass übern entschieden wird.
Wir setzen – das will ich ganz bewusst ansprechennd ausdrücklich betonen; die Fragen der Grünen ten-ierten vorhin schon in diese Richtung – auf ein Neben-inander verschiedener Bewirtschaftungsformen, alsoon Ökolandwirtschaft und konventionellen Betrieben. Übrigen – der Titel „Ökologischer Landbau/nachhal-ge Landwirtschaft“ ist angesprochen worden – versteheh überhaupt nicht, was Sie dagegen haben, dass der Ti-l um den Begriff „Nachhaltigkeit“ erweitert wird. Anem Topf mit GAK-Mitteln können alle Betriebsformenbrigens unendlich partizipieren. Das zu sagen, gehörtur gesamten Wahrheit auch dazu, aber das lassen Sie jaeschickterweise einfach weg. Wir wollen jedenfallseine Spaltung, sondern wir wollen unabhängig jegli-her Produktionsausrichtung alle Marktchancen nutzen.as ist eben der Unterschied: Sie gängeln, wir schaffenie Voraussetzungen dafür, eigene Verantwortung zubernehmen.Unsere Land- und Ernährungswirtschaft in Deutsch-nd muss übrigens auch ihren Beitrag zur Sicherung derelternährung leisten. Es ist eben so – das muss maninfach verstehen –, dass nicht überall auf der Welt jedeflanze wächst. Wenn uns das Recht auf Nahrung wich-g ist – ich gehe davon aus, dass das für uns alle ein sehrichtiges Thema ist –, dann muss uns klar sein, dass dasinfach einen Welthandel bedingt. Sonst bekommen wirs nicht hin. Wir können keinen Hirngespinsten nachja-en. Das hilft uns nichts. Wir brauchen eine deutlicheteigerung der Produktion. Wir wissen, dass wir in weni-en Jahrzehnten 70 Prozent mehr Produktion von Nah-ngsmitteln brauchen, und zwar bei einer ständigchrumpfenden Verfügbarkeit der Ackerfläche pro Er-enbewohner. Deshalb mein Appell an Sie alle: Wirüssen auch in Deutschland die Ackerflächen schützen.eine herzliche Einladung: Unterstützen Sie uns dabei!u diesem Thema habe ich von Ihnen überhaupt nochichts gehört.Ich greife noch kurz das Thema Gemeinsame Agrar-olitik auf, und zwar deshalb, weil ich kein Verständnis
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Franz-Josef Holzenkamp
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für wesentliche Teile der Vorschläge der EU-Kommis-sion habe.
Man kann über vieles reden, etwa über die klare Tren-nung der ersten und zweiten Säule. Man kann auch überFruchtfolgen reden. Aber dass man zu Maßnahmen ausder Vergangenheit wie zu einer obligatorischen Flächen-stilllegung zurückkehrt, von denen ich dachte, dass wirsie überwunden hätten, ist nun wirklich blanker Unsinn.Wir sollen mehr Nahrungsmittel produzieren, gleichzei-tig aber Flächen stilllegen, und zwar wertvolle Ackerflä-chen. Das ist einfach bekloppt! Das Vorhaben musswirklich gestutzt werden.
Ich kann der Kommission nur sagen: Kehren Sie um!Sie sind auf dem falschen Weg. Sorgen Sie für eine kla-rere Trennung der ersten und zweiten Säule. In der zwei-ten Säule können wir vieles machen. Der Oppositionrufe ich zu: Setzen Sie sich nicht für Umverteilungspoli-tik und damit für Klientelpolitik ein,
was Sie ja immer besonders betonen, sondern setzen Siesich bitte einmal für die gesamte deutsche Landwirt-schaft ein. Die deutschen Bauern werden es Ihnen dan-ken.Neben dem Politikrisiko und dem Marktrisiko, dasdie Bauern in Deutschland haben, gibt es eine weiterezunehmende Herausforderung, nämlich die, dass dieMenschen in Deutschland nicht mehr wissen, wie Land-wirtschaft funktioniert. Wir brauchen einen stärkerenDialog mit der Bevölkerung. Den hat unsere Bundes-ministerin mit der „Charta für Landwirtschaft und Ver-braucher“ angestoßen. Liebe Ilse Aigner, sehr geehrteFrau Ministerin, herzlichen Dank für die respektvolleund freundschaftliche Streitkultur auch bei diesemThema. Dafür noch einmal danke schön.
Für die Arbeit der Koalition – das sehen Sie hier wieder –gilt: Miteinander reden ist immer besser als übereinan-der. Das zeichnet ganz einfach die christlich-liberale Ko-alitionsarbeit aus.
– Hören Sie zu! Sie wissen es einfach nicht.
Ich halte fest: Wir haben eine Land- und Ernährungs-wirtschaft, die hochinnovativ, leistungsfähig und erfolg-reich ist. Daraus resultiert, dass Nahrungsmittel so güns-tig sind wie noch nie – meine Damen und Herren geradevon der SPD und der Linken, das stellt auch eine wich-tige soziale Komponente dar – und in einer nie gekann-teleDvwdgcfüsFDlisddwlibsLtihSp
amit dies so bleibt, braucht es eine vernünftige, eineerlässliche, eine bürgerliche Politik. Das können nurir.Herzlichen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Rolf Schwanitz von
er SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eineroße deutsche Tageszeitung schrieb in der letzten Wo-he angesichts der Tatsache, dass die Neuverschuldungr 2012 satte 4 Milliarden Euro über dem Wert von die-em Jahr liegen soll,
olgendes – ich will zitieren –:Von einer konsequenten Haushaltskonsolidierung,gar einem echten Schuldenabbau, kann angesichtsdieser Zahlen keine Rede sein.
Im Gegenteil, während Merkel, Schäuble & Co. inBrüssel lautstark die ungebremste Schuldenpolitikder Euro-Partner anprangern, setzen sie zu Hausetrotz der im Grundgesetz verankerten Schulden-bremse die unselige Politik auf Pump fort.er Einzelplan 10 ist ein Paradebeispiel für diese unso-de Haushaltspolitik.
Denn zum eigentlichen Herzstück des Einzelplanes 10ollen 2012 abermals der Ausbau und die Verstärkunger passiven Subventionen in der Landwirtschaft wer-en,
ährend andere wichtige Themen und Aufgaben sträf-ch missachtet und vernachlässigt werden. Dazu gehörteispielsweise die Strukturpolitik. Dazu gehören bei-pielsweise Investitionen, Investitionsförderungen in derandwirtschaft und der Tierschutz im Bereich Massen-erhaltung. Dazu gehört Verbraucherschutz. Dazu ge-ört auch Innovationspolitik. Das ist die magerechlussbilanz dieser Haushaltsberatungen zum Einzel-lan 10.
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Rolf Schwanitz
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Zum Thema Agrarsubventionen an der Stelle nur soviel: Nach dem Willen der Koalition sollen im Haus-haltsjahr 2012 nochmals zusätzlich – über die Basisgrö-ßen will ich gar nicht reden – 335 Millionen Euro anpassiven Agrarsubventionen ausgebracht werden, näm-lich 260 Millionen Euro im Bereich Agrardiesel und75 Millionen zusätzlich im Bereich der landwirtschaftli-chen Unfallversicherung. Dagegen sind die Ausgabenfür die Innovationsförderung im Einzelplan 10 geradezukümmerlich. Der Betrag soll in 2012 bei noch nicht ein-mal 35 Millionen Euro liegen.Man muss sich das einmal klarmachen: All das, was2012 zusätzlich an passiven Agrarsubventionen ausge-bracht werden soll, wird insgesamt das Zehnfache des-sen ausmachen, was an Innovationsförderung im Einzel-plan enthalten ist. Das ist die Situation.Wir haben Ihnen von der Koalition vorgeschlagen,diese Subventionitis zu begrenzen
und stattdessen die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesse-rung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ zu stär-ken. Kollege Priesmeier hat schon darauf hingewiesen:Sie haben 85 Millionen Euro rausgeschossen, um dieAgrardieselsubvention gegenzufinanzieren.
Sie haben das abgelehnt und stattdessen in den Haus-haltsberatungen bei der Gemeinschaftsaufgabe die Ver-pflichtungsermächtigungen nochmals um 1,8 MillionenEuro gekürzt. Sie haben also nicht nachgebessert und ge-mildert, sondern die Situation zusätzlich verschärft.Frau Aigner, Sie werden der deutschen Öffentlichkeitsicherlich als Subventionsministerin, aber nicht als Ver-braucherschutzministerin, Tierschutz- oder Innovations-ministerin, wahrscheinlich noch nicht einmal als guteLandwirtschaftsministerin in Erinnerung bleiben.
Der Drang zur Subventionitis macht sich auch inBrüssel im Zusammenhang mit der Neustrukturierungder EU-Agrarsubventionen besonders gut. Ich muss dasnoch einmal ansprechen. Den osteuropäischen LändernMaßhalten predigen und im Inland die Subventionenhochfahren bis zum Gehtnichtmehr:
Diese Doppelzüngigkeit wird bei unseren osteuropäi-schen Nachbarschaftsländern durchaus bemerkt werdenund in Erinnerung bleiben.
Beim Thema Tierschutz besteht fast ein Komplettver-sagen.
Wie beim Verbraucherschutz agiert und reagiert FrauMinisterin Aigner nur, wenn es aufgrund des Außen-drucks unvermeidbar ist. Mehr noch: Ich habe den Ein-dmnAWmEligMagcTtiteusddHlaCmedssresrüMDzfeFnvavuzdvBdF
rst danach gab es Aussagen von Frau Aigner. Öffent-chkeitswirksamer Aktionismus war zu beobachten. Ichlaube, dass diese Zurückhaltung gegenüber dem Themaassentierhaltung und Tierschutz System hat; sie hatuch etwas mit der Nähe zwischen dem Ministerium undroßen Unternehmen in diesem Bereich zu tun. Eine sol-he Nähe halte ich grundsätzlich für problematisch.Der Auftrag des Ministeriums lautet, Anwalt beimierschutz zu sein. Deshalb finde ich es auch problema-sch, wenn Massentierhalter selbst zu Sponsoren minis-rieller Forschungsleistungen werden
nd beispielsweise Tierschutzaspekte quasi als Anhäng-el eines netten Events in Erscheinung treten, wie es beier kürzlich erfolgten Einladung der Tönnies-Forschunger Fall war. Die Einladung ist ja allen Mitgliedern desaushaltsausschusses zugegangen. Ausweislich der Ein-dung der Tönnies-Forschung philosophiert Peter Harryarstensen in einem Vortrag über Ethik und Moral derodernen Nutztierhaltung, eingerahmt von einem Sekt-mpfang und einem festlichen Dinner, mit dabei auchas Max-Rubner-Institut und das Friedrich-Loeffler-In-titut, die von der Tönnies-Forschung offensichtlich For-chungsgelder beziehen.Sie kennen den Volksspruch, meine Damen und Her-n: „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“. Solche Veran-taltungen halte ich für nicht unproblematisch, um es zu-ckhaltend zu formulieren, für die Unabhängigkeit desinisteriums.
as gehört auf den Prüfstand, und zwar umso mehr, weilugleich der eigene Forschungsbereich nicht zum Lau-n kommt.Ich will an das 12-Milliarden-Euro-Programm fürorschung und Innovation der Bundesregierung erin-ern. Die Mittel daraus fließen auch in den Einzelplanon Frau Aigner. Die Mittel werden in 2012 sogar nochufgestockt. Aber mit Blick auf den Titel „Förderungon Innovationen im Bereich Ernährung, Landwirtschaftnd Verbraucher“ sind die Aussichten düster. Wir habenu Beginn des vierten Quartals 2011 die Situation, dassrei Viertel der Mittel im nichtinvestiven Bereich nichterausgabt worden sind. Wenn ich mir den investivenereich bei diesem Titel anschaue, dann stelle ich fest,ass die Nichtverausgabung sogar bei 78 Prozent liegt.rau Schavan lässt sich für Fördermillionen feiern, aber
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Frau Aigner weiß nicht, welche Aufgaben sie mit demGeld erfüllen soll. Das ist die Realität im Einzelplan 10.
Es ist in den letzten Tagen im Zusammenhang mitdem Parteitag in Leipzig viel von einer angeblichen So-zialdemokratisierung der Union geredet worden.
– Ich habe so etwas gelesen. Im ZDF ist die Bundes-kanzlerin sogar gefragt worden, was die CDU eigentlichnoch alles von der SPD übernehmen will.
Meine Damen und Herren von der Koalition, ich kannSie beruhigen: Für den Einzelplan 10 gilt das ausdrück-lich nicht.
Der ist genauso miefig und verstaubt, wie es die konser-vativen Unionisten lieben. Die Menschen haben auch dieHoffnung aufgegeben, dass sich das vor 2013 noch än-dert.Herzlichen Dank.
Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Kollege Hans-
Michael Goldmann das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Wenn man die Diskussion im Ausschuss mit der Diskus-sion über den Haushalt vergleicht, dann meint man, eshandele sich um zwei verschiedene Welten. Frau Dörner,was Sie in der Sache sagen, ist Ihre Sache, aber wenn Siedem ganzen Bereich die Überschrift „Nach außen hui,nach innen pfui“ geben, dann rate ich Ihnen: Denken Sieeinmal in Ruhe darüber nach, ob das möglicherweiseauch auf die Situation in Ihrem Herkunftsland Nord-rhein-Westfalen zutrifft. Sind Sie wirklich der Meinung,dass die Land- und Ernährungswirtschaft in Nordrhein-Westfalen nach dem Motto „Nach außen hui, nach innenpfui“ verfährt? Das kann doch wirklich nicht Ihr Stand-punkt sein.
Sie, Herr Schwanitz, sprechen von passiven Subven-tionen. Mir ist nicht ganz klar, was das eigentlich ist. Ichkann mir nicht vorstellen, dass Sie die Leistungen desHaushalts für die Rentensicherung in Deutschland alseine passive Subventionierung betrachten. Sie solltenvpBtaddWreKdorewndAjusBnTBtrinhwbPdvaswbzoKsaruütö
ird doch der Situation überhaupt nicht gerecht.
Stehen wir vor der Herausforderung, dass wir dazueitragen müssen, dass in der Welt jetzt 7 Milliarden undukünftig 9 Milliarden Menschen sicher ernährt werden,der nicht?
önnen wir darauf mit den unterschiedlichen Säulen un-erer Landwirtschaft nicht Antworten bieten? Solche er-rbeiten wir doch gerade auch im Ausschuss für Ernäh-ng, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.
Wir hatten ein Problem – das war ein Riesenproblem;berhaupt keine Frage –, in dessen Folge Menschen ge-tet wurden. Ich meine die Ehec-Problematik. Aber was
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Hans-Michael Goldmann
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machen wir? Wir reagieren darauf, indem wir das Sys-tem infrage stellen und überarbeiten und indem wir un-sere Anstrengungen, was die Forschung auf diesem Ge-biet angeht, intensivieren. Ich denke, das sind dierichtigen Antworten, die wir da geben.Bei allen Sorgen, die wir in diesen Bereichen haben,kann man zu dem Fazit kommen, dass unsere Lebens-mittel weltweit die sichersten und in der Gesamtqualitätdie besten sind, um es einmal vorsichtig auszudrücken.
Natürlich müssen wir über die Sache mit den Antibio-tika reden. Damit bin ich sofort einverstanden. Aber wirmüssen dann aus Studien, die erstellt werden, die Konse-quenzen ziehen. Ich bin sehr gespannt, was Nordrhein-Westfalen demnächst hierzu auf den Tisch legt.Lassen Sie mich noch ein Wort zum Tierschutz sagen.Ich finde es richtig – mir ist egal, wer darüber diskutiert;es kann auch das Schlachtbetriebsunternehmen Tönniessein, das keine Tiere hält –, dass wir über die Frage dis-kutieren: Wie können wir die zukünftige Entwicklungdes Tierwohls auf eine fachliche Basis stellen?Ich sage Ihnen ganz deutlich, auch für die FDP insge-samt: Wir müssen uns an gesellschaftlichen Grenzenorientieren. Ich bin sehr wohl der Meinung, dass wirzum Beispiel bei den Schnäbeln und Ballen sowie beider Kastration Verbesserungen erreichen müssen. Da-rüber sind wir uns doch einig. Aber wir sollten bei die-sen Dingen den Weg der Fachlichkeit nicht verlassen.Vielmehr sollten wir diese Punkte abarbeiten, und zwarauf Augenhöhe mit den wirtschaftlichen Interessen vonLandwirten und mit den Verbraucherwünschen, die es indieser Gesellschaft gibt. Die klare Botschaft ist, dass wirin möglichst vielen Bereichen eine tiergerechte Haltungund eine tiergerechte Produktion auf den Weg bringen.Der Haushalt – dies ist vorhin angesprochen worden –hat gerade im Bereich der ökologischen und tierschutz-orientierten Forschung ein ganz besonderes Gewicht.Das sollten Sie einmal anerkennen und sollten diesemHaushalt Ihre Zustimmung nicht verweigern.Herzlichen Dank.
Für die Fraktion Die Linke hat nun die Kollegin
Caren Lay das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Dieser Haushalt hat weder etwas mit einer nach-haltigen Agrarpolitik zu tun, noch wird er der Aufgabeeiner verantwortungsvollen Verbraucherpolitik gerecht.Allerdings wäre jede Menge Handlungsbedarf vorhan-den.Im letzten Jahr haben Verbraucherinnen und Verbrau-cher jede Menge Geld verloren. Allein durch unseriöseF3dOüJdfamSdcriHasIm3dhnhBVw–Bashkfrwa
Was tut nun die Bundesregierung, um die Verbrauche-nnen und Verbraucher vor dieser Abzocke zu schützen?alten Sie sich fest: Sie kürzt die Mittel für Verbraucher-rbeit.
Das wird in diesem Haushalt ohnehin nur als Neben-ache behandelt.
laufenden Haushaltsjahr sind gerade einmal nochProzent der Mittel des Ministeriums, über das wir inieser Debatte reden, für die Verbraucherpolitik vorgese-en. Das sind die Fakten. Im kommenden Jahr sollen esoch einmal 12 Millionen Euro weniger werden. Ichalte das für nicht angemessen.
Ich finde, das darf wirklich nicht wahr sein: Für denankenrettungsschirm schöpft diese Regierung aus demollen, und bei den Verbraucherinnen und Verbrauchernird jeder Cent umgedreht.
So ist es doch!
elegen Sie doch bitte das Gegenteil! Darunter leidenuch die Verbraucherverbände. Ab nächstem Jahr müs-en die Verbraucherverbände für ihre Beratung den er-öhten Mehrwertsteuersatz anwenden. Das heißt kon-ret: Der Bundesfinanzminister darf sich über mehr Geldeuen,
ährend die Verbraucherinnen und Verbraucher für un-bhängige Beratung mehr zahlen müssen.
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Caren Lay
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Ich finde, eine solche Verbraucherpolitik hat ihren Na-men wirklich nicht verdient.
Wir sind jetzt im vierten Jahr nach der Pleite derLehman-Bank. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dasses notwendig wäre, den einen oder anderen Haushalt inden Genuss einer unabhängigen Finanzberatung durchdie Verbraucherzentralen kommen zu lassen. Es würde30 Jahre dauern, bis jeder Haushalt eine unabhängigeFinanzberatung erhielte. Ich finde, das ist nicht ange-messen.
Wir hatten das Thema Sponsoring und Unabhängig-keit gerade an einer anderen Stelle. Offensichtlich wirdes selbst im zuständigen Ministerium langsam klamm.Die Ministerin hat sich noch im letzten Jahr eine Kampa-gne von der Drogeriekette dm sponsern lassen. Die Wett-bewerbszentrale musste hier einschreiten.
Ich finde es wirklich beschämend, dass sich ausgerech-net die Verbraucherministerin eine Kampagne durch einUnternehmen finanzieren ließ. Ich finde, diese Art vonSponsoring darf einfach nicht sein.
Eine gute Verbraucherpolitik sieht anders aus. Wirfordern, den Verbraucherzentralen endlich mehr Geld füreine unabhängige Finanzberatung zu geben.
Wir fordern, die Verbraucherzentralen als Finanzmarkt-wächter zu stärken. Das heißt, sie brauchen endlich Mit-tel, um die Finanzmärkte umfassend beobachten undVerstöße aufdecken zu können. Das hat in der letzten Le-gislaturperiode übrigens auch die Union beschlossen.Passiert ist seitdem aber nichts.
Wir fordern als Linke außerdem einen Finanz-TÜV.Aus unserer Sicht dürfen nur die Produkte auf den Marktkommen, die seriös sind. Ich finde es nicht angemessen,dass noch immer viel zu wenig kontrolliert wird, welcheFinanzprodukte auf die Märkte kommen. Im letzten Jahrwurde zudem die Deutsche Stiftung Verbraucherschutzgegründet. Wir fordern, das Stiftungskapital aufzusto-cken.Nehmen wir ein anderes aktuelles Thema als Beispiel.Fast wöchentlich gibt es einen neuen Facebook- oderApple-Skandal. Die bisher projektgebundene Finanzie-rung im digitalen Verbraucherschutz wird dem Hand-lungsbedarf beim Schutz persönlicher Daten in keinerWeise gerecht. Es sind noch nicht einmal zusätzlichePlanstellen bei den Verbraucherverbänden drin.
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ber auch hier wurde nur angekündigt. Passiert ist seit-em nichts.Frau Aigner haben wir in dieser Legislaturperiodeehr häufig als Ankündigungsministerin kritisiert. Jetzterzichtet Frau Aigner auch noch auf die Ankündigun-en. Frau Ministerin, hier haben Sie unsere Kritik falscherstanden. Es ging nicht darum, dass Sie auf Ankündi-ungen verzichten sollten. Wir wollten eigentlich, dassie endlich die richtigen Maßnahmen umsetzen.
Durch diesen Haushalt werden die Unternehmen ge-chont und die Verbraucherinnen und Verbraucher weiterelastet. Ich empfehle Ihnen die Ablehnung dieses Ent-urfs.
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Max Lehmer von
er CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrtenamen und Herren! Verehrte Gäste! Die drei Bereiche,ie im BMELV zusammengefasst sind – Ernährung,andwirtschaft und Verbraucherschutz –, gehen uns alle der Tat an. So haben uns in diesem Jahr Ereignisseie Dioxin im Futtermittel oder die Ehec-Krise sehr be-chäftigt. Wer sich noch an die vielen Ausschusssitzun-en und Anhörungen erinnert, der weiß, dass wir unsiesen Themen ernsthaft gewidmet haben. Ein ausdrück-cher Dank geht an unsere Ministerin, die zum Beispielei der Ehec-Krise eine Taskforce zur Bekämpfung undr schnelle Hilfen an die betroffenen Landwirte undärtner eingerichtet hat!Nun zum Einzelplan 10 des Haushaltes 2012.Ich kann die Aussagen und negativen Beurteilungenieler Vorredner nicht teilen. Ich bin der Meinung: Derinzelplan 10 bietet eine solide Grundlage für die Wei-rführung einer verlässlichen Agrar- und Verbraucher-olitik.Die Ausgaben für den sozialen Bereich in Höhe von,7 Milliarden Euro – das sind 70 Prozent der gesamten
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Dr. Max Lehmer
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BMELV-Ausgaben – unterstreichen die Bedeutung dersozialen Belange, die wir in der Landwirtschaftspolitikberücksichtigen.Der Haushaltsentwurf bringt unser Ziel klar zum Aus-druck – das ist auch vom Kollegen Holzenkamp ganzdeutlich gesagt worden –, eine wettbewerbsfähige, un-ternehmerisch und mittelständisch ausgerichtete Land-und Ernährungswirtschaft weiter auszubauen. UnsereBetriebe sollen und müssen in die Lage versetzt werden,mit ihren hervorragenden Produkten die Lebensmittel-versorgung in Deutschland zu sichern, die Exportchan-cen zu nutzen und sich auf dem Weltmarkt zu behaupten.Meine Damen und Herren von der Opposition, es istnicht zielführend und führt auch nicht zu einer höherenAkzeptanz unserer hochwertigen Lebensmittel, wennSie jeden kleinen Fall hochspielen und das Themaschlechte Lebensmittelqualität bei uns immer in denVordergrund stellen.
Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, was das BVL, das BfR,alle Forschungsinstitute der Bundesrepublik Deutsch-land zur Lebensmittelqualität in Deutschland sagen! Ver-gleichen Sie diese mit der Qualität der Importware!Schauen Sie sich internationale Vergleiche an! NehmenSie das bitte ernst, und reden Sie die hohe Qualität unse-rer erzeugten Produkte nicht kaputt!
Nun zum Thema Welternährung. Die Welternährungist sicher eine große Herausforderung für die Zukunft;darüber sind wir uns alle einig. Unsere Land- und Ernäh-rungswirtschaft muss ihren Beitrag dazu auch leistenkönnen. Es ist unbestritten, dass nur eine hocheffizienteund ressourcenschonende Nahrungsmittelerzeugung aufDauer bestehen kann. Ich sage: Jede Produktionsform istzugelassen. Ob Ökolandbau oder konventionell, das isthierbei egal, weil es darum geht, dass alle Produktions-richtungen die gleichen Ziele und Kriterien einhalten:
ökologische Nachhaltigkeit, Qualität, Tierhaltungsnor-men. Das gilt für alle. Es gibt nicht eine gute und eineschlechte Produktion.
Ich möchte kurz die für die Welternährung wichtigenBereiche ansprechen, die allgemein bekannt sind. Derweitere starke Anstieg der Weltbevölkerung auf 10 Mil-liarden Menschen in 2050 und die damit verbundeneHalbierung der verfügbaren Ackerfläche pro Erdenbür-ger führen zu Herausforderungen in drei wichtigen Le-bensbereichen: Ernährungssicherung, Energiesicherungund Erfüllung ökologischer Ziele wie CO2-Bindung,Sauerstoffproduktion, Wassermanagement, Effizienz derProduktionsverfahren. Letzteres ist ein wichtiger Punkt,weil nur dadurch Ressourcenschonung und eine nachhal-tige Nutzung erreicht werden können.tusVtisszBeladnGpEisgsisD5hsnddsoofüscdimbdfiShkgdbhns
Dazu bedarf es leistungsfähiger Pflanzen und leis-ngsfähiger Anbauverfahren. Nicht Extensivierung,ondern Optimierung ist der Weg.
Mit dem Einzelplan 10 zeigen wir in diesem Bereicherantwortung und verstärken die Mittel für die Innova-onsförderung und die Förderung nachwachsender Roh-toffe gegenüber 2011 mit jeweils 6 Millionen Euro. Zu-ätzlich werden Mittel des Energie- und Klimafondsum Ausbau der nachhaltigen Bioenergienutzung alseitrag zur Energiewende bereitgestellt. Biomasse istin wertvoller Baustein im Energiemix, weil sie grund-sttauglich und lagerbar ist und dezentral erzeugt wer-en kann; das müssen wir immer wieder herausstellen.Ähnlich wie in 2011 werden wieder Projekte zur Er-ährungssicherung zusammen mit der FAO gefördert.erade die bilateralen Projekte, zum Beispiel mit Äthio-ien, sind hier zu nennen, wo wir mehr als 1 Millionuro mehr investieren.Nun kurz zum heißen Thema Tierschutz. Deutschlandt beim Tierschutz international Vorreiter. Es ist nichtut, wenn, wie durch die Vorredner der Opposition ge-chehen, unser hoher Standard kaputtgeredet wird; dast, finde ich, einfach nicht in Ordnung.
ie deutschen Bauern – ich gehöre zu denen, die seit0 Jahren Landwirtschaft betreiben – erfüllen gewissen-aft die strengen Auflagen unseres nationalen Tier-chutzrechts. Das Tierwohl – das vergessen viele – istaturgemäß auch höchstes Ziel von Tierhaltern und Pro-uzenten. Sie sind nämlich auf das Wohlbefinden undie Gesundheit ihrer Nutztiere angewiesen. Das verges-en Sie in der Diskussion immer. Als ob ein Landwirtder ein Verarbeiter Interesse hätte an kranken Tierender an Tieren, die falsch gehalten werden! Wir tretenr das Tierwohl ein, weil es für die gute Qualität ent-cheidend ist.Aber – das vergessen viele immer – ohne wirtschaftli-he Nutzungs- und Haltungsformen ist das hohe Niveaues Tierschutzes finanziell nicht leistbar. Das haben wir Zusammenhang mit der veränderten Haltungsformei den Legehennen gesehen. 50 Prozent der Eierpro-uktion sind ins Ausland gewandert. Diese Produktionndet dort unter Bedingungen statt, die mit unserentandards im Tierschutz nicht vergleichbar sind.
Wir fordern für diesen Bereich Wettbewerbsgleich-eit, um die Nutztierhaltung in Deutschland auch in Zu-unft in hohem Maße sichern zu können. Einschränkun-en durch einseitige Verbote lehnen wir ab, genauso wieen unterschiedlichen Vollzug in den Mitgliedstaaten. Esesteht noch viel Prüfungsbedarf in Bezug auf die Ein-altung von Regeln auf internationaler Ebene bzw. in-erhalb der EU.Es kann nicht sein, dass unsere Landwirte beim Tier-chutz in Vorleistung gegangen sind und dafür nun mit
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Dr. Max Lehmer
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Wettbewerbsnachteilen bestraft werden. Geeignete Hal-tungs- und Nutzungstechniken müssen dringend auf einewissenschaftliche Basis gestellt werden. Ideologischeund emotionale Beweggründe dürfen beim Tierschutznicht im Vordergrund stehen. Wir brauchen pragmati-sche Lösungen in allen Bereichen wie beispielsweise beider gegenwärtigen Diskussion um die Ladehöhe und umdie tiergerechte Neugestaltung von Tiertransportern.Tiertransporte sind unvermeidbar. Es geht darum, dieTransporte tiergerecht zu gestalten und daran die Quali-tät auszurichten. Daher haben wir uns in unserem Ent-schließungsantrag dafür ausgesprochen, die Forschungmit dem Ziel zu stärken, den Tierschutz in der Nutztier-haltung praxisgerecht weiterzuentwickeln.
Kurz zur GAP nach 2013. Das ist eine große Heraus-forderung. Ich kann nur darum bitten, dass die Ministe-rin unsere Vorstellungen bei den Verhandlungen in Brüs-sel mit Nachdruck unterstützt. Wir fordern den Erhaltder Zweisäulenstruktur und eine angemessene Mittelaus-stattung, eine starke erste Säule ohne neues Greening mitentkoppelten Direktzahlungen, ein Sicherheitsnetz zumAusgleich des volatilen Marktes sowie eine konsequenteHarmonisierung der EU-Vorgaben und eine weitestge-hende Eins-zu-eins-Umsetzung in allen Bereichen.
Wir wollen keine neue Bürokratie mit weiteren Kosten,keine neuen Kriterien für benachteiligte Gebiete – daswürde viele deutsche Anbauregionen erheblich treffen –und keine weiteren Flächenstilllegungen; diese sind ab-solut kontraproduktiv und werden der aktuellen Markt-lage nicht gerecht.Der vorliegende Haushalt, meine Damen und Herren,setzt die richtigen Schwerpunkte und fördert eine posi-tive Entwicklung im ländlichen Raum. Landwirtschaftli-che Betriebe brauchen zuverlässige Weichenstellungen,um die großen Herausforderungen erfüllen zu können.Nur so gelingt die Ernährungssicherung sowohl hinsicht-lich Menge als auch hinsichtlich Qualität.Es wäre auch gut, wenn wir die gesellschaftlicheLeistung häufiger honorieren würden. Eine große gesell-schaftspolitische Leistung der Landwirtschaft ist, dassder Anteil der Ausgaben für Lebensmittel inzwischenbei unter 10 Prozent liegt.Auf diesem Wege wollen wir weitermachen: hohe Ef-fizienz, hohes Niveau beim Verbraucherschutz und eineeffiziente Landwirtschaft zur Sicherung der Welternäh-rung und der Energieversorgung sowie zur Bewältigungder ökologischen Herausforderungen.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Nicole Maisch von
Bündnis 90/Die Grünen.
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Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-en! Kollege Schirmbeck hat am Anfang gesagt, daschöne an Schwarz-Gelb sei, dass es keine Überra-chungen gibt. Das stimmt.
enn man sich die Zahlen in diesem Haushalt anschaut,tellt man fest, dass es wie in den vergangenen Jahren ist:er Verbraucherschutz kommt zu kurz. Im Vergleich zumergangenen Jahr schrumpft der Ansatz sogar, und zwarowohl materiell als auch konzeptionell. Angesichts derteigenden Herausforderungen wäre es klug gewesen, zuvestieren, um volkswirtschaftliche Schäden – etwaurch Übergewicht oder durch Falschberatung – zu mini-ieren. Das geschieht nicht; Sie knausern wie in den ver-angenen Jahren an der falschen Stelle.Die Kreativität von Schwarz-Gelb erschöpft sich imweckentfremden von Mitteln, die für den Ökolandbauestimmt waren, oder im Erschließen neuer Töpfe für diexportförderung. Beim Verbraucherschutz sieht man beinen eher eine konzeptionelle Wüste. Dabei ist es geradeuf den Finanzmärkten notwendig, dass nicht nur die gro-en Player, die Banken, unterstützt werden, sondern auchie Verbraucher, zum Beispiel durch ein Bundespro-ramm „Verbraucherorientierte Finanzaufklärung“. Aberas steht nicht im Haushalt; das steht nur in unseren Än-erungsanträgen.
Frau Aigners Ministerium geht von Schäden durchalschberatungen in Milliardenhöhe aus. Unser Finanz-arktwächter würde nur 10 Millionen Euro kosten.0 Milliarden im Vergleich zu 10 Millionen Euro: Dast, so denke ich, ein vernünftiges Geschäft. Hier solltean investieren, um Schäden zu minimieren.
Auch beim Thema Ernährung haben Sie leider nichtesonders viel zu bieten. Herr Lehmer, es wundert michchon, dass Sie die Bundesregierung im Zusammenhangit der Ehec-Krise so gelobt haben. Wir haben heute einutachten des Bundesrechnungshofes auf dem Tisch lie-en, in dem der Bundesregierung und auch einigen Bun-esländern ein verheerendes Zeugnis ausgestellt wird.
eute wäre eine gute Gelegenheit gewesen, hierzu Stel-ng zu nehmen.
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Nicole Maisch
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– Wir haben es gelesen. Lesen bildet bekanntlich. Wasdarin steht, ist im Hinblick auf das Krisenmanagementder Bundesregierung nicht erfreulich.
Auch beim Thema Ernährung – vor allem beimThema Übergewicht – haben Sie nicht viel zu bieten.Wir fordern ein Bundesprogramm „Ernährung und Be-wegung“
mit einem besonderen Schwerpunkt auf arme Menschenund auf Schul- und Kitaernährung. Ich frage die Bundes-regierung: Wo sind Ihre Konzepte? Was hat Frau Aignerbisher getan, damit jedes Kind ein gesundes Mittagessenbekommt? Wo sind Ihre Erfolge beim Kampf gegenÜbergewicht und Adipositas bei Kindern? Sie verste-cken sich hinter Zuständigkeiten und gehen dieses gi-gantische gesellschaftliche Problem nicht an.
Leider sind die Fraktionen von FDP und Union keinegroße Hilfe, wenn es um den Verbraucherschutz geht.Während Sie sich in anderen Bereichen durchaus aktivmit vielen Änderungsanträgen und Entschließungen ein-gebracht haben, befinden Sie sich beim Thema Verbrau-cherschutz zusammen mit der Bundesregierung imDornröschenschlaf.
Wir haben einen Entschließungsantrag der Koali-tionsfraktionen vorliegen – neun dürre Zeilen mit allge-meinen Absichtserklärungen zum Thema europäischeProjekte. Vor allem die FDP hat sich weit aus dem Fens-ter gelehnt und versprochen, es würde eine europäischeVertretung des vzbv in Brüssel geben. Sie haben dieMehrheit; Sie hätten einen Änderungsantrag stellen kön-nen, den wir sogar unterstützt hätten. Ich sehe aber kei-nen Änderungsantrag, ich sehe lediglich eine allgemeineAbsichtserklärung zu europäischen Projekten. Ein allge-meines Projekt bedeutet aber noch keine Vertretung. Ichglaube, hier hat die FDP wieder einmal eine krachendeNiederlage eingefahren.
Man muss Ihnen aber zugutehalten, dass Sie – im Ge-gensatz zu den vergangenen Jahren – überhaupt keineverbraucherpolitischen Ambitionen vorgetäuscht haben.In der Vergangenheit war es immer so: Als Tiger gestar-tet, als Bettvorleger gelandet. Diesmal sind Sie von An-fang an einfach liegen geblieben.
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Meine Damen und Herren, hier setzen wir sehr wohlSchwerpunkte.
Wir haben großartige Stiftungen und Institutionen inder Verbraucherpolitik. Der Verbraucherzentrale Bun-desverband leistet genau wie die Stiftung Warentest mitder täglichen Beratung, mit Informationsbroschüren undVergleichstests eine gute Arbeit. Deswegen gilt ihnenmein besonderer Dank. Sie legen immer wieder einmalden Finger in die Wunde und weisen auf Punkte hin, diewir Verbraucherpolitiker der Regierungskoalition ändernsollten.Wir finanzieren aus diesem Haushalt in bewährter Ma-nier das Bundesinstitut für Risikobewertung sowie dasBundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsi-cherheit. Das sind zusammen 100 Millionen Euro, dieeine große Bedeutung haben – das wurde bereits gesagt –,und das nicht nur bezüglich Ehec und Dioxin. Das BfRleistet bei Grenzwerten für Chemikalien in Spielzeugenund bei Druckfarben in Lebensmittelverpackungen sowiebei der Risikoeinschätzung im Zusammenhang mit Nano-materialien eine wichtige Grundlagenarbeit. Evidenzba-sierte Politik wird also von uns unterstützt. Das ist besserals die Schaufensterpolitik der Opposition, die bisweilenwirklich auf der Klaviatur des Populismus spielt und hierunberechtigte Ängste schürt.
Frau Maisch, unser Ziel sind aufgeklärte Verbraucher.Deswegen wollen wir 20 Millionen Euro für die Infor-mation der Verbraucher ansetzen. Zu dem, was Sie vor-her erwähnt haben, möchte ich sagen: Messen Sie uns anden Ergebnissen! Wir sorgen mit einer guten Vertretungdafür, dass das bewährte deutsche Recht auf europäi-scher Ebene durchgesetzt wird.Wir haben gezeigt, dass effizienter Verbraucherschutznicht teuer sein muss: bei der Einführung eines ver-pflichtenden Bestätigungsfeldes, des sogenannten Inter-netbuttons, bei der Einführung kostenloser Warteschlei-fen und des Anbieterwechsels innerhalb eines Tages undder Schaffung von mehr Preistransparenz beim Call-by-Call im Rahmen des TKG. Ich fordere den Bundesratauf, am Freitag die TKG-Novelle anzunehmen und sienicht in die Warteschleife des Vermittlungsausschusseszu überführen. So kann man etwas für Verbraucher-schutz tun.
Verbraucherschutz kann auch ganz praktisch erfolgen.Nicht nur bei mir im Wahlkreis, sondern auch in Bayernhat in der letzten Zeit das Unternehmen Lotto 3000 dieLeute abgezockt: Das Unternehmen hat sie einfach ange-rufen und unerlaubte Telefonwerbung betrieben. Danngibt es Mahnschreiben eines Anwalts namens GeorgMeyer-Wahl aus Heidelberg, der mit einem Schufa-Ein-trag droht. Da wird versucht, die Leute hinter die Fichtezu führen. Wir sorgen für Aufklärung, indem wir daraufhinweisen, dass weder Anwalt noch Unternehmen Mit-glied der Schufa ist, sodass keine Einträge erfolgen kön-nzcindleaSWcTrerutedInbdsisNdhdmvEboJvEZbhFimele
Für die SPD-Fraktion hat jetzt die Kollegin Kerstin
ack das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-n! Der Haushalt des Bundesministeriums für Ernäh-ng, Landwirtschaft und Verbraucherschutz lässt in ers-r Linie eines erkennen: die Konzeptionslosigkeit, dieahintersteckt.
der Koalition gibt es eben keine Strategie für die Ver-esserung der Verbraucherpolitik. Wir brauchen aberringend eine Strategie für eine evidenzbasierte und for-chungsgeleitete Verbraucherpolitik. Herr Kollege, siet mitnichten zu erkennen.
ur wenn die Verbraucherinnen und Verbraucher Pro-uktkennzeichnungen und Beipackzettel wirklich verste-en und nachvollziehen können, kann sich etwas verän-ern.Das Verbraucherschutzbudget ist sehr klein: Nicht ein-al 3 Prozent des Haushaltes des BMELV werden dafürerwendet. Um einmal das Verhältnis zu verdeutlichen:iner Studie zufolge verlieren Verbraucherinnen und Ver-raucher aufgrund frühzeitiger Kündigung von Lebens-der Rentenversicherungen rund 16 Milliarden Euro imahr. Das sind 16 Milliarden Euro, die nicht für die Alters-orsorge zur Verfügung stehen. Es sind 16 Milliardenuro verlorener Wirtschaftskraft. Es ist mehr als dasehnfache dessen, was für Verbraucherpolitik ausgege-en wird. Zusätzlich – auch das haben wir schon gehört –aben wir mehr als 20 Milliarden Euro Verlust durchehlberatungen der Verbraucherinnen und Verbraucher Anlagebereich.Die Bundesregierung geht vor, als handele es sich umine Autobahnbaustelle: ankündigen, abwarten, viel-icht einen Bauzaun errichten; aber zu den Reparatur-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011 16819
Kerstin Tack
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arbeiten kommt es nicht. In dieses Bild passt es auch,dass im vorliegenden Haushalt kein einziges neues Pro-jekt, kein einziger neuer verbraucherpolitischer Ansatzausgewiesen worden ist.Zu den Beispielen Dioxin und Ehec. Da gab es Giftim Essen, und Frau Aigner machte erst einmal – nichts.Erst als der Druck zu groß wurde, übernahm sie fix denkompletten Maßnahmenkatalog der Opposition und tatso, als wäre es ihrer.
Während der Ehec-Epidemie gab es sogar viele Tote.Gehandelt hat man auch hier viel zu spät. Auch hier ginges nur wieder darum, Bauzäune zu errichten, um zu sug-gerieren, man sei effektiv tätig.
Das Rahmenprogramm aber, das als Ausfluss der Ehec-Krise von Frau Aigner vorgelegt wurde, besteht aus-schließlich aus Ankündigungen und Prüfaufträgen. Mehrist es nicht.
Nun hat sich der Bundesrechnungshof mit genau die-sem Krisenmanagement auseinandergesetzt – FrauAigner hat ihn ja selber darum gebeten – und gibt Ihnenein verheerendes Zeugnis.
– Nein, er gibt auch der Ministerin ein verheerendesZeugnis. Ich möchte dazu etwas zitieren, Frau Happach-Kasan:Bezogen auf das Lebensmittelrecht gibt das Grund-recht … auf körperliche Unversehrtheit dem Staatauf, durch wirksame Gesetze, Behördenstrukturenund Kontrollsysteme für unbedenkliche Lebensmit-tel zu sorgen.So der Bundesrechnungshof.Im Klartext heißt das: Es ist Aufgabe der Bundes-regierung, für Sicherheit zu sorgen und dies nicht in dieVerantwortung der Länder abzuschieben. Das geht jetztnicht mehr.In der Pressemitteilung, die heute dazu herausgege-ben wurde, findet sich von der eigenen Verantwortungnichts. Ausschließlich die Länder seien hier in der Ver-antwortung. Wieder einmal sagt man, man wolle jetztmehrere Monate mit den Ländern darüber reden. Dazusagen wir: Das reicht nicht.
In puncto Finanzmarktkrise konzentriert sich dieBundesregierung ausschließlich auf Schadensbekämp-fung und kümmert sich nicht um die Präventivmaß-nahme Verbraucherschutz. Wir brauchen aber eine unab-hängige Finanzberatung, bei der die Beratung und nichtder Abschluss des Produkts im Vordergrund steht. WannwcinFdpdiszfamgmDnlewbhedBedBnMeHKnLdCKinbücWk
Wir sehen: Es gibt Baustellen über Baustellen, dieicht angegangen worden sind. Frau Aigner bzw. ihrinisterium ist, was die Verbraucherpolitik angeht, mitiner erschreckend überschaubaren Bilanz in dieseaushaltsberatung gegangen, ohne ein einziges neuesonzept zu haben und ohne der Verbraucherpolitik einenennenswerten Umfang zu geben. Das reicht in unseremande nicht.Herzlichen Dank.
Als letzte Rednerin zu diesem Einzelplan erteile ich
as Wort der Kollegin Mechthild Heil von der CDU/
SU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Verbraucherpolitik gehört für die CDU/CSUs Zentrum politischer Diskussion. Wir als christlich-li-erale Koalition kennen unsere Verantwortung gegen-ber den Verbraucherinnen und Verbrauchern und brau-hen heute daher keine Belehrungen von Ihnen.
ir wollen mit guter Information die Verbraucher stär-en, damit sie ihre eigenen Entscheidungen treffen
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16820 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011
Mechthild Heil
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können: keine Bevormundung, keine Gängelung, keineIdeologie.Meine sehr verehrten Zuhörer auf der Tribüne, hierim Saal und auch an den Bildschirmen, die CDU/CSUbringt die Verbraucherthemen mitten in die Haushalts-debatte – zur besten Sendezeit, mitten am Tag; denn ge-nau da gehört der Verbraucherschutz hin: mitten in diePolitik und mitten in die Gesellschaft.
Haushaltsdebatten sind auch immer Grundsatzdebat-ten. Für uns gilt der Grundsatz: Verbraucherschutz istkeine politische Randerscheinung. Wir benutzen die Ver-braucherpolitik nicht als Deckmäntelchen, um Land-wirte und Industrie zu verunglimpfen, wie es die Oppo-sition heute und auch in den vergangenen Debattenleider immer wieder versucht hat.Sehen Sie es doch weniger verbissen,
aber dafür ein bisschen klarer. Es kann doch nicht sein,dass für Sie, die Grünen – Frau Dörner hat es angeführt –,immer nur gut ist, was bio ist. Warum üben Sie nicht einganz klein wenig Toleranz gegenüber anderen Anbau-techniken, und warum blenden Sie Fehlentwicklungen,die es beim Biolandbau durchaus gibt, zum Beispiel beider Ehec-Krise, ständig aus?
Das verbindet heute die Grünen mit den Roten hier imHaus: Unternehmer und traditionelle Landwirte stehenfür Sie allzu schnell unter einem Generalverdacht.
Je erfolgreicher Bauern, Winzer und Hersteller sind,desto suspekter werden sie Rot-Grün.
Wir lassen nicht zu, dass die redlich wirtschaftenden Fa-milien in der traditionellen Landwirtschaft beschimpftwerden.
Diese Menschen tragen seit Jahrhunderten Verantwor-tung für den Boden, den sie bewirtschaften,
für die Produkte, die sie erzeugen und auf den Märktenverkaufen.
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Die Haltung des nachhaltigen Wirtschaftens spiegeltich auch im Haushaltsplan für das Jahr 2012 wider. Unsegt ein Sparhaushalt vor, mit dem das Ministerium zuinschnitten von insgesamt 211 Millionen Euro ver-flichtet wird. Es sind immerhin 4 Prozent weniger Mit-l als noch in diesem Jahr. Dazu stehen wir, weil wir mitiesem Haushalt unseren Teil dazu beitragen, die Schul-enbremse einzuhalten und die Spielräume für die nach-lgende Generation nicht weiter einzuengen.Dennoch bleiben die Ausgaben für einen besseren,chnelleren und effizienteren Verbraucherschutz unange-stet. Die Mittel für den Verbraucherschutz steigen so-ar noch, Frau Lay; Herr Schweickert hat auf die Zahleningewiesen. Auch die Ausgaben für die Verbraucher-rschung steigen. Die Zahlen sprechen eine klare Spra-he – egal was Sie heute sagen –: Verbraucherpolitik istnd bleibt ein Schwerpunkt unserer christlich-liberalenoalition.
Nun zu Ihnen, Frau Tack. Sie haben eine Kleine An-age gestellt und sich darüber empört, dass die Verbrau-herzentralen ihren Ländervergleichsindex einstellen,m sich stärker in Brüssel zu engagieren. Damit unter-tellen Sie, wir würden die Verbraucherzentralen finan-iell schlechterstellen. Das ist falsch, und ich bin mir si-her: Sie wissen das selber auch. Die Förderung dererbraucherzentralen durch den Bund wird um keineninzigen Euro gekürzt. Welche Prioritäten die Verbrau-herzentralen setzen, das ist zum Glück nicht unserhema. Das ist die Aufgabe der Organisation selber.
Wir wollen von der Tagespolitik unabhängige undtarke Verbraucherzentralen.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011 16821
Mechthild Heil
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Sie neigen dazu – das muss ich Ihnen ins Stammbuchschreiben –, die Verbraucherzentralen für Ihre Zweckezu instrumentalisieren. Aber das wird mit uns nicht ge-lingen.
Ich halte eine stärkere Fokussierung auf den europäi-schen Verbraucherschutz und eine Präsenz in Brüssel fürrichtig, wichtig und unterstützenswert.
Deshalb ist es sinnvoll, ab 2012 einen Teil der Finanz-mittel für die Stärkung der deutschen Verbraucherinte-ressen in Europa bereitzustellen.Ein aktuelles Beispiel für ein gelungenes Engagementauf europäischer Ebene ist die Button-Lösung. Ein deut-scher Alleingang wäre weniger erfolgreich gewesen.Unser deutsches Modell stand Pate für Europa. UnsereBundesregierung mit Frau Aigner hat es geschafft, unse-ren hohen Standard nach Brüssel zu exportieren und da-mit europaweit ein Zeichen im Bereich des digitalenVerbraucherschutzes zu setzen. Dafür brauchen wirkeine Haushaltsstelle. Wir brauchen nicht immer mehrGeld, sondern wir brauchen eine Ministerin wie IlseAigner, die engagiert und durchsetzungsfähig ist.
Auch bei den sozialen Netzwerken wie Facebook undGoogle zeigt sich, wie wichtig die europäische Ebene fürden Verbraucherschutz geworden ist. Jeder, der an dieDaten eines Nutzers will, muss erst dessen Einwilligungeinholen, und zwar aktiv. Er muss den Nutzer auch da-rüber informieren, was mit diesen Daten geschieht. JederBürger sollte europaweit das Recht haben, seine Datenjederzeit zu löschen. Dafür werden wir uns bei der No-vellierung der Europäischen Datenschutzrichtlinie ein-setzen.Zum Thema Finanzindustrie.
Vor allem unter der rot-grünen Regierung wurde daranzu viel herumgedoktert. Im Zuge der Finanzkrise standdeshalb mancher Anleger bereits 2008 und 2009 vor ei-nem Scherbenhaufen. Wir haben reagiert und mit demAnlegerschutzgesetz und dem Gesetz zur Regulierungdes grauen Kapitalmarkts ein Paket geschnürt, mit wel-chem dem Missbrauch Einhalt geboten werden kann.Lassen Sie mich als Beispiel die Produktinformations-blätter nennen.Als nächster logischer Schritt wird ein Gesetz zurStärkung der Honorarberatung als Alternative zum Pro-visionsmodell folgen. Ein Beispiel zum Provisionsmo-dell: In der Vergangenheit konnte es sein, dass ein Pa-ti1sleudwreraGpssLaWrutiuppEDKti
er Einzelplan 10 ist angenommen mit den Stimmen deroalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposi-onsfraktionen.Ich rufe Tagesordnungspunkt II.6 auf:Einzelplan 15Bundesministerium für Gesundheit– Drucksachen 17/7114, 17/7123 –Berichterstattung:Abgeordnete Alois KarlEwald SchurerOtto FrickeMichael LeutertKatja Dörner
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16822 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
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Zu Einzelplan 15 liegen drei Änderungsanträge derFraktion Die Linke vor.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. Gibt esWiderspruch dagegen? – Das ist nicht der Fall. Dann istdas so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-ner das Wort dem Kollegen Karl Lauterbach von derSPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnenund Kollegen! Haushaltsdebatten sind ein Moment, woman bilanziert. Ich will mich auf eine kurze Bilanz be-schränken. Auf die Einzelheiten des Haushaltes wirdnachher der Kollege Schurer eingehen.Die Bilanz fällt nüchtern aus,
wenn man offen ist. Es ist fast eine Bilanz dessen, wasnicht erreicht wurde.Ich fange einmal mit der in unserer Gesellschaft immerwichtigeren Vorbeugemedizin, der Prävention, an. Wasist es, was diese Regierungskoalition in der Vorbeugeme-dizin vorzuweisen hat? Hat sich etwas für die Kinder, fürdie nächste Generation, für die Schüler verbessert? Ist ir-gendetwas beschlossen worden, was die Vorbeugemedi-zin verbessert? Nichts ist beschlossen worden. Ein Prä-ventionsgesetz, Herr Zöller, das wir in der GroßenKoalition im Prinzip fertig hatten, ist aus ideologischenGründen nicht umgesetzt worden, obwohl wir es drin-gend gebraucht hätten. Ist es in der heutigen Zeit vertret-bar, ist es verantwortbar, dass wir nach wie vor in unse-rem Umfeld das einzige Land sind, welches keinVorbeugegesetz hat? Ich sage: Das ist falsch. Das wäredie notwendige Investition in die Gesundheit der nächs-ten Generation. Da ist von Ihrer Seite nichts gekommen.Das ist eine Schande, meine sehr verehrten Damen undHerren.
Hat es in der Qualität der Versorgung Impulse gege-ben? Hat es eine Qualitätsinitiative gegeben? Nicht eineinziger Impuls! Zu erwähnen ist: Es hat im Bereich deronkologischen Versorgung, der Versorgung von Krebs-patienten, die eine oder andere Verschlechterung gege-ben. Es ist jetzt leichter geworden, schwere Krebsfälle inder ambulanten Medizin zu versorgen, ohne dass die in-terdisziplinäre Arbeit eines Krankenhauses zum Tragenkommt. Mittlerweile werden 90 Prozent der Krebspa-tienten in Deutschland ambulant versorgt, auch dieschwersten Fälle. Die Zulassung von Krebsmedikamen-ten ist beschleunigt und vereinfacht worden und somitweniger sicher geworden. Selbst die Fachgesellschaft fürOnkologie betrachtet dies als eine Verschlechterung derVersorgungsqualität. Das betrifft 40 bis 50 Prozent allerDeutschen. Im Laufe seines Lebens erkrankt, statistischgKwndkwsvmBeshennndBZDmwktäkhPgsAtetrKGesvbseBSgwkKreQe
trukturkomponenten im Hinblick auf die Kostenbe-renzung sind entweder nicht beschlossen worden oderaren ein Flop. Somit ist nichts gekommen. Es gibteine strukturelle Verbesserung der Versorgung oder derostenkontrolle bei den Arzneimitteln. In diesem Be-ich gibt es ausgesprochen viel Dynamik, aber keineualitätsverbesserung. Auch dies ist aus meiner Sichtin Armutszeugnis.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011 16823
Dr. Karl Lauterbach
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Bezüglich des Bürokratieabbaus ist nichts passiert.Messen Sie sich an Ihren eigenen Ankündigungen. DerBundesgesundheitsminister hat damals davon gespro-chen, dass er sich an den Erfolgen messen werde. Wenner keine gute Reform mache, dann wolle er nicht mehrgewählt werden. Man muss ehrlich sagen: Die FDP hatsich selbst überflüssig gemacht. In keinem Bereich gehtman – traurigerweise, so muss man fast sagen – davonaus, dass die FDP noch handelt.
Die Steuerreform ist eine Nichtreform, die Gesundheits-reform ist eine Nichtreform. Der jetzige Gesundheits-minister kündigte das Jahr der Pflege an. Bisher istnichts beschlossen worden. Zum Ende des Jahres kommtnun ein Reförmchen, über das sich die Presse lustigmacht. Mittlerweile ist die FDP in einem bemitleidens-werten Zustand.
Von der FDP wird nichts mehr erwartet. Die FDP istmittlerweile eine Partei großer, dramatischer Ankündi-gungen; es kommt aber nichts. Das Jahr der Pflegewurde ausgerufen. Wir haben bis jetzt nichts außer ei-nem erbärmlichen Reförmchen gesehen. Steuersenkun-gen gab es nicht. Im Rahmen der Gesundheitsreform gabes keinen Bürokratieabbau, keine Effizienzverbesserung,überhaupt nichts. Da fragt sich die FDP, wieso nur noch2 bis 3 Prozent der Bevölkerung bereit sind, sie zu wäh-len.
Wenn man, wie Kollege Rösler gesagt hat, nicht liefert,dann hat man es nicht verdient, gewählt zu werden. Ichglaube, an dem Punkt sind wir jetzt angekommen. DerBürger hat das verstanden.
Ich komme zum Schluss.
Es ist der FDP – das muss man ihr lassen – von derUnion nie leicht gemacht worden. Davon, wie es ist, mitder Union zusammen zu regieren, kann ich selbst einLiedchen singen.
Das ist nie leicht; das ist ganz klar. Die Union ist dieSchwarze Witwe in der deutschen Politik.
Nichtsdestotrotz, die FDP war diesbezüglich vorge-warnt. Sie hätte mehr leisten können. Von der FDP istnichts übrig geblieben. Es ist schade, dass wir in der Ge-sundheitspolitik hiervon direkt betroffen sind. Der Bür-ger hätte in diesem wichtigen Politikfeld mehr verdientanOmhSGRkWtuswvntuedvsisicPbledddhsdehdEm
Für die FDP-Fraktion hat jetzt das Wort der Kollege
tto Fricke.
Geschätzter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Da-en und Herren! Herr Lauterbach, bei Ihnen gilt weiter-in der Spruch: Eine Schwalbe macht noch keinenommer, und eine Fliege macht noch lange nicht guteesundheitspolitik.
Ich muss sagen: Bei dem, was Sie im ersten Teil Ihrerede zur Onkologie gesagt haben, gebe ich Ihnen voll-ommen recht. Das ist ein Bereich, der uns alle betrifft.ir alle sind uns, glaube ich, einig, dass wir hier etwasn wollen. Darüber, wie wir etwas tun, können wir unstreiten. Im zweiten Teil Ihrer Rede haben Sie, weil Sieohl inhaltlich zum Haushalt nichts zu sagen haben,ersucht, den politischen Gegner anzugreifen; das kön-en Sie gerne machen, aber das hat nichts mit Politik zun.
In der Haushaltspolitik, beim Gesundheitshaushalt gehts immer um den Zuschuss von gegenwärtig 14 Milliar-en Euro für – das sage ich ausdrücklich – die Kranken-ersicherten. Sie stehen dahinter, wenn es um den Zu-chuss an den Gesundheitsfonds geht. Für die Haushältert dies immer ein schwieriger Punkt. Es ist aber – das willh ausdrücklich sagen – ein in die Zukunft gerichteterunkt. In der Gesundheitspolitik, bei den Fragen, die wirezüglich der Möglichkeiten von Gesundheitspolitik stel-n, haben wir weiterhin hohe Anforderungen.In einer sozialen Marktwirtschaft hat das auch die Be-eutung, dass wir hier einen Ausgleich finden. Der fin-et statt. Wir müssen immer wieder sagen, dass selbstiejenigen Eltern, die privatversichert sind und Kinderaben, mit ihrer Steuerleistung dafür sorgen, dass ge-etzlich Versicherte, die Kinder haben, unterstützt wer-en, während sie selber nicht unterstützt werden. Das istin Teil des Ausgleichs; in Ordnung. Aber wir müssenier aufpassen.Ich will für die Haushälter deutlich sagen: 14 Milliar-en Euro, das ist nicht irgendeine Summe. 14 Milliardenuro, aus Steuerzahlergeld, sind sehr, sehr viel, weitehr, als uns der Solidaritätszuschlag an Ertrag bringt,
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Otto Fricke
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um einmal die Größenverhältnisse darzustellen. Wir er-warten – auch das will ich ausdrücklich sagen –, dassdiese Gelder gut und richtig verwendet werden. Da – dassage ich Ihnen ganz ehrlich – war der Haushaltsaus-schuss damals sehr froh, als der Bundesrechnungshofdurch die Einführung des Zuschusses Zugriff auf dasVerhalten der gesetzlichen Krankenkassen bekommenhat. Ich bin auf der einen Seite erfreut darüber, was dabeiimmer wieder herauskommt, auf der anderen Seite abersehr enttäuscht.Man muss lesen, dass die Krankenkassen viel zu teureBürogebäude mieten, dass eine Krankenkasse 18 900 Qua-dratmeter anmietet, aber nur 8 000 braucht. Wir sind unsdoch wohl alle darin einig, liebe Kolleginnen und Kolle-gen, auch von der SPD, dass wir das nicht wollen. Dennes ist das Geld des Steuerzahlers, und es ist das Geld derKrankenversicherten. Da müssen wir doch ansetzen. Icherwarte, dass das auch weiter passiert. Ich bin dankbar,dass der Bundesrechnungshof dem nachgeht. Ich darfihn – hoffentlich im Namen des gesamten Hauses –bitten, dies weiter zu tun, damit an dieser Stelle keinMissbrauch und keine Fehlverwendung von Geldern er-folgen, weder von Steuergeldern noch von Krankenver-sicherungsgeldern.
Ich will noch ein Zweites sagen – das macht mir schonein wenig Sorge –: Heute ist in den Zeitungen von der Fu-sionskontrolle bei Krankenkassen zu lesen. Damals hat,wie ich glaube, auch die SPD gesagt: Bei der Fusionskon-trolle kann das Kartellamt genau kontrollieren und dafürsorgen, dass da kein Schmu passiert. – Jetzt hat das Lan-dessozialgericht Hessen gesagt: Nein, Krankenkassensind nicht im Sinne der Wettbewerbskontrolle zu kontrol-lieren. – Damit kann das Kartellamt hier auf einmal nichtmehr mit dem scharfen Schwert kommen. Das – ichglaube, da sind wir uns einig – wollen wir nicht, sondernwir wollen – wenn ich Ihr Kopfschütteln richtig deute,sieht das auch die SPD so –, dass hier Wettbewerbskon-trolle stattfindet; denn wir wollen einen effektiven Ein-satz der Mittel.Auch hierzu gibt es Berichte. Nur als Hinweis: DasErste, was bei einer Fusion passiert, ist – das gilt für fastalle Krankenkassen –, dass die Vorstandsgehälter erhöhtwerden.
Das Erste, was man hört, ist: Erhöhung der Vorstandsge-hälter um 25 Prozent bei einzelnen Krankenkassen beieiner Fusion. Kann das der Sinn sein? Können Abfin-dungen in Millionenhöhe bei gesetzlichen Krankenkas-sen der Sinn sein? Das kann nicht der Sinn sein.
– Sehr schön. Sie finden das nicht schlimm. Ich findedas schlimm.
Ich will für meine Partei eines ausdrücklich und klaragen – ich hoffe auf die Unterstützung des Koalitions-artners –: In Zukunft brauchen wir, wenn wir wollen,ass wir effektive Krankenkassen haben und der Zu-chuss aus dem Haushalt gut verwendet wird, nicht nuren Rechnungshof als Kontrolleur, sondern weiterhinuch das Kartellamt.
enn nur so können wir garantieren, dass das Geld amnde möglichst effektiv eingesetzt wird, damit es – dasill ich zum Schluss sagen – auch für solche Fälle, wieie vom Kollegen Lauterbach genannt worden sind, aus-icht und wir nicht in den Bereich der Mangelverwal-ng kommen.
Eine letzte Bitte zum Schluss. Wir haben bei der Prä-ention – ich bedanke mich beim Kollegen Schurer, aberuch beim heutigen Geburtstagskind MdB Karl, dasachher noch etwas sagen wird – etwas erreicht. Nichtenug, wird der Kollege Schurer sagen; aber es war im-erhin viel. Wenn wir – das ist meine Bitte – auch beimhema Masern, wo ein enormes Bedürfnis vorhanden istnd wo es eine große Verunsicherung gibt, etwas tunönnten, wäre ich sehr glücklich.Ich danke insoweit für die Aufmerksamkeit.
Für die Linke hat jetzt das Wort die Kollegin
r. Martina Bunge.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fürtto und Marie werden mit diesem Haushalt die Chan-en nicht besser, gleichberechtigt, gesund und munterm Leben teilzuhaben. Sie werden fragen: Wer sindarie und Otto? Es sind Kinder von Eltern, die mit meh-ren Jobs zusehen müssen, dass sie überhaupt über dieunden kommen. Nun kommt hinzu, dass in Mariesindergarten das Projekt „Gesund durch den Tag“ ein-estellt wird, weil die Finanzierung des Modells nur dreiahre läuft,
ass der Papa die nach langem Zögern beantragte, vomrzt dringend empfohlene Reha nicht genehmigt be-ommt und die Mutter-Kind-Kur für Mama mit Mariend Otto abgelehnt wird. So sehen plastisch die Ergeb-isse Ihrer Politik aus, verehrte Kolleginnen und Kolle-en der Koalition.
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Dr. Martina Bunge
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So geht es weiter. Im Einzelplan 15 des Bundeshaus-halts wurde der Mittelansatz für Prävention gekürzt,auch für Projekte, die sich bewährt haben.In der gesetzlichen Rentenversicherung gibt es fürRehamaßnahmen einen Deckel, obwohl solche Maßnah-men angesichts hoher Arbeitsbelastungen und von Ihnenverordneter längerer Lebensarbeitszeit dringend zurWiederherstellung der Arbeitsfähigkeit gebraucht wer-den. Bei den Krankenkassen wird auf Teufel komm rausgespart, und das geht zulasten der Leistungen, die geneh-migt werden müssen. Die Sorgen mit den Mutter-Kind-Kuren kennen wir ja alle hier im Raum.Die Krankenkassen sparen, um keine Zusatzbeiträgeerheben zu müssen. Sie wissen nämlich, dass dann dieRiesengefahr besteht, dass junge, gesunde Versicherte,die guten Risiken, die Kasse verlassen und die Situationnoch schlechter wird bis hin zur drohenden Insolvenz.Das ist inzwischen nicht nur eine Befürchtung der Lin-ken, sondern bittere Realität. Das beweist aber auch,dass Wettbewerb zwischen den Krankenkassen nicht zueiner besseren Versorgung führt, sondern der Gesunder-haltung der Bevölkerung schadet.
Maßnahmen, mit denen die Gesundheit gefördert wer-den könnte, werden einfach vorenthalten. Der Marktrichtet es hier halt nicht. Gesundheit ist keine Ware!
Nach der Kritik der Opposition in den Haushaltsbera-tungen haben Sie den Mittelansatz für Prävention wiederum 1,5 Millionen Euro erhöht – vor allem für Aufklä-rungsmaßnahmen. Wir legen Ihnen heute zum wieder-holten Male den Antrag vor, für Gesundheitsförderungund Prävention mit jährlich 1 Milliarde Euro einenFonds zu gründen, mit dem endlich ein Paradigmen-wechsel in der Gesundheits- und Pflegepolitik eingelei-tet werden könnte.Es geht nicht, das gesundheitsbewusste Verhalten nuretwas zu befördern und ansonsten zu beklagen, dass dasAusmaß an medizinischen und an Pflegeleistungendurch den demografischen Wandel und die Alterung derBevölkerung ins Unermessliche steigen wird. Das istkein Automatismus. Wenn die Verhältnisse im Arbeits-und Lebensumfeld eine Stärkung der Ressourcen zulas-sen, dann ist längeres Leben bei guter Gesundheit mög-lich.
Anstatt nach einer ausgewogenen Finanzierung fürdie Zukunft zu suchen, bürden Sie die finanziellen Be-lastungen allein den Versicherten auf. Zur Kopfpau-schale bei der gesetzlichen Krankenversicherung sollnun die Pflege einen Kapitalstock durch die Versichertenerhalten. Ihr Mini-Bahr, Herr Minister, ist bei der sichzuspitzenden Finanzmarktkrise aberwitzig. Das musshier ganz deutlich gesagt werden.
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ine Erhöhung des Spitzensteuersatzes und eine Sonder-bgabe auf Boni in der Finanzmarktbranche. Das ist un-eres Erachtens überfällig.
as bringt die Finanzen, die für eine gerechte Politik ge-raucht werden.Sie werfen uns hinsichtlich unseres Antrags zur Be-iligung des Bundes am Abbau des Staus bei den Kran-enhausinvestitionen vor, das sei ordnungspolitischicht möglich. Die Länder dürften nicht aus der Pflichtntlassen werden. Ich kann hier nur fragen: Funktioniertr Gedächtnis nicht mehr? Zu Beginn der 1990er-Jahreurde durch das GSG, das Gesundheitsstrukturgesetz,as Artikel-14-Programm zum Abbau des Nachholbe-arfs an Krankenhausinvestitionen in den neuen Bundes-ndern aufgelegt. Durch die bereitgestellten Bundesmit-l wurde die Landeskofinanzierung „gezogen“. Daurde keine Mark und kein Euro verschenkt.Durch ein neues Programm des Bundes würde garan-ert, dass die Länder hier stimuliert würden, tätig zuerden. Es soll ja keine Dauerlösung sein, aber wir ha-en eine besondere Situation. Jetzt haben wir in den al-n Bundesländern baulichen Nachholbedarf, vor allemei den kommunalen Krankenhäusern. In den neuenundesländern haben wir einen riesigen Erneuerungsbe-arf bei den Gerätschaften. Schließlich wurde in den0er-Jahren alles komplett ausgetauscht. Hier bestehtandlungsgefahr.
Handlungsbedarf, Entschuldigung. – Die Notwendig-eit einer guten Versorgung der Bevölkerung im Kran-enhaus verbietet es, in dieser Situation einfach nur mitem Finger auf die Länder zu zeigen. Das löst die Pro-leme nicht. Stimmen Sie unseren Anträgen zu! Ansons-n können wir dem Einzelplan 15 nicht zustimmen.
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16826 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011
Dr. Martina Bunge
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Das Wort hat der Kollege Johannes Singhammer für
die Unionsfraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Die Menschen in Deutschland erwarten einegute ärztliche Versorgung in Stadt und Land, kurze War-tezeiten und eine sichere finanzielle Grundlage derKrankenversorgung.
Unsere Krankenversicherung steht auf gesunden Bei-nen. Der Zustand der gesetzlichen Krankenversicherungin Deutschland ist das glatte Gegenteil der griechischenStaatsfinanzen. Voraussichtlich über 3 Milliarden EuroÜberschuss erwartet der Gesundheitsfonds am Ende die-ses Jahres. Mit den gesetzlichen Rücklagen und der Vor-sorge für einen Sozialausgleich können es sage undschreibe über 8 Milliarden Euro werden.Wir haben einen scheinbar unaufhaltsamen Trend inDefizit und Minuszahlen gestoppt und umgedreht undsind erstmals in der Lage, Rücklagen für schwierigereZeiten zu bilden. Warum? Weil wir eine Erfolgsbilanzaufzuweisen haben.
– Jawohl, Herr Kollege Lauterbach, diese christlich-libe-rale Koalition hat neuen Schwung in die Gesundheitspo-litik gebracht.
Noch nie sind in so kurzer Zeit so viele Projekte erfolg-reich abgeschlossen worden.
Mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz habenwir die Kosten für Arzneimittel dauerhaft und wirksamgesenkt. Wir haben ein neues Kriterium für neue Arznei-mittel eingeführt, den Zusatznutzen. Mit dem Gesetz zurnachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung derGesetzlichen Krankenversicherung haben wir einGleichgewicht von Ausgaben und Einnahmen in der ge-setzlichen Krankenversicherung geschaffen. Mit dem In-fektionsschutzgesetz werden wir dazu beitragen, dieZahl der Menschen, die sich in Kliniken anstecken, er-heblich zu reduzieren. Mit dem Patientenrechtegesetzsollen die Rechte der Patientinnen und Patienten transpa-renter und offener gestaltet werden.
Mit dem Versorgungsstrukturgesetz, bei dem wir unsin der Schlussphase der Beratungen befinden, werdenwir die ärztliche Versorgung der Menschen in Stadt undLddM–OEmgaBdcWJPtiWlidIcbpagdhIc
Ich habe schon darauf gewartet, dass hier vonseiten derpposition Kritik und Geschmäckle kommt.
s war eine christlich-liberale Koalition, die 1995 erst-als die Pflegeversicherung eingeführt und damit etwaseschaffen hat, was vorher Generationen von Politikern,ber auch von Betroffenen gehofft haben.
undeskanzlerin Merkel hat 2008 – damals in einer an-eren Koalition – durchgesetzt, dass in der Pflegeversi-herung erhebliche Verbesserungen erreicht wurden.
ir haben das geschafft.
etzt werden wir die Pflegereform in entscheidendenunkten erweitern.Frau Bunge hat eben gesagt, für Vorsorge und Präven-on seien 1 Milliarde Euro notwendig.
ir sagen: Wir verbessern jetzt erst einmal mit 1 Mil-arde Euro die Pflegeversicherung. Sie halten das wie-er für viel zu wenig.
h sage: 1 000 Millionen Euro für 2,3 Millionen Pflege-edürftige und 1,6 Millionen Menschen, die Angehörigeflegen, sind nicht wenig. Sie sind als ein erster Schrittngemessen und richtig. Allein durch diese Maßnahmeibt es exakt 5 Prozent Zuwachs bei den Ausgaben iner Pflegeversicherung.
Ich darf Ihnen ankündigen: Wir prüfen nicht, sondernandeln.
h habe nachgelesen, was Sie seinerzeit vorhatten.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011 16827
Johannes Singhammer
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– Ja, Rot-Grün. Ich habe auf den Zwischenruf gewartet.Ich habe nachgelesen, was Sie 1998 in der Koalitions-vereinbarung angekündigt haben. Sie haben den Wäh-lern versprochen, einen Teilkapitalstock zu bilden. Da-neben haben Sie angekündigt, zu prüfen, wie dieBetreuung Demenzkranker bei der Feststellung der Pfle-gebedürftigkeit berücksichtigt werden kann.Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir prüfennicht; wir handeln. Wir werden Folgendes tun: Wir wer-den zur Unterstützung der Angehörigen die Möglichkei-ten der Unterbrechung der Pflege eines Angehörigen zuHause stärken. Pflegende müssen mehr als nur einekurze Auszeit bekommen.
Pflegende Angehörigen sollen erleichterte Möglich-keiten zur Rehabilitation bekommen. Die Pflege vongleichzeitig mehreren Pflegebedürftigen wird renten-rechtlich mehr Berücksichtigung finden. Selbsthilfe-gruppen auch für pflegende Angehörige sollen bessergefördert werden.Für die Pflegebedürftigen werden wir die Leistungenvor allem in folgenden konkreten Punkten verbessern:Im Vorgriff auf den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff er-halten Demenzkranke nachhaltig bessere Leistungen.Die Leistungen werden insbesondere insoweit flexiblerausgestaltet, als Pflegebedürftige künftig zwischen Leis-tungspaketen und Zeiteinheiten frei wählen können.Wir werden die Rehabilitation stärken, um Pflegebe-dürftigkeit zu vermeiden. Das ist die beste Form der Vor-sorge. Mit dem Grundsatz „Ambulant vor stationär“werden wir neue Wohnformen fördern. Die medizinischeVersorgung in den Heimen wird verbessert. Außerdemwerden wir die Begutachtung durch den MedizinischenDienst der Krankenkassen servicefreundlicher gestaltenund finanzielle Vorsorge betreiben; denn wir wissen,dass sich die Zahl der Pflegebedürftigen erhöhen wird.Wir werden die private Vorsorge so attraktiv gestalten,
dass viele Menschen von diesem zusätzlichen AngebotGebrauch machen werden.Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie macheneinen Fehler: Sie reden das Gesundheitswesen immerschlecht. Achten Sie einmal darauf, wie in den Nachbar-ländern das dortige Gesundheitswesen bewertet wird.
Wir werden auch in Zukunft dafür sorgen,
dass die Menschen in Portugal oder Griechenland vondem Gesundheitswesen träumen, das wir in Deutschlandhaben und noch ausbauen werden.
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16828 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011
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hat, dem wird gegeben“, auch und gerade in der Gesund-heitspolitik.
Den Begriff der Fehlanzeige musste ich in meinerRede schon einige Male verwenden. Ich muss es nocheinmal tun, und zwar mit Blick auf Prävention und Ge-sundheitsförderung. Wir sind uns sicherlich einig, dassein Gesundheitssystem, das rein auf die Behandlung vonKrankheiten ausgerichtet ist, die Herausforderungen derZukunft nicht lösen kann. Vor diesem Hintergrund musses uns doch zu denken geben, dass wir – über alle So-zialleistungsträger hinweg – rund 270 Milliarden Eurofür die Gesundheit ausgeben, davon aber gerade 2,3 Pro-zent für Prävention und Gesundheitsförderung. Ich willeinmal flapsig sagen: Dieses Verhältnis ist ungesund unddarf so auch nicht bleiben.
Es ist eine besondere Herausforderung, den Zusam-menhang von Gesundheitsrisiken und sozialem Status zuknacken. Statistisch gesehen haben einkommensschwa-che Bevölkerungsgruppen – Arbeitslose, Alleinerzie-hende mit ihren Kindern, aber auch Menschen mit Mi-grationshintergrund – durchschnittlich deutlich höhereGesundheitsrisiken als andere. Das sind gerade dieGruppen, die die Krankenkassen nicht in ihre Präven-tionskurse bekommen und an denen gut gemeinte Ap-pelle in Richtung mehr Eigenvorsorge eher vorbeigehen.Das macht sehr deutlich, dass wir die Förderung vonSettingansätzen mit einem direkten Lebensweltbezug,klare Finanzierungsverantwortung und Leistungsstruktu-ren dringend brauchen.Es ist hinlänglich bekannt, dass Schwarz-Gelb einemPräventionsgesetz eine Absage erteilt hat. Das ist bedau-erlich
und ohne Frage das Gegenteil einer zukunftsweisendenGesundheitspolitik. Die Koalition hat aber auch keineanderen Vorstellungen, wie sie Prävention und Gesund-heitsförderung nach vorne bringen will. Das ist tatsäch-lich ein Armutszeugnis.
Abschließend: Nach so viel Kritik möchte ich aberauch nicht unterschlagen, dass es bei den Haushaltsbera-tungen durchaus einen kleinen Lichtblick gegeben hat.Es ist uns interfraktionell in der Bereinigungssitzung ge-lungen, Mittel umzuschichten und für Aufklärungsmaß-nahmen im Bereich des Drogen- und Suchtmittelmiss-brauchs, im Bereich der sexuell übertragbarenKrankheiten und der gesundheitlichen Aufklärung vonKindern und Jugendlichen um rund 1,5 Millionen Eurozu erhöhen. Ich möchte mich hier ganz besonders bei un-serem Kollegen Ewald Schurer bedanken, der dafür dieInitiative übernommen hat. Ich möchte mich aber auchbbfüshmaetiULWinGdtigAdwwSngnmdsGaüdhinwGmfüdgbvh
Nächster Redner ist der Kollege Jens Spahn für die
nionsfraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ieber Herr Kollege Lauterbach, besser Schwarzeitwe als rote Schlaftablette; denn das, was wir bis jetzt der Debatte von Ihnen erlebt haben – das ist imrunde genommen eine Debatte über die Halbzeitbilanzer christlich-liberalen Gesundheitspolitik dieser Koali-on –, ist eher ein laues Lüftchen und wenig kurzweiligewesen.
ber dies ist vielleicht einfach Ausdruck des Umstands,ass es an dem umfangreichen Arbeitsprogramm, dasir uns in dieser Legislaturperiode vorgenommen haben,enig zu kritisieren gibt. Es ist ein gutes Zeichen, dassie wenig finden, was Sie grundsätzlich kritisieren kön-en.Schauen Sie einmal, was in den letzten zwei Jahrenelungen ist: Da ist zum einen die Stabilisierung der Fi-anzen der gesetzlichen Krankenversicherung. Ichöchte nur daran erinnern, dass es Ihnen, als wir überas GKV-Finanzierungsgesetz geredet haben, ganz be-onders darum ging, dass wir den Krankenhäusern mehreld lassen sollten. Manche haben vermutet, das hingeuch mit anderen Funktionen zusammen, die Sie aus-ben. Jetzt stellen Sie sich hier hin und sagen, wir wür-en bei den Krankenhäusern zu wenig tun. Sich inner-alb eines Jahres so zu drehen, je nachdem wie es gerade der politischen Debatte passt, ist schon bemerkens-ert.Unabhängig davon ist es uns gelungen, mit demKV-Finanzierungsgesetz durch kurzfristige Maßnah-en für die Jahre 2011 und 2012 eine solide Finanzbasisr die gesetzliche Krankenversicherung zu schaffen, in-em wir alle beteiligen. Ich möchte dazu sagen: Denrößten Beitrag dazu leisten sowohl Arbeitgeber und Ar-eitnehmer durch die Rückkehr zum alten Beitragssatzon 15,5 Prozent als auch Sparmaßnahmen bei Kranken-äusern, Ärzten, Apotheken und insbesondere der Phar-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011 16829
Jens Spahn
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maindustrie, verbunden mit einer langfristigen Finanzie-rungskomponente, die da lautet: Wir können das Ganzenicht auf Dauer nur lohnabhängig über Beiträge finan-zieren, sondern wir wollen – das haben wir in der Gro-ßen Koalition begonnen – über den Zusatzbeitrag eineBasis für eine lohnunabhängige Finanzierung schaffen.Also: Finanzen in Ordnung gebracht, Operation gelun-gen.
Ein zweites grundsätzliches Thema, das uns in dieserKoalition sehr wichtig ist, das trägt, das wir umgesetzthaben und das ein wirklicher Bruch mit bisherigerPolitik war – im Übrigen aller Koalitionen undRegierungen – ist das Arzneimittelmarktneuordnungsge-setz gewesen, an dem Sie am Ende des Tages auch we-nig Kritik gefunden haben. Denn das Prinzip, für neueArzneimittel tatsächlich nur so viel Geld mehr zahlen zuwollen, wie sie im Vergleich zu dem, was schon auf demMarkt ist, an zusätzlichen Nutzen haben, ist richtig. Siehaben sich bis heute nicht von dem Schrecken erholt,dass es dieser Koalition gelungen ist, das, wovon Siejahrelang geredet haben, am Ende umzusetzen. Auchhier können wir sagen: Operation gelungen. Das ist einErfolg christlich-liberaler Gesundheitspolitik.
Nachdem wir uns die Finanzen und die Frage, wofürwir das Geld eigentlich ausgeben, angeschaut und nebenkurzfristiger Konsolidierung ein langfristiges Finanzie-rungselement geschaffen haben, haben wir gesagt: Wirnehmen die gesundheitliche Versorgung in Deutschlandin den Blick.Der erste Schritt war das Krankenhausinfektions-schutzgesetz, bei dem es insbesondere um die hygieni-schen Zustände in den Krankenhäusern geht. Wir habenganz aktuell die Vorfälle in Bremen, bei denen wir se-hen, dass ein deutlicher Nachholbedarf vorhanden istund dass noch immer viel zu viele Menschen wegen In-fektionen in Krankenhäusern sterben müssen. Mit Blickauf Ihre Äußerungen zum Stichwort Bremen sage ich Ih-nen: Mein Eindruck nach allem, was wir nach derzeiti-gem Kenntnisstand haben, ist, dass es vor allem die Be-hörden im Land Bremen selbst waren, die das, wasmittlerweile bundesgesetzlich geregelt ist, bis heutenicht vernünftig umgesetzt haben und vor allem die Mel-dewege nicht einhalten und die Kontrollen in den Kran-kenhäusern nicht entsprechend durchführen. Wenn Sieschon Schwarze-Peter-Spiele machen wollen, dannschieben Sie den Schwarzen Peter zur Gesundheitssena-torin nach Bremen, im Zweifel auch nach Berlin. For-dern Sie mit uns gemeinsam die Länder auf, die ihnenübertragene Aufgabe, für gute hygienische Zustände inden Krankenhäusern zu sorgen, auch tatsächlich umzu-setzen. Der Finger zeigt jedenfalls auf die Länder.
Nach dem Krankenhausinfektionsschutzgesetz habenwir dieses Jahr die Versorgung der Menschen zumSgfawskjutr–aVhmmruleebliwtuteWGbEraAdcwSNmPminMwrüWsLmisEwM
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16830 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011
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Herr Kollege Spahn, ich wüsste gerne, ab wann Sie
die Leistungen für Demenzkranke und ihre Angehörigen
wie angekündigt verbessern wollen.
War das das Ende der Frage?
Ab wann?
Das Ende der Frage war noch nicht erkennbar. Ich
dachte, es käme noch etwas.
Ich möchte gerne eine weitere Zusatzfrage stellen.
Aber zuerst möchte ich wissen, ab wann Sie die Leistun-
gen verbessern wollen.
Wollen Sie jetzt noch eine Frage stellen? Sind Sie fer-
tig, oder geht es noch weiter?
Das kommt drauf an. Ich würde gerne eine weitere
Zwischenfrage stellen.
Kollege Spahn, Sie entscheiden natürlich, ob Sie wei-
tere Zusatzfragen zulassen wollen.
Ich habe doch eine ganz einfache Frage gestellt.
Ich kann auch zwei Zwischenfragen im Zusammen-
hang beantworten. Ich bitte, das bei meiner Redezeit zu
berücksichtigen.
Die Zeit ist längst angehalten.
Wir wollen ein normales Gesetzgebungsverfahren
durchführen und spätestens am 1. Januar 2013 zusätzli-
che Leistungen für demenzkranke Menschen und pfle-
gende Angehörige zur Verfügung stellen. Ideal wäre es,
wenn das schon früher möglich wäre. Darüber werden
wir beraten.
Ich habe danach gefragt, weil Herr Bahr angekündigt
hat, dass diese Leistungen kurzfristig zur Verfügung ste-
hen werden, also vor dem 1. Januar 2013. Sie haben das
gerade relativiert. Wenn die Leistungen schon früher zur
Verfügung stehen, hätte ich gerne gewusst, mit welchem
Geld Sie sie bezahlen wollen.
S
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Kollege Spahn, gestatten Sie eine weitere Zwischen-
age des Kollegen Seifert?
Bitte schön.
Ich kündige an, dass das die letzte Zwischenfrage ist,
ie ich im Rahmen dieses Beitrags zulasse. – Bitte.
Vielen Dank. – Herr Kollege Spahn, wenn Sie jetzt
nkündigen, dass die Leistungen für Menschen mit De-
enz verbessert werden sollen, was ja dringend nötig ist,
önnen Sie bitte auch sagen, ob das dann bei den Leis-
ngen für Menschen mit Körperbehinderung wegge-
ommen wird oder ob es da wenigstens so etwas wie ei-
en Bestandsschutz gibt?
Natürlich wird nirgendwo etwas weggenommen.
h habe ja gesagt: Es geht um zusätzliches Geld, das zurersorgung zur Verfügung steht. Sie spielen vielleichtin wenig auf den Pflegebedürftigkeitsbegriff und diemsetzung desselben an. Jeder weiß natürlich, dass es, nachdem, wie man den Pflegebedürftigkeitsbegriffmsetzt, unterschiedliche Modelle gibt, nicht von uns,ondern vom Pflegebeirat; er hat die Modelle erarbeitetnd Szenarien vorgelegt. Einige Modelle sehen vor, Ver-esserungen auf der einen Seite durch Verschlechterun-en etwa bei den Leistungen für Menschen mit körperli-hen Einschränkungen zu finanzieren. Wir haben aberesagt: Wir wollen jetzt in einem ersten Schritt deutlicheeistungsverbesserungen kurzfristig möglich machennd werden dann an dem Pflegebedürftigkeitsbegriff soeiterarbeiten, dass die Arbeiten in dieser Legislatur ab-eschlossen werden können.Dazu will ich Ihnen eines sagen, weil Sie das gleichieder ansprechen werden: Jeder, zumindest jeder, derich ein bisschen in der Pflegeszene auskennt, weiß, dassit dem, was wir im Moment vorliegen haben, eine so-
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Jens Spahn
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fortige Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbe-griffs nicht möglich wäre – das sagt im Übrigen auch derBeiratsvorsitzende, Herr Gohde –, sondern dass es wei-tere Vorarbeiten, weitere Vorbereitungen braucht. Wirmachen keine Versprechungen ins Blaue hinein, wie dereine oder andere im Hohen Hause das gern tut, sondernwir machen es solide: kurzfristige Verbesserungen, dieleicht umzusetzen sind, jetzt und das weitere Arbeitenam Pflegebedürftigkeitsbegriff in den nächsten Monaten,damit wir eine vernünftige und solide Basis für die wei-tere Arbeit haben und so alle Fragen, die anstehen, mit-einander klären können.
Was ansonsten die weiteren Vorhaben für die zweiteLegislaturperiode angeht,
steht für uns neben der Frage der Pflegeversicherung dasPatientenrechtegesetz im Mittelpunkt. Wir wollen dieVersorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung ge-setzlich regeln.
Das gilt auch für Fragen wie: Wo kommen Patienten inden Strukturen der gesetzlichen Krankenversicherungvor? Welche Rechte haben sie? Welche Transparenz gibtes für sie? Können sie die Entscheidungen nachvollzie-hen? Wie lange müssen sie auf Entscheidungen vonKrankenkassen warten?Weil wir das regeln wollen, werden wir zu Beginn desnächsten Jahres einen Gesetzentwurf dazu vorlegen. Wirsind sehr dankbar für die Vorarbeiten, die der Patienten-beauftragte der Bundesregierung, unser Freund WolfgangZöller, geleistet hat.
Ich glaube, er ist Garant dafür, dass wir mit einem gutenErfolg für die Patienten und Patientinnen in Deutschlandrechnen können.
Wir laden Sie herzlich ein, diese Arbeit gemeinsam mituns anzugehen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Abschließend möchte ich Sie einladen, einigermaßenfair – das ist Ihnen in dieser Debatte bis jetzt nicht soganz gelungen –
einmal den Blick auf das zu werfen, was in den letztenzwei Jahren christlich-liberaler Gesundheitspolitik vorallem in Bezug auf Qualität und Quantität erreicht wor-den ist. Wenn Sie nach den vier Jahren – wir bewerbenuns dann um mindestens weitere vier Jahre –edPdP–dFzddFuZligadstebg5KUsZsgGEri4gs7wtiBe
inen Strich darunter ziehen, werden Sie sehen, dassiese Koalition in der Gesundheitspolitik und in derflegepolitik deutlich mehr umgesetzt haben wird als an-ere Koalitionen in mehreren Legislaturperioden vorher.Es ist aller Mühe wert, im Sinne der Patientinnen undatienten in Deutschland diese erfolgreiche ArbeitSchaffung einer soliden Finanzgrundlage; Antwort aufie Fragen des Versorgungsalltags der Patienten und dierage, wie wir gute Strukturen hinbekommen – fortzuset-en und hier stringent weiterzuarbeiten, sodass am Endeeutlich wird: Christlich-liberale Gesundheitspolitik istie bessere Gesundheitspolitik für Deutschland.
Das Wort hat der Kollege Ewald Schurer für die SPD-
raktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnennd Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren!unächst einmal darf ich mich, wie bei Haushältern üb-ch, beim Ministerium herzlich bedanken. Die Unterla-en sind zwar manchmal etwas spät,
ber dann doch in aussagekräftiger Form zugeleitet wor-en. So konnten wir die Beratungen im Haushaltsaus-chuss und in den Berichterstatterrunden gut vorberei-n.Weil Otto Fricke gerade dazwischenruft, darf ich, lie-er Kollege, eine Aussage gleich anfügen: Die Kosten-estaltung der gesetzlichen Kassen sieht derzeit so aus:,8 Prozent sind Verwaltungskosten; bei den privatenassen sind es 15 Prozent. Das ist also ein signifikanternterschied, auch pro Versicherten in Deutschland. Dasollte man wissen, um etwas mehr Genauigkeit bei denahlen in das Thema zu bringen.Der Einzelplan ist schon in der ersten Lesung darge-tellt worden. Deshalb möchte ich nur ganz wenige si-nifikante Zahlen nennen. Der reguläre Zuschuss an denesundheitsfonds liegt mittlerweile bei 14 Milliardenuro. Der materielle Kern für die Arbeit des Ministe-ums und seiner nachgelagerten Behörden liegt bei85 Millionen Euro. Das sind die Mittel, mit denen manestalten kann.Herr Minister, Sie sprechen ja nach mir noch. Interes-ant ist, dass Sie für 2015 ankündigen, zusätzlich00 Millionen Euro für den Sozialausgleich zahlen zuollen. Ich habe recherchiert, aber bisher keine Kalkula-onsgrundlage dafür gefunden. Die Frage ist: Soll dieseretrag von 700 Millionen Euro für den Sozialausgleichinmalig gezahlt werden? Soll er dynamisiert werden?
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Ewald Schurer
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Ist das eine Schätzgröße? Ich habe jedenfalls bei meinenRecherchen nur ein Glossar zum Sozialausgleich auf derWebseite des BMG gefunden. Da ist in den ersten dreiPunkten nur von Zusatzbeiträgen die Rede. Aber eine in-haltlich profunde Ausführung dazu, wie der Sozialaus-gleich systemtechnisch funktionieren soll, habe ich nichtgefunden. Sie haben nachher die Gelegenheit, HerrMinister, mich und uns hier klüger zu machen.Die Einnahmen steigen immerhin auf 92 MillionenEuro, vor allen Dingen durch Mehreinnahmen beim Bun-desamt für Arzneimittel- und Medizinprodukte; eine in-teressante Geschichte. Ich habe schon darauf hingewie-sen, dass das Ministerium einen materiellen Kern von485 Millionen Euro hat. Ich stelle fest, dass Schwarz-Gelb – es wird ja immer von schwarz-gelber Politik ge-sprochen; Sie müssten, werter Kollege Singhammer undandere, sagen: „Politik der Mitte“, um das in Ihrem Sinnewirklich präzise herüberzubringen – bei den Titeln mitProgrammcharakter und insgesamt im Präventionsbe-reich in fast allen Bereichen markige Kürzungen durch-geführt hat.
Ich möchte aufgreifen, was die Kollegin Dörner ge-sagt hat: Im Bereich sexuell übertragbarer Krankheiten,im Bereich Drogen- und Suchtmittelmissbrauch undbeim Haustitel der BZgA in Köln – das ist die Bundes-zentrale für gesundheitliche Aufklärung – sind die Kür-zungen teilweise zurückgenommen worden. Ich möchtedem Kollegen Karl, dem Kollegen Fricke und der Kolle-gin Dörner dafür danken, dass wir es geschafft haben,Kürzungen in Höhe von 1,5 Millionen Euro zurückzu-nehmen. Das wäre ohne die Bereitschaft der Koalitionnicht möglich gewesen.Ansonsten gilt ganz eindeutig, dass die Kürzungen imProgrammbereich zu stark sind. Hier ist für mich ein Ge-staltungswille der Koalition nicht erkennbar. Es gibt, wieder Kollege Lauterbach gesagt hat, eine ordnungspoliti-sche Funktion. Diese wird im Rahmen der Möglichkei-ten des Haushalts nicht wirklich genutzt. Stattdessenzieht man sich auf Verwaltungsaufgaben zurück. Es istinteressant, wenn der Kollege Spahn die Infektions-schutzgesetzgebung in den Mittelpunkt seiner ordnungs-politischen Ausführungen stellt. Was das angeht, sindwir einer Meinung: Jeder katastrophale Fall, dass zumBeispiel Kinder an einer Infektion, die sie sich in einerKlinik geholt haben – egal in welcher Klinik und in wel-chem Bundesland –, sterben, ist durch die Länderbehör-den scharf zu bekämpfen, und man muss Vorsorge tref-fen, dass das nicht mehr passiert. Aber das ersetzt, HerrKollege Spahn, nicht den großen ordnungspolitischenRahmen, auf den die Fachwelt, die Versicherten und dieBürgerinnen und Bürger draußen im Lande seit zweiJahren warten.
Das ist im Wesentlichen die Bilanz, die ich ziehe. Siebringen in den großen Bereichen nichts.cwmDfücuSH–gsfebLmGedWpsteHSgktiavgghddbswkPvmc
Ich habe so meine Befürchtung, dass Sie hier weit imintertreffen sind. Herr Kollege Spahn, darüber hättenie reden müssen. Zur Zweijahresbilanz dieser Koalitionehört es, dass sie hier im Wesentlichen nicht weiterge-ommen ist.
Mein letzter Punkt ist der große Bereich der Präven-on. Alle internationalen Studien – von der OECD undnderen – zeigen – wir sind ja in Deutschland im kurati-en Bereich, im stationären und ambulanten Versor-ungswesen, leistungsmäßig insgesamt relativ gut auf-estellt –: Für Prävention geben wir zu wenig aus. Wiraben zu wenig Konzepte. Das ist der Schwachpunkt deseutschen Gesundheitswesens.In diesem Zusammenhang stelle ich fest, dass Sie fürie Prävention bisher nicht sehr viel getan haben. Sie ha-en die Präventionskampagne bei den Programmtitelnogar auf fast null heruntergefahren. Das heißt also, dort,o man mit Modellprojekten in diesem Bereich arbeitenönnte, haben Sie nichts getan.Mein Fazit ist ganz eindeutig: Sie schieben die großenrobleme der Gesundheits- und Pflegepolitik so langeor sich her, bis eine neue Koalition – mutmaßlich nichtehr mit Ihrer Beteiligung – diese gesamtgesellschaftli-hen Probleme lösen muss. Das ist die Bilanz nach zwei
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Ewald Schurer
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Jahren Schwarz-Gelb, der von Ihnen sogenannten Politikder Mitte. Sie werden mit Sicherheit abgelöst werdenmüssen durch fachlich profunde und aktive Politik imSeptember 2013.
Glauben Sie mir: Wir werden das wuppen; wir liefernnämlich. Sie hingegen liefern in homöopathischen Do-sen. Das ist zu wenig.Herzlichen Dank.
Ich möchte einen kleinen Hinweis an alle nachfolgen-
den Redner geben: Die Ankündigung des Redeschlusses
ersetzt nicht den Redeschluss. Wir sind hier gehalten, die
vereinbarte Redezeit entsprechend zu übertragen.
Das Wort hat der Bundesminister für Gesundheit,
Daniel Bahr.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Ich möchte die Rede beginnen mit einem Dank an dieHaushälter und an die federführenden Berichterstatterfür die sehr konstruktiven Beratungen, die wir erneut zurErarbeitung dieses Haushalts des Bundesministeriumsfür Gesundheit geführt haben.Der größte Teil des Etats für das Bundesministeriumfür Gesundheit ist der Zuschuss für versicherungsfremdeLeistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung.Daneben wirkt der eigentliche Etat des Bundesministe-riums für Gesundheit deutlich kleiner.Ich möchte zwei Themen stellvertretend herausgrei-fen, die uns im Parlament, so glaube ich, im Momentsehr bewegen.Das erste Thema ist die Frage: Was können wir tun,um die Bereitschaft der Menschen in Deutschland fürmehr Organspenden zu erhöhen? Im Haushalt des Bun-desministeriums für Gesundheit stehen 2,5 MillionenEuro zur Verfügung, die wir nutzen wollen, um Aufklä-rungsarbeit zu leisten und Informationen an die Bevölke-rung zu bringen. Denn wir wissen aus Umfragen, dassMenschen sich gerne darauf verlassen möchten, dass einOrgan zur Verfügung steht, wenn sie denn eines brau-chen. Wir wissen leider aber auch, dass trotzdem nichtausreichend Menschen bereit sind, einen Organ-spendeausweis auszufüllen und sich als Organspenderbereit zu erklären.Deswegen bin ich sehr froh, dass wir derzeit im Deut-schen Bundestag partei- und fraktionsübergreifend bera-tehFdLOEsaWOggEzdininDZteLteemNgd2humlaSWuEgh–sImisfrwdc
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Umfragen bestäti-en uns, dass die Menschen – bei allem, was im Gesund-eitssystem in Deutschland noch besser werden kannmit dem zufrieden sind, was ihnen das Gesundheits-ystem bietet.
Ausland schauen viele neidvoll nach Deutschland. Est die Herausforderung, das zu erhalten: freie Arztwahl,eie Krankenhauswahl, freie Krankenversicherungs-ahl, Therapiefreiheit, eine wohnortnahe Versorgung,ie sich, gemessen an anderen Ländern, nicht zu verste-ken braucht. Angesichts eines medizinischen und eines
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16834 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011
Bundesminister Daniel Bahr
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medizinisch-technischen Fortschritts in Kombination miteiner alternden Bevölkerung besteht die Herausforde-rung darin, dies auch für kommende Generationen zu ge-währleisten. Genau das hat sich die christlich-liberaleKoalition vorgenommen. Sie fühlt sich verpflichtet, diewohnortnahe Versorgung für kommende Generationenzu gewährleisten. Daran messen wir all unsere Gesetzge-bungsinitiativen.Ich darf die Kolleginnen und Kollegen von SPD undGrünen bei all den Ratschlägen auch in dieser Debatte,was wir noch besser machen könnten – wir nehmen siegerne auf –, nur daran erinnern, dass diese Koalition indieser Legislaturperiode ein Arbeitspensum bewältigt,das andere Regierungskonstellationen, insbesondereRot-Grün – die Linken haben erfreulicherweise in derBundesrepublik noch nie regiert –, in zwei Legislatur-perioden nicht geschafft haben. Es lässt sich sehen, waswir bis heute schon auf den Weg gebracht haben und waswir noch auf den Weg bringen werden.
– Es scheint offensichtlich zu schmerzen. Ihre Reaktio-nen deuten darauf hin, dass Sie da einen wunden Punkthaben. Sie können das nicht ertragen. – Wir haben einGesundheitssystem übernommen, in dem wir das größteMilliardendefizit der gesetzlichen Krankenversicherungerlebt haben.
Dieses Milliardendefizit haben wir bewältigt,
nicht etwa mit einer Gesundheitsreform, bei der dieLeistungen für die Menschen gekürzt oder gestrichenwurden – ich schaue in die Reihen und sehe einige Bril-lenträger –, nicht etwa, indem wir denjenigen, die imGesundheitswesen arbeiten, den Beschäftigten, signali-siert haben: Wir kürzen euer Honorar oder machen Null-runden. – Nein, wir haben dieses große Defizit mit einergemeinsamen Kraftanstrengung bewältigt,
indem wir den Beitragssatz auf das alte Niveau zurück-geführt haben. Ja, das war eine unangenehme Entschei-dung; aber wir haben sie gemeinsam getroffen, um Sta-bilität und Verlässlichkeit ins Gesundheitswesen zubringen.
Wir können heute mit Fug und Recht stolz daraufsein, dass das deutsche Gesundheitssystem finanziellsuludisuaBLKdZriEreleJuWwgdwrifawinligmkwbwgwmdms–d
Sie haben das angesprochen, was wir gemacht haben. Mit dem Versorgungsstrukturgesetz greifen wir die Be-ürfnisse der Menschen vor Ort auf. Sie wollen sich da-
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Bundesminister Daniel Bahr
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rauf verlassen, dass es vor Ort noch eine Ärztin oder ei-nen Arzt bzw. eine medizinische Versorgung gibt. Siewollen, dass der Landarzt nicht nur in einer idyllischenVorabendserie kommt, sondern dass man den Haus- undFacharzt des Vertrauens vor Ort wählen kann. Dazu leis-ten wir mit unserem Versorgungsstrukturgesetz einenwesentlichen Beitrag.Wir wollen, dass die Ärzte von Tätigkeiten entlastetwerden, dass sie ärztliche Tätigkeiten auf andere über-tragen können. Frau Kollegin Dörner, lesen Sie das Ge-setz. In ihm steht nämlich, dass eine Liste delegationsfä-higer Leistungen erstellt werden kann, damit sich derArzt auf den Patientenkontakt konzentrieren kann und ervon anderen Tätigkeiten entsprechend entlastet wird.Wir setzen Anreize für neue Versorgungsformen, da-mit auch etwas ausprobiert und geschaut wird, wie dieVersorgung in Deutschland besser gemacht werdenkann. Wir tragen dem gesellschaftlichen Wandel Rech-nung, damit die Vereinbarkeit von Familie und Berufauch im Gesundheitswesen gelebte Realität werdenkann. Die Strukturen im Krankenhaus wie in der nieder-gelassenen Ärzteschaft gehen noch von einem alten Fa-milienbild aus, nach dem der Mann in der Regel 60 bis70 Stunden arbeitet und die Frau sich um die Kinderkümmert. Das ist nicht mehr das Gesellschaftsbild derkommenden Medizinerinnen und Mediziner. Auch hierschaffen wir im Rahmen des Versorgungsstrukturgeset-zes wesentliche Veränderungen, um diesem neuen BildRechnung tragen zu können.
Weiter leisten wir mit dem Versorgungsstrukturgesetzeinen Beitrag zu einer Kultur des Vertrauens im Gesund-heitswesen. Nein, wir wollen nicht immer mehr Büro-kratie. Wir wollen nicht immer mehr Kontrollen und im-mer mehr Regelung, sondern wir wollen vernünftige, mitAugenmaß gewählte Verwaltungsvorschriften, damit dieÄrztinnen und Ärzte, die Arzthelferinnen und Arzthel-fer, die Pflegerinnen und Pfleger sich darauf verlassenkönnen, dass Dokumentation Teil der täglichen Arbeitist, aber nicht zu einem Selbstzweck verkommt, unddamit sie nicht das Gefühl haben, dass damit qualitativhineinregiert wird.Deswegen will ich ganz konkret sagen, lieber HerrLauterbach: Der Tod der Frühchen in Bremen erschrecktuns alle. Das habe ich auch öffentlich kritisiert. Ich ge-höre nicht zu den Politikern, die, wie manch andere, so-fort vor die Kameras treten und gleich wissen, woran esliegt. Es gibt keinen Mangel an gesetzlichen Regelun-gen. Vielmehr erwarten wir, dass man sich, wenn durchdiese Koalition beim Infektionsschutzgesetz Regelungengetroffen werden, an diese Regelungen hält.
Das wird jetzt entsprechend geschehen.Was den Bereich der Pflege angeht: Rot-Grün hat inzwei Legislaturperioden bei der Pflege überhaupt nichtsvorangebracht. Wir leisten jetzt mit unserer Pflege-reform einen wesentlichen Beitrag, machen Schritte indPdgwmzmhdsteteIcggmsztivwliFWG1sGaGSdclofaswEpwLsswumih
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Zahnersatz, Kürzungen beim Krankengeld, Kürzungenbeim Zuschuss für Brillengestelle, Streichung des Ster-begeldes, Streichung des Entbindungsgeldes, Einfüh-rung der Praxisgebühr und letztendlich Einführung vonZusatzbeiträgen, also die Minikopfpauschale. So sieht esfür den normalen Menschen in unserem Land aus. Dasalles muss er unter der Überschrift „Reform“ ertragen.Die Schlagworte „Kosteneffizienz“, „Wirtschaftlich-keitsgebot“ und „Wettbewerb stärken“ waren im Prinzipdie Losung, die zu einer Lösung führen sollten.Im jetzt vorliegenden Bericht des Bundesrechnungs-hofes kann man allerdings auch die andere Seite sehen,nämlich wie die Krankenkassen mit den Mitgliedsbeiträ-gen und den Milliarden an Steuergeldern umgehen. Eswäre eigentlich anzunehmen, dass sie sparsam damitumgehen, dass sie sich der Situation bewusst sind, aberleider ist dem nicht so. Vielmehr kann man neben Unre-gelmäßigkeiten bei Krankenkassenfusionen, ungerecht-fertigten und überhöhten Gehältern und Abfindungen fürVorstände unter anderem auch die Überschrift lesen– Herr Kollege Fricke hatte es angesprochen –: Millio-nenverluste bei Krankenkassen durch hohe Mieten undnicht benötigte Büroflächen. – Krankenkassen habennoch nicht errichtete Bürogebäude angemietet, und zwarlangfristig. „Langfristig“ heißt in diesem Fall über20 Jahre, und zwar ohne Kündigungsoption. Angemietetwurden diese Objekte zu Mietpreisen, die doppelt sohoch waren wie die ortsüblichen Vergleichsmieten. Eswurden 14 Euro pro Quadratmeter statt 7 Euro pro Qua-dratmeter gezahlt. Es wurden sogar Flächen angemietet,die gar nicht benötigt wurden. Beispielsweise wurdenstatt 8 000 Quadratmeter, die eigentlich nur benötigtwurden, 19 000 Quadratmeter angemietet. Die wurdendann untervermietet, natürlich zu den ortsüblichen Mie-ten, oder sie standen leer. Man hat also Verluste einge-fahren. Allein bei diesen Vermietungsgeschäften spre-chen wir über Verluste von insgesamt 14 MillionenEuro.Was hier beschrieben wird, ist nicht nur einfach einVersehen, sondern es ist schlicht Veruntreuung. Es istkriminell, was hier passiert ist.
Das ist ein Fall für den Staatsanwalt. Herr Kollege Fricke,es tut mir leid: Man kann den Minister, ihren Partei-freund, doch nicht einfach so aus der Verantwortung las-sen. Das Ministerium sieht in den vom Bundesrech-nungshof aufgeführten Fällen keinen Handlungsbedarf,sondern es heißt: So wie es passiert ist, ist es in Ord-nung. Auf der anderen Seite ist es so, dass die Versicher-ten, die die Reformen erlebt haben und immer wiederwegen Kostenexplosion auf Leistungen verzichten odermehr zahlen mussten, in den letzten Jahren nicht einmaldie ihnen zustehenden Leistungen bekommen.Besonders geschmacklos ist es dann, wenn es um dieKinder geht: Ich meine die Mutter-/Vater-Kind-Kuren;das Thema dürfte bekannt sein. Obwohl es gesetzlicheRegelungen dazu gibt, verweigern die Krankenkassen invielen Fällen die Bewilligung. Der Bundesrechnungshofspricht in diesem Fall sogar von „Willkür von Entschei-ddEeg1gPmmtrMDKzgdteSsfüB7KmfeSdedNleggPSab
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-gen! 2011 ist das Jahr der Pflege, und Schwarz-Gelb istrandios gescheitert. Eine umfassende Reform der Pfle-eversicherung wurde uns und im Übrigen auch allenflegebedürftigen in Aussicht gestellt. Liefern wolltenie. Seit ein paar Tagen wissen wir: Ihre Lieferung istrmselig.Sie planen ein paar Leistungsverbesserungen, ja, aberitte Vorsicht; denn beschlossen ist ja noch nichts. Es ist
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011 16837
Elisabeth Scharfenberg
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an sich richtig, dass Sie die Leistungsansprüche für de-menziell Erkrankte kurzfristig verbessern wollen. Dassdiesbezüglich Bedarf besteht, ist keine Neuigkeit. Den-noch packen Sie die wirklichen Probleme erst gar nichtan, zum Beispiel die Reform des Pflegebedürftigkeitsbe-griffs. Es ist richtig: Das geht nicht kurzfristig; das wis-sen wir alle. Der Bericht liegt aber bereits seit zwei Jah-ren vor. Dieses Problem muss jetzt endlich einmalangepackt werden. Ein anderes Beispiel: Eine nachhal-tige und gerechte Finanzierung der Pflegeversicherungwurde verpennt und vertagt auf die nächste Wahlperiode,in der Sie – so hoffen es viele in diesem Haus und vieledraußen im Land – keine Verantwortung mehr tragenwerden.
Sie kleistern die Probleme zu. Dieses Ignorieren derLebensrealitäten und der Bedürfnisse der pflegebedürfti-gen Menschen wird die Versicherten noch teuer zu ste-hen kommen. Ich sage es einmal ganz deutlich: Mit klei-nen Wahlgeschenken wollen Sie kaschieren, dass Siebeim grundsätzlichen Reformbedarf der Pflegeversiche-rung nicht einen Schritt weitergekommen sind.
Sie geben mehr Geld für die Pflegeversicherung aus– das ist im Grundsatz richtig und absolut notwendig –,Sie machen sich aber keinerlei Gedanken darüber, wo inZukunft dieses Geld herkommen soll. Das ist kurzsich-tig, und das ist verantwortungslos.Der Bundesgesundheitsminister ist der Auffassung,dass er – bei seinem Verständnis von einer nachhaltigenFinanzierung ist das wohl so – sehr wohl die Lösung al-ler Probleme gefunden hat. Diese Lösung ist der soge-nannte Pflege-Bahr. Pflege-Bahr heißt: Die freiwilligeprivate Vorsorge für die Pflege soll künftig ähnlich wiebei der Riester-Rente steuerlich gefördert werden. Es istaber noch völlig unklar, wie das genau funktionierensoll, und es ist auch noch völlig unklar, wie das bezahltwerden soll. Ich frage mich aber – und viele andereauch –, wie der Pflege-Bahr letztendlich dazu beitragensoll, die Finanzierung der Pflegeversicherung auf eine„nachhaltigere Grundlage“ zu stellen; so steht es in demEckpunktepapier der Bundesregierung.Das hat mit der systematischen Lösung der Finanzie-rungsprobleme der Pflegeversicherung nichts zu tun;denn eine solche Lösung muss für alle Versicherten gel-ten.
Lieber Herr Minister Bahr, Ihren Pflege-Bahr werdensich nicht alle Versicherten leisten können, sondern nurdiejenigen, die genug Geld dafür übrig haben. Gering-verdienerinnen und Geringverdiener, um die es uns hierin besonderer Weise gehen sollte, gucken in die Röhre;denn ihnen fehlt das Bare für den Pflege-Bahr.
DdAisdMdScgBmsZgSdmndndehuHmdam
uch in der Minibar ist kaum etwas drin. Das, was drint, ist viel zu teuer, und nur gut Betuchte können sich anem Inhalt laben.
it dem Pflege-Bahr wird der privaten Versicherungsin-ustrie noch ein schönes Zusatzgeschäft zugeschanzt.Meine Damen und Herren, wir brauchen keinenchnickschnack. Wir brauchen die Pflege-Bürgerversi-herung. Wir haben vor kurzem ein Gutachten dazu vor-elegt. Dieses Gutachten zeigt ganz deutlich: Wenn alleürgerinnen und Bürger in einer Versicherung zusam-engefasst werden, dann ist das nicht nur gerechter,ondern dann werden die Pflegekosten – die natürlich inukunft steigen werden – abgemildert und solidarischeschultert.
elbst bei einem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff miter erforderlichen Leistungsausweitung plus einer Dyna-isierung würde der Beitragssatz laut unserer Berech-ung bis 2050 auf etwas über 3 Prozent ansteigen. Ichenke, das ist wirklich zu schultern. Hier braucht unsicht angst und bange zu werden.
Nachhaltig, solide und vor allem gerecht – das schaffter Pflege-Bahr, Herr Minister, nicht. Das geht nur mitiner solidarischen Pflege-Bürgerversicherung.Vielen Dank.
Der Kollege Alois Karl hat sich entschlossen, seinen
eutigen Geburtstag mit uns gemeinsam zu verbringen,
nd hat nun das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedankeich zunächst für die freundliche Aufforderung, vorem Gang zu Ossi die Pflichten zu erfüllen. Wenn Sielle unserem Haushalt zustimmen, dann überlege ichir, Sie alle einzuladen.
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16838 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011
Alois Karl
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Das ist natürlich ein Unterschied zu der Minibar, FrauScharfenberg, die Sie gerade angesprochen haben. Dageht es dann schon zur Sache. Sie kommen ja auch ausBayern, zumindest aus Franken. Das ist ja schon ein hal-ber Weg zur Besserung.Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum Endeder Haushaltsberatungen könnte man sagen: Ende gut,alles gut.
So könnte man es überschreiben, wenn man der Mei-nung wäre, es hätte nach einem etwas holprigen Beginn,nach Irrungen und Wirrungen zum Schluss ein einiger-maßen gutes Ende gegeben. Das ist hier nicht der Fall;denn bei uns ist es schon mit den Beratungen gut losge-gangen. Wir haben unsere Grunddaten hervorragend ein-gearbeitet. Wir fügen uns in den Rahmen der Bemühun-gen um die Konsolidierung des Bundeshaushaltes einund leisten dazu unseren besten Beitrag.Sie wissen, dass wir bis 2016 erreichen wollen, waseigentlich bei jedem normalen Haushalt beabsichtigtwird, nach 47 Jahren in Deutschland, einer Zeit derSchuldenmacherei, wo der Bund in jedem Jahr mehrGeld ausgegeben als eingenommen hat, zu einem Aus-gleich von Einnahmen und Ausgaben zu kommen. Inden wenigen Jahren bis 2016 – wir sind guten Mutes,dass wir das schon 2015 schaffen – wollen wir dorthinkommen. Dazu leistet auch der Haushalt des Bundesge-sundheitsministers seinen Beitrag.Meine Damen und Herren, es ist nicht selbstverständ-lich, dass wir heute davon ausgehen können. Schauenwir einmal zwei Jahre zurück. Der damalige Finanz-minister Steinbrück hat 2009 einen Haushaltsentwurf für2010 mit 86 Milliarden Euro neuen Schulden vorgelegt.Diese Regierung ist Gott sei Dank abgelöst worden.
Die christlich-liberale Regierung hat die Schulden imHaushalt 2010 unter Ihrer Führung, liebe Frau Merkel,im Haushaltsausschuss deutlich gesenkt. Wir haben imletzten Jahr nicht 86 Milliarden Euro, sondern – manmuss sagen: nur – 44 Milliarden Euro neue Schuldenmachen müssen. Wir meinen schon, dass das ein hervor-ragendes Ergebnis war.
Herr Schäuble hat sich mit uns gemeinsam auf diesenbeschwerlichen Weg der Haushaltskonsolidierung ge-macht. Dieser positive Trend hält auch 2011 ganz unver-mindert an. Noch vor Jahresfrist sind wir davon ausge-gangen, dass wir in diesem Jahr 48 Milliarden Euro neueSchulden machen müssen. Wir werden den Haushaltaber mit einer Neuverschuldung von etwa 23 MilliardenEuro abrechnen, also weniger als die Hälfte dessen, waswir angenommen haben.Meine Damen und Herren, das sind gute Ergebnisse.Dies werden wir 2012 fortsetzen. Auch da werden wirdeutlich weniger neue Schulden aufnehmen, als es unsdASwssaladZwtiwaBdgS2dnuteSehnsDznaDereDakväudgletägas
ie zahlen Steuern und Sozialversicherungsabgaben.
as alles beflügelt uns, den Haushalt in dieser Form vor-ulegen. Meine Damen und Herren, wir haben 2 Millio-en Arbeitslose weniger als zu Zeiten der rot-grünen Ko-lition; dies spart dem Staat 50 Milliarden Euro jährlich.a müssen Sie doch selber sagen: Jeglicher Gedanke aninen ausgeglichenen Haushalt wäre reine Makulatur,ine Utopie, wenn Sie noch an der Regierung wären.
as ist in der Regierungszeit der christlich-liberalen Ko-lition erreicht worden. Lieber Herr Schurer – vielleichtönnten Sie Ihr Telefonat kurz unterbrechen –, Sie habenorhin gesagt, dass sich die Regierung möglicherweisendert. Das ist für Sie natürlich ein Wunschtraum. Fürns und für Deutschland insgesamt, Herr Schurer, wäreas ein Albtraum. Etwas anderes kann ich dazu nicht sa-en.Wir erhöhen die Rücklagen im Gesundheitsfonds al-in in diesem Jahr um 4,4 Milliarden Euro. Die Liquidi-tsreserve und mögliche Ausgaben im sozialen Aus-leich sind bis 2015 gesichert. Wir sind besser gerüstet,ls wir es erwartet haben.Der Gesundheitsmarkt ist groß. 4,7 Millionen Men-chen arbeiten dort. Zusätzlich gibt es 1,2 Millionen
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011 16839
Alois Karl
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Menschen, die ehrenamtlich pflegen, insbesondere ihreAngehörigen. Ihnen allen gilt unser ausdrücklicherDank. Sie leisten Großartiges.
600 000 Mitarbeiter sind in den letzten zehn Jahren da-zugekommen. In den nächsten zehn Jahren werden wei-tere 600 000 Menschen in diesem Bereich Arbeit finden.In diesem Umfeld sparen wir; wir haben aber auchMöglichkeiten des Gestaltens. Im Haushalt sind mehrMittel für die Forschung vorgesehen, mehr Mittel fürBaumaßnahmen beim Paul-Ehrlich-Institut und für In-vestitionen beim Robert-Koch-Institut. Wir haben es ge-schafft, beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medi-zinprodukte in diesem Jahr 60 bisher befristete Stellen inunbefristete umzuwandeln. In diesem Institut wird – wieauch im Ministerium selber, Herr Bundesminister, und inallen anderen nachgeordneten Behörden – hervorragendeArbeit geleistet. Es erwirtschaftet mehr als 80 MillionenEuro Einnahmen, indem es neue Arzneimittel und Medi-zinprodukte auf den Markt bringt und deren Risikenbzw. Risikofreiheit bewertet. Wir werden in den nächs-ten Jahren die Mitarbeiterzahl des Instituts erhöhen, dadessen Einnahmen dauerhaft gewährleistet sind.Ende gut, alles gut. In der Tat: Wir haben – Herr Kol-lege Schurer, Sie sind darauf eingegangen – die Haus-haltstitel für Aufklärungsmaßnahmen auf dem Gebietdes Drogen- und Suchtmittelmissbrauchs erhöhen kön-nen, ebenso wie die Mittel für Aufklärungsmaßnahmenauf dem Gebiet von sexuell übertragbaren Krankheiten.Wir haben auch den Mittelansatz für die Bundeszentralefür gesundheitliche Aufklärung deutlich erhöht. Ich sageganz offen: Unser Blick – der des Kollegen Otto Frickeund meiner – ist auch durch Ihre Beiträge durchaus ge-schärft worden. Wie Sie gesehen haben, ist uns keinePerle aus der Krone gefallen. Wir haben die Ansätze inder Tat erhöht; Frau Dörner hat das freundlicherweise er-wähnt.Meine Damen und Herren, wir legen einen Haushaltvor, der Spielräume für Investitionen, für Forschung undfür Aufklärung bietet. Wir wünschen Ihnen, lieber HerrBundesgesundheitsminister, alles Gute und gute Arbeit.
Wir liefern, glaube ich, gute Ergebnisse ab. Wir brau-chen zur Erfüllung unserer Aufgaben keine faulen Kre-dite und keine ungedeckten Wechsel. Wir liefern sofort,und wir liefern bar.
Ich wünsche Ihnen einen guten Haushalt und ein gu-tes Jahr. Ich wünsche Ihnen einen guten Abend, und ichdanke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Ich möchte gernesehen, wie Sie abstimmen. Danach richtet sich mein Ein-ladungsverhalten.Vielen herzlichen Dank.
FwesicmEdsusdGdEggSgAscdhgtiwtiWtiaranfügjektin
s bleibt mir nichts anderes übrig. Das wird mir wahr-cheinlich Ihre Einladung verhageln, aber damit werdeh leben müssen.Wenn man sich den Haushalt genau ansieht, stelltan fest: Er ist Ausdruck von Ziel- und Planlosigkeit.rst lassen Sie sich von Ihrem eigenen Finanzministeren Schneid abkaufen, dann kürzen Sie wahllos die An-ätze von Aufklärungstiteln,
nd dann wollen Sie für Haushaltstitel, bei denen Siechon in den vergangenen beiden Jahren nicht mehr alsie Hälfte der Mittel ausgeschöpft haben, deutlich mehreld ausgeben.Sie wollen 15 Millionen Euro für die Forschungsför-erung ausgeben. Dieses Jahr standen über 9 Millionenuro, die Sie nicht ganz ausgegeben haben, zur Verfü-ung. 2010 waren am Ende des Jahres noch Forschungs-elder in Höhe von 2 Millionen Euro im Topf. Es ehrtie, wenn Sie hierfür mehr Geld ansetzen. Man kann sa-en: Versorgungsforschung ist ein wichtiges Element.ber leider fehlt mir – Ihnen scheinbar auch – die Vor-tellung davon: Was wollen Sie damit eigentlich ma-hen? Was wollen Sie in der Versorgungsforschung för-ern? Welche Projekte gibt es? – Dazu haben wir biseute nichts gehört.Die Haushälterkollegen sind heute von allen Seitenelobt worden, weil die gröbsten Schnitzer bei Präven-on und Kindergesundheit ausgemerzt worden sind. Dasar nicht die Idee der Fachpolitiker aufseiten der Koali-on, sondern – das muss man deutlich sagen – dieseneitblick hatten die Haushälter. Den Dank der Fachpoli-ker der Opposition dafür, dass man an der einen odernderen Stelle bei Prävention und Aufklärung etwas ge-degezogen hat, gebe ich gerne zurück.Leider muss man aber sagen, dass in diesen Bereichenach wie vor weiter gekürzt worden ist und die Gelderr den Aktionsplan „Gesunde Ernährung und Bewe-ung“ ersatzlos gestrichen werden. Ich weiß: Das Pro-kt läuft aus. Aber auch hier sieht man von Ihrer Seiteeine Konzepte. Es wabert immer eine ominöse Präven-onsstrategie durchs Haus. Aber niemand kennt sie, undiemand weiß, wo Sie hinwollen.
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16840 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011
Bärbel Bas
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Herr Singhammer, Ihre gesundheitspolitische Halb-zeitbilanz kann sich nach meiner Meinung überhauptnicht sehen lassen. Es ist schlimm genug, dass Ihre ein-zige Entscheidung, die wirklich bei den Menschen ange-kommen ist, eine Beitragssatzerhöhung war. Wenn Siestrukturelle Entscheidungen getroffen haben, dann wa-ren es die falschen. Ich muss sie noch einmal in Erinne-rung rufen.Bei Einführung Ihrer Kopfpauschale haben wir Ihnennoch vorgeworfen, dass Sie die GKV ruinieren wollen.Nach dem AMNOG dachten wir noch, Sie seien im ent-scheidenden Moment vor der Pharmalobby eingeknickt.Beim Infektionsschutzgesetz haben wir Ihnen noch Mut-losigkeit vorgeworfen. Das Ergebnis der Hängepartie imsogenannten Jahr der Pflege hielten wir nur noch für einFörderprogramm im Sinne der Finanzdienstleistungsin-dustrie. Aber spätestens nach der desolaten Beratung desVersorgungsstrukturgesetzes, nach den unzähligen Än-derungsanträgen, die interessanterweise übrigens in vie-len Fällen aus Ihrer eigenen Koalition kommen, undnach einer für Sie desaströsen Anhörung, in der Sie vonallen Fachleuten zu hören bekommen haben, dass diesesGesetz vollkommen überfrachtet worden ist
mit Dingen, die Sie angeblich korrigieren wollen, mussauch ich mich heute korrigieren: Sie verfolgen überhauptkein Ziel und keinen Plan. Sie haben überhaupt keinenPlan. Wenn Herr Spahn von einer großen christlich-libe-ralen Idee redet, muss ich Ihnen sagen: Ich weiß nicht,wo sie sein soll. Vielleicht haben Sie sie entdecken kön-nen, ich persönlich nicht.Was wir in den letzten beiden Jahren in der Gesund-heitspolitik erlebt haben, war das Vor-sich-hin-Wursch-teln einer Koalition ohne Ziel, ohne gemeinsamen Nen-ner und ohne Kompass.
Für die kranken- und pflegeversicherten Menschen undfür die Leistungserbringer im System waren die vergan-genen beiden Jahre eine Zumutung. Sie waren Gäste ei-ner politischen Achterbahnfahrt dieser Koalition. Zu kei-nem Zeitpunkt war zu erkennen, wo die Reise überhaupthingehen soll. Ständig wurden Geschwindigkeit undRichtung geändert. Das nenne ich nicht gelungene Ope-ration, sondern überflüssige Operation.Vielleicht muss man einmal ein Beispiel nennen, andem man das deutlich sieht. Die Finanzierung der GKV– für die Sie sich hier in den Haushaltsberatungen schonden ganzen Tag selbst Lob aussprechen – steht laut denExperten auf tönernen Füßen. Sie selbst sagen, es brau-che mehr Eigenbeteiligung und Eigenverantwortung.Deshalb haben Sie auch den Zusatzbeitrag aufgebohrtund Ihre kleine Kopfpauschale geschaffen – natürlichmit einem steuerfinanzierten Sozialausgleich. Dann aberhaben Sie Angst vor der eigenen Courage bekommenund die Beiträge ordentlich erhöht, mit dem Ergebnis,dass trotzdem 10 Millionen Menschen Zusatzbeiträgezahlen müssen, aber kein Sozialausgleich gezahlt wird.DtigdamtäVkbdgsdcehnBKtesIhUWruwhwredteapEedEdFs
Weder das Zustandekommen noch die Ergebnisse ge-ügen Ihren eigenen Ansprüchen, die Sie sich selbst zueginn der Legislaturperiode gesetzt haben. Der Kollegearl – ich weiß, er hat heute Geburtstag – hat beim letz-n Mal gesagt, er habe das Ende meiner Rede herbeige-ehnt. Ich kann Ihnen versichern: Ich sehne mir das Enderes gesundheitspolitischen Blindfluges herbei.
Das Wort hat der Kollege Willi Zylajew für die
nionsfraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dieeiterentwicklung der Pflege und der Pflegeversiche-ng ist ein stetiger Prozess, und diesen Prozess werdenir auch im kommenden Haushaltsjahr fortsetzen. Wiraben zu respektieren, dass uns die demografische Ent-icklung und die Veränderung der Anforderungsstruktu-n einiges abverlangen, für das wir Zeit brauchen undas wohlbedacht erledigt werden muss.Uns ist es wichtig, dass wir pflegende Angehörige un-rstützen. Dazu haben wir in diesem Jahr schon einigesuf den Weg gebracht. Ich denke hier an die Familien-flegezeit. Das ist ein kleines Segment, das nach unsererinschätzung in der Palette der Hilfsangebote aber schonine deutliche Verbesserung darstellt.Wir haben den Entwurf des Versorgungsgesetzes inen nächsten Tagen zu beraten und zu konkretisieren.
in Beispiel sind Angebote zur aufsuchenden Hilfeurch Zahnärzte. Wir werden dort finanziell eine weitereörderung vornehmen, um zu ermöglichen, dass Men-chen, die ambulant oder stationär pflegerisch versorgt
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011 16841
Willi Zylajew
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werden, auch Behinderte, Hilfe erhalten. Insbesondereunsere Kollegin Maag hat sich für diesen Bereich sehrstarkgemacht. Ich denke, von dieser aufsuchenden Hilfeprofitieren pflegebedürftige Menschen und ihre Angehö-rigen.
Es sind nicht nur finanzielle Dinge, mit denen wir unsbei der Pflege beschäftigen. Wir brauchen eine gesamtge-sellschaftliche Befassung mit diesem Thema. Pflegepoli-tik bezieht sich nicht nur auf das Sozialgesetzbuch XI.Ganz wesentlich sind die Fragen: Wie finden wir ver-nünftige Fachkräfte? Wie können wir die jungen Men-schen, die Interesse haben, ausbilden? – Wir müssen unsmit der Frage auseinandersetzen, wie stationär und am-bulant miteinander verzahnt werden, indem klargemachtwird, dass stationäre Pflege genutzt werden kann, aberambulante Versorgung Vorrang besitzt. Auch Angebotefür Rehamaßnahmen sind notwendig. Wir werden mitden geringen finanziellen Mitteln, die wir zur Verfügunghaben, aber auch mit vernünftigen Ideen Rehamaßnah-men für Angehörige und für Pflegebedürftige fördern.Wir werden – auch das ist uns ein Anliegen – Pflege-leistungen auf dem Rentenkonto der bzw. des Pflegendenstärker berücksichtigen. Da werden Sie Interessantes be-obachten können. Ich denke auch an das Initiativpro-gramm zur Unterstützung älterer Menschen in ihremWohnumfeld. Wir werden unser Augenmerk auf denMDK, auf eine fristgerechte Begutachtung und aufschnelle Bescheide legen. Diese Punkte sind uns wichtig.Es wird Hilfen und bessere Leistungen für Demenz-kranke geben. Schon bei der Pflegestufe 0 werden De-menzkranke Berücksichtigung finden. Das ist eine ganzentscheidende Herausforderung. Am Ende werden wirgemeinsam mit dem Gesundheitsminister und den Kolle-ginnen und Kollegen der Koalition zu guten Ergebnissenkommen.Wir laden alle redlichen Kräfte bei den Leistungser-bringern, den Krankenkassen und den Sozialverbändenein, mit uns in diese Beratung einzutreten. Wir haben ei-nen finanziellen Rahmen verabredet. Diesen finanziellenRahmen werden wir nutzen. Aber auch über diese Fi-nanzmittel hinaus haben wir die Chance, eine Verbesse-rung der Situation zu erreichen. Wir gehen dies an undladen auch Sie von der Opposition herzlich zur Mitarbeitein.Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat die Kollegin Karin Maag für die
Unionsfraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Am Ende der Einzelplan-15-Debatte will ich noch einmalzusammenfassen – Kollege Karl hat es bereits zitiert –:Dddurus–nicIchddDraFKdtrpdwsstePPFsEtebPKfecssbgg
h bin mir sicher, dass wir mit dem, was wir vorgelegtaben, besser sind, als Sie sich jemals erträumt haben.Der Haushalt 2012 zeigt vor allem klar und deutlich,ass die Koalition in der Wirtschafts- und Finanzkriseie richtigen Entscheidungen getroffen hat und dasseutschland, wie versprochen, gestärkt aus der Krise he-usgekommen ist.
Jetzt sind wir beim Einzelplan 15. Wir sind mit derührung des BMG sehr einverstanden. Die gesetzlichenrankenkassen sind, natürlich als Folge des Ansteigenser GKV-pflichtigen Lohnsummen und auch der Bei-äge, aber vor allem durch eine richtige Gesundheits-olitik, endlich solide finanziert. Das heißt, es sind füren Gesundheitsfonds kein Sonderzuschuss und deutlicheniger Steuerzuschüsse notwendig.Frau Bas, wir haben es zum Wohl der Patienten ge-chafft, dass erstmals mit den Beteiligten im System ent-pannt diskutiert wird, dass sich alle Beteiligten im Sys-m endlich wieder ernst genommen fühlen und dassatienten nicht wegen Ärztestreiks vor geschlossenenraxen stehen, wie es zu Zeiten von Ulla Schmidt derall war, sondern dass sie ärztlich behandelt werden. Wirind dafür auch an die Strukturen gegangen. Wir habenffizienzreserven gehoben und damit eine plumpe Kos-ndämpfung vermieden.
Mit dem GKV-Finanzierungsgesetz haben wir für sta-ile Finanzen gesorgt. Mit dem AMNOG haben wir dasreismonopol der Pharmaindustrie gebrochen und denassen zu Einsparungen im Milliardenbereich verhol-n.
Mit dem anstehenden Versorgungsstrukturgesetz si-hern wir dauerhaft die gute und ausreichende medizini-che Versorgung in Deutschland. Diese dauerhafte Ver-orgung der Menschen ist – wir haben es gehört – auchei der Pflegereform das oberste Ziel. Wir legen dort denesetzgeberischen Grundstock, wo Rot-Grün zwei Le-islaturperioden lang gescheitert ist.
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16842 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011
Karin Maag
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Schließlich wird es ein Patientenrechtegesetz geben.
– Als Fachpolitikerin hätten Sie einfach im Ausschusszuhören müssen. Das ist mir jetzt zu doof.
Wir werden mit dem Patientenrechtegesetz den Pa-tienten zur Partnerschaft auf Augenhöhe im System ver-helfen. Das ist wichtig und gut, und es ist mehr, als Siejemals geschafft haben.Aber vor allem investieren wir mit diesem Haushaltgezielt in die uns wichtigen Zukunftsfelder. Wir haben inden Beratungen den verfügbaren Etat des BMG noch-mals um 2,6 Millionen Euro netto erhöhen können. DerDank geht an die Haushälter. Frau Bas, Sie müssen nichterstaunt sein. Wir haben uns als Fachpolitiker selbstver-ständlich für das Notwendige eingesetzt.Wir lassen deswegen insgesamt vor allem auch beimThema HIV/Aids nicht nach. Für die Bekämpfung sexu-ell übertragbarer Krankheiten stehen im Jahr 2012 nachden Haushaltsberatungen rund 350 000 Euro mehr unddamit 12,35 Millionen Euro insgesamt zur Verfügung.Wie schon im letzten Jahr gehen rund 1,6 MillionenEuro in die Aidsforschung.Wir stehen auch weiterhin für eine sinnvolle Drogen-und Suchtpolitik. Wir stellen den Menschen mit seinenspezifischen, meist suchtstoffübergreifenden Problemenin den Mittelpunkt. Unser christliches Menschenbildgeht vor allem von einem freien, unabhängigen Men-schen aus. Wer abhängig ist, kann nicht frei über seinLeben entscheiden. Folgerichtig haben wir zum einenden Etat der Drogenbeauftragten angehoben und zumanderen in den Haushaltsberatungen die Mittel für dieAufklärungsmaßnahmen auf insgesamt 7,25 MillionenEuro erhöht.Ich fasse zusammen: Das sind die richtigen Ansätzesowohl für den Gesamthaushalt als auch für den Einzel-plan 15. Wir bleiben auch im nächsten Jahr dabei.Ich danke Ihnen.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-plan 15, Bundesministerium für Gesundheit, in der Aus-schussfassung. Hierzu liegen drei Änderungsanträge derFraktion Die Linke vor, über die wir zuerst abstimmen.Wir beginnen mit dem Änderungsantrag auf Druck-sache 17/7779. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dage-gen? – Wer enthält sich? – Der Änderungsantrag ist mitden Stimmen der Unionsfraktion, der SPD-Fraktion undder FDP-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion DieLn–ndmssssUuSpWpdFrudhE
Gut. Ich korrigiere mich: Auch die Fraktion Bünd-is 90/Die Grünen hat dagegen gestimmt. Dann habe ichas Abstimmungsverhalten nicht eindeutig wahrgenom-en.
Änderungsantrag auf Drucksache 17/7780. Wertimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthältich? – Der Änderungsantrag ist abgelehnt.Änderungsantrag auf Drucksache 17/7781. Wertimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthältich? – Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen dernionsfraktion, der FDP-Fraktion, der SPD-Fraktionnd der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen dietimmen der Fraktion Die Linke abgelehnt.Wir kommen nun zu der Abstimmung über den Einzel-lan 15 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? –er stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Einzel-lan ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegenie Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt II.7 auf:a) Einzelplan 07Bundesministerium der Justiz– Drucksachen 17/7107, 17/7123 –Berichterstattung:Abgeordnete Alexander FunkEwald SchurerStephan ThomaeSteffen BockhahnManuel Sarrazinb) Einzelplan 19Bundesverfassungsgericht– Drucksache 17/7124 –Berichterstattung:Abgeordnete Alexander FunkDr. Peter DanckertDr. Stefan RuppertDr. Dietmar BartschManuel SarrazinZu dem Einzelplan 07 liegen ein Änderungsantrag derraktionen der CDU/CSU und FDP sowie zwei Ände-ngsanträge der Fraktion Die Linke vor.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürie Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. – Ichöre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollegewald Schurer für die SPD-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnenund Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren!Zunächst einmal auch hier beim Einzelplan 07 der Dankals Hauptberichterstatter an das Bundesministerium, andie Frau Ministerin, Dank an die Mitarbeiterinnen undMitarbeiter, an die Leitungsebene für sehr gute und in-formative Beratungsgrundlagen, die umfassend undrechtzeitig gegeben wurden. Auch bei Rückfragen er-hielten wir stets sehr schnelle und ausführliche Antwor-ten. Dies war eine sehr gute Behandlung der Haushälter.Dank auch an die Kolleginnen und Kollegen der anderenFraktionen, an die Mitberichterstatter zum Einzelplan 07.Die Bereinigungssitzung vom 10. November 2011,also von vorletzter Woche, brachte das Ergebnis, dasswir in diesem Haushalt Einnahmen von insgesamt im-merhin 441,5 Millionen Euro haben, ein Novum, wennman die bisherigen Haushaltsansätze betrachtet. Das ent-spricht einer Deckung von 80 Prozent für die insgesamtknapp 508 Millionen Euro Ausgaben, die dem aktuellenEntwurf des Einzelplans Justiz für das Jahr 2012 zu-grunde liegen. Allein 68 Prozent werden durch das Deut-sche Patent- und Markenamt mit 303 Millionen Euro er-bracht. Das ist die Behörde, die als Kompetenzzentrumauf dem Gebiet der gewerblichen Schutzrechte bekanntist und die auch mit 50 Stellen einen moderaten Stellen-aufbau bekommt. Dieser wird sich gegenfinanzieren,weil es einen Bearbeitungsstau bei neu angemeldetenPatenten und Schutzrechten gibt. Das rechnet sich alsound ist ökonomisch vertretbar. Damit können gewerbli-che Schutzrechte schneller erteilt werden.Politisch wichtig ist mir, Frau Ministerin und werteKolleginnen und Kollegen, ein Vorgang aus dem Haus-halt 2011. Damals wurden nämlich für die Magnus-Hirschfeld-Stiftung 10 Millionen Euro ausgebracht. Dashalte ich für erwähnenswert. Jetzt endlich, im Jahr 2011,sind wir so weit, dass die Verbrechen Nazi-Deutschlandsgegenüber Menschen mit homosexueller Dispositionaufgearbeitet und dokumentiert werden können. Dieszeigt im Übrigen auch, wie schwer wir uns in derRechtsgeschichte der deutschen Demokratie über Jahr-zehnte getan haben, mit den Verbrechen in Nazi-Deutschland umzugehen. Erst im Jahr 2011 kommen wirdazu, dieser Stiftung zu ermöglichen, ihre Arbeit aufzu-nehmen. Sie haben, glaube ich, erst letzte Woche denVorstand für die Stiftung bestellt. Das ist politisch vongrößter Bedeutung. Der Vorgang zeigt, wie schwer sichdas Nachkriegsdeutschland über Jahrzehnte mit diesengrausamen Verbrechen von 13 Jahren Hitler-Deutsch-land getan hat. Das ist für mich auch deswegen wichtig,weil wir wissen, dass die aktuellen Vorgänge, die in denletzten Wochen ans Tageslicht kamen, damit etwas zutun haben. Die neue politische Rechte – ich meine damit dieRechtsradikalen –, die in den letzten Jahren mit terroris-tischer Gewalt vorgegangen ist, beschäftigt uns auchdeswegen, weil es im Einzelplan 07 im Kapitel 07 08den Titel 681 01, Härteleistungen für Opfer extremisti-scher Übergriffe, gibt. Ich sage mit einem kritischen Un-terton dazu, dass diese Härteleistungen 2010 auf Betrei-ben der Union gegen die Meinung von Sozialdemo-kdhadkwfamMgüIcDsrarawtiDwWwnhdsGhsshtiWdMkrigzslaMdfü
Warum war das falsch? Ich muss dazu sagen, Frauinisterin, bei aller Wertschätzung: Ich fand Ihre heuti-en Ausführungen zu der gegenwärtigen Diskussionber die Gewalt im Land nicht akzentuiert genug.
h habe nicht verstanden, wieso Sie die schrecklicheomäne des Rechtsradikalismus und der extremisti-chen Gewalt heute nicht mehr und prononcierter he-usgestellt haben.In der Tat gibt es auch andere Formen, nämlich links-dikale Gewalt. Es gibt natürlich auch islamistische Ge-alt im Land, die an keiner Stelle und von keiner Frak-on kleingeredet wird. Aber dass die öffentlicheiskussion und auch das Geschehen extremistischer Ge-alt im letzten Jahrzehnt durch eine grausame Art undeise von der rechtsradikalen Dimension beherrschtird, kann, bei Licht besehen, auch in dieser Diskussionicht geleugnet werden.Deswegen setze ich mich dafür ein – auch beim Haus-alt 2013; ich denke, auch mit Unterstützung manch an-erer Fraktionen und ganz ohne Ideologie –, die Ent-chädigungsleistungen für die Opfer von rechtsradikalerewalt wieder in einem eigenen Titel aufzuführen. Dasat politisch mehr als nur einen Symbolcharakter.
In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinwei-en, dass dieser Titel für Opferleistungen bisher einenehr schlechten Abfluss hat. Frau Ministerin, Sie werdeneute in der Frankfurter Rundschau unter anderem zi-ert, dass es im letzten Jahr nur 96 Anträge dazu gab.eiterhin werden Sie zitiert, dass Sie jetzt daran denken,iesen Titel für Entschädigungsleistungen für diejenigenenschen zu nutzen, die durch die Ermittlungen be-annt geworden und Opfer sind.Ich muss Ihnen Folgendes zugutehalten: Das Ministe-um hat versucht, auch mit den Opferverbänden eineute Kommunikation aufzubauen. Aber dass eine Viel-ahl von Gewaltübergriffen aus dem rechtsextremisti-chen Lager gegen Menschen – nicht nur in Ostdeutsch-nd, sondern in ganz Deutschland, auch bei mir inünchen und sonst wo – bekannt ist und dass wir trotz-em nicht in der Lage waren, entsprechende Leistungenr Opfer auszureichen, macht mich in vielerlei Hinsicht
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16844 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011
Ewald Schurer
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nachdenklich. Da ist irgendwo in der Kommunikationnoch nicht das nötige Maß an Offenheit vorhanden.Ich sage auch dazu – das ist für mich der entschei-dende Punkt –: Wir brauchen uns hier nicht gegenseitigzu überzeugen, dass Gewalt in jeder Form mit Präven-tionsmaßnahmen bekämpft werden muss. Aber wir brau-chen für die jetzige Situation einen gesamtgesellschaftli-chen Konsens über alle Fraktionsgrenzen hinweg. Aufdie einzigartige Herausforderung des Lächerlichma-chens des Rechtsstaates, gerade aus rechtsradikalenKreisen, nach dem Motto: „Mit eurer Toleranz gehen wirso um, wie wir damit umgehen wollen, nämlich indemwir mit Verbrechen auf diesen Rechtsstaat antworten undindem wir Menschen konspirativ und aus der Tiefe desRaums gezielt töten“, kann man – das muss man als Haus-hälter hier einmal gesellschaftspolitisch intonieren – nurmit einem Höchstmaß an Entschlossenheit antworten.Die Szene, die ich meine, nimmt sehr wohl äußerstsensibel zur Kenntnis, wie weit wir in der Lage sind, miteinem Minimalkonsens zu sagen: Da kann nur noch einhohes Maß an Konsequenz und entsprechender Durch-schlagskraft des Rechtsstaates helfen. Das muss poli-tisch von der Bundesregierung als Erstes intoniert wer-den. Frau Ministerin, die Dominanz rechtsradikalerGewalt muss öffentlich geächtet werden. Wir müssendarüber nachdenken – vom NPD-Verbot bis hin zu ande-ren geeigneten Maßnahmen –, wie wir künftig der Ver-höhnung der Opfer – denken wir an die Aufmachung imInternet – wie auch der Gewalt gegen Menschen wirk-sam begegnen können, und zwar nicht irgendwann, son-dern sofort. Das muss demokratischer Konsens sein.Auch der Herr Innenminister hat hier eine große Verant-wortung.
Zum Schluss möchte ich sagen: Wichtig ist mir eineBildungsoffensive. Es ist sicherlich wichtig, dass es Poli-zeieinheiten gibt, die wirksam öffentliche Räume wiederangstfrei machen, sodass sich die Menschen bewegenkönnen. Aber noch wichtiger ist – ganz zum Schluss –eine Bildungsoffensive über alle Ländergrenzen hinweg,die die grausame Dimension des sogenannten DrittenReiches klarmacht und die grausame Ableitung der heu-tigen rechtsradikalen Szene aufzeigt. Nur mit offenenMaßnahmen der Bildung werden wir schon im Vorfeldpädagogisch in der Lage sein, die Menschen zu erreichen– laut Sozialforschung beträgt ihr Anteil bundesweit fast15 Prozent –, die rechtsradikale Anwandlungen zumin-dest teilweise für hoffähig halten oder rassistischen Struk-turen geistig etwas nähertreten. Wir alle haben die großeAufgabe, diesem Teil der Gesellschaft eine entschlosseneHaltung entgegenzusetzen. Dazu sollte auch der Einzel-plan 07 beitragen.Herzlichen Dank.
Ich weiß, ich wiederhole mich. Ich sage es trotzdem
noch einmal: Die Ankündigung des Schlusses der Rede
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reich des justiziellen Ausgleichs eine solche Unterschei-dung nicht treffen. Ich erkenne kein Bedürfnis dafür.
Es ist völlig in Ordnung, dass wir zum Punkt Entschä-digung sagen: Wir wollen diese Mittel bereitstellen. Wirhatten zunächst vor, den Ansatz abzusenken, einfach des-wegen, weil in den zurückliegenden Jahren wenig Mittelabgeflossen sind. 2010 waren es 8 000 Euro. 2011 sind,soweit ich sehe, bislang noch keine Mittel abgeflossen.Unter dem Eindruck der Erkenntnisse der letzten Tageund Wochen werden wir mit dem Änderungsantrag, derIhnen vorliegt, den Ansatz wieder auf 1 Million Euro,also wie im laufenden Haushalt 2011, erhöhen. Wir mei-nen, dass diese Anhebung angemessen ist und ausrei-chend sein wird.Ich möchte noch ein paar Worte zum Thema Sicher-heitsarchitektur sagen. Auch das gehört in diesen Be-reich. Wir ertüchtigen das Ministerium, weitere Aufga-ben zu erfüllen, weil wir der Meinung sind, dass esAufgabe des Justizministeriums ist, die Demokratie undden Rechtsstaat mit geeigneten und wirksamen rechts-staatlichen Mitteln zu verteidigen. Zu klären, welcheMittel geeignet und notwendig und möglich sind, das istgerade vor dem Hintergrund der Debatte des heutigenVormittags eine Aufgabe. Deswegen wollen wir dasMinisterium in diesem Bereich etwas stärken.Ich möchte mich noch einmal bei Ihnen allen für dieMitarbeit bedanken. Ich freue mich auf die weitere Zu-sammenarbeit.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Jens Petermann für die
Fraktion Die Linke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damenund Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Dieheutige Debatte über die Haushalte des Bundesjustiz-ministeriums und des Bundesverfassungsgerichts für2012 führen wir denknotwendig im Lichte einer Bilanznach zwei Jahren schwarz-gelber Rechtspolitik. Da se-hen wir leider nicht viel Glanz, dafür umso mehr Schat-ten.Es fällt auf, dass Bundesregierung und Bundesjustiz-ministerium immer wieder Gesetze auf den Weg brin-gen, die zur Überprüfung beim Bundesverfassungsge-richt landen und dort allzu häufig kassiert werdenmüssen. Das Bundesverfassungsgericht muss also im-mer wieder aufs Neue die Suppe auslöffeln, die ihm einean Privatinteressen oder konservativen Ideologien orien-tierte Lobbypolitik einbrockt.Es agiert dabei übrigens ausgesprochen unaufgeregtund erstaunlicherweise ohne sich über zu wenig Personaloder Ausstattung zu beklagen. Stattdessen scheint es denVmDsinMreenknslijä1wDsreszessdfüeBPgritrzlewfrWtewpdsnzbsb
ittlerweile ist es Usus, dass in Normenkontrollverfah-n die Parlamentarier zu den Terminen nach Karlsruheingeladen werden, um sich die Hinweise der Richterin-en und Richter anzuhören. Das sollte uns allen zu den-en geben, natürlich besonders den Regierungsfraktio-en.
Mit einem Etat von 29,95 Millionen Euro – das ent-pricht 0,000098 Prozent des Gesamtetats von 306 Mil-arden Euro – muss am Bundesverfassungsgericht einhrliches Aufkommen von 6 500 Verfahren durch die6 Richterinnen und Richter bewältigt werden. Lang-ierige Prozesse sind da leider an der Tagesordnung.ieser Umstand führte übrigens in der Vergangenheitchon öfter zu Verurteilungen wegen überlanger Verfah-nsdauer vor dem Europäischen Gerichtshof für Men-chenrechte und für die Betroffenen zu Entschädigungs-ahlungen.Da ist normalerweise der Ruf nach mehr Personal undinem dritten Senat unvermeidlich. Das Bundesverfas-ungsgericht hat sich aber für eine andere Strategie ent-chieden: Es bestellt die Politikerinnen und Politiker zuen Verhandlungen ein, um sie an ihre Verantwortungr die Verabschiedung verfassungsgemäßer Gesetze ininem transparenten Verfahren zu erinnern; ein aktuelleseispiel ist das Verfahren zum Euro-Rettungsschirm. Inerson des Präsidenten Voßkuhle schlägt es vor, eine so-enannte Querulantengebühr zu erheben, um die Bürge-nnen und Bürger von mutmaßlich aussichtslosen An-ägen abzuhalten. Den Abgeordneten ein paar Hinweiseu ihrer Arbeitsweise zu geben, halten wir durchaus fürgitim; die Erhebung einer Eintrittsgebühr indes lehnenir als unsozial und unter Gerechtigkeitsaspekten alsagwürdig ab.
ir sind da übrigens einer Meinung mit der Frau Minis-rin.Falls die Koalition aber weiterhin an ihrer verfassungs-idrigen Gesetzgebung festhält, zeichnet sich eine Kraft-robe zwischen der Regierungskoalition und dem Bun-esverfassungsgericht ab. Wer dann am längeren Hebelitzt, wird sich zeigen. Die Linke wird jedenfalls nichtachlassen, diese Missstände zu kritisieren und qualifi-ierte Vorschläge im Gesetzgebungsverfahren zu unter-reiten.
Der immer wieder zu hörende Ruf nach einer Ver-chlankung der Justiz indes ist fatal. Eine schlanke Justizietet nämlich keine Gewähr für eine gute Justiz; das
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Jens Petermann
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Gegenteil ist der Fall. Nur wenn die Gerichte ordentlichausgestattet sind und das Personal seiner Verantwortungentsprechend entlohnt wird, kann die Justiz ihrer grund-gesetzlichen Verpflichtung zur Gewährung von Rechts-schutz auf Dauer gerecht werden. Die bundesrechtlichenRahmenbedingungen dafür müssen dringend verbessertwerden.
Die rechtsprechende Gewalt und gerade das Bundes-verfassungsgericht haben im Rahmen der Gewaltentei-lung eine zentrale Bedeutung. Umso wichtiger ist diewirkliche Unabhängigkeit der Rechtsprechung von denanderen Gewalten. Die Richterinnen und Richter werdenin einem Verfahren gewählt und befördert, bei dem ne-ben der fachlichen Qualifikation auch die parteipoliti-sche Ausrichtung von Bedeutung ist. Das ist vor demHintergrund der Kontrollfunktion gegenüber den beidenanderen Gewalten problematisch und bedarf gerade imKontext der europäischen Entwicklung einer weiterenDemokratisierung.Zu guter Letzt, Frau Ministerin, möchte ich Ihnennoch eine Bitte ans Herz legen, die sicherlich von Mil-lionen von Demokratinnen und Demokraten in diesemLand mitgetragen wird: Setzen Sie sich dafür ein, dassNazi-Gegner nicht weiter kriminalisiert werden
und dass insbesondere die skandalösen Strafverfahrengegen die Fraktionsvorsitzenden Willi van Ooyen, BodoRamelow und André Hahn unverzüglich eingestellt wer-den.
Setzen Sie Ihren liberalen Einfluss dafür ein, dass dieVerfassungsschutzämter nie wieder Neonazi-Strukturendurch Einsatz von Spitzeln finanzieren und einer solchmonströsen Mordserie, wie sie gerade ans Tageslicht ge-kommen ist, Vorschub leisten. Setzen Sie sich insbeson-dere für den sofortigen Abzug aller V-Leute aus derrechten Szene ein, dies auch, damit Sie mit einem NPD-Verbotsverfahren nicht wieder scheitern. Das würde si-cherlich auch das Bundesverfassungsgericht erfreuen.Die Linksfraktion wird Sie dabei unterstützen.Ich danke Ihnen. – Punktlandung!
Ich würdige ausdrücklich die Punktlandung, was die
Einhaltung der Redezeit betrifft. – Das Wort hat der Kol-
lege Alexander Funk für die Unionsfraktion.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!Als wir vor einigen Wochen in erster Lesung den Justiz-etat beraten haben, bei den Berichterstattergesprächenund auch in der Bereinigungssitzung des Haushaltaus-schusses, konnte niemand von uns ahnen, welche Aktua-lität einzelne Titel des Einzelplans 07 plötzlich gewin-nGdnsRamriMnukDhSzPnJtr3ddwWAdhgsaEdkbFaacPissAMufuwmZre
Ich erspare es uns, den Justizhaushalt im Detail vor-ustellen. Aber ich möchte einmal mehr das Deutscheatent- und Markenamt in München einschließlich sei-er Berliner Außenstelle lobend hervorheben. Wenn derustizetat sich wiederum zu einem großen Teil selbstägt, dann ist das diesem Amt zu verdanken. Rund03 Millionen Euro Einnahmen werden allein 2012 voner Isar an die Spree fließen.Aber so wichtig dieser Betrag auch ist, entscheiden-er ist, dass das Deutsche Patent- und Markenamt ganzesentlich zur Wettbewerbsfähigkeit der deutschenirtschaft beiträgt.Im Folgenden beschränke ich mich auf einige wenigespekte, die meines Erachtens von Bedeutung sind undie Politik der Regierungskoalition verdeutlichen. Wiraben mit ihnen ganz bewusst unübersehbare Akzenteesetzt.An erster Stelle nenne ich die Unterstützung der Deut-chen Stiftung für internationale rechtliche Zusammen-rbeit, die wir um 500 000 Euro auf nun 4,3 Millionenuro angehoben haben. Damit soll, wie es im Amts-eutsch heißt, Beratungshilfe für den Aufbau von Demo-ratie und Marktwirtschaft geleistet werden. Was ver-irgt sich dahinter? Ich hatte das Stichwort arabischerrühling bereits genannt. Wer dieser Tage die Berichteus der ägyptischen Hauptstadt Kairo sieht, muss sichber fragen, ob dieser Frühling tatsächlich bereits gesi-hert ist. Die Auseinandersetzungen auf dem Tahrir-latz lassen eher Schlimmes befürchten. Umso wichtigert die Arbeit der IRZ, die dazu beiträgt, das demokrati-che Fundament in Ägypten zu festigen.Es geht dabei um die Ausbildung von ägyptischennwälten, indem sie unter anderem mit internationalenenschenrechtsabkommen, Abkommen zu bürgerlichennd politischen Rechten, mit Programmen zur Bekämp-ng der Diskriminierung oder zur Einführung und Ge-ährleistung gewerkschaftlicher Freiheiten vertraut ge-acht werden. Dasselbe gilt für Tunesien und Libyen.umindest in Tunesien sollen 2012 ähnliche Programmealisiert werden, außerdem in Jordanien. Ohne Rechts-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011 16847
Alexander Funk
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staatlichkeit kann es keine Demokratie geben. Wer denDemokratiebewegungen im arabischen Raum angesichtsder aktuellen Gefährdungen eine Chance geben will,muss gleichzeitig dazu beitragen, rechtsstaatliche Grund-sätze durchzusetzen. Deshalb kann die Tätigkeit der IRZgar nicht hoch genug eingeschätzt werden.Ein weiteres Thema, das uns unter den Nägeln brennt,ist das des Rechtsextremismus bzw. Rechtsterrorismus.In dem Entwurf für den Justizetat war seitens der Regie-rung noch eine Ausgabenminderung von 1 Million Eurofür den Ansatz beim Generalbundesanwalt vorgesehen.Diese Kürzung haben wir kräftig abmildern können, unddarüber bin ich außerordentlich froh.Wir haben bei den Beratungen der vergangenen Wo-chen nicht einmal andeutungsweise ahnen können, wel-che Dimensionen der Rechtsterrorismus teilweise ange-nommen hat. Die Aufdeckung der terroristischen ZelleNationalsozialistischer Untergrund, NSU, bedeutet fürden Generalbundesanwalt erhebliche Mehrarbeit; denngerade ihm kommt bei der Aufklärung rechtsextremisti-scher Gewalttaten bzw. bei der Bekämpfung des Rechts-terrorismus eine herausragende Stellung zu. Soweit es inunserer Macht steht, müssen wir als Abgeordnete ihn da-rin unterstützen.Ich warne allerdings davor, die Gefahren des Terroris-mus nun nur noch auf der rechtsextremistischen Seite zusehen, auch wenn die veröffentlichte Meinung ein sol-ches Bild zeichnet.
Wer jetzt dem Verfassungsschutz pauschal unterstellt, ertrage Mitverantwortung für die Verbrechen des NSU,macht es sich ungeachtet aller heute bereits erkennbarenund völlig unverständlichen Pannen und Versäumnissezu leicht. So bequem es auch sein mag, einen Prügelkna-ben gefunden zu haben: Terrorismus hat in diesem Landgenerell keinen Platz, egal wie er begründet wird.
In diesem Zusammenhang möchte ich einige wenigeWorte zum sogenannten Opferfonds verlieren. Ange-sichts der unvorstellbaren rechtsextremistisch motivier-ten Morde und weiterer brutaler Gewalttaten, deren Aus-maß leider erst jetzt nach und nach bekannt wird, ist esin noch größerem Maße als bisher notwendig, Opferndieser Übergriffe und ihren Hinterbliebenen aus humani-tären Gründen Hilfe zukommen zu lassen. Daher belas-sen wir diesen Titel bei dem, was im vergangenen Jahrveranschlagt war: bei 1 Million Euro. Damit setzen wirauch ein deutliches Zeichen für die Ächtung solcher Ta-ten in unserer Gesellschaft.Aber auch hier gilt nach meiner Überzeugung, dassHärteleistungen den Opfern von Links- wie von Rechts-extremisten zustehen. Ich bin nicht bereit, eineZwei-Klassen-Opfer-Gesellschaft entstehen zu lassenoder sie gar zu fördern.fedlidSWvsledwndaddHnKliDKdegdhssisPhfabeweD7rabtiwgsgsgdinbti
Wenn einigen Institutionen in diesem Land vorgewor-n wird – ob zu Recht oder zu Unrecht –, sie seien iner Vergangenheit auf einem Auge, dem rechten näm-ch, blind gewesen, kann das nicht durch Blindheit aufem linken Auge kompensiert werden. Wichtiger ist es,trategien zu entwickeln, die den Extremismus an derurzel packen und sein Entstehen bereits im Vorfelderhindern. Dies ist eine Aufgabe für die gesamte Ge-ellschaft. Dies erfordert aber auch die Wachsamkeit al-r und nicht zuletzt – hier spreche ich die Länder an –ie Bereitschaft, alte Zöpfe abzuschneiden. Als Stich-ort mögen hier die 16 Ämter für Verfassungsschutz ge-ügen, die, wie sich gezeigt hat, oft genug nebeneinan-erher arbeiten.Prävention ist das Gebot der Stunde und eine Dauer-ufgabe. Es gibt durchaus Bereiche, in denen wir Erfolgamit haben, so bei der normalen Kriminalität. Aucheshalb haben wir eine Verpflichtungsermächtigung inöhe von 1,5 Millionen Euro in den Haushalt aufge-ommen. Damit wird die Errichtung eines Lehrstuhls fürriminalprävention an der Universität Tübingen ermög-cht und seine Finanzierung vorerst bis 2017 gesichert.er Lehrstuhl wird eng mit dem Deutschen Forum fürriminalprävention, dem Bundesinnenministerium undem Bundesjustizministerium verknüpft. Die Forschungs-rgebnisse werden in die sicherheitspolitischen Erwä-ungen der Bundesregierung einbezogen, und sie wer-en wesentlichen Einfluss auf ihre Präventionsstrategienaben.Prävention und Aufklärung sind auch die vorherr-chenden Elemente des Projekts Dunkelfeld, das mir be-onders am Herzen liegt. Da unsere Zeit so schnelllebigt, darf ich daran erinnern, dass es sich hierbei um einräventionsprojekt der renommierten Berliner Charitéandelt, das sich mit dem Missbrauch von Kindern be-sst. Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge habenis zu 1 Prozent der Männer auf Kinder gerichtete sexu-lle Fantasien. Das bedeutet, dass bei ihnen eine teil-eise oder ausschließliche sexuelle Neigung im Sinneiner Pädophilie vorliegt. Demnach fühlen sich ineutschland circa 250 000 Männer zwischen 18 und5 Jahren sexuell zu Kindern hingezogen. Ziel der The-pie im Rahmen des Projekts Dunkelfeld ist es, Pro-leme im Umgang mit der sexuellen Neigung zu bewäl-gen. Erste Schritte haben wir finanzieren können. Wirerden diesen Weg weitergehen.Es gilt aber: Was verharmlosend als „Kinderporno-rafie“ bezeichnet wird, wird im öffentlichen Bewusst-ein im Hinblick auf die Traumatisierung der Opfer nochar nicht adäquat wahrgenommen. Hier sollten und müs-en wir bereit sein, die notwendigen Mittel zur Verfü-ung zu stellen; denn bei den Opfern handelt es sich umie Schwächsten unserer Gesellschaft: um Kinder.Wenn ich einmal vom DPMA absehe, habe ich Ihnen den zurückliegenden Minuten ausschließlich Pro-lemfelder aufgezeigt, die uns alle bedrücken. Der Jus-zetat ist zwar einer der kleinsten Etats, aber auch einer
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16848 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011
Alexander Funk
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der wichtigsten. Das zeigen die genannten Beispiele. Eingeordnetes und harmonisches gesellschaftliches Mitei-nander kann es nur dann geben, wenn Rechtsstaatlich-keit garantiert ist.
Dafür sind auch wir Abgeordnete verantwortlich. Ichbitte Sie, durch Zustimmung zu dem vorliegenden Ent-wurf Ihren Beitrag dazu zu leisten.
Vielen Dank, Kollege Alexander Funk. – Nächste
Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist un-
sere Kollegin Ingrid Hönlinger. Bitte schön, Frau Kolle-
gin Hönlinger.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Frau Ministerin! Der Rechtsterrorismus in Deutschlandist eine Bedrohung; er ist eine konkrete Bedrohung. Erfordert uns alle heraus, alle Demokraten. Wir lassen aberunsere demokratische Wertehaltung nicht durch dieschrecklichen Ereignisse infrage stellen. Es ist gut, dasshier alle demokratischen Parteien eindeutig und klarPosition bezogen haben. Dieses Thema ist unser allerThema.
Die Frage, ob Opfer rechtsextremistischer Gewalthätten vermieden werden können, können wir anhandder bisherigen lückenhaften Aufklärung nicht eindeutigfeststellen. Auch in einem Wahlkreis, den ich betreue, isteiner der Anschläge passiert: die Tötung der Polizistin inHeilbronn, die mich tief betroffen gemacht hat und be-troffen macht. Eines ist klar: Wir können rechtsextremis-tische Angriffe nicht vermeiden, indem wir das Problemignorieren. Meine Damen und Herren, rechtsextremisti-sche Angriffe sind nicht bloß Teil genereller extremisti-scher Angriffe; sie haben eine ganz eigene Dimension.Das Justizressort, über dessen Haushalt wir heute de-battieren, hat wichtige Möglichkeiten zum Einfluss aufPolitik und Gesellschaft. Es kann und muss gesellschaft-liche Entwicklungen aufnehmen. Es muss dabei aberauch seine Schutzfunktion aktiv wahrnehmen. DieseBundesregierung hat leider kurz nach ihrem Amtsantrittdie „Härteleistungen für Opfer rechtsextremistischerÜbergriffe“ in „Härteleistungen für Opfer extremisti-scher Übergriffe“ umbenannt.
Wenn wir uns anschauen, wie sich die Anträge aufdiese Leistungen verteilen, stellen wir fest: Von Januar2010 bis Juli dieses Jahres stellten sechs Opfer sonstigerextremistischer Straftaten einen Antrag auf Härteleistun-gen beim Bundesamt für Justiz. Im gleichen Zeitraumgab es aber 134 Opfer rechtsextremistischer Gewalt, dieeinen solchen Antrag stellten. Die Zahlen sprechen alsoeine andere Sprache als die, die uns der Titel suggerierenwSUWbtetudHdzsDd–vMleImMtegdMtimuleAsW–hGDihfüWsdeWin
ir sollten an dieser Stelle Klarheit schaffen und zumisherigen Haushaltstitel zurückkehren; denn dieser Ti-l beinhaltet eine klare Botschaft, die lautet: Härteleis-ngen an Opfer rechtsextremistischer Übergriffe.Nun wollte die Bundesregierung im Haushaltsplan füras kommende Jahr auch noch das Budget für diesenaushaltstitel mit der Begründung um die Hälfte kürzen,iese Leistungen würden nicht abgerufen. Diese Kür-ung soll nun doch nicht erfolgen. Und das ist auch guto; denn man muss sich fragen, welches Signal für dieemokraten, aber auch für die Rechtsextremisten voner Kürzung ausgegangen wäre.Es gibt aber noch weitere Defizite im Justizressortdarauf habe ich schon in meiner letzten Haushaltsredeor einigen Monaten hingewiesen –: Sehr geehrte Frauinisterin, ich muss leider feststellen, dass sich in dentzten Monaten nichts, aber auch gar nichts bewegt hat.mer wieder führt der Europäische Gerichtshof fürenschenrechte in Straßburg Deutschland in seinen Ur-ilen vor. Was macht die Bundesregierung? Nichts. Eseschieht einfach nichts. Ein gutes Beispiel hierfür istas Sorgerecht für Kinder, deren Väter nicht mit derenüttern verheiratet sind. Trotz Ankündigung von Koali-onsseite geschieht seit jetzt zwei Jahren nichts. Hierüssen Sie endlich Nägel mit Köpfen machen.
Die Untätigkeit dieser Regierung zeigt sich auch beimnzureichenden Schutz von Whistleblowern. Ein Whist-blower-Schutzgesetz wird international gefordert. Dientwort auf unsere Kleine Anfrage zeigt aber, dass Sieich noch nicht einmal entschieden haben, ob Sie denhistleblower-Schutz stärken wollen oder nicht. Das ist auch angesichts des Urteils des Europäischen Gerichts-ofs für Menschenrechte – nicht hinnehmbar.
Wir Grünen haben inzwischen gehandelt und einenesetzentwurf zum Whistleblower-Schutz formuliert.iesen haben wir ins Internet gestellt. Wir diskutierenn mit den Bürgerinnen und Bürgern. Nächste Wochehren wir ein öffentliches Fachgespräch zum Themahistleblowing durch. Damit beteiligen wir die Men-chen noch stärker am demokratischen Meinungsbil-ungsprozess. Auch Sie auf der Regierungsbank solltenndlich aktiv werden. Ich würde hier am liebsten diehistleblowerin für die Regierung spielen und ganz laut diese Pfeife hier in meiner Hand blasen.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011 16849
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Vielen Dank. – Gut, Frau Kollegin, dass Sie es nichtgemacht haben, weil dann der Präsident eingeschrittenwäre.Die nächste Rednerin ist für die Bundesregierung FrauBundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.Bitte schön, Frau Bundesministerin.Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-ministerin der Justiz:Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-nen und Kollegen! Ich bedanke mich zunächst für diewirklich sehr guten und sehr intensiven Gespräche mitden Haushaltsberichterstattern aller Fraktionen. DieseBerichterstatter haben eine große Offenheit für die Fra-gen, die sich zum Haushalt des Justizministeriums stel-len.Darüber hinaus haben wir gemeinsam nach Wegengesucht – auch mit dem jeweiligen Versuch der Kom-pensation im eigenen Haushalt –, Schwerpunkte zu set-zen; sie sind von Ihnen schon angesprochen worden. Ne-ben dem Haushalt, der vorwiegend ein Personalhaushaltist – er setzt sehr klare Akzente bei der Innovation undStärkung der Wettbewerbsfähigkeit –, gibt es noch ei-nige wichtige politische Bereiche, die auch dank desEinsatzes der Berichterstatter immer wieder im Mittel-punkt der Beratungen stehen. Ich bedanke mich sehrherzlich für den Haushalt, so wie er sich jetzt nach derBereinigungssitzung darstellt.Ich kann manche Kritik, die hier geäußert wurde,überhaupt nicht nachvollziehen. In dieser Legislatur-periode ist aus meinem Haus als federführendem Ressortkein verfassungswidriges Gesetz eingebracht worden.Ich habe eine Entscheidung des Bundesverfassungsge-richts, gerade was überlange Gerichtsverfahren angeht,seit Jahren angemahnt – zehn Jahre lang ist unter denVorgängerregierungen nichts passiert – und aufgegriffen.Der entsprechende Gesetzentwurf wurde hier im Bun-destag verabschiedet, und auch der Bundesrat hat zuge-stimmt. Wir haben die Schwachstellen beseitigt, die sichdadurch ergeben haben, dass man in früheren Regierun-gen jahrelang einen falschen Weg beschritten hat, zumBeispiel den der Untätigkeitsklage.
Gerade weil wir den Weg gehen müssen, nicht nurhier im Bundestag ein Gesetz zu verabschieden, sondernauch die Anliegen der Länder zu berücksichtigen, sindüberlange Gerichtsverfahren, die Belastungen der Bür-gerinnen und Bürger und die Verweigerung des Rechts-schutzes ganz entscheidende Themen.Ein zweiter wichtiger Bereich ist das Thema Siche-rungsverwahrung. Das Bundesverfassungsgericht hat imMai dieses Jahres eine Entscheidung getroffen, die imKern darauf beruht, dass in den Bundesländern die An-forderungen an eine Unterbringung in Sicherungsver-wahrung, wie sie im Abstandsgebot vorgeschrieben ist,seit Jahren nicht beachtet werden.sBrewridnaRtrggnIcdRbD–dd–ddfäuaaHdHvmwmnd
Herr Petermann, ich werde Ihrer Aufforderung nichtachkommen und zur Telefonjustiz greifen.
h werde nicht mal eben anrufen und sagen: Bitte, erle-igt gewisse Verfahren richtig. – Wir kritisieren zuecht, dass das in anderen Ländern der Fall ist. Wir ha-en uns intensiv damit beschäftigt und meinen deshalb:as ist nicht der richtige Weg.
Herr Bockhahn, ich sollte mich darum kümmern, dassie Verfahren – das haben, glaube ich, alle so verstan-en – schleunigst eingestellt werden.
Dass das in der Hand der Gerichte liegt, zeigt doch,ass wir in Deutschland eine Gewaltenteilung haben,ass Exekutive und Judikative getrennt sind.
Wenn einem eine Entscheidung im Ergebnis nicht ge-llt, dann kann man das mit aller gebotenen Vorsichtnd sehr wohl mit Recht kritisieren. Das hat man sowohlls Abgeordneter als auch als engagierte Bürgerin bzw.ls engagierter Bürger unserer Zivilgesellschaft in derand. Ich glaube nicht, dass das die Aufgabe der Bun-esministerin der Justiz ist.Wir haben, auch dank Ihrer Unterstützung, die Magnus-irschfeld-Stiftung mit 10 Millionen Euro ausgestattet,on denen 5 Millionen Euro aus Haushaltsresten kom-en. Sie wurde in diesem Jahr – das ist wichtig und not-endig, damit wir keine Sonderentscheidungen treffenüssen – eingerichtet; der Vorstand ist bestellt. Imächsten Jahr wird die erste Kuratoriumssitzung stattfin-en – dort werden wir uns zum Teil wiedertreffen –, bei
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16850 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011
Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
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der man sich mit der Umsetzung der in der Satzung vor-gegebenen Aufgaben intensiv zu beschäftigen habenwird.In der Koalitionsvereinbarung gibt es natürlich auchsolche Themen, die bisher nicht umgesetzt worden sind.Lassen Sie mich deshalb zum Schluss meiner Rede kurzdas Mietrecht erwähnen. Wir haben den Ländern einenEntwurf vorgelegt. Sie sollen sich einbringen. Das ist einnormales Verfahren, wenn ein Referentenentwurf konzi-piert ist und in die Beratung kommen soll. Das ist unserBeitrag zur energetischen Sanierung und deren Berück-sichtigung im Mietrecht, und zwar unter angemessenerBerücksichtigung der Anliegen der Mieter und Vermie-ter. Wir wollen Anreize zur energetischen Sanierung ge-ben, mit Duldungspflicht für eine begrenzte Zeit. Aberwir wollen, wenn es zu Sanierungen kommt, keine Be-lastungen der Mieter, die nicht auch unmittelbar zur Ent-lastung an anderer Stelle führen. Ich denke, dass hier einausgewogener Vorschlag auf den Weg gebracht wordenist. So, wie wir es bei den 30 Gesetzen, die in diesemHaus in der ersten Hälfte dieser Legislaturperiode untermeiner Federführung verabschiedet worden sind, gehal-ten haben, werden wir es auch in den nächsten zwei Jah-ren halten.Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Bundesministerin. – Nächster Red-
ner für die Fraktion der Sozialdemokraten ist unser Kol-
lege Burkhard Lischka. Bitte schön, Kollege Lischka.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! FrauMinisterin, wenn man Sie hier so reden hört,
könnte man meinen, die Rechtspolitik in unserem Landsei derzeit eine einzigartige Erfolgsgeschichte.
– Warten Sie einmal ab. Es kommen noch mehr Stellen,an denen Sie klatschen können. – Das hat mit der Reali-tät natürlich überhaupt nichts zu tun. Gerade die Rechts-politik liefert im Augenblick im Wochentakt Beispieledafür, dass es in dieser Bundesregierung drunter unddrüber geht. Frau Ministerin, das stellen Sie schon garnicht mehr in Abrede. Sie haben beispielsweise vor eini-gen Wochen dem Tagesspiegel ein Interview gegeben, indem Sie wörtlich gesagt haben – ich darf zitieren –:Manche Zurufe aus der Union tragen nicht eben zueinem guten Koalitionsklima bei, denken Sie nur anden Stil der Auseinandersetzung in der Innen- undRechtspolitik.Recht haben Sie, Frau Ministerin; aber dann versu-chen Sie hier auch nicht permanent, den Eindruck einereIhaJFswIhAzFlimriegdpTmkEBwüLPdGfrswsgvdracdaThaVdim
Vor elf Wochen haben wir das erste Mal über diesenustizhaushalt hier im Deutschen Bundestag debattiert.rau Ministerin, allein in den vergangenen elf Wochenind Sie auf so manches Fettnäpfchen zugesteuert. Ichill Ihnen einmal drei Beispiele nennen.Fettnäpfchen Nummer eins war vor wenigen Wochenr Versuch, einen Parteifreund, Herrn Schmalzl, in dasmt des Generalbundesanwalts zu hieven. Er verfügtwar über keinerlei strafrechtliche Erfahrung, aber er istDP-Mitglied, und das war in Ihren Augen offensicht-ch ausreichend für dieses herausragende Amt. Sie sindit diesem Personalvorschlag gescheitert. Frau Ministe-n, es ist gut, dass in diesen wirklich schwierigen Tagenin erfahrener Strafjurist die wichtigste Strafverfol-ungsbehörde unseres Landes leitet und nicht jemand,er sich vorher mit Ortsumgehungen und Luftreinhalte-länen beschäftigt hat.
Fettnäpfchen Nummer zwei – Sie haben dieseshema eben elegant gestreift – ist Ihr wirklich vollkom-en unsinniger Streit mit den Bundesländern über dieünftige Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung.
r ist ärgerlich, weil der Schutz unserer Bürgerinnen undürger vor gefährlichsten Gewalt- und Sexualstraftäternahrscheinlich das wichtigste rechtspolitische Themaberhaupt ist. Auch Ihre Wählerinnen und Wähler, Fraueutheusser-Schnarrenberger, erwarten von uns, von derolitik, übrigens auch von der Bundesjustizministerin,ass Menschen, bei denen man mit weiteren schwerstenewalt- und Sexualstraftaten rechnen muss, nicht aufeiem Fuß herumlaufen. Das ist eigentlich selbstver-tändlich, für Sie aber möglicherweise nicht. Jedenfallseigern Sie sich bis zum heutigen Tage, eine verfas-ungskonforme Regelung auch im Hinblick auf diejeni-en psychisch gestörten Gewalt- und Sexualstraftäterorzulegen, bei denen sich die Gefährlichkeit erst nacher Verurteilung, nämlich im Verlauf der Strafhaft, he-usstellt. Wurde eine Sicherungsverwahrung bei sol-hen Tätern nicht angeordnet oder vorbehalten, müsseniese künftig entlassen werden. Ich halte das für unver-ntwortlich, Frau Ministerin.Die Justizministerkonferenz hat Sie erst vor wenigenagen, und zwar parteiübergreifend, mit großer Mehr-eit nochmals aufgefordert, endlich eine Regelung zu er-rbeiten, um die drohende Schutzlücke zu schließen.on Ihnen kam nur der Kommentar, dass es eine hun-ertprozentige Sicherheit nicht gebe und ein Restrisikomer vorhanden sei.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011 16851
Burkhard Lischka
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Ich halte das für zynisch, Frau Ministerin. Natürlichkann der Staat, auch wenn er alle rechtlichen Möglich-keiten ausschöpft, nie für einen hundertprozentigenSchutz garantieren. Die Tatsache, dass ein Restrisiko im-mer vorhanden ist, kann doch aber nicht bedeuten, dasssich der Staat gar nicht erst die Mühe macht, diese Mög-lichkeiten auszuschöpfen.
Die Menschen erwarten zu Recht von der Bundesjus-tizministerin, dass sie nicht nur blockiert und nicht nurbelehrende Referate über die Rechtspolitik hält, sondernsich ernsthaft und energisch darum bemüht, in verfas-sungskonformer Weise für den bestmöglichen Schutzunserer Bevölkerung zu sorgen. Das sind wir nicht zu-letzt den Opfern von Gewalt- und Sexualdelikten schul-dig. Ich weiß, an dieser Stelle würden eigentlich auchSie von der CDU/CSU gerne klatschen. Ich sehe es Ih-nen nach, wenn Sie das im Augenblick nicht machen.
Fettnäpfchen Nummer drei, Frau Ministerin: die De-batte über die Staatstrojaner. Als vor wenigen Wochender Chaos Computer Club offengelegt hat, dass die ent-sprechende Software teilweise rechtswidrig eingesetztwurde, haben Sie Forderungen nach einer klaren gesetz-lichen Grundlage zunächst einmal wahlweise als absurdoder abstrus bezeichnet. Als dann der Bundesinnen-minister ebenfalls keinen gesetzgeberischen Handlungs-bedarf sah, drehten Sie eine Pirouette und haben auf ein-mal einheitliche gesetzliche Regelungen gefordert. Wasdenn nun, Frau Ministerin? Das ist wirklich ein schönesChaos in dieser Bundesregierung. Sie tragen einen er-heblichen Teil der Verantwortung dafür. Eine erfolgrei-che Rechtspolitik, Frau Leutheusser-Schnarrenberger,sieht jedenfalls anders aus.Das waren nur drei Beispiele. Nach dem sogenanntenThree-Strikes-Modell bedeuten drei Verfehlungen im In-ternet, dass man aus demselben herausfliegt. Auf Sieübertragen bedeutet das, Sie müssten jetzt eigentlich auf-hören. Das wäre das Beste. Sie aber werden weiter-wurschteln, und das ist nicht gut, weder für die Rechts-politik noch für unser Land.
Vielen Dank, Kollege Burkhard Lischka. – Jetzt hat
für die Fraktion der CDU/CSU unsere Kollegin Andrea
Voßhoff das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin Andrea
Voßhoff.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollegin-nen und Kollegen! Herr Kollege Lischka, Sie erwähntenvorhin die erste Lesung des Haushaltsgesetzes von vorelf Wochen. Da haben Sie das Bild einer Baustelle be-müht, was die Rechtspolitik der Koalition betrifft; sie seimarode. Heute benutzen Sie das Wort „Fettnäpfchen“.Herr Kollege Lischka, schauen Sie sich einmal an, wasahrefaskgasswKedmzdfedhsssresnnindmkDtagfuIcdwMnv–wfaJmSledre
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16852 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011
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Ich begrüße es sehr, dass der Generalbundesanwaltdie Ermittlungen zu den Vorgängen an sich gezogen hat.Wir sollten ihn diese Aufklärungsarbeit in Ruhe und mitSorgfalt tun lassen. Ich begrüße es auch und bedankemich beim Bundesinnenminister und bei der Bundesjus-tizministerin, dass sie gemeinsam mit den Länderminis-tern schnell gehandelt und eine gemeinsame Koordinie-rung der Aufklärung in Angriff genommen haben.Wir sollten uns davor hüten, mit vorschnellen Schuld-zuweisungen aufzuwarten und sie für parteipolitischeTaktiken zu nutzen. Deshalb bedauere ich manche Wort-beiträge von heute Vormittag. Es ist wieder deutlich ge-worden – das muss man einmal klarstellen dürfen; das istvon meinen Kollegen, etwa vom Kollegen Funke, teil-weise schon gesagt worden –: Dass wir im Justizministe-rium den Fonds für Opfer extremistischer Gewalt unddamit sowohl für Opfer rechtsextremistischer als auchfür Opfer linksextremistischer Gewalt eingeführt haben,hat überhaupt nichts mit einer Relativierung von rechts-extremen Taten zu tun – in keiner Weise, Herr KollegeMontag! Es geht uns um die Gleichbehandlung der Op-fer.
Dem Opfer ist es egal, ob es der Springerstiefel oder derSkinhead war. Es geht überhaupt nicht um die Relativie-rung rechtsextremer Gewalttaten. Das war nie die Inten-tion. Die Argumentation von Ihnen an dieser Stelle ist,so darf ich sagen, unsäglich und nicht in Ordnung.
Wir brauchen eine vollständige und transparente Auf-klärung der Vorgänge. Erst dann sollten wir darüber dis-kutieren, welche Rückschlüsse wir daraus ziehen. Ichstimme meinen innenpolitischen Fachkollegen zu, wennsie grundsätzlich an dem Einsatz von V-Leuten festhal-ten. Aber man muss sich auch fragen dürfen, wie wirdiesen Einsatz künftig gestalten sollten. Ich – viele derKollegen sicherlich auch – habe noch Fragen zum Sinndes Einsatzes von V-Leuten in der rechtsextremenSzene. Ich halte es deshalb für verfehlt, jetzt vorschnellVorschläge zu präsentieren und Schnellschüsse zu for-dern. Das ist weder hilfreich noch dient es der Aufklä-rung.
Wir müssen uns, wenn die Aufklärung geleistet ist,fragen, welche rechtspolitischen Folgerungen wir nebenden innenpolitischen Konsequenzen ziehen können undwollen, wenn die Sachverhalte aufgeklärt sind. Das wer-den wir – ich denke, wir werden im Rechtsausschuss Ge-legenheit haben, darüber zu sprechen – je nach Erkennt-nisstand in ordnungsgemäßer Weise tun. Dass dieBundesjustizministerin schon jetzt – auch das ist heutethematisiert worden – die Opfer der rechtsterroristischenStraftaten aus dem Haushalt des BMJ, aus dem Opfer-fonds, entschädigt, ist nicht nur zu begrüßen, sondern,Frau Ministerin, dabei haben Sie unsere volle Unterstüt-zung.leGdsAreTMrofüIcEE–urühInbdkdhswVTzeArudsuTsJteIcdagbnHuu
ber da es ja im Rahmen der Aufklärungsarbeit auch da-m geht, Verbindungen aufzudecken und Hintermänneringfest zu machen, erwarte ich, dass wir über dieses In-trument zumindest sachlich diskutieren und schauen, obnd inwieweit durch dieses Instrument künftig solcheaten verhindert werden können.
Ich hatte einen zweiten Punkt genannt – dies ist auchchon vom Kollegen Lischka angesprochen worden –:a, es ist richtig, wir haben mittlerweile einen Referen-nentwurf zur Neuordnung der Sicherungsverwahrung.h bin der Justizministerin und den Ländern dankbar,ie in zielführenden Sitzungen schnell und klug – wirlle wissen, dass wir unter Zeitdruck stehen –
emeinsam Regelungen zur Umsetzung des Abstandsge-ots gefunden haben. Da liegen wir gut in der Zeit.Auch wir von der Union – das darf ich durchaus beto-en – sehen in dem von Ihnen angesprochenen Punkt,err Lischka, noch Beratungs- und Klärungsbedarf. Wirnterstützen die Forderung der Justizminister der Ländernd sagen: Wenn uns das Verfassungsgericht jetzt diese
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011 16853
Andrea Astrid Voßhoff
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Möglichkeit bezüglich der nachträglichen Sicherheits-verwahrung gibt, die wir mit der damals noch unter Rot-Grün konstruierten Regelung nicht umsetzen konnten,dann sollten wir sie nutzen und ausschöpfen. Das wer-den wir in den Beratungen zu thematisieren haben.
An der Stelle sieht die Union die Justizminister auf demrichtigen Weg. Wir werden es auch in der Koalition the-matisieren.Leider bleibt mir für den dritten Punkt, den ich nochansprechen möchte, nicht mehr in ausreichendem MaßeZeit; das ist bedauerlich, weil wir Rechtspolitiker hier imParlament eigentlich viel zu wenig über europäischeRechtsetzungsvorhaben diskutieren.
Mir ist es nämlich ein Anliegen, auf den Vorschlagder Europäischen Kommission zum EU-Kaufrecht hin-zuweisen. Wir hatten dazu gestern eine sehr informativeund aufschlussreiche Anhörung. Hier, meine Damen undHerren, sollten die Rechtspolitiker, ähnlich wie wir esauch bei der Euro-Krise machen, ihre Kompetenz ein-bringen und wir als nationales Parlament Verantwortungwahrnehmen. Wir sind hier gemeinsam im Gespräch.Wir sagen: Es gibt für dieses Vorhaben keine geeigneteKompetenzgrundlage der Europäischen Union. Wir sinddeshalb miteinander im Gespräch, ob wir in dieser Frageeine Subsidiaritätsrüge erheben. Darüber freue ich mich.Ich hoffe, es gelingt auch. Ich denke, hier haben wir alsnationales Parlament aus vielerlei Gründen, die ich jetztnicht mehr vortragen kann, eine entsprechende Verant-wortung.Ich darf mich bei Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit be-danken.
Vielen Dank, Frau Kollegin Andrea Voßhoff. – Jetzt
für die Fraktion Die Linke unser Kollege Steffen
Bockhahn. Bitte schön, Kollege Steffen Bockhahn.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Frau Ministerin, ich muss zugeben: Ich habeheute schon zwei Enttäuschungen von Ihnen erlebt. Dashatte ich sehr lange nicht.
– Da muss keiner Mitleid haben. – Ich habe Sie immerfür eine Linksliberale und für eine Verteidigerin der Bür-gerrechte gehalten. Aber Ihre Rede heute Morgen hatdiesen Glauben bei mir zugegebenermaßen schwer er-schüttert.
Dass Sie eben in Ihrer Rede den Kollegen Petermannaus meiner Fraktion entweder bewusst missverstehenwfüIhgERdMumnsDamjeSvgFNddZ1gbdpOzgwSintuTteBinSgwAickeDresKg
r hat aber sehr wohl gesagt – wie ich finde: völlig zuecht –, dass man von einer Justizministerin erwartenarf, dass sie sich dazu positioniert, ob es richtig ist, dassenschen, die sich friedlich für Demokratie, Freiheitnd Toleranz einsetzen, auch auf Anti-Nazi-Demos, kri-inalisiert werden. Dazu hat er von Ihnen eine Stellung-ahme verlangt, und die sind Sie schuldig geblieben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben heutechon viel über die Opfer des rechtsextremen Terrors ineutschland gesprochen. Die Ministerin hat auch schonuf die Möglichkeit der Entschädigung durch das Justiz-inisterium hingewiesen. Die Mittel des Fonds werdentzt wieder auf 1 Million Euro erhöht, und das ist gut so.chlecht ist der Mittelabfluss aus diesem Fonds. Dies haterschiedene Ursachen.In diesem Jahr ist de facto noch so gut wie kein einzi-er Cent aus dem Fonds abgerufen worden, bzw. deronds ist nach wie vor mit 1 Million Euro prall gefüllt.un könnte man sagen: Das ist eine gute Nachricht, weilas Geld nicht erforderlich ist. – Das ist natürlich nichtie Wahrheit. Erstaunlich ist aber die insgesamt niedrigeahl der Anträge; wir reden über jeweils etwa 85 bis20 Anträge in den letzten drei Jahren. Die Bewilli-ungsquote war immer relativ hoch; etwa zwei Drittelnis drei Vierteln der Anträge wurde stattgegeben. Aberie Auszahlungen gestalten sich wegen der Beweis-flicht aufseiten der Opfer – sie müssen nachweisen,pfer einer extremistischen Straftat geworden zu sein –iemlich schwierig, und die Auszahlungssummen, dieezahlt werden, sind eher gering.Das Problem ist dabei vor allen Dingen die Frage,ann eine Straftat tatsächlich eine politisch motiviertetraftat ist. Das hat insbesondere mit den Statistiken, die der Bundesrepublik Deutschland geführt werden, zun; auch dies war heute Vormittag schon mehrfachhema. Insofern ist es gut, dass der Bundesinnenminis-r schon da ist; denn das betrifft natürlich auch seinenereich ganz massiv.Es steht also die Frage im Raum: Wann ist eine Straftat der Statistik der Bundesregierung eine rechtsextremetraftat? Die Linksfraktion hat dazu eine Große Anfrageestellt. Am 27. September dieses Jahres gab es die Ant-ort; zum Nachlesen: Bundestagsdrucksache 17/7161.uf Seite 21 stehen die wirklich relevanten Dinge, dieh für Sie wie folgt übersetzen möchte: Wenn ein offen-undiger Nazi ein paar Mal Bier im Späti geklaut hat, istr ein Ladendieb im Bereich der Allgemeinkriminalität.as ist natürlich logisch; denn Bier zu klauen ist keinechtsextreme Straftat. Wenn dieser Nazi dann aber einechwere Straftat im Bereich der politisch motiviertenriminalität begeht, zum Beispiel, indem er einen Mi-ranten zusammenschlägt, dann taucht er in der Statistik
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16854 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011
Steffen Bockhahn
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nicht als politisch motivierter Straftäter auf; denn in Ih-rer Statistik ist er schon als Allgemeinkrimineller festge-halten.
Das heißt also, dass das Opfer dieses Nazis zwar auspolitischen Gründen von dem Nazi zusammengeschla-gen wurde, dass es aber in Ihrer Statistik kein Opfer ei-ner politisch motivierten Straftat ist, weil es laut IhrerStatistik schon das Opfer eines Allgemeinstraftäters ist.Damit entgeht dem Opfer aber auch die Möglichkeit,Leistungen aus dem Härtefallfonds zu beziehen.Was brauchen Sie eigentlich noch, um eine rechts-extreme Straftat auch als eine solche zu erkennen? Mussdenn der Täter wirklich in der einen Hand die Waffe hal-ten und mit der anderen eine Hakenkreuzfahne schwen-ken? Das kann doch nicht Ihre Absicht sein.
Wir brauchen endlich eine ehrliche Statistik und opfer-freundlichere Auszahlungskriterien für den Fonds.Das Ausmaß rechter Gewalt in Deutschland ist er-schreckend, und es tritt jeden Tag ein Stück mehr zutage.Wir alle wollen, dass die Opfer und auch ihre Angehöri-gen unterstützt werden. Es geht natürlich nicht nur umdie Angehörigen von Todesopfern. Es gibt so viele Ver-letzte, und auch denen stehen Hilfeleistungen zu.Deswegen beantragt die Fraktion Die Linke die Auf-stockung des Fonds nicht nur auf 1 Million Euro, son-dern auf 3 Millionen Euro. Wir fürchten, dass auch dasnoch immer zu wenig wäre, aber ich denke, es wäre einSchritt in die richtige Richtung.
Vor allem brauchen wir aber natürlich eine neue Richtli-nie für die Auszahlung aus diesem Fonds.Lassen Sie mich noch kurz zu einem zweiten Themakommen, das ich ausdrücklich, meine Damen und Her-ren, nicht in einen Sinnzusammenhang stelle:In den vergangenen Jahren wurden große Anstren-gungen unternommen, um die Geschichte des Auswärti-gen Amtes während der NS-Diktatur aufzuarbeiten.Zweifelsfrei wurden im Justizministerium schon einigeVorarbeiten in diesem Bereich geleistet, aber eine unab-hängige Untersuchung der Rolle des Justizministeriumsin der NS-Zeit liegt bis heute nicht vor. Sie wäre aberwichtig, weil wir alle wissen, dass die Justiz in der Zeiteine unrühmliche Rolle spielte.
Eine Konferenz ist für 2012 vorgesehen. Das ist gut,aber leider nicht genug. Seien wir konsequent und stel-len wir die Mittel bereit, um nun objektiv und wissen-schaftlich die Geschichte des Justizministeriums in derZeit der NS-Diktatur aufzuarbeiten. Eine stärkere Initia-tive des Hauses dazu wäre wünschenswert. Das Gleiche–dsKSabWSucvisPbgwunwgdtimnhtedbrudübgdli
nd nicht die Wiedereinführung der Vorratsdatenspei-herung in Deutschland betreiben, die ja vom Bundes-erfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt wordent.
Frau Ministerin, wir haben Sie daneben auch für Ihreosition hinsichtlich der Sicherungsverwahrung zu lo-en. Ich will das hier für uns Grüne ganz eindeutig sa-en: Die Abschaffung der nachträglichen Sicherungsver-ahrung zum 1. Januar 2011 war richtig, bleibt richtig,nd es ist richtig, dass Sie sich dagegen wehren, dass dieachträgliche Sicherungsverwahrung durch die Hintertürieder eingeführt werden soll.Herr Kollege Lischka, zur Position, die Sie vorgetra-en haben: Die Interessen und Ängste der Länder sowieie Probleme, die es dort gibt, erkenne ich an, die disku-ere ich auch nicht weg; aber es geht nicht an, dass demit dem Vorschlag begegnet wird, selbst für Entlasseneachträglich noch irgendeine Form der Freiheitsentzie-ung vorzusehen. Das ist der Vorschlag der Justizminis-rkonferenz. So geht es nicht. Frau Ministerin, auch iniesem Punkt haben Sie also unsere Zustimmung. Wirleiben dabei: Keine nachträgliche Sicherungsverwah-ng durch den Bund!Ansonsten haben wir aber festzustellen: Gegenüberer Situation im September 2011, als wir schon einmalber den Haushalt und die Rechtspolitik gesprochen ha-en, hat sich nicht viel geändert. Es gab viele Ankündi-ungen, aber das meiste, was angekündigt ist, wird iner Koalition entweder auf Eis gelegt oder bleibt im völ-gen Streit hängen.
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Jerzy Montag
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Ich nenne einige Beispiele: Die Beseitigung von In-ternetsperren ist eigentlich eine Leichtigkeit, aber immernoch nicht aus dem Gesetz gestrichen. Das sogenannteRote-Linien-Gesetz hätte aufgrund von Google StreetView eine große Bedeutung. Ein Entwurf wurde ange-kündigt, bisher aber nicht vorgelegt. Hinsichtlich derKostenfallen im Internet wurden Regelungen angekün-digt, aber nichts vorgelegt. Die bisherige Regelung zurunerlaubten Telefonwerbung hat sich als nicht durch-griffsstark erwiesen. Sie haben angekündigt, nachzubes-sern. Wir warten da auf Ihre Vorschläge.Zum Abmahnwesen ist im Zweiten Korb des Urhe-berrechts etwas geschehen. Diese Maßnahme hat sich alsnicht schlagkräftig erwiesen. Die Ministerin schlägt vor,einen Gesetzentwurf vorzulegen. Bisher liegt nur einervon den Linken vor.Der Gesetzentwurf zum Arbeitnehmerdatenschutzwird wohl in dieser Legislaturperiode nicht mehr bear-beitet.Zur Korruptionsbekämpfung legen Sie nichts vor. DieKoalition weigert sich, zum Thema Abgeordnetenbeste-chung irgendetwas vorzulegen.
Selbst das kleine Gesetz zur Stärkung der Pressefrei-heit wird im Rechtsausschuss von einer Sitzung zurnächsten geschoben und ist immer noch nicht im Bun-desgesetzblatt. Das ist die Situation der schwarz-gelbenRechtspolitik in dieser Zeit.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will noch aufein anderes Thema zu sprechen kommen. Ich hatte inden letzten zwei Wochen Anlass, darüber nachzudenken,was uns in diesem Parlament eint und was uns trennt. Esist nicht alltäglich, vom Bundeskriminalamt die Bestäti-gung zu bekommen, dass der eigene Name auf der Listeeiner rechtsterroristischen Gruppe steht, die 14 Jahrelang unerkannt in Deutschland bombte, raubte und mor-dete, einer Liste mit 88 Einträgen – die Zahl 88 steht beiden Rechtsradikalen für „Heil Hitler!“ –, zusammen mitdem Namen des Kollegen Dr. Uhl von der CSU.Es beschäftigt mich weiterhin: Was eint uns und wastrennt uns in diesem Hause?Was uns trennt, sind unsere politischen Programme,unsere politischen Grundüberzeugungen, die politischeAuseinandersetzung, die im demokratischen Diskursnotwendig ist.Wir sollten aber mehr darauf achten, zu zeigen, wasuns eint. Wir haben das heute Vormittag in der Debatteüber den Rechtsradikalismus und den rechten Terror ver-sucht. Uns eint die Trauer um die Opfer. Uns einen dieScham und der Zorn über das Ausmaß dieser blutigen,rechtsterroristischen Taten. Was uns eint, ist auch dieAussage, die im letzten Absatz unseres Entschließungs-antrages vom heutigen Tag steht, nämlich der erste Satzunseres Grundgesetzes:Die Würde des Menschen ist unantastbar.gsaoPüEsteTdz5hSrubDBtisDwIcudEoro
ber die Tatsache unterhalten können, dass im Titel desntschädigungsfonds das Wort „rechtsextremistisch“ ge-trichen worden ist. Die Opferperspektive ist klar. Dieseile ich. Aber das Streichen dieses Begriffes aus demitel war ein Signal, im Nachhinein ein falsches Signal.
Denken Sie an mein Signal.
Letzter Satz. – Ich würde gerne mit Ihnen auch über
en Kofinanzierungsschlüssel reden. Warum lautet er 10
u 90 bei Projekten gegen Linksradikalismus und 50 zu
0 bei Projekten gegen Rechtsradikalismus?
Ein anderer Punkt ist die Extremismusklausel. Ich
abe sie mir heute Nachmittag angeschaut. Sie ist in der
ache nicht begründet, sondern sie beinhaltet die Forde-
ng nach einem Kotau der Leute, bevor sie Geld für
ürgerschaftliches Engagement gegen rechts bekommen.
as können wir gemeinsam nicht wollen. Ich bitte Sie:
edenken Sie das noch einmal!
Vielen Dank, Kollege Jerzy Montag. – Für die Frak-
on der FDP unser Kollege Christian Ahrendt. Bitte
chön, Kollege Ahrendt.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrtenamen und Herren! Herr Kollege Montag, ich teile das,as Sie eben zur Debatte heute Morgen gesagt haben.h will aber einen Aspekt herausgreifen, den ich andersnterstreichen möchte.Ich halte es für richtig, dass aus dem Haushaltstiteler Begriff „rechtsextremistisch“ gestrichen worden ist.s kann am Ende des Tages keinen Unterschied machen,b jemand Opfer islamistischen, rechten oder linken Ter-rs geworden ist. Opfer ist Opfer,
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Christian Ahrendt
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und wenn jemand Opfer extremistischen Terrors ist,dann hat er auch Anspruch darauf, entschädigt zu wer-den. Das sollten wir im Titel des Fonds deutlich machen.
In erster Linie möchte ich aber zur Rechtspolitik spre-chen. Ich wende mich ganz bewusst an die Ministerinund an die Kollegen der Koalition. Wenn ich die Debatteverfolge, dann darf ich sagen: Mit dieser Koalition istGlanz in die Rechtspolitik zurückgekehrt.
Zu den Debattenbeiträgen der Kollegen aus der Opposi-tion kann ich nur feststellen: Hier ist nicht viel kritisiertworden. Unsere Ergebnisse können sich nämlich sehenlassen.Wir haben § 522 ZPO geändert und damit den Rechts-schutz für die Bürgerinnen und Bürger, die bis zum BGHhin ihr Recht verfolgen wollen, verbessert.Wir haben – die Ministerin hat es gesagt – denRechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren verbes-sert. Auch das ist ein wesentlicher Fortschritt, den wirerzielt haben.
Wir haben das Gesetz zur Erleichterung der Sanie-rung von Unternehmen auf den Weg gebracht. Die Op-position konnte sich sozusagen nur schamvoll enthalten,weil ihr die Zustimmung nicht möglich war. So viel An-erkennung wollte sie nicht leisten.Diese Rechtspolitik hat einen Paradigmenwechselherbeigeführt, und da gibt es, wie heute deutlich wurde,nicht viel, was die Opposition kritisieren kann.
Das Schlimme, meine Kolleginnen und Kollegen ausder Opposition, ist: Es geht so weiter.Das Zugangserschwerungsgesetz, Herr Kollege Montag,steht nächste Woche auf der Tagesordnung des Rechts-ausschusses. Wir haben uns geeinigt.Wir werden in der nächsten Woche im Rechtsaus-schuss einen weiteren Meilenstein bei der Mediation be-streiten. Der Kollege Sensburg und ich sind da rechtweit. Wir haben auch mit dem Justizministerium einenüberzeugenden Weg eingeschlagen. Er ist überzeugend,weil wir die außergerichtliche Mediation stärken wollen– das haben wir auch deutlich in den Gesetzestext hi-neingeschrieben –, aber gleichzeitig genauso das stärkenwollen, was die Richter im Bereich der Mediation leis-ten; das ist nämlich gut. Wir wollen es nur als Güterich-termodell ausgestalten. Auch das ist vernünftig. Damitdie Menschen, die ein Mediationsverfahren zur Streit-strandwmagfesEtesRtiDretiLLGbwBGIccdshisdOwimsz
h möchte das gerne an zwei oder drei Themen festma-hen.Die Aufarbeitung der widerlichen Nazi-Morde warringend notwendig. Die Begleitumstände dieser Mordetanden zu Recht heute im Vordergrund. Ich persönlichalte es für besonders wichtig, dass es endlich gelungent, die Opfer und ihre Angehörigen von dem Stigma, dasie ganze Zeit an ihnen gehaftet hat, zu befreien, dass diepfer in ein kriminelles Milieu verwickelt wären. Dasar ja zum Teil der Vorwurf. Man hat im Mafiamilieu, Schutzgeldmilieu und wer weiß wo ermittelt. Es hatich herausgestellt, dass der Vorwurf, mit dem die Opferusätzlich belegt wurden, unhaltbar ist. Sie haben nun
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Christine Lambrecht
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endlich Gerechtigkeit erfahren. Deswegen fand ich dieDebatte heute Morgen sehr angemessen.
Was mindestens genauso angemessen ist – FrauVoßhoff, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie das angespro-chen haben –, ist die lückenlose Aufklärung. Dieser He-rausforderung müssen wir uns stellen; denn das, was dazutage tritt, ist unfassbar. Wir stehen da, schütteln zumTeil verwundert den Kopf und fragen uns, wie es mög-lich sein kann, dass ein Durchsuchungsbeschluss, derauch noch erfolgreich durchgeführt wird, nicht zu einemHaftbefehl führt, und wie es möglich ist, danach nochunterzutauchen. Die ganzen Begleitumstände müssenaufgeklärt werden.Anhand eines Punktes, den ich jetzt anspreche, willich einmal testen, ob die Rechtspolitik tatsächlich so ein-heitlich ist, wie Sie, Herr Ahrendt, es eben dargestellthaben; ich bin da sehr gespannt. Uns wurde ja in zahlrei-chen Sitzungen dargelegt, wie schwierig es ist, die Hin-tergründe aufzuklären und aufzuzeigen, wer im Umfelddieser Täter agierte, wer ihnen zugearbeitet und wer sieunterstützt hat. Dazu wäre es notwendig, die entspre-chenden Rückschlüsse aus Daten zu ziehen. Ich will garnicht auf die peinliche Diskussion eingehen, dass wir inDeutschland mittlerweile wegen der Nichtumsetzung derEU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung ein Vertrags-strafenverfahren an der Backe haben und die Bundesre-gierung auf europäischer Ebene in diesem Bereich nichtseinbringen kann: Weil sie nämlich keine einheitlicherechtspolitische Position hat, kann sie in Brüssel nichtverhandeln. Das ist aber nicht mein Thema.Was ich wirklich unerträglich finde, Frau Ministerin– ich bitte deshalb Sie und Herrn Montag, es sich nichtganz so einfach zu machen, sondern einmal darübernachzudenken –, ist, dass das BKA, als es im Rahmender Aufklärung dieser Morde bei verschiedenen Provi-dern anfragte, welche Telefonverbindungen es gegebenhat, völlig unterschiedliche Reaktionen bekam: Von ei-nem Provider erhielt das BKA eine Antwort, weil er dieDaten zwei Wochen speichert, der andere Provider sagteüberhaupt nichts, ein dritter Provider gab an, die Datennoch länger zu speichern. Das heißt, ob und wie langeTelefonverbindungsdaten in diesem Land gespeichertwerden, entscheidet nicht das Parlament, das entschei-den nicht wir als Gesetzgeber, sondern das entscheidenprivate Unternehmen. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Ichhalte das rechtsstaatlich für unerträglich.
Es geht nicht, dass in einem Rechtsstaat Unternehmendarüber entscheiden, weil sich die Ministerin und dieRechtspolitik – ich weiß nicht, ob alle damit gemeintsind – wegducken, weil sie keine einheitliche Positionfinden.Herr Montag, Sie haben gesagt, das Bundesverfas-sungsgericht hätte das verboten.–DgnuLacmWaWmekacmnaAteewnIneredogWrera
Es kam aber ein bisschen so herüber.
as Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich nichtesagt, dass Vorratsdatenspeicherung in diesem Landicht möglich sei, sondern es hat gesagt, dass diese nurnter ganz engen Voraussetzungen möglich sei.
assen Sie uns doch diese engen Voraussetzungen genaunschauen, damit die Aufklärung von solchen widerli-hen Morden und Straftaten – auf wesentliche Straftatenuss sie beschränkt sein – möglich wird.
ir als SPD bieten Ihnen eine konstruktive Zusammen-rbeit an.
ir haben das bei der Sicherungsverwahrung auch ge-acht. Ich bin nicht hier, um nur zu kritisieren. Das istin bisschen zu einfach. Dafür gibt es zu viele Möglich-eiten. Ich bin auch hier, um Ihnen die Zusammenarbeitnzubieten.Lassen Sie mich noch ein weiteres Thema anspre-hen; denn die Redezeit ist heute sehr begrenzt.
Sie haben die Chance, die Redezeit zu verlängern.
Ich würde jetzt gern zu einem anderen Thema kom-en, das mir mindestens genauso wichtig ist. Ich binämlich gespannt, ob die Rechtspolitik der Koalitionuch bei diesem Thema einheitlich aufgestellt ist.Wir warten seit langer Zeit auf eine Aussage, wie dieusgestaltung der elterlichen Sorge von nicht verheira-ten Eltern aussehen soll. Frau Kollegin Hönlinger hats angemahnt, völlig zu Recht. Dieser Aufgabe solltenir uns stellen. Das ist keine einfache Frage, das isticht einfach zu klären; denn es stoßen unterschiedlicheteressen aufeinander. Es ist positiv zu vermerken, dasss immer mehr Väter gibt, die ihrer Verantwortung ge-cht werden wollen. Diese wollen natürlich ihre Rechteurchsetzen. Deswegen sollten wir uns genau überlegen,b es nicht Sinn macht, Eltern dazu zu bringen, eine Re-elung zu treffen, wie die elterliche Sorge aussehen soll.ir sollten sie auch darüber aufklären, was diese Sorge-gelung beinhaltet. Bei zwei Dritteln aller nicht Verhei-teten gelingt das ja auch. Für diejenigen, bei denen das
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Christine Lambrecht
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nicht gelingt, weil sie zerstritten sind, muss es ein vorge-lagertes Verfahren beim Jugendamt geben. Dabei stelltsich die Frage, was passieren soll: Muss der Vater einenAntrag stellen, oder muss die Mutter widersprechen?Das ist das große Dilemma, vor dem wir stehen.Vielleicht sollten wir uns bewegen und darüber nach-denken, ob es auch ohne Antrag oder Widerspruch geht,damit niemand unter Zugzwang gesetzt wird. Vielleichtsollte nach einem gescheiterten Verfahren vor dem Ju-gendamt automatisch das Familiengericht eine Entschei-dung über die elterliche Sorge treffen, sodass weder Vä-ter noch Mütter über Gebühr belastet werden.
Ich möchte Sie bitten, über einen solchen Vorschlageinmal nachzudenken. Auch da bieten wir Ihnen einekonstruktive Zusammenarbeit an. Denn ich glaube, es istnicht mehr erträglich, dass wir nicht in der Lage sind,hier eine Regelung zu finden, auch wenn das eineschwierige Materie ist. Es ist auch nicht ausreichend,dass wir nur darauf zurückblicken, dass uns das Bundes-verfassungsgericht diese Antragslösung, die niemandenrichtig glücklich macht, mit auf den Weg gegeben hat.Ich finde, auch in dieser Frage stehen wir als Rechtspoli-tiker in der Verantwortung.Ich bin auf den Glanz der Rechtspolitik gespannt. Wirwarten schon lange darauf, dass er kommen möge. Viel-leicht kommt er in den nächsten Tagen, nachdem dieseZusammenarbeit von Ihnen, Herr Ahrendt, geradezubeschworen wurde.Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Das Wort zu einer Kurzintervention hat unser Kollege
Dr. Konstantin von Notz. Bitte schön, Kollege von Notz.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Kollegin
Lambrecht, eine ganz kurze, knackige Frage, die Sie
vielleicht auch ganz kurz und ohne lange Ausführungen
beantworten können: Ist die SPD-Fraktion bzw. die SPD
als Partei für die Vorratsdatenspeicherung und für die
nachträgliche Sicherungsverwahrung? So kam das näm-
lich herüber.
Das Wort zu einer Antwort hat Frau Kollegin
Christine Lambrecht. Bitte schön.
Herr von Notz, ich kann Ihnen ganz kurz und knapp sa-
gen, dass die SPD-Fraktion eine abgestimmte Position
hat, die besagt: Wir können uns eine Vorratsdatenspeiche-
rung unter den ganz engen Voraussetzungen, die das Bun-
desverfassungsgericht uns vorgegeben hat, vorstellen.
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Herr von Notz, ich bin durchaus mit einer entsprechen-
en Prokura ausgestattet, diese Position hier zu vertre-
n.
Das Bundesverfassungsgericht hat uns deutliche Vor-
aben gegeben: Beschränkung auf schwerste Straftaten,
efährdung von Leben, sexueller Selbstbestimmung und
örperlicher Unversehrtheit sowie Richtervorbehalt. Bei
erufsgeheimnisträgern soll es Ausnahmen geben. Ich
ann Ihnen den kompletten Katalog zusenden. Dazu gibt
s ein ganz ausführliches Positionspapier, das zwischen
en Rechts-, den Innen- und den Netzpolitikern der
PD-Bundestagsfraktion abgestimmt ist. Ich lasse Ihnen
as gerne zukommen.
Vielleicht machen wir das später. Dann kann ich Ihre
nderen Fragen auch noch beantworten.
Jetzt wird es ein seltsamer Dialog, der ohne Mikrofon
eitergeführt wird. Das ist eine moderne Art des Parla-
entarismus.
ielen Dank an die beiden Kollegen.
Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU/
SU unser Kollege Norbert Geis das Wort. Bitte schön,
ollege Norbert Geis.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Ich glaube schon, dass die Koalition bis jetztervorragendes in der Rechtspolitik geleistet hat. Es istwar erst ein wenig mehr als die Hälfte der Legislatur-eriode vorüber, aber es sind bereits 30 Gesetze verab-chiedet worden, wie die Frau Justizministerin erklärtat. Das hatte in der Vergangenheit nicht jede Koalitionufzuweisen, jedenfalls nicht in einem solchen Zeitraum.Außerdem glaube ich, dass eine große Übereinstim-ung in der Koalition besteht. Natürlich gibt es auchnterschiede. Das hängt auch damit zusammen, dass wir
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Norbert Geis
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unterschiedliche Parteien sind und deshalb in manchenFragen unterschiedliche Auffassungen haben. Da müs-sen wir uns noch zusammenraufen. Im Interesse der Sa-che werden wir uns auch noch zusammenfinden.Ich möchte mich dafür bedanken, dass im Rechtsaus-schuss über Jahre hinweg – ich bin schon lange genugMitglied dieses Ausschusses – immer eine kollegiale, of-fene Atmosphäre vorherrscht und dass wir gegensätzli-che Meinungen offen und ohne Polemik diskutieren kön-nen. Das ist nicht in allen Ausschüssen der Fall.Deswegen, so meine ich, sollte dies bei dieser Gelegen-heit einmal gesagt werden. Man sollte sich auch dafürbedanken.
Das Thema Rechtsextremismus hat heute natürlichVorrang. Auch die Rechtspolitik ist damit behaftet. Ichmöchte dieses Thema unter rechtspolitischen Gesichts-punkten aufgreifen und die Fragen aufwerfen: Erstens.Reicht das, was vorliegt, für eine Klage aus? Zweitens.Wie ist es um den Einsatz von V-Leuten bestellt? Drit-tens. Ist eine Klage entgegen dem Urteil von 2003 mög-lich, obwohl V-Leute eingesetzt wurden? Ich möchte mitder Beantwortung dieser Fragen beginnen, bevor ich aufandere Themen zu sprechen komme.Der Innenminister hat erklärt, dass er die NPD füreine verfassungswidrige, eine für unsere rechtsstaatlicheOrdnung gefährliche Partei hält. In der Tat hat die NPDstarke Verknüpfungen mit neonazistischen Kreisen. Siebietet ihnen eine Plattform, von der immer wieder neo-nazistische Aktivitäten ausgehen, welche zu starken Un-ruhen führen. Das ist vielleicht schon ein Hinweis da-rauf, dass hier eine Belastung der NPD vorliegt, dieGründe dafür liefert, eine entsprechende Klage einzurei-chen.Der Innenminister lässt die entsprechenden Fragenprüfen. Er tut recht daran; denn es besteht die Gefahr– das wurde heute schon erwähnt –, dass es dann, wenneine Klage erneut scheitert, unter Umständen zu einerStärkung des rechtsextremistischen Bereichs kommt.Das muss nicht, kann aber so sein. Das ist zu bedenken,wenn darüber zu entscheiden ist, ob es sinnvoll und er-folgversprechend ist, eine solche Klage einzureichen.Wenn eine solche Klage scheitert, finden rechtsextremis-tische Kreise sozusagen neue Munition und entfaltenAktivitäten, die unter Umständen von der Bevölkerungeher geduldet werden, weil der Bannstrahl der Verfas-sungswidrigkeit dann nicht gegeben ist. Das alles ist sehrwohl zu prüfen.Wie ist es um den Einsatz von V-Leuten bestellt?Kann man im Rahmen des Verfassungsschutzes V-Leuteüberhaupt einsetzen? Das war zu allen Zeiten der Fall.Natürlich kann man V-Leute einsetzen. Das tun alle de-mokratischen Länder, und das ist auch unter allen Re-gierungen bei uns der Fall gewesen. Der Einsatz vonV-Leuten ist nach dem Urteil aller Fachleute unver-zichtbar. Auf ihren Einsatz können und dürfen wirnicht verzichten.
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16860 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011
Norbert Geis
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Ein weiterer Punkt, den ich noch ansprechen wollte– das darf ich vielleicht noch ausführen –, ist die Proble-matik der Datenspeicherung. Auch hier müssen wir unszusammenraufen. Auch hier gibt es ein verfassungsge-richtliches Urteil. Hier müssen wir – das ist heute nochnicht gesagt worden – die EU-Richtlinie mit bedenken,die uns vorschreibt, Vorratsdatenspeicherung zu betrei-ben, um zu einer vernünftigen Verbrechensbekämpfungzu kommen. Ich bin der Meinung, dass wir hier so baldwie möglich im Interesse der Verbrechensbekämpfungeine Einigung finden müssen.Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Kollege Norbert Geis. – Jetzt für die
Fraktion der CDU/CSU unser Kollege Professor
Dr. Patrick Sensburg. Bitte schön, Kollege Professor
Sensburg.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Lassen Sie mich an erster Stelle der Bundes-justizministerin für einen exzellenten Einzelplan und fürdie konstruktiven Gespräche der letzten Wochen danken.Lassen Sie mich auch den Haushältern und den Rechts-politikern danken, und zwar dafür, dass gemeinsam andiesem Haushalt gearbeitet werden konnte – in konstruk-tiver Stimmung, über alle Fraktionen hinweg.Auch wenn bestimmte Punkte heute natürlich strittigwaren – das ist richtig –, kann sich das Ergebnis sehenlassen. Es ist ein exzellenter Einzelplan. Wenn wir wieder,wie auch im letzten Jahr, eine Deckungsquote von weitüber 80 Prozent haben – 85 Prozent oder 86 Prozent –,dann ist das ein Erfolg. Das kann sich sehen lassen. DerDank gilt Ihnen, Frau Justizministerin, den Haushälternund den Rechtspolitikern.
Lassen Sie mich nur wenige Punkte ansprechen. HerrKollege Bockhahn, Sie sind noch einmal auf die Forde-rung, die von Ihrer Seite kam, eingegangen, die Justiz-ministerin möge sich in Justizverfahren der Staatsan-waltschaften einmischen.
Ich muss sagen: Die Justizministerin hat gut reagiert. Siehat klar gesagt: Wir mischen uns nicht in einzelne Ver-fahren ein.
Das ist Gewaltenteilung, die wir respektieren.
Es kann einfach nicht sein, dass die Bundesjustizminis-terin von parlamentarischer Seite aufgerufen wird,sg–steDKdmgRSdDwbwFtr3WASsicVDns–bRen
ich an dieser Stelle in Strafverfahren einzumischen. Daseht einfach nicht, meine Damen und Herren.
Danke schön für die Zurufe. Sie können ja eine Fragetellen, wenn Sie an dieser Stelle irgendetwas vermissen.Die Rechtspolitik der christlich-liberalen Koalition rich-t sich nach den Obersätzen „Freiheit und Sicherheit –urch Bürgerrechte und starken Staat“. So steht es imoalitionsvertrag. Das sind auch die einzelnen Punkte,ie ich ansprechen möchte.Unter dem Stichwort „Freiheit und Sicherheit“öchte ich einen Punkt aufgreifen, der bisher noch nichtenannt worden ist, und das ist das Thema Scharia-echt. Wir haben in diesem Einzelplan zu Recht einetelle vorgesehen – es ist eine A-13-Stelle –, die sichem Thema Scharia-Recht widmen soll. Wenn Sie dieiskussion in den letzten Wochen mitbekommen haben,issen Sie: Es gibt immer wieder Fälle, in denen sichestimmte Gruppen nicht dem deutschen Recht unter-erfen wollen, sondern möglicherweise lieber zu einemriedensrichter gehen. Es gab einen sehr schönen Bei-ag von Wilfried Goebels in der Westfalenpost vom0. August 2011. Ich zitiere daraus:Die Justiz muss sich wehren, wenn Friedensrichterin Moscheen oder Teehäusern Recht sprechen undmit dem Hinweis, dass die Familie über dem Gesetzsteht, hier die deutsche Justiz umgehen.Von daher wollen wir dieses Phänomen beleuchten.ir wollen wissen, ob es sich wirklich um eine großenzahl von Fällen handelt, um dann die richtigenchritte unternehmen zu können.Vor dem Hintergrund der Taten, der rechtsterroristi-chen Morde, über die wir heute diskutiert haben, halteh es auch für richtig, zu debattieren, ob wir nicht mehrertrauen in den deutschen Rechtsstaat schaffen müssen.enn wenn das Vertrauen in die deutschen Behördenachlässt, dann muss man sich entsprechende Fragentellen.
Herr Kollege Ströbele, gerade diese Fragen wollen wireantworten, auch mit dem Programm zum Scharia-echt. Wir wollen schauen: Gibt es da möglicherweiseine Hemmschwelle, die deutsche Justiz in Anspruch zuehmen?
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011 16861
Dr. Patrick Sensburg
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Deswegen ist es so wichtig, dass wir diesen Bereich ein-mal richtig beleuchten und dass wir es nicht bei Vermu-tungen und bei Aufsätzen in Zeitschriften belassen. Mitdieser neu geschaffenen Stelle schauen wir genau hin. Esist gut, dass wir die entsprechenden Mittel dafür in die-sen Einzelplan eingestellt haben.
Ebenso ist es richtig und gut, dass wir die beim Gene-ralbundesanwalt vorgesehenen Kürzungen in Höhe von1 Million Euro nicht in vollem Umfang durchgeführt,sondern davon wieder 400 000 Euro für die gute Arbeitder Generalbundesanwaltschaft eingestellt haben. DerDank gilt an dieser Stelle Frau Professor Harms, die alsGeneralbundesanwältin gute Arbeit geleistet hat. Ichglaube, es ist ein richtiges Zeichen, wenn wir an dieserStelle 400 000 Euro mehr einstellen, als im Entwurf vor-gesehen. Ich habe das auch schon in meiner Rede zurersten Lesung gefordert. Damit wird ein Zeichen für diegute Arbeit von Harald Range gesetzt, der jetzt das Amtdes Generalbundesanwalts übernommen hat. Damit zei-gen wir auch, dass wir die Arbeit der Generalbundesan-waltschaft unterstützen.
Lob verdient an dieser Stelle auch der KollegeMontag, der eben gesagt hat: Wir sollten das betrachten,was uns eint, und nicht das, was uns entzweit. Was denFonds für Opfer extremistischer Übergriffe angeht, soeint uns sehr viel in Bezug auf Sinn und Zweck diesesFonds. Ich glaube, es ist kein guter Weg, wenn wir hiermit Zahlen messen; vielmehr müssen wir auf die Men-schen schauen. Entscheidend sind die Menschen, dieOpfer von Gewalttaten mit terroristischem oder extre-mistischem Hintergrund werden. Wir wollen den einzel-nen Menschen, der Opfer geworden ist, betrachten undnicht mit Zahlen abwägen. Deswegen glaube ich, dasswir den Opferfonds richtig ausgestaltet haben.
Im Zusammenhang mit der Forderung nach einer Er-höhung auf 3 Millionen Euro sage ich: Es gibt keinenFlexibilisierungsvermerk an der Stelle. Wenn die Geldernicht abgerufen werden, sind sie weg; sie können nichtübertragen werden. Von daher muss man viel mehr dafürwerben, dass die Gelder in Anspruch genommen wer-den. Das ist der richtige Weg.Wichtig bei den Ermittlungen zu diesen Taten ist na-türlich auch, dass die Ermittlungsbehörden effizient han-deln können. Daher ist es gut, dass wir heute wieder überdas Thema Vorratsdatenspeicherung diskutiert haben.Frau Kollegin Lambrecht, es ist hilfreich, dass Sie hierIhre Unterstützung anbieten. Ich bin mir aber ganzsicher, dass das in der christlich-liberalen Koalition, alsomit unserem Partner FDP, besser gelingen wird.
Wir haben den Evaluierungsbericht der EuropäischenKommission abgewartet. Wir werden ihn uns ganzgenau anschauen, und dann wird die christlich-liberaleKgMafüfagßuaKläSfüAzvasSIcregeApfadCsEnDtiauaDtiDtiarib
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16862 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011
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die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? – Sozial-demokraten, Bündnis 90/Die Grünen und Linksfraktion.Enthaltungen? – Keine. Der Einzelplan 07 ist angenom-men.Bevor wir zur Abstimmung über den Einzelplan 19kommen, müssen wir über einen weiteren Änderungs-antrag abstimmen. Wegen des Sachzusammenhangs mitder soeben beschlossenen Änderung zu Einzelplan 07 istinterfraktionell vereinbart, jetzt sofort über den Ände-rungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP aufDrucksache 17/7826 zu Einzelplan 17 abzustimmen.Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? – Das sind alleFraktionen des Hauses. Vorsichtshalber frage ich: Ge-genstimmen? – Keine. Enthaltungen? – Keine. Der Än-derungsantrag ist angenommen.Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzel-plan 19, Bundesverfassungsgericht, in der Ausschussfas-sung. Wer stimmt dafür? – Das sind alle Fraktionen desHauses. Vorsichtshalber die Gegenprobe: Wer stimmtdagegen? – Niemand. Enthaltungen? – Keine. Der Ein-zelplan 19 ist angenommen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt II.8 auf:Einzelplan 06Bundesministerium des Innern– Drucksachen 17/7106, 17/7123 –Berichterstattung:Abgeordnete Jürgen HerrmannNorbert BarthleDr. Peter DanckertHeinz-Peter HausteinFlorian ToncarSteffen BockhahnKatja DörnerEs liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion derSPD, fünf Änderungsanträge der Fraktion Die Linke so-wie zwei Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ichhöre keinen Widerspruch. Dann ist dies so beschlossen.Erster Redner in unserer Debatte ist unser KollegeDr. Peter Danckert.
Ich freue mich, lieber Peter, dass wir dich so frisch undvoller Ehrgeiz und Elan wiedersehen, und gebe dir dasWort.
Lieber Herr Präsident! Meine Damen und HerrenKollegen! Das ist in der Tat für mich ein bewegenderAugenblick. Es ist heute meine erste Rede nach demSchlaganfall im März dieses Jahres. Ich bin froh, dassich heute hier wieder einen Versuch starten kann. DieZeit war nicht einfach.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011 16863
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zu veranlassen, um die Sicherheit auch von uns Abge-ordneten zu gewährleisten, damit da kein Fanal gesetztwird. Meine Güte, mit 71 könnte man vielleicht auchAbschied nehmen; aber es muss nicht auf diese Weisesein. Ich bitte Sie also sehr herzlich darum.Was mir heute Morgen gefehlt hat – das will ich ganzdeutlich sagen –, war der Hinweis der Rednerinnen undRedner auf die Kontinuität, in der dieses Terrornetzwerkin Deutschland steht. Wir haben über die grauenhafteMordserie in den letzten 10, 11, 12 oder 13 Jahren gere-det. Aber das, was sich in den letzten Jahrzehnten inDeutschland vor den Augen unserer Dienste, unsererLandeskriminalämter und des Bundeskriminalamts ab-gespielt hat, ist eine Geschichte, die es wirklich aufzuar-beiten gilt, und zwar rückhaltlos.
Ich will Ihnen, um die Kontinuität aufzuzeigen, nurein paar wenige Beispiele geben; ich könnte die Aufzäh-lung auf die nächste halbe Stunde verlängern. Es gab1968 das berüchtigte Dutschke-Attentat, ein Attentat,von dem man sagt, das sei ein Einzeltäter gewesen. DerEinzeltäter Bachmann, der inzwischen verstorben ist, hataber seine Waffe von einem Herrn Sachse erhalten; ichnenne jetzt ausdrücklich die Namen, selbst wenn ich da-mit ein Risiko persönlicher Art eingehe. Das hat nie zueiner Strafverfolgung geführt, obwohl es bei den Diens-ten und den Landeskriminalämtern aktenkundig ist, dasses Herr Sachse war.Herr Sachse ist dann Mitglied der BraunschweigerGruppe geworden, die in Braunschweig Bomben gebauthat. Auch das ist nicht weiter verfolgt worden. Dann gibtes einen V-Mann namens Lepsien, der die Bomben vonBraunschweig nach Hamburg, zur Hamburger Gruppe,und nach Berlin, zur Gruppe Priem, gebracht hat. Auchdas ist nicht weiter verfolgt worden. Übrigens spielt da– soweit ich weiß, zum einzigen Mal – die Stasi einepositive Rolle, weil sie die Bombe, die nach Berlin ge-bracht wurde, unschädlich gemacht hat. Das ist in denUnterlagen nachzulesen; ich kann sie Ihnen geben.Ein Verfassungsschutzmann namens Lepsien hatte dieBomben in der Bundesrepublik von einem Ort zum an-deren gebracht. Das ist wirklich ein Unding. Seine Aktensind noch heute in Niedersachsen unter Verschluss. Ichbitte Sie – denn Sie haben vielleicht keinen unmittelba-ren Zugriff darauf –, dringend zu klären, was in diesenAkten steht.Dann gab es das Oktoberfest-Attentat. Ich habe mitIhrer Kollegin, der Frau Justizministerin, auch darübergesprochen. Es ist zwar gelungen, die Bundesanwalt-schaft halbwegs zu überreden – halb zog sie ihn, halbsank er hin –, in diesem Zusammenhang noch einmal Er-mittlungen durchzuführen. Dieser Kreis, der im Umfelddes Oktoberfest-Attentats aktiv war, lässt einen schau-dern. In diesem Zusammenhang wurden Personen ge-nannt, die Riesenwaffenlager in der Bundesrepublikangelegt haben. Das ist keine Fantasie, sondern akten-kundig. An dieser Stelle wird deutlich, in welchem Um-feoLümgwkTsAteenwstea1aSgEsofa–vHD5snddmndkkedSkrusgn
o viel vielleicht zu dem Terrornetzwerk und den Din-en, die wir unbedingt angehen müssen.Wir haben heute Morgen über den Kampf gegen denxtremismus gesprochen. Ich gehöre zu denjenigen, dieagen: Extremismus ist Extremismus, ob er von linksder von rechts kommt. Das ist meine persönliche Auf-ssung.
Vorsichtig! – Ich glaube aber, dass der Extremismuson rechts sehr viel gefährlicher ist als der von links.
eute Morgen ist auch darüber kurz diskutiert worden.ie einen rechnen dem rechtsextremen Spektrum knapp0 Morde zu. Andere wie Tagesspiegel und Zeit Onlineagen, es seien knapp 150 Morde. Ich will die eine Zahlicht zu sehr gegen die andere ausspielen. Man mussem aber nachgehen. Diese Zahlen machen deutlich,ass das eine Sache ist, die man in jedem Fall ernst neh-en und – das haben Sie, glaube ich, auch angedeutet –eu bewerten muss.Die Mittel für das Bundesprogramm „Zusammenhalturch Teilhabe“, das zu Ihrem Haushalt gehört, sind ge-ürzt worden. Ich verstehe das, ehrlich gesagt, nicht. Wirönnen nicht an einer Stelle, wo es verbreitet rechts-xtreme Strukturen gibt, die Bürgergesellschaft, die sicharum kümmert, bestrafen, indem die Mittel an diesertelle gekürzt werden. Das geht meines Erachtens untereinen Umständen. Wir müssen die präventive Aufklä-ngsarbeit und die Bildungsarbeit in diesem Fall ver-tärken. Wir reden ja nicht über viele Millionen, schonar nicht über Milliarden. Wir reden über einige Millio-en, die in diesem Bereich bestens angesiedelt sind.
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Dr. Peter Danckert
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Ich will nicht all das wiederholen, was wir heute Mor-gen dazu gehört haben. Das ist sicherlich eine nützlicheAufgabe. Dazu gehört auch – das wird meine KolleginFograscher oder Daniela Kolbe nachher noch einmal sa-gen – die Bundeszentrale für politische Bildung. DieKürzungen auf diesem Gebiet können wir nicht einfachhinnehmen. Das ist einfach nicht mehr zeitgemäß. Wirmüssen gemeinsam handeln. Ich appelliere an dieFreunde in der Koalition – in der Zusammenarbeit kannman das so sagen –, dass sie das noch einmal neu beden-ken, nicht heute bei der Beschlussfassung, aber vielleichtbis Freitag. Wir haben noch einige Anträge einzubrin-gen. Das ist meines Erachtens eine wichtige gemein-schaftliche Aufgabe.Ich will keine weiteren Ausführungen machen, weilich sehe, dass meine Redezeit abgelaufen ist, und selbstder wohlwollendste Präsident ist irgendwann einmalnicht mehr bereit, sie zu verlängern.Wir haben das Thema der Verbesserung im Bereichder IT-Kommunikation schon angesprochen; mehr willich an dieser Stelle nicht sagen. Das muss mit echtenStrukturveränderungen einhergehen, sonst sind wir nichtin der Lage, dieses Problem für die Zukunft zu lösen. Ichmeine jetzt nicht nur bis 2013; das wird auch ein Pro-blem für die nächste Regierung sein, von der ich hoffe,dass wir dann mit Verantwortung tragen.Das Kompetenzzentrum für informationstechnischeÜberwachung – CC IT-Überwachung – wäre vielleichtein erster Anfang, aber es gibt an dieser Stelle noch nichtdie richtigen Strukturen. Auch das Nationale Cyber-Ab-wehrzentrum ist etwas, das wir stärker in den Blick neh-men müssen. Sie müssen auch operative Verantwortunghaben und dürfen nicht nur ein Klub sein, in dem mansich über das Lagebild austauscht.Ein letztes Wort zur Bundespolizei. Die Bundespoli-zei ist die Einrichtung, die uns die äußere Sicherheit ga-rantiert. Die Beamten der Bundespolizei haben einenverdammt harten Job. Ich habe bei den Demonstrationender Rechten in Königs Wusterhausen erlebt, wie sie sichzwischen die aufgebrachte Bevölkerung und den brau-nen Block gestellt haben. Wenn man ihn nur einmal ausder Nähe gesehen hat, dann weiß man, welche Krimina-lität und Brutalität diese Menschen ausstrahlen. Ich habeauf dem Soldatenfriedhof in Halbe ebenfalls solche De-monstrationen erlebt. Es ist wirklich ein verdammt har-ter Job, den sie machen. Ich bitte, das zu honorieren undihnen nicht nur 150 Stellenanhebungen von A 8 nachA 9 anzubieten, sondern das etwas großzügiger zu ge-stalten bzw. die gesetzlichen Voraussetzungen dafür zuschaffen, dass wir ihnen sozusagen nicht hinterherlaufenmüssen. Die Situation ist heute so – damit komme ichzum Schluss –, dass die Beamten bereit wären, auf Ge-haltserhöhungen zu verzichten, wenn sie wenigstens dendritten Stern auf ihr Schulterstück bekommen würden.So weit sind sie schon; Jürgen Herrmann, du weißt das.eslemnisPdssLssshnddWreredradfüsHIcggAfedSrumsk
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letztendlich zu zerschlagen. Daran sollten wir alle ge-meinsam arbeiten.Es bleiben genug Fragen hinsichtlich der Rolle derVerfassungsschutzbehörden auf Länderebene, aber auchauf Bundesebene. Auch die polizeiliche Ermittlungsar-beit ist sicherlich zu hinterfragen. Wie konnte es dazukommen, dass diese Fälle nicht in Zusammenhang ge-bracht worden sind und letztendlich mit einem Ergebnisabgeschlossen worden sind, das sich von unserer heuti-gen Einschätzung deutlich unterscheidet? Das Zusam-menspiel bzw. der Informationsaustausch hat offensicht-lich nicht geklappt. Sie können sich vorstellen, dass ichals Polizeibeamter mir viele Gedanken darüber gemachthabe, woran es gemangelt hat. Aus der Ferne kann mandas wahrscheinlich sehr schlecht beurteilen. Ich dankemeinen Vorrednern, die es bereits angesprochen haben:Eine Vorverurteilung der zuständigen Behörden, derKolleginnen und Kollegen, die ihre Arbeit gewissenhaftgemacht haben, sollte auf jeden Fall unterbleiben.Deshalb ist es aus meiner Sicht richtig, dass der Bun-desinnenminister gemeinsam mit der Justizministerin dieersten korrespondierenden Maßnahmen eingeleitet hat.Ich begrüße es außerordentlich, dass wir im Bundesamtfür Verfassungsschutz eine Arbeitsgruppe zur Aufarbei-tung und Neubeleuchtung sämtlicher Fälle ins Leben ge-rufen haben. Das Miteinander der Innen- und Justizbe-hörden muss zu einem extremen Erkenntnisgewinnführen, um die Sachverhalte abschließend beurteilen zukönnen.Es bleibt aber auch die Frage – darüber müssen wir inZukunft diskutieren –, wie wir mit der Verzahnung vonPolizei und Verfassungsschutzdiensten umgehen. Eineganz klare Aussage dazu: Das Trennungsgebot muss er-halten bleiben, aber die Arbeit muss auf ein gutes Funda-ment gestellt werden, damit wir die bestmöglichen Er-folge erzielen können. Erste Maßnahmen sind bereitsangedacht. Herr Minister, ich halte das, was Sie bisherinitiiert haben bzw. noch auf den Weg bringen wollen,für absolut richtig: eine Verbunddatei, die einen Daten-abgleich ermöglicht, ein Abwehrzentrum gegen Rechts-terrorismus, das ähnlich wie das Terrorabwehrzentrumaufgebaut sein soll, ein Lagebild zu erstellen – bundes-weit und einheitlich –, in dem aufgezeigt wird, wo wireine gewaltbereite bzw. nicht gewaltbereite rechte Szenehaben, sowie eine Verbesserung des Informationsaustau-sches – das habe ich eben schon angesprochen; das istebenfalls wichtig – zwischen den Ländern und demBund. Hier kommen wir als Haushälter wieder ins Ge-schäft. Diese Dinge müssen in finanzieller und personel-ler Hinsicht untermauert werden. Ich bin mir sicher, dasswir im Haushaltsausschuss und gemeinsam mit den Kol-legen des Innenausschusses ein entsprechendes Agree-ment finden würden.Wir könnten uns hier wahrscheinlich stundenlangüber ein NPD-Verbotsverfahren unterhalten. Ich glaube,darüber werden wir in Zukunft noch reichlich diskutie-ren. Für mich steht fest: Wir sollten an einem Verbots-verfahren festhalten. Ich warne aber eindringlich: Wirmüssen alles berücksichtigen, damit es nicht wieder zuenDdsbHmdedmBwgmmdbrinGcvdZfüLkddSWliaFfoDmmsBmEhsmEmtukb
eshalb müssen wir das rechtsfest machen. Ich glaube,aran können wir gut arbeiten.Wir haben am heutigen Tag aber auch noch den – ichage das in Anführungsstrichen – normalen Haushalt zuesprechen, den Einzelplan 06. Peter Danckert hat alsauptberichterstatter bereits gedankt. Auch ich bedankeich für die super Zusammenarbeit mit den Mitarbeiternes Ministeriums, die uns immer zugearbeitet haben,gal welcher Fraktion wir angehören. Ich danke auchen Kollegen Berichterstattern, die immer konstruktivitgearbeitet haben, um Lösungen zu erarbeiten. In denereinigungssitzungen des Haushaltsausschusses habenir zum Teil gemeinsam abgestimmt, um diese Lösun-en auf den Weg zu bringen. Mein Dank gilt aber aucheinen Kollegen vom Innenausschuss, die mir immerit fachlicher Expertise, mit Rat und Tat zur Seite stan-en. Ich glaube, man darf den Bereich der operativen Ar-eit nicht getrennt von dem betrachten, was haushalte-sch läuft. So haben wir gute Beschlüsse hinbekommen.Wir haben es geschafft, das Volumen des Haushaltsoch einmal um 40 Millionen Euro anzuheben. Einroßteil dieses Geldes ist für den Bereich der inneren Si-herheit vorgesehen. Der Haushalt hat jetzt ein Volumenon insgesamt 5,5 Milliarden Euro, wovon 3,75 Milliar-en Euro in den Sicherheitsbereich fließen. Das ist eineahl, die sich sehen lassen kann. Das spiegelt wider, wo-r wir stehen: für die innere Sicherheit in unseremand.Wir haben in den letzten Wochen umfangreiche Dis-ussionen insbesondere über ein Thema geführt: überen Einsatz von Trojanern. Wir haben sehr kontroversiskutiert, insbesondere über die Fragen: Was kann dieseoftware überhaupt? Wer hat Einsicht in die Ergebnisse?orin besteht der Quellcode? Denn das ist ja letztend-ch das Wesentliche, worauf es in diesem Bereichnkommt. Aufgrund dieser Diskussionen hat Herrriedrich die Einrichtung eines Kompetenzzentrums „In-rmationstechnische Überwachung“ vorgeschlagen.em sind wir im Haushaltsausschuss gerne nachgekom-en. Wir stellen 2,2 Millionen Euro zusätzlich an Sach-itteln und 30 Stellen, die zusätzlich finanziell unterlegtind, zur Verfügung. Das zeigt, wie wichtig uns dieserereich ist.Zum Datenabgleichsverfahren im Zusammenhangit der Visawarndatei. Wir haben es bisher geschafft, dierrichtung einer Visawarndatei aus den normalen Haus-altsmitteln zu bewältigen, auch mit dem Personalan-atz. Das war beim Datenabgleichsverfahren leider nichtehr möglich. Wir haben noch einmal 8,7 Millionenuro in die Hand genommen, um dieses wichtige Projektit Sachausgaben, einem Bauvorhaben und Dienstleis-ngen zu untermalen, weil wir sonst hier nicht weiterge-ommen wären.Im Haushaltsausschuss hat uns ein weiterer Bereicheschäftigt: der Bereich Personal bzw. Personalgewin-
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Jürgen Herrmann
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nung. Es mögen manchmal nur Kleinigkeiten, kleineStellschrauben sein, aber diese machen deutlich, wiewichtig uns dieser Bereich ist. Auszubildende zu über-nehmen, ist ein Riesenproblem nicht nur im Bereich desBMI, sondern auch in anderen Teilbereichen der Regie-rung. Wir haben gesagt: Wir möchten den leistungsstar-ken Auszubildenden die Übernahme garantieren. Dennder Kampf um die Guten, die nachher die Arbeit in denMinisterien machen müssen, wird sich zuspitzen. Wirhaben 23 kw-Stellen geschoben. Das bedeutet, diese23 jungen Leute werden auch in Zukunft im Bundes-innenministerium ihren Dienst versehen können, und dasist gut so.Peter, deine Kritik bezüglich der Beförderung vonA 8 nach A 9 kann ich nicht gelten lassen. Wir haben zu-sätzlich zu den Beförderungsstellen im mittleren, geho-benen und höheren Dienst, die wir im Bereich der Bun-despolizei haben, 150 Stellen zur Verfügung gestellt, umdie Kolleginnen und Kollegen von A 8 nach A 9 beför-dern zu können. Wir sind da bis an die Stellenplanober-grenze gegangen. Im nächsten Jahr werden wir vielleichtnoch einmal darüber nachdenken. Für uns war es wich-tig, den Kolleginnen und Kollegen, die draußen vor Orteine wichtige Arbeit machen, die dem schwarzen Blockgegenüberstehen, ob es im linksextremistischen Bereichoder auf der rechten Seite ist, die ihren Kopf für unsereSicherheit hinhalten, die Möglichkeit zu geben, nach A 9befördert zu werden. Das haben wir geschafft, und da-rauf können wir gemeinsam stolz sein.Ein Thema liegt mir noch am Herzen: Nach demWegfall der Ersatzdienste – der Kollege Stephan Mayerwird sicherlich gleich etwas näher darauf eingehen – unddem Aussetzen der Wehrpflicht werden wir im Bereichder Freiwilligendienste Probleme bekommen. Bei derBundeswehr, beim Bundesfreiwilligendienst wird eineMenge Geld in die Hand genommen, um zu werben. Fürden Bereich der Sicherheitsarchitektur Deutschlands istnatürlich das THW sehr wichtig. Weil wir die Notwen-digkeit sehen, Lücken erst gar nicht entstehen zu lassen,haben wir 2 Millionen Euro für Nachwuchsgewinnungund Öffentlichkeitsarbeit in die Hand genommen, damitdas THW werben kann, damit sich junge Menschen demTHW anschließen. Auch dies ist ein gelungener Eingriff,ein Zeichen für die Haushaltshoheit unseres Ausschus-ses. Damit tun wir Gutes.Ich bin der festen Überzeugung, dass wir neben denDingen, die wir mit auf den Weg gebracht haben und mitviel Geld unterlegt haben, zum Beispiel FortschreibungBOS-Digitalfunk oder Luftfrachtsicherheit, einen sehrguten Haushalt aufgestellt haben. Wir werden investivtätig und stellen sicher, dass die Kernaufgaben des BMIund der nachgeordneten Behörden gut erfüllt werden.Ich bin der festen Überzeugung, dass wir in ein gutesJahr 2012 gehen. Auf die Zusammenarbeit mit den Kol-leginnen und Kollegen freue ich mich weiterhin.Herzlichen Dank.
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Wofür geben wir im Einzelplan 06 – Innenministe-um – noch Geld aus? Vor allen Dingen für digitaleroßprojekte: den Digitalfunk, ELENA, den Bundestro-ner, Körperscanner und das neue Cyber-Abwehrzen-um. Allen gemein ist, dass sie sehr teuer sind undelten funktionieren, dafür aber teilweise erheblich inreiheitsrechte eingreifen.
Meist geht es dabei tatsächlich um die innere Sicher-eit, allerdings aufgrund von Bedrohungslagen, die eheron außen kommen. Bei allem Engagement in diesemereich, Herr Minister, haben Sie offensichtlich die Be-rohung im eigenen Land übersehen. Ihre Antwort aufie aktuellen Ereignisse sind wieder neue Behörden oderentraldateien, sind größere Befugnisse der Behörden.ie wollen eine engere Zusammenarbeit von Polizei undeheimdiensten als Antwort auf den braunen Terror.Meine Damen und Herren, eine der wichtigsten Leh-n aus der deutschen Geschichte ist, dass beide, Ge-eimdienste und Polizei, strikt voneinander zu trennenind. Die Erfahrungen der NS-Diktatur sind der Grundr das Trennungsgebot in unserer heutigen Verfassung.eil grüne Polizei und Gestapo Hand in Hand gearbeitetaben und damit Schreckliches angerichtet haben, solltes nie wieder eine solche Zusammenarbeit von Polizeind Geheimdiensten geben, so der Wille der Väter undütter unserer Verfassung. Daran sollten wir uns halten.
Wenn diese engere Zusammenarbeit jetzt aber Ihrorschlag ist, Herr Minister, dann gibt es da offenkundigin großes Problem. Wir brauchen nicht neue Kompeten-en. Es wäre schon damit geholfen, wenn endlich alleinmal ordentlich ihre Arbeit machen würden. Dascheint in den vergangenen Jahren leider nicht der Fallewesen zu sein. Es gibt inzwischen – es tut mir leid, dasagen zu müssen; denn es wirft kein gutes Licht – ineutschland Gegenden, in denen die Menschen Angstaben und das Vertrauen in den Staat verloren haben. Da
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Steffen Bockhahn
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hilft weder ein Cyber-Abwehrzentrum noch ein Körper-scanner.In den Beratungszentren für die Opfer rechter Gewalt– das habe ich mir heute versichern lassen – stehen dieTelefone in diesen Tagen nicht still, weil diejenigen, dieschon einmal Opfer geworden sind, jetzt erst recht Angsthaben, dass sie wieder zu Opfern werden, weil der Terrorweitergeht. Herr Minister, ich bitte Sie: Kümmern Siesich schnell darum, dass die Menschen wieder Vertrauendarin haben, dass der Staat für ihre Sicherheit sorgt.
Dass es eine Aufgabe des Staates ist, für Sicherheit zusorgen, das sagen selbst die härtesten Neoliberalen; da-für muss man nicht einmal ein Linker sein. Noch einmal:Wir brauchen dafür nicht neue Befugnisse, sondern es istnotwendig, dass endlich alle ordentlich ihre Arbeit ma-chen.Was ist eigentlich passiert? Wie kann es sein, dass solange so viel schiefgeht? V-Leute bekommen Geld, mitdem sie dann Aktionen finanzieren, die sich gegen denStaat richten, für den sie eigentlich arbeiten sollen. Da-mit prahlen sie dann auch noch. Das ist unfassbar. Daskann doch nicht richtig sein.
Nun sagen Sie, Herr Minister, es bestehe die Gefahr,dass uns wichtige Informationen verloren gehen, würdenkeine V-Leute mehr in der NPD eingesetzt. Worin be-stand denn bisher der Nutzen dieser V-Leute? Ich darfIhnen sagen: Udo Pastörs und Udo Voigt sind verurteilteStraftäter. Der Straftatbestand hieß: Volksverhetzung.Das alles war für jeden öffentlich zugänglich. Dafürbrauchte man nicht einmal V-Leute. Was bringen dieseV-Leute zusätzlich? Welche Gefahren werden durch sietatsächlich abgewehrt? Diese Fragen müssen beantwor-tet werden. Mir scheint – es tut mir leid, das so attestie-ren zu müssen –, dass Sie die Bedrohungslage nicht rich-tig einschätzen. Bei Demos und Bündnissen gegen Nazissind die Behörden ganz aktiv und mit vollem Einsatz da-bei, auch mit V-Leuten. Auf der anderen Seite wird aberseit Jahren Offenkundiges ignoriert.Eine kleine Geschichte: In Lalendorf bei Güstrow inMecklenburg-Vorpommern haben Nazis den Bürger-meister des Ortes auf seinem Grundstück mit Eisenstan-gen bedroht. Er hatte sich offen gegen Nazis engagiert,die in seinem Ort leben. Würde Ihr V-Leute-System tat-sächlich funktionieren, hätte man dem Bürgermeisterund seiner Familie viel Angst ersparen können. Diejeni-gen, die ihn bedroht haben, waren unter anderem dieSpitzen der Landes-NPD in Mecklenburg-Vorpommern.Es hat nicht funktioniert, und ich möchte, dass wir wis-sen, warum nicht.
Geheimdienste scheinen sich nur schwer kontrollie-ren zu lassen. Daher – das wird hier wenig ZustimmungfiihWlasdAhledsehsbggdwgmlingKGDgkGlalaslasbhhm
Hartfrid Wolff (FDP):Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor zwei-inhalb Monaten habe ich hier im Hause bei den Haus-altsplanberatungen gesagt:Nicht der Islam, nicht irgendeine Religion und nichtdie Zuwanderung, sondern die ideologische Ver-blendung Einzelner ist die Ursache von Terror.Wir sind in den letzten Wochen mit einer Seriechrecklicher Straftaten konfrontiert worden, die offen-ar aus rechtsextremistischer Gesinnung heraus began-en worden sind. Ein Großteil der Opfer waren Mitbür-er mit Herkunftswurzeln im Ausland. Die Täter habenas Gegenteil von dem erreicht, was sie mutmaßlichollten: Diese Verbrechen wecken ein verbreitetes Mit-efühl und Anteilnahme für die Hinterbliebenen.Die Reaktionen der letzten Tage machen die Zusam-engehörigkeit aller Menschen in unserem Land deut-ch. Die anhaltende öffentliche Empörung drückt nichtur die Unzufriedenheit mit dem offenkundigen Versa-en von Sicherheitsbehörden aus, sondern auch denonsens über die Ablehnung von Gewalt. Seit vielenenerationen leben muslimische Zuwanderer ineutschland. Sie gehören zu uns. Wer dies, womöglichewalttätig, infrage stellt, stellt sich gegen den Grund-onsens in unserer Gesellschaft.
ewaltverbrechen, die gegen Zuwanderer nach Deutsch-nd gerichtet sind, sind deshalb Taten gegen Deutsch-nd insgesamt.Für die Koalition aus Union und FDP wird die deut-che Gesellschaft durch Zuwanderer bereichert. Deutsch-nd braucht im eigenen wirtschaftlichen und demografi-chen Interesse gut ausgebildete Zuwanderer. Integrationraucht positives Denken. Wir werden noch weiter ge-en, um Integrationsleistungen zu unterstützen und zuonorieren. Fördern und Fordern gehören zusammen,eine Damen und Herren.
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Hartfrid Wolff
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Die Enthüllungen der letzten Tage haben das Ver-trauen der Bevölkerung in die Arbeit der Sicherheitsbe-hörden, insbesondere der Verfassungsschutzämter, nach-haltig beschädigt. Ideologische Verblendung ist dieUrsache von Terror und extremistischer Gewalt. Das giltunabhängig von der ideologischen Herkunft der konkre-ten Wahnideen, die zu solchen Verbrechen geführt ha-ben.Mich hat es entsetzt, dass sich schon bei Bekanntwer-den der ersten Enthüllungen zu den rechtsextremisti-schen Straftaten einige gleich genötigt gefühlt haben,diese zur Relativierung extremistischer Gewalt andererProvenienz anzuführen; gerade die Äußerungen vonHerrn Steinmeier heute Morgen gingen in diese Rich-tung. Es hat keinen Sinn, rechten gegen linken oder mus-limisch motivierten Extremismus auszuspielen. Es istebenso falsch, Linksextremisten zu verharmlosen, wie esfalsch ist, Rechtsextremisten und rechtsextremistischeGewalttäter zu verharmlosen.
Die Bürgerinnen und Bürger erwarten zu Recht von uns,dass demokratische Politiker gemeinsam gegen totalitäreGewaltverbrecher vorgehen.Meine Damen und Herren, Sicherheit ist ein mensch-liches Bedürfnis. Innenpolitik kann nur erfolgreich sein,wenn sie als gemeinsames Anliegen der Gesellschaftverstanden wird. Innenpolitik ist Gesellschaftspolitik.Eine reife demokratische Gesellschaft ist verantwortlichfür die Normen und Werte, die sie lebt und verteidigt,auch in der Auseinandersetzung mit anderen Parteien.Diese Aufgabe kann nicht nur an Polizei und Sicher-heitskräfte delegiert werden. Die Werte eines demokrati-schen Rechtsstaates müssen von allen täglich und selbst-bewusst verteidigt werden. Freiheit, Demokratie,Toleranz, Mitverantwortung und rechtsstaatliche Prinzi-pien müssen in den Köpfen verankert werden, nicht nurin Paragrafen.
Innere Sicherheit erfordert eine Politik, in der Freiheitund Sicherheit in eine dauerhaft akzeptierte Balance ge-bracht werden, sodass auch ein Amokschütze, brauneExtremisten oder auch ein Terrorist diese Balance zwi-schen Freiheit und Sicherheit nicht erschüttern können.Einen wesentlichen Beitrag dazu kann die Präventionvor Ort, im Elternhaus oder in Schulen, leisten.Die Sicherheitsbehörden müssen ihre Rolle als An-sprechpartner der Bürger bei Bewältigung ihrer Ängsteund Sorgen wieder zurückgewinnen. Dazu heißt es auch,effektiver und effizienter zu werden. Doppelarbeit undDoppelstrukturen sind ineffektiv. Deshalb will die FDPdie Organisationsstruktur der Sicherheitsbehörden wei-terentwickeln.
Wir haben es schon lange gefordert: Das Nebeneinan-der von Verfassungsschutzämtern muss genau unter dieLsishfüerapFWgWdenhkmBdBnLasjejegssGnretatosBliblihisk
Vielen Dank, Kollege Wolff. – Nun spricht für die
raktion Bündnis 90/Die Grünen unser Kollege Wolfgang
ieland. Bitte schön, Kollege Wolfgang Wieland.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir habenesagt: Angesichts der Situation, in der wir seit zweiochen sind, können wir uns nicht routinemäßig mitem Haushalt des Bundesministeriums des Innern aus-inandersetzen. Wir sagen heute also nichts zu Troja-ern, nichts zur Visa-Warndatei und nichts zu dem, wasier alles sonst schon gesagt wurde.So viel Zeit muss aber dennoch sein: Auch wir bedan-en uns für die Informationen aus dem Haus des Innen-inisteriums, insbesondere auch von Staatssekretärergner. Das war wie jedes Jahr sehr kollegial.Nach der notwendigen Debatte heute Morgen, nachem Zeigen von Empathie für die Opfer und nach derekundung von Solidarität mit der türkischen Commu-ity, aber auch mit anderen Minderheiten in diesemand – ich denke an die jüdischen Mitbürger bei uns, dieuch beunruhigt sind; das habe ich auch erfahren –, müs-en wir alle noch mehr tun. Es ist letztlich Aufgabe einerden Parlamentarierin und eines jeden Parlamentariers,tzt und in den nächsten Tagen auf diese Gruppen zuzu-ehen, zu bekunden, dass man erfasst hat, was hier ge-chehen ist, dass man den Schock erfasst hat, unter demie stehen, und deutlich zu zeigen: Sie gehören zu dieseresellschaft, und wir wollen alles tun, dass sich dasicht wiederholt.
Als jemand, der seinerzeit nach Hoyerswerda gefah-n ist, als dort der Mob tobte – als einziger Land-gsparlamentarier überhaupt –, als jemand, der in Ros-ck-Lichtenhagen war, als dort das Flüchtlingsheimogar brannte – da waren wir schon ein paar mehr; auserlin sind einige mitgefahren –, und als jemand, der et-che Nazi-Aufmärsche nicht nur begleitet, sondern auchlockierend verhindert hat – wahrlich nicht alle, aber et-che –, der also den Anspruch hat, dass er hier genauinsieht und weiß, was Extremismus und was Rassismust, muss ich sagen: Auch ich hätte mir nicht vorstellenönnen, dass es in unserem Land eine zehnjährige klan-
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Wolfgang Wieland
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destine Mordspur gibt und weder die Sicherheitsbehör-den noch wir, die wir hier sitzen, sagen: Das ist rechts-extremistischer Terror. Auch wir haben nicht gesagt: Dasist eine neue Braune-Armee-Fraktion oder anderes.Deswegen sage ich hier wirklich ganz ohne Häme:Wenn der Bundesinnenminister Vorschläge dafür macht,wie das in Zukunft besser werden kann, prüfen wir siealle und sagen a priori zu keinem Nein. Natürlich sagenwir als Grüne: Wir legen die gleichen Standards, diegleichen Datenschutzstandards und die gleichen rechts-staatlichen Standards an, die wir immer anlegen. Aberunter dieser Prämisse muss etwas geschehen. Hier sindSie jetzt auch im Wort, Herr Friedrich.
Es kann nicht sein, dass es im föderalen Konzert sozusa-gen „zerleppert“. Hier sind Sie im Wort, und das beglei-ten wir dann. Das tragen wir dann auch mit.Das kann dann auch ein gemeinsames Abwehrzen-trum sein, wobei mir ein Angriffszentrum lieber wäre;das sage ich einmal ganz deutlich. Wir müssen Gegen-den in unserem Land zurückgewinnen. Dort müssen wirwieder angstfreies Leben möglich machen.
Es geht hier nicht wie beim Islamismus um Terroristen,die man am Einreisen und am Bomben hindern muss.Hier geht es um eine Szene, die sich festgesetzt hat undzum Teil schon in der zweiten Generation da ist. Damuss eine Rückeroberung der Demokraten stattfinden.Das steht jetzt auf der Tagesordnung.
Ein Wort zur Frage des Trennungsgebotes, Herr Kol-lege Bockhahn. Das ist uns sehr wichtig; das können Siesich vorstellen. Aber das Trennungsgebot bedeutet dochkein Informationsverbot zwischen Nachrichtendienstenund Polizei. Im Gegenteil: Je strikter man sie trennt,desto mehr muss man regeln, wie sie sich informierenund wie sie zusammenarbeiten. Man muss das Ganze aufeine gesetzliche Grundlage stellen. Darum geht es.
Dann kann ein solches Zentrum sehr nützlich sein. Dabeigeht es nicht um neue Befugnisse. Das ist doch gar keinThema.Hier wurde schon richtig die Frage der V-Leute ge-stellt.
– Ja, man muss einmal lesen, was das Bundesverfas-sungsgericht dazu gesagt hat. Es hat deutlich gemacht,dbmVFmdnDreEBreAeresisRaSNInDnndZdArüdh
s kommt darauf an, den Einsatz aller V-Leute in diesemereich auf den Prüfstand zu stellen und hier zu besserenchtsstaatlichen Ergebnissen zu kommen. Das ist dieufgabe.
Ansonsten begehen Sie hier einen großen Fehler,
inerseits dazu aufzurufen, in diesem Bereich erfolg-ich zu kämpfen, den Sumpf trockenzulegen, anderer-eits diese Erkenntnisquelle verschließen zu wollen. Dast ein Irrweg. Wir sagen: Wir müssen zeigen, dass derechtsstaat nicht wehrlos ist. Das ist er nicht. Es ist vorllem Zeit, dies den braunen Gesellen eindeutig instammbuch zu schreiben.Vielen Dank.
Vielen Dank, Kollege Wolfgang Wieland. – Alsächstem gebe ich das Wort dem Bundesminister desnern, Dr. Hans-Peter Friedrich. Bitte schön, Kolleger. Hans-Peter Friedrich.
Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des In-ern:Sehr verehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin-en und Kollegen! Auch ich möchte mich zunächst beien Haushältern und den Berichterstattern für die guteusammenarbeit und die Gespräche über das, was iniesem Haushalt notwendig ist, ganz herzlich bedanken.ll das mündete dann in den Eckwertebeschluss. Da-ber hinaus bedanke ich mich auch bei den Mitarbeiterner Fraktionen, die mit dem Bundesinnenministeriumervorragend zusammengearbeitet haben.
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Bundesminister Dr. Hans-Peter Friedrich
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Die Vorgänge und die Diskussionen in den letztenzehn Tagen machen deutlich, dass die innere Sicherheitder Kernbestand und die Kernaufgabe des Staates über-haupt ist. Es ist ein Teil von Lebensqualität, zu wissen,dass man in einem Land sicher ist. Diese Lebensqualitätist sofort eingeschränkt, wenn man das Gefühl habenmuss, dass das vielleicht nicht so ist.Lieber Kollege Danckert, vielleicht ein Wort zu derListe, die gefunden worden ist. In den Zeitungen ist allesMögliche darüber geschrieben worden, was es mit dieserListe auf sich hat. Auf dieser Liste stehen viele TausendNamen, die wohl aus dem Internet heruntergeladen wor-den sind. Es gibt außer diesen etwa 10 000 Namen kei-nerlei Hinweise auf irgendeine akute Bedrohung. Aberallein die Tatsache, dass diese Liste existiert und dassjetzt alle informiert werden müssen, löst eine verständli-che Verunsicherung aus.Wie viel mehr mögen doch diejenigen verunsichertsein, die im Migrantenbereich plötzlich spüren: Nur weilich anders aussehe und weil man mir ansieht, dass ich ei-nen Migrationshintergrund habe, befinde ich mich viel-leicht in einer Gefahr, von der ich bisher gar nicht ausge-gangen bin. – Deswegen ist richtig, was hier schongesagt wurde: Wir müssen im Migrantenbereich klarma-chen, dass dieser Staat, dass dieses Land für die Sicher-heit aller Menschen, die hier leben, sorgen will und dasswir gemeinsam alles tun werden, um das in der Zukunftsicherzustellen.
Aus diesem Grund habe ich auch angeordnet, dassalle Altfälle aufgearbeitet werden. Sie haben das ange-sprochen. Sind Vorgänge in der Vergangenheit vielleichtfalsch zugeordnet worden? Hat man Dinge, die als ein-zelne Verbrechen oder Taten einzelner Täter angesehenwurden, vielleicht nicht in einen Zusammenhang ge-bracht, obwohl ein solcher Zusammenhang besteht undman jetzt vielleicht darauf kommt, weil man andere In-formationen hat?Das alles wird geprüft. Es sind überall viele Mitarbei-ter und Ermittler bei der Arbeit.Ich bin überzeugt, dass das die Länder auch tun. Kol-lege Schünemann aus Niedersachsen kam schon letzteWoche mit einer Meldung aus dem Jahr 2000 oder 2001.Es ist also ein wirklich alter Aktenbestand, der nun über-all aufgearbeitet wird. Ich glaube, die Länder tun in die-ser Sache ihre Pflicht. Man muss deshalb kein Miss-trauen haben und auch kein Misstrauen säen.Angesichts der Tatsache, dass die innere Sicherheiteinmal mehr ins Zentrum des Geschehens und der Be-trachtung tritt, glaube ich, dass es richtig ist, dass derHaushaltsentwurf eine Aufstockung der Mittel im Si-cherheitsbereich um 25 Millionen Euro vorsieht. Daskann sich, glaube ich, schon sehen lassen und wird, Kol-lege Herrmann hat darauf hingewiesen, durch den Haus-haltsausschuss noch in vielen Bereichen zusätzlich auf-gestockt. Ganz herzlichen Dank dafür!Wir haben neue Formen der Herausforderungen: neueFormen der Technologie, neue Medien und neue Kom-mRbÜckBhliadsd–linzzliBfoewli–duwdvrumSwWgpnsgwtiumabgk
Insofern bedanke ich mich ganz herzlich, dass esdas war wirklich erstklassig – in ganz kurzer Zeit mög-ch war, dass wir diese Kompetenzen, die in den moder-en Technologien notwendig sind, in einem Kompetenz-entrum selber aufbauen können und dafür die Mittelunächst für den Personalbereich, aber auch für die sach-che Ausstattung zur Verfügung gestellt worden sind.Neue Technologien bedeuten neue Chancen, Kollegeockhahn. Durch das Internet entstehen Produktivitäts-rtschritte, aber auch neue Risiken. Das alles baut aufiner unglaublich aufwendigen Technologie auf. Wennir diese Technologie und alles, was uns in unserem täg-chen Leben Lebensqualität, aber auch Wohlstand bringt die kritische Infrastruktur, unsere Stromversorgung,ie Kommunikation, die Wasserversorgung, die Logistiknd das Finanzwesen –, schützen wollen, dann müssenir die Sicherheitsbehörden, insbesondere das BSI, inie Lage versetzen, all die Möglichkeiten der Abwehrorzuhalten und mit den technologischen Herausforde-ngen Schritt zu halten.Das ist teuer, aber es gibt keine Alternative dazu. Wirüssen in der Lage sein, unsere Bevölkerung, unsereysteme und unsere Daseinsvorsorge zu schützen. Des-egen ist es richtig, das BSI zu stärken.
Die innere Sicherheit spielt nicht nur in der digitalenelt eine Rolle, sondern sie ist leider auch in der analo-en Welt immer wieder gefährdet. Was unsere Bundes-olizisten an den Bahnhöfen und Flughäfen leisten, kön-en Sie alle, die Sie auch ständig im Lande unterwegsind, selber gut beurteilen. Wir tun alles, um ihnen zu si-nalisieren: Wir stehen nicht nur an eurer Seite, sondernir wollen euch auch in eurer persönlichen Lebenssitua-on – dies ist auch immer mit Einkommensmöglichkeitennd Fortkommen im Beruf verbunden – entgegenkom-en. Ich glaube, das war auch dem Haushaltsausschuss inllen Beratungen sehr wichtig.Ich bin dankbar für die Möglichkeit, 150 Stellen zu he-en. Natürlich ist es auf die Masse der 40 000 Polizistenerechnet nur ein kleiner Betrag. Aber es ist die Möglich-eit, die wir angesichts der bestehenden Stellenobergren-
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Bundesminister Dr. Hans-Peter Friedrich
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zen ausschöpfen konnten. Der Kollege Herrmann hat esangesprochen.Unsere Aufgabe und unser Bestreben muss jetzt sein,weitere Stellenhebungsmöglichkeiten zu schaffen unddie Obergrenzen für die nächsten Haushalte zu ändern.Ich denke, das sollten wir gemeinsam angehen.Ich glaube, dass unsere Bundespolizei jede Unterstüt-zung verdient hat; denn sie steht auch jetzt wieder vorneuen Herausforderungen. Eine Paketbombe aus demJemen führte sofort zu neuen Bedarfen im Bereich derLuftfrachtsicherheit. Vielen Dank dafür, dass die haus-haltsrechtlichen Grundlagen geschaffen wurden, damitwir dort weiter aufbauen können. Wir haben am 15. Sep-tember mit den Kontrollen von Luftfracht auf dem Flug-hafen Leipzig begonnen. Wir werden die KontrollenStück für Stück aufbauen. Dafür ganz herzlichen Dank.Ich glaube, dies ist ein wichtiger Punkt.Aber es geht nicht nur um Sicherheit, sondern es gehtauch um den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, derein wichtiges Anliegen des Bundesministeriums des In-nern ist. Es wurde das Programm „Zusammenhalt durchTeilhabe“ angesprochen. Es ist, glaube ich, heute auchdeswegen im Fokus, weil es zu unserem Thema passt. Esist genau zugeschnitten auf die rechtsextremistischenund rechtsradikalen Strukturen, die wir in den neuenLändern vorfinden.
– Nein, Herr Danckert, auch wenn Sie es immer wiedersagen. Wir haben 18 Millionen Euro zur Verfügung, dieauf die Jahre bis 2013 verteilt sind. Es wurde nicht ge-kürzt.Ich will auf etwas hinweisen, weil immer wieder vonProgrammkürzungen die Rede ist. Frau Kolbe ist nochnicht da.
– Frau Kolbe, Sie werden gleich noch reden und behaup-ten, wir würden alle Programme kürzen, die jetzt not-wendig werden. – Deswegen zähle ich die Programmeauf, die wir in allen Bereichen des Haushalts haben: „To-leranz fördern – Kompetenz stärken“ im Familienminis-terium mit 24 Millionen Euro. Dann gibt es ein Sonder-programm zum Ausstieg aus der Szene und gegenFremdenfeindlichkeit in Höhe von 1,5 Millionen Euro.Unser Programm im BMI ist „Zusammenhalt durch Teil-habe“. Das Xenos-Programm „Integration und Vielfalt“vom BMAS hat für die Zeit von 2008 bis 2012 einFördervolumen in Höhe von 132 Millionen Euro, dasXenos-Sonderprogramm „Ausstieg zum Einstieg“, auchvom BMAS, ein Fördervolumen von 9,4 MillionenEuro. Ich glaube, man muss den Haushalt über die ganzeBreite aller Ressorts sehen und kann nicht an einerStelle, wo etwas umgeschichtet worden ist, sagen: Dasist eine Kürzung, und die ist nicht hinnehmbar.
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ir kennen die Problematik, und ich weiß, dass es not-
endig ist, dass die ganze Bevölkerung – –
Nein, Sie haben nicht gesagt, dass die Polizei auf dem
chten Auge blind ist, aber Sie haben gesagt: Wenn es
ie Linken gewesen wären, wäre die Polizei da gewesen.
h will Ihnen nur sagen: Überall, wo diese Bedrohun-
en stattfinden, ist die Polizei da und geht generalstabs-
äßig vor.
Insofern sind wir mit diesem Haushalt hervorragend
ufgestellt.
Ich bedanke mich ganz herzlich.
Eine Bemerkung zur Geschäftsordnung: Zwischen-agen lasse ich dann zu, wenn sie innerhalb der vorgese-enen Redezeit erfolgen, und nicht, wenn die Redezeithnehin aus sicher verständlichen Gründen bereits über-chritten ist, damit wir einigermaßen in unserem Zeit-anagement bleiben.Nächste Rednerin ist die Kollegin Daniela Kolbe fürie SPD-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen undKollegen! Herr Minister, Sie haben tatsächlich gut erra-ten, worum es mir heute in meinem Beitrag geht. Es gehtmir um zwei Aspekte, für die ich gerne noch einmal wer-ben möchte. Ich möchte Sie auffordern, dass Sie sie stär-ker in Ihr Herz und das Herz Ihres Ministeriums aufneh-men, obwohl sie vordergründig nichts mit innererSicherheit zu tun haben. Es geht mir um die Integrations-kurse, und es geht mir um die Bundeszentrale für politi-sche Bildung. Das sind nämlich zwei unverzichtbare In-strumente für den Zusammenhalt in unserem Land.
Leider bekommen sie nicht die gebührende Aufmerk-samkeit und auch nicht ausreichende Finanzmittel.Beispiel Integrationskurse: Das ist ein Erfolgsinstru-ment. Hunderttausende haben davon profitiert. Wir allefeiern dieses Instrument. Der Wert eines Instruments be-misst sich aber auch daran, wie es bezahlt wird. Wiewird es bezahlt? Im Durchschnitt erhält eine Lehrkraft inDeutschland 18 Euro pro Unterrichtseinheit, Honorarwohlgemerkt. Das heißt, sie muss sich selbst versichern– Krankenversicherung und Pflegeversicherung – undkommt in vielen Fällen nicht über das ALG-II-Niveauhinaus. Das ist ein Armutszeugnis in doppelter Hinsicht.Wir wollen einen Schritt in die richtige Richtung tun.Wir wollen einen Aufwuchs um 50 Millionen Euro fürdie Bezahlung der Lehrkräfte. Ginge das alles auf derenKonto, dann kämen wir auf einen Durchschnitt von26 Euro. Davon könnten sie gut leben.Zweiter Punkt: die Bundeszentrale für politische Bil-dung. Das ist eine auch von Ihnen hochgeschätzte Insti-tution. Das kann man in Ihren Publikationen nachlesen,zum Beispiel im Jahresbericht der Bundesregierung zumStand der deutschen Einheit 2010, der im Gegensatzzum Bericht aus diesem Jahr lesenswert ist. Darin wirddie Bundeszentrale gleich an drei Stellen in den Himmelgelobt. Ich zitiere einmal aus dem Punkt „Vielfalt, Tole-ranz und Demokratie gegen Extremismus“. Dort ist zulesen:Ein bedeutendes Arbeitsfeld der Bundeszentralebesteht in der Erprobung strategischer Bildungs-maßnahmen gegen Extremismus in den neuen Bun-desländern … Das soll die Menschen vor Ort ermu-tigen und befähigen, den eigenen sozialen Raumauf gewaltfördernde Strukturen zu untersuchen, ihnaktiv zu verändern und so selbstverantwortlich ander Gestaltung des Lebensumfeldes mitzuwirken.Wie wahr und wie wichtig. Gerade in diesen Zeitenwird deutlich, wie wichtig politische Bildung ist. Ange-sichts der Zwickauer Zelle schauen wir alle in einen tie-fen Abgrund, der uns zeigt, wohin es führen kann, wennRechtextremismus und Menschenfeindlichkeit herr-schen, wenn weggeschaut wird und wenn man NazisRäume eröffnet. Die Geschehnisse werfen ein Schlag-licht auf das eigentliche Problem. Das Problem, über daswir hier reden müssen, heißt Rechtsextremismus.rudtrterechtiInmridEüdnImmutrgPudssteIcdagdgzd2ebmd
Wir alle in diesem Haus stehen vor der Herausforde-ng, dass sich Menschen mit Migrationsgeschichte iniesem Land nicht sicher fühlen. Das muss uns alle be-offen machen und zum Handeln ermutigen.Aber das Problem geht noch tiefer als reiner Rechts-rrorismus. Wir sehen Gemeinden, in denen es einechtsextreme Hegemonie gibt, in denen selbst Jugendli-he, die nicht rechts sind, Angst haben müssen. Wir se-en, dass sich die rechtsextremen Einstellungsmusteref bis in die Mitte der Gesellschaft vorgegraben haben. der Tat: Die Bundeszentrale ist ein richtiges Instru-ent dagegen. Leider muss man fast sagen, sie wäre einchtiges und wichtiges Instrument dagegen gewesen;enn Sie kürzen bei der Bundeszentrale fast 4 Millionenuro. Das reiht sich in eine Politik ein, die sich bei Ihnenber Jahre hinweg so zieht. In der Rhetorik nehmen Sieen Rechtsextremismus ernst. Aber leider kommt bei Ih-en kein Satz zum Rechtsextremismus ohne „aber“ aus.
mer wenn jemand über Rechtsextremismus spricht,uss er im gleichen Satz auch über Linksextremismusnd Islamismus reden, so als hätten wir es mit einem Ex-emismus-Brei, mit Extremis-Mus zu tun.Ich hoffe, dass Ihnen die aktuellen Geschehnisse zei-en, dass wir Rechtsextremismus als eigenständigeshänomen betrachten müssen, dass wir ihn analysierennd eigenständig bearbeiten müssen. Hören Sie bitte miter Extremismus-Gleichmacherei auf und schauen Sieich die Realität an!
Zur Realität gehört auch, dass sich die Menschen, dieich gegen Rechtsextremismus einsetzen, an vielen Or-n nicht die Unterstützung erhalten, die sie bräuchten.h erspare Ihnen jetzt an dieser Stelle den Hinweis aufie Extremismusklausel, Frau Dr. Schröder. Ich möchteber darauf hinweisen, dass auch Sie, Herr Dr. Friedrich,anz haushaltsneutral etwas tun könnten: Nehmen Sieie Extremismusklausel in Ihrem Programm zurück! Daseht ganz einfach.
Nehmen Sie die Kürzungen bei der Bundeszentraleurück! Das ist das Präventionsinstrument, das die Bun-esregierung hat. Fast 5 Millionen Euro weniger seit009 – das ist eine schlichte Katastrophe. Wir brauchenben nicht nur innere Sicherheit und Repressionen; wirrauchen auch dringend die Prävention. In diesen Tagenöchte man sagen: Wir brauchen mehr politische Bil-ung, nicht weniger.
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Daniela Kolbe
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Gisela Piltz ist die nächste Rednerin für die FDP-
Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sparsam ist diese schwarz-gelbe Koalition nicht nur
beim Haushalt, sondern nach wie vor auch bei der Si-
cherheitsgesetzgebung. Beides ist gut und richtig. Spar-
sam zu wirtschaften, ist das Gebot der Stunde. Die Haus-
haltskonsolidierung ist das zentrale Ziel. Erst recht in
Zeiten, in denen wir es mit überschuldeten Nachbarn zu
tun haben, ist es richtig, dass Deutschland mit gutem
Beispiel und außerordentlichem Sparwillen vorangeht.
Das gilt auch für den Bereich des Innenministeriums.
Bei knappen Mitteln ist es besonders wichtig, entspre-
chende Schwerpunkte zu setzen und die vorhandenen
Gelder klug zu verwenden. Dass Mittel für die reibungs-
lose Arbeit der Sicherheitsbehörden benötigt werden,
zeigt nicht zuletzt die alles beherrschende, traurige
rechtsextremistische Mordserie. Es ist deshalb gut und
richtig, dass der Haushalt im Bereich der Vollzugsbeam-
ten der Sicherheitsbehörden im Geschäftsbereich des
BMI keine Einsparungen vorsieht. Das gilt auch für das
BKA und die Bundespolizei. Wir sparen nicht an der in-
neren Sicherheit, selbst in Zeiten nicht, in denen im öf-
fentlichen Dienst der Rotstift regieren muss. Der erste
Bundespräsident, Theodor Heuss, hat einmal gesagt – als
Liberale zitiere ich ihn besonders gern –: „Sparen ist die
richtige Mitte zwischen Geiz und Verschwendung.“ Ich
persönlich finde, dass wir auf einem guten Weg sind.
Es ist gut, dass wir trotz knapper Kassen das Verspre-
chen einlösen, die befristete Aussetzung der Sonderzu-
lage für Beamte – besser bekannt als Weihnachtsgeld –
rückgängig zu machen. Die Beamtinnen und Beamten
haben mit dem Verzicht auf das Weihnachtsgeld in der
Vergangenheit ihren Beitrag geleistet. Dafür sollten wir
ihnen gemeinsam unseren Dank und unsere Hochach-
tung aussprechen. Es ist ein guter und richtiger Schritt,
zum Weihnachtsgeld zurückzukehren.
Sparsam sind wir nicht nur mit dem Geld, sondern
auch mit neuen Sicherheitsgesetzen. Das liegt – anders
als viele hier behaupten – nicht daran, dass wir uns nicht
einigen können, sondern daran, dass wir in der Koalition
der Auffassung sind, dass die Gleichung „Mehr Ein-
griffsbefugnisse gleich mehr Sicherheit“ nicht stimmt;
denn Sicherheit schaffen Sie nicht durch ein ständiges
Überbieten mit neuen Befugnissen, sondern mit gut aus-
gebildeten und ausgestatteten Polizistinnen und Polizis-
ten. Dementsprechend arbeiten wir. Es ist gut, dass wir
bei der Sicherheitsarchitektur einen kleinen, aber nichts-
destotrotz richtigen Schritt gegangen sind. Wir von der
FDP-Fraktion hätten uns mehr gewünscht. Aber immer-
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16874 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011
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Es ist nicht verständlich, wie es überhaupt sein kann,dass es in einem Land wie Deutschland so etwas gibtwie „Angstzonen“ oder „national befreite Zonen“, dievon den Neofaschisten in diesem Land immer wiederausgerufen werden, nicht nur im Osten. Auch in meinemWahlkreis in Dortmund gibt es einen Stadtteil, Dorstfeld,wo die Menschen Angst haben, die Menschen mit Mi-grationshintergrund, aber eben auch alle, die dort woh-nen. Man traut sich nicht mehr, etwas gegen Nazis zu sa-gen, und das kann einfach nicht sein. Das muss zu einemUmdenken in der gesamten Gesellschaft und natürlichvor allen Dingen in der Sicherheitspolitik führen. Ichmeine, dass dieses im Moment nicht zu erkennen ist.Herr Wieland, bevor überhaupt eine Analyse gemachtworden ist und eine Aufarbeitung durchgeführt wordenist, sind Sie mit einem Zehn-Punkte-Katalog an die Öf-fentlichkeit gegangen; Sie wissen schon, wie man das al-les besser macht. Wir wissen, dass es beispielsweise1992 ganz ähnliche Instrumente gegeben hat. Da solltenArbeitsgruppen zwischen BKA, Verfassungsschutz undPolizeibehörden dafür sorgen, dass man sich besser ko-ordiniert. Jetzt soll wieder ein solches Instrument ge-schaffen werden. Da frage ich Sie: Wie können Sie ein-fach so darüber hinweggehen und so tun, als wenn dasetwas völlig Neues wäre?Ich will Ergebnisse sehen. Ich will, dass wirklichAnalysen stattfinden, dass Neofaschismus und Rechts-extremismus in diesem Land nicht weiter verherrlichtund verharmlost werden.
Frau Jelpke, darf der Kollege Wieland Ihnen eine
Zwischenfrage stellen?
Ja, gerne.
Liebe Frau Kollegin Jelpke, Sie haben mir eben eine
Frage gestellt. Ich darf Ihnen hier nicht antworten. An-
dersherum: Ich darf Ihnen eine Frage stellen.
Haben Sie denn nicht bemerkt, dass das, was der Bun-
desinnenminister vorgeschlagen hat, eine andere Quali-
tät haben soll? Er hat ein gemeinsames Abwehrzentrum
vorgeschlagen, das auch operativ tätig werden soll. Das
ist etwas anderes als die Arbeitsgruppe, die wir bisher
hatten, wo man sich zweimal im Jahr getroffen hat, Ana-
lysepapiere ausgetauscht hat und dann wieder auseinan-
dergegangen ist. Halten nicht gerade Sie, die Sie die
rechtsextremistischen Umtriebe immer sehr genau und
sehr kritisch beobachtet und kommentiert haben, es auf-
grund des Umstandes, dass viel zu wenig passiert ist,
dass viel zu oft die Staatsorgane nicht gehandelt haben,
für notwendig, hier zu einer neuen Qualität zu kommen
und auch einmal Ja zu sagen, selbst wenn der Vorschlag
von einem CSU-Innenminister kommt?
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Ich habe ja gesagt: Wir werden das gerne prüfen.
enn nun ein Minister von einem „neuen Phänomen“pricht, aber nicht in Betracht zieht, dass es auch eineeschichte dahinter gibt, wenn dieser Minister heuteieder einen Haushalt vorlegt, in den beispielsweise füren Verfassungsschutz 14 Millionen Euro mehr, also ins-esamt 188 Millionen Euro, eingestellt sind, dann frageh mich vor dem Hintergrund der jetzigen Ereignisseoch: Wieso stoppt man das nicht erst einmal, wenn manirklich eine ernsthafte Analyse und eine Aufarbeitungill?
Das Bundesverfassungsgericht hat übrigens gesagt,enn man ein Verbotsverfahren einleiten wolle, sei dasindeste, dass die V-Leute auf der Führungsebene abge-chaltet würden.
ber nicht einmal dazu sind die Behörden bereit. Schon006, als eine Arbeitsgruppe der Innenminister zumhema NPD-Verbot eingerichtet worden ist, haben allenenminister der Länder festgestellt: Das Material mussrst einmal gesäubert werden; es ist verseucht. Dazurauchen wir mindestens zwei Jahre. – Außerdem habenie Minister gesagt: Die V-Leute müssen abgeschalteterden.
onst komme man nicht an sauberes Material, ge-chweige denn an Material für ein neues Verbotsverfah-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011 16875
Ulla Jelpke
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ren heran. Da sehe ich nicht, dass eine Entwicklung undauch ein Umdenken eingesetzt hätten. Im Grunde wirdweitergemacht wie bisher. Es wird nicht darüber nachge-dacht, V-Leute abzuschalten.Dass man in dieser Situation nicht bereit ist, die Ex-tremismusklausel zurückzunehmen, ist für mich eindeutlicher Beweis. Sie ist mit ein Grund des Übels, undzwar nicht nur, weil man damit Initiativen unter einenGeneralverdacht stellt. Die Gleichstellung macht es denNazis sehr leicht, bestimmte Gruppen und Gruppierun-gen zu bekämpfen, unter anderem die Initiativen, dietagtäglich Opferberatung und Ähnliches machen.Natürlich finden wir es gut, dass die Bundesregierungden Opferfonds um 500 000 Euro aufgestockt hat. Aberich will ganz klar sagen: Es kann bei der Opferentschädi-gung nicht nur um die Menschen und die Familien ge-hen, die von den Nazi-Morden unmittelbar betroffensind. Es muss beispielsweise auch um die Menschen inKöln gehen, die von der Nagelbombe getroffen wordensind, Menschen, die verletzt worden sind oder die ihreExistenz verloren haben, weil sie beispielsweise gegendie Schäden nicht versichert waren. Ein Friseurladenmusste zum Beispiel dichtmachen. Ich meine also, dieOpferhilfe muss weiter gehen.Zum Schluss möchte ich – meine Kollegin FrauKolbe hat es schon angesprochen – noch etwas erwäh-nen, was mir besonders wichtig ist. Wenn in diesemHaushalt bei der Integrationspolitik gespart wird, sparenwir am falschen Ende. Ich bin der Meinung, dass es drin-gend nötig ist, die finanziellen Mittel für die Fahrtkosten-erstattung, die Kinderbetreuung und die Alphabetisie-rungskurse wieder aufzustocken. Vor allen Dingenkönnen wir – das ist ein ganz wichtiger Punkt – es nichtzulassen, dass den in diesem Bereich tätigen Lehrerin-nen und Lehrern, die eine Art Scheinselbstständigkeithaben, 16 oder 18 Euro pro Stunde gezahlt werden, wo-von sie Steuern, Versicherungen und Krankenkassenbei-träge bezahlen müssen. Das geht nicht.
Frau Kollegin!
Wir fordern 30 Euro pro Stunde, damit ein bestimmter
Lebensstandard erreicht werden kann. Es kann nicht
sein, dass man hier sagt: Augen zu und durch. – Die
Menschen müssen von ihrer Arbeit leben können. Wenn
man gute Integrationskurse will, dann muss man auch
entsprechend bezahlen.
Danke schön.
Nächster Redner ist der Kollege Memet Kilic für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
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ie es passieren konnte, dass bei einer Hausdurchsu-hung einer aus dieser Bande einfach kurz vor die Türeht, um eine zu rauchen, und dann verschwindet. Sieollten aufklären, wie ein anderer einfach ins Auto stei-en und davonfahren konnte. Sie sollten aufklären, wieiese Leute sogar mit gefälschten Papieren heiraten undre Identität verbergen konnten – und das Ganze mehrls zehn Jahre lang. Sie sollten nichts herunterspielen,ondern aufklären. Das ist unser Anspruch.
Gestern hatten wir im Innenausschuss eine fast fünf-tündige Sondersitzung. Zwei Sachen sind mir bei dieseritzung klar geworden:Erstens. Eine gute Nachricht: Wir haben keinen Über-achungsstaat – aber nur, was den Rechtsextremismusetrifft.
ür alle anderen Bereiche kann man das nicht so einfachagen. Gestern musste ich feststellen, dass weder unsereerfassungsschützer noch das Bundeskriminalamt genü-end Kenntnisse über das rechtsextremistische Milieuaben. Sie haben erklärt, was sie alles nicht wissen, abericht, was sie wussten.Zweitens. Die Nebelmaschine der Bundesregierungird jedes Mal eingeschaltet, wenn es um Rechtsextre-ismus geht. Angesichts dieser terroristischen Mord-lle sehe ich meine jahrzehntelange öffentlich kundge-ne Befürchtung bestätigt. Ich habe immer wiederrlebt, dass die Sicherheitsbehörden einen rechtsextre-istischen Hintergrund ausgeschlossen haben, bevor siem Tatort waren. Sie wurden von der Politik dazu verlei-t, weil sich die Politik schon immer um das Image derundesrepublik Deutschland auf der internationalenühne große Sorgen gemacht hat.Dieses Image war ihr wichtiger als die Opfer desechtsextremismus. Um das eigene Ansehen in der Weltu schützen, hat der Staat die Sicherheitsbehörden dazuebracht, rechtsextremistische Straftaten nicht als solcheu behandeln.
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16876 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011
Memet Kilic
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Sie werden regelmäßig als einfache Beleidigungen oderSchlägereien in die Kriminalstatistik aufgenommen; an-sonsten können Sie diese Differenz bei den entsprechen-den Mordfällen seit 1990 – die einen sprechen von49 Mordfällen, andere reden von 183 Mordfällen – nichterklären. Daher brauchen Sie nicht zu nörgeln, Herr Kol-lege.Das Vertrauen der Einwanderer in den Rechtsstaat istin seinen Grundfesten erschüttert. Viele von ihnen sindentsetzt, wie vorurteilsbeladen die Sicherheitsbehördenin der Vergangenheit ermittelt haben. Sobald ein Ein-wanderer ermordet wurde, haben die Sicherheitsbehör-den lieber die Frage gestellt, ob es sich um ein Drogen-geschäft oder um einen Ehrenmord handelt.Darüber hinaus haben die Sicherheitsbehörden ihreschräge Ansicht auch noch mit solchen Begriffen wieErmittlungsgruppe „Bosporus“ oder „Döner-Morde“ un-terfüttert. Es ist ein wichtiger Einschnitt, dass ab jetztnicht mehr die Einwanderer in Erklärungsnot stecken,sondern die Sicherheitsbehörden und der Staat.
Wer Rechtsextremismus bekämpfen will, muss auchdie Opfer stärken. Damit Einwanderer eine starkeStimme bekommen, müssen wir beispielsweise die Inte-grationskurse verbessern. Wir fordern in diesem Zusam-menhang 52,3 Millionen Euro mehr, 1 Millionen Euromehr für Frauenkurse. Wir müssen das kommunaleWahlrecht auf Nicht-EU-Bürger erweitern, aber auch dieEinbürgerungen erleichtern.
Für den Kampf gegen Rassismus und Rechtsextremis-mus bedarf es außerdem einer guten Bildungspolitik.Daher fordern wir eine Aufstockung der Mittel um3,5 Millionen Euro für die politische Bildungsarbeit derBundeszentrale für politische Bildung.Wir müssen mehr in die Prävention investieren. An-statt in die Prävention zu investieren, hemmt jedoch dieBundesregierung motivierte Bürgerinnen und Bürger inihrem Engagement für eine demokratische und friedlicheGesellschaft. Sie verlangt von Menschen, die sich gegenRechtsextremismus einsetzen, sich einer Gesinnungs-prüfung zu unterziehen. Frau Schröders Extremismus-klausel dient allein dazu, engagierten Personen Miss-trauen entgegenzubringen und sie abzuschrecken. Eineandere Funktion hat diese Schikane nicht.
Die ideologische Haltung der Bundesregierung geht abernoch einen Schritt weiter: Die Bundesregierung fördertProjekte gegen Linksextremismus weit großzügiger alssolche gegen Rechtsextremismus:
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Herr Kollege.
Das angedachte NPD-Verbotsverfahren ist lediglich
ine Nebelkerze, um das Ausland zu beruhigen. Diese
ebelkerze werden wir nicht in die Hand nehmen.
Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss.
Der braune Spuk ist weit größer: Unzählige rechts-
xtreme Vereine, Burschenschaften, Kameradschaften
nd rechtsextreme Internetseiten arbeiten aktiv der NPD
u. Diese Organisationen dürfen nicht mehr als Heimat-
chutzvereine toleriert werden. Die Bundesregierung
uss aus ihrem Schlaf erwachen und dieses Netzwerk
ekämpfen.
Vielen Dank, liebe Freundinnen und Freunde.
Stephan Mayer ist der nächste Redner für die CDU/
SU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrtenolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Ich persönlichabe den Eindruck, dass wir bisher eine sehr sachliche,ernünftige Debatte zum Etat des Innenministeriums ge-hrt haben. Vor dem Hintergrund kann ich es wirklichicht verstehen, dass Sie, Herr Kilic, gerade in der sehrchwierigen, angespannten Situation, in der wir uns der-eit in Deutschland befinden,
ier der Versuchung erlegen sind, diese Situation für fa-enscheinige, populistische Anschuldigungen und Vor-ürfe auszunutzen, die jeglicher Grundlage entbehren.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011 16877
Stephan Mayer
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Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, derEinzelplan des Bundesinnenministeriums ist kein großerEinzelplan – er umfasst weniger als 2 Prozent des Ge-samthaushaltes –, aber er ist für das friedliche Zusam-menleben der Bürgerinnen und Bürger in Deutschlandund den friedlichen inneren Zusammenhalt unseres Lan-des elementar. Ich glaube, das war uns nie so bewusstwie in diesen Zeiten, in diesen Tagen, aber auch in die-sem Jahr. Ich möchte da natürlich auf den gravierendstenund widerwärtigsten Fall eingehen: die schrecklichen,barbarischen, für uns nach wie vor unfassbaren Mordeder Zwickauer Nazi-Zelle. Wenn man im Laufe des Jah-res weiter zurück blickt, dann erkennt man: Es gab auchandere Vorfälle. Ende April dieses Jahres kam es recht-zeitig zur Aufdeckung der Düsseldorfer Terrorzelle, diekurz davor war, Anschläge auf das Nahverkehrsnetz inDüsseldorf zu unternehmen. Anfang März gab es erst-mals in diesem Jahr Tote aufgrund extremistischer Straf-taten in Deutschland: Zwei US-Soldaten sind am Frank-furter Flughafen auf bestialische Art und Weise umge-bracht worden.Gerade die jetzt erwähnten drei Ereignisse zeigen,dass Deutschland nicht mehr nur Rückzugsraum für ex-tremistische Straftäter ist, sondern leider auch unmittel-bares Anschlagsziel. Die unterschiedlichen, in der Be-wertung in Nuancen durchaus unterscheidbaren Ereig-nisse in diesem Jahr haben uns gezeigt, dass wir, insbe-sondere unsere Sicherheitsbehörden, vor neuen Heraus-forderungen stehen. Die Strukturen und Netzwerke desTerrorismus sind dezentraler geworden. Deshalb ist esvon entscheidender Wichtigkeit, dass wir unsere Sicher-heitsbehörden – die Bundespolizei und das Bundeskri-minalamt, aber auch das Bundesamt für Verfassungs-schutz – sowohl personell als auch materiell ausreichendausstatten. Ich bin froh, dass diese Anforderung mit demjetzt vorliegenden Etat des Bundesinnenministeriums er-füllt wird.Ich darf Ihnen, sehr geehrter Herr Bundesinnenminis-ter, herzlich dafür danken, dass Sie gerade in der sehrschwierigen Situation in den vergangenen Tagen nichtder Versuchung erlegen sind, aktionistisch vorzugehenund sich vorschnell zu artikulieren: Sie haben sich Zeitgelassen und haben jetzt ein Maßnahmenpaket vorge-schlagen, das plausibel und ausgewogen ist. Dies zeigtsich schon allein daran, dass selbst der Kollege Wielandmittlerweile den Mehrwert erkannt hat, der in einem ge-meinsamen Terrorabwehr- oder -angriffszentrum – es istegal, wie man es formuliert – gegen den Rechtsextremis-mus liegt.
Wenn selbst der Kollege Wieland mittlerweile erkannthat, wie gut und richtig diese Maßnahme ist, dann zeigtdas, sehr geehrter Herr Bundesinnenminister, dass Sierichtig gehandelt haben. Ich darf Ihnen namens der Frak-tion der CDU/CSU, aber auch der christlich-liberalenKoalition insgesamt dafür ganz herzlich danken.
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16878 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011
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Hilfswerk ist die größte Bundesbehörde im Ressort-bereich des BMI. 99 Prozent aller derjenigen, die imTHW tätig sind, arbeiten ehrenamtlich. Es handelt sichinsgesamt um 80 000 Frauen, Männer und Jugendlichein Deutschland. Insbesondere den Haushaltspolitikernmöchte ich ganz herzlich dafür danken, dass es im Rah-men der parlamentarischen Befassung noch möglichwar, den Etat des Technischen Hilfswerks um 2 Millio-nen Euro zu erhöhen.Lieber Herr Kollege Bockhahn, dafür haben wir alschristlich-liberale Koalition die Linken nicht gebraucht.
Dass Sie noch Nachholbedarf in Sachen THW haben,haben Sie in Ihrer Rede eindrucksvoll unter Beweis ge-stellt. Die örtlichen Gruppierungen des THW heißennämlich nicht „Ortsgruppen“, sondern „Ortsverbände“.
Die Kolleginnen und Kollegen der christlich-liberalenKoalition sind wirklich nah am THW. Deswegen sageich ein herzliches Dankeschön für die angemessene Aus-stattung des Technischen Hilfswerks.Wenn man den THW-Haushalt auf einen aktiven Hel-fer – in Deutschland gibt es ungefähr 45 000 – herunter-bricht, sieht man, dass er, der dem Bund an 365 Tagenim Jahr und 24 Stunden am Tag zur Verfügung steht, et-was mehr als 4 000 Euro kostet. Da sind alle Kosten miteingerechnet: Mietkosten, Personalkosten und Gerät-schaften. Ich glaube, dass der Bund insoweit mit demTechnischen Hilfswerk sehr günstig fährt. Wir sind gutberaten, den insgesamt 80 000 freiwilligen Helferinnenund Helfern in Deutschland dafür dankbar zu sein.Die Aussetzung der Wehrpflicht bedeutet eine Zäsurfür das Technische Hilfswerk. Ich sage das auch mitBlick über den Haushalt 2012 hinaus: Wir werden mitSicherheit noch weitere Anstrengungen unternehmenmüssen, um die Herausforderungen der Aussetzung derWehrpflicht zu meistern. Wir haben jetzt einen aus-kömmlichen Haushalt. Ich sage aber ganz offen: Bisherwar ein Drittel der aktiven THW-Helfer in der Mindest-verpflichtungszeit. Wir werden mit Sicherheit in dennächsten Jahren noch mehr Geld für die Helfergewin-nung und das Halten der Helfer aufwenden müssen. Ichmöchte all denjenigen herzlich danken, die sich maßgeb-lich und produktiv für das THW eingesetzt haben.Man kann festhalten: Der Haushalt des BMI ist aus-kömmlich. Er ist nicht üppig – damit leisten wir einennotwendigen Beitrag zur Konsolidierung des Gesamt-haushaltes –, aber er ermöglicht allen Beteiligten und al-len Unter- und Oberbehörden ein vernünftiges und gutesArbeiten.Ein herzliches Dankeschön für die Aufmerksamkeit.
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Herr Innenminister, Sie haben verschiedene Vor-chläge gemacht: Verbunddatei, gemeinsames Terrorab-ehrzentrum für Gewalt von rechts, Verbot der NPD.ir sind bei all diesen Fragen gesprächsbereit und be-it, Sie bei Ihren Vorhaben zu unterstützen. Das Pro-lem ist nur, dass Sie sich innerhalb der Regierung nichtinig sind. Zwischen dem BMI und dem BMJ gibt esine Sparsamkeit an Gemeinsamkeiten.
s gibt unterschiedliche Meinungen. Dadurch sind Sie iniesem Bereich nicht handlungsfähig.
Sie haben die innere Sicherheit als Kernaufgabe ge-annt und die Personen, die die innere Sicherheit garan-eren, zum Beispiel die Bundespolizei, mit hoher Wert-chätzung bedacht. Das ist richtig, das teilen wir; dennie sorgen für Sicherheit an den Grenzen, Bahnhöfennd Flughäfen. Genau deshalb halten wir es eben nichtr ausreichend, jetzt jene 150 Stellen anzuheben. Wiralten es auch nicht für ausreichend, was Sie in Aus- undortbildung und in Ausstattung, zum Beispiel Fahrzeugeder bessere technische und moderne IT-Ausstattung, in-estieren. Wir haben hierzu Anträge auf Erhöhung derittel gestellt, auf die Sie leider nicht eingegangen sind.Das THW als wichtige Behörde ist schon genanntorden. In diesem Bereich konnten wir Verbesserungenrreichen. Ich nenne in diesem Zusammenhang auch dasundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophen-ilfe. Es ist nicht gelungen, dort eine bessere Personal-usstattung zu erreichen. Auch die Beschaffung dereuerwehrautos ist nicht mehr gelungen.Zum Bereich des Bundesinnenministers gehört aucher Sport. Herr Innenminister, ich glaube, Sie sind derrste Minister, der weder in der ersten noch in der zwei-n Lesung auch nur ein Wort darüber verloren hat.
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Gabriele Fograscher
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Es gibt von Ihnen keine Aussage zur gesellschaftspoliti-schen Bedeutung des Sports, zur Integrationsleistung,die im Sport erbracht wird. Es gibt keine Agenda in die-sem Bereich; Sie setzen keine Prioritäten. Vielmehr wer-den die Investitionen für den Sportstättenbau im kom-menden Jahr wiederum um 3 Millionen Euro gekürzt,sodass nur noch rund 15 Millionen Euro zur Verfügungstehen. Das sind fast 10 Millionen Euro weniger als imrot-grünen Haushalt von 2005.Es ist enttäuschend, dass Sie die Bedeutung desSports nicht mit einem Wort würdigen. Es ist ebenso ent-täuschend, dass die Sportpolitiker von CDU/CSU undFDP aus Verärgerung über schlechte Medienberichter-stattung die Öffentlichkeit von den Ausschusssitzungenausschließen.
Das schadet nicht nur ihnen selbst, sondern dem gesam-ten Ausschuss. Das kommt in einem offenen Brief derInteressenvertretungen deutscher Basketball- und Hand-ballspieler, der europäischen Sportlervereinigung undanderer Verbände zum Ausdruck. Ich will aus diesemBrief zitieren:Das Demokratieverständnis der Mehrheit IhresAusschusses zeichnete sich zudem am Donnerstag,dem 27.10.2011, dadurch aus, die Öffentlichkeit beiallen zukünftigen Sitzungen auszuschließen. DieserBeschluss fördert die ohnehin bestehende Intrans-parenz der Sportpolitik und senkt das bereits er-schütterte Vertrauen in die politischen Prozesse
sowie die Überwachungsfunktion der Politik hin-sichtlich der Entscheidungsfindung in der durchBundesmittel mitfinanzierten Verbands- und Ar-beitgeberstruktur des deutschen Sportsystems.Sie sollten diesen Beschluss überdenken.
Auch mit dem Kampf gegen Doping meinen es dieseBundesregierung und die sie tragenden Fraktionen nichtwirklich ernst. Unsere Anträge, die NADA und dieWADA im Kampf gegen Doping entschiedener zu unter-stützen, wurden abgelehnt. Ab 2013 will die Koalitiondie Zuschüsse für die NADA ganz streichen. Dasschwächt die Arbeit der NADA. Der Bund kann sich un-serer Ansicht nach nur dann aus der Finanzierung zu-rückziehen, wenn sich die gesellschaftlichen Kräfte unddie Bundesländer im Bereich der Dopingbekämpfungausreichend engagieren.Ich will noch einmal auf die aktuelle Diskussion überden Rechtsterrorismus und den Rechtsextremismus hin-wwgPkbWwnbddDaredFssbngsmGgMics
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrtenamen und Herren! Der Einzelplan 06 umfasst natürlichuch die Bereiche Sport und Aufbau Ost. Über beide Be-iche möchte ich als Berichterstatter kurz sprechen.Zuerst aber bedanke ich mich. Ich bedanke mich beien Berichterstattern, besonders bei Norbert Barthle undlorian Toncar. Ich bedanke mich beim Innenausschuss,tellvertretend bei Gisela Piltz, beim Sportausschuss,tellvertretend bei Joachim Günther, und natürlich ganzesonders bei Ihnen, Herr Minister Friedrich, und bei Ih-en, Frau Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger. An-esichts dessen, was Sie und Ihre Ministerien leisten,age ich: Hut ab! Danke schön!
…Sport stärkt Arme, Rumpf und Beine,Kürzt die öde Zeit,Und er schützt uns durch VereineVor der Einsamkeit,…
Mit diesen Zeilen von Joachim Ringelnatz möchte icheine Rede zum Sportetat beginnen. Es stimmt: Daseld ist nicht gerade üppig, aber ausreichend. Immerhinibt es 90 000 Vereine und 27 Millionen organisierteitglieder. Einer davon ist der FC Bundestag, in demh mitspiele. Jeder kennt unseren prominentesten Mit-pieler: Präsident Lammert kämpft auch mit.
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Dessen größter Beitrag zur Leistungsfähigkeit der
Mannschaft darin besteht, dass er selten aufläuft.
Danke. – Sport ist auch für die Charakterbildung gut
und wichtig. Sport ist auch eine Art Prävention.
Bleiben wir bei den Zahlen. Es ist ein Querschnitts-
etat. Im Einzelplan 06 stehen genau 154 Millionen Euro
zur Verfügung. Insgesamt, über alle Haushalte verteilt,
sind es 239 Millionen Euro. Das sind 4,4 Prozent mehr
Mittel für den Sport und nicht weniger, Frau Kollegin
Fograscher. Das zeigt, dass für diese Regierung Sport
eine Herzenssache ist. Wir haben für den Sport mehr
Geld zur Verfügung gestellt.
Beim Sport gibt es aber auch ein paar Dinge, die mir
nicht so gut gefallen. Ich nannte gerade die 239 Millio-
nen Euro vom Bund. Im Süden Deutschlands gibt es ei-
nen Verein, der einen Etat von 350 Millionen Euro hat.
Das ist ein Fußballverein; er spielt sogar heute Abend.
Dann kommt es immer wieder vor, dass es Randale,
Ausschreitungen gibt und dass unsere Polizisten ihren
Kopf und ihre Haut hinhalten müssen. Ich finde, es wird
Zeit, einmal Tacheles zu reden und etwas zu unterneh-
men. Dank an unsere Polizisten bei der Bundes- und
Landespolizei für diese Arbeit!
Ich komme nun zum anderen Punkt: Aufbau Ost. Das
ist, liebe Kollegen, wirklich eine Erfolgsgeschichte. Wenn
man sich einmal das Geld ansieht, das im Einzelplan 06
dafür veranschlagt ist, dann ist es keine Erfolgsge-
schichte, aber wenn man sich vergegenwärtigt, was seit
1990 bis heute in der ehemaligen DDR alles passiert ist,
dann sehr wohl. Ich habe einmal einige Zahlen herausge-
sucht. Es sind Unsummen von Geld; man glaubt das
kaum. Allein für die Infrastruktur wurden fast 100 Milliar-
den Euro ausgegeben. In die Sozialsysteme wurden mehr
als 500 Milliarden Euro investiert. Das heißt, der Aufbau
Ost ist eine Erfolgsgeschichte sondergleichen. Das muss
auch hier einmal ganz klar gesagt werden.
Es wird ja immer über den Solidarbeitrag diskutiert.
Natürlich hätte ich es gerne, wenn er abgeschafft würde.
Zahlte jemand ab einer Größe von 40 000 Euro Soli,
würde bei 90 Prozent der Bevölkerung der Soli in der
Gehaltsabrechnung nicht mehr erscheinen. Aber das ist
im Moment politisch noch nicht gewollt. Es wird aber
noch kommen. Der Soli wird übrigens von Ost und West
gezahlt. Deshalb bedanke ich mich bei unseren Freunden
im Westen, dass sie zur Einheit stehen und diese Einheit
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Nun wollen wir sehen, wie es den Änderungsanträgener Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ergeht.
Zunächst zum Änderungsantrag auf Drucksache7/7791. Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Wernthält sich? – Der Änderungsantrag ist abgelehnt.Wir kommen zum Änderungsantrag auf Drucksache7/7792. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? –er enthält sich? – Auch dieser Änderungsantrag hateine Mehrheit gefunden.Wir kommen schließlich zur Abstimmung über deninzelplan 06 in der Ausschussfassung. Wer dieser Be-chlussempfehlung zustimmt, den bitte ich um dasandzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthältich? – Damit ist der Einzelplan 06 mit den Stimmen deroalition gegen die Stimmen der Opposition angenom-en.Anlage 3)
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Präsident Dr. Norbert Lammert
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Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt II.9 auf:Einzelplan 16Bundesministerium für Umwelt, Naturschutzund Reaktorsicherheit– Drucksachen 17/7123, 17/7124 –Berichterstattung:Abgeordnete Bernhard Schulte-DrüggelteStephan ThomaeMichael LeutertSven-Christian KindlerIch verabschiede alle Kolleginnen und Kollegen ausdem Innenausschuss und alle anderen interessierten Mit-streiterinnen und Mitstreiter und wünsche noch einen an-genehmen Abend. Ich begrüße jetzt herzlich die Um-weltpolitiker sowie die diensthabenden Geschäftsführer.Zu diesem Tagesordnungspunkt liegen ein Ände-rungsantrag der Fraktion der SPD sowie fünf Ände-rungsanträge der Fraktion Die Linke vor.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache 90 Minuten vorgesehen. Brauchen wirdie wirklich? – Ich stelle fest: Wir fassen das ins Auge,bemühen uns aber, es notfalls vielleicht ein bisschen zü-giger zu machen. Dann haben wir das so vereinbart.Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-nächst dem Kollegen Dr. Matthias Miersch für die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichglaube schon, dass wir uns die 90 Minuten nehmen soll-ten; denn die Umweltpolitik hätte eigentlich einen vielgrößeren Stellenwert verdient.
Das, was wir heute Abend erleben – dass wir sozusagendie Letzten sind –, ist ein bisschen symbolisch für denheutigen Tag und für Ihre Art, Umweltpolitik zu ma-chen. Schwarz-gelbe Umweltpolitik ist im Momentnämlich das Letzte und am Ende.
Herr Umweltminister, wo sind Sie eigentlich
in all den letzten Wochen gewesen? Im Ausschuss warenSie nicht zu sehen, im Parlament nur wenig, und Sie ha-ben es noch nicht einmal geschafft, einen Vertreter IhresMinisteriums zu der Anhörung zum Thema Fracking,das die Leute nun wirklich landauf, landab bewegt, zuschicken.AgDUmmSesZhtevbApLIcdEdRdwndzGh–hradgSnk
uch dies ist ein Zeichen, liebe Kolleginnen und Kolle-en.
abei hätten Sie in diesem Auditorium sehr viel mehrnterstützer als in dem Kreis, mit dem Sie heute zusam-ensaßen. Sie saßen heute mit Herrn Ramsauer zusam-en, Sie saßen heute mit Herrn Pofalla zusammen, undie saßen mit Herrn Rösler zusammen. Sie haben wiederinmal eine Abfuhr bekommen. Auch dies ist für diechwarz-gelbe Bundesregierung leider ein schlechteseichen.
Ich glaube, es zeigt sich ganz eindeutig – nicht nureute, sondern auch in den nächsten Wochen und Mona-n –, dass Sie mit den großen Worten, die Sie immererkünden, an jemanden erinnern, der Seifenblasenläst: große Seifenblasen, bunt, farbig, gut aussehend.ber wenn sie auf dem Boden aufkommen, dann zer-latzen sie, und teilweise zerplatzen sie schon in deruft.
h will ein paar Beispiele nennen, Herr Meierhofer, anenen deutlich wird, dass es dabei leider um ganz fatalentscheidungen geht.Punkt eins. In den letzten Wochen war zu vernehmen,ass zwei Atomkonzerne beabsichtigen, gegen dieücknahme der hier beschlossenen und von Ihnenurchgesetzten Laufzeitverlängerung der Atomkraft-erke zu klagen. Dies wird ein Damoklesschwert fürachfolgende Parlamente und Regierungen sein, die Sieann wahrscheinlich nicht mehr symbolisieren. Daraneigt sich aber: Es war fatal, dass Sie sich mit den vierroßen ins Bett gelegt und Geheimverträge geschlossenaben und hier dachten, Sie könnten dealen.
Ja, ich weiß, Sie regen sich auf; aber das ist die Wahr-eit. Sie werden erleben, dass Sie ganze Behördenappa-te beschäftigen müssen, um die Angriffe abzuwehren,ie sowohl in Washington als auch in Karlsruhe anhän-ig sein werden. – Was wäre eigentlich gewesen, wennie auf uns gehört und diesen wirklich fatalen Fehlericht gemacht hätten? Sie hätten sich vieles ersparenönnen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Dr. Matthias Miersch
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Ein zweites Beispiel. Sie richten einen Klimafondsein. Aber wie speisen Sie diesen Klimafonds? Die Ab-sichten sind okay. Aber wie sind die Einnahmen gesi-chert?
Durch nichts.
– Frau Kollegin Flachsbarth, die erste Einnahmequelle,nämlich sogenannte Abgaben, haben Sie in dem Ge-heimdeal mit den großen vier Atomkonzernen verein-bart. Diese Vereinbarung ist null und nichtig. Das heißt,die erste Einnahmequelle ist schon einmal versiegt.Die zweite Einnahmequelle sind die sogenannten Zer-tifikate, bei denen Sie im Augenblick mit 17 Euro proTonne CO2 kalkulieren. 10 Euro sind es zurzeit. HerrRöttgen, das sind alles Luftnummern. Auch hier müssenwir Sie leider bremsen und sagen: Das ist keine verlässli-che Politik. So geht die Politik in die falsche Richtung.
Ein drittes Beispiel. Wir fahren in wenigen Tagen zu-sammen nach Südafrika.
– Ja, ich komme mit. – Dort wollen wir versuchen, an-dere Nationen, andere Kontinente zu überzeugen. Das,was Sie hier heute vorlegen, ist aber leider kein Vertrau-ensschritt, der im internationalen Kontext doch so wich-tig wäre. Es ist eine Missachtung, weil Sie die Zusagenin Bezug auf die Fast-Start-Mittel, die Sie in Kopenha-gen gemacht haben, nicht einhalten.
Obwohl es so wichtig wäre, beim Klimaschutz mitgutem Beispiel voranzugehen, zögern Sie. Sie riskierendas Schlimmste, was bei internationalen Verhandlungenpassieren kann, nämlich einen Glaubwürdigkeits- undVertrauensverlust. Das, was wir bei den Fast-Start-Mit-teln erleben, ist genau der falsche Schritt. Das ist keinegute Basis, um Schwellen- und Entwicklungsländer aufunsere gemeinsame Ebene zu ziehen.Ein weiterer Punkt, der heute ganz aktuell ist, ist dieFrage, wie es eigentlich mit den großen Programmenweitergeht, die die Große Koalition zu großen Teilennoch mit aufgelegt hat. Wie geht es weiter mit demMarktanreizprogramm, mit dem kommunalen Klima-schutz und mit der Energieeffizienz? Ihre Regierungkriegt es nicht einmal hin, die Minimalziele der Europäi-schen Union zu unterstützen. Das ist ein Armutszeugnisvon Schwarz-Gelb, das Sie hier abliefern.
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ein, ich glaube, es ist noch viel schlimmer. All diejeni-en, die die Energiewende nur aufgrund des öffentlichenrucks mit beschlossen haben – pauschal, symbolisch –,ommen jetzt aus den Löchern und setzen darauf, dassie es nicht hinkriegen. Das ist das falsche Signal.An diesem Haushalt sehen wir, dass es null Substanz der schwarz-gelben Umweltpolitik gibt. Deswegenönnen wir Ihnen nur sagen: Bitte ändern Sie Ihrenurs! Gehen Sie in eine andere Richtung, und machenie substanziierte Umweltpolitik!Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Nun erhält der Kollege Bernhard Schulte-Drüggelte
r die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichatte mich beim letzten Mal zu den Miersch-Pirouetteneäußert und mir einen bösen Zwischenruf eingehandelt. Jetzt möchte ich mich als Hauptberichterstatter beitephan Thomae, Sören Bartol, Uwe Beckmeyer, dertzt sein Nachfolger ist, Sven Kindler und Michaeleutert für die sehr überwiegend sachorientierte Bera-ng und die Debatte im Haushaltsausschuss ganz herz-ch bedanken. Allen Berichterstattern dafür ganz herzli-hen Dank.
Der Einzelplan 16 ist auf den ersten Blick wirklichlein; das will ich nicht abstreiten. Er hat einen Anteilon nur 0,5 Prozent am Gesamthaushalt. Aber er bildetben nur einen Teil des Gesamten ab. Da Sie den Stellen-ert angesprochen haben, möchte ich einmal die Summeennen, die im Bundeshaushalt 2012 insgesamt zur Ver-gung steht. Das sind 7,4 Milliarden Euro.
iese Größe zeigt den wirklichen Stellenwert. Dieserleine Haushalt macht davon nur 22 Prozent aus. Aberan muss einmal die Gesamtsumme sehen.
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16884 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011
Bernhard Schulte-Drüggelte
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Sie haben angesprochen, dass der Deutsche Bundes-tag das Zeitalter der erneuerbaren Energien beschlossenhat. Um die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen– das möchte ich deutlich sagen –, bedarf es einer finan-ziellen Ausstattung. Aber es bedarf auch guter Mitarbei-terinnen und Mitarbeiter in den Ministerien und in dennachgeordneten Behörden. Ich will sie einmal nennen:Das sind das Umweltbundesamt, das Bundesamt für Na-turschutz und das Bundesamt für Strahlenschutz.Ein Schritt in diese Richtung wurde mit dem Haus-haltsplan, der uns jetzt vorliegt und den wir verabschie-den wollen, erreicht. Das bedeutet natürlich neueStellen, wenn man die Aufgabe bewältigen will. Das be-deutet auch, dass Zeitkräfte in Planstellen überführt wer-den. Ich meine, dass es wichtig ist – das wird in dennächsten Jahren immer wieder angesprochen –, dassZeitarbeitskräfte nach Möglichkeit feste Stellen bekom-men, um wirklich qualifiziertes Personal zu gewinnenund auch zu halten. – Der ehemalige Umweltministernickt dabei.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei den Mitarbeiternim Umweltministerium ganz herzlich bedanken für dieZusammenarbeit und die ausführlichen Informationen,die von der Linken teilweise in großen Mengen angefor-dert worden sind, deren Wünschen aber stetig, genauund gewissenhaft entsprochen wurde. Herzlichen Dankdafür!Auch dieser Etat steht im Einklang mit den haushalts-politischen Zielvorgaben. Ein Ziel ist natürlich die Kon-solidierung des Haushaltes. Da wundert es nicht, wenndas Gesamtvolumen des Haushaltes im Jahr 2012 sinkt:von 1,63 Milliarden Euro auf 1,59 Milliarden Euro. Dasist eine leichte Veränderung, die aber zeigt, dass wirauch im Umweltbereich mit dem Geld der Steuerzahlersorgfältig und verantwortungsbewusst umgehen. Des-halb möchte ich die Anträge, die von der Linken und vonder SPD eingebracht worden sind – das sind wohlfeileErhöhungsanträge – deutlich zurückweisen.
– Du hast ein wunderbares Konzept geschrieben; ichhabe es gelesen. Es geht um 3 Milliarden Euro. Das istnatürlich auch ein bisschen viel.
– Das ist ein Gesamtkonzept; das ist etwas ganz anderes.Im Programmhaushalt gab es allerdings eine Verände-rung, und zwar die Möglichkeit, die Nachrüstung mitPartikelfiltern bei Dieselkraftfahrzeugen wieder zu för-dern. Es gab in den Jahren 2009 und 2010 schon einmaleinen Barzuschuss für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge.Das soll es jetzt wieder geben. Dafür ist ein Betrag von30 Millionen Euro zur Verfügung gestellt worden. Dasbetrifft ungefähr 90 000 Fahrzeuge. Diese Maßnahmesoll dazu beitragen, dass der gesundheitsschädliche Par-tindeednsluczbliggindvIscßafeEgtrreAZdDnlacdcsd–Vscc
afür stehen im BMU-Haushalt insgesamt 148 Millio-en Euro zur Verfügung. Dieser Betrag kann sich sehenssen.Ich möchte aber noch einen anderen Bereich anspre-hen: die Endlagerung. In der ersten Beratung habe ichie Endlagerung schwachradioaktiver Abfälle angespro-hen. Mittlerweile gibt es auch Anzeichen, dass eine Lö-ung für die Endlagerung hochradioaktiver Stoffe gefun-en werden kann.
Ich wollte es nur eben ansprechen.Vor zwei Wochen hat der Bundesumweltminister mitertretern der Länder über einen Endlagerkonsens ge-prochen. Minister Röttgen mahnte bei der Standortsu-he eine weiße Landkarte an, also eine völlig offene Su-he ohne Tabus. Nach diesem Treffen besteht zumindest
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011 16885
Bernhard Schulte-Drüggelte
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für mich die Hoffnung, dass ein Endlagersuchgesetz imKonsens erarbeitet werden kann. Die Möglichkeit be-steht.Es ist eine Vielzahl von Fragen zu klären, etwa ob esein Tiefenlager geben soll, ob der radioaktive Müll inSalz, Ton oder Granit eingelagert wird, ob die Lagerungrückholbar oder nichtrückholbar gestaltet werden solloder ob es vielleicht doch besser ein Kurzzeitendlagerwerden soll, wie es Professor Schilling vom KarlsruherInstitut für Technologie anregt.Es gibt viele Möglichkeiten, aber die Endlagerfragewird im Konsens gelöst oder gar nicht. Dieser Aussagedes Umweltministers stimme ich ausdrücklich zu undmöchte betonen, dass der Bundeshaushalt 2012 daraufvorbereitet ist, indem die Mittel für die Endlagersucheauf 3,5 Millionen Euro erhöht werden. Das war, glaubeich, ein richtiger Schritt, um auch da ein positives Signalzu setzen.Herzlichen Dank.
Ich registriere mit besonderem Respekt, dass es der
Berichterstatter fertiggebracht hat, einen so komplexen
Etat in weniger als der ihm zugestandenen knappen Re-
dezeit angemessen zu behandeln.
Ich empfehle das als leuchtendes Beispiel und erteile
nun der Kollegin Dorothée Menzner für die Fraktion Die
Linke das Wort.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! DerHaushalt spiegelt nach unserer Einschätzung die Irrfahrtin der Frage der Atommüllverwahrung der letzten Jahreund Jahrzehnte wider.
Da haben wir keinen Konsens, Herr Kollege Schulte-Drüggelte. Ich bin nicht so optimistisch, und ich möchtedas hier an einigen Punkten deutlich machen.Sie haben recht: In der letzten Zeit ist immer wiederbetont worden, dass ergebnisoffen nach einem Standortfür die dauerhafte Verwahrung des Atommülls gesuchtwerden soll, dass Gorleben ergebnisoffen erkundet undein neues Suchverfahren angestrebt wird. Wenn wir al-lerdings wirklich ergebnisoffen nach einem bestmögli-chen Standort suchen wollen – das wird tagtäglich imUntersuchungsausschuss deutlich –, dann muss als Al-lererstes Gorleben aus dem Topf der möglichen Stand-orte heraus.
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Sie haben recht: Für die Standortsuche stehen zumrsten Mal 3,5 Millionen Euro zur Verfügung. Frühertand immer nur 1 Million Euro zur Verfügung, nämlichr technisches Equipment, also für Behälter etc. Somitaben wir jetzt 2,5 Millionen Euro mehr. Aber wenn wirns vor Augen führen, welche Aufgaben wir vor uns ha-en, sind 2,5 Millionen Euro deutlich zu wenig. Deswe-en beantragt meine Fraktion, 5 Millionen Euro imaushalt anzusetzen. Wenn wir wirklich ergebnisoffenuchen und die Frage der Rückholbarkeit klären wollen,erden wir mit 3,5 Millionen Euro nicht weit kommen.
Ich möchte im Einzelnen einige der Projekte, über dieir in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten immerieder diskutiert haben, beleuchten. Erstens: Gorleben.ie sehen einen Ansatz von 73 Millionen Euro vor. Wohlahr, ein Teil davon wird über die EVUs zurückkom-en. Ich habe zugegebenermaßen den Bundesanteil inieser Summe nicht gefunden. Wenn dem nicht so ist:o ist die Rückzahlung der EVUs verbucht? Wenn wirirklich ergebnisoffen suchen wollen, dann brauchenir keinen Weiterbau von Gorleben. Dann reichen Mit-l, um eine bergtechnische Sicherung von Gorlebenorzunehmen. Dafür reichen 25 Millionen Euro. Dahert es falsch, wenn Sie sagen, wir wollten immer nurehr Geld ausgeben. Da ließe sich sehr gut etwas ein-paren. Dass Gorleben ungeeignet ist, was das Deckge-irge, den Grundwasserkontakt oder das Gas betrifft, ist den letzten Monaten hinlänglich im Untersuchungs-usschuss deutlich geworden.
Zweitens: Schacht Konrad. Ich kann ihn nicht ganz sousführlich behandeln. Dafür haben Sie 209 Millionenuro vorgesehen. Wir sagen: Auch dort sind nur Maß-ahmen zur Grubensicherheit notwendig. Nicht nur dieinke, sondern auch die Menschen vor Ort, die sich sehrtensiv mit diesem Thema befassen, auch die Betriebs-te in den Werken in Salzgitter, halten den Schachtonrad für ungeeignet. Es handelt sich um ein altesergwerk mit großen sicherheitstechnischen Problemen.amals ist nicht der bestmögliche Standort, sondern einolitisch opportuner Standort ausgewählt worden. Also,uch dort gibt es Einsparmöglichkeiten. Ich möchte Sieoch auf eines hinweisen: Sie stellen 700 000 Euro für
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Dorothée Menzner
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den Salzgitter-Fonds ein. Diese Summe ist erstmalignicht gesperrt. Wenn Sie aber immer behaupten, derSchacht Konrad sei so sicher, dann frage ich Sie, warumes einen Nachteils- und Gefahrenausgleich für die örtli-chen Kommunen geben muss. Da beißt sich die Argu-mentation in den Schwanz. Diese 700 000 Euro könntenweggelassen werden.
Drittens und zu guter Letzt: die Asse. Sie haben dafüreinen Ansatz von 100 Millionen Euro. Der größte Teildavon ist für die Grubensicherung und für die Vorberei-tung der Vollverfüllung vorgesehen, nur 22 MillionenEuro für Planungen zur Rückholung. Da stellen sich mirschon einige Fragen: Wann wollen Sie denn konkret da-rangehen, diese Rückholung und das, was damit zusam-menhängen wird, in Angriff zu nehmen? Wenn wir demOptionenvergleich folgen und wirklich eine Rückholungin Angriff nehmen, werden wir oberirdisch ein Zwi-schenlager, zumindest für ein gewisse Zeit, brauchen.Wir werden eine Konditionierungsanlage brauchen. Alldiese Dinge wollen geplant werden. Dafür braucht esGrundstücke und Vorbereitung. Das ist mit 22 MillionenEuro nicht zu schaffen. Oder warten Sie ab, bis die Assenicht mehr standsicher ist und gar keine Option zurRückholung mehr bleibt? Da kann man doch sehr miss-trauisch werden.Fazit: Der Haushalt spiegelt nicht den vermeintlichenErkenntnisgewinn der schwarz-gelben Bundesregierungnach oder durch Fukushima wider. Es drängt sich derEindruck auf, es handelt sich doch in weiten Teilen umLippenbekenntnisse. Die Menschen merken das. DieMenschen erlangen so kein weiteres Vertrauen. Diesschafft kein Zutrauen, dass Politik verantwortungsvollmit den Gefahren umgeht.Sie ahnen: Jeder weitere Castor im schon vollen Zwi-schenlager Gorleben macht es wahrscheinlicher, dass derSchwarzbau eines Tages zum Einsatz kommt. Deswegenwerden sie am Wochenende zu Tausenden demonstrie-ren und Widerstand leisten, und die Linke mit ihnen.Ich danke.
Nächster Redner ist der Kollege Stephan Thomae für
die FDP-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnenund Kollegen! Ich möchte mich dem Dank anschließen,den der Kollege Schulte-Drüggelte schon an Ihr Haus,Herr Bundesminister, ausgesprochen hat. Auch IhrenMitarbeitern und selbstverständlich auch den Kollegin-nen und Kollegen Mitberichterstattern aus dem Haus-haltsausschuss möchte ich herzlich danken. Es war einsehr angenehmes Arbeiten, für mich mit sehr vielennfradSedzdEwzmagsrenladDbsbmicdmWis5tunimgFDFmdgevEdleDhgre
as ist ein Beitrag zur Umweltpolitik, den man nicht un-edingt sehen kann; denn der Feinstaub ist etwas Un-ichtbares.Aber das Schöne ist, dass Umweltpolitik auch sicht-are Dinge umfasst. Dabei bin ich im Etat des Umwelt-inisters auf die Allgäuer Moorallianz gestoßen. Wennh für meine Rede keine zeitliche Beschränkung hätte,ann würde ich jetzt anfangen, von meiner Allgäuer Hei-at zu schwärmen. Aber ich will es bei einigen wenigenorten belassen. Das zeigt, dass Umweltpolitik etwast, was für die Menschen wirklich sichtbar werden kann.Dabei geht es darum, dass wir ein Projekt mit26 000 Euro ausstatten, das Moorgebiete in einen na-rnahen Zustand zurückversetzen soll. Gerade in mei-er Allgäuer Heimat gibt es sehr viele Hochmoore, auch Übergang zwischen dem Alpenvorland und den All-äuer Hochalpen, wo eine ganz besonders spezifischeauna und Flora vorhanden ist. Das sind die sichtbareninge der Umweltpolitik.
In dem Bereich der Energiepolitik will ich nicht denachpolitikern ins Handwerk langen. Aber lassen Sieich Ihnen sagen, dass die Dimension des Ausstiegs auser Kernenergie und des Umstiegs in erneuerbare Ener-ien schon deutlicher sichtbar wird. Vor zehn Jahren gabs die Prognose, dass ein signifikant sinkender Energie-erbrauch und ein rasch steigender Anteil erneuerbarernergien irgendwann zusammengeführt werden undass der Energiebedarf irgendwann in naher Zukunft al-in aus erneuerbaren Energien gedeckt werden kann.as tritt leider nicht ganz so rasch ein wie damals er-offt. Nun haben wir die Aufgabe, die berechtigte ökolo-ische Euphorie mit ökonomischer Vernunft zu flankie-n. Dafür steht Minister Dr. Röttgen.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011 16887
Stephan Thomae
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Die Infrastruktur und insbesondere die Transportnetzemüssen ausgebaut werden. Wir müssen die Menschenbeim Bau von Windkraftanlagen, die landschaftsverän-dernde Auswirkungen nach sich ziehen, einbinden undsie davon überzeugen, welche Bedeutung und Dimen-sion die Energiewende hat. Das ist manchmal die unhüb-sche Seite der Energiewende. Aber dieser Herausforde-rung müssen wir uns stellen. In der Vergangenheit sindmanche Sachverhalte wie etwa die Auswirkungen vonOffshorewindanlagen in der Nordsee auf Meeressäuge-tiere vielleicht unterschätzt worden. Es gibt aber auchsehr positive Seiten der Energiewende wie etwa die De-zentralisierung der Stromerzeugung, die Entoligopolisie-rung der Stromwirtschaft, Chancen für mittelständischeEnergieerzeuger und Aufträge für das Handwerk.
Im Zusammenhang mit dem Thema Reaktorsicherheithaben Sie, Frau Menzner, den Salzgitterfonds angespro-chen. Ich weiß nicht genau, was Sie dagegen haben. DieNutzer des Endlagers, sowohl die Ablieferungspflichti-gen aus der privaten Wirtschaft als auch der Bund, wer-den verpflichtet, in diesen Fonds einzuzahlen. Bislangwaren die Mittel für den Salzgitterfonds – es handelt sichum eine Stiftungsgesellschaft mit beschränkter Haftung –mit einer Haushaltssperre versehen. Mittlerweile sind dieVoraussetzungen für die Aufhebung der Haushaltssperreerfüllt, sodass kein Grund mehr besteht, die Mittel längerzurückzuhalten. Nun wird der Salzgitterfonds zunächstmit 700 000 Euro ausgestattet.
So viel zu den drei Teilbereichen Umwelt, Energieund Reaktorsicherheit.Das Thema Umwelt wird nicht nur im Etat des Bun-desumweltministers behandelt. Es gibt viele andere Etats– etwa den Einzelplan 12 des Bundesministers für Ver-kehr, Bau und Stadtentwicklung oder den Einzelplan 23des Entwicklungshilfeministers –, in denen hohe Mittelfür den Umweltschutz eingestellt sind. Es handelt sichhierbei um eine echte Querschnittsaufgabe.Ich möchte Ihnen, Herr Bundesminister, eine glückli-che Hand für die weitere Amtszeit wünschen. Ich freuemich auf die weitere Zusammenarbeit, auch mit meinenKollegen Mitberichterstattern zu diesem Einzelplan.Vielen Dank.
Sven-Christan Kindler ist der nächste Redner für dieFraktion Bündnis 90/Die Grünen.NugtedgrewsMfiVIh„nAKdaDnfutiUdnvDhkdas–vbwtilebdEhreisp
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damennd Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 2010 warlobal betrachtet das heißeste Jahr seit Beginn der Wet-raufzeichnungen. Das zeigt ganz klar: Der Klimawan-el ist nicht nur die größte ökologische, sondern auch dierößte soziale und ökonomische Herausforderung unse-r Zeit. Diese Herausforderung ist riesig. Dieser müssenir uns stellen. Es reicht nicht, Herr Röttgen, immer nurchöne Reden zu halten. Wir müssen endlich handeln.it diesem Bundeshaushalt vergrößern Sie nicht nur dieskalische Verschuldung, sondern auch die ökologischeerschuldung.
Herr Röttgen, wie ich gelesen habe, feiern Sie undre Haushälter sich für den neuen SchattenhaushaltEnergie- und Klimafonds“. Schauen wir uns einmal ge-au an, was aus diesem Fonds finanziert werden soll.us dem sogenannten Klimafonds soll der Neubau vonohlekraftwerken finanziert werden. Dabei ist bekannt,ass Kohle ein Riesenklimakiller ist. Ihre Devise lautetlso: Raus aus dem Atom, rein in die schmutzige Kohle. –as zeigt, Herr Minister Röttgen, ganz deutlich, dass Sieoch immer nicht verstanden haben, wie Klimaschutznktioniert.
Man sieht an Ihrem Haushalt, dass Sie beim Subven-onsabbau keinen Schritt weiterkommen. Ihr eigenesmweltbundesamt hat 2008 errechnet, Herr Röttgen,ass es 48 Milliarden Euro umweltschädliche Subventio-en gibt, zum Beispiel beim Flugverkehr, bei Ausnahmenon der Ökosteuer, bei der LKW-Maut oder bei fettenienstwagen. Wir haben mit unserem Klimaschutzhaus-alt im Haushaltsverfahren gezeigt, dass wir kurzfristiglimaschädliche Subventionen in Höhe von 10 Milliar-en abbauen können. Sie von der Koalition haben allesbgelehnt. Sie wollten bei den Subventionen nichts ein-paren. Was haben Sie stattdessen gemacht? Sie wollendas ist das Schärfste – eine neue umweltschädliche Sub-ention zugunsten der Großindustrie beim Stromver-rauch einführen. Das zeigt, dass Sie haushaltspolitisch,ettbewerbspolitisch und vor allen Dingen umweltpoli-sch beim Subventionsabbau versagen.
Auch der Energie- und Klimafonds ist – das hat Kol-ge Miersch schon gesagt – massiv überbucht. Das ha-en die Haushaltsberatungen klar ergeben. Wir wissen,ie Zertifikateerlöse sind an den Klimafonds gekoppelt.s ist grundsätzlich richtig, Gelder aus dem Emissions-andel für den Umweltschutz zu verwenden. Aber Siechnen für das nächste Jahr mit 17 Euro pro Tonne – dast Ihre Planung –; am Markt sind es momentan 10 Euroro Tonne. Das heißt, im schlimmsten Fall muss 2012 der
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Sven-Christian Kindler
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Fonds im laufenden Verfahren um fast die Hälfte gekürztwerden, und zwar unter der Regie des Bundesfinanz-ministeriums. Da sitzt Staatssekretär Kampeter. Der wirdnachher darüber entscheiden, wo die Gelder hauptsäch-lich gekürzt werden. Das hängt mit der Konstruktion die-ses Schattenhaushalts zusammen. Es gibt kein Gesamtde-ckungsprinzip wie im Haushalt; der Fonds ist allein vonden Einnahmen abhängig. Das heißt, Sie sind bei derHaushaltspolitik unsolide, und das ist auch schlecht fürdie Umwelt- und die Klimapolitik.
Was versteckt sich noch in Ihrem Sondervermögen?Da gibt es einen Titel „Internationaler Klima- und Um-weltschutz“. Da sind 42,5 Millionen Euro eingeplant.Reife Leistung! 10 Prozent der Gelder, die in Kopenha-gen versprochen worden sind, stellen Sie in den Haus-halt ein. In Kopenhagen haben Sie den Entwicklungslän-dern noch vollmundig 420 Millionen Euro versprochen.
Sie brechen wieder das Kopenhagen-Versprechen.Außerdem haben Ihre eigenen Leute, Herr Röttgen,Ihre eigenen Haushälter von CDU/CSU und FDP, in derBereinigungssitzung 900 Millionen Euro an Verpflich-tungsermächtigungen gesperrt. Das ist wirklich einfachnur noch peinlich, Herr Röttgen. Es ist eine peinlicheKlimapolitik, die Sie auf internationalem Parkett ma-chen. Auf der Klimakonferenz in Durban wird klar wer-den: Ihre Politik ist international nicht zuverlässig undnicht glaubwürdig.
Sie, Herr Röttgen, reden immer von einem Konsens inder Endlagersuche. Nur, von einem solchen Konsens fin-den wir in diesem Haushalt nichts. Gegenüber 2010 ver-dreifachen Sie die Mittel für den Weiterbau in Gorlebenauf 73 Millionen Euro. Das ist das Gegenteil einer offe-nen und wissenschaftlichen Endlagersuche. Sie schaffenweiter Fakten in Gorleben, Sie treiben den Schwarzbauweiter voran, obwohl längst klar ist, dass das Endlager-projekt in Gorleben gescheitert ist. Diese Gelder müssenzurückgeführt werden. Wir brauchen endlich einen Bau-stopp in Gorleben.
Es ist jetzt auch schon klar: Die Strahlengrenzwertefür dieses Jahr im Zwischenlager sind längst überschrit-ten. Deswegen muss der Castortransport abgesagt wer-den.
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Und nun hat der Bundesminister das Wort, Kollegeöttgen.
Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,aturschutz und Reaktorsicherheit:Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen undollegen! Auch ich möchte mich zunächst für die gutend konstruktive Zusammenarbeit bei Herrn Leutert, beierrn Beckmeyer, bei Herrn Kindler, bei Bernhardchulte-Drüggelte und bei Herrn Thomae bedanken. Dast eine gute, eine unterstützende Zusammenarbeit. Dassan hier auch Unterschiede darstellt, ist völlig in Ord-ung, aber es gibt eben eine ganz konstruktive und sach-che Zusammenarbeit. Ich möchte mich dafür ehrlichedanken, weil sie der Sache dient. Herzlichen Dank fürie gute Kooperation an alle, an Opposition und Koali-on in gleicher Weise!
Es ist schon vielfach die Energiewende als das he-usragende Thema dieser Legislaturperiode angespro-hen worden. Bis auf eine Fraktion ist sie von allenraktionen hier beschlossen worden. Es gibt aber nochndere Themen. Ich glaube, dass wir gemeinsam daraufchten sollten, dass auch der klassische Naturschutz undndere Themen in der Öffentlichkeit vorkommen. Dieiodiversität ist ebenfalls ein herausragendes Thema.ir hatten gerade eine große Konferenz in Bonn zumusammenhang von Wasser, Ernährung und Energie.lso, es gibt auch noch andere Themen.Weil wir aufeinander eingehen wollen, miteinanderden wollen, möchte ich natürlich auch auf die Ener-iewende als das ganz sicher herausragende umweltpoli-sche Thema dieser Legislaturperiode eingehen.Herr Miersch, ich wollte Ihnen eigentlich ersparen, dashema noch einmal in Erinnerung zu rufen; aber irgend-ie zieht diese Peinlichkeit Sie immer an. Sie haben ge-agt, Sie haben den Ausstieg, der Teil der Energiewendet – es gibt einen Ausstieg und einen Einstieg –, durcherträge mit den Energieversorgungsunternehmen be-chlossen. Gerade darin besteht der Unterschied. Dienergiewende ist hier im Parlament durchgesetzt und be-chlossen worden, und hier gehörte sie auch hin. Rot und
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Bundesminister Dr. Norbert Röttgen
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Grün, Ihre beiden Fraktionen, haben einen Vertrag überden Ausstieg geschlossen, und das wird Sie immer be-gleiten. Das gehört ins Parlament; hier ist es beschlossenworden, und das ist auch richtig.
Ich will auf die weiteren Peinlichkeiten der vertragli-chen Regelungen hier nicht weiter eingehen.
Ich habe sie schon mehrfach erwähnt. Sie können gernimmer wieder darauf zu sprechen kommen. Ich werdeimmer wieder darauf hinweisen, dass diese Ener-giewende im Parlament beschlossen worden ist.
Die rot-grüne Energiewende ist durch einen Vertrag mitBetroffenen beschlossen worden.
Herr Minister, Sie beantworten doch sicher gerne
Zwischenfragen.
Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit:
Ich höre einen gewissen Unterton der Ungeduld, Herr
Präsident. Aber ich komme dem Wunsch gerne nach.
Das habe ich doch ausdrücklich erwartet. – Bitte
schön, Herr Kollege Kelber.
Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit:
Ich werde mich kurzfassen.
Herr Minister, ist Ihnen bewusst, dass der KollegeMiersch nicht die Beschlüsse vom Juni 2011 angespro-chen hatte, sondern die von Ihnen vorbereiteten Be-schlüsse vom Oktober 2010, deren Bestandteil die Ver-träge mit den Energiekonzernen über Zahlungen für dieLaufzeitverlängerung waren, wo Sie nach eigener Aus-sage den Saal verlassen hatten, bevor diese Verträge ab-geschlossen wurden?Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,Naturschutz und Reaktorsicherheit:Es mag ja sein, dass Sie sich immer noch damit be-schäftigen. Sie können auch gerne noch längere Zeit inder Vergangenheit leben. Wir leben in der Gegenwartund für die Zukunft.
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ahrscheinlich ist Ihnen entgangen, dass ich vor zweiochen die Länder eingeladen habe und wir zusammen-esessen haben. Das war übrigens das erste Zusammen-effen von Ländern und Bund seit über 30 Jahren, meineamen und Herren. Das ist die Wirklichkeit.
Sie haben – das ist das zweite große Versagen, das Sienge begleiten wird – parallel zu Ihrem Ausstieg einoratorium für die Erkundung beschlossen. Sie habenezidiert gesagt: Wir suchen nicht nach einem Endlager.ir verweigern uns der Aufgabe, strahlenden, hochra-ioaktiven Müll für Hunderttausende Jahre sicher zu ent-orgen. Das schieben wir der nächsten Generation vorie Füße, weil es unbequem ist. – Das ist ein weitererroßer Unterschied zwischen unserer Energiewende undrem Ausstieg.
ie haben sich weggeduckt, weil Ihnen die Aufgabe zuchwer war.Wir haben gemeinsam – Bund und Länder – etwas er-icht. Es sind dadurch also alle Parteien beteiligt, auchie Linkspartei. Dieser Konsens wäre nicht möglich ge-esen, wenn nicht der Ministerpräsident von Baden-ürttemberg sein Land für die Erkundung geöffnetätte.
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Bundesminister Dr. Norbert Röttgen
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Das war eine wichtige Veränderung; gar keine Frage. Derbayerische Ministerpräsident hat die Position Bayernsverändert. Jetzt sind wir aus nationalem Verantwortungs-bewusstsein zusammengekommen und haben gesagt: Diesicherstmögliche Entsorgung von hochradioaktiven Ab-fällen ist kein lokales und kein regionales Thema, auchkein Thema allein für Niedersachsen, sondern ein Thema,das in deutsche Verantwortung fällt, und zwar in die Ver-antwortung unserer Generation. Es wäre unmoralisch,den Müll ins Ausland zu schicken. Es wäre unmoralisch,das Problem der nächsten Generation ungelöst vor dieFüße zu schieben. Wir haben jetzt in Deutschland den si-chersten Ort zu suchen, und wir werden das Problem innationaler Verantwortung und – wie zugesichert mit Bür-gerbeteiligung – in transparenter Weise lösen. Ich bin fürdiese parteiübergreifende Bereitschaft zur Übernahmevon Verantwortung sehr dankbar. Vielleicht bringen auchSie sich konstruktiv ein und begleiten das Ganze nicht nurdestruktiv.
Machen Sie mit bei einem Verantwortungs- und Sicher-heitskonsens für Deutschland. Dazu lade ich Sie ein; esliegt in unser aller Verantwortung.
Ich komme zu weiteren Elementen der Energiewende,die wir nun konkret vollziehen. Sie ist beschlossen wor-den. Mit diesem Beschluss ist die Energiewende abernoch nicht vollzogen, sondern erst eröffnet worden. DieGesellschaft befindet sich in einem Aufbruch. Die Basis,die Kommunen, die Ingenieure, die Hochschulen, dieUniversitäten, die Unternehmen – sie alle machen mit.Auch hier lade ich Sie ein: Machen Sie ebenfalls mit.Sonst stehen Sie weiter außen vor.
– Ich sage Ihnen einfach, was wir machen und wo Sieauch etwas tun könnten. Ich komme nämlich zu denzwei Säulen der Energiepolitik: der Energieeffizienz undden erneuerbaren Energien.
Im Bereich der Energieeffizienz gibt es zwei heraus-ragende Themen. Das eine ist die Gebäudesanierung.Hier im Bundestag ist Folgendes beschlossen worden:Erstens. 1,5 Milliarden Euro für das KfW-Programm– mehr als Sie je beschlossen haben, mehr als wir in derKoalition beschlossen haben –, und zwar nicht als Kon-junkturprogramm, sondern dauerhaft für Deutschland.Das ist die Politik von CDU/CSU und FDP.dInvreisnPnOSdSfüutesissSznisDw2dwresdli1DeRsn
Zweitens. Der Wiedereinstieg in die steuerliche För-erung von energetischen Sanierungen – ein wirksamesstrument, hier im Hohen Hause beschlossen worden,erweigert von den Ländern, die von SPD und Grünengiert werden. Mit welchem Argument? Sie sagen: Dast ja gut und schön; aber wir wollen für energetische Sa-ierung, für Klimaschutz nichts bezahlen. Das ist Ihreosition. Reden Sie doch einmal mit den Ländern, in de-en SPD und Grüne regieren.
der haben Sie bei denen nichts zu sagen?
etzen Sie sich doch einmal bei Ihren eigenen Leutenafür ein, dass sie etwas machen. Hier klopfen Sie großeprüche, und in Ihren eigenen Ländern wird die Durch-hrung einer solchen Politik verweigert.Heute Abend hat der Vermittlungsausschuss getagt,nd schon wieder haben die von SPD und Grünen regier-n Länder gesagt: Nein, wenn wir etwas bezahlen müs-en, ist für uns das Ende von Umweltschutz erreicht. Dast unglaubwürdig, das ist peinlich, was SPD und Grüneich hier leisten.
o geht das nicht weiter. Sie müssen jetzt auch einmaleigen, ob Sie wirklich etwas zu sagen haben oder hierur Sprüche klopfen!Bleiben wir bei der Energieeffizienz. Energieeffizienzt die intelligenteste Form der Energiepolitik.
arum stellen wir sie in den Vordergrund. Darum habenir in unserem Energiekonzept eine Reduzierung von0 Prozent verabredet. Darum unterstützt die Koalitionie Vorschläge von EU-Kommissar Oettinger, europa-eit bis 2020 20 Prozent Energieeffizienz zu realisie-n.
Das werden wir – darüber sind sich der Bundeswirt-chaftsminister, die Bundesregierung und der Bun-esumweltminister einig – natürlich nur mit der verbind-chen Zielsetzung durchsetzen können, jedes Jahr,5 Prozent Energie zu reduzieren.
as ist die Politik, die wir betreiben werden. Ich lade Siein, bei der Durchsetzung dieser erstmals verbindlicheneduzierungsziele mitzumachen. Wir werden die ent-prechenden nationalen Maßnahmen hier im Parlamentoch beschließen.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011 16891
Bundesminister Dr. Norbert Röttgen
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Es liegt nämlich in unserem Interesse, die intelligentesteForm der Energiepolitik voranzutreiben. Wir sind dasLand der Effizienztechnologien. Darum werden wir siedurchsetzen. Wir wollen sie auch europaweit realisieren.Wir haben oft über die erneuerbaren Energien gespro-chen. Ich will Ihnen ein paar Fakten nennen, weil es ge-rade ein bisschen durcheinandergeht.
Erstes Faktum: Das neue EEG, so wie wir es gegenIhren Widerstand beschlossen haben, wirkt kostensen-kend. Es ist erfolgreich. Wir haben einen dynamischenAusbau der erneuerbaren Energien, und wir haben Preis-stabilität. Das haben wir immer gegen Sie durchgesetzt.
2008, ein Jahr vor meinem Amtsantritt, war die kleineDachanlage für Photovoltaik noch mit 46 Cent überför-dert. Es war eine Überförderung, die mein Vorgängerhier durchgesetzt hatte.
Inzwischen sind wir bei 24 Cent. Es wird wieder 15 Pro-zent Degression geben, weil wir ein neues System einge-führt haben. Damit wird die Photovoltaik bald zu einemder Kostensenker gehören. Sie war einmal Kostentreiberund kurz davor, die Akzeptanz zu verlieren. Wir habendas Ganze gedreht, indem wir eine vernünftige, intelli-gente Förderpolitik auf den Weg gebracht haben,
eine Politik mit mehr Marktorientierung, die zum Erfolgführt.Die Stromversorgung in Deutschland ist sicher, siebleibt sicher, und sie muss sicher sein, und zwar zu jederStunde im Jahr. Wir haben einen Kapazitätspuffer.Ebenso gibt es übrigens bei der EEG-Umlage einen Kos-tenpuffer, einen Sicherheitspuffer. All das ist konservativberechnet.Meine Damen und Herren, das Strompreisniveau iststabil. Wir haben zurzeit sogar etwas niedrigere Börsen-preise am Spotmarkt als vor der Energiewende. Alle, diebehauptet haben, die Netze kollabierten und die Preiseexplodierten, sind durch die Realität widerlegt worden.
Es ist unsere Energiewende, die erfolgreich ist; wir wer-den hier weitermachen.
Das gilt auch für das Kreislaufwirtschaftsgesetz, demdie von SPD und Grünen regierten Länder am Freitaghoffentlich zustimmen.
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ann werden Sie etwas feststellen, was ich weder miroch dieser Koalition ans Revers hefte – die Regierun-en unseres Landes haben das über Legislaturperiodeninweg gemeinsam aufgebaut, angefangen bei Klausöpfer bis hin zu Sigmar Gabriel und bis in die heutigeeit –: Deutschland steht für eine glaubwürdige Klima-chutzpolitik. Wir sind nicht die, die im Ausland nur re-en und im Innern nicht handeln.
ielmehr setzen wir die internationalen Verpflichtungen,ie wir im Ausland verlangen – sie sind unser Ziel –, imland um. Das ist die Basis der Glaubwürdigkeit unse-r internationalen Klimapolitik.
afür sind wir anerkannt; das wird auch so weitergehen.s ist gut so, dass das deutsche Konsenspolitik ist, dasss zum Konsens deutscher Politik zählt, internationalelimaschutzpolitik zu betreiben.
Insofern kann man sagen: Umweltpolitik, Energiepo-tik und Klimapolitik sind dank des Bemühens vielerndlich im Zentrum der deutschen und internationalenolitik angekommen. Das ist gut; denn es geht darum,ine Lebens- und Wirtschaftsweise zu entwickeln, dieich zu Wachstum und Fortschritt bekennt, ohne die Le-ensgrundlagen der nächsten Generationen aufzuzehren.as ist die konkrete Vision, an der wir arbeiten. Wirommen ihr immer ein bisschen näher, auch mit Ihrernterstützung.Vielen Dank.
Marco Bülow ist der nächste Redner für die Fraktioner SPD.
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16892 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-ren! Herr Röttgen, es ist in der Öffentlichkeit still um Siegeworden.
Man hat manchmal den Eindruck, dass Sie sich bei denwichtigen Themen verstecken. Doch wenn es Ihr Zielsein sollte, in Vergessenheit zu geraten, dann sind Sie aufdem richtigen Weg. Wenn es aber Ihr Ziel sein sollte,dass wir vergessen, dass es eine Energiewende gebensoll, die wirklich nachhaltig ist und von der man in Zu-kunft wirklich etwas hat, dann sollten Sie lieber nichtvergessen, dass wir noch da sind, um Sie daran zu erin-nern, so wie wir es heute bei der Haushaltsdebatte tun.
Herr Röttgen, ich möchte Ihren tollen Reden zu denerneuerbaren Energien und dazu, wie super sie seien, so-wie zur Endlagersuche etwas entgegenhalten. Sie erin-nern sich vielleicht nicht mehr daran, dass Sie einmal,beispielsweise 2006, Geschäftsführer Ihrer Fraktion wa-ren; das ist noch gar nicht so lange her. Ich erinnere michgut daran, dass Sie in diesem Haus zweimal gegen dasErneuerbare-Energien-Gesetz gesprochen und gestimmthaben und den Widerstand Ihrer Fraktion gegen die Er-neuerbaren organisiert haben. Ich erinnere mich auch gutdaran, dass sogar Sie persönlich – nicht jemand andersaus Ihrer Fraktion – dafür gesorgt haben, dass eine er-gebnisoffene Endlagersuche, so wie wir sie vorgeschla-gen haben, von der CDU/CSU abgelehnt worden ist. Dasist die Wahrheit; das ist im Protokoll nachzulesen.
Sprechen wir heute davon, dass Sie immer noch soviel Geld für Atomenergie und für die Forschung in die-sem Bereich und immer weniger für erneuerbare Ener-gien ausgeben. Sprechen wir davon, dass bei der Atom-energie – mein Kollege Matthias Miersch ist schon aufden Haushaltsposten eingegangen – sehr viele finan-zielle Risiken bestehen, die wir heute nicht überblickenkönnen, beispielsweise weil es Klagen der großen Ener-giekonzerne gibt und wir nicht wissen, wie sie ausgehen;schließlich hatten Sie den Atomausstieg zurückgenom-men, anstatt ihn unangetastet zu lassen. Ansonsten hät-ten wir diese Klagen jetzt nicht am Hals. Auch das müs-sen Sie sich selber ankreiden. Sprechen wir eben nichtnur davon, dass wir einen Atomausstieg haben, der eineEnergiewende bringt, sondern auch davon, dass wir beiden erneuerbaren Energien vorwärtskommen müssen.Dazu liegt aber nichts auf dem Tisch.Herr Schulte-Drüggelte, ich spreche gerne darüber,dass es den Posten Umwelt nicht nur im Haushaltsbe-reich, sondern auch in anderen Bereichen gibt. Schauenwir uns diese anderen Bereiche einmal genauer an. Ichglaube, Sie haben Kernfusion, Atomforschung usw. dorteingerechnet. Das ist für mich aber keine optimale Um-weltpolitik, sondern eine Politik von gestern. GeradewletoGgwteAresCrenaSbUocMRwwuDwIcbDA1vssfr3MaDwmhsliwdjaumaro
Ich möchte noch einmal auf die Kosten eingehen, diens eventuell im Atombereich erwarten. Viele glauben:ie Atomenergie ist jetzt am Ende, da die Atomkraft-erke in zehn Jahren abgeschaltet werden; das war’s.h möchte daran erinnern, dass uns ein langer Abrissevorsteht, der nicht in einigen Jahren zu bewältigen ist.ie ersten Rechnungen gehen davon aus, dass dieserbriss 18 Milliarden Euro kostet. Wenn heute von8 Milliarden Euro gesprochen wird, können wir uns gutorstellen, wie hoch die Summe in 10 oder 20 Jahrenein wird. Davon werden dann null Cent in die Endlager-uche bzw. in das Endlager geflossen sein. Die steuer-eien Rücklagen der Atomindustrie betragen aber nur0 Milliarden Euro. Ich frage: Wer bezahlt den Rest?an kann, glaube ich, an einer Hand abzählen, dassuch das dann auf unseren Haushalt zukommen wird.as betrifft nicht diese Generation, aber die nächsten.Wir können über weitere Kosten sprechen. Die Asseird 1,5 Milliarden Euro kosten, selbst wenn wir nichtsachen und sie versiegeln. Wenn wir die Sachen heraus-olen, liegen die Schätzungen bei einem Betrag zwi-chen 3 und 6 Milliarden Euro. Morsleben wird 2 Mil-arden Euro kosten. All das summiert sich und zeigt,ie teuer die Atomenergie ist. Dadurch wird aufgezeigt,ass das Märchen von der billigen Atomenergie, das Siehrelang erzählt haben, eine große Lüge ist. Das wirdns bei der Diskussion über den Haushalt einholen.
Ich spreche das ITER-Projekt an. Es würde noch ein-al um 1,3 Milliarden Euro teurer werden, und es wirdndere Forschungsprojekte verdrängen, die wir in Eu-pa dringend benötigen. Es wird auch all das verdrän-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011 16893
Marco Bülow
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gen, was in 40 Jahren vielleicht einmal zu Forschung imEnergiebereich führen wird. Aber auch das hat manschon vor 20 Jahren gesagt.Ich möchte jetzt gerne – weil es zur Situation passt –ein Zitat des leider viel zu früh gestorbenen HermannScheer vortragen. Er hat gesagt:Auch auf dem Weg zur solaren Weltwirtschaft wirdes Umwälzungen geben, die nahezu alle bestehen-den Interessen tangieren. Es wird zahlreiche Kon-flikte geben. Um ihnen auszuweichen, bleiben vielevor der entscheidenden „Quellenfrage“ stehen oderstellen sie nur leise – erst für spätere Zeiten. Aber jelänger die Weltwirtschaft von den fossilen Energie-und Rohstoffquellen abhängig bleibt, desto schwer-wiegender werden die Folgen sein.Das sagte er 1999, also vor zwölf Jahren.Dies war sehr weitsichtig. Diese Worte könnten auchheute der Maßstab für unsere Debatte sein. Genau dieseWorte galten in den letzten zwölf Jahren. Sie in derUnion und in der FDP haben die Erneuerbaren lange be-kämpft. Als der Erfolg und die Beliebtheit der Erneuer-baren bei der Bevölkerung nicht mehr zu leugnen waren,sind Sie auf den Zug aufgesprungen. Dennoch schaffenSie es nicht, auf die Konflikte einzugehen, um die Er-neuerbaren wirklich durchzusetzen und um sie nicht nurdahindümpeln zu lassen.Genau das müssen wir machen. Wir müssen auch be-ginnen, im Wärmebereich weiterzukommen, und wirmüssen bei der Energieeffizienz vorankommen. Auchmüssen wir endlich damit beginnen, die restriktivenGrenzen, die es in einigen Ländern gibt, abzubauen. DesWeiteren müssen wir zum Beispiel die Binnenkraft vonWind weiterentwickeln. Zu all dem gibt es keine Vor-schläge in Ihrem Haushaltsbereich; aber genau diesebrauchen wir.Ich komme zum Schluss. Eins ist klar: Wir werdenSie weiterhin dazu antreiben, Vorschläge zur Energie-effizienz und zu den erneuerbaren Energien zu machen.
Sie können diese Vorschläge weiterhin ablehnen; aberam Ende wird es so sein, dass sie sich durchsetzen wer-den, so wie sich die erneuerbaren Energien durchgesetzthaben, obwohl Sie sie lange bekämpft haben. Dafür wer-den wir weiterhin kämpfen.Danke schön.
Michael Kauch ist der nächste Redner für die FDP-
Fraktion.
Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Bülow,
wir sind fast im gleichen Alter; Sie sind ein bisschen
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uf der anderen Seite geht es beim Thema Asse um Ein-
gerungen, für die jede Bundesregierung seit 1965 Ver-
ntwortung trägt.
er frühere Forschungsminister von Dohnanyi – in
lammern: SPD – hat im Jahr 1972 erklärt, dass das
indringen von Wasser mit an Sicherheit grenzender
ahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist. Deshalb sollten
ir uns nicht um die Vergangenheit kümmern, in der wir
lle Fehler gemacht haben, und zwar alle politischen La-
er. Vielmehr sollten wir uns um die Zukunft kümmern.
enau das tut diese Bundesregierung.
Herr Kollege Kauch, darf Ihnen der Kollege Lenkert
ine Zwischenfrage stellen?
Nein.
Wir als christlich-liberale Koalition setzen mit demorliegenden Bundeshaushalt erneut ein wesentlicheseichen für den Naturschutz. Diese Koalition gibt imaturschutzbereich mit dem Bundesprogramm „Biologi-che Vielfalt“ etwa doppelt so viel Geld aus wie der rotemweltminister Gabriel während seiner Regierungs-eit. Das ist ein Fortschritt für den praktischen Natur-chutz in Deutschland, den diese Koalition erreicht hat.
Wir beschränken uns bei unseren Naturschutzmaß-ahmen nicht auf Deutschland, sondern wir setzen ge-de im Bereich des internationalen Klima- und Umwelt-chutzes klare Zeichen. Sie picken sich einzelnetatpositionen aus dem Energie- und Klimafonds undagen: Das sind nur 39 Millionen. Ich weise Sie daraufin, dass Entwicklungsminister Niebel über 1 Milliardeuro für den internationalen Umwelt- und Klimaschutzufbringt, und zwar gemeinsam mit den Kollegen auser Unions- und der FDP-Fraktion. Er ist der Klima-chutzminister im Bereich des internationalen Umwelt-chutzes.
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16894 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011
Michael Kauch
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Das sind die Mittel, über die wir hier reden müssen.
Es ist völlig abwegig, wenn hier so getan wird, alswürde sich die Problematik des globalen Biodiversitäts-schutzes und des globalen Klimaschutzes an der Frageentscheiden, auf welchem Weg man das Yasuní-Gebietschützt.
Diese Koalition hat sich darauf verständigt: Wir werdenProjekte in Yasuní fördern.
Wir werden sie nach den Maßstäben fördern, die die Ver-einten Nationen im Zuge des Mechanismus REDD+ ver-einbart haben.
Das haben wir parteiübergreifend mit Erfolg verabschie-det.Es ist völlig abwegig, wenn Sie sagen: Nur mit demYasuní-Fonds, den die ecuadorianische Regierung vor-schlägt, kann man den Regenwald schützen. Es müssteauch Sie stutzig machen, wenn die italienische Regie-rung der ecuadorianischen einen Brief schreibt und er-klärt: Wir möchten gerne in den Fonds einzahlen, aberwir fordern Transparenz. Wir möchten wissen, wie mitdem Geld umgegangen wird. – Daraufhin sagte Ecuador:Nein, das wollen wir aber nicht. – Da müssen wir unsdoch fragen, wie Steuermittel ausgegeben werden sollen.
Wir gehen den Weg, den die Vereinten Nationen vor-geben. Wir richten uns nach den Treibhausgasemissio-nen. Das gilt für alle Länder gleichermaßen, für die ar-men und für die ressourcenreichen. Der Wald in einemnicht rohstoffreichen Land ist nicht weniger wert als derin einem Land, in dem Öl und Gas unter den Wäldernliegen. Das ist auch eine Frage der globalen Gerechtig-keit.
Die sozialdemokratische Partei sollte sich diesbezüglicheinmal positionieren.
Herr Kollege Kauch, darf der Kollege Kindler eine
Zwischenfrage stellen?
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Wir kommen zum Energie- und Klimafonds. Diese
oalition hat sichergestellt, dass die Versteigerungs-
rlöse vollständig in den Energie- und Klimafonds ein-
estellt werden. Das hat das Parlament früher immer ge-
rdert. Parteiübergreifend haben wir dafür gesorgt, dass
er Widerstand von Sigmar Gabriel gebrochen wurde. Er
ollte den Energieversorgern die Emissionsrechte wei-
rhin kostenlos zuteilen. Dieses Parlament hat gemein-
am durchgesetzt, dass sie versteigert werden, und zwar
dem Maße, wie die Europäische Union dies zulässt.
ir haben damals gemeinsam gesagt: Wir wollen, dass
iese Mittel dem Klimaschutz zugutekommen. Genau
as hat diese Koalition beschlossen. Seien Sie doch nicht
o neidisch, sondern freuen Sie sich mit uns über diesen
rfolg dieses Parlaments.
Wir werden diesen Weg weitergehen. Wir werden in
uten und in schlechten Zeiten von der Entwicklung der
reise für die CO2-Emissionszertifikate profitieren. Das
inanzministerium wollte 2010 eine Deckelung. Es
ollte, dass der zusätzliche Gewinn, den man in guten
eiten aufgrund eines hohen Preises für CO2-Emissions-
ertifikate erzielen kann, in den allgemeinen Haushalt
ießt. Das haben die Koalitionsfraktionen, die Fraktio-
en von FDP und Union, verhindert. Wir haben erreicht,
ass dieses Geld vollständig in den Klimaschutz geht, in
uten und in schlechten Zeiten.
Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage zu? –
ein.
Meine Damen und Herren von der SPD, Sie habenas Gebäudesanierungsprogramm auf drei Jahre befris-t. Wir haben es entfristet. Wir haben es dauerhaftnanziert. Wir haben es mit 1,5 Milliarden Euro Pro-rammvolumen ausgestattet. Deshalb sind wir diejeni-en, die die Energieeffizienz in diesem Land vorange-racht haben.Vielen Dank.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011 16895
Michael Kauch
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Zu einer Kurzintervention hat der Kollege Lenkert
das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr
Kollege Kauch, ich möchte Sie für den Fall, dass es Ih-
nen entgangen ist, ganz kurz informieren: Das Endlager
Morsleben hatte nur eine vorübergehende Genehmigung
erhalten. Diese ist 1989 ausgelaufen. Die Evaluierung
fand nie statt. Im Gegenteil: Die damalige schwarz-gelbe
Bundesregierung hat die Genehmigung ungeprüft ver-
längert. Sie hat sogar dafür gesorgt, dass inzwischen an
die 60 Prozent des Atommülls der Atomkonzerne der al-
ten Bundesländer kostengünstig in Morsleben entsorgt
werden konnten. In der Anhörung haben wir gefragt
– das wissen Sie, falls Sie zugehört haben –, welche
Kosten für die Einlagerung zugrunde gelegt wurden.
Uns wurde gesagt: Natürlich die Kosten für das Herun-
terbringen und für das Bewachen des Lagers für die
Dauer von 20 Jahren, mehr nicht. Ich fragte: Warum
nicht? Die Antwort: Wir konnten es ja nicht kalkulieren,
und weil wir es nicht kalkulieren konnten, konnten wir
es nicht ausrechnen.
All dies wurde unter Schwarz-Gelb eingeführt. Jetzt
betragen die Kosten für die Sanierung von Morsleben
mehrere Milliarden Euro. Das hat definitiv Schwarz-
Gelb zu verantworten.
Damals waren Sie an der Regierung. Bitte nehmen Sie
das zur Kenntnis, und erklären Sie hier nicht, dass das
eine Altlast der DDR sei. Sie haben das erst zu einer Alt-
last werden lassen. Es war vorgesehen, das zu überprü-
fen. Sie haben das verhindert. Sie haben die billige Gele-
genheit genutzt, Ihre Atompolitik umzusetzen und ein
Lager zu schaffen.
Ich erinnere auch daran, dass vor kurzem Atommüll
des Forschungsschiffs „Otto Hahn“ und des Kernfor-
schungszentrums Karlsruhe nach Lubmin transportiert
worden ist, obwohl ursprünglich zugesagt war, dass dort
nur Atommüll aus alten DDR-Anlagen eingelagert wird.
All dies sind Versprechen, die Sie gebrochen haben.
All dies geschah im Interesse der Atomindustrie. Wenn
Sie mit dieser Politik weitermachen, haben Sie all das
verdient, was Sie erwartet.
Ich danke Ihnen.
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Sie, die SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag, soll-
n sich einmal vor Augen führen, welche Verantwor-
ng die Landesregierungen haben. Sie als Opposition
n hier so, als wäre das alles nichts wert. Es hat einen
roßen Wert, wenn wir endlich einen nationalen Kon-
ens über die Endlagerung bekommen. Ich erwarte von
er Opposition in diesem Bundestag, dass sie sich in
onsensgespräche begibt, sich nicht verweigert und sich an
er baden-württembergischen Landesregierung orientiert,
der sie anscheinend in der Tat nichts zu sagen hat – zum
lück.
Kollegin Sabine Stüber ist die nächste Rednerin für
ie Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-en! Mir geht es heute um zwei Dinge: um den Yasuní-egenwald in Ecuador und um das Weltnaturerbe „Alteuchenwälder Deutschlands“.Ich war vor sechs Wochen in Ecuador und habe dorten Naturreichtum im Yasuní-Nationalpark gesehen undit den Menschen gesprochen. Ob ich den Taxifahrerder die Kassiererin im Supermarkt fragte: Alle wollen,ass der Regenwald gerettet wird. Hier geht es imahrsten Sinne um Sein oder Nichtsein. Es geht darum,
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16896 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011
Sabine Stüber
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ob der Regenwald im Yasuní mit seiner einmaligen Ar-tenvielfalt erhalten bleibt oder ob er für ein weiteres Öl-feld geopfert wird.Außerdem geht es um die Glaubwürdigkeit Deutsch-lands. Warum? Ecuador hat den Vorschlag gemacht, dieriesigen Erdölvorkommen unter dem Yasuní-National-park für den Klimaschutz und den Erhalt der biologi-schen Vielfalt im Boden zu lassen. Bedingung ist, dassdie internationale Gemeinschaft die Hälfte der Einnah-men, auf die das Land verzichtet, aufbringt. Auch aufBetreiben Deutschlands wurde dafür ein internationalerFonds eingerichtet. Mit dem eingezahlten Geld – hörenSie zu, Herr Kauch – sollen Projekte für erneuerbareEnergien und Aufforstung finanziert werden.
Die Menschen sollen ein Recht auf ihre traditionelleLebensweise haben. So versucht Ecuador, eine nachhal-tige Entwicklung der Gesellschaft einzuleiten. Für dieBevölkerung Ecuadors liegt so viel Hoffnung darin, dasserstmals der Regenwald in seiner Bedeutung über dieÖlausbeutung gestellt wird. Ich finde es großartig, Kol-leginnen und Kollegen, dass die mehrheitlich arme Be-völkerung bereit ist, von dem wenigen, was sie hat,selbst in den Fonds einzuzahlen.
Zur Erinnerung: 2008 fasste der Deutsche Bundestagden Beschluss, diese Idee zu unterstützen und Gelder be-reitzustellen. Unterdessen gibt es den Fonds, der von denVereinten Nationen verwaltet wird. Aber es gibt hierzu-lande auch den Entwicklungsminister Niebel. Der wie-derum will das alles nicht mehr, was vor wenigen JahrenKonsens im gesamten Deutschen Bundestag war.
In dem Haushaltsplan, um den es heute geht, findet sichkein einziger Euro für die Yasuní-Initiative. Es kanndoch nicht sein, dass Deutschland auf Wunsch eines ein-zelnen Herrn einen Beschluss des Bundestages kippt.
Deshalb wollen wir Linken, dass die bereits zugesagtenGelder für den Yasuní-Regenwald auch in diesen Haus-halt eingestellt werden.
Nun zurück zu unserem Land: Wir sind in der glückli-chen Lage, Kolleginnen und Kollegen, dass im letztenSommer 4 400 Hektar Buchenwald zum Weltnaturerbeerklärt wurden. Um auf die Weltnaturerbeliste derUNESCO zu kommen, muss ein Gebiet für die Welt ein-zigartige Naturwerte besitzen, und diese müssen zudemdurch gute Schutzmaßnahmen gesichert sein. Vor zweiJahren wurde das Wattenmeer zum Weltnaturerbe er-klärt,nzdGRDbWDzeWfüDsuMIcWreBhSDÜzVshd
un sind es die alten Buchenwälder Deutschlands, undwar die fünf wertvollsten naturnahen Buchenwälder,ie wir haben. Bei mir in der Uckermark gehört derrumsiner Wald dazu.Es freut mich übrigens, Herr Röttgen, vom Stolz deregierung auf die Anerkennung der alten Buchenwäldereutschlands als Naturerbe zu hören. Nur: So ein Erberingt auch Verpflichtungen mit sich.
ie heißt es doch? Eigentum verpflichtet.
as kostet meistens Geld. Allerdings taucht im Etat desuständigen Bundesumweltministeriums das Weltnatur-rbe nicht einmal als Begriff auf. Das soll sich ändern.
ir Linken halten einen eigenen Titel „Weltnaturerbe“r dringend geboten.Vielen Dank.
Bärbel Höhn ist die nächste Rednerin für Bündnis 90/
ie Grünen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Haushaltsdebattenind immer Debatten von großen Inhalten. Heute geht esm die Energiewende, und zwar um all die Punkte, Herrinister, die Sie eben in Ihrer Rede erwähnt haben.
h will dabei die Kollegen von der SPD unterstützen.ir alle – außer der Linken – haben im Juni dieses Jah-s gemeinsam den Atomausstieg beschlossen.Wenn ich hier höre, wie Sie, Herr Minister, sich zumeispiel zur Klage der Energiekonzerne äußern, dannabe ich den Eindruck, dass Sie die auf die leichtechulter nehmen. Das sollten Sie nicht tun.
as, was Rot-Grün vor zehn Jahren beschlossen hat – imbrigen in einem offenen Prozess mit den Energiekon-ernen und nicht in Geheimverhandlungen –, hatte denorteil, dass die Konzerne ihre Unterschrift darunter ge-etzt haben und deshalb nicht mehr klagen konnten. Jetztabe ich den Eindruck die Klagen, die nehmen Sie aufie leichte Schulter. – Wir haben doch gerade in diesem
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011 16897
Bärbel Höhn
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Jahr erlebt, was passiert, wenn die Bundesregierung eineKlage der Energiekonzerne auf die leichte Schulternimmt. Dabei ging es um die Netzproduktivität. Für dieVerbraucherinnen und Verbraucher bedeutet dies nun imnächsten Jahr bei den Energiekosten 1 Cent pro Kilo-wattstunde mehr. Deshalb sage ich: Nehmen Sie die Kla-gen nicht auf die leichte Schulter, sondern tun Sie alsBundesregierung etwas, damit Sie diese Klagen gewin-nen und nicht verlieren.
Zu den nächsten Punkten: Damit, dass Energieeffi-zienz und erneuerbare Energien, wie Sie, Herr Röttgen,hier sagen, die zwei Säulen der zukünftigen Politikseien, haben Sie recht. Aber Sie müssen auch die ganzeWahrheit sagen. Dabei geht es zum Beispiel auch umGebäudesanierung: Da haben Sie gesagt, die rot-grünenLänder würden sich im Vermittlungsausschuss nicht be-wegen. Ich entgegne Ihnen: Während der Debatte habeich über Facebook die Meldung bekommen: „Ein Ver-mittlungsausschuss der besonderen Art: Koalition ohneirgendein Angebot bei CCS und CO2-Gebäudesanie-rung …“. Sagen Sie die ganze Wahrheit, wenn Sie hiereine Rede halten, und nicht nur die halbe! Das erwarteich von Ihnen.
– Das hat Volker Beck gesagt, der immer fleißig beimTwittern ist und, gerade was Twitter angeht, immer aufdem neuesten Stand ist.
Ich komme nun zu der Regelung, die Sie heute mit Ih-rem Kollegen Rösler getroffen haben. Diese interessiertmich; diese habe ich mir nämlich genau angesehen. Sieschreiben zum Beispiel in einer Passage: „Deutschlandunterstützt das Ziel der Kommission, in Europa 20 Pro-zent Einsparung bis 2020 zu erreichen.“ Was sagen Sieeigentlich zu einem verbindlichen Ziel?
Es geht nicht darum, dass Sie das begrüßen. Es geht da-rum, dass Sie sagen: Dieses Ziel muss verbindlich fest-gelegt werden. – Wird es jetzt verbindlich festgelegt: jaoder nein?
Ich sehe das nicht. Deshalb ist das eine Luftblase, HerrRöttgen. Sie formulieren immer große Ziele,
sogar bis 2020, wenn Sie nicht mehr im Amt sind; aberdiese Luftblasen zerplatzen schneller, als Sie denken.Das ist ein großes Problem bei Ihnen.whVnüPtareUHwmsMvdcinbBsk1mzsgzh22sED
Jetzt zu den erneuerbaren Energien. Ich hätte mir ge-ünscht, Herr Röttgen, dass Sie Ihren Kollegen Röslereute in die Schranken verwiesen hätten.
or wenigen Tagen hat er nämlich die Branche der Er-euerbaren enorm verunsichert. Mit seinen Aussagenber einen festen Deckel bei 1 000 Megawatt bei derhotovoltaik gefährdet dieser Wirtschaftsminister Zehn-usende von Arbeitsplätzen im Bereich der erneuerba-n Energien, und zwar in kleinen und mittelständischennternehmen.
err Rösler nennt sich „Bundeswirtschaftsminister“ undill angeblich ein besonderer Freund der kleinen undittleren Unternehmen sein!Kommen wir zu dem nächsten Punkt, den Sie ange-prochen haben: zum Thema Endlager und zu Gorleben.an muss sagen, Herr Röttgen: Solange Sie weiterhin soiel Geld, nämlich 73 Millionen Euro, in den Ausbaues Standortes Gorleben stecken, sind Sie an einer Su-he, die sich auf ganz Deutschland erstreckt, gar nichtteressiert. Stattdessen wollen Sie den Standort Gorle-en nach vorne treiben. Das ist nicht in Ordnung, Herrundesumweltminister.
Sehen wir uns den Klimafonds an. Die Einnahmenchmelzen wirklich wie Butter in der Sonne. Der Zertifi-atspreis beträgt eben nicht 17 Euro, sondern nur0 Euro pro Tonne Kohlendioxid. Das bedeutet, dass wirit ungefähr einem Drittel, vielleicht sogar mit 40 Pro-ent weniger Einnahmen rechnen müssen. Das wirktich auf alle Projekte im Zusammenhang mit der Ener-iewende aus.Auch hier könnte man anders vorgehen. Sie könntenum Beispiel das, was Sie vor anderthalb Jahren gesagtaben, in die Tat umsetzen. Damals haben Sie gesagt:0 Prozent CO2-Reduktion vor der Wirtschaftskrise009 sind wie 30 Prozent CO2-Reduktion nach der Wirt-chaftskrise 2009. – Warum fordert Deutschland in derU nicht offensiv eine CO2-Reduktion um 30 Prozent?as wäre das, was wir von Ihnen erwarten.
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Bärbel Höhn
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Dann würden wir durch die Zertifikate auch erheblichmehr Einnahmen erzielen. Warum also sagen Sie nichteinfach, wie es auch Großbritannien getan hat: „Wir le-gen bei den CO2-Zertifikaten einen Mindestpreis fest“?
Sie hätten viele Möglichkeiten, ehrgeiziger zu sein. Siesind es aber nicht.Ich komme zum Schluss.
Herr Röttgen, Sie reden hier jedes Mal über Naturschutz.Sie reden auch jedes Mal über Biodiversität. Wenn Ihnendie Biodiversität wirklich am Herzen liegt, dann fordereich Sie auf: Stoppen Sie Ihre Kollegin, die Bundesland-wirtschaftsministerin, die mit ihrer Landwirtschaftspoli-tik Maismonokulturen fördert, und zwar in einem sol-chen Ausmaß, dass wir jeden Tag an Biodiversitätverlieren! Also: Reden Sie nicht nur, sondern handelnSie endlich!
Christian Ruck ist der nächste Redner für die CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Mit den diesjährigen Haushaltsberatungen be-finden wir uns in der Tat in einer historischen Phase derdeutschen Umweltpolitik, die jedoch vor allem bei Ihnenvon Rot-Grün – das zeigt Ihre doch etwas kleinkariertePolemik – nicht den entsprechenden Widerhall gefundenhat.Frau Höhn, der Beschluss zum Atomausstieg und zurEnergiewende, den die christlich-liberale Koalition unddas Parlament getroffen haben – Sie haben ihn ja mitge-tragen –, hat natürlich etwas Visionäres. Der Kraftakt,den Minister Röttgen, das Bundeskabinett und wir alleunternommen haben, reicht bis ins Jahr 2050. Ich ver-stehe nicht, wieso Sie kritisieren, wir hätten immer sehrweitschweifende Pläne. Für die Energiewende brauchenwir natürlich Pläne bis zum Jahr 2050. Ich danke vor al-lem dir, lieber Norbert Röttgen, für die Hartnäckigkeitund für die Ausdauer, mit der du die Energiewende be-trieben hast.Unsere Beratungen finden am Vorabend richtungs-weisender internationaler Klima- und Umweltkonferen-zen in Südafrika und Brasilien statt. All dies, meine Da-mugfüdmdliEe7IcErüinaIcabmhgim–DlitiudHliakS
h verstehe nicht, wie Sie angesichts von 780 Millionenuro sagen können, das sei nichts. Schauen Sie sich da-ber hinaus die Verpflichtungsermächtigungen für denternationalen Bereich in Höhe von 950 Millionen Euron.
h muss sagen: Ich bin auch für meine Fraktion stolzuf das, was wir hier eingerichtet und durchgesetzt ha-en.
Sie haben nichts gemacht. Schauen Sie sich doch ein-al an, wie Sie den BMZ-Haushalt und den Umwelt-aushalt hinterlassen haben, als die Grünen noch mitre-ieren durften. Das waren alles Peanuts – vor allem auch internationalen Bereich.
Herr Kelber, wissen Sie, warum das gesperrt ist?
as kann ich Ihnen sagen. Das BMF sagt nämlich natür-ch völlig zu Recht: Wir warten erst einmal die interna-onalen Verhandlungen ab,
nd wir wollen die Pläne für die langfristigen Projektees BMZ sehen. Das würde ich genauso machen. Da Sie,err Kelber, und auch Sie, Herr Bülow, sich offensicht-ch im BMZ nicht auskennen: Die Kollegen im BMZrbeiten mit Hochdruck an diesen Plänen und diesenonkreten Projekten.
o viel Zeit muss man ihnen lassen.
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Dr. Christian Ruck
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Ich möchte an etwas erinnern, was auch KollegeKauch schon gesagt hat, dass wir nämlich allein imHaushalt des BMZ 1,5 Milliarden Euro für den interna-tionalen Klima- und Waldschutz zur Verfügung stellen.Unter der rot-grünen Regierung, also als die Grünennoch mitregierten, war das nur ein Zehntel dieserSumme. Das sollten Sie sich auch einmal hinter die Oh-ren schreiben.
Ich möchte auch daran erinnern, dass wir im Haushaltdes Bundesbauministeriums fast 800 Millionen Euro fürdas CO2-Gebäudesanierungsprogramm veranschlagt ha-ben. Daneben erinnere ich an die Mittel für sparsameEnergienutzung im Haushalt des BMWi und auch – dasist meiner Ansicht nach besonders wichtig – an die fast900 Millionen Euro für die Umwelt- und Klimafor-schung im Haushalt des Forschungsministeriums.Mit diesen über 7,4 Milliarden Euro pushen wir ers-tens die internationale Agenda, und zweitens investierenwir dort, wo wir für die Umwelt und für Arbeitsplätzegleichzeitig am meisten bewirken können, nämlich indie Energieeffizienz, in Forschung und Technologie, inden internationalen Klimaschutz und in die CO2-Sen-kung.
Wir wollen nicht nur die Energiewende im eigenenLand, sondern wir wollen sie weltweit, und zwar nichtals Selbstzweck, sondern um zukünftigen Generationeneine lebenswerte Umwelt zu sichern. Diese Herausforde-rung ist aber so gewaltig – ich erinnere an den jüngstenKlimabericht des amerikanischen Energieministeriums –,dass wir sie nur dann meistern können, wenn unsereEnergiepolitik vorbildlich ist und sie unsere Wirtschafts-politik nicht gleichzeitig ruiniert. Das heißt, sie muss ef-fizient und bezahlbar sein.Deswegen ist auch der Ausbau der erneuerbarenEnergien kein Selbstzweck. Wir alle haben gesagt: Einentscheidender Pfeiler der Energiewende sind die erneu-erbaren Energien. Gerade in den letzen zwei Jahren ha-ben wir unter der christlich-liberalen Koalition gewaltigeAusbaufortschritte erzielt.
Wir haben nämlich ihren Anteil am Stromverbrauch von16 Prozent auf 21 Prozent erhöht. Das ist ein gewaltigerSprung.Ich weiß gar nicht, warum hier immer Geschichtsklit-terung betrieben wird.Esh–gtuEesdgonKdaREusDreggVPucliuSaPEY
s ist doch eindeutig, wer für das erste Stromeinspei-ungsgesetz der Bundesrepublik Deutschland gesorgtat.
Ja, es ist ja auch nicht schlecht, wenn Sie bei unserenuten Ideen mitstimmen. Das können Sie auch weiterhinn.
Bei einem Fördervolumen von bis zu 130 Milliardenuro in 20 Jahren müssen wir uns hinsichtlich der erneu-rbaren Energien immer wieder die Frage stellen, ob wirie effizient nutzen. Deswegen finde ich es auch richtig,ass wir in gewissen Abständen immer wieder hinterfra-en, ob wir durch das EEG noch das Richtige fördern,b wir sinnvoll fördern und ob wir zum Teil auch Dingeicht fördern, die sinnvoll wären. Wir dürfen uns nicht inlein-Klein verlieren, sondern wir müssen europaweitenken und zum Beispiel auch die Photovoltaik in Nord-frika im Blick haben. All diese Dinge packen wir imahmen der Energiewende an. Sie sind gut und richtig.Ich möchte am Schluss noch zwei Dinge sagen.
Kurz und bündig.
Erstens. Ich halte unsere Politik zur Verbesserung dernergieeffizienz in der Industrie, im Verkehrsbereichnd auch in der Gebäudesanierung für das Schlüs-elthema zur Erreichung unserer Klimaschutzziele.
eswegen sollten wir hier, zum Beispiel im Gebäudebe-ich oder bei den Maßnahmen, die uns von Brüssel vor-eschlagen werden, vorsichtig und, wenn es irgendwieeht, im Konsens vorangehen. Ich glaube auch, dass dieorschläge, die Günther Oettinger gemacht hat, in einemunkt vollkommen richtig sind: Wir brauchen – dabeinterstütze ich Norbert Röttgen – den Willen, verbindli-he Energieeffizienzziele festzulegen, und zwar verbind-ch für Europa, nicht nur für Deutschland. Dabei hat ernsere Unterstützung.Zweitens. Ich freue mich sehr, dass wir nicht nur beichutz und Erhaltung der internationalen Biodiversitätuf bestem Wege sind – damit liegen wir genau imlan –, sondern auch unseren Beitrag von 500 Millionenuro pro Jahr leisten können, zum Beispiel für denasuní-Nationalpark.
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Herr Kollege, jetzt können wir nicht noch alle Regio-
nen, für die das Thema Anwendung finden könnte, der
Reihe nach aufzählen.
Ich bin beim letzten Satz; das bekomme ich noch hin. –
Ich helfe Ihnen gerne bei der Suche danach, wo die Mit-
tel für den Yasuní-Nationalpark zum Tragen kommen.
Ich bin sehr stolz darauf, dass wir das geschafft haben.
Ich finde es auch gut, was Norbert Röttgen, sein Team
und die Haushälter für die Biodiversität im eigenen Land
neu auf die Beine gestellt haben,
nämlich den Waldklimafonds und den neuen Fonds für
die Biodiversität im eigenen Land, zusätzlich zu unse-
rem äußerst erfolgreichen großen Naturschutzprojekt.
Darüber können wir uns freuen. Das ist etwas für das
Herz. Das dient der Erhaltung der Schöpfung im eigenen
Land. Insofern ist gerade der Umweltteil des Haushaltes
ein Grund, dem Gesamthaushalt zuzustimmen.
Uwe Beckmeyer hat nun das Wort für die SPD-Frak-
tion.
Ist der Minister schon gegangen?
– Ich habe nur ein paar Beispiele aus Illustrierten mitge-bracht, weil das hier so langweilig ist.Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Ich bedaure es, dass der Herr Minister unsere Sit-zung verlassen hat.
– Er kommt schon wieder? Das ist gut. – Das, was wirvorhin gehört haben, war nämlich beachtenswert. DerMinister zeichnete dabei ein virtuelles Bild dessen, wasUmweltpolitik in Deutschland ausmacht.Ich habe ja einige Zeit am Verkehrshaushalt mitge-wirkt. Im Vergleich dazu ist der Einzelplan 16 ein lang-weiliger Haushalt. Er ist klein und nicht so beachtlich.AWdledddDdacgcnwddhpSwEuadzgJDbbdgIcgvdwssIh
ber er wird so dargestellt, als sei er der Nabel dieserelt.Der entscheidende Punkt ist, Herr Minister, Sie wer-en in verschiedenen Zeitungen, so im Focus der vor-tzten Woche, als Klassenbester und als Modernisiererieser Republik dargestellt,
er im edlen Wettstreit mit einer seiner Kolleginnen umie Nachfolge von Frau Merkel streitet.
er Punkt ist, dass Sie sich seit zwei Tagen als Entsorgerer Ministerin darstellen, indem Sie ihr einen Europajobnbieten oder den Europajob zumindest so attraktiv ma-hen, dass sie von sich aus geht. Ich frage mich dieanze Zeit: Weshalb tun Sie das eigentlich alles? Ma-hen Sie doch erst einmal Ihre Aufgabe als Umweltmi-ister so, dass man mit dem zufrieden sein kann, auchenn es sich nur um das Nötigste handelt.
Sie haben eine Frage zur Energiewende aufgegriffen,ie in der Republik landesweit diskutiert wird. Das istie Frage, wie wir mit den erneuerbaren Energien umge-en. Darum geht es bei dem 5-Milliarden-Euro-Förder-rogramm der KfW für erneuerbare Energien. Wissenie, was in der Szene dazu gesagt wird, wie gestrittenird? Kennen Sie die Anregungen, wie erneuerbarenergien zum Beispiel offshore realisiert werden könnennd was dafür alles zusätzlich notwendig ist? Null Re-ktion aus dem Hause des Bundesumweltministers zuer Frage, wie man die Offshoreenergie tatsächlich nut-en und in der Energiegewinnung einsetzen kann. Esibt Anlagen im Offshorebereich, für die man im letztenahr Energie gebraucht hat, damit sie nicht kaputtgehen.as heißt, dort ist keine Energie gewonnen, sondern ver-raucht worden. Derzeit sind Energieunternehmen da-ei, Rechnungen zu bezahlen, statt sie zu schreiben, weilie Frage, wie der Strom an Land kommt, bis zum heuti-en Tag nicht abschließend geklärt ist.
h frage mich, ob Sie als Minister in dieser Frage in ir-endeiner Form aktiv geworden sind. Haben Sie Initiati-en gezeigt?
Das virtuelle Bild, das Sie zeigen und das Sie auch iniesem Hause heute Abend abgegeben haben, scheint,as die Form des Schönredens angeht, wunderbar zuein. Die Frage ist nur: Was ist konkret dahinter? In die-em Punkt stelle ich eine Nullstellung fest. Das laste ichnen persönlich an.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011 16901
Uwe Beckmeyer
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Einen entscheidenden Punkt habe ich in den Beratun-gen ausgemacht – ich bin ja in den letzten Wochen in dasThema eingestiegen –, nämlich dass Sie im Hause Auf-gaben haben, bei denen ich mich frage, ob Sie als verant-wortlicher Minister dazu in der Lage sind, sie umzuset-zen. Sie haben in Ihrem Hause zu wenig Personal undbedienen sich durch Abordnungen von Personal aus denIhnen nachgeordneten Ämtern. Das ist ein Umstand, dermöglicherweise aus Ihrer Sicht nachvollziehbar ist. Aberwenn Sie Ihre Aufgaben verantwortlich wahrnehmen,dann müssen Sie zumindest in Ihrer Fraktion dafür wer-ben, dass Ihr Personalkörper besser ausgestattet wird, alses zurzeit der Fall ist.Die SPD-Bundestagsfraktion hat im Haushaltsaus-schuss einen Antrag eingebracht, in dem sie fordert, dassdie verbindlichen Einsparungen von 1,5 Prozent pro Jahrendlich aufgegeben werden sollen. Mir ist keine Reaktionaus dem Kreis der Koalition bekannt, dass dieses Themaendlich beerdigt wird. Stattdessen wird weiter gespart. Eswerden zugleich mehr Aufgaben geschaffen, und dafürwird das Personal aus den nachgeordneten Ämtern ge-holt. Ich finde, dieser Umstand ist einer verantwortlichenAmtsführung nicht adäquat. Ich bitte, zu überdenken, obes nicht auch in Ihrem Sinne ist, dass in dieser Angele-genheit in der Bundesregierung anders gehandelt wird.Denn sonst halten Sie wirklich nur noch schöne Reden,ohne Ihre Aufgaben erfüllen zu können.
Ich will an dieser Stelle noch etwas zum CO2-Gebäu-desanierungsprogramm hinzufügen. Sie haben vorhinlaunig dargestellt, wie toll das ist. Ich muss Ihnen ehrlichsagen: Das ist gar nicht toll. Das CO2-Gebäudesanie-rungsprogramm hatte 2009 schon ein Volumen von2,25 Milliarden Euro.
Das muss man sehen. Wir haben jetzt ein Programm miteinem Volumen von 1,5 Milliarden Euro. Der Punkt ist:Sie gehen zurück. Sie haben in dieser Frage eben nichtzugelegt, sondern Sie sparen in den Bereichen Verkehr,Bauen und Wohnen. Sie haben entsprechend reduziertund gekürzt.
Jetzt kommt das KfW-Programm obendrauf, und Sie tunso, als wäre das eine Verbesserung. Auch das ist Schön-rederei. Dies ist nicht akzeptabel.Wir werden es auch nicht durchgehen lassen, dass Siemit wunderbaren Ausführungen von diesem Platz ausdie Öffentlichkeit und die Bevölkerung der Bundesrepu-blik Deutschland hinters Licht führen. Das geht nicht.Wenn Sie sich schon in dieser Angelegenheit engagierenwollen, dann sorgen Sie dafür, dass zumindest die altenGrößenordnungen bei der Haushaltsausstattung erreichtwerden.Die Förderungen werden ja nachgefragt. Wir haben2009 die gesamten 2,25 Milliarden Euro ausgeben kön-nen. Alle Gelder waren gebunden. Das sollte von IhrerSeite wieder angestrebt werden. Nur so können Sie dieCdBlewnbaashdHGwbrehUcWdgräüEa
Der Präsident gibt mir bereits ein Zeichen wegen mei-er Redezeit.
Sie haben die Gelegenheit zu einem letzten Satz.
Genau. – Ich werde jetzt schließen.
Ich hoffe, dass Sie, Herr Bundesumweltminister, sich
ei den nächsten Haushaltsberatungen mehr in Ihrer Ko-
lition durchsetzen und sich Ihren Haushalt vernünftiger
usstatten lassen. Das betrifft vor allen Dingen die Aus-
tattung mit Personal; da ist wirklich mehr notwendig.
Herzlichen Dank.
Zum Abschluss und Höhepunkt der heutigen Haus-
altsdebatten erhält jetzt die Kollegin Marie-Luise Dött
as Wort. Bitte schön.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen underren! Das Thema der Weitererkundung des Standortsorleben ist heute mehrfach angesprochen worden. Esurde kritisiert, dass für Erkundungsarbeiten in Gorle-en im nächsten Jahr zusätzlich 26,2 Millionen Euro be-itgestellt werden. Dazu kann ich nur sagen: Ein Haus-alt ist in Zahlen gegossene Politik.
nsere Politik war immer die, Verantwortung für die si-here Endlagerung radioaktiver Abfälle zu übernehmen.
ir haben immer gesagt, dass die ergebnisoffene Erkun-ung von Gorleben zu Ende geführt wird. Bei Gorlebenibt es jetzt einen Mehrbedarf für den Fahrzeug- und Ge-tepark sowie einen höheren Aufwand für die Betriebs-berwachung und die Beweissicherung; außerdem ist diertüchtigung der Steuerung der Schachtförderanlage 1ufgrund der Anforderungen an die Betriebssicherheit
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16902 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 22. November 2011
Marie-Luise Dött
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erforderlich. Das veranschlagte Geld ist also erforder-lich, um genau die Verantwortung zu übernehmen, vorder Sie sich während Ihrer Regierungszeit mit dem Mo-ratorium gedrückt haben.
Auch der Ministerpräsident von Baden-Württemberg,Herr Kretschmann, akzeptiert doch die Erkundungen inGorleben.
Ich zitiere: „Da Salzstöcke grundsätzlich infrage kom-men, bleibt Gorleben erstmal drin.“ Genau so ist es.
Meine Damen und Herren, im Jahr 2012 steht derEinzelplan 16 deutlich im Zeichen der Klima- und Ener-giepolitik; denn Klima- und Energiepolitik bleiben dieSchlüsselfelder unseres umweltpolitischen Handelns inden nächsten Jahren und Jahrzehnten. Keine Frage: Wirstehen mit dem Umbau unserer Energieversorgungs-struktur vor enormen Herausforderungen. Aber Deutsch-land wird den Übergang in das Zeitalter der erneuerba-ren Energien schaffen.Weil wir heute die Haushaltsdebatte führen, möchteich darauf hinweisen, dass der Ausbau der erneuerbarenEnergien nicht aus dem Bundeshaushalt gefördert wird.Der Ausbau der erneuerbaren Energien finanziert sichüber die Einspeisevergütung für die erneuerbaren Ener-gien. Die Kosten in Höhe von immerhin 8,6 MilliardenEuro allein im Jahr 2010 tragen die Bürger über dieEEG-Umlage, die sie mit der Stromrechnung bezahlen.Man findet diese Summen deshalb nicht im Bundeshaus-halt, und die Erfolge, die wir beim Ausbau der erneuer-baren Energien erzielen, spiegeln sich dort nicht wider.Es gab in den vergangenen Tagen – Frau Höhn spraches an – auch in der Presse einige diffuse Diskussionenüber die Haltung der Koalition zur Förderung der erneu-erbaren Energien.
Ich sage hier klipp und klar: Wir stehen zu unseren an-spruchsvollen Zielen für einen schnelleren Übergang indas Zeitalter der erneuerbaren Energien.Wir wollen den Übergang in das Zeitalter der Erneu-erbaren nicht nur möglichst schnell, sondern für die Bür-ger auch möglichst günstig erreichen. Christian Ruck hatschon darauf hingewiesen. Wichtiger Indikator für dieKostenentwicklung der erneuerbaren Energien ist dieEEG-Umlage, sind also die Mehrkosten, die die Bürgerfür die Erneuerbaren mit ihrer Stromrechnung zahlenmüssen. Unser Ziel ist es, die EEG-Umlage in der Grö-ßenordnung von 3,5 Cent pro Kilowattstunde zu halten.Aber das Erreichen dieses Ziels ist kein Selbstläufer.bladsfükBudKdataklusDdGJgdieWgnbhBdh11eBlumbsnengEwTw2e
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Allerdings ist zu berücksichtigen, dass im Energie- undKlimafonds weitere 100 Millionen Euro zur Verfügungstehen. Somit kommen wir im nächsten Jahr auf350 Millionen Euro.Ich komme zum Schluss. In jedem Haushalt gibt esWünsche, die aber nicht erfüllt werden können, erstrecht nicht in Zeiten einer strikten Haushaltskonsolidie-rung. Wir haben zwar die Mittel für die KfW-Gebäude-sanierungsprogramme auf 1,5 Milliarden Euro aufge-stockt. Es ist aber aus meiner Sicht nicht akzeptabel,men wir über den Änderungsantrag der SPD aufDrucksache 17/7793 ab. Wer stimmt für diesen Änderungs-antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die-ser Änderungsantrag ist abgelehnt.Wir kommen nun zur Abstimmung über die fünf Än-derungsanträge der Fraktion Die Linke. Zuerst stimmenwir über den Änderungsantrag auf Drucksache 17/7801ab. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Werenthält sich? – Damit ist dieser Änderungsantrag abge-lehnt.Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungs-antrag auf Drucksache 17/7802. Wer stimmt für diesendass wir beim Thema steuerliche Förderung der energe-tischen Wohngebäudesanierung bislang keinen gemein-samen Weg mit den Ländern gefunden haben. Wir habenhier noch enormes Potenzial.Viele Bürger sind bereit, zu investieren. Es kann dochnicht sein, dass alle über Kosten-Nutzen-Verhältnissevon Klimaschutzmaßnahmen diskutieren und gerade diepreiswertesten Maßnahmen, nämlich die energetischeSanierung der Gebäude, vom Bundesrat blockiert wer-den.
Ich fordere Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von derOpposition, auf, mitzuwirken. Der Bundesrat ist hier ge-fragt.
Ich schließe die Aussprache.
Nun haben wir übrigens über diesen wichtigen Ein-
zeletat nicht 90 Minuten wie vereinbart, sondern gut
zwei Stunden diskutiert – wir hätten das sicherlich noch
fortsetzen können –, was hoffentlich beim Kollegen
Kampeter die Besorgnis ausräumt, es könne eine Verkür-
zung der vereinbarten Redezeiten angestrebt oder beab-
sichtigt sein.
– Eindrücke können offenkundig täuschen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über die zum Ein-
zelplan 16 vorliegenden Änderungsanträge. Zuerst stim-
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nderungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
ich? – Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungs-
ntrag auf Drucksache 17/7803. Wer stimmt diesem Än-
erungsantrag zu? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
ich? – Auch dafür gibt es keine Mehrheit.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsan-
ag auf Drucksache 17/7804. Wer ist für diesen Ände-
ngsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –
er Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wir kommen schließlich zur Abstimmung über den
nderungsantrag auf Drucksache 17/7805. Wer ist für
iesen Änderungsantrag? – Wer ist dagegen? – Wer ent-
ält sich? – Auch dieser Änderungsantrag hat keine
ehrheit gefunden.
Wir stimmen nun über den Einzelplan 16 in der Aus-
chussfassung ab. Wer stimmt dem Einzelplan in dieser
assung zu? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –
amit ist dieser Einzelplan mit den Stimmen der Koali-
on gegen die Stimmen der Opposition angenommen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
rdnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf morgen, Mittwoch, den 23. November
011, 9 Uhr, ein.
Ich wünsche Ihnen für den verbleibenden Abend viel
ergnügen. Schlafen Sie gut, und kommen Sie gut aus-
eruht und gut gelaunt morgen früh wieder.
Die Sitzung ist geschlossen.