Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ichbegrüße Sie alle herzlich zur 3. Sitzung des DeutschenBundestages, mit der nach der Konstituierung, der Kanz-lerwahl und der Vereidigung der Bundesregierung ge-wissermaßen die parlamentarische Arbeit im engerenWortsinn beginnt.Ich weise gerne darauf hin, dass die heutige Sitzungneben Phoenix auch vom Zweiten Deutschen Fernsehenübertragen wird,
und stelle mit Genugtuung fest, dass sich unsere Vorstel-lungen von der Wichtigkeit von Veranstaltungen zuneh-mend annähern.Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbun-dene Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste auf-geführten Punkte zu erweitern:ZP 1 Beratung des Antrags der Fraktion DIE LINKEEinsetzung eines Ausschusses für die Herstel-lung gleichwertiger Lebensverhältnisse in derBundesrepublik Deutschland– Drucksache 17/9 –ZZRedetWeitere Beratungen mit Aussprache
ZP 2 Erste Beratung des Antrags der Fraktion DIELINKEFörderung der Altersteilzeit durch die Bun-desanstalt für Arbeit fortführen– Drucksache 17/21 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Arbeit und Soziales
ZP 3 Erste Beratung des Antrags der Fraktion DIELINKEFolgen der Krise für ArbeitnehmerArbeitnehmer abmildern – ALG 1auf 24 Monate verlängern
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Außerordentlich viel hängt von dieser Analyse ab.Machen wir hierbei Fehler, dann sind sie kaum wiedergutzumachen. Machen wir es hierbei richtig, dann wer-den wir Deutschland zu neuer Stärke führen.
Ich sage sehr deutlich: Wir dürfen die Augen nichtvor der Realität verschließen.
Wir dürfen uns keinen Sand in die Augen streuen. Wirmüssen mutig und entschlossen die vor uns liegendenAufgaben beim Namen nennen.
Genau das, nicht mehr und nicht weniger, will ichheute hier tun, und zwar ohne Umschweife; denn dieneue Regierung von Union und FDP, diese christlich-li-berale Koalition der Mitte, hat den Anspruch, Deutsch-land zu stärken und dabei den Zusammenhalt unseresLandes zu festigen.
Sie hat den Anspruch, dies mit einer Politik für Freiheitin Verantwortung zu tun. Fünf Aufgaben müssen wirdabei anpacken:Erstens. Wir müssen die Folgen der internationalenFinanz- und Wirtschaftskrise überwinden.Zweitens. Wir müssen das Verhältnis der Bürgerinnenund Bürger zu ihrem Staat verbessern.Drittens. Wir müssen Antworten auf die Veränderun-gen des Altersaufbaus finden.mdSnMlZnlDstRtsamtswlnkdbduödAwilWfwuwdKadsdWWt
eutschland befindet sich infolge dieser Krise in derchwersten Rezession seiner Geschichte. Der Wachs-umseinbruch ist fünfmal stärker als der bisher größteückgang Anfang der 70er-Jahre. Der Absturz bei Auf-ragseingängen, Produktionen und Absatz ist zwar ge-toppt, und es gibt erste, leichte Aufwärtsbewegungen,ber große Teile der Industrieproduktion liegen noch im-er weit unter dem Niveau vor Beginn der Krise. Wich-ige Banken sind nach wie vor vom staatlichen Rettungs-chirm abhängig. Der Finanzmarkt ist noch keineswegsieder so leistungsfähig, wie er es für die Weltmarktstel-ung der deutschen Wirtschaft und insbesondere für ei-en neuen Aufschwung sein müsste. Die Arbeitslosig-eit ist gestiegen, und sie wird weiter steigen. Es ist nurer Kurzarbeit zu verdanken, dass nicht noch mehr Ar-eitsplätze verloren gegangen sind. Deshalb werden wirie Regelung zur Kurzarbeit verlängern.
Die volle Wucht der Auswirkungen der Krise wirdns im nächsten Jahr erreichen, auch und gerade in denffentlichen Haushalten der Kommunen, der Länder undes Bundes. Waren die gesamtstaatlichen Haushalte vorusbruch der Krise schon ungefähr ausgeglichen, soird das Budgetdefizit in diesem Jahr 3,5 Prozent undm kommenden Jahr circa 5 Prozent unserer Wirtschafts-eistung betragen. Das ist die EU-Herbstprognose. Dieahrheit lautet, in einem einzigen Satz zusammenge-asst: Die Probleme werden erst noch größer, bevor esieder besser werden kann. Das ist die Lage. Ich kannnd ich will sie uns nicht ersparen.Mehr noch: Wir alle müssen verstehen, dass es umeit mehr geht als nur um die Bewältigung der Folgener Krise in unserer eigenen Volkswirtschaft. Nein, diearten werden weltweit neu gemischt. Das und nichtsnderes ist die Dimension der Krise. Weltweit werdenie Karten neu gemischt. Da gibt es eben keine ange-tammten Marktanteile und Positionen. Wer wird sichen Zugriff auf Rohstoffe und Energiequellen sichern?er lockt Investitionen aus anderen Teilen der Welt an?elches Land wird zum Anziehungspunkt für die klügs-en und kreativsten Köpfe?
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Bundeskanzlerin Dr. Angela MerkelMeine Damen und Herren, wir spüren es: Deutsch-land steht vor einer Bewährungsprobe, wie es seit derdeutschen Einheit nicht mehr der Fall war. Die zentraleFrage lautet: Wird Deutschland es schaffen, rechtzeitigaus der Krise zu kommen, noch dazu stärker als wir wa-ren, als wir in sie hineingeraten sind, oder werden andereunseren Platz einnehmen, weil wir es versäumen, dieQuellen des Wohlstands von morgen zu finden und zunutzen? Die Antwort liegt in unserer Hand. Wir könnenscheitern, oder wir können es schaffen. Beides ist mög-lich.
Ich will und wir wollen, dass wir es schaffen.
Ich will, dass wir Deutschland zu neuer Stärke führen.Wer also die Dimension der politischen Herausforderungunserer Generation tatsächlich an sich heran lässt, derweiß spätestens dann: Es geht nicht um kurzfristige Kri-senbewältigung oder langfristige Weichenstellungen.Das sind nicht zwei getrennte Aufgaben. Nein: Kurz-fristige Krisenbewältigung und langfristige Weichen-stellungen sind zwei Seiten ein und derselben Medaille.
Ich bin überzeugt: Wenn wir das verstehen, dann wer-den wir in der Lage, in der die Karten weltweit neu ge-mischt werden, die richtigen Karten für unser Land zie-hen und legen. Die Voraussetzungen dafür könnten kaumbesser sein. Wir haben viele Unternehmer mit gutenIdeen für neue Produkte und Innovationen. Wir habenviele gut ausgebildete Arbeitnehmerinnen und Arbeit-nehmer. Wir haben viele Talente in Zuwandererfamilien.Wir haben an vielen Stellen nachhaltiges Denken undWirtschaften schon verankert. In unserem Land stecktviel. Wir müssen diese Stärken Deutschlands nur zurGeltung kommen lassen. Die christlich-liberale Koali-tion der Mitte hat das erkannt. Sie will das schaffen. Siewird danach handeln, egal wie schwer der Weg auch im-mer sein mag und egal wie viele Widerstände es dagegenauch geben mag. Wir nehmen die Herausforderung an.
Die Krisenbewältigung ist in vielen Fällen sehr kon-kret. Nehmen wir das Beispiel Opel. Die alte Bundesre-gierung hatte sich aus guten Gründen für einen strategi-schen Investor entschieden, um Opel eine neue Zukunftzu eröffnen. Hätten wir das nicht getan, gäbe es Opelheute nicht mehr. Denn General Motors war über Mo-nate hinweg nicht in der Lage, seiner Verantwortung alsMutterkonzern von Opel auch nur annähernd gerecht zuwerden.
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Meine Damen und Herren, solche Fälle – noch dazuit einem traditionsreichen Namen – stehen natürlich imittelpunkt der Aufmerksamkeit. Doch die Bundesre-ierung muss alle Arbeitsplätze in Deutschland im Blickaben. Deshalb noch einmal: Es geht darum, welcheöglichkeiten wir haben, die weltweite Krise als Gan-es zu überwinden. Dazu raten die einen uns nun, vorne-eg die durch die Krise schier ins Uferlose geratenenchulden vor allem durch Streichen und Kürzungenuszugleichen. Es ist wahr: Das wäre theoretisch eineg. Machen wir uns dazu aber kurz die Größenord-ung klar: Um 86 Milliarden Euro auszugleichen – dasst der von der alten Bundesregierung geschätzte Defizit-etrag für 2010 –, müssten wir die größte Kürzungs- undtreichungsaktion in der Geschichte der Bundesrepublikeutschland starten. Ich glaube, jede weitere Diskussionber diesen Weg erübrigt sich. Ein solcher Weg ist in derrise offensichtlich keine Lösung.Andere raten uns, die höheren Ausgaben und geringe-en Einnahmen der Sozialversicherungen durch stei-ende Beiträge der Sozialversicherungen auszuglei-hen. Es ist wahr: Theoretisch ist auch dies ein Weg.och was wäre die Folge? Die verfügbaren Einkommener Bürger würden sinken, die Arbeitsplätze würden fürie Betriebe teurer werden. Es ist also ganz offensicht-ich, dass sich auch jede weitere Diskussion über dieseneg erübrigt. Auch er wäre keine Lösung.
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Bundeskanzlerin Dr. Angela MerkelWir haben uns für einen anderen Weg entschieden,nach reiflicher Überlegung und Abwägen allen Für undWiders. Er lautet in einem Satz: Ich will, dass wir allesversuchen, jetzt schnell und entschlossen die Vorausset-zungen für neues und stärkeres Wachstum zu schaf-fen.
Wachstum zu schaffen, das ist das Ziel unserer Regie-rung. Ich sage es ganz offen: Auch dieser Weg ist keineGarantie, dass wir es schaffen,
die Folgen der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskriseschnell und gestärkt zu überwinden. Aber die Chancedazu bietet dieser Weg. Deshalb müssen wir dieseChance ergreifen und genau diesen Weg einschlagen.
Ohne Wachstum keine Investitionen, ohne Wachstumkeine Arbeitsplätze, ohne Wachstum keine Gelder fürdie Bildung, ohne Wachstum keine Hilfe für die Schwa-chen. Und umgekehrt: Mit Wachstum Investitionen, Ar-beitsplätze, Gelder für die Bildung, Hilfe für die Schwa-chen und – am wichtigsten – Vertrauen bei denMenschen. Das ist meine Überzeugung,
eine Überzeugung, die auf meiner Grundauffassung vonPolitik gründet. Zu ihr gehören elementar entscheidendeFaktoren: Vertrauen, Zuversicht, Motivation. Sie lassensich nicht in Prozenten fassen. Ihre Wirkung ist aber im-mer weit größer, als die Statistiker sie jemals ermessenkönnen.
Genau vor diesem Hintergrund beginnt die neue Bun-desregierung ihre Arbeit mit einem Wachstumsbe-schleunigungsgesetz.
Der Entwurf wurde gestern im Kabinett beschlossen. Ichweiß, dass die Beratungszeit knapp ist. Aber ich bitte umIhre Unterstützung für unseren Zeitplan; denn Entschlos-senheit ist jetzt gefragt.
Die krisenbedingten Auswirkungen der Unternehmen-und Erbschaftsteuerreform müssen beseitigt werden; daswissen alle in diesem Hause. Die Familien wollen wir zu-sätzlich zu den schon beschlossenen Entlastungen nocheinmal stärken. Insgesamt, zusammen mit den schon be-schlossenen Maßnahmen und dem, was wir jetzt auf denWeg bringen, entlasten wir die Bürgerinnen und Bürgerzum 1. Januar 2010 um 22 Milliarden Euro.
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Deshalb werden wir noch einmal die Ausgestaltunges Deutschlandfonds überprüfen, ihn gegebenenfallsuch anpassen,
nd wir wollen in Abstimmung mit den Ländern dafürorgen, dass jeder Betrieb, egal ob groß oder klein, beirisenbedingten Finanzierungssorgen einen Ansprech-artner erhält, damit so unbürokratisch wie möglichach Lösungen gesucht werden kann.Von den Banken, meine Damen und Herren, erwartech vor allem, dass sie die von der Bundesregierung ge-chaffenen Möglichkeiten nutzen, um ausreichend Kre-ite zu vergeben.
Es scheint mir Zeit zu sein, in diesem Zusammenhangn etwas zu erinnern, und zwar daran, dass der Finanz-ektor im Kern eine dienende Funktion für das Funktio-ieren der wirtschaftlichen Kreisläufe hat.
Sie werden das ja wohl nicht infrage stellen!So ist der Bankensektor entstanden, das war sein ei-entliches Selbstverständnis. Dieses Selbstverständnisuss wieder belebt werden; ansonsten werden wir großechwierigkeiten mit unserer Wirtschaft haben.Genau diesem Ziel dienen auch alle internationalenemühungen – vorneweg in der Gruppe der G 20 –,eue internationale Regeln für mehr Transparenz undontrolle festzulegen; denn wir müssen alles tun, damitich eine solche Krise nie wiederholt. Wenn wir interna-ional übereinkommen, bin ich sehr dafür, dass wir zumeispiel über eine Börsenumsatzsteuer internationalie Banken an der Begleichung der Schäden, die dieserise angerichtet hat, beteiligen.
Ich sagte es bereits: Die Bundesregierung setzt aufachstum, um Deutschland zu neuer Stärke zu führen.eshalb werden wir im Jahre 2011 einen weiteren
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Bundeskanzlerin Dr. Angela MerkelWachstumsimpuls setzen, und zwar in Form von Ein-kommensteuersenkungen. Diesen Impuls werden wirauch dazu nutzen, um langfristig strukturelle Verände-rungen im Steuersystem vorzunehmen.Damit berühren wir die zweite Aufgabe, vor der dieneue Regierung ganz unabhängig von der Krise steht:Wir wollen das Verhältnis der Bürger zu ihrem Staatverbessern. Das ist dringender denn je; denn die Steuer-zahler sind unzufrieden, weil die Leistungen des Staatesauf den Gebieten Bildung, Infrastruktur und Service ausihrer Sicht oft mangelhaft sind.
Damit können wir uns nicht abfinden.Diejenigen, die Transferleistungen erhalten, fühlensich ausgegrenzt und sehen oft wenig Chancen, wiederauf den Weg des Aufstiegs zurückzukehren; doch genaudas muss gelingen. Die Mitte der Gesellschaft kann nurstärker werden, wenn mehr Menschen Arbeit bekom-men, wenn gute Bildung Aufstiegschancen eröffnet,wenn unnötige Bürokratie abgebaut wird, mit einemWort: wenn sich Leistung wieder lohnt in diesem Lande.
Das ist der Grund, warum wir unser Steuersystemspürbar vereinfachen wollen.
Den Einkommensteuertarif wollen wir zu einem Stufen-tarif umbauen. Einfach, niedrig und gerecht, das mussdie Maßgabe sein, meine Damen und Herren. Dafür ste-hen wir ein.
Leistungsfeindliche Elemente wie der sogenannte Mit-telstandsbauch müssen schrittweise abgebaut werden.Kinder müssen im Steuerrecht mittelfristig wie Erwach-sene behandelt werden.
Steuerpolitik – das ist unsere Überzeugung – ist nichteinfach der Umgang mit Zahlen, sondern Steuerpolitikist Gesellschaftspolitik.
Einen neuen Schwerpunkt werden wir beim Abbauvon Bürokratie setzen. Neben der Konzentration aufErleichterungen für die Betriebe wollen wir auch für dieBürger ein klares Ziel für den Abbau von Bürokratie ver-einbaren. Dabei müssen wir mit einem Missverständnisaufräumen: Es geht bei diesen Bemühungen nicht nurum weniger Aufwand bei Statistiken und Berichtspflich-tsDdewbsffbhstWnggSedWnDnalsZmanfüwendgf
ittenwidrige Löhne werden wir verbieten,
inheitliche gesetzliche Mindestlöhne lehnen wir aller-ings ab.
ir sind der Überzeugung: Sie waren, sind und bleibenichts weiter als ein Hindernis für mehr Beschäftigung.eshalb sind sie mit uns nicht zu machen.
Das sind wichtige Einzelmaßnahmen, aber das reichtoch nicht aus. Es wäre nur Stückwerk, wenn wir nichtuch im Zusammenhang denken würden. Deshalb wol-en wir die aktive Arbeitsmarktpolitik insgesamt wirk-amer und einfacher gestalten.Dazu werden wir die bis heute kaum überschaubareahl der Instrumente und Programme reduzieren. Das istehr als überfällig. Ich sage ganz deutlich: Die Arbeits-genturen, die Argen, die Optionskommunen, die einzel-en Arbeitsvermittler vor Ort leisten vor Ort ohne Zwei-el vielfach großartige Arbeit. Sie alle – davon sind wirberzeugt – können aber noch mehr leisten. Dazu wollenir ihnen die Möglichkeit geben, sich bei ihrer Wieder-ingliederungsarbeit zuerst nach den jeweiligen Bedürf-issen des Arbeitslosen und nicht nach den Bedürfnissener gesetzlichen Feinsteuerung richten zu können. Ichlaube, das ist die richtige Reihenfolge: erst der betrof-ene Mensch und dann ein politisches Instrument.
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Bundeskanzlerin Dr. Angela MerkelEine solche Politik dient den Menschen; denn siefolgt einer Überzeugung: Jeder Bürger, der Arbeit hatoder sie wieder bekommt, hat die Chance auf einselbstbestimmtes Leben. Das ist es, worum es der Poli-tik zu gehen hat, wenn sie ihren Auftrag auch als einenmoralischen versteht.
Jedem Bürger die Chance auf ein selbstbestimmtes Le-ben eröffnen: Das will die christlich-liberale Regierung.
Dazu brauchen wir nicht zuletzt ein verantwortlichesMiteinander von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. DieTarifautonomie hat sich gerade auch in der Krise, beider Anpassung an oft schwierigste Auftragslagen, be-währt. Wir werden sie achten und schützen. Sie gehörtzu den wichtigsten sozialen Errungenschaften inDeutschland. Viele Länder blicken geradezu bewun-dernd auf unsere Kultur der Zusammenarbeit zwischenArbeitgebern und Arbeitnehmern.Ich sage deshalb auch hier ganz klipp und klar: Wirwerden die Mitbestimmung und die Betriebsverfassungnicht ändern. Wir werden auch die Schutzwirkung desKündigungsschutzes nicht mindern. Das schafft Ver-trauen und hat auch etwas damit zu tun, das Verhältnisder Bürger zu ihrem Staat zu verbessern.
In diesem Geist können wir auch die dritte große Auf-gabe unserer Zeit in den Blick nehmen: Wir müssen eineAntwort auf die Veränderung des Altersaufbaus unse-rer Gesellschaft finden. Auch hier ist ein schonungslo-ser Blick auf die Lage Voraussetzung, um die richtigenSchlussfolgerungen zu ziehen.In diesem Jahr leben in Deutschland erstmals mehrüber 65-Jährige als unter 20-Jährige. Der Schwerpunktder Gesellschaft hinsichtlich des Lebensalters wird sichimmer weiter jenseits der 50 Jahre verschieben. Im Jahre2020 werden 3,5 Millionen Menschen unter 25 Jahrenweniger als 2007 in unserem Land leben – in 13 Jahren3,5 Millionen Menschen unter 25 Jahren weniger. Dasbedeutet in der Altersgruppe der unter 25-Jährigen einenRückgang von 15 Prozent. Im gleichen Zeitraum gehtdie Gesamtbevölkerung nur um 2 Prozent zurück. Daranersehen Sie die Dimension der Herausforderung, vor derwir stehen.Ich sage ganz ausdrücklich: Erste Schritte sind ge-macht, zum Beispiel mit der Einführung der Rente mit67 Jahren.
Aber diese Veränderungen, von der Bildungs-, For-schungs-, Familien- und Integrationspolitik bis hin zurUmgestaltung der sozialen Sicherungssysteme und einernachhaltigen Haushaltspolitik, müssen noch weiterent-wickelt werden.TdzKautntwEePWdrsshwsjeeggBj–m–Fa
eilweise ist das überfällig. Die Koalition der Mitte isteshalb entschlossen, diese Veränderungen in die Wegeu leiten. Davor die Augen zu verschließen oder denopf in den Sand zu stecken, das wäre die ungerechtesteller Möglichkeiten im Umgang mit den Menschen innserem Lande. Genau deshalb werden wir das nichtun.Es muss Schluss sein mit den reflexartigen Reaktio-en, etwa wenn über die Entkopplung von Arbeitskos-en und Kosten der sozialen Sicherheit gesprochenird.
s muss Schluss sein mit den reflexartigen Reaktionen,twa wenn vom Aufbau einer Kapitaldeckung bei derflege die Rede ist. Das alles hilft nicht weiter.
ir müssen Prioritäten setzen; nur das hilft weiter. Bil-ung, Integration, solide Haushalte, generationenge-echte soziale Sicherungssysteme – das
ind die Themen, die höchste Priorität bekommen müs-en. Die neue Regierung gibt genau diesen Themen dieöchste Priorität.
Ich sage Ihnen: Das muss das ganze Land tun. Balderden uns Millionen junger Menschen fehlen. Dabeiind genau sie die Fachkräfte der Zukunft. Trotz Kon-unktureinbruchs klagt das Handwerk schon jetzt überinen Mangel an Lehrlingen. Doch mancher Befund istrnüchternd. Mehr als jeder Zehnte der unter 34-Jähri-en hat heute keinen Schulabschluss oder muss ohne ab-eschlossene Berufsausbildung ins Berufsleben starten.ei denjenigen mit Migrationshintergrund ist es sogareder Dritte.
Viel geschafft haben Sie Grüne in Ihrer Zeit nicht; dasuss ich sagen.
Ja, genau. Deshalb geben wir diesen Dingen Priorität,rau Künast.Mit diesem Befund dürfen und werden wir uns nichtbfinden. Es ist ein Gebot der Gerechtigkeit, dass jeder
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Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkeldie Chance erhält, im Berufsleben Erfolg zu haben.Schaffen werden wir dies aber nur, wenn die Politik-bereiche zusammenwirken: für die Unterstützung vonFamilien, die Bildung, die Integration, die Arbeitsmarkt-politik und die sozialen Sicherungssysteme. Dabeikommt zweifelsohne den Familien die größte Aufgabezu. Familien müssen deshalb besonders unterstützt wer-den.Das Schlüsselwort unserer Politik für Familien heißtWahlfreiheit. Zu lange war das ein leeres Wort, und zwarin jeder Hinsicht.
Wahlfreiheit setzt Wahlmöglichkeit voraus. Deshalb füh-ren wir weiter, was begonnen wurde, nämlich den Aus-bau der Kinderbetreuung auch für die unter Dreijähri-gen, eine Verbesserung sowohl im Umfang als auch inder Qualität. Zur Wahlfreiheit im umfassenden Sinne ge-hört auch, dass wir für Eltern, die ihre Kinder zu Hauseerziehen, ab 2013 ein Betreuungsgeld, gegebenenfallsauch als Gutschein, einführen wollen.
Ich sage Ihnen: Es muss und es wird so ausgestaltet sein,dass die Freiheit der Eltern gestärkt wird, ohne dass da-bei die Bildungschancen für Kinder verloren gehen. Dasist unser Anspruch; das werden wir auch tun.
Wir können gar nicht genug tun, um in Bildung füralle zu investieren. Deutschland zur Bildungsrepublik zumachen, darf kein leeres Wort bleiben. Deshalb wollenwir faire Startchancen und Aufstiegsmöglichkeiten füralle. Die Ausgaben des Bundes für Bildung und For-schung werden bis 2013 um insgesamt 12 MilliardenEuro erhöht. Das ist der Anteil des Bundes, damit wirinsgesamt das Ziel, 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktsfür Forschung und Entwicklung und 7 Prozent für Bil-dung bereitzustellen, bis 2015 erreichen können. DieLänder müssen ihren Anteil mit gleicher Kraft leisten.Wir werden die berufliche Bildung weiterentwickeln,den Ausbildungspakt fortsetzen, wo notwendig, neueQualitätsstandards setzen, und im Hochschulpakt wer-den 275 000 neue Studienplätze geschaffen.
Mit den Ländern gemeinsam bauen wir ein nationalesStipendienprogramm für 10 Prozent der Studierendenauf.
Wir bekämpfen Bildungsarmut. Jedes Kind soll vor demSchulbeginn eine Sprachförderung erhalten, wenn dasnotwendig ist. Ich sage mit Nachdruck: Auch die Inte-gration der Zuwanderer und ihrer Kinder führt zuerstund vorneweg über Sprache und Ausbildung.DctamtAfszwruPiDdwWlzrAwiwDktwZwwbD
ber auch mit mehr Verbindlichkeit. Auch das ist eineoralische Aufgabe. Es ist unsere Aufgabe für die be-roffenen Menschen wie für die Zukunft unseres Landes.Meine Damen und Herren, wenn wir angemessenentworten auf den Altersaufbau unserer Gesellschaftinden wollen, dann führt kein Weg daran vorbei, unsereozialen Sicherungssysteme generationengerecht aus-ugestalten. Langfristige Stabilität und Verlässlichkeitird es nicht geben, wenn der zugrunde liegende Gene-ationenvertrag nicht von allen Seiten – von Jüngerennd Älteren gleichermaßen – akzeptiert wird.
In kaum einem Bereich wird das deutlicher als bei derflegeversicherung. Unser Ziel ist klar: mehr Qualitätn der Pflege, mehr Selbstbestimmung und vor alleningen auch mehr Menschlichkeit. Wir werden unter an-erem die Pflegebedürftigkeit neu definieren, und wirerden ein heißes Eisen anpacken, ganz egal, welcheiderstände das erzeugen wird: die Ergänzung der Um-agefinanzierung durch eine Kapitaldeckung.
Damit kein Missverständnis entsteht: Ich sage Ergän-ung, nicht Ersatz. Wir stehen zum Grundsatz der solida-ischen Sozialversicherung.
ber diese Ergänzung zu schaffen, das ist zwingend,enn die Pflegeversicherung überhaupt noch etwas vonhrer Akzeptanz und ihrem Wert behalten soll, und ichill, dass sie diesen Wert behält.
enn die Wahrheit liegt doch auf der Hand, und daranann sich keiner hier vorbeidrücken: Die Pflege wirdeurer werden, ob mit oder ohne Kapitaldeckung. Wirerden den Zusammenhalt unserer Gesellschaft, denusammenhalt von Jung und Alt, nur bewahren können,enn wir die gesamten steigenden Kosten nicht immerieder nur der jeweils jüngeren Generation und der ar-eitenden Generation aufdrücken.
as ist die Wahrheit, und dazu müssen wir stehen.
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Bundeskanzlerin Dr. Angela MerkelDeshalb wird die neue Regierung genau diesen Kreis-lauf durchbrechen. Wir werden am Ende nicht wenigerSolidarität, sondern mehr Solidarität haben.
Wir werden am Ende nicht weniger Zusammenhalt, son-dern mehr Zusammenhalt haben. Das ist unser Ziel.
Das gilt auch für die Gesundheitspolitik. Wir habeneinen klaren Anspruch: Jeder Mensch soll die medizini-sche Versorgung bekommen, die er braucht,
und zwar unabhängig von seinem Alter und seiner mate-riellen Situation.
Dies zu schaffen, das muss der Anspruch verantwor-tungsvoller Politik sein. Auch das ist eine zutiefst mora-lische Aufgabe.
Das ist aber – das wissen wir alle nur zu gut – leichtergesagt als getan.Das führt uns zu einer Erkenntnis: Um Menschen ammedizinischen Fortschritt teilhaben zu lassen, abergleichzeitig Arbeitsplätze dennoch nicht zu gefährden,brauchen wir eine stärkere Entkopplung von Arbeitskos-ten und Ausgaben für die Gesundheit, als das heute derFall ist.
Es ist so. Es führt daran kein Weg vorbei.Ich will auch gar nicht verschweigen: Erste Schritte indiese Richtung ist die alte Regierung mit dem Gesund-heitsfonds und der Erhebung von Zusatzbeiträgen schongegangen. Ich füge hinzu: Ich halte das nach wie vor fürrichtige und gute Schritte. Aber es müssen eben weitereSchritte folgen, und sie werden folgen, um dieses Sys-tem in ein langfristig tragfähiges solidarisches System zuüberführen, das genau den Ansprüchen gerecht wird, diedie Menschen mit Recht an uns haben. Genau darumgeht es: ein langfristig tragfähiges, solidarisches System.Deshalb versteht es sich von selbst, dass die finanziellenLasten weiter so verteilt werden, dass Gesunde fürKranke, Junge für Alte, Stärkere für Schwächere einste-hen.
Nur so verdient ein solches System das Prädikat „solida-risch“. Darauf können sich alle Versicherten verlassen.Das darf aber nicht dazu führen, dass wir über Wettbe-werb, Transparenz und viele andere Dinge überhauptnicht mehr sprechen dürfen.
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ch darf vielleicht daran erinnern, dass es doch eher wirn diesem Haus waren, die sich für eine Schuldenbremse im Übrigen: für eine sehr detaillierte Schuldenbremse –m Grundgesetz eingesetzt haben. Deshalb werden wirazu auch stehen.
ir wissen, dass es diese Regierung ist, die genau in die-er Legislaturperiode beginnen muss, das alles zu erfül-en. Hier schließt sich gleichsam der Kreis unserer wirt-chaftspolitischen Philosophie.
enn auch hier gilt: Nur mit einem strikten Wachstums-urs können wir die Vorgaben der Schuldenbremse ein-alten. Nur mit einem strikten Wachstumskurs schaffenir in Zeiten wie diesen überhaupt die Voraussetzungen,nsere Ziele insgesamt zu erreichen. Es geht nicht umachstum um des Wachstums willen, sondern um nach-altiges Wachstum, ein Wachstum, mit dem man an dasorgen und die nächste Generation denkt sowie unsereebensumwelt im Blick hat.
Viertens gilt: Wir wollen einen zukunftsfesten Um-ang mit den weltweit vorhandenen natürlichen Res-ourcen weiterentwickeln. Niemals dürfen wir zulassen,ass die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise eine bil-ige Ausrede für mangelnden Schutz unserer Umweltird. Das wäre einer der größten Fehler, die wir machenönnten. Ich sage das nicht ohne Grund; denn ich kenneie Realität. Sie ist schon ohne die Krise ziemlichchwierig. Noch immer sind wir zu weit von einem zu-unftsfesten Umgang mit unseren globalen Ressourcenntfernt. Bislang haben wir weder in der Energiepolitikoch in der Umweltpolitik dauerhaft tragfähige, globalentworten gefunden. Globale Abkommen – sei es in der-20-Gruppe zur Regulierung der Finanzmärkte, sei esn der Politik zum Schutz unserer Artenvielfalt oder iner Klimapolitik – lassen viel zu lange auf sich warten.ine Aufgabe der neuen Regierung wird sein, hier zurängen und auf Erfolge zu pochen.Dabei wissen wir alle in diesem Hause: Der Schutznseres Klimas ist eine Menschheitsaufgabe. Im vorns liegenden Jahrzehnt entscheidet sich, ob wir einehance haben, die Auswirkungen des weltweiten Klima-andels auf ein erträgliches Maß zu begrenzen – genauas meinen wir mit dem Zweigradziel –, oder ob wir dasicht schaffen. Es entscheidet sich, ob wir insgesamtine Art des Wirtschaftens finden, die nicht mit denrundlagen ihres eigenen Erfolgs Raubbau treibt, oderb wir es eben doch tun. Es entscheidet sich, welche Zu-unft unser Planet und damit wir, die wir diesen Planetenewohnen, haben.
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Bundeskanzlerin Dr. Angela MerkelIch sage es ohne Umschweife: Ein Misserfolg derWeltklimakonferenz in Kopenhagen im Dezemberwürde die internationale Klimapolitik um Jahre zurück-werfen. Das können wir uns nicht leisten.
Eine substanzielle politische Einigung ist unerlässlich,um die Voraussetzungen für ein international verbindli-ches – ich unterstreiche: verbindliches – Protokoll fürdie Zeit nach 2013 zu schaffen. Die Zeit drängt. DieEuropäische Union hat klare und eindeutige Verhand-lungspositionen entwickelt.
Jetzt erwarten wir Beiträge von den USA und Ländernwie China und Indien. Ich werde mich ganz persönlichdafür einsetzen und, wenn es erfolgversprechend ist,nach Kopenhagen fahren. Das werde ich auch tun, damithier jeder Zweifel beseitigt ist.
Auch hier in unserem Land müssen wir unsere Haus-aufgaben machen. Wir brauchen dringend ein Gesamt-konzept für eine schlüssige Energiepolitik, mit dem wirUmweltfreundlichkeit, Versorgungssicherheit und Wirt-schaftlichkeit unserer Energieversorgung sicherstellen.Die Bundesregierung wird genau ein solches Energie-konzept erarbeiten. Dazu setzen wir auf einen Energie-mix, der die konventionellen Energieträger schrittweisedurch erneuerbare Energien ersetzt. Oder in einem Satzgesagt: Wir wollen den Weg in das regenerative Energie-zeitalter gemeinsam gehen.
Das schließt allerdings die Erkenntnis ein, dass dieKernenergie für eine Übergangszeit
als Brückentechnologie ein unverzichtbarer Teil unseresEnergiemixes bleibt,
und zwar so lange, bis sie durch erneuerbare Energienverlässlich ersetzt werden kann,
damit wir nicht Strom aus Kernenergie aus Frankreichund Tschechien importieren müssen.
ir sind deswegen bereit, die Laufzeiten deutscherernkraftwerke – damit das noch einmal klar wird – un-er Einhaltung der strengen deutschen und internationa-en Sicherheitsstandards zu verlängern, und wir werdenen wesentlichen Teil der zusätzlichen Gewinne derraftwerksbetreiber nutzen, um den Weg in das regene-ative Energiezeitalter zu beschleunigen, zum Beispielurch verstärkte Forschung zur Energieeffizienz und zuen Speichertechnologien.
amit es weiter ein bisschen strittig bleibt: Das bedeutetuch, dass wir die Beiträge von neuen, hocheffizientenohlekraftwerken
nd der CCS-Technologie zum Klimaschutz anerken-en.
uch wenn manche es nicht hören wollen: Wir könnenuf Kohle als Energieträger nicht sofort verzichten, undeshalb werden wir auf Kohle als Energieträger auchicht verzichten; denn das wäre unsinnig.
it Blick auf neue und hocheffiziente Kohlekraftwerkeage ich auch: Wir tun das, weil wir wollen, dass unserand offen für neue Technologien ist. Was soll denn inhina gebaut werden? Auch Sie wissen das. Es nütztichts, den Kopf in den Sand zu stecken. Genau das ist derchlüssel, um die großen Potenziale der Energieeffizienznd der Energieeinsparung freizusetzen. Alle Fortschritte,ie unser Land bereits erzielt hat, sind das Ergebnis vonorschergeist, die energetische Gebäudesanierung ge-auso wie intelligente Verkehrsnetze oder alternative An-riebstechnologien. Genauso wollen wir weitermachen.eutschland soll Leitmarkt in der Elektromobilität wer-en, Deutschland soll eine hochambitionierte Breitband-trategie verfolgen, Deutschland soll in der Medizintech-ik ganz vorne mit dabei sein, Deutschland soll seinelassischen Stärken im Anlagenbau und in der Chemieuch in Zukunft voll ausspielen. Das sind die Stärkeneutschlands, auf die wir in unserer Koalition setzen.
n einem Wort: Deutschland setzt auch im 21. Jahrhun-ert auf den Erfindungsgeist der Menschen.
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Bundeskanzlerin Dr. Angela MerkelDie neue Bundesregierung setzt darauf; denn täten wirdas nicht, dann würden wir zu Getriebenen und abhängigvon jenen, die ihre Art von Lösung gefunden haben, dieaber nicht unsere Art von Lösung sein muss. Das ist einesehr grundsätzliche Weichenstellung, die die neue Re-gierung vorgenommen hat, damit wir Deutschland zuneuer Stärke führen können.Fünftens. Die Koalition der Mitte will das Verhältnisvon Freiheit und Sicherheit angesichts neuer Bedro-hungen festigen. Sie stellen uns in der Heimat, auch au-ßerhalb der Grenzen unseres Landes, vor große Heraus-forderungen. Wir können sie nur meistern, wenn wirunsere Sicherheitsarchitektur weiterentwickeln. Dieneue Regierung ist dazu entschlossen und in der Lage.Denn uns leitet ein Kompass: Freiheit und Sicherheitsind für die neue Bundesregierung keine Gegensätze; siegehören untrennbar zusammen. Beides hat der Staatbestmöglich zu gewährleisten, sei es beim Schutz per-sönlicher Daten in den neuen Kommunikationstechnolo-gien, sei es beim Betrag Deutschlands zur internationa-len Sicherheit.Gestern haben wir gemeinsam den 20. Jahrestag desMauerfalls gefeiert. Der 9. November 1989 war derglücklichste Tag in der jüngeren deutschen Geschichte.Möglich gemacht haben ihn viele: Die Bürgerinnen undBürger der ehemaligen DDR auf den Straßen von Leip-zig und anderswo, die Gewerkschaft Solidarnosc in Po-len, die Freiheitsbewegung um Vaclav Havel in Prag,Michail Gorbatschow, der als Staats- und Parteichef inder entscheidenden Stunde auf den Einsatz von Panzernverzichtet hatte,
und Helmut Kohl und Hans-Dietrich Genscher, die diedeutsche Einheit unwiderruflich vorangetrieben haben,und viele, viele mehr.Möglich wurde der 9. November 1989 aber auch nochdurch etwas anderes: durch ein Eintreten der transatlanti-schen, der westlichen Wertegemeinschaft – EuropäischeUnion, NATO – für die Einheit und Freiheit unseresLandes. So wie es diese Wertegemeinschaften waren, dievor 20 Jahren mit zum Ende des Kalten Krieges beige-tragen haben, so sind es auch heute Bündnisse undWertegemeinschaften, die uns die Herausforderungenunserer Zeit meistern lassen. Die Herausforderungenund Aufgaben sind seit 1989 andere geworden. Die Zahlunserer Partner ist viel größer geworden. Aus der Bedro-hung des Kalten Krieges sind asymmetrische Bedrohun-gen geworden. Doch der Weg, den Herausforderungenunserer Zeit zu begegnen, der ist derselbe geblieben. Esist und bleibt ein Weg der Partnerschaften und Bünd-nisse auf Grundlage unserer Werte, mit dem wir die He-rausforderungen unserer Zeit bewältigen können. Nie-mand schafft es allein. Gemeinsam können wir allesschaffen.
Das gilt für uns in Europa. Der Vertrag von Lissa-bon tritt am 1. Dezember 2009 in Kraft. Er verbessertdlwtVtssNendakdVapfedPdRKungafwasScSnDsomwsAMb
Ich kann über unseren Einsatz in Afghanistan nichtprechen, ohne an dieser Stelle unseren Dank an alleoldaten, Polizisten und Entwicklungshelfer auszuspre-hen.
ie haben zum Teil sehr gefährliche Aufgaben in Afgha-istan zu meistern. Ich kann hier auch nicht übereutschlands Einsatz in Afghanistan sprechen, ohne be-onders an jene zu denken, die ihr Leben lassen musstender verwundet wurden. Wir werden ihren Einsatz nie-als vergessen.Meine Damen und Herren, der Einsatz der Bundes-ehr in Afghanistan wie auch in anderen Regionen un-erer Erde ist hart. Er verlangt der Bundeswehr viel ab.ber unsere Bundeswehr ist leistungsstark. Sie ist in deritte der Gesellschaft verankert. Das hat sich mehr alsewährt.
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Bundeskanzlerin Dr. Angela MerkelDie neue Bundesregierung hat entschieden, die Wehr-pflicht auf sechs Monate zu verkürzen.
Sie hat nicht beschlossen, die Wehrpflicht abzuschaffen –aus guten Gründen nicht. Jetzt geht es darum, die sechsMonate Wehrpflicht so effizient wie möglich auszuge-stalten, damit diese Verkürzung kein Einstieg in denAusstieg aus der Wehrpflicht wird.
Damit das gelingt, wollen wir natürlich auch Maßnah-men ergreifen, die dann zu mehr Wehrgerechtigkeit alsheute führen. Dazu sind wir entschlossen.Wir stehen auch weiter zu dem Konzept der vernetz-ten Sicherheit, also der Vernetzung von militärischenund zivilen Maßnahmen. Deshalb sage ich auch ganzdeutlich: Für die neue Bundesregierung ist Entwick-lungszusammenarbeit keine Nebensache, sondern eineHauptsache.
Deshalb bekräftige ich heute vor diesem Hohen Hauseausdrücklich: Das Erreichen der Millenniumsziele fürAfrika ist und bleibt uns Verpflichtung. Wir halten amZiel fest, bis 2015 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktsfür Entwicklungspolitik bereitzustellen. Auch das isteine moralische Aufgabe.
Meine Damen und Herren, die von mir genanntenfünf Punkte kennzeichnen die Größe der Aufgabe, diedie neue Regierung zu meistern hat. Kaum eine Regie-rung vor uns hat seit 1990 vor derartigen Herausforde-rungen gestanden. Ich will ehrlich sein: Was vor unsliegt, das ist kein leichter Weg. Es wird immer wiederharter Entscheidungen bedürfen, und ich kann nicht ver-sprechen, dass alles schnell leichter und besser wird.Aber was ich sagen kann, ist dieses: Wir haben bei allenSchwierigkeiten viel Anlass zur Zuversicht. Wir habenin der 60-jährigen Geschichte unseres Landes schonganz andere Aufgaben gemeistert: den Wiederaufbaunach dem Krieg, die Überwindung der Teilung, den Siegder Freiheit, den Aufbau der neuen Bundesländer.Es ist wahr, jede große Herausforderung hat ihre spe-zifischen Umstände. Aber wahr ist auch: Gemeistert ha-ben wir sie alle, weil wir uns auf die Werte besonnen ha-ben, die am Anfang unseres Landes standen: Frieden inFreiheit, Einheit und Zusammenhalt, solidarisches Mit-einander, Vertrauen in die Kraft der Menschen – mit ei-nem Wort: auf Freiheit in Verantwortung. Das ist dasLwntePstineBJmd–bsda–mtstZKtUTTgA„
Die Parteien, meine Damen und Herren, die dieseeue Regierung bilden, Union und FDP, sind die Par-eien, die die soziale Marktwirtschaft in Deutschlandingeführt und verankert haben. Union und FDP sind diearteien, die nie an der Kraft unseres freiheitlichen Wirt-chafts- und Sozialsystems gezweifelt haben.
Wir, Union und FDP, haben jetzt den Auftrag erhal-en, Deutschland stärker aus der Krise zu führen, als esn sie hineingegangen ist, und so unserem Land und sei-en Menschen eine gute Zukunft zu sichern. Darum gehts, ganz schlicht: um eine gute Zukunft. Ich bitte alleürgerinnen und Bürger, auf diesem Weg mitzumachen.eder ist Teil des Ganzen. Jeder kann Deutschland besserachen. Das schließt auch die Opposition unseres Lan-es ein.
Das schließt auch die Opposition ein. Das Landraucht uns alle, die wir in politischer Verantwortungtehen.Meine Regierung bietet dem ganzen Deutschen Bun-estag eine faire und vertrauensvolle Zusammenarbeitn. Wir bieten allen Gruppen unserer GesellschaftWirtschaft, Gewerkschaften, Kirchen, Religionsge-einschaften, Wissenschaft, Kultur – eine faire und ver-rauensvolle Zusammenarbeit an, weil wir überzeugtind: Es lohnt sich, gemeinsam für Deutschland zu arbei-en. Es lohnt sich, weil hier unsere Heimat und unsereukunft sind.Herzlichen Dank.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
ollegen Dr. Frank-Walter Steinmeier für die SPD-Frak-
ion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!nion und FDP – da sitzt es nun, das selbsternannteraumpaar der deutschen Politik. Auf alles war diesesraumpaar vorbereitet, nur nicht auf gemeinsames Re-ieren. Diese Kleinigkeit haben sie vergessen.
ber die Öffentlichkeit hat ihr Urteil schon gesprochen.Blanker Dilettantismus“, „Klientel statt Klarheit“, „fi-)
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Dr. Frank-Walter Steinmeiernanzpolitischer Blindflug“, das sind nicht meine Worte,nicht nur die Worte der Opposition, sondern so urteiltauch die Wirtschaftspresse, Ihre enttäuschte Anhänger-schaft.
Katastrophaler hätte der Fehlstart nicht sein können.Durchgefallen, und das knapp zwei Wochen nach demStart.
Wir hätten hier gern etwas zu der Koalitionsverein-barung gehört. Was Sie mit dieser Vereinbarung abge-liefert haben, ist ein einziges Dokument der Vertagung,der Verunsicherung, gestreckt auf 124 Seiten. Wenn es inden vergangenen Wochen Taktik war, Verwirrung in derdeutschen Öffentlichkeit zu stiften, dann haben Sie da-mit allerdings sehr großen Erfolg gehabt. Acht Kommis-sionen und 15 Prüfaufträge finden sich in diesem Koali-tionsvertrag. Alle schwierigen Entscheidungen habenSie vertagt. Kaum war die Tinte trocken, musste schonzu Nachverhandlungen eingeladen werden.
Heute Klarheit zu schaffen, Frau Merkel, wäre Ihre Auf-gabe gewesen. Deshalb hat sich der Deutsche Bundestagheute hier versammelt, und das erwartet die deutsche Öf-fentlichkeit.Aber ich sage Ihnen ebenso offen: Nach der Hauereider Koalitionäre am vergangenen Wochenende habe ichgeahnt, dass das nichts wird. Frau Bundeskanzlerin, daseben war keine Regierungserklärung, sondern ein Regie-rungsrätsel, und Sie kennen die Lösung selbst nicht.
Rätselhaft ist, wann, wo und wie die versprochenenSteuersenkungen umgesetzt werden sollen. Rätselhaftist, wie Sie diese Steuersenkungen finanzieren wollen,was Sie den Menschen dann zumuten wollen, was Sieihnen aufbürden wollen:
Erhöhung von Abgaben, Kürzungen bei den Sozialleis-tungen oder bei der Bildung, Einführung der Pkw-Mautoder am Ende alles zusammen? Seit Wochen verweigernSie darüber die Auskunft, und heute sind wir auch nichtschlauer.
Ich sage Ihnen auch: Vernebeln als Strategie hat indieser Koalition und in dieser KoalitionsvereinbarungMethode. Ihr erstes Gesetz – Sie haben es vorhin vorge-stellt – ist das Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Orwellhätte seine helle Freude daran. Es handelt sich um kryp-tische Wortungetüme, die das Gegenteil von dem mei-nen, was sie sagen. Warum sage ich das?
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llein für diese Maßnahmen muss der Bund bis 2013,9 Millionen Euro mehr an Zinsen zahlen,
eld, das dann für Forschung und Investitionen fehlt. Sontsteht eben kein Wachstum. So verhindert man Wachs-um, so macht man Zukunft kaputt. Deshalb ist das deralsche Weg.
Was Sie mit diesem Koalitionsvertrag vorlegen, isteine Konjunkturpolitik. Das ist Klientelpolitik. Ichrage mich: Was reitet Sie da eigentlich mitten in dieseriefsten Krise, wo doch alle wissen – Sie haben es ebenelbst gesagt –, dass das dicke Ende auf dem Arbeits-arkt noch kommt? Millionen von Menschen – nichtur bei Opel – bangen um ihre Zukunft. Aber was ma-hen Sie? Sie verteilen Geschenke an Steuerberater, Er-en, Ärzte und Hotelketten.
ch sage Ihnen: Wenn das die Antwort auf die Krise ist,ann ist diese Regierung fehl am Platze.
Das ist alles erst der Anfang. 24 Milliarden Euroteuerentlastungen sollen noch in Aussicht stehen. Steu-rgeschenke auf Pump sind doch ökonomische Geister-ahrerei.
ch habe mich immer gefragt, Frau Bundeskanzlerin,as Sie meinten, wenn Sie gesagt haben, mit der FDPönnten Sie endlich all das machen, was mit der SPDicht möglich gewesen sei. Jetzt wissen wir, was ge-eint war: zusätzliche Schulden in Rekordhöhe, und dasür Steuersenkungen, die schlicht und einfach nicht fi-anzierbar sind. Das ist die Botschaft, die Sie zwar nichtufgeschrieben haben, die aber alle so verstanden haben.as versichere ich Ihnen.
Damit das am Ende nicht so auffällt, wollten Sie diesechulden anfänglich in riesigen Schattenhaushaltenerschwinden lassen.
n dieser Stelle sind Sie scheinbar und nur unter öffent-ichem Druck zurückgerudert. Wenn man aber in diesem
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Dr. Frank-Walter SteinmeierKoalitionsvertrag das Kleingedruckte liest, dann mussman sagen: Das gigantische Täuschungsmanöver, dasdort angelegt war, ist doch erhalten geblieben; da stehtjetzt nur etwas anderes. Sondervermögen für generatio-nengerechte Finanzen, so wird im Koalitionsvertrag fa-buliert. Was ist das denn anderes als ein Schattenhaus-halt im neuen Gewand? Das Ganze wird nur gemacht,um Spielgeld für Steuersenkungen zu haben. FrauMerkel und Herr Westerwelle, diese Operation „Täu-schen, Tricksen, Vernebeln“ wird scheitern. Sie mussscheitern. Wir werden dabei helfen; das versprechen wirIhnen.
Wir lassen uns nicht blenden von der einen oder ande-ren verharmlosenden Überschrift in diesem Koalitions-vertrag. Wer da nämlich genau hinschaut und wer einbisschen gelernt hat, zwischen den Zeilen zu lesen, dererkennt doch in diesem Koalitionsvertrag: Da sind Wei-chen für eine andere Republik gestellt.Frau Merkel, Sie haben letzte Woche in Washingtonvor dem Kongress gesagt, dass es unsere Aufgabe sei,Mauern niederzureißen, Mauern in unseren Köpfen,Mauern aufgrund eines kurzsichtigen Eigeninteresses,Mauern zwischen Gegenwart und Zukunft. Schön ge-sagt. Ich denke, da sind wir alle in diesem Haus einerMeinung. Das Problem ist nur: Sie meinen das nichternsthaft.
Hier zu Hause tun Sie genau das Gegenteil.
Dieser Koalitionsvertrag reißt keine Mauern ein. Er ziehtneue Mauern hoch. Das ist die bittere Wahrheit. Daswird sich herausstellen.
Verniedlichen Sie das nicht! In diesem Koalitionsver-trag sind durch eine Rekordverschuldung Spaltungenzwischen dieser Generation und den kommenden Gene-rationen angelegt. Sie spalten zwischen den Kindern mitreichlich Chancen und den Kindern mit wenigen Chan-cen. Sie legen im Gesundheitswesen die Axt an das Soli-darprinzip an.
Sie gefährden den sozialen Zusammenhalt, und Sie trei-ben dieses Land mit der Rückkehr zur alten Atompolitik– das prophezeie ich Ihnen – in den damaligen gesell-schaftlichen Großkonflikt zurück. Deshalb sage ich: Siewollten Brücken bauen, doch in Wirklichkeit heben SieGräben aus. Das wird das Ergebnis der Politik sein. Dashat dieses Land, das haben die Menschen in diesemLand nicht verdient.wrgSggSkÄLsw–nTbeWSdHLrWJaRdbmGvAvVB4ui
Herr Westerwelle, ich erinnere mich noch gut daran,ie Sie als Oppositionsredner in den vergangenen Jah-en anlässlich von Haushaltsberatungen an diesem Pultestanden haben.
chulden von heute sind die Steuererhöhungen von mor-en, haben Sie immer gesagt. Die Frage ist nur: Warumilt das alles nicht mehr? Vor ein paar Monaten habenie uns noch das Liberale Sparbuch auf den Tisch ge-nallt, und jetzt sind Sie der Schuldenmacher der Nation.mter verändern Menschen; aber das ist Mutation inichtgeschwindigkeit.
Darum geht es aber gar nicht. Viel schlimmer ist: Un-ere Kinder und Enkel werden diese Zeche bezahlen,eil der Trick „Steuersenkungen finanzieren sich selbst“ sie alle wissen das – natürlich nicht funktioniert. Er hatie funktioniert, nicht bei Ronald Reagan und nicht beiheo Waigel. Das Schlimme ist: Sie wissen, dass er auchei Ihnen nicht funktionieren wird. Dennoch machen Sies. Das ist vorwerfbar, das ist Handeln wider besseresissen und Täuschung, und dies werfen wir Ihnen vor.
Ich bin fest davon überzeugt: Schon im nächstenommer wird sich zeigen, Frau Bundeskanzlerin, dassiese Schuldenpolitik tiefe Löcher nicht nur in denaushalt des Bundes, sondern auch in die Haushalte deränder und Kommunen reißt. Sie werden dann dort spa-en müssen, wo es um Lebenschancen von Kindern geht.ir werden weniger neue Ganztagsschulen und wenigerugendsozialarbeit haben. Viele Kinder wird das treffen,ber manche besonders hart, nämlich diejenigen, die amande dieser Gesellschaft stehen. Dafür liefert in der Tatas erste Gesetzesvorhaben, zu dem Sie eben geredet ha-en, den ersten Beweis.Ich verstehe, dass sich die Menschen freuen, wennehr Geld für Familien versprochen wird. Aber derrundsatz muss doch heißen: Jedes Kind ist uns gleichiel wert.
ber was machen Sie? Was ist die Folge Ihres Gesetzes-orschlags? Die Folge ist – das sollten alle wissen –: Dieerkäuferin bekommt 240 Euro im Jahr mehr, und dieesserverdienenden bekommen fast das Doppelte,43 Euro, mehr. Sie treiben die Schere zwischen armennd reichen Familien weiter auseinander. Ich sage: Dasst nicht gerecht. Das ist die falsche Politik.
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Dr. Frank-Walter SteinmeierDie ganze Wahrheit ist: Dieses Füllhorn können wirnicht zweimal ausschütten. Wer den Kinderfreibetragund das Kindergeld erhöht, muss auch sagen, was das fürden Ausbau der Betreuung bedeutet. Da werden Sieganz schmallippig. Wo ist denn da ein einigermaßenglaubwürdiges Gesamtkonzept? Die letzten zehn Jahrewaren wir doch auf einem ganz ordentlichen Weg: mehrBetreuung, auch mehr Ganztagsbetreuung, bessere Ver-einbarkeit von Familie und Beruf. Aber das, was jetztkommt – das haben Sie eben angedeutet –, ist doch einSalto rückwärts.
Denn Sie sagen den Eltern nicht, dass Großzügigkeitjetzt und heute ihren Preis hat und dass Sie das Geldnicht zweimal ausgeben können. Das heißt, der Ausbauder Betreuung wird zum Ende kommen. Sie verkennen,dass auch Ihre Politik Prioritäten setzen muss. Ich sage:Wenn ich über Prioritäten entscheide, dann muss derAusbau der Betreuung Priorität haben.
Es muss doch Einverständnis in diesem Hohen Hausebestehen, dass moderne Familienpolitik nur da seinkann, wo Familien, wo Eltern ihren Lebensunterhaltwirklich selbst verdienen können. Das ist moderne Fa-milienpolitik, und die verraten Sie ein zweites Mal.Ich weiß, es wird viel über die Herdprämie geredet.Das richtige Wort müsste eigentlich sein: Fernhalteprä-mie.
– Schauen wir doch einmal in einige Randbezirke derdeutschen Großstädte, auch Sie! Hier in Berlin gibt esgenügend Anschauungsmaterial.
– Auch in Köln, in Hamburg, in München und anders-wo. – Anreize dafür zu geben, dass die Kinder zu Hausebleiben, statt mit anderen zu lernen, das ist doch zynisch.
Sie, Frau von der Leyen, haben das Betreuungsgeld alsbildungspolitische Katastrophe bekämpft. Ich fordereSie auf: Wenden Sie diese Katastrophe ab! Unsere Un-terstützung haben Sie dabei; das versprechen wir Ihnen.
Bessere Betreuung und bessere Bildung gehören zu-sammen. Wir wollen keine verlorene Generation derSchulabbrecher. Wir müssen nach wie vor über sozialenAufstieg reden. Ich weiß, was das ist. Aber noch mehrmüssen wir über sozialen Einstieg reden. Wenn ich überslbugDrmndDnznihherKrabndKTvrigbreRcOssw–sDdS
Ich habe vorhin gesagt, und das mit großem Ernst: Iniesem Koalitionsvertrag ist soziale Spaltung angelegt. –ies wird auch Ihnen in den nächsten Wochen und Mo-aten mit dem Beginn der politischen Auseinanderset-ung hier in diesem Hause deutlich werden. – Das istirgendwo deutlicher als in der Gesundheitspolitik. Dasst nicht irgendetwas; da steht was auf dem Spiel! Ichabe mich in der Vergangenheit darum gekümmert. Des-alb sage ich Ihnen: Vielleicht schauen wir manchmalin wenig zu nachlässig auf das, was wir miteinander er-eicht haben. Andere jedenfalls – das weiß ich aus vielenontakten mit dem Ausland –, auch die Amerikaner, ge-ade in der heutigen Situation, schauen mit Anerkennunguf unser Gesundheitssystem: dass wir es geschafft ha-en, dass bei uns nach wie vor jeder Zugang zu medizi-ischen Leistungen hat, dass Menschen für Menschen iniesem Gesundheitssystem einstehen und dass wir dieosten solidarisch tragen. Auch wenn wir es nicht jedenag so hoch bewerten, andere tun es; das kann ich Ihnenersichern. Das ist nicht irgendetwas, wenn Sie jetzt da-angehen und das Prinzip der Solidarität an einer, wiech finde, ganz entscheidenden Stelle zum Kippen brin-en, indem Sie das Vorhaben wahrmachen, die Arbeitge-erbeiträge zur Krankenversicherung wirklich einzufrie-en. Was ist denn die Botschaft? Sie ist doch ganzinfach zu verstehen. Die Botschaft ist: Sie verlagern dieisiken für die weitere Zukunft einseitig auf die Versi-herten.
b das höhere Ärztehonorare sind, die Sie gerade be-chlossen haben, oder steigende Arzneimittelpreise: Siechonen die einen und belasten die anderen. Das ist es,as ich „Ausstieg aus der Solidarität“ nenne.
Die Arbeitgeber das habe ich heute Morgen in einer bekannten deut-chen Tageszeitung gelesen –sind aus dem Schneider. Schleichend machen siesich vom Acker des Sozialstaates.as hat kein Sozialdemokrat gesagt, das hat ein Christ-emokrat gesagt. Norbert Blüm schreibt das heute in derüddeutschen Zeitung.
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Dr. Frank-Walter Steinmeier
Das ist aus unserer Sicht der falsche Weg. Das ist einWeg, der den sozialen Zusammenhalt gefährdet. Wir ge-hen auf diesem Weg nicht mit.
Richten Sie sich in dieser Frage auf ganz harten Wider-stand ein!
Aber das ist nicht alles. Wenn man ein wenig weiterund genauer liest, dann kommt man noch auf einen an-deren Punkt. Sie planen Entsolidarisierung nicht nurzwischen Arbeitgebern und Versicherten, Arbeitgebernund Arbeitnehmern, sondern auch im Verhältnis der ge-setzlichen Krankenkassen zueinander. Auch wenn dasim Augenblick noch keiner so richtig gemerkt hat,
– danke, Herr Fricke. – geht es im Grunde genommendarum: Sie wollen über den Gesundheitsfonds an denFinanzausgleich zwischen den armen und den reichenKrankenkassen heran. Das mag gut für Bayern sein, aberist schlecht für den Osten.
Denn was wird die Folge sein für die strukturschwachenRegionen, und zwar nicht nur in Ostdeutschland, son-dern auch in einigen Gegenden in Westdeutschland? DieFolge sind entweder irrsinnig hohe Beiträge oder aberweniger Leistung und weniger Ärzte. Das ist erkennbarnicht die Lösung, sondern das Problem. Dieses Problemschaffen Sie in dieser Regierung selbst, weil Sie die So-lidarität und das Einstehen füreinander im gesetzlichenGesundheitssystem in Deutschland nicht wirklich verste-hen. So wird ruiniert, was uns in den sechs Jahrzehntender Nachkriegszeit stark gemacht hat, sowohl was densozialen Zusammenhalt als auch was die Demokratie inDeutschland betrifft.
Im Kern spreche ich über den Bereich Gesundheit,aber den Geist, den ich beschreibe und den ich kritisiere,sehe ich an verschiedenen Stellen des Koalitionsvertra-ges. Dieses Land wird gespalten zwischen denen, diealleine zurechtkommen, und denjenigen, die abgehängtwerden. Wir haben die Gleichwertigkeit der Lebens-verhältnisse in den letzten Tagen bei den Feierlichkeitenzur deutschen Einheit immer wieder genannt, bewertet,betont und unterstrichen. Wir haben feierlich beschwo-ren, dass das ein Gebot der Verfassung ist. Gerade des-halb dürfen wir das nicht aufgeben, auch nicht schlei-chend.Sie haben in dieser Koalitionsvereinbarung ein ver-harmlosendes Wort, ein Vernebelungswort gefunden.Dieses Vernebelungswort lautet – ich habe es im Koali-tionsvertrag mehrfach gefunden –: Regionalisierung. SiewwrWFfnsdsEgsÄbihledrwEjFtlzFgbdlnrthmWpBejasdrv
rau Roth hat das gesagt, der Deutsche Städtetag hat dasesagt, und auch der Deutsche Städte- und Gemeinde-und ist auf dieser Linie. Sie haben doch gar keine an-ere Wahl, wenn Sie diese Politik wirklich wahr werdenassen. Was sollen sie denn anderes tun, als das, was ih-en genommen wird, in Gebühren- und Abgabensteige-ungen für die Bürger zu übersetzen?Das ist das Kleingedruckte in Ihrem Koalitionsver-rag. Das ist das, was viele bisher übersehen haben. Des-alb sage ich: Schwarz-Gelb wird am Ende eben nichtehr Netto vom Brutto bedeuten. Sie gehen den andereneg, den der Abgaben- und Gebührensteigerungen. Ichrophezeie Ihnen: Am Ende wird es weniger Netto vomrutto sein. Das wird Ihre Politik ergeben.
Das aus meiner Sicht Verheerendste zum Schluss: Sientzweien das Land weiter. Auf der einen Seite sind die-enigen, die von ihrer Arbeit leben können, und auf dernderen Seite diejenigen, die mit Billiglöhnen abge-peist werden. Das Gegenteil ist richtig; wir wissen dasoch alle. Wenn es richtig ist – ich jedenfalls glaube da-an –, dass derjenige, der den ganzen Tag arbeitet, auchon seinem Lohn einigermaßen leben können muss, und
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Dr. Frank-Walter Steinmeierdies immer noch das Grundprinzip einer Arbeitsgesell-schaft ist,
dann machen Sie dieses Prinzip kaputt, und zwar wiedermit einem Trick an der entscheidenden Stelle; Sie habenihn eben vorgestellt. Sie sagen, dass Sie in Ihrer Koali-tion sittenwidrige Löhne ausschließen wollen. Ich sage:Was für ein Heldenmut! Das gilt schon, und das wissenalle Beteiligten hier.
Sittenwidrig sind nach herkömmlicher RechtsprechungLöhne – das wissen Sie alle –, die die Tariflöhne bzw.die ortsüblichen Löhne um mehr als ein Drittel unter-schreiten. Was heißt das auf gut Deutsch? Das heißt,dass Sie für Hunderttausende in dieser Republik Bil-liglöhne von 4 Euro festschreiben, und das als diejeni-gen, die in diesem Wahlkampf „Arbeit muss sich wiederlohnen“ plakatiert haben. Was ist das für ein Leistungs-begriff?
Ich kann fragen: „Was ist das für ein Leistungsbe-griff?“, aber eigentlich müsste man fragen: Was ist dasfür ein Menschenbild? Wenn Eltern ihren Kindern sagenmüssen: „Ich war zwar den ganzen Tag arbeiten, aber amMonatsende muss ich trotzdem aufs Amt“, dann ist undbleibt das entwürdigend. Das ist heute entwürdigend,und das ist die Altersarmut von morgen. Deshalb ist dasder falsche Weg. Mindestlöhne sind die richtige Ant-wort, und diese Antwort verweigern Sie in der Koali-tionsvereinbarung, in der Politik.
Schuldenpolitik im Blindflug, Schwächung derSchwachen, Stärkung der ohnehin Starken, Entsolidari-sierung beim Gesundheitssystem, Ausspielen der Regio-nen gegeneinander, Ausbluten der Kommunen, abereben gleichzeitig vollmundige Steuersenkungen aufPump – Frau Merkel, Herr Westewelle, ich glaube, Siesind nicht das Traumpaar der deutschen Politik. Wenndas so wahr wird, dann werden Sie zum Traumtänzer-paar. Das spricht sich mittlerweile herum.
Frau Bundeskanzlerin, diese Regierung hat einenKoalitionsvertrag, aber sie hat keinen Plan. Da ist keinProjekt, da ist kein Anspruch, und da ist kein Ehrgeiz.Das ist das eigentlich Schlimme, weil unser Land – auchSie sagen es – vor entscheidenden Jahren steht. UnserLand braucht eine Leitidee, wie Wohlstand und Arbeitin diesem neuen Jahrzehnt entstehen können, eine Idee,welche Konsequenzen wir aus der Krise der Finanz-märkte, mittlerweile einer weltweiten Wirtschaftskrise,ziehen, wie wir die daraus entstehenden Lasten fair ver-tgwbLhnsk–LgtfBz2TeWmtumdktüKeüdaaahg
Rede von: Unbekanntinfo_outline
In diesem
and steckt viel. Ja, aber das Problem ist: In dieser Re-
ierung steckt der Wurm. Deshalb haben Sie die schöns-
en Tage Ihrer Regierungszeit schon hinter sich.
Vielen Dank.
Ich erteile das Wort der Kollegin Birgit Homburger
ür die FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dereginn der Arbeit des 17. Deutschen Bundestages fälltusammen mit dem Jahrestag des Falls der Mauer vor0 Jahren. Deshalb ist es richtig, dass wir uns in diesenagen erinnern, dass wir zurückschauen und uns nochinmal vergegenwärtigen, was vor 20 Jahren geschah.enn ich an diese Zeit zurückdenke, dann stehen fürich ganz persönlich nicht nur diese historische Situa-ion und geschichtliche Tatsachen im Vordergrund, dienser Land verändert haben. Vielmehr bewegt mich da-als wie heute die emotionale Verfasstheit unseres Lan-es, die von einer Aufbruchstimmung geprägt war. Wirönnen aus dieser Zeit etwas lernen: was Solidarität un-ereinander, was Hilfsbereitschaft, was spontane Freudeber das unerwartete Glück anderer angeht und welcheraft das Bewusstsein für die Bedeutung von Freiheit ininem Volk freisetzen kann.
Der Fall der Mauer markiert den Sieg der Freiheitber die Unfreiheit. Er ist im Endeffekt ein Geschenkerjenigen, die den Mut hatten, etwas Neues zu schaffen,uf die Straße zu gehen. Er ist ein Geschenk der Mutigenn ein ganzes Volk, an den Staat und an die ganze Welt.Die Überwindung der deutschen Teilung beendeteuch die Spaltung Europas. Die europäische Einigungat zur Stabilisierung des Friedens in Europa beigetra-en. Der Vertrag von Lissabon eröffnet uns heute Chan-
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Birgit Homburgercen, diese Zusammenarbeit in Europa weiter zu vertie-fen. Wir als Koalition wollen die Chancen nutzen unddafür sorgen, dass diese vertiefte Einigung Europas auchim Alltag umgesetzt wird.
In der Außenpolitik haben wir viele Kontinuitäts-linien.
Aber es gibt auch einige neue Akzente, die gesetzt wer-den. Es ist heute schon deutlich geworden, dass dieAbrüstungspolitik für diese Regierung eine zentraleRolle spielt.
Wir als Koalition unterstützen die von US-PräsidentBarack Obama unterbreiteten Vorschläge für neue, weit-gehende Abrüstungsinitiativen mit Nachdruck. Dasschließt auch das ehrgeizige Ziel einer nuklearwaffen-freien Welt mit ein. Selbst Zwischenschritte auf demWeg dorthin stellen einen bedeutenden Zugewinn für dieweltweite Sicherheit dar.
Daher werden wir uns in der NATO und auch gegenüberden USA weiterhin dafür einsetzen, dass die in Deutsch-land verbliebenen Atomwaffen abgezogen werden. Daswar nicht immer so klar, wie es jetzt im Koalitionsver-trag steht. Es ist gut für Deutschland, dass wir uns daraufverständigt haben.
Eine besondere Herausforderung in der Außenpolitikstellt der Einsatz in Afghanistan dar. Wir haben alsKoalition deutlich gemacht, dass wir wissen, was dieserEinsatz gerade für unsere Soldatinnen und Soldaten be-deutet. Es geht um die Stabilisierung Afghanistans; sieist in unserem eigenen Interesse. Aber es geht nicht nurum Stabilisierung, sondern wir wissen ganz genau, dassdie Soldatinnen und Soldaten jeden Tag vor großen He-rausforderungen und auch in einem Kampfeinsatz ste-hen. Diese Regierung hat deutlich gemacht, dass wirwissen, um was es dort geht. Ich sage an dieser Stelle:Wir sind dankbar für das, was vor Ort geleistet wird: vonunseren Soldatinnen und Soldaten, aber auch von denPolizisten, die an der Polizeiausbildung mitwirken, undvon den Entwicklungshelfern.
Uns geht es darum, zusammen mit den Partnern eineStrategie zu finden, die den Wiederaufbau in den Mittel-punkt stellt und die vor allen Dingen dafür sorgt, dassAfghanistan dauerhaft selbst für Sicherheit und OrdnungsMvsgetdhiggDgsWzEisrpwMDEaMDillvd
Herr Steinmeier, ich möchte an dieser Stelle sagen,ass es mich ein bisschen verwundert, dass Sie über-aupt nichts zur Außenpolitik gesagt haben. Wir hattenn den vergangenen Jahrzehnten in diesem Hause dieute Tradition, dass in der Außenpolitik viel gemeinsameht.
ie Tatsache, dass Sie, Herr Steinmeier, hierzu nichtsesagt haben, wirft die Frage auf, ob Sie, ob die SPDich hier vom Acker stehlen will.
Der Einsatz der Bundeswehr an vielen Orten derelt
eigt uns längst, dass die Bundeswehr eine Armee iminsatz geworden ist. Deswegen war es richtig, dass wirm Koalitionsvertrag festgelegt haben, dass die Organi-ationsstruktur der Bundeswehr überprüft wird, undichtig war auch, dass die FDP hinsichtlich der Wehr-flicht konsequent durchgesetzt hat, dass die Grund-ehrdienstzeit zum 1. Januar 2011 von neun auf sechsonate verkürzt wird.
as ist eine Reduzierung um ein Drittel. Das bringt einentlastung der Wehrpflichtigen. Es zeigt deutlich, dassuch an dieser Stelle Bewegung möglich ist.
Wir blicken in diesem Jahr nicht nur auf 20 Jahreauerfall, sondern auch auf 60 Jahre Bundesrepublikeutschland zurück. Den Wohlstand, der in diesem Landn dieser Zeit erarbeitet wurde, verdanken wir der sozia-en Marktwirtschaft. Sie hat sich in vielen Krisen alsern- und zukunftsfähiges Modell erwiesen. Dabei istöllig klar, dass wir das, was geschaffen wurde, nichturch möglichst viel Gleichheit, sondern durch mög-
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Birgit Homburgerlichst viel Freiheit erreicht haben, im Glauben an und imVertrauen auf die Kraft, den Fleiß, die Leistungsbereit-schaft und die Kreativität der Menschen in diesem Land.Genau diese Leistungsbereitschaft, genau diese Kreativi-tät wollen wir durch mehr Freiheit wieder freisetzen undfür die Zukunft nutzen.
Viele Menschen in diesem Land fürchten angesichtsder weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise um ihreExistenz. Viele Arbeitnehmer fürchten um ihre Arbeits-plätze; aber, was oft vergessen wird, auch viele Unter-nehmerinnen und Unternehmer fürchten um ihre Exis-tenz.
Viele große Unternehmen stecken in erheblichenSchwierigkeiten. Menschen, die aufgrund der Wirt-schaftskrise ihren Arbeitsplatz verloren haben oder inHartz IV geraten sind, verlieren ihr Erspartes und oft ge-nug auch ihre Zuversicht.Dagegen stellen wir uns. Das schafft man aber nichtmit Verzagtheit, das schafft man nur mit klaren Refor-men und mit mehr Freiheit im Rahmen der sozialenMarktwirtschaft.
Angesichts der Finanzmarktkrise sind auch politischeKorrekturen und Reformen notwendig. Zentral ist aber,dass die Regeln, die es gibt und die die Politik setzt,auch eingehalten werden. Deshalb werden wir die Auf-sicht über die Banken in Deutschland bei der Deut-schen Bundesbank zusammenführen,
damit die Bankenaufsicht anders als in der Vergangen-heit schlagkräftig wird.
Das zeigt die Handschrift der Liberalen. Wir haben ges-tern das Wachstumsbeschleunigungsgesetz auf denWeg gebracht, weil wir einen Neustart in Deutschlandbrauchen. Zum 1. Januar 2010 werden wir damit begin-nen, vor allem Familien und die Mittelschicht in diesemLand zu entlasten. Wir wollen und wir werden dasWachstum beschleunigen; denn nur Wachstum wird da-für sorgen, dass wir den Weg aus der Krise finden, Ar-beitsplätze erhalten und neue schaffen.
Deshalb wollen wir die Unternehmen zuverlässig entlas-ten und den Bürgerinnen und Bürgern dauerhaft mehrNetto vom Brutto lassen. Deshalb werden wir noch indieser Legislaturperiode zu einem einfacheren und ge-rechteren Steuersystem kommen.WSdsÄVrSBtrdsumzawpÜsgewdnsRahKnwdsSgRbl
ir werden den Stufentarif einführen. Unser Ziel ist, dieteuern auf kleine und mittlere Einkommen zu senken,ie Mittelschicht zu stärken und dafür zu sorgen, dassich in diesem Land für Menschen, die bereit sind, diermel hochzukrempeln, Leistung endlich wieder lohnt.
Wir werden im Rahmen dieser Strukturreformen fürereinfachung sorgen, weil wir wollen, dass die Bürge-innen und Bürger wieder verstehen können, was dertaat von ihnen will. Wir wollen, dass der Staat mit demürger fair umgeht. Das werden wir mit dem Wachs-umsbeschleunigungsgesetz umsetzen.Wir werden die Unternehmensteuerreform korrigie-en und Wachstumshemmnisse beseitigen. Ich sage anieser Stelle ganz deutlich: In den vergangenen Monatentanden in der öffentlichen Aufmerksamkeit, wenn esm Arbeitsplätze ging, immer einzelne große Unterneh-en. Die öffentliche Wahrnehmung hat sich darauf kon-entriert. Wir wollen, dass in unserer Politik der Fokusuf die vielen kleinen und mittleren Betriebe gelegtird, die den größten Teil der Arbeits- und Ausbildungs-lätze in Deutschland schaffen und erhalten.
Deutschlandweit stehen jährlich 80 000 Betriebe zurbergabe an. Die meisten von ihnen sind mittelständi-che Familienunternehmen. Diese Unternehmen habenroße Probleme, die Nachfolge zu regeln. Das hat auchtwas damit zu tun, dass die potenziellen Nachfolgerissen, wie schwierig es ist, am Markt zu bestehen, undass man regelmäßig mit seiner und mit der Existenz sei-er Familie für ein solches Familienunternehmen ein-teht. Deswegen wollen wir, dass diejenigen, die diesesisiko tragen und die damit Chancen auf Arbeit unduch auf Ausbildung schaffen, endlich wieder fair be-andelt werden. Deshalb werden wir auch die nötigenorrekturen an den Regelungen zur Erbschaftsteuer vor-ehmen.
Ich sage an dieser Stelle noch eines: Wir werden eineeitere Korrektur im Bereich der Erbschaftsteuerurchführen, indem wir die Steuerbelastung für Ge-chwister und Geschwisterkinder bei der Erbschaft- undchenkungsteuer durch einen neuen Steuertarif verrin-ern. Wir korrigieren hier einen großen Fehler der altenegierung, weil Geschwister damals fast wie Fremdeehandelt worden sind. Das passt nicht in unser Fami-ienbild, und deshalb werden wir das ändern.
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Birgit HomburgerWir kümmern uns auch um die, die unverschuldet inNot geraten sind. Wir werden eine weitere sozialeSchieflage in unserem Land beseitigen, indem wir dasSchonvermögen bei Hartz-IV-Empfängern von 250 Euroauf 750 Euro pro Lebensjahr erhöhen. Darüber hinauswerden wir die selbstgenutzte Immobilie vor dem Zu-griff des Staates schützen, weil diejenigen, die das getanhaben, was wir ihnen immer gesagt haben, nämlich zusparen und für das Alter vorzusorgen, nicht alleingelas-sen werden dürfen, wenn sie unverschuldet in Not gera-ten. Deshalb werden wir diese Schieflage beseitigen unddie falsche Politik der SPD korrigieren.
Wir haben auch hinsichtlich der Haushaltslage klareRegeln in unserem Koalitionsvertrag.
Wir machen deutlich, dass Steuerentlastung und Haus-haltskonsolidierung Hand in Hand gehen müssen. Inden Ländern, in denen CDU und FDP gemeinsam regie-ren, sehen Sie, dass wir dort in der Vergangenheit schonKurs gehalten haben.Jetzt komme ich zu dem, was Sie zum Thema Ver-schuldung gesagt haben, Herr Steinmeier. Entschuldi-gung, aber wer hat denn in diesem Land die Schuldengemacht?
Der Bund hat in den letzten Jahren eine Neuverschul-dung zu verantworten. In wirtschaftlich guten Zeitenhätten Sie hier eine Nettonullverschuldung erreichenkönnen. Herr Steinmeier, der größte Schuldenmacher derNation heißt Steinbrück. Das müssen Sie schon mit sichausmachen und nicht auf uns schieben.
Diese neue Koalition aus Union und FDP will einenneuen Aufbruch für Deutschland. Dazu gehört auch derBürokratieabbau. Der Bürokratieabbau ist ein Wachs-tumsprogramm zum Nulltarif. Deshalb wollen wir mitdem Bürokratieabbau Wachstumsbremsen und Investi-tionsbremsen lösen.Erstmals bekennt sich eine Koalition dazu, die bun-desrechtlichen Informationspflichten um netto 25 Pro-zent zu reduzieren, und zwar bis 2011 im Vergleich zu2006. Für die Zeit über 2011 hinaus werden wir ein wei-teres anspruchsvolles Reduktionsziel formulieren.Wir haben immer wieder deutlich gemacht, dass Büro-kratiekosten nicht nur hinsichtlich der Informationspflich-ten entstehen. Wir werden dafür sorgen, dass zukünftigBürokratiekosten nicht mehr nur an den Informations-pflichten festgemacht werden, sondern dass man weitüber diesen Begriff hinausgeht und versucht, in Deutsch-land Bürokratie insgesamt zurückzufahren und für dieBFnnsgaadtlbttlhfnstatnwdsWktIzmwKbs
Das bedeutet, dass wir strukturelle Änderungen vor-ehmen werden, beispielsweise dadurch, dass wir Ge-ehmigungsverfahren verkürzen und beschleunigenowie Anzeigeverfahren Vorrang vor den Genehmi-ungsverfahren einräumen werden. Aber wir werdenuch ganz konkrete Maßnahmen beschließen, die im Ko-litionsvertrag bereits aufgeführt sind.Wir werden vor allen Dingen eines machen: Wir wer-en den Normenkontrollrat stärken und seine Kompe-enzen ausbauen. Wenn wir einen Aufbruch für Deutsch-and wollen, dann müssen wir die Chance, dieestehenden Wachstumsbremsen zu lösen, nutzen. Dasun wir, indem wir dem Bürokratieabbau endlich den nö-igen Rang einräumen.
Wir werden dafür einstehen, dass die Menschen nichtänger bevormundet werden, sondern dass sie die Frei-eit haben, zu wählen und selbst zu entscheiden. Das giltür alle Bereiche. Ich sage ganz deutlich: Die Bürgerin-en und Bürger haben eine Entscheidung getroffen undich gegen die ideologischen Scheuklappen linker Par-eien und für eine Politik mit Augenmaß und Vernunftusgesprochen.
Diesem Wunsch werden wir auch in der Energiepoli-ik nachkommen. Wir werden im nächsten Jahr eineues Energiekonzept für Deutschland vorlegen. Dabeierden wir den Ausbau der erneuerbaren Energien undie Erhöhung der Energieeffizienz in den Mittelpunkttellen.
ir werden auch darauf achten, dass Energiepolitikünftig ideologiefrei, technologieoffen und marktorien-iert gestaltet wird.
ch glaube, dafür haben wir hier die besten Vorausset-ungen.
Wir sagen ganz klar: Wir können in diesem Energie-ix nicht auf fossile Energieträger verzichten. Deshalbollen wir, dass der Investitionsstau im Bereich desraftwerksbaus endlich aufgelöst wird. Wir wollen lie-er mit modernen Kohlekraftwerken für geringere Emis-ionen sorgen, als die alten weiterlaufen zu lassen.
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Birgit HomburgerIn der Frage der Kernenergie werden wir uns ganzklar an der Sicherheit der Kernkraftwerke orientieren.
Wir haben immer gesagt: Wenn ein Kernkraftwerk denhohen deutschen Sicherheitsbedingungen entspricht,dann muss man es betreiben dürfen. Wenn es ihnen nichtentspricht, muss es sofort abgeschaltet werden. Das wirddie Leitlinie sein. Wir sind bereit, hier eine ideologie-freie Politik zu machen.
Wir haben allerdings im Koalitionsvertrag genausodeutlich gemacht, dass wir am Vorrang der erneuerbarenEnergien bei der Netzeinspeisung festhalten und dasswir über das, was es bisher gibt, hinausgehen. Wir wol-len, dass hier im Rahmen der Energieforschung endlichmehr investiert wird. Das ist das klare Ziel unserer Ko-alition. Wir wissen, dass wir erneuerbare Energien, dienicht dauerhaft zur Verfügung stehen, wie Wind undSonne, grundlastfähig machen müssen. Wenn wir siegrundlastfähig machen wollen, dann brauchen wir Spei-chertechnologien. Deswegen werden wir hier Impulsesetzen. Wir werden hier entsprechend investieren. Wirwerden hier mit einem Forschungsprogramm neue zu-kunftsträchtige Technologien auf den Weg bringen. Dasist unser Ziel. Wir wollen das Zeitalter der erneuerbarenEnergien erreichen.
Daran schließt sich unser Verständnis von Klima-schutz an. Wir sehen im Klimaschutz einen Wettbe-werbsmotor für neue Technologien. Es ist unser Ziel, dieErderwärmung auf maximal 2 Grad zu begrenzen undDeutschlands Vorreiterrolle beim Klimaschutz beizube-halten. Wir werden deshalb Erlöse aus dem Emissions-handel für nationale und internationale Klimaschutzpro-jekte einsetzen. Wir werden in Kopenhagen für einweltweites anspruchsvolles Klimaschutzabkommenstreiten. Das ist Politik für die Zukunft dieses Landes.
Besonders deutlich wird der Aufbruch, den diese Ko-alition erreichen möchte, auch in der Gesundheitspoli-tik. Nach der Politik der vergangenen Jahre, die immermehr auf Staatsmedizin und Zentralisierung gesetzt hat,wollen die Bürgerinnen und Bürger ein neues Gesund-heitssystem.
Auch dafür ist diese Koalition gewählt worden.
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eshalb ist es unerlässlich, Lösungen dafür zu finden,ie die Kosten des medizinischen Fortschritts und deremografischen Situation solidarisch aufgefangen wer-en können. Wir wollen ein Gesundheitssystem, das de-ografiefest und damit noch ein Stück solidarischer alsisher ist. Es geht hierbei auch um die Solidarität zwi-chen den Generationen. Das ist eine große Herausforde-ung. Aber wir nehmen diese Herausforderung an.
Dasselbe gilt auch für die Pflege. Das Umlageverfah-en garantiert die Pflegeversicherung nicht auf Dauer.eshalb wollen wir sie durch einige Elemente der Ka-italdeckung ergänzen. Um es klarer auszudrücken:urch Ansparmaßnahmen. Wir wollen das System derflegeversicherung dadurch zukunftsfest machen, dasss auf hohe Qualität setzt, dass es weniger Bürokratie inem System gibt und wir durch weniger Bürokratie iner Pflege wieder mehr Zeit für Zuwendung gegenüberen Menschen haben.
Wie sozial eine Gesellschaft ist, zeigt sich auch daran,ie wir mit älteren und pflegebedürftigen Menschenmgehen.
enau deshalb werden wir das System so reformieren,ass es diesen Ansprüchen gerecht wird.
Die Förderung von Familien ist uns ein Herzensan-iegen. Deshalb werden wir im Wachstumsbeschleuni-ungsgesetz die Freibeträge für jedes Kind erhöhen, undir werden vor allen Dingen auch das Kindergeld erhö-en. Das ist ein erster Schritt. Ich bin davon überzeugt,ass im Laufe dieser Legislaturperiode ein weitererchritt folgen wird. Damit wollen wir die wirtschaftlichend soziale Leistungsfähigkeit von Familien mit Kin-ern stärken.
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Birgit HomburgerDas sind Maßnahmen, die diese Gesellschaft braucht.Es sind Maßnahmen, die Solidarität zeigen und vor allenDingen den Familien mehr Chancen geben.
Wir wollen Bildung als Bürgerrecht. Auch das istfür uns ein zentraler Punkt in dieser Legislaturperiode.Wir wissen, dass sich im Zeitalter der globalen Wissens-gesellschaft die Bildung längst zur eigentlichen sozialenFrage für den Menschen entwickelt hat. Deshalb legenwir einen Schwerpunkt auf die Bildungspolitik. Wir ha-ben entschieden, dass wir mit der Förderung am Beginndes Bildungsweges ansetzen wollen. Denn wir wissen,dass das Beherrschen der deutschen Sprache die Grund-lage für den späteren Bildungserfolg ist. Deshalb habenwir uns darauf verständigt, bundesweit vergleichbareSprachstandstests für alle Kinder im Alter von vier Jah-ren zu unterstützen und bei Bedarf eine verpflichtende,gezielte Sprachförderung anzuschließen.Diese Maßnahmen führen dazu, dass Kinder in jun-gen Jahren Chancen bekommen, die sie vielleicht von zuHause nicht mitbekommen. Wir unterstützen das, weilBildung der Schlüssel zum sozialen Aufstieg ist, und denwollen wir in diesem Land allen Menschen ermöglichen.
Ohne Sicherheit ist Freiheit wenig wert. Umgekehrtdarf Sicherheit nicht zulasten von Freiheit entstehen. Ichglaube, gerade die Diskussion der letzten Tage zeigt,dass eine Gesellschaft nicht freier ist, je intensiver ihreBürger überwacht, kontrolliert oder beobachtet werden.Freiheit und Sicherheit müssen sorgsam ausbalanciertwerden. Das gelingt nur durch eine Innenpolitik, die aufVerhältnismäßigkeit setzt. Diese Balance haben wir imKoalitionsvertrag festgeschrieben. Wir haben vereinbart,dass nun viele Maßnahmen, die teilweise in der rot-grünenRegierungszeit beschlossen wurden, korrigiert werden,auch wenn es mühsam ist. Wir werden die Internetzensur-maßnahmen aussetzen. Wir wissen, dass das Internet einfreiheitliches, effizientes Informations- und Kommunika-tionsforum ist und maßgeblich zur Entwicklung einerglobalen Gemeinschaft beiträgt. Deswegen sehen wir hiernicht nur Gefahren, sondern auch Chancen. Das mussendlich auch in eine moderne Politik umgesetzt werden.
Wir werden im Bereich der Bürgerrechte deutlicheZeichen setzen. Wir werden die Entscheidung des Bun-desverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeitder Vorratsdatenspeicherung abwarten und bis dahin dieVorratsdatenspeicherung aussetzen. Wir haben bei derOnlinedurchsuchung Einschränkungen beschlossen undauch den Schutz des Kernbereichs privater Lebensge-staltung verbessert. Der Einsatz der Bundeswehr im In-nern ist kein Thema mehr. Ich sage ganz klar: Wir wer-den auch beim Datenschutz Fortschritte machen unddem Bundesdatenschutzgesetz ein eigenes Kapitel zumArbeitnehmerdatenschutz hinzufügen.pefBwHDJwmWbuLrLndNmrdzhndsAefklEdBss
ach unserer Auffassung ist dies nicht gelungen.Viel-ehr hat die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklä-ung wesentliche Aufgaben nicht erkannt, geschweigeenn Lösungsvorschläge gemacht, wie diese Aufgabenu bewältigen sind.
Ich beginne mit der ersten Aufgabe, die sie benanntat. Sie sagte, die erste Aufgabe sei, die Folgen der inter-ationalen Finanz- und Wirtschaftskrise zu überwin-en. Wer könnte dem widersprechen? Aber ganz ent-cheidend ist, dass sie die wesentliche Aufgabe außercht gelassen hat. Das entwertet völlig ihre Regierungs-rklärung. Wir müssen nicht zuerst die Folgen ins Augeassen, sondern die Ursachen der internationalen Finanz-rise erkennen und endlich die Weltfinanzmärkte regu-ieren.
s entwertet diese Regierungserklärung völlig, dassazu keinerlei Vorschläge gemacht worden sind. Frauundeskanzlerin, Sie haben die wichtigste Aufgabe un-erer Zeit überhaupt nicht erkannt, geschweige denn Lö-ungsvorschläge dazu gemacht.
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Oskar LafontaineEs ist schön, wenn wir jetzt ab und zu hören, dass eineBörsenumsatzsteuer auf einmal populär ist. Wir erinnernuns noch gut daran, dass oft von billigem Populismus dieRede war, als wir eine solche Steuer gefordert haben. Esist ganz schön, dass auch Sie sich nach vielen anderenStaatsmännern zu einer Transaktionsteuer bekennen. Alswir das hier vorgetragen haben, hieß es, das sei unprakti-kabel und billiger Populismus. Es ist wunderbar fürmich, zu erleben, wer alles sich jetzt zum Keynesianis-mus bekennt und ihn täglich herunterbetet, nachdem erjahrzehntelang verurteilt worden ist. Jawohl, es ist wahr:Der Keynesianismus rettet zurzeit die Weltwirtschaft mitexpansiver Finanzpolitik und expansiver Geldpolitik. Esist schön, dass Sie das erkannt haben.
Aber nun haben Sie keinerlei Vorschläge gemacht,wie die Weltfinanzkrise zu bewältigen ist, wie die Ursa-chen zu bekämpfen sind. Ich will einige Vorschläge vonunserer Seite machen.Erstens. Wir brauchen eine neue internationale Leit-währung, die den Dollar ablöst und die geeignet ist, dieWährungsspekulationen und das Schwanken der Wäh-rungen in der Zukunft mehr oder weniger auszuschlie-ßen, zumindest zu mindern.
Zweitens. Wir brauchen eine Regulierung des interna-tionalen Kapitalverkehrs. Es kann nicht sein, dass wei-terhin auf Knopfdruck Milliarden um den Erdball kursie-ren und die Weltwirtschaft auf eine Art und Weisezerstören, wie wir es in den letzten Jahren erlebt haben.
Drittens. Wir brauchen ein Austrocknen der Steuer-oasen. Es ist einfach nicht zu fassen, dass an dieserStelle überhaupt nichts unternommen wird. Vielmehrsieht man tatenlos zu, dass auch mit Milliarden Steuer-geldern unterstützte Banken weiterhin Steuerhinterzie-hung in Steueroasen betreiben. Unglaublich. Diese Re-gierung ist unfähig, diese Kernaufgaben unserer Zeitüberhaupt anzugehen.
Viertens. Wir brauchen ein Verbot von Hedgefonds.Fünftens. Wir brauchen ein Verbot der Schrottpa-piere. Solange das nicht der Fall ist, so lange wird dieSpekulation weitergehen, so lange wird es Verwerfungenin der Volkswirtschaft geben.
Sechstens. Es muss die billige Ausrede aufhören, mankönne das nur international bewältigen. Zu dieser billi-gen Ausrede haben sich alle Staatsmänner in den letztenJahren verstanden. Wir haben hier vor einiger Zeit, imOktober 2008, eine Antwort der Bundesregierung aufdie Frage nach den Deregulierungsmaßnahmen derletzten Jahre erhalten. Es waren 50 Deregulierungsmaß-nahmen. Sie sind alle aufgelistet. Wenn Sie mindestens30 bis 40 davon zurücknähmen, dann würden Sie hier inDeutschland dafür Sorge tragen, dass die Finanzspekula-tssniVdnwBvdEWnnenddSdDwBmVvkeddShSgnbInNiK
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Neuntens. Wir müssen endlich die Hartz-IV-Sätze fürKinder erhöhen. Das wäre die wichtigste Aufgabe. Eskann in unserem Land doch nicht die Aufgabe sein, dasKindergeld für Besserverdienende zu erhöhen. Wo sindwir eigentlich? Wenn man ein soziales Gesicht habenmöchte, dann muss man dort anfangen, wo die Not amgrößten ist.
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Fünfzehntens. Wenn man in Zeiten wie dieser daran-geht, die Kapitaldeckung in der Pflegeversicherungauszubauen, dann hat man nichts von der internationalenFinanzkrise verstanden. Wirklich nichts. Es ist doch so,dass die weltweite Umstellung auf Kapitaldeckung dazugeführt hat, dass die Pensionsfonds in großem Umfangspekuliert haben. Das Ende vom Lied ist nun, dass vieleältere Menschen in vielen Ländern ihre Altersvorsorgeverloren haben. Wollen wir das auf die Pflegeversiche-rung ausweiten? Man fasst es nicht, wenn man sieht, inwelchem Umfang diese Regierung die Zeichen der Zeitnicht erkannt hat.
Ich sage hier in aller Klarheit: Die Erfahrungen derletzten 20 Jahre zeigen deutlich, dass die gesetzlichenSicherungssysteme die verlässlichsten sind. Worum gehtes, wenn man die Existenzsorgen der Menschen, die ge-ringe Einkommen haben, aufgreifen und Lösungsvor-schläge anbieten will? Da geht es um den Ausbau unddie Stärkung der gesetzlichen Sicherungssysteme undniemals um den Aufbau kapitalgedeckter Systeme.
Im Übrigen ist es ökonomisch völliger Unsinn, wennman in Zeiten, in denen die Binnennachfrage schwachist und die Reallöhne sinken, die Arbeitnehmer auchnoch zwingt, zu sparen. Das ist so kontraproduktiv, dassman wirklich die Frage aufwerfen muss, ob überhauptdie Inhalte, die man im ersten Semester eines Volkswirt-schaftsstudiums lernt, den Personen auf der Regierungs-bank präsent sind.Als vierte Zukunftsaufgabe haben Sie genannt: Wirwollen einen zukunftsfesten Umgang mit den weltweitvorhandenen natürlichen Ressourcen entwickeln. Dazusagen wir als Partei Die Linke: Wenn man das wirklichwvGWDvwwziDSbAgResmKzVDiinrhtFdsuAhDsAaWmnn
er die Vision einer atomwaffenfreien Welt hat, meineamen und Herren, aber gleichzeitig die Restlaufzeitenon Atomkraftwerken verlängern will, der versteht ent-eder die Technologie nicht oder weiß nicht, was erill. Wer eine atomwaffenfreie Welt will, muss, sieb-ehntens, auch dafür sorgen, dass die Stromversorgungn Zukunft ohne Atomkraftwerke sichergestellt wird.enn genau diese sind Voraussetzung dafür, um dentoff herzustellen, den man zum Bau der Bomberaucht.
Natürlich müssen wir erneuerbare Energien stärken.ber noch wichtiger ist – das ist der achtzehnte Pro-rammpunkt, den ich hier vortragen möchte – eineekommunalisierung der Energieversorgung. Es warin großer Fehler, Monopole zuzulassen, die nun inchamloser Weise abzocken. Wir brauchen eine Rekom-unalisierung der Energieversorgung und eine staatlicheontrolle der Energiepreise, um diese Abzocke endlichu beenden.
Als letzte Aufgabe haben Sie genannt: Sie wollen daserhältnis von Freiheit und Sicherheit weiter festigen.azu gibt es eine ganz entscheidende Voraussetzung, diech hier benennen will. Die entscheidende Voraussetzungst, dass die deutsche Außenpolitik im Sinne Kants – ichenne ihn einmal bewusst – wieder zum Völkerrecht zu-ückkehrt, weil das Völkerrecht die Grundlage von Frei-eit und Sicherheit für alle Völker dieser Erde ist.
In Ihrer Regierungserklärung gab es eine ganz verrä-erische Formulierung: Ziemlich am Anfang steht, dierage der Zukunft sei, wer sich den Zugriff – ich betoneas Wort „Zugriff“ – auf Rohstoffe und Energiequellenichere. Es geht nicht um den „Zugriff“ auf Rohstoffend Energiequellen, es geht um die friedliche Nutzung.ngesichts der Kriege der letzten Jahre sagen wir: Wiralten es für völlig falsch, wenn sich die Bundesrepublikeutschland in imperiale Kriege zur Sicherung von Roh-toffquellen einspannen lässt. Das war der Fehler derußenpolitik der letzten Jahre.
Sie reden davon, sie seien eine christlich-liberale Ko-lition der Mitte oder was auch immer. Wenn man dasort „Christentum“ in den Mund nimmt, dann solltean begriffen haben, Frau Bundeskanzlerin – das isticht zum Lachen –, dass man alle Anstrengungen unter-ehmen muss, um endlich die Waffenexporte zurückzu-
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Oskar Lafontaineführen. Diese sind doch die Grundlage für vieles Elendin der Welt. Warum verstehen Sie das nicht?
Meine letzte Bemerkung bezieht sich auf Afghanis-tan. Wir sind jetzt viele Jahre dort im Krieg; das habenwir immer so gesehen. Ich habe immer wieder gesagt,dass ich durchaus unterstellt habe, dass es die eine oderden anderen gab, die der Auffassung waren, dass manmit diesen Militäreinsätzen Gutes bewirken könne. Abernach so vielen Jahren muss man doch bereit sein, wie eszum Beispiel in den Vereinigten Staaten im Falle desIrak oder jetzt in Bezug auf Afghanistan in mehrerenStaaten der Welt bereits geschehen ist, zu erkennen, dassdieser Weg falsch war. Wir können diesen Krieg nichtgewinnen. Man kann die Stammesgesellschaft Afghanis-tans nicht zwingen, eine westliche Demokratie aufzu-bauen. Sie kämpfen dort gegen eine Kultur, und diesenKampf können Sie nicht gewinnen. Begreifen Sie dasdoch endlich!
Deshalb sagen wir: Es ist wirklich ein schwerer Faux-pas, dass der neue Bundesverteidigungsminister – ichsehe ihn im Moment nicht auf der Regierungsbank – ge-sagt hat, das Unglück von Kunduz, wie ich es nenne, sei„angemessen“ gewesen. Ich sage hier für meine Frak-tion: Eine Militäraktion, bei der unschuldige Zivilistenums Leben kommen, ist niemals angemessen. Wir soll-ten eine solche Sprache aus diesem Parlament verban-nen.
Wir sagen Ihnen: Ziehen Sie die Truppen aus Afgha-nistan zurück! Es wäre an der Zeit; Sie sollten nicht war-ten, bis die Diskussion in Amerika so weit ist, dass manden Afghanistankrieg beenden will.Sie haben in Ihrer Regierungserklärung die wichtigenAufgaben unserer Zeit verfehlt. Diese Regierung ist einefalsche Regierung zur falschen Zeit.
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat
nun Kollege Jürgen Trittin das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! VerehrteBundeskanzlerin! Manchem Anfang wohnt ja ein Zauberinne.
Aber für Sie als Bundeskanzlerin ist das hier eben keinAnfang, sondern der zweite Aufguss, und so war auchIhre Regierungserklärung.
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ie haben dem Wort „Fehlstart“, wie ich finde, eine völ-ig neue Interpretation gegeben. Wann hatten wir jemalsine Regierung, die schon vor Abgabe der Regierungser-lärung durch die Kanzlerin eine Kabinettsklausur anset-en musste, um sich darüber zu verständigen, was sie inhrem Koalitionsvertrag vor gerade einmal zehn Tagenufgeschrieben hatte?
Nun ist es nicht verwunderlich, dass Sie damit Pro-leme haben. Denn dieser Koalitionsvertrag behauptetwar, Mut zur Zukunft zu unterstreichen; aber wenn manhn durchblättert und liest, stellt man fest: In allen Berei-hen finden sich Hinweise auf neue Kommissionen, undr enthält über 84 Prüfaufträge. „Mut zum Prüfauftrag“,as hätten Sie über Ihren Koalitionsvertrag schreibenollen.
Da muss man sich nicht wundern, wenn ein Streit inen eigenen Reihen ausbricht. Aber diesen Streit habenie, Frau Merkel, mit Ihrer Regierungserklärung zuberspielen versucht. Das dreisteste Stück darin fand ichhre Passage zu Opel, in der Sie uns diesen Vorgang alsrfolg zu verkaufen versucht haben. Ihnen muss es dochn den Ohren geklungen haben, als Sie vom Capitol Hillerunterkamen und aus der Presse erfahren haben, wieewichtig diese Kanzlerin von den Amerikanern einge-chätzt wird, nämlich: Man muss auf Ihre Meinungichts geben. Daher konnte sich ein staatseigener Be-rieb wie GM mit Blick auf den Verkauf von Opel andersntscheiden, ohne Sie vorher zu fragen. Sie sind ein poli-isches Leichtgewicht. Das wurde durch die Entschei-ung von GM bewiesen.
Herr Kauder, das mit dem Kasper nehme ich gerne ent-egen. Ich habe schon verstanden.Sie müssen eines berücksichtigen: Wir werden Ihnenicht durchgehen lassen, im Wahlkampf und auch hieras eine oder andere versprochen zu haben, dann aberas Gegenteil zu machen. Wenn man sich anschaut, wasie im Wahlkampf mit Blick auf drei Bereiche verspro-hen haben, dann muss man feststellen, dass diese Koali-
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Jürgen Trittintion schlicht und ergreifend mit dreifachem Wortbruchbeginnt.Erstens. Sie haben den Menschen in diesem Lande er-klärt, es gebe künftig mehr Netto vom Brutto.
Das stimmt für einen bestimmten Personenkreis, näm-lich für den, der über sehr hohe Einkommen verfügt.Was ist aber mit denjenigen, die zum Beispiel als Nor-malverdiener künftig eine Kopfpauschale für die Pflege-versicherung zahlen müssen? Was ist mit denjenigen, dieals Normalverdiener künftig eine Kopfpauschale für dieKrankenversicherung zahlen müssen? Was ist mit alldenjenigen Bürgerinnen und Bürgern, die, weil Sie ander Mehrwertsteuer ohne Ende herumschrauben, künftighöhere Müllgebühren und höhere Abwassergebührenzahlen müssen? All diese werden weniger Netto vomBrutto haben. Das ist die Wahrheit, und das ist der Wort-bruch, den Sie begangen haben.
Sie haben sich hier in wechselnden Formulierungenmal zur Mitte, mal zur bürgerlichen Mitte und mal zurchristlichen Mitte bekannt. Ich sage Ihnen: Diese Politiktrifft das bürgerliche Lager der Arbeitnehmerinnen undArbeitnehmer. Sie trifft das durchaus bürgerliche Lagerder Geringverdiener. Sie trifft das bürgerliche Lager derMehrheit der Bevölkerung. Sie sind in diesem Sinnenicht bürgerlich. Sie haben schlicht und ergreifend nurdie Interessen der – um ein sehr altertümliches Wort zugebrauchen – Bourgeoisie, aber nicht der Bürger in die-sem Lande im Kopf.
Zweitens. Ich habe noch in den Ohren, wie Sie, FrauMerkel, erklärt haben, es gebe mit Ihnen keine Steuer-senkungen auf Pump. Das war Ihre Wahlaussage.Heute erklären Sie hier: Dieses Wahlversprechen verges-sen wir; wir setzen voll auf Pump. – Sie legen einenHaushalt vor, in dem Sie bis 2013 mindestens 24 Milliar-den Euro einsparen wollen, und das bei einer Neuver-schuldung im gleichen Zeitraum von 455 MilliardenEuro. Das ist völlig verantwortungslos. Die Rechnunghaben die Kommunen und die Kreise in unserem Landezu zahlen. Allein aufgrund Ihres heutigen Maßnahmepa-kets fehlen den Kreisen und den Kommunen 3,6 Milliar-den Euro.
Es ist nicht nur verantwortungslos, sondern auch völ-lig wirkungslos. Denn Steuersenkungen in dieser Formhaben noch nie zu Wachstum geführt – außer auf denKonten der Besserverdienenden. Gesamtwirtschaftli-ches, realwirtschaftliches Wachstum ist damit noch nieangestoßen worden.vsdGsShwgdtddt–peeugÜfkSsIEtsbSHDsdD
Drittens. Der Höhepunkt ist das Gesetz, das Sie hierorgestellt haben, das Wachstumsbeschleunigungsge-etz. Da legen Sie uns zur Wachstumsbeschleunigungie Maßnahme vor, dass künftig die Erbschaftsteuer füreschwister gesenkt werden soll. Nun kann man darübero oder so denken. Aber, liebe Frau Homburger, könnenie mir einmal erklären, was das mit Wachstum zu tunaben soll? Schneller sterben für mehr Wachstum, oderas soll das sein, was Sie uns an dieser Stelle hier vorle-en? Das kann doch nur jemand aus Ihrem Gewerbe anieser Stelle denken.
Sie erledigen mit diesem Gesetz auch gleich ein wei-eres Versprechen, das die Kanzlerin an dieser Stelle iner Regierungserklärung heute wiederholt hat. Sie plä-ieren – ich zitiere – für ein einfacheres, für ein gerech-eres Steuersystem.
Und ein niedrigeres Steuersystem. – Das haben Sieroklamiert.Was legen Sie uns vor? Sie legen uns einen Gesetz-ntwurf vor, mit dem der Ausnahmetatbestand, was denrmäßigten Mehrwertsteuersatz betrifft, auf das Hotel-nd Gaststättengewerbe ausgeweitet werden soll. Diesilt dort aber nicht für jeden Bereich, sondern nur fürbernachtungen. Davon ausgenommen sind das Hotel-rühstück und der Besuch der Sauna im Hotel. Das istein einfacheres Steuerrecht, das ist ein komplizierteresteuerrecht. Das ist nicht einfach, niedrig und gerecht,ondern kompliziert, bürokratisch und ungerecht. Das isthre Politik.
Herr Westerwelle hat im Wahlkampf versucht, denindruck zu erwecken, dass die FDP nicht mehr die Par-ei der Besserverdienenden sei. Man habe jetzt auch einoziales Herz entdeckt; und so zog die Wärme in die li-eralen Stuben ein.
Schauen wir uns einmal an, was Sie uns vorlegen.ie schlagen die Erhöhung des Schonvermögens vonartz-IV-Beziehern vor.
as heißt, Sie korrigieren den Unsinn, den Ministerprä-identen aus CDU- und FDP-geführten Ländern im Bun-esrat durchgesetzt haben.
ass Sie das tun, ist richtig. Ich lobe Sie dafür.
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Jürgen TrittinJetzt machen Sie sich aber einmal klar, wie weit dieseneue soziale Wärme reicht. Sie betrifft 11 000 von5,5 Millionen Anträgen auf Bezug von Arbeitslosen-geld II.
Sie betrifft 0,2 Prozent der Bedürftigen in diesem Lande.99,8 Prozent der Armen gehen bei Ihrer Politik schlichtund ergreifend leer aus, ihr Regelsatz wird nicht erhöht.So viel zur sozialen Wärme Ihrer Koalition.
Ein zweites Symbol Ihrerseits ist: mehr Geld für Kin-der. Man kann das einfach durchrechnen: Der Steuerfrei-betrag für Kinder führt in Haushalten, die den Spitzen-steuersatz zu zahlen haben, zu einer Entlastung von443 Euro pro Kind und Jahr. Für Normalverdiener, dieKindergeld bekommen, sind es 240 Euro mehr. Für1,8 Millionen Kinder im Wedding, in Köln-Mülheim, inden ostdeutschen Ländern usw. bedeutet diese Maß-nahme: Sie bekommen gar nichts. Dazu sage ich Ihnen:Reiche Kinder mit 443 Euro und Mittelstandskinder mit240 Euro zu belohnen und die ärmsten Kinder leer aus-gehen zu lassen, das ist weder eine Politik der Mittenoch eine Politik, die sich christlich nennen kann. Dasist soziale Kälte, das ist gemein und kaltherzig. Das istIhre Koalition.
Damit man diese Klientelpolitik für Besserverdie-nende durchsetzen kann, für all das hat die FDP alle an-deren Inhalte geopfert: Die Abschaffung der Wehrpflichtfindet nicht statt. Die Abschaffung der Onlinedurchsu-chung findet nicht statt. Die Abschaffung des Entwick-lungshilfeministeriums – dies ist eine falsche Forde-rung – findet nicht statt. Dirk Niebel ist jetzt sein eigenerAbwicklungsminister.
Der Vizekanzler hat auf der Pressekonferenz zur Vor-stellung des Koalitionsvertrages gesagt, die Entschei-dung für Dirk Niebel sei gut. Jetzt werde zumindestkeine Nebenaußenpolitik gemacht. Auch das ist schonwiderlegt worden. Herr Niebel hat in der Bild-Zeitungdas Ende der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mitChina verkündet. Man kann in der Sache über dieseFrage streiten. Aber dass man einem der wichtigstenPartner im G-20-Prozess, einem Land, auf das man an-gewiesen sein wird, wenn man in Kopenhagen einenVerhandlungserfolg erreichen will, den Abbruch derwirtschaftlichen Zusammenarbeit nicht mal kurz perBsnDfvAdSnrgvnfpKHezsenas4ELWKnnsIkapM–cas
Die vierte Herausforderung ist ein sparsamer undachhaltiger Umgang mit natürlichen Ressourcen.afür müssen Sie keine Laufzeiten verlängern. Aber da-ür dürfen Sie auch kein neues Fenster für die Nutzungon Kohle öffnen. Wenn Sie die bestehende Überlast austomstrom und Kohlestrom, die schon heute dazu führt,ass wir Windparks abschalten müssen, in unserentromnetzen erhöhen, dann sorgen Sie nicht für mehr er-euerbare Energien, sondern dann bremsen und blockie-en Sie den Ausbau der erneuerbaren Energien. Deswe-en ist das, was Sie in diesem Lande energiepolitischorhaben, ein Anschlag auf den Klimaschutz und auf ei-en verantwortlichen Umgang mit Ressourcen.
Nein, meine Damen und Herren, Sie sind den Heraus-orderungen nicht gerecht geworden. Kluge Wirtschafts-olitik heißt in diesen Zeiten, dafür zu sorgen, dass inlima, Bildung und Gerechtigkeit investiert wird. Dieseerausforderung haben Sie nicht gemeistert. Stattdessenntlasten Sie die Industrie überall dort, wo sie eigentlichu Effizienz und Ressourceneinsparung gebracht werdenoll. Genau dieser Stimulus fällt in Ihrer Koalitionsver-inbarung völlig unter den Tisch. Deswegen sage ich Ih-en: Sie sind da nicht glaubwürdig.Sie sind auch nicht glaubwürdig beim Subventions-bbau. Nicht eine einzige umweltschädliche Subventionchaffen Sie ab; das Volumen beträgt in diesem Lande2 Milliarden Euro. Stattdessen diskutieren Sie über dieinführung neuer Subventionen. Schöne staatsferneiberale sind Sie, liebe Kollegin Homburger!
Meine Damen und Herren, wir brauchen nicht leereachstumsversprechen, wir brauchen Investitionen inlima, Bildung und Gerechtigkeit. Aber wir werden diesicht mit einer Regierung schaffen, die für sich selberur ein Rezept hat, nämlich auf die veralteten wirt-chaftspolitischen Rezepte der 90er-Jahre zu setzen. Inhrer Koalitionsvereinbarung ist kein roter Faden zu er-ennen, sieht man von den roten Zahlen neuer Schuldenb. Das müssen wir hier unter dem Strich feststellen.Sie haben es geschafft – dafür haben Sie mein Kom-liment, liebe Frau Merkel –, im Schlafwagen an dieacht zu kommen.
Jetzt darf man nicht einmal mehr Komplimente ma-hen; das verstehe ich gar nicht. – Nun sind Sie im Zugngekommen. Sie haben den Zug gekapert und gebenich zu erkennen: Ihre Lok fährt mit Kohle- und Atom-
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Jürgen Trittinstrom, die hinteren Waggons werden abgekoppelt, in derzweiten Klasse fällt die Heizung aus, im Bistrowaggonsteigen die Preise, aber dafür werden in der ersten KlasseGratiscocktails serviert. Das ist Schwarz-Gelb auf einenSatz gebracht.
Das Wort hat nun Kollege Volker Kauder für die
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Wenn man die Regierungserklärung und dieReaktionen der Opposition darauf heute gehört hat, dannwird eines ganz deutlich: Die Wählerinnen und Wählerhaben bei der letzten Bundestagswahl in der schwierigs-ten Finanz- und Wirtschaftskrise seit Bestehen der Bun-desrepublik Deutschland den Parteien CDU, CSU undFDP den Auftrag erteilt, dieses Land durch die Krise zuführen.
Angesichts der Reaktionen der Opposition fühlen sichdie Wählerinnen und Wähler im Nachhinein in ihrer Ent-scheidung bestätigt.
Die Regierungskoalition hat in drei Schwerpunkten– das kann jeder auch aus der Opposition ganz einfachbegreifen – festgelegt, worauf es ankommt: Arbeit durchWachstum, Chancen durch Bildung und Zukunft durchZusammenhalt.
Das ist der Dreiklang in dieser neuen Koalition.Bei dem Thema Arbeit durch Wachstum ist es ent-scheidend, dass die Menschen in ihrer Würde ernst ge-nommen werden. Die Würde des Menschen hängt davonab, dass er sein Leben frei gestalten kann. Die Grundlagedafür ist aber ein Arbeitsplatz und nicht der Erhalt vonHartz IV.
Deswegen ist völlig klar, dass die erste Maßnahme,die diese Koalition auf den Weg bringt, eine Maßnahmeist, die für Arbeitsplätze sorgt. Wir haben uns sehr inten-siv Gedanken darüber gemacht, wie wir auch in schwie-riger Zeit gefährdete Arbeitsplätze erhalten können. Wirhaben das fortgesetzt, was wir begonnen haben. Weil wirnicht wollten, dass aus Kurzarbeit automatisch Arbeits-luahgsNgttWWZdmwpSsudtsLhfhzRsDkdjahnirdnSeet
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Volker Kauder– ich höre aber, das sei kein Thema mehr –, dann kannich nur sagen: Wenn wir nach dieser Wirtschaftskrisewieder auf das Niveau kommen wollen, das wir vorherhatten – das ist der Anspruch, den wir haben müssen,und den hat diese Koalition –, dann brauchen wir in je-dem Jahr Wirtschaftswachstum. Nur so kommen wirvoran. Nur so erhalten wir Arbeitsplätze, und nur soschaffen wir neue Arbeitsplätze. Deswegen ist „Arbeitdurch Wachstum“ ein zentrales Thema dieser neuen Ko-alition.
Wachstum heißt bei uns natürlich in erster LinieUnterstützung des Mittelstandes. Die allermeisten Ar-beitsplätze und die allermeisten Ausbildungsplätze fin-den wir nicht in den großen DAX-Betrieben, sondern inunseren mittelständischen Betrieben, im Handel und imHandwerk. Deswegen kommt es ganz entscheidend da-rauf an, diesen Bereich unserer heimischen Wirtschaftbesonders zu stützen. Wie kann dies am schnellsten, amkostengünstigsten und am besten geschehen und zu-gleich motivierend wirken? Indem wir auch dort sagen:weniger Staat, weniger Bürokratie, weniger Bevormun-dung und neue Chancen. Der Einzelne muss wissen: Ichkann etwas anpacken und muss mich nicht jedes Malnach einem Aufsichtsamt umschauen, das mir etwas ge-nehmigt oder nicht.Deswegen ist das Thema Entbürokratisierung ein ent-scheidendes. Es ist bedauerlich, dass wir in der vergan-genen Koalition auf diesem Gebiet nicht entscheidendvorangekommen sind. Das lag daran, dass man geglaubthat: Mehr Staat bringt mehr Wachstum. Wir wissen aber,dass nicht mehr Staat mehr Wachstum bringt, sondernmehr Freiheit für den Einzelnen notwendig ist, damit ersich entfalten kann. Deswegen ist die Entbürokratisie-rung ein zentrales Thema auf dem Weg „Arbeit durchWachstum“.
Unsere Wirtschaft, sowohl der Mittelstand als auchdie Großindustrie, ist auf eine gute Energieversorgungangewiesen; das ist ganz entscheidend für die Entwick-lung. Energieversorgung ist das zentrale Thema. Wir allewissen, dass wir trotz Wirtschaftskrise noch immer in ei-nem globalen Wettbewerb stehen. Und im globalenWettbewerb wird derjenige die Nase vorn haben, der dasEnergieversorgungsproblem löst. Deswegen ist dasThema, über das wir hier reden, kein beliebiges. Ener-gieversorgung sicherstellen heißt auch, ein Höchstmaßan Eigenversorgung und nicht ein Höchstmaß an Abhän-gigkeit zu erreichen.
Deswegen werden wir nicht zaghaft, sondern kräftigin dieses Thema einsteigen. Wir werden das nächsteJahrzehnt zum Jahrzehnt der erneuerbaren Energien ma-chen. Das wird unser Thema sein.
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enn wir sagen: „Arbeit durch Wachstum“, dann heißties auch, dass wir verhindern müssen, dass Wachstumurch Belastungen gehemmt wird.Dies, Herr Trittin, ist auch in ganz klarem Umfang fürie Sozialversicherungsbeiträge festzustellen. Wir ha-en in der letzten Legislaturperiode den Beitrag zur Ar-eitslosenversicherung von 6,5 auf 2,8 Prozent gesenkt.
ies bedeutet 12 Milliarden Euro Entlastung jährlich fürie Beitragszahlerinnen und Beitragszahler sowie für dierbeitgeber in unserem Land. Jetzt muss alles darange-etzt werden, dass dieser Weg nicht wieder umgekehrtird.
eswegen wollen wir die Sozialversicherungsbeiträgetabil halten.Dass dies in Zeiten einer demografischen Verände-ung, wie sie unser Land, überhaupt die Welt, noch nichtrlebt hat, eine besondere Herausforderung ist, ist dochlar. Deswegen hat es doch gar keinen Sinn, sich hierinzustellen und zu sagen: Es muss alles so bleiben, wies ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wennich eine Gesellschaft radikal verändert, kann die Ant-
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Volker Kauderwort nicht heißen: Es muss alles so bleiben wie es ist.Vielmehr muss man fragen: Was muss ich tun, um dierichtige Lösung anzubieten? Die Lösung heißt schlichtund ergreifend: die Solidarität zwischen Jung und Alt er-halten. Das heißt, dass die Beiträge für die Jungen nichtimmer weiter steigen dürfen und die Älteren immer we-niger davon haben. Deswegen müssen wir uns über-legen, wie wir die Sozialversicherungen im Zeitalterdemografischer Veränderungen zukunftsfest machen.Genau das hat diese Regierungskoalition vor.
Es nützt überhaupt nichts, darum herumzureden.Stichwort „Pflegeversicherung“: Wir wollen dort keineAbsicherungen haben. Die Pflegeversicherung soll alsUmlagesystem erhalten bleiben. Aber ich sage Ihnen:Die Pflegeversicherung hat über Jahre hinweg nur des-halb ihre Arbeit so gut machen können, weil sie bei ih-rem Start eine Kapitalrücklage von mehreren MilliardenEuro hatte. So sind wir durch schwierige Zeiten gekom-men. Jetzt geht es darum, diese Milliardenrücklage, diewir einmal hatten, neu anzulegen und dafür zu sorgen,dass auch für die jüngere Generation, wenn sie Pflege inAnspruch nehmen muss, die Sicherheit besteht, entspre-chende Leistungen zu erhalten.
Chancen durch Bildung: Wir sind uns weitgehendeinig, dass Bildung der Schlüssel für das Weiterkommenin unserer Gesellschaft ist, für den Einzelnen, aber auchfür unsere Gesellschaft insgesamt. Jetzt kann ich michnur wundern: Wahrscheinlich haben Sie den Koalitions-vertrag gar nicht richtig gelesen.
Wenn ich mir anschaue, was im Hause von FrauSchavan für das Bildungswesen an Mitteln eingesetztwird, dann kann ich nur sagen: Allein daran wird deut-lich, wo wir einen Schwerpunkt setzen. Chancen durchBildung für die jungen Menschen in unserem Land, dasist ein zentrales Thema unserer Koalition.
Chancen durch Bildung ist zugleich ein Thema, dasdie Integration betrifft. Junge Menschen, die keine ge-scheite Ausbildung haben, haben Schwierigkeiten in die-ser Gesellschaft. Wenn ich weiß, dass sehr viele jungeMenschen aus Familien mit Migrationshintergrund kei-nen Bildungsabschluss schaffen und daher Schwierig-keiten in unserem Land haben, dann muss doch die Auf-gabe ganz klar sein: Wir müssen in der Bildungspolitikeinen Schwerpunkt darauf legen, dass diejenigen, die esvon ihrer Herkunft her schwerer haben, in unserem Landbessere Chancen bekommen. Herkunft darf nicht überBildungschancen entscheiden; das steht in unserer Ko-alitionsvereinbarung, und dafür wollen wir Geld einset-zen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
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eswegen werden wir dafür sorgen, dass die Sprachechon im vorschulischen Bereich gelernt wird. Ihr Hin-eis, Herr Kollege, ist insofern gar nicht schlecht, alsies oftmals nicht nur für Kinder mit Migrationshinter-rund, sondern auch für Kinder aus manch sozial schwa-her Familie gilt. Auch hier ist es notwendig, das Ver-tändnis der deutschen Sprache so zu fördern, dass sieavon profitieren.
abei haben wir überhaupt keine Scheuklappen vor denugen. Das unterscheidet uns von dem Teil dieses Hau-es, der links vom Rednerpult sitzt: Wir schauen uns iner Gesellschaft um, sehen die Probleme und handelnrei von Ideologie. Das ist der Unterschied.
ie leben nach dem Motto: Die Menschen müssen zueiner Ideologie passen. – Unser Motto ist das nicht.ir sagen: Wir richten unsere Politik nach den Proble-en und Sorgen der Menschen aus.
as wird diese Koalition auszeichnen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Zukunfturch Zusammenhalt heißt, dass wir diejenigen, die innserem Land etwas machen, die zum Zusammenhalteitragen, auch in besonderer Weise anerkennen müssen.n diesen Tagen um den 9. November herum denke ichatürlich auch an das, was wir in den letzten 20 Jahren
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Volker Kauderund kurz davor in Deutschland erlebt haben. Wir habengestern die Freiheitsfeier am Brandenburger Tor erlebt.Dort wurde zu Recht der Wert der Freiheit immer wiederbetont. Es war ein langer Weg hin zur Freiheit allerDeutschen in Deutschland, ein langer Weg, auf demnicht alle politischen Kräfte diejenigen, die in der DDRnach Freiheit gestrebt haben, entsprechend unterstützthaben, um auch das einmal klar zu sagen.
Aber für mich ist der entscheidende Punkt: Die Frei-heit ist dadurch entstanden, dass einige in diesem Landmutig bürgerschaftliche Verantwortung übernommen ha-ben. Den Menschen in der DDR, in Leipzig und in ande-ren Städten, die mutig aufgestanden sind, was wir be-staunt und mit Freude begleitet haben, gilt in der jetzigenPhase großer Dank. In einer solchen Phase kommt esdarauf an, Solidarität mit denen zu üben, die diese Frei-heit durch ihren Kampf mit ermöglicht haben. Viele po-litische Rahmenbedingungen waren dazu notwendig.Aber wenn die Menschen in Leipzig und anderswo nichtso mutig gewesen wären, auf die Straße zu gehen, wärees nicht so weit gekommen, auf jeden Fall nicht soschnell. Deswegen müssen unser Dank und unsere Soli-darität diesen Menschen gelten.In einer solchen Phase, Herr Steinmeier, ein Beispielder Entsolidarisierung in der Bürgergesellschaft zu ge-ben, wie es in Brandenburg getan worden ist, indemdort die Stasi am Tisch der neuen Regierung sitzt, das istschon unglaublich.
Zukunft durch Zusammenhalt, das gehört gerade ineiner sich verändernden Gesellschaft als wichtige Markezu dieser neuen Regierungskoalition. Zukunft durch Zu-sammenhalt ist wichtig in einer Zeit, wo die Generatio-nen auseinanderzufallen drohen. Deswegen werden wirden Weg, den Ursula von der Leyen mit unserer Genera-tionenpolitik in Form der Generationenhäuser begonnenhat, weiter fortführen.Wir werden dafür sorgen, dass die Älteren ihren Platzin der Gesellschaft haben, dass die Älteren aber zugleicherkennen, dass sie auf die Leistungen der Jüngeren ange-wiesen sind. Zukunft durch Zusammenhalt heißt, die Ge-nerationen zusammenzubinden und sie nicht zu spalten.Zukunft durch Zusammenhalt heißt auch, dass wir inunserer Gesellschaft an vielen Stellen bereit sein müs-sen, Verantwortung zu übernehmen, so auch für die Ver-teidigung unserer Freiheit. Für uns ist klar: Zukunftdurch Zusammenhalt heißt, in der Mitte der Gesellschaftzusammenzurücken. Deswegen werden wir alles be-kämpfen, was am rechten Rand entsteht und den Zusam-menhalt in der Mitte gefährdet.
Wer sein eigenes Süppchen kochen will, der trägt nichtzum Zusammenhalt, der so dringend notwendig ist, bei.sLRDZigdwnwElsdmsecusgGeSsugddWbrddcWahusssdblu
s gibt weitere Beispiele: Wir wollen, dass sich die länd-ichen Räume weiterentwickeln und unter demografi-chen Entwicklungen nicht zu leiden haben. Wir wollen,ass die Gesundheitsversorgung in den ländlichen Räu-en gleich gut ist. Wir wollen, dass die Bildungsinfra-truktur in den ländlichen Räumen gleich gut ist. Wenns uns nicht gelingt, in den ländlichen Räumen die Chan-en für Industrie und Mittelstand zu verbessern, wird esns auch nicht gelingen, unsere anderen Punkte umzu-etzen. Deswegen, Frau Bundeskanzlerin, legen wir soroßen Wert darauf, dass die Zusage, dass die kleinenemeinden ans schnelle Internet angebunden werden,ingehalten wird.
chon heute klagen Kommunen zu Recht über die wirt-chaftliche Entwicklung. Ich kann Ihnen sagen: Wenn esns nicht gelingt, dafür zu sorgen, dass all das, was icherade angesprochen habe, schnell umgesetzt wird, wer-en die Kommunen in Zukunft allen Grund haben, überie wirtschaftliche Entwicklung zu klagen. Nur wennirtschaft und Industrie in unseren ländlichen Räumenleiben, besteht die Chance, dass sich die Finanzen unse-er Kommunen in Zukunft gut entwickeln.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Arbeiturch Wachstum, Chancen durch Bildung, Zukunfturch Zusammenhalt: Das sind die Hauptthemen dieserhristlich-liberalen Koalition der Mitte.
ir wissen im Übrigen auch, dass sich diese Koalitionuf die Werte besinnen muss, die uns alle stark gemachtaben und die in den letzten 60 Jahren nichts an Kraftnd Bedeutung eingebüßt haben. Das sind die Werte derozialen Marktwirtschaft, wenn es darum geht, wirt-chaftliche und soziale Interessen auszutarieren, und esind die Werte der Solidarität, der Menschlichkeit under Würde des Einzelnen, die uns so weit gebracht ha-en.
All diejenigen in unserem Land, die diese Entwick-ung mit unterstützen, leisten einen wichtigen Beitrag,m unser Land voranzubringen. Dazu gehören auch die
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Volker KauderWerte der christlich-jüdischen Tradition, die unserLand so stark gemacht haben, auch wenn sie nicht mehrjeder hundertprozentig für sich in Anspruch nehmenwill; aber auch diese Leute wissen, dass das stimmt. Aufdiese besinnen wir uns in dieser Koalition ebenfalls wie-der.
Wenn ich den Blick nach Europa richte, dann kann ichnur ganz klar und deutlich sagen: Das Abhängen vonKreuzen macht noch kein Land stärker.
Wir stehen am Anfang dieser neuen Regierungskoali-tion, die wir uns als Wahlziel gewünscht haben. Deswe-gen bin ich mir, auch wenn es die eine oder andere Dis-kussion gibt – wo gibt es sie nicht? –, sicher, dass unsdieser gemeinsame Wunsch, unserem Land zu helfen,aus der Krise herauszukommen, neue Perspektiven zuentwickeln und jungen Menschen Chancen zu geben, dergetragen davon ist, Deutschland in eine gute Zukunft zuführen, die Kraft geben wird, nicht nur am Anfang starkzu sein, sondern über vier Jahre hinweg stark zu bleiben.Herzlichen Dank.
Das Wort hat nun Joachim Poß für die SPD-Fraktion.
Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Kauder,Sie benötigen schon zu Beginn Demagogie, um von die-ser schwachen Regierungserklärung abzulenken.
Das ist doch wohl eher ein Zeichen von Schwäche alsein Zeichen von Stärke.
Im Übrigen: Herr Kauder, Sie haben bei Ihrer Partei-geschichte keinerlei Recht, die SPD für die Koalitions-entscheidung in Brandenburg anzugreifen, keinerleiRecht! Das wissen Sie genau.
Ich erinnere mich daran, dass Sie ähnliche Reden vol-ler Emphase auch zur Verteidigung der Großen Koalitiongehalten haben.
Insofern hat sich da bei Ihnen stilistisch nichts verändert.Es gibt allerdings inhaltliche Unterschiede. WährendSie sich in der Großen Koalition noch auf Fakten ge-stützt haben, ist das jetzt ziemlich frei von Fakten. DieRegierungserklärung hat jedenfalls keine brauchbarenFehusSfShtFupsdhdpSdjnSFzKKIkLavldFDwkiSdrzsdKv
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Joachim PoßJetzt müssen Sie das auslöffeln, was Sie sich mit diesenVersprechungen eingeheimst haben. Sie haben manchenWahlerfolg damit erzielt; das ist nicht zu leugnen. Aberich glaube, dass die Bürgerinnen und Bürger das jetztausbaden müssen.Im Mai werden wir kein neues Bild über die weiterefinanzielle Entwicklung bekommen. Die Mai-Steuer-schätzung wird nur vorgeschoben, um erst dann überEinzelheiten der Steuersenkungen zu befinden. Im Maiwird es aber keine neuen Erkenntnisse geben. Man willlediglich vermeiden, dass vor der Landtagswahl in Nord-rhein-Westfalen im Mai über Einzelheiten und kontro-vers diskutiert wird.Frau Merkel hat sich heute Morgen zum Stufentarifbekannt. Darüber wird noch eine sehr interessante Dis-kussion geführt werden. Herr Schäuble hat schon ange-kündigt, dass er kein Freund davon sei. Herr Seehoferhält das ebenfalls für nicht vertretbar. Ich freue mich aufdie Debatte, die wir mit Ihnen darüber führen werden.Der Bundesfinanzminister kann heute aus guten Grün-den nicht hier sein. Ich will nicht sagen – er hat die Auf-gabe freiwillig übernommen –, dass er mir leidtut. Er istauf jeden Fall ein sehr erfahrener Mann und weiß, dasseine ganz schwierige Aufgabe auf ihn zukommt.Vielen Dank.
Das Wort hat nun Hans-Peter Friedrich für die CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren Kolle-gen! Lieber Herr Poß, an Ihrer Rede wie an den anderenReden, die ich heute von Abgeordneten von der linkenSeite gehört habe, wird deutlich: Die Sitzordnung imHohen Hause stimmt wieder:
auf der linken Seite die Volksbeglücker, die Volksbevor-munder und die Umverteiler und auf der anderen Seitedie bürgerliche Koalition der Freiheit und der Verant-wortung. Das ist in der heutigen Debatte deutlich gewor-den.
Die Koalition aus CDU, FDP und CSU hat heute ihrArbeitsprogramm offiziell vorgelegt. Es ist das Pro-gramm einer bürgerlichen Regierung.
Herr Lafontaine hat die Frage gestellt, wie das Verhältnisvon Frau Merkel, der Bundeskanzlerin, zu den Bürgernsei. Das Verhältnis ist geklärt. Die Mehrheit der Bürgerin diesem Land wollte Frau Merkel als BundeskanzlerinhSwsblgsdlDmsgsdSEwDDomaEWWhhKdvowKlaBewIpksWPKgSDs
Große Aufgaben warten auf diese Koalition; das istahr. Denn wir sind in der weltweit schwersten Kriseeit Jahrzehnten. Aber, Herr Poß, Sie haben recht: Wireginnen nicht bei null. Die Große Koalition hat in denetzten zwölf Monaten ihre Aufgaben, was die Bewälti-ung der Krise angeht, erledigt und wichtige Zeichen ge-etzt: das Gesetz zur Stabilisierung der Finanzmärkte,ie beiden Konjunkturpakete und die Kurzarbeiterrege-ungen als Brücke in einen Konjunkturaufschwung.as alles sind wichtige Weichenstellungen. Deswegen,eine Damen und Herren von der SPD, sollten Sie nichto viel Kraft darauf verwenden, sich von Ihrer Vergan-enheit zu distanzieren,
ondern Sie sollten lieber Kraft für Ihre Zukunft verwen-en, damit Sie nicht den Populisten auf der ganz linkeneite auf den Leim gehen müssen.
Wahr ist, dass wir Licht am Ende des Tunnels sehen.s gibt ein Zeichen der Hoffnung im verarbeitenden Ge-erbe. Heute ist im Handelsblatt auf Seite 1 zu lesen:ie deutsche Wirtschaft holt rasant auf. – Das ist wahr.er Konsum ist stabil. Die Frühindikatoren weisen nachben, genauso wie die Auftragseingänge. Der Arbeits-arkt zeichnet sich durch eine erstaunliche Robustheitus. Aber die Finanzkrise ist noch nicht ausgestanden.s gibt eine Menge Warnzeichen und Warnungen vonirtschaftsexperten, die uns voraussagen, dass eineelle von Insolvenzen noch bevorsteht. Wir seheneute Banken, die immer noch am Tropf der Notenbankängen. Wir sehen heute viele Unternehmen, die aufonjunkturstützungsmaßnahmen angewiesen sind. Beien Wachstumsprognosen für das nächste Jahr sind wiron 1 bis 2 Prozent ausgegangen. Nun wird spekuliert,b es möglicherweise sogar 2,5 Prozent sind. Aber selbstenn das eintritt, wird das nicht ausreichen, um an dieonsolidierungserfolge, die in den letzten Jahren mög-ich waren – hin zu einem ausgeglichenen Haushalt –,nzuknüpfen. Wir müssen bei der Produktion aufholen.is wir das Produktionsniveau, wie es vor der Krise war,rreicht haben, wird es noch einige Jahre dauern. Des-egen gibt es nur eine einzige Möglichkeit, nämlichmpulse zu setzen für Wachstum und damit für Arbeits-lätze und für die Stabilisierung der Wettbewerbsfähig-eit unserer Wirtschaft. Deswegen ist das Wachstumsbe-chleunigungsgesetz ohne Alternative.Was sind die Kernaussagen dieses Gesetzes? Erstens.ir korrigieren die Unternehmensteuerreform an denunkten, wo sich herausgestellt hat, dass es jetzt in derrise, in der es Umstrukturierungen von Unternehmenibt und Sanierungen von Unternehmen geben muss,chwierigkeiten gibt und nachgebessert werden muss.ie Fesseln, die diese Umstrukturierung in der Wirt-chaft behindern, werden beseitigt.
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Dr. Hans-Peter Friedrich
Der zweite Punkt ist die psychologische Wirkung beiden Erben. Unternehmensnachfolger, die ein mittelstän-disches Unternehmen übernommen haben, wissen, dasssie Erbschaftsteuer nur zu einem geringen Teil zu zah-len brauchen, wenn sie eine bestimmte Lohnsumme er-reichen. Sie stellen aber schon heute fest, dass dieseLohnsumme aufgrund der Krise nicht erreichbar ist.Deswegen müssen wir das Damoklesschwert, dass einUnternehmen kaputtbesteuert wird und damit die Ar-beitsplätze kaputtgemacht werden, wegnehmen. Von da-her ist dieses Signal auch im Wachstumsbeschleuni-gungsgesetz im Hinblick auf die Erbschaftsteuerunabweisbar wichtig und notwendig.
Wir setzen ein starkes Zeichen für die Familien in die-sem Lande. Das ist ein Bekenntnis von CDU, FDP undCSU zu den Familien als der Keimzelle dieser Gesell-schaft. Ich will dazu gerne noch etwas sagen.Freiheit zur Verantwortung – das ist das Motto für un-seren Koalitionsvertrag. Es ist – das gebe ich zu – derGegenentwurf zum sozialistischen Versorgungsstaat.Das ist wahr.
Wir glauben an die Kraft des Einzelnen, an die Kraft derFreiheit. Der Leitgedanke über diesem Koalitionsver-trag, der Leitgedanke für die gesamte Wahlperiode musslauten: Die Kräfte Deutschlands freisetzen. – Wir habenso viel Kraft in dieser Volkswirtschaft, wir haben so vielKraft in diesen Menschen, wir haben so viel Kraft, diewir freisetzen können und freisetzen müssen. Es solltenicht immer gefragt werden, welche Rechtsansprücheich gegen die Gesellschaft habe und welches Recht ichhabe, vom Staat das eine oder andere zu kassieren, son-dern die Frage ist: Wo kann ich mich in diesem Staat ein-bringen? – Das sind die Kräfte, die wir freisetzen wollen.Dazu gehört ein Bekenntnis zur sozialen Marktwirt-schaft. Kollegin Homburger hat es angesprochen.Heute ist in der Süddeutschen Zeitung die Überschriftzu lesen: „Deutsche zweifeln am Kapitalismus“. Im wei-teren Verlauf des Textes heißt es, sie meinten damit diesoziale Marktwirtschaft. All denen will ich sagen: Diesoziale Marktwirtschaft war es, die den Aufbau Deutsch-lands nach 1945 möglich gemacht hat. Diese sozialeMarktwirtschaft, die mit dem Namen Ludwig Erhardverbunden ist, war die Grundlage für das Wirtschafts-wunder, und diese soziale Marktwirtschaft war dieGrundlage dafür, dass 1989 die Hinterlassenschaften derSozialisten und der Anhänger der Ideologie von HerrnLafontaine und seinen Genossen beseitigt werden konn-ten.
Wir müssen das Vertrauen in die Marktwirtschaft stär-ken. Darum geht es; denn das Vertrauen in die Markt-wMrnMfdTMandast–LtIEIwugcwssMmftwdIt
ch will dazu Kurt Biedenkopf zitieren:Wir stehen vor der Aufgabe, ein neues Vertrauender Märkte, der Regierungen und der Bevölkerungin die alten und neuen Eliten zu begründen.r sagt weiter:Umso bedauerlicher ist es, dass unsere Eliten bisheroffenbar keine Notwendigkeit oder keine Möglich-keit sehen, sich an einer öffentlich und politischwirksamen kritischen Bewertung der Geschehnisseund ihrer Mitverantwortung für die Folgen zu betei-ligen.ch fordere die Eliten, insbesondere die in der Finanz-irtschaft, auf, sich einmal kritisch selbst zu betrachtennd zu fragen: Womit haben wir zu dieser Krise bei-etragen, und was muss geschehen, damit sich eine sol-he Krise nicht wiederholen kann?
Dazu gehört auch, dass wir, Deutschland, Mitverant-ortung in der Welt übernehmen. Es reicht nicht, Wirt-chaftsnation zu sein und Wettbewerbsfähigkeit anzu-treben; man muss auch Mitverantwortung übernehmen.anchmal besteht diese Mitverantwortung auch imilitärischen Eingreifen.Wenn wir heute unsere Söhne, unsere Töchter in Uni-orm in fremde Länder schicken, dann müssen wir allesun, um dafür zu sorgen, dass sie gesund und unversehrtieder nach Hause kommen. Wenn sie bedroht werden,ann müssen sie auch das Recht haben, sich zu wehren.
ch danke ganz herzlich dem Bundesverteidigungsminis-er Karl-Theodor zu Guttenberg dafür, dass er das ganz
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Dr. Hans-Peter Friedrich
klar gemacht hat, dass er an die jungen Leute, die inAfghanistan und anderswo in der Welt für die deutscheFreiheit eintreten, seine Botschaft ausgesandt hat: Wennihr unsere Freiheit verteidigt, dann könnt ihr sicher sein,dass wir auch euch nicht im Stich lassen. Diese Bot-schaft ist notwendig, auch im Hinblick auf die Elterndieser Soldaten.
Die Stabilität der Gesellschaft ist die notwendige Vo-raussetzung dafür, dass wir die Kräfte dieses Landesfreisetzen können. Die Keimzelle der Gesellschaft ist– ich habe es angesprochen – die Familie. Sie ist derPlatz, wo Eltern, wo Großeltern ihren Kindern undEnkelkindern Traditionen, Erfahrungen, Sichtweisen,Errungenschaften kultureller Art weitergeben. Deswe-gen muss die Familie einen besonderen Stellenwert inder Gesellschaft haben. Wir wollen diesen Stellenwertanerkennen.Daher verstehe ich Ihre Kritik an dem, was wir für dieFamilien tun – auch durch dieses Gesetz, das Wachstums-beschleunigungsgesetz –, überhaupt nicht. Hören Sieendlich auf, den Menschen zu erzählen, dass Besserver-dienende in diesem Land Kindergeld bekommen! Natür-lich gibt es Leute, die gut verdienen. Sie bekommen abernicht einen einzigen Euro aus dem Bundeshaushalt. DasEinzige, was sie bekommen, ist ein Steuerfreibetrag fürdas von Ihnen selbst erarbeitete Einkommen, also für das,was sie mit ihrem Fleiß und ihrer Hände Arbeit geschaf-fen haben.
– Herr Trittin, da können Sie hämisch lachen. Aber ist esdenn nicht gerecht, dass der Gutverdienende, der150 000 Euro verdient und drei Kinder hat, wenigerSteuern zahlt als der Gutverdienende, der 150 000 Euroverdient und keine Kinder hat?
Ich finde, das ist gerecht.
– Hören Sie einmal zu! Ich will Ihnen das erklären. Viel-leicht wissen Sie das noch nicht.
Dann gibt es Menschen, die von diesem Steuerfrei-betrag nichts haben; da haben Sie völlig recht. Warumhaben sie davon nichts? Weil wir in diesem Land dafürgesorgt haben, dass Leute, die wenig Geld verdienen,keine oder nur wenig Steuern zahlen müssen.
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dass wir als CSU und Union für die ländlichen Räumeeintreten werden und diese Aufgabe ganz an die Spitzeunseres Aufgabenkataloges stellen. Volker Kauder hat jadas Thema Gesundheitsversorgung angesprochen. Daswird ein wichtiges Thema werden. Wenn wir die Le-bensqualität dort erhalten wollen, müssen wir nämlichdafür sorgen, dass der Standort „ländlicher Raum“ mitelementaren Versorgungsmöglichkeiten ausgestattet ist.Schließlich ist auch die Landwirtschaft in diesenländlichen Räumen ein stabilisierender Faktor. Es gehtdabei nicht nur darum, wie das Gesicht unseres Landesausschaut, also um den äußeren Eindruck für Touristenund andere Besucher des Landes, sondern es geht um dieBewirtschaftung des Landes: Es geht darum, dass wirauf den Flächen vor den Toren unserer Städte gesundeNahrungsmittel produzieren. Es geht darum, dass wirvor den Toren unserer Städte mit regenerativer Energie– Sie behaupten ja immer, sie sei unverzichtbar; ich teilediese Auffassung – die Energie produzieren, die uns einegewisse Unabhängigkeit beschert und damit für unsereZukunft notwendig ist. Deswegen freut es mich, sehrverehrte Frau Bundeslandwirtschaftsministerin, sehr,dass es uns gelungen ist, auch ein Sonderprogramm fürdie Landwirtschaft aufzulegen und damit einen ganz be-sonderen Akzent für die Landwirtschaft in diesem Koali-tionsvertrag zu setzen.
Nicht zuletzt, meine sehr verehrten Damen und Her-ren, geht es darum, einen ganz wichtigen Faktor für denInvestitions- und Lebensstandort Deutschland zu erhal-ten und zu stärken, nämlich die Infrastruktur. Die Er-schließung des Landes, die Zurverfügungstellung vonMobilitätsleistungen, der Transport von Gütern – das al-les sind wichtige Voraussetzungen, um als Wirtschafts-nation in einer globalisierten Welt leben und überlebenzu können. Deswegen wird der neue Bundesverkehrs-minister, wird Peter Ramsauer, von der Christlich-Sozia-len Union hier im Hohen Hause flankiert und begleitet,diese Aufgaben mit voller Kraft wahrnehmen:
Güter von der Straße auf die Schiene, Erschließung desLandes, öffentlicher Personennahverkehr für die Bal-lungsräume – das ist die Zukunft der Verkehrspolitik.Peter Ramsauer und seine Kollegen werden das gestal-ten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die bürger-liche Koalition hat sich vorgenommen, Politik für alleMenschen, für alle Schichten des Volkes zu machen,nicht mit Ideologie – Volker Kauder hat es schon ange-sprochen –, sondern in der Verantwortung für die Men-schen in diesem Lande. So wie wir von jedem Einzelnenin Deutschland fordern, in der Gesellschaft mitzuwirkenund Verantwortung zu übernehmen, müssen auch wir alsPddVtDFKigwIkipRMw„bdhdkÜsSkwdGKr
Das Wort hat nun Kollegin Agnes Krumwiede für die
raktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Wir alle glauben, dass wir in einer Welt leben,n der wir über mehr Wissen verfügen als je zuvor in deresamten Menschheitsgeschichte. Andererseits leidenir unter Problemen, die wir selbst geschaffen haben.ch nenne hier nur einige: die Finanz- und Wirtschafts-rise, die Klimaveränderung, Hunger und Krieg. Geraden Krisenzeiten brauchen die Menschen Werte und eineositive Lebenseinstellung, eine andere Form voneichtum, als das Bruttoinlandsprodukt messen kann.echanistisches Schubladendenken hat sich nicht be-ährt. Damit meine ich auch die ewige Floskel von derBrückentechnologie Atomkraft“,
ei der es nur um Ideologie geht. Sie wissen ganz genau,ass mit der Atomkraft die erneuerbaren Energien ver-indert werden.Wir brauchen ein neues Denken, neue Denkansätze,ie von Fantasie und Individualität geprägt sind. Dabeiann uns die Kultur helfen.
ber Kultur identifiziert sich der Mensch mit sich undeiner Umwelt. Er entwickelt Kritikfähigkeit, Empathie,elbstbewusstsein und Respekt. Davon bin ich als Musi-erin überzeugt. Albert Einstein sagt: „Phantasie istichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt.“Was jedoch erwartet uns in den nächsten vier Jahren iner Kulturpolitik? Laut Koalitionsvertrag will Schwarz-elb in eine Prestigekultur investieren.
ulturpolitik aber muss mehr sein als die Unterstützungepräsentativer Leuchtturmprojekte.
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Agnes KrumwiedeWir Grünen wollen, dass Kultur für alle Menschen daist, nicht nur für einen erlesenen Kreis einer wohlhaben-den Klientel im elitären Elfenbeinturm.Wir verstehen Kulturpolitik als Bildungsauftrag. Kul-turelle Bildung kann ein Schlüssel zu gesellschaftlicherTeilhabe sein. Kinder und Jugendliche aus allen sozialenSchichten brauchen die gleichen Zugangsmöglichkeitenzu kulturellen Inhalten. Deshalb ist es so wichtig, dasssich Kultur- und Bildungseinrichtungen untereinanderbesser vernetzen. Theaterprojekte zum Beispiel, aberauch der Hip-Hop als Projekt –
– sollten feste Institutionen an unseren Schulen werden.
Subkultur, freie künstlerische Entfaltungsmöglichkeitenwollen wir Grünen in gleichem Maße fördern wie denhochsubventionierten Opernbetrieb. Grüne Kulturpoli-tik will die Vielfalt. Die schwarz-gelbe Forderung nachder deutschen Sprache im Grundgesetz verstehe ich alsDeutschtümelei. Wir wollen geistige Vielfalt, nicht Ein-falt.
Kultur soll integrieren, nicht ausgrenzen.Die Wertschöpfung der Kreativwirtschaft übersteigtmittlerweile die der Automobilindustrie, der Chemie-industrie und der Landwirtschaft. Doch hinter den schil-lernden Kulissen der Kreativwirtschaft sieht es düsteraus. Als Pianistin weiß ich, wovon ich spreche. Es haktan allen Ecken und Enden in der Kulturbranche.Viele Menschen sind überrascht, wenn sie hören, dassdie meisten Musiker, Schauspieler und Tänzer regelmä-ßig auf finanzielle Unterstützung angewiesen sind.Hochqualifizierte Talente werden ausgebeutet und arbei-ten für einen Hungerlohn. Das Sparen von staatlicherSeite an der sozialen Absicherung der Kulturschaffendenbedroht die Freiheit der Kunst.
Daran hat leider auch die Reform der Anwartschaftsre-gelung im SGB III kurz vor dem schwarz-roten Tor-schluss nichts Grundlegendes geändert. Ich bin hier, uman die großen, leeren Versprechungen der letzten Legis-laturperiode zu erinnern.Was den schwarz-gelben Koalitionsvertrag betrifft,stört mich darin besonders die komplette Missachtungder sozialen Absicherung von Künstlerinnen undKünstlern.
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Wir brauchen deshalb endlich eine soziale Versor-ung, die Rücksicht nimmt auf die heutigen Produk-ionsbedingungen der Medien- und Kulturbranche mithren sehr unterschiedlichen und flexiblen Arbeitsmo-ellen.Ich glaube, zwischen uns hier im Plenum gibt es nichtur politische Unstimmigkeiten. Der Bericht der En-uete-Kommission ist dafür ein ausbaufähiger Beleg.ch denke, in der Kulturpolitik haben wir größtenteils so-ar die gleichen Ziele. Es fehlt nur an der Umsetzung.abei lädt gerade die Kulturpolitik zu einer fraktions-bergreifenden Zusammenarbeit ein. Diese Chance müs-en wir nutzen.Ich hoffe sehr, dass es uns gelingt, neue und mutigeege in der Kulturpolitik zu beschreiten. Wir haben esn der Hand, eine fantasievollere Gesellschaft zu fördernnd mitzugestalten. Ich freue mich auf unsere Zusam-enarbeit.Vielen Dank.
Kollegin Krumwiede, dies war Ihre erste Rede, und
as in der ersten Plenardebatte der neuen Legislatur-
eriode. Respekt, herzlichen Glückwunsch und alles
ute für die weitere Zusammenarbeit!
Das Wort hat nun Staatsminister Bernd Neumann.
B
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieberau Kollegin Krumwiede, ich freue mich ebenfalls aufine gute Zusammenarbeit und hoffe, dass Sie in denulturausschuss kommen. Eine Belebung dieses Aus-chusses ist immer gut.„Kunst und Kultur sind der Zukunftsmotor einer Ge-ellschaft.“ So steht es im Koalitionsvertrag. Dies ist einehr richtiger und wichtiger Satz. Deshalb werden wirer Bedeutung der Kultur durchaus gerecht, wenn wirie hier noch im Rahmen der Generaldebatte vor allennderen Ressortbereichen behandeln.Man kann feststellen – da muss ich der jungen Kolle-in doch etwas widersprechen –: Mit unserer Koalitions-ereinbarung wird der erfolgreiche Kurs der Kulturpoli-ik der letzten Legislaturperiode fortgesetzt. Dass errfolgreich war, wird ja von niemandem bestritten. Dieatsache, dass von allen Verbänden nach der Fortsetzungieser Politik mit dem gleichen Amtsinhaber gerufen
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Staatsminister Bernd Neumannwurde, ist ein Zeichen dafür, dass wir ganz gut waren.Das möchte ich an dieser Stelle erwähnen.
Das heißt, wir wollen die Rahmenbedingungen der Kul-tur verbessern und darüber hinaus neue, zusätzliche Ak-zente setzen.Wir befinden uns mitten in einer globalen Wirt-schafts- und Finanzkrise bisher nicht gekannten Aus-maßes. Haushaltskonsolidierung ist in den kommendenJahren angesagt. In diesem Zusammenhang ist es wich-tig, sich der Rolle der Kultur für unsere Gesellschaft be-wusst zu werden. Gerade in Zeiten der Globalisierung,gekennzeichnet durch zunehmende Verunsicherung undOrientierungslosigkeit des Einzelnen, bedarf unsere Ge-sellschaft eines tragfähigen, gemeinsamen geistigenFundaments, und dieses Fundament ist die Kultur.
Die Kultur stiftet das Bewusstsein für die eigene Ge-schichte. Sie schafft Zusammenhalt. Sie stiftet Werteund Traditionen, die unser Land und unsere Gesellschaftfür ein menschliches Miteinander brauchen. Durch dieKultur entsteht gerade für unsere Kinder und Jugendli-chen jene Orientierung und Kreativität, die uns lebens-lang begleitet.Aus diesem Grunde wäre es fahrlässig, gerade in Kri-senzeiten dieses Fundament, das unsere Gesellschaft zu-sammenhält, durch finanzielle Kürzungen anzukratzenoder sogar zu beschädigen.
Hierzu ist eine Aussage in unserem Koalitionsvertragvon herausragender Bedeutung. Sie lautet:Die Ausgaben des Bundes für die Kultur konnten inden vergangenen vier Jahren deutlich erhöht wer-den. Dazu stehen wir gerade auch in der Finanz-und Wirtschaftskrise. Kulturförderung ist keineSubvention, sondern eine unverzichtbare Investi-tion in die Zukunft unserer Gesellschaft.
Meine Damen und Herren, nun erreichen uns aus eini-gen Kommunen in Deutschland seit ein paar Wochenalarmierende Nachrichten über massive Streichungsab-sichten im Bereich der Kultur in einer Größenordnungvon 10 Prozent und zum Teil mehr. Ich weiß, dass Län-der und Kommunen den Löwenanteil der öffentlichenAusgaben für Kultur in diesem Land tragen. Das ist sovon der Verfassung gewollt, und das bedeutet ein großesStück Verantwortung.Natürlich dürfen wir das Ziel eines konsolidiertenHaushaltes nicht aus den Augen verlieren; aber dafür istder Kulturbereich allein schon unter fiskalischen Aspek-ten nicht geeignet. Die Anteile der Kultur an den Etats inden Ländern und Kommunen betragen im Mittelwert1nDrsiKbSslhsmumsbwLWiasKgRdnShLskdfmrDSg
Bei den Rahmenbedingungen steht für mich die Ver-esserung der sozialen Lage der Künstler an vorderertelle. Wenn man bedenkt, dass die jährlichen Durch-chnittseinkommen zwischen 10 000 und 12 000 Euroiegen, dann kann uns das nicht gleichgültig sein. Des-alb ist die weitere Stabilisierung der Künstlersozialver-icherung, die einen Versicherungsschutz gegen Verar-ung im Alter sowie Zugang zur gesetzlichen Kranken-nd Rentenversicherung bietet, unverzichtbar. Ebensouss die Reform – Frau Kollegin Krumwiede, wir habenie eingeleitet – bei den Kriterien für den Erhalt von Ar-eitslosenunterstützung künstlerfreundlich umgesetzterden. Schon dieser Schritt bringt etwas. Im Laufe deregislaturperiode muss sie erneut im Hinblick auf dieirksamkeit auf den Prüfstand gestellt werden; da binch Ihrer Meinung.
Ich kann aus Zeitgründen nur einige wenige Punkteus der Koalitionsvereinbarung ansprechen. Ganz obenteht für mich die kulturelle Bildung. Es sind unsereinder und Jugendlichen, die die Gesellschaft von mor-en gestalten werden. Geben wir ihnen das geeigneteüstzeug dafür!Ob der Ausbau des europäischen kulturellen Dialogsurch die Stiftung Genshagen, der Abbau von Hinder-issen beim Zugang zu kulturellen Angeboten oder dietärkung der Medienkompetenz: Hier zählen wir weiter-in auf die an sich hervorragende Kooperation mit denändern, den Verbänden und auch der Wirtschaft bei un-eren Erfolgsprojekten, die wir fortführen und verstär-en werden.
Meine Damen und Herren, gestern haben wir den Faller Mauer vor 20 Jahren gefeiert. Bei allen positiven Ge-ühlen dürfen wir aber nicht übersehen, dass es noch im-er – oder leider immer mehr – Tendenzen gibt, das Un-echt in der DDR zu beschönigen und zu verharmlosen.arum wollen wir die geschichtliche Aufarbeitung derED-Diktatur verstärken; ein Vergessen und Verdrän-en kommt für uns nicht infrage.
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Staatsminister Bernd NeumannMeine Damen und Herren, wir werden uns für einUrheberrecht stark machen – das ist für die Künstler imdigitalen Zeitalter eine der größten Herausforderungenüberhaupt –, das Kreative in unserem Land vor der Be-einträchtigung geistigen Eigentums schützt, sei es durchMediengiganten wie Google, sei es durch Internetpira-ten.Das schriftliche Kulturerbe ist ein bedeutendesZeugnis einer Kulturnation. Darum haben wir uns daraufgeeinigt, gemeinsam mit den Ländern ein nationales Be-standserhaltungskonzept für gefährdetes schriftlichesKulturgut zu erarbeiten und eine Koordinierungsstellevon Bund und Ländern einzurichten.
Meine Damen und Herren, Kontinuität und Verläss-lichkeit, verbunden mit neuen Ideen und Initiativen, wer-den die Kultur- und Medienpolitik des Bundes auch inder kommenden Wahlperiode auszeichnen. Ich wünschemir jene Allparteienkoalition für die Kultur, mit der wirin der Vergangenheit gemeinsam eine Menge erreichthaben.
Ich würde mich freuen, wenn wir diese große Einigkeit– in diesem Falle entgegen den sonstigen Gepflogenhei-ten – über die Fraktionsgrenzen hinweg zum Wohle derKultur fortführen könnten. Gerade in Zeiten der Krisebraucht die Kultur unser aller Solidarität.Vielen Dank.
Das Wort hat nun Kollegin Lukrezia Jochimsen für
die Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sokann man sich irren: Als die Kanzlerin gleich zu Beginnihrer Rede heute Morgen sagte, wir müssten die Folgender Finanz- und Wirtschaftskrise überwinden, dachteich, jetzt komme eine Passage zur Situation der Kulturund Kulturschaffenden in unserem Land. Sie kennt dochdie Hilferufe der Oberbürgermeister, der Theater, derMuseen, der Bibliotheken und der Kunsthäuser überallin unserem Land, und sie kennt auch die Analysen derZeitungen: Vom großen „Kahlschlag“ schrieb die Zeitvor zwei Wochen, vom „Spar-Tsunami“ der Spiegel.Aber kein Wort davon; dafür das Schlagwort „Leistungmuss sich wieder lohnen“. Dies sagen Sie einmal Kunst-und Kulturschaffenden in unserem Land,
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ber kein Wort, kein Satz, keine Vorstellungen, wie hierin jetzt zusammenbrechendes System erhalten und ge-ettet werden kann.Geldmangel ist ein mit Verzögerung wirkendesGift. Wenn es sich bemerkbar macht, ist es für diebetroffenen Personen und Institutionen oft zu spät,die Reserven sind aufgebraucht, die Bestände nichtmehr zu retten.as schrieb Andreas Kilb vor einigen Tagen in der FAZ.as Gift Geldmangel wird in der Kultur epidemischeormen annehmen, wenn jetzt nicht sofort entgegenge-irkt wird.
Es ist ja bekannt, dass sich die wirtschaftliche Ent-icklung von privatwirtschaftlichen Unternehmen nachrisen in der Regel stabilisiert. Dies aber gilt nicht fürerlorene Kunst und aufgegebene kulturelle Infrastruk-ur. Deshalb fordern wir ein sofortiges Investitionspro-ramm für die kulturelle Infrastruktur in diesemand, einen „Zukunftsfonds Kultur“.
s geht nicht nur darum, Herr Staatsminister, dass wirie Kultur schonen, wir müssen aus dieser Situation he-aus jetzt offensiv etwas für die Kultur tun, wir müssenn deren Zukunft investieren.Beim Expertengespräch des Ausschusses für Kulturnd Medien im März dieses Jahres hat Klaus Hebbornom Deutschen Städtetag bereits einen bedenkenswertenorschlag zur Finanzierung eines solchen Fonds ge-acht. Er stellte fest:Wenn die öffentlichen Hände an der Abfinanzie-rung der in den Bankensektor fließenden Mittel nurnachrangig beteiligt würden, wäre für die Kulturviel gewonnen.Sie wissen: In der Kultur schafft wenig viel, Investi-ionen haben Schubkraft, siehe Filmförderung. Deshalb:etzen Sie um, was Sie uns stets mit schönen Wortenerkünden: Kulturförderung ist eine Investition in dieukunft. Die nachfolgenden Generationen sind daraufngewiesen.Bei einem zweiten Thema habe ich mich sehr geirrt.ch war fest davon überzeugt, dass in der Koalitionsver-inbarung im Kapitel Kultur das Postulat „Der Staatchützt und fördert die Kultur.“ und die Ankündigung,iesen Satz so schnell wie möglich als Gesetz zur Ab-timmung zu stellen, enthalten sein würden, damit end-
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Dr. Lukrezia Jochimsenlich das Staatsziel Kultur im Grundgesetz verankertwäre.
Ich habe noch den flammenden Appell von GuidoWesterwelle in den Ohren, den er am 19. Juni dieses Jah-res hier an uns alle gerichtet hat.In Wahrheit geht es darum, dass Deutschland eineKulturnation ist. … Eine Kulturnation sollte sich inihrer eigenen Verfassung dazu bekennen, dass sie esist.Wie wahr! Auch der nächste Satz ist richtig:… da die Kultur in Deutschland in Konkurrenzsteht zu anderen wichtigen Rechtsgütern, müssenwir dafür sorgen, dass die Kultur nicht den Kürze-ren zieht, nur weil sie keinen Verfassungsrang hat.Dem ist nicht zu widersprechen. Dem ist auch nichtshinzuzufügen. Es bleibt die Frage: Wo ist das StaatszielKultur geblieben? Es scheint auf der Strecke gebliebenzu sein zwischen der FDP-Opposition im Juni und derFDP-Mitregierung im November. Schade, Herr Vize-kanzler.
Nächster Redner ist der Kollege Arnold Vaatz für die
CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Ich verfolge die Debatte seit heute 11 Uhr. Mirist aufgefallen, dass kein Einziger und keine Einzige derOppositionsredner oder -rednerinnen bisher ein Wort fürdas Thema 20 Jahre Mauerfall übrig hatte.
Es ist immerhin ein Thema, das gestern das öffent-lich-rechtliche Fernsehen den gesamten Abend beschäf-tigt hat. Sie haben sich, wenn Sie das gesehen haben,noch einmal vergegenwärtigen können, was für ein Er-eignis das war und wie es die Menschen bewegt hat. Siehaben die Freudentränen der Menschen gesehen, diezum ersten Mal Westberlin betreten haben. Gerade des-halb frage ich mich, weshalb Sie das so wenig interes-siert und weshalb Sie uns vorwerfen, es gäbe zwischender Bevölkerung und uns einen Keil. Offenbar sind Siees, die ein wenig neben der psychischen Beschaffenheitder Mehrheit in Deutschland leben.
Über den Aufbau Ost kann man nur auf der Basis vonWahrheit und Klarheit reden. Wo es Besonderheiten gibt,mögen sie materieller oder psychologischer Natur sein,muss man sie klar benennen. An einem solchen Tag wieheute, halte ich es für sehr wichtig, gerade die letzterenzu erwähnen.hefddgtnZshhcuDdzndjmimdlmG„WlrdlaIsektgnEfFdsLwmlem
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Das ist ein Originalzitat aus der Sächsischen Zeitung.Wenn er das dementieren will, soll er das tun. Vielleichtwurde er falsch zitiert. So haben wir ihn aber damalswahrgenommen. Meine Damen und Herren von der So-zialdemokratischen Partei, Sie erinnern sich: Sie habendiesen Mann als Nächstes zum Kanzlerkandidaten ge-macht und einige Jahre später zum Parteivorsitzendengewählt. Ich halte das für eine grobe Unsensibilität ge-genüber der gesamten deutschen Geschichte, insbeson-dere gegenüber der Geschichte der deutschen Wieder-vereinigung.
Ich bin sehr dankbar dafür, dass es in den letzten Jah-ren eine so enorme Solidarität des Westens mit demOsten gab. 1,3 Billionen Euro sind von West nach Ostgeflossen. Nun gibt es Stimmen, die sagen, wer Dank-barkeit einfordere, der erniedrige die Menschen. Dazumöchte ich Folgendes sagen: Mir gegenüber hat nie je-mand Dankbarkeit eingefordert. Ich erlaube mir aber,eine tiefe Dankbarkeit zu fühlen und schäme mich dieserDankbarkeit auch nicht.
Ich halte sie nicht für ein altmodisches Gefühl, sondernfür eine Selbstverständlichkeit für jeden halbwegs intel-ligenten Menschen mit Herz, der nur einen kurzen Blicknach Polen, nach Tschechien, nach Russland und in alldie anderen Länder wirft, die vor 20 Jahren in der glei-chen Situation waren wie wir.
Vor diesem Hintergrund versteht sich natürlich das,was im Koalitionsvertrag steht. Selbstverständlichmöchten wir den Annäherungsprozess zwischen Westund Ost fortsetzen. Das bedeutet zum Beispiel, dass derSolidarpakt II so bleibt, wie er ist. Auch die vorhin geäu-ßerten Zweifel daran, dass der Risikostrukturausgleichbleibt, wie er ist, möchte ich zerstreuen. Wir ostdeut-schen Abgeordneten werden dafür sorgen, dass die Vor-teile, die uns die Gesundheitsreform gebracht hat, in derjetzigen Legislaturperiode voll erhalten bleiben. Dafürstreiten wir.
Dass das im allgemeinen Interessenausgleich nicht im-mer ganz einfach wird, ist klar; aber wir werden es tun.dgKfggIrAwnßnDvIkdzsdntiGhisdsswAuBW
ch will Ihnen sagen: Wir könnten mit einer alpenque-ungsfreien See-zu-See-Verbindung, von der Ostsee zurdria, auf der Schiene dienen. Wenn das gelingt, habenir die Möglichkeit, Verkehre von globaler Dimensionach Ostdeutschland zu lenken und von ihrer Erschlie-ungswirkung zu profitieren, vorausgesetzt es wird unsicht kleinkarierter Widerstand entgegengebracht.
arum bitte ich Sie sehr.Bezüglich der Frage nach einem Aufbau West, dieor Kurzem geäußert worden ist, kann ich nur sagen:
ch bin voll davon überzeugt, dass Peter Ramsauer miteinem Wort auch nur ein Projekt infrage gestellt hat,as uns in Ostdeutschland zugesichert ist, das bereits be-ahlt ist und worauf wir gesetzt haben. Da bin ich ganzicher.
Ich muss natürlich auch sagen: Es gibt in West-eutschland eine Anzahl Projekte, die seit 40 Jahrenicht realisiert worden sind, wofür wir keine Verantwor-ung tragen, zum Beispiel die Hochrheinautobahn. Dasst nicht unser Problem. Da haben Sie sich in ein eigenesewirr von Fallstricken verwickelt; da müssen Sie se-en, wie Sie da raus kommen.Ich bin trotzdem der Meinung, dass die Projekte, diem Westen in den letzten Jahren liegen geblieben sind,elbstverständlich aufgearbeitet werden müssen. Aucha werden wir an einem Strang ziehen, weil wir dankbarind für die Solidarität in Deutschland und weil wir sieo, wie sie ist, aufrechterhalten wollen.Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Im Rahmen der Generalaussprache liegen nun keineeiteren Wortmeldungen mehr vor.Damit kommen wir zu den Bereichen Europa,ußen- und Sicherheitspolitik, Entwicklungspolitiknd Menschenrechte.Als erstem Redner erteile ich das Wort für dieundesregierung Herrn Bundesminister Dr. Guidoesterwelle.
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Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Aus-wärtigen:Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Ich möchte zunächst einmal an das anknüpfen, was HerrKollege Vaatz hier eben gesagt hat. Das ist eine außer-ordentlich kluge und vor allen Dingen bemerkenswerteEinschätzung gewesen. Denn die vielen Gäste, die wirgestern empfangen konnten, haben alle ausgedrückt, wiebeeindruckt unsere befreundeten Partner in der Welt vondieser friedlichen Revolution gewesen sind. Jeder hierweiß, dass das auch viel Staatskunst verlangt hat. Jederkennt die Rolle von Helmut Kohl, von Hans-DietrichGenscher und – es wächst zusammen, was zusammengehört – von Willy Brandt; er sei ausdrücklich genannt.Aber niemand darf dabei vergessen: Die wahren Heldenwaren diejenigen, die nicht wussten, ob auf sie geschos-sen wird, als sie auf die Straße gingen. Das waren diewahren Helden dieser Zeit.
Meine Damen und Herren, das hat natürlich auch vielmit außenpolitischer Tradition und Kontinuität zu tungehabt. In Wahrheit ist die Außenpolitik seit Gründungder Bundesrepublik Deutschland wirklich großes Inven-tar unserer Republik. Diese Kontinuität hat die Außenpo-litik aller Regierungen vor uns – aller Regierungen – aus-gezeichnet, und diese Kontinuität wird selbstverständlichauch jetzt fortgesetzt werden. Deutsche Außenpolitik istFriedenspolitik, sie ist interessengeleitet, aber sie ist aus-drücklich auch werteorientiert. Das ist der Kompass. Dergalt früher, und der gilt auch in Zukunft.
Das hat die Angst vieler Völker der Welt vor unsDeutschen genommen, das hat uns in die friedliche Völ-kergemeinschaft zurückgeführt. Deswegen, liebe Kolle-ginnen und Kollegen, will ich gleich am Anfang sagen:Wir stehen mit dieser Bundesregierung für eine Einbin-dung unserer Politik in die europäische Politik und in diePolitik der Völkergemeinschaft. Wir wollen keine Al-leingänge, sondern wir wollen gemeinsames Handeln;auch dies ist wichtig.Ich möchte nachdrücklich sagen: Es soll jedem klarsein, dass Kontinuität nicht mit Ideenlosigkeit verwech-selt werden darf. Jeder setzt seine eigenen Akzente. Ichmöchte ausdrücklich hinzufügen: Das hat auch Bundes-außenminister Steinmeier getan. Da es das erste Mal ist,dass ich in diesem Hohen Hause in meinem neuen Amtsprechen darf, möchte ich mich bei ihm, gewissermaßenin Abwesenheit – ich hätte es ihm gerne persönlich ge-sagt –, für seine Amtsführung in den letzten Jahren sehrherzlich bedanken.
Es ist immer so: Jeder denkt natürlich an die eigeneHandschrift, an die eigenen Akzente, und es gibt Dinge,dvmtvljpinGhWw–sVmliPgdzpueuhLdiskhdbiAgtawfwdd
Wie jeder von Ihnen habe ich in meiner politischenaufbahn viele Gespräche geführt und das eine oder an-ere fürs Leben mitgenommen. So ist es mir wichtig, dassch in den 90er-Jahren – schon etwas näher an der Politiktehend: im Vorstand meiner Partei, später als Generalse-retär und dann als junger Abgeordneter – noch erlebtabe, wie Helmut Kohl und Hans-Dietrich Genscher iner Europapolitik immer größten Wert darauf gelegt ha-en, dass Europa nicht nur ein Konzert der großen Staatenn Europa ist. In Europa gibt es keine kleinen Länder.uch die geografisch kleinen Länder sind in Europa ganzroß, auf Augenhöhe. Respekt vor allen Mitgliedstaa-en der Europäischen Union, das soll unsere, das wirduch meine Handschrift sein.
Deswegen ist es mir ein Anliegen gewesen – und icherde das in dieser Woche fortsetzen –, gleich am An-ang selbstverständlich nicht nur Frankreich, unserenunderbaren Freund und Nachbarn, zu besuchen, son-ern auch die kleineren Nachbarländer, die Beneluxlän-er, wie sie oft genannt werden, aufzusuchen.
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Bundesminister Dr. Guido Westerwelle– Ich habe es doch gerade erklärt; vielleicht ertragen Siees einfach mal. Ich glaube, dass Sie es verstehen können.Ich bitte wirklich darum. – Ich halte es deshalb für sowichtig, diese Länder zu besuchen, weil ich es nicht gutfinde, wenn Länder wie beispielsweise Luxemburg, wennLänder wie die Niederlande oder wenn Länder wie Bel-gien das Gefühl bekommen, gewissermaßen eingedrängtoder nicht genügend beachtet zu werden. Ich war persön-lich überrascht, dass der letzte bilaterale Besuch einesdeutschen Außenministers in Belgien – nicht in Brüssel/Europa, sondern in Belgien – neun Jahre zurücklag.
Ich glaube, es ist wichtig, dass, gerade weil Deutschlandein so großes Land ist, wir als Deutsche Wert darauf le-gen: In Europa wollen wir uns mit Respekt begegnen.Deswegen haben wir unsere Sprache, selbst wenn esKontroversen gibt, so zu wählen, dass sich niemand inunseren Nachbarländern, auch nicht in Luxemburg, be-leidigt und gekränkt fühlen muss.
Schließlich, meine lieben Kolleginnen und Kollegen,ist es wichtig und selbstverständlich Tradition, dass allebisherigen deutschen Regierungen das transatlantischeVerhältnis als eine ganz besondere Partnerschaft ange-sehen haben. Wir wollen Partnerschaft mit vielen Län-dern in der Welt, wir wollen uns bemühen, mit vielenLändern in der Welt – mit ärmeren wie reicheren, mitgeografisch größeren wie kleineren – gute Beziehungenzu pflegen. Aber außerhalb von Europa sind die Verei-nigten Staaten von Amerika nicht nur unser stärkster,sondern auch unser treuester Verbündeter. Wir stündennicht hier mit freier Rede an diesem Platz, wenn die Ver-einigten Staaten von Amerika nicht dafür geradegestan-den hätten, in ihrer gesamten gemeinsamen Geschichtemit uns.
Sie werden nicht erwarten, dass man in den ersten Ta-gen über alles Bilanz zieht und über alles schon eineabschließende Meinung hat. Ich habe jetzt viele Außen-minister getroffen, hatte die Ehre, mit vielenRegierungschefs zu sprechen. Meine Damen und Her-ren, liebe Kolleginnen und Kollegen, damit es Sie beru-higt: Alle hatten einmal ihren ersten Tag. Dementspre-chend will ich nicht den Eindruck erwecken, als seischon alles aufgeschrieben und abschließend benannt.Ich möchte Ihnen anbieten, dass wir in den großen Fra-gen, die vor uns liegen – ob es um das Konzept derselbsttragenden Sicherheit in Afghanistan geht; ob es umden Iran geht; ob es darum geht, die Rede, die Bundes-kanzlerin Merkel in Washington gehalten hat, in der Völ-kergemeinschaft politisch mehr und mehr mit Leben zuerfüllen –, gemeinsam die Politik besprechen. Es gehtjetzt darum, dass wir uns diesen Herausforderungen stel-len.Ich möchte Sie herzlich um Ihre Zusammenarbeit bit-ten. Gleichzeitig biete ich Ihnen als den Abgeordnetenhier in diesem Hohen Hause, und zwar allen Fraktionen,nwgkSgnzewkAlwd1pRtFiagIWfzKrnmdsJieuSGktsDb
Das Wort hat nun der Kollege Gernot Erler für die
PD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-en! Kontinuität und Grundkonsens, Herr Bundesmi-ister des Äußeren, sind in der Tat bewahrenswerte Prin-ipien in der Außen- und Sicherheitspolitik – auch beiinem Regierungswechsel.Zwischen 1998 und 2005 hat die rot-grüne Regierungichtige Weichenstellungen getroffen. Erst aus den Bal-ankriegen heraus entstand eine wirkliche europäischeußen- und Sicherheitspolitik mit entsprechenden zivi-en und militärischen Fähigkeiten, an deren Schaffungir uns aktiv beteiligt haben. Als Antwort auf die Tragö-ie dieser Konflikte bekamen die Westbalkanstaaten999 auf deutsche Initiative hin zunächst den Stabilitäts-akt. Im Juni 2003 erhielten sie auf dem Europäischenat von Thessaloniki dann eine verbindliche EU-Bei-rittsperspektive. Das hat sich bis heute als europäischeriedenspolitik bewährt.Bis heute gültig ist auch die wertebezogene europä-sche Sicherheitsstrategie vom Dezember 2003, in dieuch wichtige Prinzipien, die wir erarbeitet haben, ein-egangen sind, und Rot-Grün hat in Deutschland vielenitiativen für eine präventive Friedenspolitik auf deneg gebracht: zum Beispiel mit dem ZIF, dem Zentrumür Internationale Friedenseinsätze, mit dem Aufbau desivilen Friedensdienstes, mit dem Aktionsplan für zivilerisenprävention, mit der Aufwertung der Menschen-echtspolitik, mit der Unterstützung der Vereinten Natio-en und mit der Erweiterung der Entwicklungszusam-enarbeit, die wir als globale Prävention verstehen. Allas hat den Wechsel von 2005 in die Große Koalitionchadlos überstanden und ist in den vergangenen vierahren weiterentwickelt worden.Herr Bundesaußenminister, daran anzuknüpfen, wären der Tat eine sinnvolle und überzeugende Kontinuitäts-ntscheidung. In dem Koalitionsvertrag von CDU/CSUnd FDP – nicht in Ihrer Rede – wird aber leider gezeigt:ie sind im Begriff, einen Bruch mit dem bisherigenrundkonsens zu vollziehen. Das will ich hier an fünfonkreten Punkten aufzeigen:Erstens: Parlamentsbeteiligungsgesetz. Ihre Koali-ion kündigt Änderungen des Parlamentsbeteiligungsge-etzes und die Schaffung eines Vertrauensgremiums an.as stützt sich auf die widerlegbare Behauptung, dassei der jetzigen Regelung eine zeitnahe und ausrei-
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Dr. h. c. Gernot Erlerchende Information des Parlaments in bestimmen Fällennicht gesichert ist. Tatsächlich hat es dafür hier bishernicht ein einziges Beispiel in Form eines Problems gege-ben.
Wir warnen vor einer Aufweichung oder gar Demon-tage der Parlamentsrechte bei bewaffneten Auslandsein-sätzen. Deutschland ist mit dem Parlamentsbeteiligungs-gesetz bisher gut gefahren. Das ist ein Teil unsererpolitischen Kultur geworden.
Deswegen werden wir an diesem Punkt nicht nur auf-merksam sein, sondern auch kämpfen.Zweitens. EU-Erweiterungspolitik. Ich habe ebenauf die friedenspolitische Bedeutung dieser Politik hin-gewiesen. Im Koalitionsvertrag von 2005 hatte dieCDU/CSU noch zugestimmt, Kroatien zu erwähnen unddiese Perspektive ausdrücklich zu bestätigen. Ein sol-ches Bekenntnis fehlt in auffallender Weise im Koaliti-onsvertrag der neuen Bundesregierung, in dem lediglichvon einer „Erweiterungspolitik mit Augenmaß“ gespro-chen wird, ohne jeden Hinweis auf ein bestimmtes Landund ohne jede Bestätigung dieser wichtigen europäi-schen Perspektive. Das ist nicht nur eine Veränderung,die in den Balkanländern mit Sorge wahrgenommenworden ist, sondern das ist auch gefährlich. Sie tragendie volle Verantwortung für die Folgen für die Sicherheitauf dem Balkan, die sich daraus ergeben.
Drittens: Rüstungsexporte. Herr Bundesaußenminis-ter, Sie haben in den letzten Tagen und Wochen sehrlautstark Initiativen zur Abrüstung angekündigt. In demkonkretesten Fall, dem Abzug von amerikanischenAtomwaffen, mussten Sie teilweise schon wieder zu-rückrudern. Aber wir werden nicht zulassen, dass imSchutz dieses Geräuschpegels die im Vergleich mit denanderen europäischen Staaten in Deutschland besondersstrengen Rüstungsexportrichtlinien lautlos verwässertwerden.
Wir werden keine Ruhe geben, bis Sie erklären, was Siemit Ihren Forderungen nach – ich zitiere – „Harmonisie-rung der Rüstungsexportrichtlinien innerhalb der EU“und nach „fairen Wettbewerbsbedingungen in Europa“meinen.Viertens: unser Verhältnis zu Russland. Man merkt esnur, wenn man genau liest – Sie haben eben Russlandüberhaupt nicht erwähnt, Herr Bundesaußenminister;auch in den letzten Tagen und Wochen haben Sie esnicht genannt –: Im Koalitionsvertrag steht wenig Neuesüber Russland, das immerhin als wichtiger Partner ein-gestuft wird. Aber es gibt eine sehr auffällige Auslas-sung. Der Begriff „strategische Partnerschaft“ kommtnicht mehr vor.BsSdssddmWfphcdZmwwRnw0wJdgslvkRafsdgbnidgWJz
war lesen wir in dem Vertrag ein Bekenntnis allge-einster Art zu dem europäischen 0,7-Prozent-Ziel. Dasird aber sofort mit der Einschränkung verbunden, manolle sich diesem Ziel – ich zitiere – „verantwortlich imahmen des Bundeshaushaltes annähern“. Zudem nen-en sie kein Zeitziel. Völlig unklar bleibt auch: Wasird eigentlich mit dem gemeinsamen europäischen,51-Prozent-Ziel in Deutschland im Jahr 2010? Wasird mit dem 0,7-Prozent-Ziel im Jahr 2015? Nach elfahren Kampf für die Erhöhung der ODA-Quote in dereutschen Politik klingt das nach einem kläglichen Ab-esang. Auch das werden wir nicht hinnehmen.
Ich stelle summierend fest: Es ist falsch, die Ent-cheidungsrechte des Deutschen Bundestages bei Aus-andseinsätzen einzuschränken. Es ist falsch, von dererbindlichen europäischen Perspektive für die Westbal-anstaaten abzurücken. Es ist falsch, die politischenichtlinien für deutsche Rüstungsexporte, die strengerls in unseren Nachbarstaaten sind, aufzuweichen. Es istalsch, die bisherige Politik der strategischen Partner-chaft mit Russland infrage zu stellen. Es ist falsch, ausen europäischen Zielen zur Erhöhung der Anstrengun-en in der Entwicklungszusammenarbeit in die Unver-indlichkeit zu flüchten.Bei all diesen Punkten verlassen Sie, meine Kollegin-en und Kollegen von der Koalition, den Grundkonsensn der Außen- und Sicherheitspolitik – nicht wir. Bei alliesen Punkten werden Sie in der Sache bei uns auf en-agierten Widerstand stoßen. Aber es gilt natürlich auch:o immer Sie an den guten Kontinuitäten der letzten elfahre anzuknüpfen bereit sind, werden wir konstruktivusammenarbeiten können.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Nächster Redner ist der Kollege Dr. Andreas
Schockenhoff für die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Am Beginn einer neuen Legislaturperiode ist eswichtig, noch einmal auf die Grundlagen unserer Außen-politik zu verweisen. Deutsche Außenpolitik war und istimmer dann erfolgreich, wenn sie auf engen und bere-chenbaren Beziehungen zu unseren Partnern in der Euro-päischen Union und auf einem vertrauensvollen Verhält-nis zu den Vereinigten Staaten von Amerika beruht.Gestern haben wir den 20. Jahrestag der Öffnung derMauer gefeiert. Dass es dazu gekommen ist, ist auch da-rauf zurückzuführen, dass die Regierung Kohl/Genschergegen erheblichen Widerstand vor allem von den Grü-nen und der SPD zum NATO-Doppelbeschluss gestan-den hat.
Dafür, wie sehr eine berechenbare und vertrauensbil-dende Politik in EU und NATO deutschen Interessendient, ist dies wohl das herausragendste, aber auch dasschönste Beispiel. Deshalb war es auch richtig, dass Sie,Frau Bundeskanzlerin, in Ihrer großen Rede vor demamerikanischen Kongress noch einmal ein klares Be-kenntnis zur transatlantischen Partnerschaft und zurNATO als Eckpfeiler der deutschen Sicherheitspolitikabgelegt haben.Ich denke, jeder von uns ist erleichtert, dass der Lis-sabonner Vertrag jetzt in Kraft treten kann. Es ist einguter Vertrag. Europa wird in seiner Handlungs- undEntscheidungsfähigkeit und in seiner Sichtbarkeit deut-lich gestärkt. Die Rechte des Europäischen Parlamentesund der nationalen Parlamente werden deutlich verbes-sert. Jetzt sind die Voraussetzungen geschaffen, um dieeuropäischen Aufgaben und globalen Herausforderun-gen besser bewältigen zu können.Deutschland wird durch den Lissabonner Vertrag eingrößeres Gewicht in der Europäischen Union erhalten.Das heißt aber – das hat der Außenminister vorhin unter-strichen –, dass wir noch mehr als bisher die berech-tigten Interessen unserer Nachbarn und Partner berück-sichtigen müssen. Deshalb begrüßen wir, dass derAußenminister gleich zu Beginn seiner Amtszeit aufPolen und die Benelux-Staaten zugegangen ist. Das warein wichtiges und richtiges Zeichen.
Deutschland ist immer gut gefahren, und es war im-mer ein Markenzeichen jeder schwarz-gelben Koalition,wenn es den kleinen und mittleren EU-Ländern mitRespekt begegnet und sie frühzeitig einbindet. Wenn im-mer so gehandelt worden wäre, hätte uns das beispiels-weise viele Probleme bei dem europäischen Projekt derOstseepipeline erspart.Deutschland und Frankreich müssen auch weiterhinin der EU die entscheidende Motorrolle wahrnehmen.Das gilt für die ganze Breite der außen- und europapoli-tJBVDiEsdcdAdwFTnadbdhaMnassMMwBziBfteagdannddzmd7ldhakZ
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Sie, die Bundeskanzlerin, hat in den letzten vier Jahrendie Richtung und die Substanz der deutschen Russland-Politik bestimmt. Auf diesem Wege werden wir weiter-gehen; denn das ist eine gute, berechenbare und erfolg-reiche Russland-Politik.Ich bin dem Außenminister dankbar, dass er noch amWahlabend die Frage der Bürgerrechte so deutlich her-vorgehoben hat. Zwar haben Sie, Herr Westerwelle, dasvor allem innenpolitisch gemeint; aber niemand kann ei-nen Zweifel daran haben, dass Sie sich mit gleichemNachdruck für die Respektierung der Bürger- und Men-schenrechte in anderen Staaten einsetzen. Ich erinneredaran, wie Sie und Frau Leutheusser-Schnarrenbergermit Entschiedenheit ein rechtsstaatliches Verfahren imFall Chodorkowski eingefordert haben. Das ist richtigso, und das muss auch weiterhin der Fall sein.
Die Stimme des Außenministers muss auch zu hörensein, wenn es schwierig wird oder wenn es darum geht,dem Partner in angemessenem Ton Kritisches zu sagen.Das war in den letzten vier Jahren leider nicht immer derFall.Für die Russland-Politik der CDU/CSU-FDP-Koali-tion gilt, dass wir eine enge, aufgeschlossene und in Um-gang und Ansprache ehrliche Partnerschaft wollen.Zugleich werden wir Russland dabei unterstützen,den Kurs der Modernisierung des Landes konse-quent fortzusetzen und dabei die Defizite bei Men-SrnluzSrPnusPgdwieSiulsestvgCiaRzRaFIrdbshrsstuwevMn
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Nächster Redner ist der Kollege Jan van Aken für die
Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bingelernter Naturwissenschaftler. Da hat man ein gewissesFaible für Zahlen. Als ich mir jetzt, Herr Westerwelleund Frau Merkel, Ihren Koalitionsvertrag angeschauthabe, sprang mich ein Ereignis sofort förmlich an. DasMantra Ihrer Außenpolitik sind ja die deutschen Interes-sen bzw., wie wir heute Morgen von der Kanzlerin ge-hört haben, der Zugriff auf die weltweit vorhandenenRohstoffe. Jetzt kommt es: Wenn es um die Durchset-zung dieser Interessen geht, erwähnen Sie elfmal dieBundeswehr und die deutschen Soldaten, aber das Völ-kerrecht kommt ganze zweimal in diesem Koalitionsver-trag vor. Ich sage Ihnen: Das ist kein statistischer Ausrei-ßer mehr. Das ist Programm.
Herr Westerwelle, wenn Sie sich hier heute hinstellenund sagen, die deutsche Außenpolitik ist Friedenspolitik,dann kann ich dazu nur sagen: Das ist schlichtwegfalsch. Die Militarisierung Ihrer Außenpolitik
zieht sich wie ein roter Faden durch die 132 Seiten IhresKoalitionsvertrages.
Ich nenne vier Beispiele. Sie kündigen darin heute tat-sächlich schon noch mehr Auslandseinsätze an.
Sie wollen den Aufbau einer europäischen Armee. Siewollen noch mehr Geld für die europäische Sicherheits-politik, und Sie setzen auf noch mehr Rüstungsexporte.Jetzt könnte man es fast schon erfrischend nennen, dassSie das überhaupt nicht mehr humanitär verbrämen oderirgendwie propagandistisch übertünchen, sondern schlichtund einfach klarstellen: Es geht um die Durchsetzungdeutscher Interessen, zur Not mit der Waffe in der Hand;Punkt.
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Dann wäre das der Moment gewesen, dass wir beidens auch einmal zusammen irgendwo angekettet hätten.Ich sage es jetzt ganz direkt an die Adresse der SPDnd der Grünen: Ich finde, Sie machen einen Riesenfeh-er, wenn Sie hier und heute die Militarisierung der deut-chen Außenpolitik einfach so durchwinken. Ich finde,s wird Zeit – eigentlich ist heute genau der richtigeeitpunkt dafür –, dass Sie sich endlich einmal aus die-er Schröder-Fischer-Falle befreien.
ch kann ja verstehen – ich kann es wirklich verstehen,uch wenn ich es grundfalsch finde –, dass Sie immeroch diesen Reflex haben, bei Auslandseinsätzen erstinmal zuzustimmen. Aber irgendwann muss doch damitinmal Schluss sein.
Herr Westerwelle, es gibt eine Sache, die uns beideereint: Wir sind beide Jahrgang 1961. Ich finde eigent-ich, das ist ein guter Jahrgang. Ich erwähne das aber vorllen Dingen deshalb, weil es bedeutet, dass wir beide ininem Deutschland aufgewachsen sind, in dem Friedenoch etwas galt.Als wir beide zehn Jahre alt waren – da kannten wirns noch nicht –, da hat ein deutscher Bundeskanzler na-ens Willy Brandt gesagt, dass von deutschem Bodenie wieder Krieg ausgehen darf.
Zu unserem 20. Geburtstag haben in Bonn damalsillionen von Menschen gegen die atomare Aufrüstungemonstriert. Ich weiß nicht, ob wir uns damals gesehenaben; ich war jedenfalls dabei.
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Jan van AkenAuch zu unserem 30. Geburtstag hat sich ein CDU-Kanzler noch geweigert, deutsche Soldaten in einenIrakkrieg zu schicken, obwohl es damals ein UN-Mandatgab; es gab die UN-Sicherheitsresolution 687. Trotzdemwar es 50 Jahre lang in Deutschland undenkbar, dass wirdie Bundeswehr in einen Krieg im Ausland schicken. Ichglaube, einer der wichtigsten Gründe dafür war, dass dieGeneration unserer Eltern selber noch Krieg erlebt hat.Sie hat das Leid und das Elend des Krieges am eigenenLeibe erfahren.Wenn in diesen Tagen wieder über die Tanklaster inAfghanistan debattiert wird, dann dürfen wir doch einesnie vergessen: Diese Tanklaster sind nur die Spitze desEisberges. Der Krieg in Afghanistan bedeutet wie jederKrieg tagtägliches Sterben, tagtägliche Zerstörung undtagtägliches Hungern.
Davon höre ich hier im Bundestag kein einziges Wort.Hier gibt es „Krieg“ oder „Einsatz“, der immer irgend-wie unausweichlich scheint, immer nur als abstraktenBegriff. Aber eines dürfen wir doch nie vergessen: Kriegist nie unausweichlich. Es gibt immer eine Alternative.Es braucht nur den politischen Willen dazu. Ich selberhabe bei den Biowaffeninspektoren der Vereinten Natio-nen gearbeitet, weil diese eine Alternative zum Irakkrieggewesen sind. Genauso gibt es heute eine Alternativezum Krieg in Afghanistan.
Noch ein Wort zu Europa. Der Lissabon-Vertragwird bald in Kraft treten. Das ist keine gute Nachrichtfür Menschen, die Europa lieben. Wir haben in den letz-ten Jahren immer für ein besseres, sozialeres und fried-licheres Europa gekämpft. Aber mit unserer Klage vordem Verfassungsgericht haben wir wenigstens durchge-setzt, dass dieses Europa ein wenig demokratischer ge-worden ist.
Der Bundestag hat mehr Rechte bekommen, und Siekönnen sich schon heute darauf einstellen, dass wir dieseRechte auch nutzen werden.Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschlandgar keine Waffen mehr exportieren sollte.
Dazu muss ich eines sagen: Der Koalitionsvertrag ist132 Seiten lang. Ein einziges Mal werden in ihm diehochwertigen Arbeitsplätze erwähnt. Raten Sie einmal,was für diese Koalition hochwertige Arbeitsplätze sind!Da würden mir Solarfabriken, Schulen, Krankenhäuseroder Opel einfallen. Warum nicht Opel? Aber für FrauMerkel und Herrn Westerwelle sind hochwertige Ar-beitsplätze nach diesem Koalitionsvertrag ausschließlichin der Rüstungsindustrie zu finden.
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Nun hat der Kollege Dr. Frithjof Schmidt für dieraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!err Bundesaußenminister, Sie haben in Ihrer Rede unduch im Koalitionsvertrag die Kontinuität der deutschenußenpolitik betont. In der Tat: Die Einbindung in dieuropäische Union, das enge transatlantische Bündnisit den USA und die aus unserer Geschichte erwachseneerantwortung gegenüber Israel sind die Eckpfeilereutscher Außenpolitik. Diese Kontinuität ist richtig.
ber auch wenn Sie das abstreiten: Sie nutzen dieseontinuität auch als Ausrede für Ideenlosigkeit und Ab-arten. Da enttäuschen Sie auf der ganzen Linie.
Ihr Koalitionsvertrag strotzt vor diplomatischen Leer-ormeln und durchsichtigen Kompromissen; ich kommeoch genauer dazu. Damit werden Sie den Herausforde-ungen in keiner Weise gerecht. Wir befinden uns heuten einer historisch zugespitzten Krisenlage: Klimakrise,inanzmarktkrise, anwachsende Hungerkrise und glo-ale Wirtschaftskrise stehen in einer starken Wechsel-irkung. Die ganze Welt diskutiert heute über Lösungs-trategien unter dem Stichwort „Green New Deal“, umas Wort von Ban Ki-moon aufzunehmen. Ich könnte jaoch verstehen, wenn Sie in dem Zusammenhang mitem Wort „grün“ Ihre Schwierigkeiten hätten. Aber dassie sich inhaltlich an dieser Stelle ganz abmelden undeine Antworten geben, wird international niemand ver-tehen.
s gibt die Erwartung an Deutschland, dass es eine zen-rale Rolle in dieser Debatte spielt. Wir waren Schrittma-her in der Klimapolitik. Wir waren Antreiber bei derebatte über die Reformen der globalen Institutionen.
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Dr. Frithjof SchmidtWas kommt jetzt von Ihnen? – Ein paar Allgemeinplätzezur Reform der Vereinten Nationen und sage undschreibe ein einziger Satz zur Rolle der G 20 in der Ko-alitionsvereinbarung. Das reicht doch nicht.
Die großen Veränderungen in der internationalenLandschaft werden bei Ihnen fast ausgeblendet. Natür-lich ist und bleibt es richtig, die Europäische Union insZentrum deutscher Außenpolitik zu rücken. Natürlich istund bleibt es richtig, die Chancen zur Erneuerung dertransatlantischen Partnerschaft, die die Obama-Adminis-tration jetzt bietet, zu nutzen. Aber was ist mit den ande-ren Teilen der Welt? Was ist mit China, Indien, Brasilienoder Südafrika? Ohne diese Länder – das wissen Sieauch – können die globalen Herausforderungen nicht be-wältigt werden.Sie sagen dazu fast nichts. Im Gegenteil – es ist heuteschon angesprochen worden –: Als erste Maßnahmebrüskieren Sie aus populistischen, innenpolitischen Mo-tiven die chinesische Regierung, indem Sie über diePresse die Einstellung der Entwicklungszusammenar-beit verkünden.
Dass es dabei um die Förderung der Zusammenarbeit imUmwelt- und Energiebereich geht, fällt bei Ihnen unterden Tisch, Herr Niebel. Ich persönlich hätte mir nie träu-men lassen, dass einmal die Grünen den Liberalen erklä-ren müssen, dass auch Außenwirtschaftsförderung einsinnvolles Konzept sein kann an der Schnittstelle vonEntwicklungspolitik und Außenpolitik.
So weit sind wir gekommen.Meine Damen und Herren von der Koalition, dann er-schreckt Ihr fast schon dröhnendes Schweigen zur politi-schen Perspektive in Afghanistan. Wir sind in einer dra-matischen Situation. Ein umfassender Kurswechsel istnötig, damit die internationale Gemeinschaft dort nocherfolgreich sein kann. Die Zeit drängt. Kanada und dieNiederlande haben den Abzug beschlossen. In den USAfindet gerade eine intensive Debatte statt, ebenso inGroßbritannien. Wie gehen Stabilisierungs- und Abzugs-perspektive in den nächsten vier Jahren zusammen? Da-rauf erwarten die Menschen eine Antwort.
Doch von Ihnen ist dazu inhaltlich bisher nichts zu hö-ren. Die von Ihnen versprochene Verbesserung der zivi-len Koordination ist gut und wichtig. Ansonsten habenSie sich fürs Abwarten entschieden: warten auf die USA,warten auf eine Afghanistankonferenz, warten darauf,dass einem irgendjemand die Entscheidung abnimmt.
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ir brauchen ein Konzept für Aufbau und Stabilisierungn Afghanistan in Verbindung mit einer Abzugsperspek-ive in den nächsten vier Jahren. Stellen Sie sich endlichieser Herausforderung! Für ein richtiges Umsteuerndas kann ich Ihnen hier anbieten – können Sie dabeiuch auf unsere Unterstützung zählen.
Ich möchte noch zwei Punkte anmerken, die mir alshemaligem Europaabgeordneten besonders am Herzeniegen. Ich bin enttäuscht, wie wenig diese Regierung zuen politischen Perspektiven für Europa zu sagen hat.o bleiben die Initiativen, die Europäische Union aufem internationalen Parkett zu einer starken Stimme fürlimaschutz, für Menschenrechte und für soziale Ver-ntwortung zu machen? Wo bleiben die Initiativen, ge-ade auch den krisengeschüttelten Nachfolgestaaten deshemaligen Jugoslawiens eine Zukunft zu bieten? Daehlt fast alles. Stattdessen seitenlange, kleinteiligeommentare zu Einzelheiten des Binnenmarktes und ab-atzweise fadenscheinige Kompromisse zwischen CSUnd FDP. Das kann man jeweils Punkt für Punkt nachle-en, zum Beispiel auch bei der Frage des Türkei-Bei-ritts. Man sollte sich einmal überlegen, ob die Entwick-ungen in der Türkei nicht auch etwas damit zu tunaben, dass dort die Empfindung vorherrscht, es werdeer Türkei im Hinblick auf den EU-Beitritt unter ande-em von dieser neuen Regierung eine Absage erteilt.
Im Zusammenhang mit den Finanzierungsfragen be-ienen Sie im Koalitionsvertrag unterschwellig das Kli-chee, die Europäische Union sei ein geldverschlingen-er, bürgerferner Moloch. Damit werden Sie in Europaiemanden für die Europäische Union begeistern. Damitragen Sie nichts zu der Debatte darüber bei, was heuteie Identität und vielleicht auch die Vision der Europäi-chen Union ausmacht und ausmachen sollte.Dass Sie sich – lassen Sie mich das hinzufügen – imoalitionsvertrag nicht mehr dazu bekennen, die Ver-flichtungen des europäischen Stufenplans zur Steige-ung der Mittel für die Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozentes Bruttosozialproduktes einzuhalten, lässt Schlimmesefürchten. Der Erfolg der Millenniumsziele zur Be-ämpfung von Armut und Krankheit in der Welt stehtuf der Kippe. Die Anstrengungen müssten stärker wer-en und nicht schwächer. Ich sage Ihnen: Wenn Deutsch-and unter Ihrer Führung wegen eines Haushaltsvorbe-
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Dr. Frithjof Schmidthalts aus dem europäischen Geleitzug ausschert, dannwäre das eine Schande für unser Land.
Meine Damen und Herren von der Koalition, ichwünsche Ihnen, aber vor allem unserem Land, dass Ihretatsächliche Politik besser wird als der Text Ihres Koali-tionsvertrages.Dankeschön.
Herr Kollege Dr. Schmidt, auch für Sie war dies dieerste Rede in diesem Haus. Ich gratuliere auch Ihnensehr herzlich und wünsche Ihnen für Ihre weitere ArbeitFreude und Erfolg.
Nun erteile ich das Wort für die BundesregierungHerrn Bundesminister Dirk Niebel.
Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zu-sammenarbeit und Entwicklung:Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Wer den Koalitionsvertrag genau gelesen undwer der Regierungserklärung der Frau Bundeskanzleringenau zugehört hat, wird feststellen, dass diese neue Re-gierung der Mitte die Entwicklungszusammenarbeit aus-drücklich aufwertet.
Er wird feststellen, dass Entwicklungszusammenarbeitnach unserem Verständnis weit mehr ist als reine Ar-mutsbekämpfung.
Sie ist vielmehr ein Bestandteil der deutschen Dialogpo-litik in einer globalisierten Welt. Entwicklungszusam-menarbeit ist Bestandteil des Konzepts der vernetztenSicherheit. Unsere Entwicklungszusammenarbeit wirdweiterhin werteorientiert sein.All denjenigen, die schon vor dem ersten Wort meinerRede Zurufe gemacht haben, sage ich ganz ausdrücklich:Unsere Entwicklungszusammenarbeit ist ausdrücklichinteressenorientiert – im wohlverstanden besten Sinneder Bundesrepublik Deutschland. Denn es ist in unseremInteresse, weltweit dafür zu sorgen, dass die Folgen desKlimawandels bekämpft werden können.
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s ist in unserem ureigensten Interesse, Entwicklungszu-ammenarbeit unter der Prämisse der Freiheit für mög-ichst viele Menschen zu organisieren.
ntwicklungszusammenarbeit soll den Menschen Frei-eit bringen; aber sie braucht Freiheit auch als Voraus-etzung, um tatsächlich funktionieren zu können.
Diese Bundesregierung wird sich ausdrücklich darumümmern, dass gutes Regierungshandeln in unserenartnerländern eine Voraussetzung der Zusammenarbeitein wird. Menschenrechte und Demokratie werdenesentliche Werte sein; auf diese werden wir zu achtenaben. Aber auch die wirtschaftliche Freiheit der Part-erländer gehört dazu.
as Ministerium, das ich führen darf, heißt „Ministe-ium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-ung“. Beides gehört zusammen, damit die Hilfeleistungür andere Staaten vorzugsweise durch eigenständigeirtschaftliche Leistungskraft abgelöst werden kann.
Wir wissen aber auch, dass jemand, der Sorgen habenuss, wovon er seine Familie am nächsten Tag ernährenann, nur ein geringes Maß an Freiheit in seinem Lebenusschöpfen kann. Aus diesem Grund muss es uns angstnd bange werden, wenn wir feststellen, dass wegen dernormen Verteuerung von Lebensmitteln mittlerweilechon wieder über 1 Milliarde Menschen an Hunger lei-en. Weil dies so ist, müssen wir die Effizienz und diechlagkraft unserer Entwicklungszusammenarbeit erhö-en. Dafür haben wir die Grundlagen in unserem Koali-ionsvertrag gelegt.
ir werden ausdrücklich dafür sorgen, dass ländlicheegionen sich entwickeln können und dass die Chanceuf eine sich selbst tragende Landwirtschaft größer wirdls heute. Das ist die Grundlage für Ernährungssiche-ung in der Welt.Außerdem werden wir ausdrücklich dafür sorgen,ass die zwei Seiten der gleichen Medaille, Armut undildungsarmut, besser bekämpft werden als in der Ver-angenheit.
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Bundesminister Dirk NiebelBildung ist die Voraussetzung für ein selbstbestimmtesLeben. Deswegen wollen wir insbesondere die Schulbil-dung von Kindern, aber auch die berufliche Bildung vonjungen Menschen intensivieren, damit sie die Möglich-keit haben, ihren Lebensunterhalt durch eigener HändeArbeit zu finanzieren. Insofern ist diese Bundesregie-rung nicht nur in Deutschland, sondern weltweit eineRegierung der sozialen Verantwortung. Wir wollen denMenschen die Möglichkeit geben, selbst über ihr Lebenbestimmen zu können. Das ist die Grundlage unsererEntwicklungszusammenarbeit.
Wir müssen faire Handelsstrukturen stärken undhier insbesondere auf die WTO setzen und neben einerStärkung des privaten Sektors in den Partnerländernauch die Mikrokreditfinanzierung intensivieren, damitselbstständige Tätigkeiten entstehen können und je-mand, der seinen Lebensunterhalt selbstständig finanzie-ren kann, womöglich auch noch anderen Menschen eineErwerbsmöglichkeit bieten kann. Dies ist eine wichtigeAufgabe für diese Legislaturperiode, der wir nachkom-men müssen.
Wir werden uns um die globalen Fragen im Bereichdes Klimaschutzes kümmern. Die Entwicklungszusam-menarbeit und der Klimaschutz sind gar nicht mehrvoneinander zu trennen. Eigentlich ist das BMZ dasKlimaministerium in Deutschland; denn dort sind schonheute über 1 Milliarde Euro für Mittel des Klimaschut-zes in der Entwicklungszusammenarbeit angesiedelt.Hier sind übrigens auch die Hebelwirkungen, was dieODA-Quote anbetrifft, mit die besten.
Wir müssen allerdings ein höheres Maß an Zielge-nauigkeit erreichen. Aus diesem Grunde werden wir dieDurchführungsorganisationen reformieren. Wir wer-den uns bemühen, im internationalen Ausgleich zu einerbesseren Arbeitsteilung zu kommen. Dieser Koalitions-vertrag und der Zuschnitt dieser Bundesregierung bietendie Grundlage für das Ende irgendwelcher Nebenpoliti-ken, weil wir durch Außenpolitik, Außenwirtschafts-förderung und Entwicklungszusammenarbeit kohärenteEntwicklungspolitik gestalten können. Einer kann denanderen Hand in Hand weiterleiten, wenn die Entwick-lung eines Landes vorangegangen ist, damit man dieChance hat, in Zukunft als Partner mit uns zusammen-arbeiten zu können.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen Raabe?
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Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zu-ammenarbeit und Entwicklung:Herr Kollege Raabe, wir haben das Konjunkturpaketer alten Bundesregierung in diesen Punkten nicht mit-etragen. Wir sind dennoch der Ansicht, dass es wichtignd notwendig ist, Bildung zu fördern. Aber man sollteen einen nicht gegen den anderen ausspielen.
Was den ersten Punkt angeht, den Sie angesprochenaben, lieber Herr Kollege Raabe, muss ich eines ganzeutlich feststellen: Sie sind auf dem völlig falschenrip. Genau andersherum wird ein Schuh daraus.
s ist doch wohl nicht normal, dass Entwicklungsländerurch Handelshemmnisse und Marktzutrittsverbote inielen Bereichen der Welt mehr Geld verlieren, als ihnenurch Entwicklungszusammenarbeit der sogenannten In-ustriestaaten zugeführt wird. Das muss geändert wer-en, damit man mit fairen Handelsbedingungen Partnern einer weltweiten Wirtschaft werden kann.
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Bundesminister Dirk NiebelDiese Partnerschaft werden wir auch einfordern; dennwir wollen ausdrücklich Eigenverantwortung. – Ich habeIhre Frage hinreichend beantwortet; aber Sie dürfen gernstehen bleiben, weil dann meine Uhr auch stehen bleibt. –Diese Eigenverantwortung werden wir bei unseren Part-nerländern auch insofern einfordern, als die nationalenEliten unserer Partnerstaaten dieser Verantwortung ge-recht werden müssen. Wir wollen verlässliche Partnersein, aber wir erwarten auch, dass unsere Partnerinnenund Partner bestimmte Spielregeln, die unsere Werte her-vorbringen, einhalten.Ich bin ausdrücklich dankbar, Frau Bundeskanzlerin,dass Sie vorhin so deutlich noch einmal unsere Verläss-lichkeit bei der Erreichung des 0,7-Prozent-Ziels er-wähnt haben. Ich bitte Sie, liebe Kolleginnen und Kolle-gen als Haushaltsgesetzgeber, diesen Maßstab in IhreBeratungen einzubeziehen. Ich würde mich sehr freuen,wenn Sie das übernähmen, was im Koalitionsvertragfestgelegt ist und was in der Zukunft auch tatsächlichvon uns erreicht werden soll.Erlauben Sie mir, einen letzten Punkt anzusprechen.Veränderungen – das haben wir nicht nur gestern odervor 20 Jahren gelernt – kommen in aller Regel aus derMitte der Gesellschaft. Deswegen gilt auch in der Ent-wicklungszusammenarbeit eines ganz ausdrücklich:Nicht alles muss der Staat machen; wir sollten uns aufdie Gesellschaft verlassen, auf die Zivilgesellschaft hierbei uns, aber auch in unseren Partnerländern. Es ist her-vorragend – das muss hier noch einmal ausdrücklichfestgestellt werden –, dass die Koalitionsvereinbarungder neuen Regierung der Mitte ausdrücklich die Nicht-regierungsorganisationen, die Kirchen, die politischenStiftungen und auch die Privatwirtschaft auffordert, sichan der Bekämpfung von Armut und der Zusammenarbeitmit anderen Ländern dieser Welt zu beteiligen, damitdiese eine Chance haben, in Zukunft als unsere Partnerauf Augenhöhe mit uns agieren zu können.Vielen herzlichen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Angelica
Schwall-Düren für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-gen! Es wäre sicher reizvoll, auf Herrn Niebel einzuge-hen, aber das überlasse ich anderen Kollegen. Ichmöchte mich gerne der Europapolitik zuwenden.Mit der erfreulichen Tatsache, dass wir bald den Lis-sabonner Vertrag ratifizieren können, werden endlichdie Bedingungen geschaffen, dass wir in einem größerenEuropa weiter handlungsfähig bleiben und die demo-kratische Transparenz stärken. Insofern, lieber HerrMinister Westerwelle, haben Sie völlig recht, dass dieEuropapolitik wie in der Vergangenheit einer Weiterent-wicklung bedarf, aber einer Weiterentwicklung in Konti-ndkBFMdWiWdwdmRDmSKBgvIMbsgbdAeddfsIkodTNDggmslwmDR
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So kann man Bürger nicht gewinnen. So kann Europanicht gewinnen. Wir, die SPD, werden Sie nicht aus derVerantwortung entlassen; denn die Bürger sagen nurdann Ja zu Europa, wenn es ein soziales Europa ist.
Der konservative Geist Ihres Textes ist auch daran zuerkennen, dass möglichst viel Bürokratie abgebaut wer-den soll, möglichst wenig Bankenaufsicht stattfindensoll, also: privat vor Staat, unverfälschter Wettbewerb.Wenn wir uns den Bereich der Finanzmarktregulie-rung anschauen, stellen wir auch dort fest: KonkreteAussage? – Fehlanzeige. Nichts zur Höhe einer Eigen-kapitalquote für die Banken, nichts zum Kampf gegenSteueroasen, nichts zu Transparenzregeln. Außerdemlehnen Sie jegliche EU-Steuer ab, also auch eine Finanz-transaktionssteuer, die nicht nur ein Mittel wäre, dieKrise zu managen, sondern auch, um vorzusorgen, damitwir solche Krisen in Zukunft nicht mehr erleben müssen.Was die finanzielle Vorausschau anbelangt, so schei-nen Ihre Aussagen zur Neustrukturierung des Haus-halts Lippenbekenntnisse zu sein. Es gibt keine inhaltli-che Diskussion und keine Zielsetzung. Einzig und alleinwird festgehalten: 1 Prozent des BIP, nicht mehr – unddas, obwohl Sie gleichzeitig sagen, dass aus dem EU-Haushalt ein höherer Anteil für die GASP finanziertwerden soll. Dies ist aus meiner Sicht ein perspektivlo-ser, ein technokratischer Umgang mit den Haushaltsmit-teln. Wir, die SPD, wollen die EU nicht verwalten, son-dern gestalten. Daher werden wir uns gerade aufgrundder neuen Begleitgesetze aktiv einbringen.Ich will aber auch ein Lob aussprechen, ein Lob fürdie Passagen, die sich mit der Zusammenarbeit mit un-seren Nachbarstaaten beschäftigen, mit Frankreich undunseren kleinen Partnern. Ich hoffe, dass wir hier tat-sächlich zu Abstimmungen kommen. Herr Westerwelle,sehr erfreulich sind in der Tat die Passage zu Polen unddie Tatsache, dass Ihr erster Antrittsbesuch Sie nachPolen führte. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wirmüssen uns wirklich fragen, ob Sie von Ihrem großenKoalitionspartner diesbezüglich ausreichend unterstütztwerden.Leider mussten wir wieder feststellen, dass FrauSteinbach hinsichtlich der Zusammenarbeit mit unserenNachbarn Öl ins Feuer gießt.
Da fragen wir uns: Wo steht die Bundeskanzlerin? Ver-steckt sie sich hinter Herrn Westerwelle? Nimmt sie es inKauf, dass neues Misstrauen gesät wird?
Wenn ich Ihnen ein Zitat vorlesen darf:Für das politische Klima in Polen gibt es eine nichtzu unterschätzende deutsche Verantwortung. Etli-che deutsche Politiker gefielen sich darin, in unse-zPdwZzIzsnBAKZddHdaßSlnZigSwSaptdm
Ich muss leider zum Schluss kommen.
ch möchte abschließend sagen: Der Koalitionsvertragu Europa ist kein großer Wurf. Er ist lieblos herunterge-chrieben. Es fehlt ihm die Inspiration, es fehlen ihmeue Ideen. Er hat keine Perspektiven aufgezeigt. Dieürger und Bürgerinnen verlangen mehr von Europa.uch ich kann nur wünschen, dass Sie über den Text desoalitionsvertrages hinausgehen. Dafür biete ich meineusammenarbeit an.Herzlichen Dank.
Für die Bundesregierung hat nun das Wort Herr Bun-esminister Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg.
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bun-esminister der Verteidigung:Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Es ist erfreulich und gut, dass der 20. Jahrestages Mauerfalls Gelegenheit gibt, den Blick auch auf dieußen- und sicherheitspolitische Dimension dieses gro-en Ereignisses zu richten. Herr Kollege Westerwelle,ie haben den Bezug bereits hergestellt, der gestern An-ass gegeben hat, vielen zu Recht zu danken: vielen Part-ern und jenen unserer Landsleute, die größten Mut undivilcourage an den Tag gelegt haben, jenen, die damalsm unfreien Teil Deutschlands die Ketten der Diktaturesprengt haben. Herr Vaatz, ich darf auch von meinereite in diesem Zusammenhang noch einmal sagen: Dasar heute eine bemerkenswerte Rede von Ihnen.
Es ist aber auch ein Grund, noch einmal an diesertelle Dank zu sagen an die Partner und Freunde dertlantischen Allianz, und zwar nicht nur für deren di-lomatische Klugheit. Die Partner haben durch ihr Ver-rauen – ich unterstreiche das Wort Vertrauen zweimal –as Geschenk der Einheit in Freiheit erst möglich ge-acht.
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Bundesminister Dr. Karl-Theodor Freiherr zu GuttenbergGerade das gemahnt uns an einen Grundpfeiler, an einGrundverständnis des Bündnisses als solches, nämlichdass Solidarität und Vertrauen niemals nur in eine Rich-tung weisen dürfen. Manche, die heute die NATO bereitsin ihrer Begründung lautstark infrage stellen – die soll esja geben –,
und auch manche, die sie beerdigen wollen, können sichin diesem Zusammenhang bestenfalls auf Vergessen be-rufen. Allzu oft sind es genügsam zelebrierte Undank-barkeit und Ignoranz
gegenüber erfahrenem Vertrauen.
In dieser Hinsicht ist Vertrauen niemals Nostalgie, son-dern weiterhin das Fundament jeder Bündnisstruktur, je-der erneuerten Bündnisstruktur, aber auch jeder zu er-neuernden Bündnisstruktur.Die Bundeswehr hat vor 1989 im Kalten Krieg denVerteidigungsbeitrag der Bundesrepublik Deutschlandmöglich gemacht. Sie hat unsere Bereitschaft dokumen-tiert, die Freiheit, wenn es darauf ankommt, zu verteidi-gen, wobei Freiheit nicht alleine an nationalen Grenzenzu bemessen ist und weiterhin auch nicht allein daran be-messen werden kann.Die Bundeswehr hat ihren Anteil am Gelingen derWiedervereinigung. Schon bald nach dem 3. Oktober1990 hat sie bewiesen, dass auch sie ihren Teil zur inne-ren Einheit unseres Vaterlandes beitragen konnte. DieBundeswehr hat seitdem in vielen internationalen Ein-sätzen gezeigt, dass sie bereit ist, sich der durch die Wie-dervereinigung gewachsenen internationalen Verantwor-tung unseres Landes zu stellen; das ist kein Widerspruch,sondern durchaus eine innere Bedingung. Die Bundes-wehr leistet den Beitrag, den unsere Verbündeten undPartner zu Recht von uns erwarten. Manche, die ihr diesheute absprechen, haben offenbar vergessen, welchenauch militärischen Beitrag wir von unseren Partnern ge-nau zu dem Zeitpunkt, als es darauf ankam, erwartenkonnten.
Dieses Grundverständnis ist eine wesentliche Voraus-setzung, um unserem eigenen Anspruch gerecht zu wer-den, ein gestaltendes und solidarisches Mitglied in derinternationalen Staatengemeinschaft zu sein und da-mit dem Frieden in der Welt zu dienen; ja, dem Frieden,nicht dem Schüren und der Aufrechterhaltung von Kon-flikten und auch nicht der Billigung solcher Konfliktedadurch, dass man sich genügsam zurücklehnt, in ferneRegionen dieser Welt blickt und einfach sagt: Was gehtuns all das dort eigentlich an? – In der Regel geht es unsmittlerweile viel an.Meine Damen und Herren, nur ein Staat, der über dieFähigkeit verfügt, sich zu wehren, ist in der Lage, seineBnaLStw–DztkdbsaHEgbWEuumAlkf9dWldni
Unsere Partner wissen – das dürfen sie auch weiterhinissen –: Wir stehen zu unseren Verpflichtungen.
Das Grundgesetz schafft hierfür Voraussetzungen. –
iese Verpflichtungen – auch die Basis des Grundgeset-es, die ihnen zugrunde liegt – haben Ergebnisse gezei-igt, über die man nicht schweigen muss. Auf dem Bal-an haben auch wir unseren Beitrag dazu geleistet, dasser grauenvolle und blutige Bürgerkrieg der 90er-Jahreeendet werden konnte. In Bosnien-Herzegowina herr-chen zumindest Frieden und eine gewisse Stabilität,uch wenn wir mit dem Erreichten noch nicht in jederinsicht zufrieden sein können. Einige nicht erfolgtentwicklungen geben gelegentlich auch Anlass zu Sor-enfalten, gerade wenn man in diese Region blickt.Im Kosovo haben wir es gemeinsam mit unseren Ver-ündeten geschafft, dass letztendlich auf friedlichemege ein unabhängiger Staat geschaffen werden konnte.r bleibt noch auf Hilfe angewiesen – das ist richtig –nd hat noch einen harten Weg vor sich. Aber aufgrundnserer Erfolge im Rahmen der NATO haben wir unsereilitärische Präsenz dort deutlich verringern können.uch die Verringerung militärischer Präsenz ist letztend-ich eine Zielsetzung, wenn man sie an solche Erfolgenüpfen kann.Meine Damen und Herren, auch UNIFIL ist eine Er-olgsgeschichte.Es schadet nicht, am Tag nach dem anderen. November daran zu erinnern, dass wir im Hinblick aufen Schutz und die Sicherheit Israels auf ganz besondereeise in der Pflicht stehen.
In Afghanistan sind wir noch nicht am Ziel. Eigent-ich wäre und ist dieses Ziel klar formuliert: Wir wollen,ass die Afghanen eines nicht allzu fernen Tages – ja, ei-es nicht allzu fernen Tages – in der Lage sind, selbst fürhre Sicherheit zu sorgen.
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Bundesminister Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg
– Auf diesem Wege, Herr Trittin – –
– Entschuldigung! Also Herr Ströbele; Herr Trittin istschon nach Hause gegangen. Aber die Stimmen gleichensich an.
– Die Stimme ist nicht gleich der Schal, Frau Roth!Auf diesem Wege – das ist unbestreitbar – gab undgibt es Enttäuschungen. Gemeinsam mit unseren Ver-bündeten wollen wir – die Frau Bundeskanzlerin hat da-rauf hingewiesen – auf einer baldmöglichst stattfinden-den Konferenz unsere Strategie zusammen mit den Ver-tretern Afghanistans, aber auch – das ist zwingend – inAbstimmung mit Vertretern der Nachbarstaaten auf eineneue Grundlage stellen. Es geht darum, die Zuständig-keiten schrittweise von der internationalen Gemeinschaftauf die afghanische Regierung zu übertragen, sobalddiese dazu in der Lage ist. Gerade deshalb drängen wirdarauf, dass die Regierung von Präsident Karzai schonbald und mit mehr Nachdruck die Voraussetzungen dafürschafft, dass dies erfolgen kann.
In diesem Gesamtkontext wollen wir in ausgewähltenDistrikten im Norden des Landes die Verantwortung fürdie Sicherheit baldmöglichst der afghanischen Regie-rung übergeben.Die Frage der Ausbildung der afghanischen Sicher-heitskräfte – ich denke dabei an die Ausbildung der Po-lizei wie der Armee – bleibt eine Schlüsselfrage. Des-halb dürfen wir jetzt bei der Ausbildung nichtnachlassen. Wir befinden uns bereits in einem Übergabe-prozess.
– Der ist schon im Gange. – Mit unserer Strategie derÜbergabe in Verantwortung nehmen wir die afghanischeRegierung in die Pflicht, und wir werden nicht aufhören,die afghanische Regierung an diese ihre Pflicht zu erin-nern.Am 19. November 2009 wird Präsident Karzai erneutin sein Amt eingeführt werden.
– Ja. Aber lassen Sie mich einmal ausreden! – Das isteine gute Gelegenheit für ihn, zu verdeutlichen, wie erseiner Verpflichtung zu guter Regierungsführung undzum Schutz der Menschenrechte nachkommen sowiewie er Drogenkriminalität und Korruption erfolgreichbekämpfen will.sfgfBdIZAdgrkaAet–dkevawIfWzMzbÜtsKVs–ZZkntdaawm
ehr noch sind es unsere Soldatinnen und Soldaten, dieu Recht verlangen, dass ihr Einsatz realistisch beschrie-en wird, ohne jede Beschönigung, aber auch ohne jedebertreibung. Ich kann gut verstehen, dass unsere Solda-en – aber es sind ja nicht nur unsere Soldaten – ange-ichts der kriegsähnlichen Situation etwa in Kunduz vonrieg sprechen. Ein klassischer Krieg ist es nicht. Dasölkerrecht ist hier glasklar: Kriege können nur zwi-chen Staaten geführt werden.
In Teilen von Afghanistan herrscht für mich aber ohneweifel ein Zustand, um vielleicht auch einmal diesenwischenruf aufzugreifen, der in der Sprache des Völ-errechts durchaus als ein nicht internationaler bewaff-eter Konflikt beschrieben werden könnte.Im Einsatz werden unsere Soldaten immer wieder un-er extremem Zeitdruck und enorm belastenden Umstän-en vor schwierigste Entscheidungen gestellt. Das waruch am 4. September dieses Jahres in Kunduz der Fall,ls in kurzer Zeit eine Entscheidung von enormer Trag-eite getroffen werden musste. Wie leicht doch heuteanches Urteil von den Lippen geht, das ohne jeglichen
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Bundesminister Dr. Karl-Theodor Freiherr zu GuttenbergZeitdruck bequem aus der wohligen Entfernung gebildetwerden kann.
Ich habe vor Kurzem eine Einschätzung dieses Vorfallsabgegeben, und ich bleibe bei dieser Einschätzung.
Die Koalitionspartner haben sich für die nächstenJahre viel vorgenommen, gerade auch hinsichtlich derStrukturen der Bundeswehr. Wir haben uns ein ehrgei-ziges, ja, ein ambitioniertes Programm gegeben, damitdie Bundeswehr die herausfordernden Aufgaben anneh-men und ihnen gerecht werden kann.Wir wollen, dass das Denken vom Einsatz her die Or-ganisations- und auch die Führungsstrukturen der Bun-deswehr künftig noch stärker durchdringt, ein Denken,das dann realitätsgebunden ist. Die Bundeswehr befindetsich in Einsätzen, und es werden nicht ihre letzten sein.
Ob sie nun gewünscht oder gelegentlich zu Recht auchunerwünscht sind: Auch das gilt es offen anzusprechen.Auch deshalb und gerade, weil dieses Denken vomEinsatz her sich in den Organisationsstrukturen widerzu-spiegeln hat, werde ich eine Kommission einsetzen, diebis Ende 2010 Vorschläge zu Eckpunkten einer neuenOrganisationsstruktur der Bundeswehr inklusive derStraffung der Führungs- und Verwaltungsstrukturen zuerarbeiten hat. Es geht dabei nicht um eine Neuauflageder Kommission „Gemeinsame Sicherheit und Zukunftder Bundeswehr“ aus dem Jahre 2000.Wir wollen dort Anpassungen vornehmen, wo dieBundeswehr noch schlanker, noch effizienter, noch ein-satzorientierter werden kann, und wir wollen – auch dasist ehrgeizig; ich weiß das – auch Abläufe von bürokrati-schen Fesseln befreien. Dazu wird die dann sicherlichgeplagte Kommission Vorschläge ausarbeiten, und aufdieser Grundlage werde ich entscheiden.Meine Damen und Herren, die Stärke der Bundes-wehr bemisst sich nicht lediglich an der Zahl der Schiffe,der Panzer oder der Flugzeuge.
Es sind die Soldatinnen und Soldaten und die zivilenMitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die die Bundeswehr soleistungsfähig machen und die, ebenso ihre Familien,unseren Dank verdient haben.
Nicht zuletzt wollen wir, dass der Dienst in der Bun-deswehr im Wettbewerb um die besten Köpfe – auchhier findet er ja statt – noch attraktiver wird. Es ist meinZiel, dass die Gesellschaft diesen Dienst auf ange-messene Weise würdigt. Das Verhältnis zwischen Bun-deswehr und Gesellschaft ist und kann keines derAIFddtMKC–WdnvleIdAsdnndVdmBRvvWfdusgüwtAcD
Ich glaube, meine Betonung war klar.
ir werden den Grundwehrdienst so zu gestalten haben,ass die Soldaten spüren, dass sie gebraucht werden undicht im Praktikum stehen und noch dazu einen attrakti-en und sinnvollen Dienst für sich und ihre Mitbürgereisten. Das ist eine enorme Aufgabe, die wir in einemntsprechenden Zeitrahmen in Angriff nehmen müssen.ch glaube aber, dass sie darstellbar ist.Es gehört zu unserer gemeinsamen Verantwortung fürie Bundeswehr, ihren Angehörigen einen attraktivenrbeitsplatz zu bieten. So sichern wir nachhaltig die per-onelle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr. Dabei spieltie Frage der Versetzungshäufigkeit ebenso wie eineues Laufbahnrecht eine wesentliche Rolle. Darüber hi-aus sollen die Angehörigen der Angehörigen der Bun-eswehr, die Familien, davon profitieren, dass wir dieereinbarkeit von Familie und Dienst noch stärker inen Blick nehmen und zeitgemäße Kinderbetreuungs-öglichkeiten schaffen.
Die Soldaten der Bundeswehr haben geschworen, derundesrepublik Deutschland treu zu dienen und dasecht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zuerteidigen. Mit diesem Eid muten wir ihnen viel, sehriel zu. Wir muten ihnen zu, sich der Gefahr zu stellen.ir muten ihnen im äußersten Fall sogar zu, ihr Lebenür uns zu opfern. Dieser Eid verpflichtet aber auch uns,ie Bundesregierung und den Bundestag. Er verpflichtetns, das zu tun, was in unserer Macht steht, um das Ri-iko, das unsere Soldaten tragen, so gering wie nur ir-end möglich zu halten. Auch in Zeiten knapper Kassenbernehmen wir, wenn wir die Bundeswehr in ihre bis-eilen gefährlichen Einsätze entsenden, die Verpflich-ung, ihr das zur Verfügung zu stellen, was sie für dieusfüllung ihres Auftrages und für einen größtmögli-hen Schutz der Soldaten benötigt.
as ist unsere Pflicht und unsere Schuldigkeit.
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Bundesminister Dr. Karl-Theodor Freiherr zu GuttenbergFür ein Bekenntnis zu unserer Bundeswehr, auch undgerade zu einer solchen im Einsatz, muss man sich indiesem Lande nun wirklich nicht schämen.Herzlichen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Wolfgang Gehrcke
für die Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-gen! Ich gebe zu, dass der Blick auf die Regierungsbank,so wie sie heute aussieht, gewöhnungsbedürftig ist. Ichmöchte bezweifeln, dass ich mich gerne daran gewöhne.Ich gebe auch zu, dass der Blick auf die drei Minister,die jetzt zusammen Außenpolitik betreiben wollen, aberauch die Töne, die sie von sich gegeben haben, mehr alsgewöhnungsbedürftig sind. Wir werden uns daran nichtgewöhnen.
Dieses Trio infernale wird die Politik in Deutschlandnicht auf diese Art und Weise umgestalten können.
Ich fand das Angebot von Herrn Westerwelle attrak-tiv; er ist jetzt nicht mehr da. Meine Fraktion wird seinAngebot einer Zusammenarbeit so annehmen: Wir wer-den harten Widerspruch leisten, wo er notwendig ist.Das ist in fast allen Bereichen der Außenpolitik der Fall.Hier muss harter politischer Widerspruch erhoben wer-den.
Ich fand es sehr verständlich, dass viele Kolleginnenund Kollegen, darunter die Kanzlerin und der Außen-minister, ihre Reden in einen geschichtlichen Kontexteingeordnet und einen Wertebezug hergestellt haben. Ichteile jedoch die Inhalte nicht. Es sind verschiedeneWerte genannt worden: die Westbindung der Republik,die soziale Marktwirtschaft – es wäre schön, wenn wirsie hätten –, die Wiederbewaffnung und vieles anderemehr. Diese Werte sollten aus meiner Sicht nicht bestim-mend sein; ich habe einen anderen Wertekatalog. Mir istaufgefallen – das finde ich schlimm und bedauerlich –,dass in der gesamten Auseinandersetzung mit der Ge-schichte nach 1945 und mit den Werten kein einzigerRegierungsvertreter den Grundwert erwähnt hat, den wirzu verteidigen haben: Nie wieder Krieg, nie wieder Fa-schismus!
Es ist augenfällig, dass diese Aussage nicht gekommenist, dass nicht so argumentiert worden ist.Es ist völlig richtig. Wir hatten ein gemeinsamesGrundverständnis: Von deutschem Boden darf nie wie-der Krieg ausgehen. Dieses Grundverständnis ist gebro-ckdgtErakwugRDfHulinsudwTWvWmDsdbneKtae–Kw
enn er nach internationalem Recht bzw. nach Kriegs-ölkerrecht behandelt wird, ist es eine andere Kategorie.ir ziehen daraus nur eine Schlussfolgerung: Der Krieguss beendet werden.
as Ende des Krieges beginnt auch damit, dass die deut-chen Truppen aus Afghanistan abgezogen werden.Auch mit den ganzen Verrenkungen kommen Sie umie Frage nicht herum. Ich habe es mir extra aufgeschrie-en: Herr zu Guttenberg sprach von einem „nicht-inter-ationalen bewaffneten Konflikt“, sein Vorgänger voninem „robusten Stabilisierungseinsatz“. Es ist aber einrieg. Das Nein zu diesem Krieg ist notwendig. Ansons-en wird dieser Krieg Ihrer Außenpolitik wie ein Klotzm Bein hängen.Im Übrigen sollten Sie Ihren Koalitionsvertrag nochinmal darauf überprüfen, was verfassungskonform ist.
Sie bzw. Ihre Mitarbeiter, Herr Kauder, haben in denoalitionsvertrag hineingeschrieben, dass die Bundes-ehr ein Instrument der deutschen Außenpolitik ist.
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Wolfgang GehrckeDas hätte Herr zu Guttenberg gerne, weil er auch ganzgerne Außenpolitik macht. Das glaube ich Ihnen ja. Aberdas entspricht nicht dem deutschen Grundgesetz. Das istgrundgesetzwidrig.
Wir werden hier über die internationale Afghanis-tankonferenz zu diskutieren haben. Auch hierzu sageich Ihnen: Wer das auf eine Initiative Merkel / Sarkozybeschränken will, tut einer solchen Konferenz Unrecht.Wir brauchen eine internationale Afghanistankonferenzunter dem Dach und der Verantwortung der UNO.Nichts anderes brauchen wir.
Ich weiß, dass Sie die Frage, ob Sie mehr Truppenentsenden, erst nach der Konferenz beantworten wollen.Sie benutzen die Konferenz auch ein bisschen, um dieentsprechende Stimmung dafür zu schaffen. Deswegensagen Sie, dass Sie jetzt bei der Mandatsverlängerungerst einmal im Rahmen des Mandates bleiben. Ich sageIhnen: Wir müssen als Bundestag überprüfen, ob wirnicht ein anderes Signal setzen sollten. Ich glaube, einekopflose Verlängerung der bestehenden Mandate gefähr-det Afghanistan und auch die deutschen Soldatinnen undSoldaten.
Ich möchte abschließend etwas zu der sehr schönenFormulierung einer wertegebundenen und interessenge-leiteten Außenpolitik im Koalitionsvertrag sagen. Ichhabe als Linker Erfahrung damit, wenn man Politik ideo-logisiert. Dabei kommt meistens Unsinn heraus. Was Sieals wertegebunden und interessengeleitet vorstellen, isteine Ideologisierung der deutschen Außenpolitik.Dann fangen Sie an, die Werte zu beschreiben. Dasmüssen Sie auch zu Ende denken. Sie schreiben in die-sem Abschnitt, dass der Kern des Begriffs „wertegebun-den“ die Idee der westlichen Werte ist. Erklären Sie mirdoch einmal, was für Sie die westlichen Werte sind! Wiewollen Sie in den Vereinten Nationen, die gerade aufWertevielfalt und kultureller Vielfalt beruhen, die westli-chen Werte durchsetzen? Das sollten Sie einmal derMehrheit der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen alspolitisches Konzept anbieten. Dann können Sie sich Ih-ren Platz im Weltsicherheitsrat gleich abschminken; derist sowieso weg.
Ich habe vor, den Wissenschaftlichen Dienst des Bun-destages zu bitten, eine wissenschaftliche Ausarbeitungvorzunehmen, was man unter westlichen Werten ver-steht. Ich möchte wissen, was Sie durchsetzen wollen.Im Koalitionsvertrag äußern Sie sich nicht genauer dazu.Der einzige Wert, auf den Sie durchgehend hinweisen,ist die freiheitliche Ordnung der Weltwirtschaft, dasheißt die Ordnung der Märkte sowie der Zugang zuMärkten und Profiten. Das ist für mich als Werteorientie-rung für dieses Parlament und unser Land zu wenig.Schönen Dank.
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Wir brauchen hier im Parlament eine Diskussion, weiline Abzugsperspektive notwendig ist; das haben Sie sel-er gesagt. Eine solche Perspektive können wir nur mitiner offenen Diskussion schaffen. Eine solche Diskus-ion muss mit dem Vorfall am 4. September 2009 in Kun-uz beginnen. Sie kann aber nur stattfinden, wenn wirine Grundlage dafür haben. Das kann nur ein von Ihnenorgelegter Bericht sein, da die NATO die entsprechen-en Papiere nicht herausgibt. Wir befinden uns in der ab-urden Situation – das muss man sich einmal vorstellen –:estandene Parlamentarier, die den Bericht gelesen ha-en, dürfen sich im Verteidigungsausschuss darüber nichtiteinander unterhalten, während der deutsche NATO-eneral Egon Ramms in der Öffentlichkeit die heiklenunkte einen nach dem anderen erörtert. Das geht soicht. Diese Situation wird diesem Hause nicht gerecht,
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Omid NouripourWenn er mit den Punkten, die er angesprochen hat,recht hat – ich habe keinen Anlass, dies zu bezweifeln –,dann geht das, was Sie, Herr Minister, gesagt haben,nicht mehr. Sie haben – auch das begrüße ich als wich-tige Abkehr von der Politik Ihres Vorgängers – Regel-verstöße eingeräumt und zugegeben, dass es zivile Opfergegeben hat. Aber die Aussage, die Regelverstöße seiennicht so wichtig, weil das Ergebnis am Ende sowieso dasgleiche gewesen wäre, bagatellisiert zentrale Regeln derOperationsführung, die zur Vermeidung ziviler Opferaufgestellt worden sind. Deshalb kann ich nur sagen: Sogeht es leider nicht, Herr Minister.
Sie haben es zwar leicht, sich von Ihrem Vorgängerabzusetzen, was die Initiativkraft betrifft. Sie haben esaber schwer, wenn es darum geht, den Koalitionsvertragumzusetzen; denn er ist rückwärtsgewandt, ideenlos undvor allem widersprüchlich.Beispiel Wehrpflichtverkürzung auf sechs Monate.
Die Liberalen sind eingeknickt. Es hat sich die alte Ideo-logie durchgesetzt, und deshalb dürfen wir die Wehr-pflicht als kostspielige Hommage an den Kalten Kriegweiterbehalten. Sechs Monate:
Drei Monate Grundausbildung, zwei Monate Fachaus-bildung – das macht fünf Monate –, ein Monat Fach-dienst und ein Monat Urlaub – das sind keine sechs Mo-nate. Ich verstehe gar nicht, wie Sie gerechnet haben. Ichbin sehr gespannt, wie Sie da herauskommen wollen.Hier haben wir eine dreifache Verschwendung, wenn wirdie Wehrpflicht von sechs Monaten nicht abschaffen. Sieist militärisch komplett sinnlos: Wir verschwenden mili-tärisches Personal bei der Ausbildung, wir verschwen-den Steuermittel der Bürgerinnen und Bürger, und wirverschwenden vor allem Lebenszeit von jungen Men-schen. Das muss einfach nicht sein. Die Wehrpflicht ge-hört abgeschafft.
Ich komme jetzt zum Schluss. Ich habe noch einigeandere Beispiele. So kommt im Zusammenhang mit derAbrüstung das Wort „Kleinwaffen“ überhaupt nicht imKoalitionsvertrag vor.
Kleinwaffen sind aber etwas, über das ein renommiertesInstitut in Bonn sagt, das seien die Massenvernichtungs-waffen des 21. Jahrhunderts. Beim Thema Nukleartech-nologie sagen Sie „Keine neuen Atommächte!“, aber Siegeben weiterhin Hermesbürgschaften für den Export vonNukleartechnologie. Anscheinend hat man am Beispieldes Iran nicht gesehen, dass es von militärischer und zi-viler Nutzung zu ein Katzensprung ist.Herr Minister, es gibt einiges für Sie zu tun. Wir wer-den sehr genau hinschauen, ob dieser KoalitionsvertragelIdDIGzbffnDslDwuSdEdFtzVWawagdsscvmUrtgud
Für die FDP-Fraktion hat nun die Kollegin Elke Hoff
as Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrtenamen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!ch darf die Gelegenheit nutzen, Herrn Minister zuuttenberg für seine in hohem Maße angemessene undutreffende Rede zu danken, die er heute hier unmittel-ar nach der Feierlichkeit, die wir gestern in Berlin ver-olgen und miterleben konnten, gehalten hat, weil ich deresten Überzeugung bin, dass gerade die Bundeswehricht nur Ausdruck der Souveränität der Bundesrepublikeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg geworden ist,ondern eben auch ein Symbol für die erfolgreiche, ge-ungene Wiedervereinigung der beiden getrennteneutschlands. Ich denke, dass gerade hier die Bundes-ehr eine besondere Leistung erbracht hat, für die einmfassender und gebührender Dank notwendig ist.
Es haben heute schon eine Reihe von Vorrednern denoldatinnen und Soldaten der Bundeswehr ganz aus-rücklich für ihre Auslandseinsätze gedankt, für ihreninsatz von Leib und Leben, für die Angst und die Sorgeer Familien. Ich möchte dieses natürlich auch für dieDP-Fraktion wiederholen und um einen Aspekt erwei-ern, gerade aufgrund der aktuellen Ereignisse, die zur-eit in Afghanistan die Herzen und Köpfe auch unserererbündeten bewegen. Wir haben in der vergangenenoche erleben müssen, dass bei einer Ausbildung vonfghanischen Polizisten britische Soldaten ermordetorden sind. Ich glaube, dass wir uns von dieser Stellels Verbündete an die britischen Kolleginnen und Kolle-en und an die britischen Familien wenden und dafüranken sollten, dass sie unter diesen schwierigen Um-tänden Leib und Leben einsetzen, damit Afghanistantabiler und in die Lage versetzt wird, für die eigene Si-herheit zu sorgen. Ich denke, das ist auch ein Ausdruckon Bündnissolidarität an dieser Stelle.
Ich glaube, dass der Koalitionsvertrag, den wir ge-einsam mit unseren Kolleginnen und Kollegen von dernion beschlossen haben, im sicherheitspolitischen Be-eich gerade auch mit Fokus auf die Bundeswehr ein gu-er ist. Es wird sehr deutlich, dass uns allen daran gele-en ist, dass die Bundeswehr in Zukunft eine modernend eine leistungsfähige Armee wird, die in der Lage ist,ie durch das Parlament gestellten Aufgaben zu erfüllen.
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Elke HoffIch kann weder Herrn Erler noch den KollegenNouripour verstehen, dass sie in irgendeiner Form daranzweifeln, dass das Parlamentsbeteiligungsgesetz aus-gehöhlt werden soll. Das Gegenteil ist der Fall.
Für alle Fälle, die auftreten können – insbesonderewenn Gefahr im Verzug ist; ich kann mich sehr gut an dieDiskussionen über den Einsatz der NATO-Response-Force oder der EU-Battle-Group erinnern; es hieß, dasParlament könne nicht schnell genug reagieren –, soll einGremium geschaffen werden, das in solchen Situationenunverzüglich dafür sorgt, dass der Deutsche Bundestaginformiert wird. Ich denke, dass man hier von einer Ein-schränkung oder Aushöhlung des Parlamentsbeteiligungs-gesetzes nicht reden kann.
Man kann bei näherem Studium des Koalitionsvertra-ges feststellen, dass es im Bereich der Afghanistanpoli-tik durchaus eine Wende gibt; denn zum ersten Mal stehtausdrücklich in einem Koalitionsvertrag – ich darf andieser Stelle zitieren –:Wir bekennen uns zum Ansatz einer VernetztenSicherheitspolitik. Dies erfordert moderne und leis-tungsfähige Streitkräfte und geeignete zivile Instru-mente zur internationalen Konfliktvorsorge und -be-wältigung sowie eine noch engere Integration undKoordinierung. In künftige Mandate für Einsätze imAusland werden wir konkrete Benennungen der zuleistenden Aufgaben sowie deren Zuteilung auf dieverantwortlichen Ressorts aufnehmen.Ich halte dies für einen hervorragenden Ansatz. Dadurchhaben wir hier im Parlament die Gelegenheit, über diesekonkreten Benennungen zu diskutieren und letztendlichauch darüber zu entscheiden.
Seitdem die Bundeswehr an internationalen Einsät-zen teilnimmt, also seit etwa 15 Jahren, haben rund300 000 Soldatinnen und Soldaten ihren Dienst dort ge-tan. Zurzeit tun pro Jahr rund 60 000 bis 70 000 Solda-tinnen und Soldaten ihren Dienst in den aktuellen Aus-landseinsätzen. Herr Minister, ich kann Ihnen nurzustimmen: Wir können stolz auf diese Bundeswehrsein. Sie ist nämlich ein Aushängeschild der Bundesre-publik Deutschland, auch in ihrer außenpolitischen Dar-stellung, wenn es darum geht, an friedensschaffenden,friedensstiftenden Maßnahmen und an Aufbaumaßnah-men teilzunehmen.Wir haben heute sehr viel zu den Ereignissen in Kun-duz gehört. Ich möchte mir an dieser Stelle nicht anma-ßen, über die Situation, in der sich Oberst Klein – denich bei meinem letzten Besuch dort im Juni dieses Jahreskennengelernt habe – befindet, ein Urteil zu erlauben.Ich finde, dass es uns nicht ansteht, an dieser Stelle überd–dhczeDsvigWaTMaIlbmsStWsmmTWmhhzddUmwdvzrthdausvo
as haben wir auch im Koalitionsvertrag so niederge-chrieben.Ich bin sehr froh darüber, dass es gelungen ist – icherweise auf die Leistungen für die Bundeswehr, die wirn den vergangenen Jahren im Parlament auf den Wegebracht haben; ich denke beispielsweise an das Einsatz-eiterverwendungsgesetz –, klarzumachen, dass wiruch andere Schritte gehen wollen: Wir wollen dashema „Vereinbarkeit von Dienst und Familie“ in denittelpunkt stellen, und wir wollen die Kinderbetreuungusbauen.Wir wollen aber auch einen anderen Punkt anpacken.ch freue mich noch heute, dass es hier im Parlament ge-ungen ist, einen gemeinsamen Antrag auf den Weg zuringen. Darin wird die Frage behandelt: Wie gehen wirit den mittel- und langfristigen Folgen von militäri-chen Einsätzen im Ausland für unsere Soldatinnen undoldaten um? Dabei geht es um das Thema der post-raumatischen Belastungsstörung. Wer in den letztenochen die Presse verfolgt hat und sehen konnte, dassich insbesondere unsere amerikanischen Verbündetenit diesem Thema erheblich beschäftigen müssen – da-it verbunden sind erhebliche Probleme innerhalb derruppe –, der kommt sicherlich wie ich zu der Meinung:ir haben richtig daran getan, uns mit diesem Themaöglichst frühzeitig zu befassen. Herr Minister, ichoffe, dass es sehr schnell gelingen wird, das, was wirier niedergeschrieben haben, in die Realität umzuset-en.Ich glaube, dass wir innerhalb des Bündnisses da-urch einen wichtigen Beitrag leisten können, dass wirie gewonnenen Erkenntnisse zur Verfügung stellen.nsere Soldatinnen und Soldaten und deren Familienüssen wissen, dass sie nicht alleingelassen werden,enn wir politisch darüber beschlossen haben, die Bun-eswehr auch als Mittel der Außenpolitik einzusetzen.Auch das Thema Ausrüstung spielt im Koalitions-ertrag eine Rolle.Es ist eben dankenswerterweise von Herrn Ministeru Guttenberg gesagt worden, dass nur eine gut ausge-üstete und ausgebildete Armee in der Lage ist, den Auf-rag, den wir ihr politisch erteilen, zu erfüllen. Dazu ge-ört auch, die nötigen finanziellen Mittel bereitzustellen,amit unsere Soldatinnen und Soldaten wissen, dass wirls Parlamentarier wirklich hinter ihnen stehen und esnser Ziel ist, sie möglichst wohlbehalten und unver-ehrt wieder nach Hause zu bringen. Insofern hat eineernünftige Ausrüstung der Bundeswehr nach wie vorberste Priorität.
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Elke HoffWir haben in unserem Koalitionsvertrag auch etwaszu großen Beschaffungsvorhaben gesagt. Hier ist dieIndustrie gefordert, ihre Aufgaben zu erfüllen. Ich denkean das Thema A400M, an das Thema Eurofighter und aneinen weiteren Bereich, der nicht explizit im Koalitions-vertrag erwähnt wird, nämlich den Zulauf der Hub-schrauber. Hier muss unsere Industrie zeigen, dass siewirklich in der Lage ist, die nötigen und angemessenenTechnologien zum richtigen Zeitpunkt zu liefern.Meine Damen, meine Herren, ich denke, wir als FDP-Fraktion haben gemeinsam mit den Kollegen der Uniongezeigt, dass wir bereit sind, im sicherheitspolitischenBereich Verantwortung zu übernehmen, Verantwortungzu tragen und diese inhaltlich zu füllen. Wir stehen na-türlich für Diskussionen hier im Parlament gerne zurVerfügung, aber unsere gemeinsame Aufgabe muss essein, die inhaltlichen Konflikte, die möglicherweise zwi-schen uns bestehen, nicht auf dem Rücken der Soldatin-nen und Soldaten und deren Familien auszutragen. Wennein Mandat diesen Bundestag verlässt, muss es klar sein,und es muss für die Soldatinnen und Soldaten eindeutigerkennbar sein, in welche Richtung die Reise gehen soll.Es darf nicht sein, dass am Ende der Reise Unsicherhei-ten innerhalb der Truppe dazu führen, dass wir Politike-rinnen und Politiker unsere Glaubwürdigkeit verlieren.
Ich weiß, dass Sicherheits- und Verteidigungspolitikein schwieriges Thema ist. Es ist sicherlich auch keinThema, mit dem man in der Öffentlichkeit sehr vielePluspunkte sammeln kann; denn es gilt hier – das hatMinister zu Guttenberg zu Recht gesagt –, Wahrheitenzu formulieren. Aber ein Staat, der nicht in der Lage ist,für die Sicherheit seiner Bürger zu sorgen und in einemkollektiven Verteidigungsbündnis Verantwortung zuübernehmen, verfolgt eine falsche Politik. Deswegenlassen Sie uns versuchen, hier gemeinsam den richtigenWeg zu gehen.Ich möchte jetzt, obwohl mich die Präsidentin schonermahnt, dass ich die Redezeit überschritten habe, nocheinen Satz zum Thema Wehrpflicht sagen: Ja, bei dem,was wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, handeltes sich um einen Kompromiss. Ich glaube aber, dassdurch die Reduzierung des Wehrdienstes auf sechs Mo-nate auch Druck auf die Bundeswehr als Arbeitgeberund Wettbewerber auf dem Arbeitsmarkt ausgeübt wird,darüber nachzudenken, ob sie in der Lage ist, mit diesenStrukturen ihre Ziele zu erreichen. Falls nicht, müssenwir am Ende der Reise eine Neubewertung vornehmenund dazu übergehen, uns bei den Formen der Beschaf-fung von Nachwuchs für die Bundeswehr neu zu orien-tieren. Ich denke, das ist ein offener Prozess.
Kollegin Hoff, das war ein sehr langer Satz. Sie wis-
sen, die Parlamentarischen Geschäftsführer haben sich
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– Natürlich habe ich ihn gelesen, Herr Kollege, beimbesten Willen! Ich habe ihn von Anfang bis Ende gele-sen.
Sie kultivieren hier Ihr Image, Klartext zu reden, und ichfinde es gut, wenn jemand das tut. Aber exakt an dieserStelle, wo es sehr ernst wird in diesen Tagen, verfahrenSie im Grunde genommen wie Ihr Vorgänger Herr Jung.Auch er hat am Anfang verniedlicht, scheibchenweiseinformiert
und zivile Opfer bestritten. Ebenso reden Sie jetzt nichtKlartext, sondern sagen, es habe Verfahrensfehler gege-ben. Herr Minister, in aller Deutlichkeit: Es gab gravie-rende Verstöße gegen die ISAF-Einsatzregeln.
Das müssen Sie sagen, wenn Sie die Öffentlichkeit kor-rekt informieren wollen. Ich verstehe überhaupt nicht,wie Sie zu der Einschätzung kommen, dass es mit einergewissen Zwangsläufigkeit auch ohne diese Verstößezum Abwurf der Bomben gekommen wäre. Das istschlichtweg falsch. Wären die Regeln eingehalten wor-den, hätte in Kunduz selbst diese Entscheidung nichtmehr getroffen werden können. Sie hätte nur im ISAF-Headquarter entschieden werden können. Es gab keineunmittelbare Bedrohung, und es gab auch keine Truppenam Boden, die in unmittelbarem Kontakt waren.dzwfsEDdimDdcZgaddvuDFGtaaSWfpHbOzwAsDStDNu
as Risiko für Zivilpersonen ist generell latent vorhan-en. Das mussten die amerikanischen Freunde bei sol-hen Einsätzen in den letzten Jahren schmerzhaft lernen.um Glück haben sie es gelernt und begriffen. Nun sa-en wir, das sei ein normaler Vorgang. Wir wissen aberuch, dass die Taliban zivile Opfer provozieren. Geradeeshalb muss man an dieser Stelle besonders aufpassen.Herr Minister, wir können keine Strategie mittragen,ie zivile Opfer billigend in Kauf nimmt. Die Zivilbe-ölkerung in Afghanistan verdient den gleichen Schutznd sie hat den gleichen Wert wie die Menschen ineutschland und überall auf der Welt.
ür die Soldaten der Bundeswehr ist es ein sehr hohesut, dass ihre Mandate eine breite parlamentarische Un-erstützung erfahren. Die Sozialdemokraten werden sichuch in der Opposition in diesen Fragen nicht einfachus der Verantwortung stehlen.Sie hatten allerdings in dieser Frage keinen gutentart. Manchmal habe ich den Eindruck, dass manchesort, das Sie in die Debatte werfen, ein wenig zu bei-allheischend ist. Dies wird aus unserer Sicht der Kom-lexität der Situation in Afghanistan und der Größe dererausforderung nicht gerecht. Sie haben bis zur De-atte über die Afghanistanmandate noch die Chance, diepposition einzubeziehen. Sie haben noch die Chance,u vermeiden, dass aus Falsch plötzlich Richtig wird,as nicht sein darf.Wir bitten Sie also, diese Chance zu nutzen. Unserngebot besteht nach wie vor, weil wir wollen, dass Be-chlüsse zu Afghanistan gefasst werden, mit denen dieebatte nicht vertagt wird. Manchmal habe ich dieorge, dass alle nur auf die Afghanistankonferenz war-en. Dies wäre zu spät. Wir brauchen diese differenzierteebatte schon in den nächsten Wochen. Unser Rat ist:ehmen Sie dabei die Opposition mit. Die Bundeswehrnd ihre Soldaten hätten dies wirklich verdient.Herzlichen Dank.
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Das Wort hat der Kollege Dr. Christian Ruck für die
Unionsfraktion.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-legen! Zunächst einmal möchte ich dem Minister fürwirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – FrauStaatssekretärin, bitte richten Sie ihm dies aus – zu seinerJungfernrede gratulieren. Ich kann jedes Wort, das er ge-sagt hat, unterschreiben.
Er bewegt sich vollkommen auf der Basis des Koali-tionsvertrages. Deswegen kann ich seine Ausführungendoppelt unterstreichen.Der Mauerfall in Deutschland vor 20 Jahren, den wirin diesen Tagen zu Recht feiern, hat damals eine neueÄra in der deutschen Entwicklungspolitik eingeleitet. Esging nun nicht mehr darum, welches Land zu welchemBündnis gehört, ob zum Osten oder zum Westen. In denFokus rückten vielmehr andere Dinge, nämlich gute Re-gierungsführung, Beachtung der Menschenrechte sowiedas Eintreten für Freiheit und Rechtsstaatlichkeit. Esging um Schwerpunktsetzung – dazu gehörte damalsauch die Umwelt –, und es ging um höhere Effizienz.Diese Neuorientierung unter der damaligen christlich-liberalen Koalition hat Maßstäbe gesetzt, die bis heutegelten und an denen sich auch der neue christlich-libe-rale Koalitionsvertrag orientiert. Allerdings sind die He-rausforderungen in der Entwicklungspolitik inzwischenerheblich größer geworden. Auch die Bedeutung derEntwicklungspolitik ist enorm gestiegen.Die Entwicklungspolitik hat tatsächlich das damaligeNischendasein beendet und ist zu einem wichtigen Be-standteil der Zukunftsvorsorge geworden, und zwarauch der Zukunftsvorsorge in Deutschland und in Eu-ropa. Ganz anders als damals sind jetzt, 20 Jahre später,das Wohl und Wehe auch für uns in Deutschland abhän-gig von den Entwicklungen in den Entwicklungs- undSchwellenländern, und zwar in wirtschaftspolitischer,sozialpolitischer, umweltpolitischer und sicherheitspoli-tischer Hinsicht. Es kommen auf die Entwicklungspoli-tik gewaltige Herausforderungen zu: die Sicherung dergemeinsamen Ernährungsbasis und der Schutz unseresKlimas, die Bewältigung der Weltwirtschaftskrise, dieEntschärfung sozialer Brandsätze und die Bekämpfungdes Terrorismus durch eine ausgewogene, nachhaltigeEntwicklung in den Entwicklungs- und Schwellenlän-dern, die dem Radikalismus den Boden entzieht.Es ist nicht übertrieben, wenn ich sage, dass sich dieUnionsfraktion all die letzten Jahre sehr intensiv um ge-eignete Antworten auf diese Herausforderungen bemühthat. Ich glaube, dass die Entwicklungspolitik der letztenJGmzzSMEelmwEmkeBSgnAzmümkkmeuudHeslFnzgrEdtsdrhnrGf
Ich bin froh, dass im Koalitionsvertrag enthalten ist,ass wir nicht nur den Ländern mit guter Regierungsfüh-ung und gutem entwicklungspolitischen Managementelfen, sondern dass wir auch diejenigen Menschenicht im Stich lassen wollen, die in fragilen und autoritä-en Staaten oder auch in Staaten leben, von denen für unsefahr ausgeht. Wir wollen weiterhin Mittel und Wegeinden, schlechte Regierungsführung zu transformieren.
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Dr. Christian RuckAuch das ist ein wichtiger Gesichtspunkt des Koalitions-vertrags.Wichtig ist auch, dass wir eine bessere Arbeitsteilungund Kontrolle erreichen. Wir wollen und müssen einestärkere Kontrolle der europäischen Entwicklungspolitik– Kollege Königshaus, das war immer ein Anliegen derFDP – durchsetzen; denn wir haben oft den Verdacht,dass viele Gelder deswegen so schnell und zum Teilauch schlampig abfließen, weil man ansonsten sagenmüsste, man habe das Geld nicht untergebracht.Das ist der Hintergrund dafür, dass wir darauf Wertgelegt haben, wieder zu einer vernünftigen Aufteilungzwischen nationalem und internationalem Geld zu kom-men, nämlich im Verhältnis von einem Drittel zu zweiDritteln. Es geht dabei darum, die Mittel dort einzuset-zen, wo sie effizient eingesetzt werden können.
Meine Damen und Herren, über die Passage zu denSchwellenländern bin ich froh und dankbar; denn wirhaben uns hier sehr viel Mühe gegeben. Ich glaube, dassdie Staatengemeinschaft ohne die Schwellenländer kei-nen Fuß in die Tür bekommt, wenn es um einen Auswegaus der Weltwirtschaftskrise geht, und schon gar nicht,wenn es um Sicherheitspolitik, Umweltpolitik und umArmutsbekämpfung geht. Deswegen ist es richtig, dassdie Zusammenarbeit mit den Schwellenländern für unseine sehr große Bedeutung hat.
Dabei geht es immer weniger um die klassische Ent-wicklungshilfe, sondern vor allem um Einflussnahmeauf die Entwicklung durch Entwicklungspolitik.Herr Niebel, ich gebe Ihnen auch recht, wenn Sie sa-gen, es sei viel zu kurz gesprungen, das BMZ auf Ar-mutsbekämpfung zu reduzieren, und wenn Sie neulichunter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Zusam-menarbeit im Hinblick auf den Mittelstand und dieZusammenarbeit mit den Schwellenländern auf die „Ge-länderfunktion“ des Entwicklungsministeriums hinge-wiesen haben. Das BMZ verfügt über den zweigrößtenInvestitionshaushalt der Bundesrepublik und ist dafürverantwortlich, dass 250 000 Arbeitsplätze gesichertwerden. Dies geschieht vor allem in der Zusammen-arbeit mit den Schwellenländern.Herr Minister, ich versichere Ihnen, dass Sie unsereUnterstützung auch bei einem ganz schwierigen Ge-schäft haben, nämlich der Verzahnung des Außenhan-dels. Wie man in Afghanistan sieht, ist die Verzahnungdes Außenhandels ein Gebot des Überlebens, und zwarnicht nur für unsere Soldaten, sondern auch für alle, diein der Entwicklungshilfe tätig sind. Ihnen danke ich andieser Stelle ebenfalls für ihr Engagement; auch unter ih-nen gibt es viele Opfer, an die wir denken sollten. DieVerzahnung zwischen den Politikbereichen ist und bleibteine sehr schwierige Daueraufgabe. Wir werden Sie da-bei unterstützen, dass das Entwicklungsministerium al-les, was mit ODA zu tun hat, als Kompetenz bekommt.Sollten Sie Schwierigkeiten haben, sich zum BeispielgrfADMvtgtulss1swusWEtcssHIgieWFHd
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Heraus-orderungen an die Entwicklungspolitik sind gewaltig.ber wir haben in den letzten Tagen gesehen, was dieeutschen bei der Wiedervereinigung nach dem Fall derauer leisten konnten. Lassen Sie uns nicht bange seinor großen Herausforderungen. Wir können sie meis-ern. Dies gilt auch für diese globalen Herausforderun-en.Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Heike Hänsel für die Frak-
ion Die Linke.
Danke schön, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnennd Kollegen! Von einem neu gebackenen Entwick-ungsminister hätte ich, ehrlich gesagt, erwartet, dass erich in seiner ersten Rede vor allem mit der zum Himmelchreienden menschlichen Tragödie von mehr alsMilliarde hungernden Menschen beschäftigt und Vor-tellungen darlegt,
ie wir zur Lösung dieses Problems beitragen könnennd wo die Ursachen dieser großen menschlichen Kata-trophe liegen, unter anderem in dem herrschendeneltwirtschaftssystem. Dazu war sehr wenig zu hören.r hat sich vor allem auf Interessen und Werte konzen-riert, wovon heute schon den ganzen Tag über gespro-hen wurde. Wir haben da einen gewissen Vorge-chmack auf das bekommen, was die Werte der FDPind.
Ich komme in diesem Zusammenhang auf den Fallonduras zu sprechen.
m Juni dieses Jahres gab es den Putsch gegen eine pro-ressive linke Regierung, die sich um eine Sozialpolitikn Honduras bemüht hat. Weltweit wurde dieser Putschinhellig verurteilt.
as machte die FDP? Der Vertreter der FDP-nahenriedrich-Naumann-Stiftung sprach davon, dass es inonduras gar keinen Putsch gegeben habe, obwohl deremokratisch gewählte Präsident aus dem Land entführt
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Heike Hänselwurde. Hier in den Räumen des Bundestages gab es einTreffen von einhelligen Unterstützern des Putsches inHonduras, zu dem von der Friedrich-Naumann-Stiftungeingeladen wurde.
Ich muss sagen, dass sich auch der neue StaatsministerWerner Hoyer positiv zu diesem Putsch geäußert hat. Icherwarte eigentlich eine klare Stellungnahme zum Wertvon Demokratie und zum Werteverständnis der FDP.
Wenn so deutsche Außenpolitik aussieht, dann werdenwir bald international isoliert sein; davon sprechen Sie jaauch sehr oft.Insgesamt kann ich Ihnen nur raten – Sie sprechen jaauch von einer neuen Lateinamerikastrategie –, dass Sienicht versuchen, neue Ansätze in Lateinamerika, linke,progressive Regierungen, die dürfen soziale Bewegun-gen an die Macht kamen, um Menschen an der Politikge-staltung zu beteiligen, die verfassungsgebende Prozesseins Leben rufen, die eine neue Ökologie und Sozialpoli-tik entwickeln und Landreformen durchführen, als zu-künftige Gegner auszurufen, weil dort Menschen direktan neuen Ansätzen für die Lösung von Problemen betei-ligt werden. Sie brauchen unsere Unterstützung undnicht den Angriff durch eine aggressive Freihandelspoli-tik unter anderem der Europäischen Union.
In diesem Zusammenhang finde ich es auch interes-sant, dass Herr Kollege Raabe von der Linken, so kannman sagen, gelernt hat.
Wir haben in den letzten vier Jahren häufig darüber ge-sprochen, dass es auch einen Schutz für die Entwick-lungsländer zur Entwicklung ihrer eigenen Wirtschaftbraucht und wir daher mit einer Marktöffnungspolitiknicht weiterkommen. Er hat es vorhin explizit erwähnt;das freut mich. Es gibt hier einen Lernprozess. Ich bingespannt, was wir da noch alles zu hören bekommen.
Ich möchte auf die Interessen eingehen, die oft be-nannt wurden und auch im Koalitionsvertrag stehen.Dort wird im Zusammenhang mit Entwicklungspolitikauf eine „engere Kooperation mit der deutschen Privat-wirtschaft“ verwiesen. Ich frage mich: In welche Rich-tung wird dies gehen? Wir haben das schon erlebt. DerBundesverband der Deutschen Industrie hat eine neueRohstoffstrategie entwickelt. Er spricht von einer„Rohstoffdiplomatie“, die gemeinsam mit der Außen-,HmhgWawWadweWafDwßeiHgd–gtmchueuMDsmdEviwDt
as heißt, mehr Soldaten bedeuten eben nicht automa-isch mehr Sicherheit. In vielen Regionen bedeuten mehr
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Heike HänselSoldaten mehr Unsicherheit für die Entwicklungsorgani-sationen.
In unseren Augen ist es deshalb wichtig, nach achtJahren Krieg mit einer katastrophalen entwicklungspoli-tischen Bilanz – Afghanistan ist nach wie vor das viert-ärmste Land der Erde – von diesem Ansatz wegzukom-men. Der Abzug der Bundeswehr ist die Voraussetzungfür eine soziale und friedliche Entwicklung in diesemLand.In meinen Augen gibt es keine bessere Zeugin dafürals Malalai Joya, eine mutige Parlamentarierin, die wirmehrmals eingeladen haben. Sie hat ein neues Buchgeschrieben: Ich erhebe meine Stimme. Darin können Sielesen, wie die Lebensrealität der Menschen, insbeson-dere der Frauen, vor Ort aussieht. Ich möchte diesesBuch gerne dem neuen Außenminister, HerrnWesterwelle, der leider gerade nicht zuhört, überreichen.Es ist nämlich ein sehr interessantes Buch. Malalai Joyaschreibt darin über die Lebensrealität der Menschen. Soerfährt man mehr, als wenn man mit der Bundeswehr fürdrei Tage in dieses Land fliegt. Daraus könnten wir ei-nen sehr guten Politikansatz entwickeln.Ich bedanke mich.
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun
die Kollegin Ute Koczy.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geehrte Kolleginnenund Kollegen! Wohin geht die Entwicklungspolitik?Diese Frage steht vor allem deswegen im Raum, weilwir einen interessanten Minister haben.
Herr Niebel, als Abwicklungsminister in aller Munde,steht im Rampenlicht der Öffentlichkeit und hat ein Mi-nisterium vor sich, das er noch gar nicht kennt und das ernicht einschätzen kann.
– Das geht anderen auch so, Herr Ruck. Man sieht ja,was daraus wird, wenn man nichts damit anfangen kann.Wir wissen, dass es sich angesichts globaler Heraus-forderungen wie Klimawandel, Hungersnöte, Finanz-marktkrisen und Machtverschiebungen heutzutage keinPolitikfeld mehr leisten kann, auf Laisser-faire zu ma-chen. Wir können nicht so weitermachen wie bisher. Dasgilt auch für die Entwicklungspolitik.kgltldmdtsErsgDlgtSgelszsDsuSrAldWHlWhsz
Dass die FDP das nicht so sieht, das war klar, aberass die CDU/CSU es versäumt hat, in der Personalpoli-ik und bei der Gestaltung der Inhalte des Vertrages Prä-enz und Gewicht zu zeigen, das ist fatal. Denn wennntwicklungspolitik eine Hauptsache ist, wie es Kanzle-in Merkel heute gesagt hat, dann müssen dieser Aus-age auch Taten folgen. Doch da sehe ich schwarz undelb.
ie schwarz-gelbe Koalition hatte die Chance, Entwick-ungspolitik zu einem partnerschaftlichen Instrument fürlobale Gerechtigkeit zu machen. Aber mit diesem Ver-rag wurde diese Chance vertan. Es gibt keine echtetrukturreform. Die Institutionenreform ist ein Klacksegenüber dem, was man haben wollen muss, wenn manine Entwicklungspolitik aus einem Guss möchte.
Provinziell ist die Ansage: „Wir setzen auf Bilatera-es“, und die Tatsache, dass man die multilaterale Zu-ammenarbeit kappt. Der Vertrag kennt nur ein Ziel, undwar, künftig die Interessen der deutschen Wirtschafttärker zu berücksichtigen.
amit wird auch die Entwicklungspolitik instrumentali-iert und den Interessen der Außenwirtschaftsförderungntergeordnet.
o dringend und wichtig die Stärkung der Wirtschaft ge-ade in den Entwicklungsländern auch ist, mit dieserusrichtung missachtet man den Kern der Entwick-ungszusammenarbeit. Es geht um die Parteinahme fürie Ärmsten und um den Erhalt der Lebensgrundlagen.enn man das in der Form macht, wie Sie das vorhaben,err Minister, dann ist auch das eine Art der Abwick-ung.
Es kommt noch schlimmer: Schwarz-Gelb ebnet derirtschaft ohne Einschränkungen den Weg. Eine Ein-altung von ökologischen und sozialen Standards? Ethi-che Anforderungen an Investitionen? Absolute Fehlan-eige im Koalitionsvertrag, als seien die Probleme
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Ute KoczyKinderarbeit, Ausbeuterlöhne, Gesundheitsschäden so-wie Verseuchung von Wasser und Böden keine Fragenund schon gar kein Wertemaßstab für Wirtschaft, Handelund Banken.„Der Zugang zu Rohstoffen und deren verlässlicheVerfügbarkeit … für die deutsche Industrie“ – so der Ko-alitionsvertrag – bedeuten im Klartext für die Entwick-lungsländer in Afrika, dass die Eliten weiterhin profitie-ren und die Armen leer ausgehen.
Das bringe ich nicht überein mit den hehren Worten, diehinten im Vertrag stehen, wobei aber nicht berücksich-tigt wird, dass sie der Außenwirtschaft untergeordnetwerden. Hier knallen die Widersprüche ungeklärt aufei-nander.
Mein letzter Punkt: die Brisanz des Klimawandels.Man hätte erwartet, dass angesichts dieser Herausforde-rung ein dicker Absatz oder eine ganze Seite im Koali-tionsvertrag dazu steht. Nichts davon! Klimapolitik isttrotz der Brisanz gerade für die Entwicklungsländer eineNebensache geblieben. Dass die bisherigen Zusagen ein-gehalten werden sollen, ist doch als Aussage absolutunzureichend. Wir brauchen eine qualitative und quanti-tative Aufwertung aller Klima- und Ressourcenpro-gramme. Aber Schwarz-Gelb lässt diese Herausforde-rung links liegen.Danke.
Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Axel
Schäfer das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Die Bundeskanzlerin hat in ihrer Regierungserklärunggesagt, dass der Lissabon-Vertrag besonders wichtigfür Europa ist.
Das ist der einzige Satz, dem wir zustimmen können;denn sie hat in ihrer gesamten Regierungserklärungsonst nichts zu Europa gesagt. Ich glaube, deshalb wirdes wichtig sein, darüber zu reden, welche VerantwortungwchsKdSuIdwnDlrAddnttwtsEdtÖgvüd–lslgtdegn
nd ist Ihnen sehr nahestehend. Das ist das Urteil überhre Europapolitik.Wir müssen uns jetzt einmal genau anschauen, wasiese Personalpolitik in der Praxis bedeutet. Als Erstesird ein Ministerpräsident in Europa mit dem Posten ei-es Kommissars versorgt, indem er hier entsorgt wird.as ist die erste Personalentscheidung und stellt sicher-ich kein gutes Bild für die deutsche Vertretung in Eu-opa dar.
ls Zweites werden für die Christdemokraten in Europaie wichtigsten Funktionen reklamiert.Dann muss man natürlich auch darüber sprechen, werie Christdemokraten in Europa sind – das sind jaicht nur Sie –, auf die man sich stützen kann. Die wich-igste Stütze ist Herr Berlusconi, ein Politiker Ihrer Par-eifamilie, über den ich sage: Keiner in diesem Hausird dessen politische, geschäftliche und sonstige Moraleilen wollen. Wenn Sie anderer Meinung sind, wider-prechen Sie. Das ist Ihre wichtigste Stütze, die Sie inuropa haben. Sie haben noch ein paar andere Stützen iner EVP, die diese Politik ausmachen, und zwar die Ver-reter in Dänemark, in den Niederlanden und auch insterreich, die rechtspopulistische Parteien salonfähigemacht haben oder sich wie in Kopenhagen noch heuteon ausländerfeindlichen Parteien tragen lassen, umberhaupt an der Regierung bleiben zu können. Auchas sind Christdemokraten in Europa.Das kann man auf die Konservativen ausdehnen.
Ja, sehr gut. – Schauen wir doch einmal auf die Christ-ich Demokratische Internationale. Da gibt es zum Bei-piel einen Herrn Klaus, dem es Gott sei Dank nicht ge-ungen ist, dieses Europa von Lissabon, das Sie geradeelobt haben, zu zerstören. Auch er gehört zu Ihrer Par-eifamilie. Dies reicht über andere bis zu Herrn Bush;en Irakkrieg will ich nicht verschweigen. Auch das istin Teil Ihrer europäischen Realität, zu der Sie nichts sa-en. Deshalb müssen wir als Opposition das hier benen-en.
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Axel Schäfer
Vom Außenminister angesprochen und von der Kanz-lerin beschwiegen wurde die zukünftige EntwicklungEuropas. Wir sind der Auffassung: Die Perspektive fürden westlichen Balkan ist die zentrale Aufgabe. Das ha-ben wir versprochen und in Europa in vielen Punkten sofestgelegt. Wir als Sozialdemokratinnen und Sozialde-mokraten haben die Haltung, dass diese Vereinbarungenstrikt eingehalten und konsequent angewandt werdenmüssen. Die Haltung, die ich heute Morgen gehört habebzw. die aus Ihrem lauten Schweigen zu schließen ist,heißt: Wir wollen bestimmte Entwicklungen konsequentanhalten und bestimmten Entwicklungen strikt entge-gentreten. – Das ist in Bezug auf den Westbalkan IhrePosition.Wir stehen dagegen. Wir stehen nicht nur dagegen,weil es nicht lediglich um die Frage geht, welche Per-spektiven die Länder haben – auch das ist wichtig –, son-dern wir stehen auch dagegen, weil demokratische Politi-ker in dieser Region für die europäische Perspektive ih-res Landes ihren Kopf auf das Schafott gelegt haben, umfür die Demokratie zu kämpfen, und ermordet wordensind – ich erinnere nur an Ministerpräsident Djindjic –und weil wir gegenüber mutigen Präsidenten wie Tadićauch die moralische Pflicht haben, die Zusagen einzuhal-ten und ihnen die europäische Perspektive zu eröffnen.
Es ist zu Recht auf den 9. November hingewiesenworden. Sehr richtig: ein bedeutender Tag in der deut-schen Geschichte. Das gilt sowohl für den 9. November1989 als auch für den 9. November 1918. Am 9. Novem-ber 1918 hat der sozialdemokratische Volksbeauftragteund spätere Ministerpräsident Philipp Scheidemann aufdem Balkon des Reichstages die parlamentarische Repu-blik ausgerufen; die Monarchie war zu Ende. PhilippScheidemann hat im Reichstag vor fast genau100 Jahren gesagt, warum dieses gemeinsame Europa,die Verständigung mit Frankreich und Großbritannien,so wichtig ist und warum von Deutschland nie wiederKrieg ausgehen soll. Dieses gemeinsame Europa ist derSozialdemokratischen Partei seit über 100 Jahren eineVerpflichtung. Dieser Verpflichtung werden wir alsFraktion auch in der Opposition nachkommen.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Michael Stübgen für die
Unionsfraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Lieber Kollege Schäfer, Sie haben etwas des-pmIKfdbk2dgUdfmsBsdtArsfbpisltlEMUgsfRapuREpkn
ch möchte Ihnen eine Garantie geben: Dieser deutscheommissar wird mit Sicherheit erfolgreicher und ein-lussreicher sein als sein deutscher Vorgänger.
Ich möchte auf einige grundsätzliche Dinge eingehen,ie die aktuelle und die künftige deutsche Europapolitiketreffen. In dieser Legislaturperiode wird mit dem In-rafttreten des Lissabon-Vertrages am 1. Dezember009 in Europa eine neue Ära beginnen. Allerdings ister Prozess bis zum Inkrafttreten dieses Reformvertra-es eine unerwartet lange Ära in der Europäischennion gewesen. Er begann vor mehr als neun Jahren miter Einsetzung des Verfassungskonvents, der den Ver-assungsvertrag erarbeitete, der dann bei Volksabstim-ungen in Frankreich und in den Niederlanden zunächstcheiterte.Erst die letzte Bundesregierung unter Führung vonundeskanzlerin Angela Merkel hat diesen Prozess, dereit Jahren brachlag, während der deutschen Ratspräsi-entschaft aktiviert. Wir kamen bis zum Lissabon-Ver-rag, der am irischen Referendum zunächst scheiterte.uch wir als Bundestag hatten noch im Juni dieses Jah-es die für uns überraschende Aufgabe, die Begleitge-etzgebung über den Sommer neu zu fassen. Allerdingsinde ich es beeindruckend, dass wir das geschafft ha-en. Denn dadurch sind die Begleitgesetzgebung und diearlamentarische Kontrolle der künftigen Europapolitikn der Tat deutlich verbessert worden. Beim Europäi-chen Rat am 29./30. Oktober dieses Jahres konnten dieetzten Hürden überwunden werden, sodass dieser Ver-rag endlich in Kraft treten kann.Manche mögen sagen, dass dieser Reformprozess zuange gedauert hat. Ich aber sage: Entscheidend ist amnde der Erfolg, dass dieser Vertrag in Kraft treten kann.it dem Lissabon-Vertrag bekommt die Europäischenion das institutionelle und vertragliche Rüstzeug, dieroßen Probleme der Gegenwart und der Zukunft ent-chlossen und erfolgreich anzugehen.Deutschland war an diesem Reformprozess immerührend beteiligt. Der Deutsche Bundestag hat dieseneformprozess immer offensiv unterstützt. Es liegt jetztn uns, und es ist jetzt unsere Aufgabe, unsere neuenarlamentarischen Möglichkeiten auch auszunutzen. Mitnserem künftig direkten Einfluss auf die europäischeechtsetzung wächst auch unsere Verantwortung für diergebnisse der europäischen Politik.Das heißt, wenn in Zukunft wieder einmal eine euro-äische Rechtsetzung am Bundestag vorbeigeht undritisch bewertet wird, wenn sie erfolgt ist, können wiricht mehr sagen, wir hätten das nicht mitbekommen,
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Michael Stübgenweil wir keine Chance gehabt hätten, das rechtzeitig inErfahrung zu bringen, nein, dann wird das bedeuten,dass der Bundestag geschlafen hat. Das darf auf keinenFall passieren. Insofern kommt auf uns durch den Lissa-bon-Vertrag und die Begleitgesetze eine Menge Mehr-arbeit zu.Lassen Sie mich noch auf ein anderes aktuellesThema kurz eingehen. Wer in den letzten Tagen dieNachrichten aufmerksam verfolgt hat, muss folgendenEindruck gewonnen haben – leider passiert das alle paarJahre wieder –: Die Europäische Kommission, obwohlnur noch amtierend, versucht offensichtlich, bevor dieneue Europäische Kommission eingesetzt wird, für Ent-scheidungen, die erst in ein bis zwei Jahren anstehen unddie erst nach intensiven Diskussionen getroffen werdendürften, Vorwegfestlegungen zu organisieren. Ich meinedamit den mehrjährigen Finanzrahmen der EuropäischenUnion ab 2014.Obwohl die Europäische Kommission bisher keineAnalyse der Konsultationen zu ihren Reformvorschlägenvorgelegt hat, ist sie jetzt schon der Überzeugung, dieEU brauche dringend eine direkte Einnahme durch Erhe-bung einer eigenen Steuer, einschließlich der Möglich-keit, Schulden aufzunehmen. Ulkigerweise begründetdie Europäische Kommission das damit, dass man nur sodie anhaltende Debatte über eine übermäßige Nettobe-lastung einzelner Mitgliedstaaten überwinden könne.Dies ist jedoch ein falscher Ansatz. Denn in Wirklich-keit ist es so, dass gerade durch die vorhandenen Direkt-einnahmen der Europäischen Kommission – den Anteilan der Mehrwertsteuer, die Zolleinnahmen, die Zucker-abgabe und dergleichen; diese Einnahmen machen un-gefähr 30 Prozent aus – das Problem, dass einzelneMitgliedsländer übermäßig belastet werden, größer ge-worden ist. Deshalb gilt nicht nur für Deutschland, son-dern auch für Dänemark und Schweden bei der Abfüh-rung der Mehrwertsteuer eine Ausnahmeregelung; sonstwürden wir im Verhältnis zu unserem Bruttonationalpro-dukt übermäßig belastet.Jetzt auf die Idee zu kommen, eine Steuer zu erheben,ist mit Sicherheit der falsche Weg; denn dadurch würdedas Problem nicht nur verschärft, sondern, weil man dieBelastung dann nicht mehr auseinanderhalten könnte,auch noch verschleiert.
Ich will für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion an die-ser Stelle klar sagen: Wir wollen – erstens – ein euro-päisches Finanzsystem, das so transparent und effizientwie möglich gestaltet ist; aber es muss auch gerecht sein.
Wir wollen – zweitens –, dass der 2005 eingeschlageneWeg der Sparsamkeit beibehalten wird. Wir sollten unsdarauf einigen, dass die Obergrenze für die Ausgabenbei maximal 1 Prozent des Bruttonationalprodukts lie-gen soll. Die Einführung einer europäischen Steuer miteSlctDdpsndgugTkdmdHsGEzeuSbsFMgswdsntlRczV
Ich möchte nicht falsch verstanden werden: Deutsch-and wird auch in Zukunft, wie es unserer wirtschaftli-hen Leistungsfähigkeit entspricht, größter und wich-igster Nettozahler in der Europäischen Union bleiben.ie Menschen werden die Europäische Union aber nurauerhaft akzeptieren, wenn sie spüren, dass die Euro-äische Union nicht nur solidarisch ist – das ist sie –,ondern auch gerecht. Nach dieser Maßgabe muss dereue europäische Finanzrahmen erarbeitet werden, undabei liegt noch viel Arbeit vor uns.Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir habenestern den 20. Jahrestag des Falls der Berliner Mauernd der innerdeutschen Grenze gefeiert. Für mich be-ann damals eine gewaltige Reise, zunächst mit meinemrabi nach München, der auf dem Weg dahin auch nochaputtging. Nächstes Jahr werden wir den 20. Jahrestager Wiedervereinigung unseres Vaterlandes feiern. Fürich ist unmissverständlich klar – und ich bin sicher,ass das von der überwiegenden Mehrheit in diesemaus genauso gesehen wird –: Das Geschenk der deut-chen Wiedervereinigung ist für Deutschland ebenso einlücksfall wie das Bestehen und die Entwicklung deruropäischen Union.Der Deutsche Bundestag hat es in den letzten Jahr-ehnten immer wieder geschafft, bei grundsätzlichenuropäischen Fragen über die Grenzen von Koalitions-nd Oppositionsfraktionen hinweg Einigung zu erzielen.o sind wir stark in Europa, und so müssen wir starkleiben in Europa. Diese Art der Zusammenarbeit wün-che ich mir auch für diese Legislaturperiode.Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat die Kollegin Kerstin Müller für die
raktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!eine Herren Minister, wenn man Ihnen heute hier zu-ehört hat und sich den außen- und sicherheitspoliti-chen Teil der Koalitionsvereinbarung ansieht – auch ichill hierzu am Anfang natürlich Stellung nehmen –,ann muss man ganz klar sagen: Sie beschwören einer-eits die Kontinuität, andererseits werden aber soge-annte westliche Werte und nationale Interessen zur zen-ralen Leitlinie erklärt.Dadurch werden gemeinsame Interessen und die kol-ektive Friedenssicherung – ich glaube, vor allem imahmen der Vereinten Nationen – in der Außen- und Si-herheitspolitik an Bedeutung verlieren. Es wird diesbe-üglich ja eine erste Nagelprobe für die Koalition bei dererlängerung des UNIFIL-Einsatzes geben. Man darf
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Kerstin Müller
gespannt sein, wie die Koalition dann damit umgehenwird.Wenn nationale Interessen vor allem als wirtschaftli-che Interessen definiert werden, weil die Sicherung desdeutschen Exports – so steht es im Koalitionsvertrag –Hauptaufgabe der Außenpolitik wird, dann muss manaus unserer Sicht ganz klar sagen: Auch in der Außen-und Sicherheitspolitik macht die Koalition eine Rollerückwärts, ist sie alles andere als innovativ und wird vorallem den neuen internationalen Herausforderungen wieKlimawandel, Armut und Staatszerfall in keinster Weisegerecht.
Wir meinen ganz klar: Nur durch eine Stärkung multila-teraler Institutionen, vor allem der UNO und der Euro-päischen Union, können wir diese neuen Herausforde-rungen bewältigen.Die Bundeskanzlerin hat in ihrer Rede vor dem US-Kongress zwar zu Recht die zentrale Bedeutung destransatlantischen Verhältnisses zwischen der EU und denUSA hervorgehoben. Aber – das muss man an dieserStelle klar sagen – die Bewältigung der großen inter-nationalen Herausforderungen kann in der Praxis ebennur dann gelingen, wenn auch die EU als internationalerAkteur endlich eigene Strategien entwickelt, die mandann mit den USA diskutieren kann. Wir erwarten, dasssich die Bundesregierung dafür stark macht. Genau dasist jedoch nicht der Fall – weder beim Klimaschutz nochin Afghanistan noch in der Nahostpolitik.Ich bleibe einmal beim Beispiel Klimaschutz. Vordem US-Kongress hat die Kanzlerin zu Recht, sage ichwieder, die Vereinbarung verbindlicher Klimaschutz-ziele in Kopenhagen eingefordert; aber einige Tage zu-vor auf dem Europäischen Rat in Brüssel
hatten Sie, meine Damen und Herren von der Bundes-regierung, Ihre Hausaufgaben nicht gemacht; denngerade eine verbindliche Finanzzusage an die Entwick-lungs- und Schwellenländer zur Bewältigung des Klima-wandels wurde nicht beschlossen. Das ist das Gegenteilvon konsequenter internationaler Klimapolitik.
Zum Beispiel Afghanistan: Auch nach der heutigenRede der Bundeskanzlerin und Ihrer Rede, Herr Vertei-digungsminister, muss man klar sagen: Meiner Meinungnach wird in den USA inzwischen offener über den not-wendigen Kurswechsel in Afghanistan diskutiert als hierin Deutschland. Die Zeit drängt; denn die Sicherheits-lage verschärft sich und durch die Umstände der letztenWahlen droht das zarte Pflänzchen der Demokratie zuvertrocknen. Deshalb finde ich – ich will das an dieserStelle noch einmal sagen –, es geht nicht, dass sich dieFrau Bundeskanzlerin heute Morgen hier hingestellt undgesagt hat: Wir warten jetzt erst einmal ab; schauen wirmal. Anfang 2010 gibt es ja die nächste Afghanistankon-ferenz. Wir winken das Mandat im Dezember erst ein-mal ohne Veränderung durch.dsti2ewufdFhssapdrtRasnSfWagdlPdFaWstSt
Ich meine, Sie müssen jetzt die Reformbereitschafter US-Regierung nutzen und deutlich machen, was un-er Beitrag zum Strategiewechsel ist.Zum Beispiel Polizeiaufbau: Warum gibt es keine Ini-ative auf europäischer Ebene,
000 Polizisten dorthin zu schicken, wobei Deutschlandinen Beitrag von 500 anbietet? Das ist es, was wir er-arten. Abwarten und Teetrinken ist aus unserer Sichtnverantwortlich.
Im Nahen Osten fehlt es meiner Meinung nach eben-alls an einer klaren gemeinsamen Strategie. US-Präsi-ent Obama hatte in Kairo ja neue Grundlagen für eineriedensinitiative gelegt; aber Außenministerin Clintonat durch ihre plötzliche Abkehr von einem Siedlungs-topp gegenüber Netanjahu ein verheerendes Signal ge-endet. Das hat Präsident Abbas geschwächt. Ich meine,uch hier muss die EU selbst Verantwortung für eineolitische Regelung des Nahostkonflikts übernehmen.Ein Wort zu der Debatte um die Besetzung des Rateser Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“. Vo-aussetzung dafür, dass Europa international mit gewich-iger Stimme mitreden kann, ist nicht nur ein neueratspräsident und ein neuer EU-Außenminister, sondernuch die vertrauensvolle Zusammenarbeit der Mitglied-taaten. Sie selbst haben das deutsch-polnische Verhält-is – ich finde das richtig – als Kernanliegen bezeichnet.ie haben in Polen zugesagt, keine Entscheidung zu tref-en, die dem Anliegen der Versöhnung entgegensteht.ir erwarten jetzt natürlich, dass es Ihnen im Hinblickuf die wichtige Frage der Besetzung des Stiftungsrateselingt, eine Berufung von Frau Steinbach zu verhin-ern.
Ich möchte mich mit einigen Sätzen an Sie persön-ich, Frau Steinbach, wenden. Sie wissen, dass Sie inolen als Hindernis für die Versöhnung angesehen wer-en. Ich sage klar, dass ich manche Töne und mancheotomontagen aus Polen für völlig überzogen und in-kzeptabel halte.
enn Ihnen aber das Verhältnis zu Polen und die Aus-öhnung wirklich wichtig sind, dann sollten Sie die poli-ische Klugheit und Größe besitzen, selber von einemitz im Stiftungsrat Abstand zu nehmen. Das wäre poli-ische Verantwortung.
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Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Dr. Rolf
Mützenich das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Außenpolitik ist keine Bühne für parteipolitische Spiel-chen. Wir Sozialdemokraten akzeptieren die Regeln,Normen und Institutionen der deutschen Außenpolitik.Wir haben diese Grundsätze mitgestaltet und erweitert.Die Bürgerinnen und Bürger, unsere Partner und Nach-barn können sich in den nächsten vier Jahren auf einekonstruktive Rolle der SPD auch in der Opposition ver-lassen. Herr Außenminister Westerwelle, im Gegenzugbitten wir Sie herzlich, die Opposition dort einzubezie-hen und zu informieren, wo es angemessen und erforder-lich ist. Ich glaube, das gehört zum parlamentarischenVerfahren dazu. Ich wünsche Ihnen und Ihren Mitarbei-terinnen und Mitarbeitern eine gute Arbeit für unserLand. Darin werden wir Sie bestärken. Dort aber, wo wirUnterschiede und Meinungsverschiedenheiten feststel-len oder Zweifel haben, werden wir diese in den nächs-ten vier Jahren benennen und Alternativen vorschlagen.Ich habe eine Anregung: Wir sollten überlegen, obwir am Anfang eines jeden Jahres eine zentrale Grund-satzdebatte führen könnten, die sich mit den außen- undsicherheitspolitischen Herausforderungen Deutschlandsin den nachfolgenden Monaten befasst. Ich glaube näm-lich, der Bundestag ist der zentrale Ort, um über dieseFragen zu diskutieren und um von der BundesregierungAuskunft über die weiteren Schritte zu bekommen. Einesolche parlamentarische Diskussion wäre angemessenund könnte dem manchmal auftretenden öffentlichenDesinteresse an der Außenpolitik entgegenwirken.
Ich will nur drei Punkte benennen, die mir im Koali-tionsvertrag aufgefallen sind. Die Frage des Völker-rechts hat als zentrales Thema in der internationalenPolitik nicht die Würdigung erhalten, die ich mir ge-wünscht hätte.
In den letzten Jahren konnten wir in der internationalenöffentlichen Debatte die Tendenz feststellen – gesternhat Russland in diesem Zusammenhang etwas veröffent-licht, was ich nicht gutheiße –, dass das Völkerrechtnicht mehr in den Mittelpunkt gerückt wird. Manchmalwird der internationale Terrorismus als Grund dafür ge-nannt, dass das Völkerrecht nicht eingehalten werdenkann. Ich halte das nicht nur für waghalsig, sondern auchfür einen Rückschritt in der internationalen Politik.Wenn wir die Fortschritte im Völkerrecht, die nach 1945erreicht wurden, endgültig über Bord werfen würden,dann hätte der internationale Terrorismus gewonnen.
Herr Minister, Abrüstung und Rüstungskontrollegehören zu den Grundpfeilern deutscher Außenpolitik.WmcsgswuttgsdRSwwdhcakbrwdtwgtdmsS–d–dwimiRIßn
Herr Außenminister, Sie haben im Wahlkampf undährend Ihres USA-Besuchs erfreulicherweise die Be-eutung der nuklearen Abrüstung hervorgehoben. Ichabe gesagt, wir unterstützen das. Ich bedaure ein biss-hen, dass Sie in Washington leiser aufgetreten sind alsuf den deutschen Marktplätzen während des Wahl-ampfs. Aber ich glaube, dass es an dieser Stelle einenreiten Konsens im Deutschen Bundestag gibt, die Ab-üstung und Rüstungskontrolle voranzutreiben.Ich würde Sie nur gerne daran erinnern, dass es not-endig wäre, gerade mit unseren Partnern in Europa inen nächsten Wochen und Monaten über etwas zu disku-ieren, was Präsident Obama im Dezember vorlegenird, nämlich eine neue Nuklearstrategie der USA. Ichlaube, sie wird in den europäischen Ländern ganz un-erschiedlich bewertet. Deswegen wäre es gut, wenn dereutsche Außenminister im Vorhinein versuchte, einenöglichen Dissens in Europa über die US-amerikani-che Nuklearstrategie zu verhindern.Wenn ich am Anfang gesagt habe – ich komme zumchluss –
diese Überheblichkeit geht mir gegen den Strich, aberas ist ein anderer Punkt –
nein –, dass die deutsche Sozialdemokratie Sie auch iner Opposition in den kommenden vier Jahren bei denichtigen Fragen der Außenpolitik unterstützt, so willch nur daran erinnern, dass das auch bei uns nicht im-er unumstritten war. Vor 50 Jahren hat Herbert Wehnerm Deutschen Bundestag eine wichtige außenpolitischeede gehalten und gesagt, dass die Sozialdemokratie dienstitutionen und die Verträge Deutschlands für die Au-enpolitik anerkennt. Das hat Handlungsspielraum eröff-et.
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Dr. Rolf MützenichIch würde mir wünschen, dass diejenigen, die heutenoch in der Außenpolitik abseitsstehen, sich möglicher-weise diese Erfahrungen zunutze machen und in dennächsten vier Jahren dazulernen.Vielen Dank.
Für die Unionsfraktion hat nun die Kollegin Erika
Steinbach das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Zunächst einige Sätze zu unserem sehr ge-schätzten Nachbarland Polen: Glücklicherweise ist War-schau nicht ganz Polen. Überall dort, wo die deutschenVertriebenen tagtäglich hinfahren – nicht mit der Faustin der Tasche, sondern mit offenem Herzen –, gibt es einwunderbares deutsch-polnisches Miteinander.
Dort, wo deutsche Politiker hinfahren, gibt es Aversio-nen gegen diesen Teil der deutschen Bevölkerung. Dasmuss man deutlich sagen.
Die Verantwortung dafür liegt in weiten Teilen bei Ein-zelpersonen dieses Hauses.
Gestern jährte sich der Fall der Mauer zum 20. Male.Es ist schon wahr, was der Kollege Arnold Vaatz sagte,nämlich dass aus den Reihen der Opposition dazu wenigzu hören war. Ich weiß noch, wie erschrocken mancherSozialdemokrat vor 20 Jahren gewesen ist, weil dieMauer gefallen war. Der Wunsch war bei vielen ein völliganderer.
Zu den drei Ministerbereichen kann man heute deut-lich sagen: Alle drei haben mit Menschenrechten zu tun.Deshalb war auch der gestrige Tag für mich sehr bemer-kenswert. Einige der farbenfrohen Dominosteine näm-lich, die aus diesem Anlass symbolisch zum Einsturz ge-bracht wurden – symbolisch für das Eindrücken derMauer durch die Menschen in der DDR –, waren vonSchülern und Künstlern aus Südkorea und Zypern ge-schaffen worden. Beides sind Länder, in denen es heutenoch Mauer und Stacheldraht gibt. Es ist auch ein Sym-bol, dass sich diese Menschen die Einheit wünschen.üdieeradtMgVdIamghdidpJhfwMDfdlAB
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– Dann hören Sie einfach zu, Frau Roth.
– Es geht weiter. Ich bin nicht fertig. Schließlich istmeine Redezeit noch nicht zu Ende.
Es ist die Aufgabe deutscher Politik – auch deutscherMenschenrechts- und Außenpolitik –, die Traumata Mil-lionen deutscher Vertreibungsopfer, mit denen viele vonuns tagtäglich konfrontiert werden, in unseren Nachbar-ländern zu erklären und verantwortungsvolles Handelngegenüber den Opfern in aller Welt anzumahnen, aberauch selbst hier im Land zu praktizieren. Hertha Müllerhat am vorigen Sonntag in der Frankfurter Paulskircheaus ihrem Buch Atemschaukel gelesen und geschildert,wie die Menschen in den Lagern geknechtet wurden.
Kollegin Steinbach, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Beck?
Nein, das möchte ich nicht. Danke schön. – Der
Goethe-Preisträger Raymond Aron hat in der Frankfurter
Paulskirche auch uns Deutschen ins Stammbuch ge-
schrieben, und zwar vor einem Auditorium, das ihm gut
zuhörte:
Der Charakter und die Selbstachtung einer Nation
zeigen sich darin, wie sie mit ihren Opfern der
Kriege und mit ihren Toten umgeht.
Raymond Aron hat recht. In dieser Frage gab es jahre-
lang Defizite in der deutschen Politik. Bis heute hat noch
kein deutscher Außenminister – deshalb, Herr Außenmi-
nister, ist es eine Aufgabe auch für Sie – an den Massen-
gräbern deutscher Zivil- und Lageropfer einen Kranz
niedergelegt, nicht bei den 2 116 Toten des Massengra-
bes von Marienburg, nicht bei den Opfern der polni-
schen Lager Lamsdorf oder Potulitz, nicht bei den Mas-
sengräbern in der Tschechischen Republik oder in Ex-
Jugoslawien in Gakowa oder in Rudolfsknad. Deshalb
begrüße ich den Satz der Präambel des Koalitionsvertra-
ges, der da lautet:
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nd zum Beispiel Lehrer, die wir in Deutschland brau-hen, gegen Lehrer, die in Afrika genauso dringend ge-raucht werden, auszuspielen, und der immer wiederagt, dass Steuergelder verschwendet werden, wenn maneld nach Afrika gibt, sich aber heute als Minister alsnwalt der Ärmsten der Armen darstellt, unglaubwürdigst. Das zeigt, wie wenig Ihnen in Wirklichkeit diese Ar-eit wert ist. Aber den Dienstwagen und den Postenollten Sie natürlich haben. Deshalb sind Sie Ministereworden.
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Dr. Sascha RaabeIch sehe gerade den Kollegen Außenminister lächeln.Ich erinnere mich, dass ich in den wenigen Jahren, dieich diesem Hohen Hause angehöre, an Generaldebattenüber den Haushalt teilgenommen habe, in die HerrWesterwelle als Fraktionsvorsitzender der FDP einge-stiegen ist und in denen er als allererstes zum Haushalt,wohlgemerkt, gesagt hat, der Haushalt sei ganz schlimm,weil Millionen an China und Indien verschwendet wür-den.
Immer wieder kam das Argument, es würden Steuergel-der an Länder verschwendet, die es aber in Wirklichkeitbitter nötig hatten. Man hat so getan, als würden wir derRegierung Mittel geben, die diese unsinnig verwendet.Es wurde aber gar nicht hingeschaut, dass es darum ging,Klimaschutz, Umweltschutz und Energieeffizienz zuverbessern. Wenn wir jetzt, kurz vor dem Gipfel in Ko-penhagen, nicht verstehen, dass wir auch darauf achtenmüssen, dass wir in Ländern, die über 2 Milliarden Ein-wohner haben, Anreize für Energieeffizienz und dafürschaffen, dass dort mit Rohstoffen sparsam gehaushaltetwird, dann können wir den Schutz des Weltklimas ganzabschreiben.Deswegen sage ich: Schluss mit dem Populismus!Lassen Sie uns sowohl die Klimaprobleme als auch dieProbleme der Entwicklungszusammenarbeit endlich ein-mal ernst nehmen. Dann können wir vielleicht irgend-wann zusammenkommen, Herr Entwicklungsminister.
Der Koalitionsvertrag – ich will ihn an einer Stellefair bewerten – hat einen entwicklungspolitischen Ab-schnitt, der zum Teil sehr stark die Handschrift unseresehemaligen Koalitionspartners, der Union, trägt. DieserAbschnitt enthält durchaus Sätze, die wir, die SPD, undunsere Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul mitgetra-gen haben; allerdings steht im Abschnitt zur Außenwirt-schaftspolitik zum Teil das genaue Gegenteil davon. Daist es einfach unglaubwürdig, zu sagen, man wolle Ent-wicklungsländern wirtschaftlich Hilfe zur Selbsthilfeleisten; schließlich sorgt man gleichzeitig dafür, dass alleSchutzzölle eingerissen werden, wodurch die Märkte mitAgrarprodukten aus Europa und aus den USA über-schwemmt werden, ohne dass sich die Kleinbauern, diejetzt schon größte Schwierigkeiten haben, ihre Produktezu verkaufen, dagegen schützen können.Auf diesen Tagesordnungspunkt folgt die Landwirt-schaftsdebatte; Frau Ministerin Aigner ist schon da. FrauAigner, Sie haben in Europa nicht verhindert, dass zumBeispiel für Milchpulver aus Europa Exportsubventio-nen gezahlt werden. Ihre Politik ist nicht kohärent. MitIhrer Handelspolitik reißen Sie das wieder ein, was wirin vielen Jahren mühsam aufgebaut haben.
Ich möchte ferner ansprechen, dass wir, das deutscheParlament, den Menschen auf der Welt versprochen ha-b2swDKWddvwDkbsad1ddEabdWwgSAenDwsdzwDr
as ist in Europa gemeinsam vereinbart worden, und dieanzlerin hat zu diesem Ziel immer wieder gestanden.ir werden beim Haushalt 2010 genau hinschauen, obas seinen Niederschlag findet. Ich frage mich, wie Sie,ie FDP, das erreichen wollen, wenn Sie ankündigen,on den CO2-Emissionserlösen solle nichts dafür ver-endet werden.Dieses Versprechen haben Sie nicht nur 80 Millioneneutschen gegeben – viel mehr Deutsche, als Sie den-en, sind in kirchlichen Einrichtungen organisiert; sie ar-eiten ehrenamtlich in Eine-Welt-Läden; sie engagierenich in kleinen Hilfsorganisationen oder an Schulen fürrme Menschen –, sondern auch 3 Milliarden Menschen,ie von weniger als 2 Dollar pro Tag leben, undMilliarde Menschen, die jeden Tag vom Hungertod be-roht ist. Wenn Sie das Versprechen nicht einhalten, inen Haushalt für das nächste Jahr 0,51 Prozent Mittel fürntwicklungszusammenarbeit einzustellen, dann ist dasngesichts der Anzahl der Menschen, denen Sie es gege-en haben, die größte Wahllüge, die es in der Geschichteieser Republik je gegeben hat.
ir werden genau hinschauen. In diesem Sinne werdenir Ihnen eine feurig-kritische Opposition sein. Ichlaube, das haben Sie auch nötig.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Kollege Christoph Strässer für die
PD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!m Schluss dieser sehr intensiven Debatte steht nochinmal das Thema Menschenrechte auf der Tagesord-ung. Ich möchte einfach darauf hinweisen, dass dereutsche Bundestag vor elf Jahren einen sehr richtung-eisenden Beschluss über das gefasst hat, was Men-chenrechtsarbeit ist, nämlich eine Arbeit, die kohärenturch alle Politikfelder geht, die in allen Politikfeldernu betrachten ist. Ich meine, an dieser Tatsache solltenir den Koalitionsvertrag messen.
Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Neben den vieleningen, die in diesem Koalitionsvertrag stehen und de-en Einhaltung wir überprüfen werden, ist für mich die
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Christoph Strässergrößte Enttäuschung, dass darin zu menschenrechtlichenThemen, die auch in Deutschland relevant sind – ange-sichts der kurzen Redezeit beziehe ich mich ausdrück-lich darauf –, so gut wie gar nichts steht. Das, was darinsteht, ist völlig unzureichend.
Ich will das an zwei Beispielen deutlich machen.Frau Steinbach hat – wie ich finde, zu Recht – dieseDiskussion eröffnet, indem sie gesagt hat: Menschen-rechte sind unteilbar; sie sind universell, und sie geltenentsprechend Art. 1 des Grundgesetzes – „Die Würdedes Menschen ist unantastbar“ – für alle Menschen, diein Deutschland leben. Darauf möchte ich jetzt noch ein-mal hinweisen. Im Koalitionsvertrag steht eine ganzeMenge über Strategien im Ausland. Ich verweise nureinmal auf das, was dort zu Afrika steht – das ist nur einkleiner Abschnitt; ich dachte eigentlich, der KollegeFischer hätte ein größeres Standing in seiner Fraktion;mehr hat er aber nicht zustande gebracht –: Man mussAfrika dabei unterstützen, sich selbsttragend mit Flücht-lingsströmen auseinanderzusetzen und die damit ver-bundenen Probleme zu lösen. Das ist richtig. Dagegen istüberhaupt nichts einzuwenden. Aber, meine Damen undHerren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt nun ein-mal auch Menschen in Afrika, denen wir Unterstützunggeben müssen, weil sie in ihren Ländern – das haben wirein Stück weit mitzuverantworten – nicht mehr lebenkönnen. Daran, wie wir mit diesen Menschen umgehen,bemisst sich auch der Wert von Außenpolitik, von Si-cherheitspolitik und von Menschenrechtspolitik. Damuss man sich dann auch Fragen stellen.Wir haben – das finde ich gut – mit dem EU-Vertragauch eine Grundrechtecharta verabschiedet. Das heißt,in allen Ländern der EU bis auf die Tschechische Repu-blik, Polen und Großbritannien gelten Grundrechte un-mittelbar. Das ist ein Riesenfortschritt. Dass das erreichtworden ist, ist unter anderem ein Verdienst der vorheri-gen Bundesregierung. Dafür auch noch einmal einenganz herzlichen Dank! Wenn man das aber ernst nimmt,dann muss man sich schon einmal die Frage stellen: Wiegehen eigentlich dieses Europa und insbesondere dasgrößte Land in diesem Europa damit um, dass Menschenaus Afrika, denen vor Ort nicht geholfen werden kann,Sicherheit für ihr Leben, für ihre Ernährung und für ihreGesundheit irgendwo anders suchen? Diesen Menschenzu helfen ist, wie ich denke, auch eine Aufgabe deut-scher Menschenrechtspolitik. Ob es uns gelingt, ein ver-nünftiges und faires Asylverfahren für alle einzuführen,ist auch ein Punkt, an dem wir uns messen lassen müs-sen.
Dabei geht es dann auch um die Frage, wie wir mitden Leuten umgehen, die hier sind. Ich habe sehr wohlgelesen – ich weiß, das fällt nicht in Ihr Ressort, aber esist doch sehr spannend –, dass man sich bemüht, einezeitnahe Lösung des sogenannten Bleiberechtspro-blems bei denjenigen, die unter die sogenannte Altfallre-gelung fallen, herbeizuführen. Liebe Kolleginnen undKgWSmcZmlnJbsbwresmdszbvzsdndmlldDSzwmKhdbbgiwAfSDsd
ir lassen Menschen in Unsicherheit, in Angst undorge um ihre Existenz, und Sie sagen jetzt: Wir küm-ern uns um eine zeitnahe Lösung. Sie können ganz si-her sein: Sie werden von unserer Fraktion in absehbarereit eine klare Lösung vorgelegt bekommen. Dabei kannan sich nicht darauf beschränken, die Stichtagsrege-ung um ein Jahr zu verschieben. Ich weiß doch ganz ge-au: In einem Jahr ist die Krise nicht beendet, in einemahr sind die Probleme für diese Menschen auf dem Ar-eitsmarkt so, wie sie jetzt sind, vielleicht sogar nochchlimmer. Deshalb brauchen wir eine Altfallregelung,ei der im Gesetz Menschenrechtsaspekte berücksichtigterden und die damit diesen Namen auch verdient. Da-an werden wir Sie messen, aber wir werden selber auchntsprechende Vorschläge einbringen. Wir sind sehr ge-pannt, was dabei herauskommt. Gerade an dieser Stelleuss sich unter dem Aspekt der Menschenwürde dieeutsche Menschenrechtspolitik messen lassen.Wir haben viele internationale Vereinbarungen unter-chrieben. Wir sind dabei, noch weitere Vereinbarungenu unterschreiben. All das, was Sie, Herr Außenminister,ezüglich nuklearer Abrüstung und zum Fortschaffenon Atomwaffen von deutschem Boden gesagt haben, istwar richtig, aber – ich bin dem Kollegen Nouripourehr dankbar, dass er das hier einmal klargemacht hat –ie wirklichen Risiken für Menschen in anderen Konti-enten stellen kleine und leichte Waffen dar. Ich for-ere Sie auf, die Prüfung eines vernünftigen Abkom-ens zur Verhinderung des Exports von kleinen undeichten Waffen, die in den Vereinten Nationen geradeäuft, ernst zu nehmen. Durch diese Waffen sterben Hun-erttausende von Menschen. Solche Abkommen musseutschland mit auf den Weg bringen. Hierfür solltenie sich in Kontinuität zur alten Bundesregierung einset-en. Das wäre meine herzliche Bitte an Sie.Ein letzter Punkt liegt mir noch auf dem Herzen: Ichar sehr froh darüber, dass im Koalitionsvertrag die Be-erkung steht, dass man den Vorbehalt gegenüber derinderrechtskonvention der Vereinten Nationen auf-eben will. Ich bin zunächst einmal sehr froh darüber,ass Sie endlich akzeptieren, dass es einen solchen Vor-ehalt gibt. Ich kann mich noch an Debatten erinnern,ei denen hier gesagt wurde, einen solchen Vorbehaltebe es überhaupt nicht. Jetzt wurde festgestellt, dass eshn gibt. Ich kann Ihnen nur sagen, auch daran werdenir Sie messen. Sie werden noch in diesem Jahr einenntrag von uns auf den Tisch bekommen, in dem wirordern, die Vorbehalte zurückzunehmen. Dann könnenie beweisen, dass Sie es an dieser Stelle ernst meinen.as wäre ein guter Fortschritt in der deutschen Men-chenrechtspolitik, insbesondere zugunsten von Kin-ern.Danke schön.
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Weitere Wortmeldungen zu diesem Themenbereichliegen nicht vor.Wir kommen nun zum Themenbereich Ernährung,Landwirtschaft und Verbraucherschutz.Das Wort hat die Bundesministerin für Ernährung,Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Ilse Aigner.
Ilse Aigner, Bundesministerin für Ernährung, Land-wirtschaft und Verbraucherschutz:Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Warum das Präsidium die Aussprache überden Themenbereich Ernährung, Landwirtschaft und Ver-braucherschutz an den Schluss dieses Plenartages gesetzthat, weiß ich nicht. Ich kann nur mutmaßen: vielleicht jadeshalb, weil das Beste immer zum Schluss kommt.
Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutzsind zentrale Handlungsfelder der Zukunft. Energiever-sorgung und Klimaschutz sowie eine nachhaltigeLebensqualität für die Menschen in unserem Land zie-hen sich wie ein roter Faden durch die Koalitionsverein-barungen. Sie sind auch ganz entscheidend für meinHaus und die Arbeit meines Hauses. Die Koalition hatdafür die Weichen richtig gestellt.In diesen Tagen erinnern wir uns an den Mauerfallvor 20 Jahren. In zwei Dekaden kann politisch viel ge-schehen, denn die Lebenswelten der Menschen ändernsich, und das erfordert Anpassungsbedarf. Ich möchtedas am Beispiel des Verbraucherschutzes darstellen.Vor 20 Jahren hatte jeder denselben Telefonanbieter, undkaum einer nutzte intensiv das Internet. Inzwischen istdas Waren- und Dienstleistungsangebot immer breitergeworden. Meines Erachtens ist es ein Ausdruck vonFreiheit, eine solche Auswahl zu haben. Es ist auch einErgebnis der sozialen Marktwirtschaft. Dafür steht dieBundesregierung. Das breite Angebot bringt aber mitsich, dass man sich in der Vielfalt der Warenwelt zu-rechtfinden muss, dass man Lockangebote durchschauenund Warnsignale frühzeitig erkennen muss. Für uns stehtein freier, selbstständiger und kompetenter Verbraucherim Mittelpunkt. Wir informieren, begleiten und unter-stützen. Wir schützen vor Gefahren und stärken seineRechte. Aber wir wollen nicht bevormunden.
Das gilt für den rechtlichen, den wirtschaftlichen undauch den gesundheitlichen Verbraucherschutz. Wir ha-ben hier in der letzten Legislaturperiode viel erreicht. Ichnenne beispielhaft nur die Kennzeichnung von Allerge-nen in Lebensmitteln, den Kampf gegen unlautere Tele-fonwerbung und die Stärkung der Fahrgastrechte.Aber wir haben auch noch vieles vor uns. Wir werdendas Verbraucherinformationsgesetz weiterentwickeln.Die Regelungen sollen sich stärker an den Belangen derVerbraucher orientieren, und sie müssen insgesamttetdwbwmWsWwdVrwiuecndgsAAEIAStcshllnDbwgzgmRrrtdm
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Für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Waltraud
olff das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen underren! Wir können, wir wollen, wir haben die Kraft –as haben wir heute den ganzen Tag gehört.
ber viel Konkretes aus dem Koalitionsvertrag ist nichtngesprochen worden.
Die CSU– so heißt es in dem Positionspapier „Landwirtschaft inayern“ vom 18. Mai dieses Jahres –nimmt die Sorgen und Nöte von Landwirten undWaldbauern ernst …
ie Frage ist doch aber: Wird die Agrarpolitik der CSUnd der Landwirtschaftsministerin von den Landwirtennd Waldbauern überhaupt noch ernst genommen? Ichabe da meine Zweifel.
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Waltraud Wolff
Ich habe im Übrigen auch meine Zweifel, ob sie vonden Verbraucherinnen und Verbrauchern ernst genom-men wird. Denn für die Verbraucherpolitik gilt, dassder Koalitionsvertrag ein Dokument des Scheiterns ist.Eines ist Fakt: Sie haben einen grandiosen Fehlstarthingelegt.
Ihre Vereinbarungen – das haben wir heute gehört, FrauMinisterin Aigner – bleiben im Ungefähren. Wenn esdenn endlich einmal etwas Konkretes gibt, dann, somuss man sagen, sind das Maßnahmen, die sich gegendie Verbraucherinnen und Verbraucher richten.
Die Finanzkrise ist noch nicht vorüber. Frau Aigner,Sie selbst haben eben das Kurzinformationsblatt fürFinanzprodukte angesprochen, das von Ihnen als Er-folg gefeiert wurde. Es ist doch noch nicht einmal klar,ob es dafür überhaupt eine gesetzliche Regelung gibt.Das steht in Ihrem Koalitionsvertrag. Und das soll schonein Erfolg sein? Die Verbraucherinnen und Verbrauchererwarten etwas ganz anderes. Sie erwarten einen Finanz-TÜV. Die Verbraucherinnen und Verbraucher erwartenVerbraucherverbände, die klar und eindeutig mit einerMarktwächterfunktion ausgestattet sind.Ihre Verbraucherpolitik ist mutlos und ohne Gestal-tungswillen. Ampelkennzeichnung: Fehlanzeige. Aus-weitung des Verbraucherinformationsgesetzes – Sie ha-ben es angesprochen –: Dazu ist nichts zu finden.Verbraucherberatung: vage. Frau Ministerin, das merkenauch die Verbraucherinnen und Verbraucher in der Bun-desrepublik Deutschland.
Bei der Agrarpolitik geht es genauso weiter. DieBauern sehen ganz genau, dass Ilse Aigner und HorstSeehofer keine Gestaltungsmacht haben.
– Hören Sie zu, Herr Bleser. – Sie erleben, dass vollmun-dige Versprechungen der CSU einfach nichts wert sind.
Seit den Landtagswahlen in Bayern haben beide denMenschen gentechnikfreie Regionen und den Milchbau-ern ein neues Mengensteuerungssystem versprochen.
Was steht davon im Koalitionsvertrag? Nichts. FrauAigner, Sie haben sich nicht durchgesetzt. Sie lassensich die Inhalte Ihrer Politik von CDU und FDP diktie-ren.–atDisdJAaSbSdEekussNSAwfwtEwsDwazhbamra
Zuhören!Leider haben Sie – das ist das wirklich Schlimme –uch keinen Gestaltungsanspruch. Dem Koalitionsver-rag fehlt jegliche Perspektive für die Landwirtschaft.as Einzige, was Sie den Landwirten anbieten können,st das von Ihnen eben kurzfristig für zwei Jahre vorge-tellte Förderfeuerwerk – so will ich es einmal nennen –,as Sie auf Pump finanzieren. Wohlgemerkt, für zweiahre! Was kommt danach, was sagen Sie anschließend?
grarpolitik – meine Damen und Herren, das wissen wirlle hier im Raum – wird vorrangig in der EU gemacht.ie, Frau Aigner, haben in Ihrem Koalitionsvertrag mit-eschlossen, dass die Mittel im EU-Haushalt zu Verkehr,icherheit, Bildung und Forschung umgeschichtet wer-en. Was heißt das auf gut Deutsch? Wir haben wenigerU-Mittel für die Landwirtschaft. Sie haben dem nichtsntgegengesetzt. Ihr Koalitionsvertrag gibt jedenfallseine Antworten darauf. Ich weiß nicht, wie Sie damitmgehen. Sie werden uns das im Ausschuss demnächsticherlich beantworten.
Frau Aigner, bei Ihrer Amtseinführung haben Sie ge-agt, Sie würden Ihre Politik konsequent weiterführen.ur zu meinem Verständnis frage ich: Heißt das etwa,ie werden die Weichenstellungen der europäischengrarpolitik weiterhin ignorieren? Heißt das auch, Sieollen sich weiterhin von der EU-Kommission eine Ab-uhr nach der anderen holen, weil Sie als Bundesland-irtschaftsministerin bayerische Kirchturmpolitik be-reiben?Beispiel Milch: Sie haben eine Politik verfolgt, die inuropa nicht mehrheitsfähig, nicht durchsetzbar ist. Sieissen das. Sie haben eine Politik verfolgt, die Scheinlö-ungen statt Perspektiven bietet.
as Einzige, was Sie damit erreicht haben, ist, dassertvolle Zeit verloren gegangen ist. Sie haben nichts,ber auch gar nichts getan, um hier den Quotenausstiegu begleiten. Sie haben die Bauern einfach im Regen ste-en gelassen. Dazu sage ich nur eines: Wer von derayerischen Landtagswahl bis zur Bundestagswahl nuruf Sicht fährt, der verliert einfach den Weitblick. Es tutir leid, das sagen zu müssen.
Meine Damen und Herren, gestern hatten wir den Jah-estag „20 Jahre friedliche Revolution in der DDR“. Mirls Sachsen-Anhalterin ist das sehr wichtig gewesen.
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Waltraud Wolff
Glauben Sie mir: Ich wäre 20 Jahre nach dem Fall derMauer im Leben nicht auf die Idee gekommen, dass ichin Ihrem Koalitionsvertrag einen Satz finde, der lautet:Beim Flächenerwerb werden wir die Rechte derAlteigentümer stärken.Was soll denn das bedeuten?
Was wollen Sie mit einer solchen Klientelpolitik eigent-lich erreichen? – Frau Präsidentin, ich komme gleichzum Schluss.Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich immer wiederdafür eingesetzt, dass die Flächen mit langen Pachtver-trägen für die landwirtschaftlichen Betriebe zur Verfü-gung gestellt werden
– Sie wissen, dass es da keine Rücklagen gibt – und dasssie beim Verkauf gleichgestellt werden. Sie stellen allesauf den Kopf und setzen damit die Existenz von land-wirtschaftlichen Betrieben im Osten der Republik undArbeitsplätze im ländlichen Raum aufs Spiel.Frau Aigner, ich muss Ihnen sagen: Ihr Koalitionsver-trag ist mehr als dürftig. Kommen Sie endlich von IhremKirchturm herunter und werden Sie endlich Bundesland-wirtschaftsministerin.Vielen herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Hans-Michael Goldmann
für die FDP-Fraktion.
Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol-legen! Frau Wolff, es tut mir leid, aber ich finde, es istein prima Tag: Ich darf zum ersten Mal in Regierungs-verantwortung für meine Fraktion reden, und wir habeneinen super Koalitionsvertrag. Ich glaube, Sie haben ihnnicht gelesen; anders kann es nicht sein.
– Sie müssen einfach mal hineingucken. Was Sie ebenzum Flächenerwerbsänderungsgesetz gesagt haben, istschlicht falsch. Ich finde, Frau Wolff, Sie sollten einfacheinmal anerkennen, dass wir das prima hingekriegt ha-ben.
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as sind zwei zentrale Elemente für die Menschen imändlichen Raum, für Bäuerinnen und Bauern. Ichlaube, da sind wir uns einig.
Herr Kelber, müssen Sie sich an die neue Rolle erstoch gewöhnen?
Das war doch konkret.
Frau Aigner, ich wünsche mir, dass Sie auch zukünf-ig Ihre Selbstständigkeit unter Beweis stellen. Wir wer-en nicht bestimmte Themen aussparen, sondern wir ar-eiten sie ab. Wir versuchen, gute, fachliche Lösungenuf den Weg zu bringen. Das ist uns insgesamt gelungen.Wie gesagt: Ihnen muss ein anderer Koalitionsvertragorliegen. In dem Koalitionsvertrag ist ganz klar festge-chrieben, dass wir eine Fülle von nationalen und euro-äischen Maßnahmen mit globalen Notwendigkeiten ininklang bringen.Es wurden Aspekte der europäischen Ebene ange-prochen, zum Beispiel – Frau Aigner hat es erwähnt –ie Sicherheit, dass die Beträge – Stichwort EU-Direkt-ahlung – bis 2013 feststehen. Das bringt Planungs-icherheit. Ab 2013 wollen wir uns darum bemühen, so-ohl eine starke erste als auch eine starke zweite Säuleer Gemeinsamen EU-Agrarpolitik zu gewährleisten.
Wir haben klar gesagt, dass wir den Weg von WTOnd Doha mitgehen. Auch wir wollen im Grunde ge-
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Hans-Michael Goldmannnommen raus aus der Subventionierung der Landwirt-schaft, weg von der Exporterstattung. Dafür stellen wirdie Weichen, zum Beispiel mit einem konkreten Sofort-programm. Dieses Sofortprogramm hilft genau hier, undes löst auch zum Teil das ab, was als Forderung früherim Raum stand. Das wissen Sie ganz genau. Sie habenvorhin so getan – Sie Schlingel hätte ich fast gesagt –,als ob Sie für ein Mengensteuerungssystem wären. Dashabe ich noch sehr gut in Erinnerung.Nein, dieses Sofortprogramm, dieses Grünland-Milchprogramm, hilft den Milchbauern in einer Situa-tion der Veränderung, die wir im Moment haben, diepositive Entwicklung anzuschieben. Das Geld ist ver-nünftig eingesetzt. Dieses Geld ist nebenbei auch gut beider landwirtschaftlichen Unfallversicherung eingesetzt,liebe Frau Wolff und Kollegen. Das wissen Sie ganz ge-nau. Deswegen könnten Sie an dieser Stelle sagen: Es isteigentlich prima, dass es dieses Sofortprogramm gibt. Esist gut, dass damit eine klare Antwort auf die Herausfor-derungen, vor denen die Milchwirtschaft steht, gegebenwird.Man kann auch darüber nachdenken, dass dieses So-fortprogramm die bisherigen Forderungen nach einerAbschaffung der Saldierung – die wir beide auch nichtwollten – und die flexible Mengensteuerung aus demMarkt wischt. Ich finde, dass wir ein sehr gutes Ergebniserzielt haben. Dieses Ergebnis trägt unserem Leitbildeiner marktorientierten, flächendeckenden Land-wirtschaft absolut Rechnung.
Herr Kelber, werfen Sie einen Blick in den Koali-tionsvertrag. Dort werden die Notwendigkeiten derWelternährung klar angesprochen, es werden die Not-wendigkeiten im Hinblick auf die Rücksicht gegenüberunserem Klima angesprochen. Ihr ist ein großes Kapitelgewidmet. In diesem Koalitionsvertrag wird den Ent-wicklungsländern und der Stärkung der Entwicklungs-länder nach der Idee der Selbsthilfe Rechnung getragen,und wir haben uns intensiv mit Ressourcenschonung be-schäftigt.
– Nein, das stimmt überhaupt nicht. Wenn ich zum Bei-spiel an den Bereich Agrardiesel denke, dann stelle ichfest, dass die Eins-zu-eins-Umsetzung die Antwort aufdie Forderung nach mehr Bürokratieabbau ist. Das isteine Antwort darauf, dass wir den Wettbewerb der deut-schen Landwirte auf dem europäischen Markt verbes-sern wollen.
Das sind genau die Punkte, die wir nötig haben: natio-nale Maßnahmen mit europäischen Maßnahmen undglobalen Maßnahmen in Einklang zu bringen.Das ist ein klar wachstumsorientierter Koalitionsver-trag. Wir sind ja nicht dämlich. Wir haben festgestellt,dass die Länder, in denen die Ernährungs- und die Land-wmpsrhndLgRctwkghiWnmfMfrmdDdtweakb
Wir haben das Thema Tierschutz konkret angespro-hen; Sie haben es ja gelesen. Es steht drin: Impfen stattöten. Es steht auch drin, dass wir weniger Tierversucheollen. Wir haben auch das Thema Tiergesundheit kon-ret angesprochen.In vielen Fällen haben wir wirklich sehr konkrete An-aben gemacht. Wir haben jetzt vier Jahre lang Gelegen-eit, diese konkreten Angaben mit Ihrer Unterstützungn die Tat umzusetzen.
enn das passiert, freut sich die deutsche Land- und Er-ährungswirtschaft. In diesem Sinne: Auf gute Zusam-enarbeit! Wir sind für gute Vorschläge jederzeit offen.
Die Kollegin Dr. Kirsten Tackmann hat jetzt das Wort
ür die Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!eine erste Rede im Deutschen Bundestag habe ich vorast genau vier Jahren, am 1. Dezember 2005 in Erwide-ung auf die Rede von Horst Seehofer gehalten. Ich habeeine Rede mit folgendem Satz begonnen:Unsere ostdeutschen ländlichen Räume drohen zuverarmen, zu vergreisen und zu verdummen.
Das Sitzungsprotokoll dokumentiert Widerspruch auser CDU/CSU-Fraktion.
abei war das der Satz eines Regionalplaners und nichter Linken. Leider ist dieser Satz heute, vier Jahre spä-er, wahrer denn je. Er kann mittlerweile sogar auf vieleestdeutsche Regionen ausgeweitet werden. Junge,ngagierte Menschen, vor allem junge Frauen, wandernb. Eine wesentliche Ursache sind die fehlenden Ein-ommensperspektiven. 13 000 bis 14 000 Euro verfüg-ares Jahreseinkommen sind in peripheren Landkreisen
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Dr. Kirsten TackmannOstdeutschlands eher die Regel als die Ausnahme. Esgibt nur wenige Arbeitsplätze und die, die es gibt, wer-den überwiegend schlecht bezahlt oder sind nur zeit-weise verfügbar. Das ist das Ergebnis der Agrarpolitikder vergangenen Jahre: Armut ohne und trotz Arbeit!Deshalb brauchen wir Mindestlöhne.
In der ländlichen Wirtschaft sind sie längst mehrheitsfä-hig. Die Betriebe müssen und wollen existenzsicherndeLöhne zahlen. Aber sie sagen auch, dass sie das erstdann können, wenn alle das müssen. Dazu gehört auch,dass Saisonarbeiterinnen und Saisonarbeiter anständigbezahlt werden, und zwar egal, aus welchem Land siekommen.
Es müssen aber auch viele strukturelle Probleme ge-löst werden. Die nicht flächendeckende Breitbandver-sorgung ist wirklich eine Tragödie. Wir brauchen mehrdezentral erzeugte und genutzte erneuerbare Energien,für mehr Klimaschutz und als ökologisch sinnvolle Ein-kommensquellen. Wir brauchen eine stabile Agrarwirt-schaft als tragende Säule in den ländlichen Räumen. Siemuss sich an regionalen Wirtschaftskreisläufen undStandortbedingungen orientieren und nicht am hochspe-kulativen Weltagrarmarkt, der sie eigentlich nur zwingt,ökologische und soziale Standards zu schleifen und ihram Ende das Eigentum nimmt.
Wir brauchen mehr Arbeitsplätze in der Verarbeitungund Vermarktung regionaler Produkte. Wir brauchen re-gionale Absatzförderung statt Exportförderung, und wirbrauchen faire Erzeugerpreise, damit auch die Milchbau-ern Geld verdienen und nicht nur die Futter- und Dünge-mittelindustrie, die Großmolkereien und die Lebensmit-teldiscounter.
Die Milchbäuerinnen und Milchbauern haben in denvergangenen zwei Jahren 30 Prozent ihres Einkommensverloren. Die Umsatzeinbußen durch sinkende Erzeuger-preise betragen 3 Milliarden Euro. Das Grünland-Milch-programm, das auf dem Tisch liegt und mit 500 Millio-nen Euro ausgestattet werden soll, ist vielleicht gutgemeint, aber der Stein ist so heiß, dass der Tropfenschon verdampft ist, bevor er aufkommt. Die Milchpro-duzenten müssen mit den Molkereien am Markt auf Au-genhöhe verhandeln können. Sie brauchen eine an dieNachfrage in Europa angepasste Steuerung der Milch-menge,
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Die Agrarforschung muss gestärkt werden, vor alleningen in den Bereichen, die den Betrieben konkret hel-en: Klimawandel, Ressourcenschonung, Agrarökono-ie – das ist wichtig – sowie Lehre und Ausbildung.
ll das steht nicht wirklich im Koalitionsvertrag,
afür aber ein Bekenntnis zur Agrogentechnik. Spurenicht zugelassener gentechnisch veränderter Pflanzenollen toleriert und die Amflora-Kartoffel möglichstchnell zugelassen werden. Bei den Regelungen zu denicherheitsabständen um Agrogentechnik-Anbauflä-hen herum soll Kleinstaaterei eingeführt werden. Daserden wir nicht hinnehmen.
Die Linke wird weiterhin mit vielen anderen für dieentechnikfreie Landwirtschaft und Imkerei kämpfen.Abschließend noch zu einem besonderen Sündenfall,er die Ost-Inkompetenz der FDP bezeugt: Wer die Bes-erstellung der Alteigentümer beim Flächenerwerbs-nderungsgesetz will, legt nicht nur die Axt an einenentralen politischen Konsens des Einigungsvertragesn, damit werden auch die ohnehin schon scharfen Kon-likte um die Privatisierungspraxis der BVVG geschürt,ie die Existenz ostdeutscher Betriebe bedroht.
Das wäre ein Schlag ins Gesicht für die über0 000 Bodenreform-Erben, die 1992 nach dem Zweitenermögensrechtsänderungsgesetz entschädigungslos ent-ignet wurden. Ich kündige hier schon einmal ganz klaren Widerstand der Linken in diesem Punkt an.
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Die nächste Rednerin ist Ulrike Höfken für
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte FrauMinisterin! Frau Ministerin, Ihr Wort in Gottes Ohr, aberim Koalitionsvertrag steht über viele Ihrer genanntenschönen Beiträge überhaupt nichts. Er wird auch der dra-matischen Situation, die wir auf dem Land haben, nichtgerecht.
Da hat Herr Goldmann wohl recht: Im Koalitionsvertragfließt liberales Blut; das ist eine etwas unheilvolle Dop-peldeutigkeit.
Man sieht: Aus allen Poren dieser Koalitionspolitikkriecht das Industrieinteresse gegen den Mittelstand,gegen die Bauern, gegen die Verbraucher, gegen dieUmwelt
und im Übrigen auch gegen wirtschaftspolitischen Sach-verstand.Die Koalition baut Abwehrzäune gegen Verbraucher-interessen und stützt die Lobbyinteressen der Lebensmit-tel- und Agrarindustrie. Das ist der schwarz-gelbe Fa-den.
Das fängt bei der Ampelkennzeichnung an und hört beider Milchpolitik leider immer noch nicht auf.
Die einfache und verbraucherfreundliche Ampelkenn-zeichnung wird zugunsten des Industriemodells abge-lehnt – das steht da wortwörtlich –
und in Brüssel boykottiert, und zwar gegen die Forde-rung von Verbraucherverbänden, Ärztevertretern undübrigens auch gegen die Forderung und Empfehlung desDeutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und der ei-genen Regierungsberater.
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ämlich im Kochtopf in Form von gesundem Schul- undita-Essen für alle Kinder und Jugendlichen. Völlig un-laubwürdig wird das angebliche Engagement für Kin-er auch, wenn auf den Leistungen der Kita- und Schul-erpflegung der hohe Mehrwertsteuersatz bleibt. Kinderon Hartz-IV-Empfängern gehen bei der Kindergelder-öhung leer aus, aber die Klientel der Hotellerie be-ommt Steuergeschenke.
as ist wahrscheinlich die Versinnbildlichung des christ-ichen Menschenbildes und der christlichen Politik.Eine Telefonhotline soll eingerichtet werden. Das istbrigens auch ein alter Hut, passt aber, weil das Ver-raucherinformationsgesetz sozusagen eine Gesetz ge-ordene Warteschleife ist. Da wünsche ich viel Vergnü-en. Übrigens sind die FDP-Wahlversprechen auch aniesem Punkt, dem Verbraucherinformationsgesetz, ob-olet.
Nun zur Qualitätsoffensive Verbraucherfinanzen.ie Finanzaufsicht hat doch gar keine Kernkompetenzenm Bereich Verbraucherschutz erhalten. Es fehlen kon-rete Aussagen, wie eine verschärfte Haftung für Falsch-eratung umgesetzt werden soll. Vergeblich sucht manuch nach einer Abkehr vom provisionsabhängigen Be-atungssystem. Die Kanzlerin hat heute Morgen gesagt:s soll keine Finanzkrise mehr geben. Aber das spiegeltich im Konkreten nun wirklich nicht wider.
Es gibt auch keine Einrichtung einer unabhängigennstanz als Marktwächter im Sinne der Verbraucher, wies die Grünen immer gefordert haben. Die Koalition willen mündigen Verbraucher, die entsprechenden Instru-ente werden ihm aber letztlich vorenthalten.In der Landwirtschaftspolitik droht Schwarz-Gelb miter Änderung des Landwirtschaftsgesetzes. Wahrschein-ich wird die industrielle Agrarproduktion zum neueneitbild; am Beispiel Milch kann man das ablesen. Dieeue Regierung setzt auf die alten EU-Konzepte zumuslaufen der Mengenregulierung, Überschusserzeu-ung und Weltmarktfixierung und verschwendet zum
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Ulrike HöfkenBeispiel durch die mit den Exportsubventionen einher-gehende Zerstörung der bäuerlichen Landwirtschaft Mil-lionen an Steuergeldern.
Jetzt zu einem O-Ton der Industrie. Karl-Heinz Engel,der Chef des Milchindustrie-Verbandes, äußerte sich wiefolgt: Die Milchquote werde trotz Protesten 2015 auslau-fen, das sei eine langfristige politische Entscheidung,schließlich wolle die EU auch Autos verkaufen und Ma-schinen, und dafür müssten die Handelsbeschränkungenin der Landwirtschaft fallen.Der wirtschaftliche Sachverstand allerdings schlägtsich viel stärker im Sonderbericht des EuropäischenRechnungshofes zum Milchmarkt nieder. Darin wird derAnsicht, dass die EU in der Butter- und Milchpulverpro-duktion international wettbewerbsfähig werden könne,eine ganz klare Absage erteilt. Außerdem heißt es, dieEU solle im Rahmen ihrer Milchpolitik vorrangig auf dieBedarfsdeckung des europäischen Binnenmarktes set-zen. Daran wird ganz klar: Das Signal des EuropäischenRechnungshofes geht in Richtung einer flexiblen Men-genregulierung. Aber genau dies machen Sie nicht.
Das ist etwas, das wir weiterhin ablehnen werden.Im Übrigen hat die CSU auch ihr Wahlversprechen,die nationalen Möglichkeiten zur Mengenregulierung imKoalitionsvertrag festzuschreiben, gebrochen. Da hilftauch ein Grünland-Milchprogramm nicht, das mit einerLaufzeitbegrenzung von nur zwei Jahren zur Wirkungs-losigkeit verdammt ist.
Die Handschrift der Industrie trägt der Koalitionsver-trag insbesondere im Bereich der Gentechnik; das istvon meinen Kolleginnen und Kollegen schon gesagtworden. Die Koalition zielt auf die Senkung des Schutz-niveaus und die Praxiseinführung gentechnisch verän-derter Produkte ab. Die Nulltoleranz soll ausgehöhltwerden.
Ungenehmigte gentechnische Verunreinigungen sollenin Lebens- und Futtermitteln angewendet werden kön-nen, in Umgehung des nationalen und des EU-Rechts.Das Allerschärfste ist, dass sich die Regierung hierbeizum verlängerten Arm der Futtermittelindustrie und desBauernverbandes macht, der Panikmache betreibt undvon einem Futtermittelnotstand spricht. Die Regierungallerdings hat auf meine Anfragen geantwortet, dass esüberhaupt keine Produkte aus Brasilien und Argentinien– dort bekommen wir die Futtermittel her – gab, diediese Verunreinigung aufgewiesen haben.
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Für die CDU/CSU-Fraktion spricht der Abgeordnete
eter Bleser.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habeeinen Bleistift mehrfach nachgespitzt, um mir bemer-enswerte Äußerungen der Opposition zu notieren; abers war nicht notwendig. Das ist aber auch kein Wunder;enn wenn einer kein Ziel hat, kann er auch nicht denichtigen Weg finden, und ein Ziel ist bei den Äußerun-en der Opposition bisher nicht erkennbar gewesen.
Wir haben vier klare Ziele: Erstens: Wir wollen diernährung unserer Bürger mit gesunden, hochwertigennd vielfältigen Lebensmitteln sicherstellen. Zweitens:ir wollen einen wesentlichen Beitrag zum Klima-chutz und zu einer nachhaltigen Rohstoffpolitik leisten.rittens: Wir wollen dabei die hohen Anforderungen desier- und Umweltschutzes nicht nur erfüllen, sondernöglichst noch steigern.
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Peter BleserViertens. Wir wollen die Verbraucher in einem globali-sierten und zunehmend digitalisierten Markt nicht nurschützen, sondern ihre Marktmacht stärken. Das gelingtnatürlich nur, wenn wir in der Lage sind, unserer Land-und Ernährungswirtschaft, der Agrarbranche, eine Zu-kunftsperspektive zu geben.Diese Ziele zu formulieren, das hätte die Oppositionsicherlich auch geschafft; aber dann auch die notwendi-gen Entscheidungen zu treffen, das ist schwierig. Wir ha-ben zunächst einmal die grundsätzliche Richtung vorzu-geben. Dabei stellt sich die Frage: Wollen wir unsereZiele mit einer dirigistischen Politik – durch Bevormun-dung und Abschottung – erreichen, oder wollen wir unsklar in Richtung Wettbewerb auf europäischen und glo-balen Märkten orientieren?
Das Letztere ist für uns der richtige Weg.Wir machen allerdings eine multifunktionale und flä-chendeckende Landwirtschaft in Europa zur Bedingungfür das Erreichen dieser Ziele. Ich kann das auch kürzerfassen: Auch in der Landwirtschaft gilt das Prinzip dersozialen Marktwirtschaft, und das wollen wir verfol-gen.
Wer von diesem Gedankengebäude ausgeht, der irrt auchnicht bei der Beurteilung und beim Entwurf von Vor-schlägen für die Lösung aktueller wie zukünftiger Pro-bleme, die sicherlich noch auf uns zukommen. Da,meine Damen und Herren, unterscheidet sich die heutigeKoalition erheblich von der vorigen Koalition. Zur Legi-timation dieser Aussage brauche ich nur auf die Verän-derungen hier im Saal zu verweisen: Hier hat der Wähleruns im Wesentlichen zugestimmt.
Neben dieser Richtungsorientierung brauchen wir na-türlich eine Analyse der gegenwärtigen Lage. Wirmüssen feststellen, dass wir uns in einer schweren Fi-nanz- und Wirtschaftskrise befinden, die auch die Agrar-wirtschaft hart getroffen hat. Die Einbrüche bei den Er-zeugerpreisen betragen bis zu 70 Prozent. Das trifft nichtnur die Milch – die Milch aber besonders –, sondernauch andere Produkte wie Getreide sowie Obst und Ge-müse.
Das hat natürlich direkte Konsequenzen für die Entwick-lung der Einkommen der Familien, die von Landwirt-schaft leben. Ihr Einkommen ist eingebrochen. ImKonjunkturbarometer Agrar des Deutschen Bauern-verbandes ist das offensichtlich geworden: Die Investi-tionsbereitschaft hat sich von einem Wert, der noch 2007bei 38 Punkten lag, auf jetzt –0,2 Punkte reduziert.MgmkDifhbKmdwszdsNIswdswwhnl–bksDz–BtkTblfg
ittelfristig und auf zwei bis drei Jahre gesehen sind dieleichen Befragten allerdings zu dem Ergebnis gekom-en, dass man bei 2 bis 3 Punkten wieder an eine Zu-unft glauben kann.
ie Werte, die wir heute haben, sind dramatisch. 2004st das Konjunkturbarometer jedoch auf –15 Punkte ge-allen. Die Perspektive der deutschen Landwirtschaft isteute also trotz Finanz- und Wirtschaftskrise wesentlichesser als zur Zeit Ihrer Regierung, verehrte Frauünast. Das ist der entscheidende Unterschied.Wir haben uns für die Zukunftsorientierung in der vonir geschilderten Weise entschieden, weil sich die Eck-aten nicht verändert haben: Die Bevölkerung der Erdeächst jährlich um 80 Millionen Menschen; das ent-pricht der Zahl der Einwohner Deutschlands. Die Ver-ehrgewohnheiten der Menschen in den Schwellenlän-ern – in denen Milliarden Menschen leben – verändernich hin zu mehr Fleischprodukten. Daneben gibt es dieotwendigkeit, die Rohstoffgrundlage der chemischenndustrie zu verändern und für eine pflanzliche Basis zuorgen, weil das Mineralölzeitalter 2050 zu Ende seinird. Wir werden die Erreichung unserer Klimaziele undie Energieversorgung ohne die nachwachsenden Roh-toffe niemals sicherstellen können. Das bedeutet, dassir gewaltige Herausforderungen vor uns haben, weilir langfristig mehr agrarische Rohstoffe von hoher undöchster Qualität brauchen.Jetzt kommt der entscheidende Satz, den auch die Mi-isterin richtigerweise hier gesagt hat: Das wird nur ge-ingen, wenn wir nachhaltig produzieren. Kein Landwirt niemand – kann ein Interesse daran haben, die Frucht-arkeit seiner Böden zu schädigen oder die Nachhaltig-eit der Produktion zu gefährden. Damit würde ereine Existenz zerstören.
eswegen ist das für uns ein Credo, das natürlich nichtur Disposition gestellt werden kann.
Herr Kelber, das ist ja nicht wahr. Sie haben nicht denlick auf die Praxis, den ich aufgrund langjähriger Tä-igkeit haben kann.
Diese Ziele werden natürlich nur erreicht werdenönnen, indem wir auf modernste Technologien bei derierhaltung, bei der Pflanzenzucht und auch bei der Le-ensmittelproduktion setzen. Hier haben wir in Deutsch-and einiges vorzuweisen. Wir sind in vielen Bereichenührend, und wir haben klimatisch gute Voraussetzun-en. Damit müsste es gelingen, diese Branche auch in
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Peter BleserZukunft nicht nur zu erhalten, sondern auch weiterzuent-wickeln.Ich bin deswegen der Meinung, dass die deutscheAgrarwirtschaft nach wie vor eine wichtige Säule derdeutschen Volkswirtschaft ist. Deswegen bin ich der fes-ten Überzeugung, dass wir eine Hightechbranche sind,die, wenn wir es richtig anstellen, auch in Zukunft fürmehr als 4 Millionen Menschen Arbeit schaffen kann.Das muss unser Ziel sein.
Meine Damen und Herren, all diese Gedanken sind inunserem Wahlprogramm zu finden. Sie sind in die Koali-tionsverhandlungen eingebracht worden.
– Sie sind auch so wieder herausgekommen. Das ist ganzentscheidend.
Ich freue mich, dass wir hier in wesentlichen Punktensehr schnell einen Konsens finden konnten.
Meine Damen und Herren, neben dieser Orientierungauf die Wettbewerbsfähigkeit haben wir natürlich auchgesellschaftliche Erwartungen zu erfüllen: beim Tier-schutz, beim Erhalt der flächendeckenden Landwirt-schaft, beim Erhalt von gepflegten Kulturlandschaftenund hinsichtlich eines umfassenden Naturschutzes. Dasgeht nur, wenn wir bereit sind, diese Sonderleistungenauch mit staatlichen Mitteln zu stützen und überhaupt erstmöglich zu machen.Deswegen brauchen wir – ich freue mich, dass die Mi-nisterin diesbezüglich in einer sehr kompetenten und ent-schiedenen Art auf der Brüsseler Ebene unterwegs ist –auch nach 2013 eine starke, finanziell gut ausgestalteteerste Säule. Sonst werden wir diese Zusatzleistungen, dieunsere Gesellschaft will, nicht anbieten können; denn imWettbewerb sind diese nicht zu erreichen.
Was heißt das jetzt konkret? Ich will das an einemBeispiel festmachen, weil das schon wichtig ist und dieöffentliche Wahrnehmung in den letzten Monaten ent-sprechend war.In der Milchpolitik heißt das, dass wir der Versuchungnicht unterlegen sind, auf eine veraltete, erfolglose staat-liche Mengenpolitik zurückzuverfallen. Wir haben unsdazu durchgerungen, hier auf die langfristige Perspektivezu setzen, und wir haben das getan, was jeder Handwerks-meister und jeder Familienvater oder jede Familienmutterin einer solchen Krise auch tut: Wenn man eine Perspek-tive hat, dann muss man zur Überwindung einer Kalami-tät, die hoffentlich sehr kurz sein wird, auch einmal an dieReserven gehen.mgß1HGDDMra–WwgnmaeenbDtlkUPi
Ich hätte Ihnen gerne noch einige Passagen meinesissens vermittelt, aber die Konzentration auf das Not-endige zwingt mich jetzt, nur auf einige Dinge einzu-ehen.
Ich möchte herzlich an die verfeindeten Gruppen in-erhalb der deutschen Milchwirtschaft appellieren: Neh-en Sie dieses Hilfsangebot auch zum Anlass, wiederufeinander zuzugehen. Wir alle haben das gleiche Ziel:ine Verbesserung der Einkommenssituation. Ich meine,s ist notwendig, dass sich der Berufsstand wieder verei-igt; denn ihm gehören nicht mehr viele an. Die Milch-auern sollten versuchen, mit einer Stimme zu sprechen.amit schaffen sie Verständnis in Gesellschaft und Poli-ik.
Herr Kollege Bleser, das war jetzt schon sehr ausführ-
ich.
Frau Präsidentin, in Anbetracht Ihres Wunschesomme ich zum Schluss. Deswegen sage ich nur:
nser Drehbuch ist gut, unser Personal ist gut, unsereolitik wird, wenn sie umgesetzt werden kann – da binch sehr zuversichtlich –, ebenfalls gut.Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
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Die Kollegin Elvira Drobinski-Weiß spricht für die
SPD-Fraktion.
Ja, ich bemühe mich. – Frau Präsidentin! Liebe Kolle-ginnen und Kollegen! Verbraucherinnen und Verbrau-cher müssen sich jetzt warm anziehen,
nicht nur wegen des kalten Winterwetters, sondern we-gen der verbraucherpolitischen Kaltfront, die sich imschwarz-gelben Koalitionsvertrag ankündigt.
Im Koalitionsvertrag heißt es:Unser Leitbild ist der gut informierte und zu selbst-bestimmtem Handeln befähigte und mündige Ver-braucher.Die Voraussetzung für selbstbestimmtes Handeln ist undbleibt aber mehr Markttransparenz, und zwar bei Pro-dukten und Dienstleistungen.
– Eben nicht. – Spätestens in der Krise sollten wir ge-lernt haben, dass man sich nicht darauf verlassen kann,dass die Wirtschaft selbst freiwillig für Markttranspa-renz sorgt; wir kennen das. Dafür muss die Politik sor-gen; sie muss die Unternehmen in die Pflicht nehmen.
Der Markt ohne Grenzen und Regeln frisst am Endeseine eigenen Kinder.Mit diesem Satz hat es Frank-Walter Steinmeier auf denPunkt gebracht. Angesichts des sehr ungleichen Macht-verhältnisses zwischen Wirtschaft und Verbrauchernbrauchen wir Regeln und Grenzen. Genau das wollenwir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten: Markt-transparenz und mehr Marktmacht für die Verbrauche-rinnen und Verbraucher.
Werte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition,von Ihnen wird die Wirtschaft aber nicht in die Verant-wortung genommen; Verbraucherinnen und Verbrauchersind auf sich selbst gestellt.
Ein paar Beispiele aus dem Koalitionsvertrag machendas deutlich.Im Kampf gegen ernährungsbedingte Krankheitenkann eine geeignete Nährwertkennzeichnung einewichtige Hilfe bei der Zusammenstellung einer ausge-wogenen Ernährung sein. Wider besseres Wissen setztdtiapdkWshASGgEhSmFMsspcbsTinneVekdt8ni
70 Prozent der Verbraucher wollen die Nährwertam-el. Angesichts der starken Zunahme von ernährungsbe-ingten Krankheiten wird die Ampel auch von den Kran-enkassen unterstützt. Das Deutsche Institut fürirtschaftsforschung, DIW, unterstützt die Ampel alschnell erfassbare und alltagstaugliche Entscheidungs-ilfe.
nstatt sich aber im Interesse der Gesundheit auf dieeite der Verbraucher zu stellen, macht sich Schwarz-elb zum Erfüllungsgehilfen der Wirtschaft und verwei-ert klare und vergleichbare Informationen.
Weitere Beispiele. Laut Koalitionsvertrag sollen diergebnisse der Lebensmittelkontrolle erst bei wieder-oltem Verstoß veröffentlicht werden.
chwarze Schafe in der Industrie und in der Gastrono-ie bekämpft man aber nicht durch die Einräumung vonreischüssen, sondern durch direkte und wirkungsvolleaßnahmen. Die Ergebnisse der staatlichen Kontroll-tellen sollten grundsätzlich für Verbraucher zugänglichein.
Verpflichtende Maßnahmen zur Steigerung der Trans-arenz – wie die von der SPD geforderte Veröffentli-hung der Ergebnisse von Kontrollen im Gastronomie-ereich zum Beispiel in Form von Smiley-Symbolen –ind bei Ihnen überhaupt nicht vorgesehen. So viel zumhema Wahrheit und Klarheit.Beim Verbraucherinformationsgesetz ist von derm FDP-Wahlprogramm enthaltenen Forderung nach ei-er Ausdehnung auf alle Produkte und Dienstleistungenichts übriggeblieben. Von der wichtigsten Maßnahme,iner Auskunftspflicht der Unternehmen gegenüber denerbrauchern, sind wir mit dieser Koalition meilenweitntfernt.Intransparenz und Ignoranz gegenüber Interessen undlaren Willensbekundungen der Verbraucher – das istas Programm der Koalition, zum Beispiel bei der Gen-echnik; das haben wir heute schon mehrfach gehört.0 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher leh-en gentechnisch veränderte Pflanzen auf dem Feld undm Essen ab.
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Elvira Drobinski-WeißDas interessiert die Koalition nicht. Sie will ungenauereNachweismethoden vorschreiben und damit im nationa-len Alleingang die EU-weit geltende Nulltoleranz fürnicht zugelassene gentechnisch veränderte Konstrukteunterlaufen.
Nach der Formulierung im Koalitionsvertrag wäre diesnicht nur bei Futtermitteln möglich, sondern auch beimSaatgut und bei Lebensmitteln. Damit würde einerschleichenden Verunreinigung von Lebensmitteln Türund Tor geöffnet.Ich höre gar nichts mehr.
Das ist ein Kniefall vor der Gentechniklobby und einSchlag ins Gesicht der Verbraucherinnen und Verbrau-cher.Eine völlig unsinnige Regelung ist die Zuständigkeitder Länder für die Abstandsregelungen. Im Auskreu-zungsverhalten unterscheiden gentechnisch verändertePflanzen nämlich nicht nach Bundesländern. Hier zeigtsich eindeutig die Doppelmoral der CSU:
Statt sich für bundesweite Mindestabstände einzusetzen,die zuverlässigen Schutz gegen Auskreuzungen bieten,wird hier wieder nach dem Motto verfahren: Gentechnikja, nur nicht in Bayern.
Von der Unterstützung der gentechnikfreien Regionenund ihrer rechtlichen Absicherung, für die sich die CSUim Wahlkampf noch lauthals einsetzen wollte, ist übri-gens keine Rede mehr.Mager sind auch die Vorhaben beim Anlegerschutz.Weder die Einrichtung eines Marktwächters für Finanz-dienstleistungen bei den Verbraucherzentralen noch eineverbesserte Rechtsdurchsetzung durch Abmahnungen,AGB-Kontrolle oder Unterlassungsklagen – zum Bei-spiel im Bereich Datenschutz – sind geplant. Mutlos undideenlos bleibt Schwarz-Gelb weit hinter dem zurück,was aktuell notwendig wäre, um Verbraucherrechtewirklich zu stärken.Eine Krise kann immer auch eine Chance sein, wennman daraus lernt. Der Koalitionsvertrag zeigt jedoch,dass hier keine Lehren gezogen wurden. Aber keineSorge: Wir werden Sie zum Lernen tragen.Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
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Aber jetzt redet Ihre Kollegin.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, vielen Dank für dieette Unterstützung. – Liebe Kolleginnen und Kollegen!ch freue mich, heute hier bei Ihnen sprechen zu können.enn ich mir die Voten aus der Opposition anhöre, habech den Eindruck, dass der Koalitionsvertrag ziemlichelungen ist. Denn sonst hätten Sie nicht derartigechwierigkeiten, uns irgendwie am Zeug zu flicken.
Wenn uns dann noch die Rednerin der Linken erzählt,ass ein 500-Millionen-Euro-Grünlandprogramm einropfen auf den heißen Stein sei, dann habe ich den Ein-ruck, sie hat irgendwo einen Golddukatenesel im Gar-en stehen. Denn 500 Millionen Euro sind eine Mengeeld für unsere Grünlandgebiete. Ich glaube, es ist eineute Botschaft an den ländlichen Raum, dass wir unse-en Milchbauern in dieser Weise unter die Arme greifen.
Zwischenrufe zeigen: Ich bin auf den Punkt gekom-en.Unmögliches erledigen wir sofort. Wunder brauchentwas länger. Liebe Kollegin Höfken, selbstverständlichann in einem Koalitionsvertrag nicht der Gesetzentwurfereits drinstehen. Das war bei Ihnen nicht der Fall, undir haben das auch nicht gemacht. Wir werden ihn ge-einsam nach den Maximen erarbeiten, die wir in die-em Koalitionsvertrag aufgeschrieben haben.Mein Kollege Goldmann hat zu Recht gesagt: Da sindrei Parteien zusammengekommen, und wir können amnde feststellen, dass wir doch eine ganze Menge libera-es Profil hineinbekommen haben. Das ist gut für dieandwirtschaft in Deutschland. Das ist gut für die Men-chen in Deutschland. Das ist gut für die ländlichenäume in Deutschland.
Der Koalitionsvertrag ist mit Lob bedacht worden. Esab auch Tadel.
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Dr. Christel Happach-KasanDas war bei eurem Vertrag auch nicht anders. Aber dasist doch ein Indiz dafür, dass dieser Koalitionsvertrag ge-nau in der Mitte der Gesellschaft steht. Es gab Lob; esgab Tadel. Wir stehen in der Mitte der Gesellschaft. Dagehören wir hin, und für die Menschen in der Mitte derGesellschaft wollen wir Politik machen.
Die Frau Bundeskanzlerin hat heute Morgen von He-rausforderungen gesprochen; das ist richtig.
Wir haben eine Menge Herausforderungen zu bewälti-gen. Die Vorsitzende der FDP-Fraktion, BirgitHomburger, hat gesagt: Wir brauchen eine Aufbruch-stimmung. – Das stimmt. In der jetzigen Krise, in der Fi-nanz- und Wirtschaftskrise, brauchen wir eine Aufbruch-stimmung. Die Opposition hat keinerlei Ansätze, ausdenen hervorgeht, wie sie eine Aufbruchstimmung her-vorrufen und was sie besser machen will.
Ich habe schlicht und ergreifend nichts bemerkt.
Wir wissen genau: Wir werden aus dieser Krise nur he-rauskommen, wenn es mehr Wachstum gibt. Das bedeu-tet, dass wir uns einer innovativen Politik zuwendenmüssen. Hier hat Rot-Grün nicht gerade gute Karten.Wir brauchen mehr Innovationen im Bereich des Erneu-erbare-Energien-Gesetzes. Wir, die FDP, haben einemöglichst rasche Novellierung angestrebt, während dieCDU/CSU nicht ganz so weit war.
Mit dem Termin 1. Januar 2012 haben wir einen Kom-promiss gefunden, der weder unseren noch euren Vor-stellungen, liebe Kollegen von der CDU/CSU, ganz ent-spricht. Aber, Kollege Schirmbeck, ich freue mich, dassdu hier bist und bemerkt hast, dass wir zusammen regie-ren.
Wir werden etwas Gutes auf den Weg bringen.Stimmt’s? Machen wir das? – Genau so machen wir das.
Wir wollen das Erneuerbare-Energien-Gesetz novel-lieren, auch weil es eine Menge Fehlsteuerungen be-inhaltet. So stellt es unter anderem geradezu eine Einla-dung an diejenigen dar, die Maismonokulturen betreibenwollen. Im vergangenen Jahr wurde Mais auf 2 Millio-nen Hektar in Deutschland angebaut. Davon wurde al-lein auf 400 000 Hektar Mais für Biogasanlagen ange-bSmdHuPwfBtGWdedsWnDfLEGMwued8mehEndADfnfkdwlfM
Wir brauchen im Bereich der Pflanzenzüchtung eineinwendung zur Gentechnik. Es ist überfällig, dass wirns in einem Zeitalter, in dem gentechnisch veränderteflanzen auf 125 Millionen Hektar weltweit angebauterden, dieser Technologie vorurteilsfrei nähern. Ichinde es ziemlich schlimm, dass Wissenschaftler dererlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaf-en feststellen, dass Schwarz-Rot eine inkonsistenteentechnikpolitik betrieben hat. Dies wollen wir ändern.ir wollen eine konsistente Politik und eine Hinwen-ung hin zu mehr Wissenschaftlichkeit; denn nur durchine solche Hinwendung können wir rationale Entschei-ungen zugunsten der Bürgerinnen und Bürger in die-em Land treffen.
ir wissen, dass man im Bereich der Welternährungicht ohne eine solche Züchtungsmethode auskommt.ies ist uns sogar vom UN-Kommissar für die Bekämp-ung der Wüstenbildung im Ausschuss für Ernährung,andwirtschaft und Verbraucherschutz gesagt worden.r setzt darauf, dass eine zweite grüne Revolution inang gesetzt wird. Das wollen wir. Dabei wollen wir dieenschen mitnehmen.
Wir sollten uns demokratietheoretisch fragen: Ist esirklich richtig, dass in Deutschland eine Bevölkerungs-mfrage über jedes Produkt durchgeführt wird, das neuingeführt werden soll? Die Mehrheitsmeinung kannoch kein Kriterium bei der Zulassung sein. Nicht weil0 Prozent etwas wollen, werden wir es zulassen. Viel-ehr wird ein Produkt zugelassen, wenn es den Regelnntspricht, die wir im Deutschen Bundestag aufgestelltaben.
rinnert euch bitte daran: Porsche hat in Deutschland ei-en Marktanteil von 0,4 Prozent. Wollen wir deswegeniese Automarke verbieten, bloß weil 90 Prozent dieseutomarke nicht fahren? Das kann es doch nicht sein.as ist das falsche Kriterium.Wir haben zudem viel Gutes zum Bundeswaldgesetzestgeschrieben. Wir wollen das Gesetz novellieren, ge-auso wie Linke und Grüne zuvor. Wir wollen Agro-orstsysteme ermöglichen und Möglichkeiten für Aqua-ulturen schaffen. Wir wollen den Fischartenschutzurch ein Kormoranmanagement voranbringen. Wirollen Politik für ganz Deutschland, für Norddeutsch-and – von dort komme ich –, für Süddeutschland undür Ostdeutschland, betreiben. Wir wollen Politik für dieenschen in Deutschland machen.
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Dr. Christel Happach-KasanIch bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Caren Lay hat jetzt das Wort für die Fraktion Die
Linke.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Es hätte wahrlich genügend Anlässe gegeben,die Verbraucherpolitik aufzuwerten: sinkendes Verbrau-chervertrauen in der Finanz- und Wirtschaftskrise, Ab-zocke und aggressive Geschäftspraktiken im Internet,der Handel mit Adressen, Globalisierung und neue, in-transparente Märkte sowie steigende Energiepreise, umnur einiges zu nennen.Hinter diesen Anforderungen bleibt die im Koali-tionsvertrag skizzierte schwarz-gelbe Verbraucherpolitikum Lichtjahre zurück.
Es beginnt mit einem unzureichenden, falschen Ressort-zuschnitt. Ministerin Aigner ist es nicht gelungen, sichneue Kompetenzen an Land zu ziehen. Noch immer gibtes verbraucherpolitische Kompetenzen, die in anderenRessorts angesiedelt sind, statt dass sie in einem, wir-kungsmächtigen Verbraucherministerium gebündelt wer-den. Das wird der Querschnittsaufgabe Verbraucherpoli-tik nicht gerecht.
Auch vom Koalitionsvertrag – das ist schon mehrfacherwähnt worden – haben Verbraucherinnen und Verbrau-cher wenig zu erwarten. Vage Andeutungen und halbher-zige Vorhaben – darüber geht er im Wesentlichen nichthinaus.Mit dem Mantra vom mündigen Verbraucher wälztdie Bundesregierung ihre verbraucherpolitische Verant-wortung auf Bürgerinnen und Bürger ab.
Selbst das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschunghält dieses Leitbild inzwischen für veraltet. Verunsiche-rung und Überforderung der Verbraucherinnen und Ver-braucher sind an der Tagesordnung. Deshalb brauchenwir in der Tat an einigen Stellen ein Mehr an staatlicherRegulierung,
und auch der Wissenschaftliche Beirat des BMF teilt in-zwischen diese Position.IwdrmsdDwmaafWbtBHHwWkaAhdKtEdbwnKdmdTMcbdmn
ch will Ihnen ganz deutlich sagen: Das wollen wir nicht,eil wir Verbraucherinnen und Verbraucher bevormun-en wollen, sondern weil wir den Glauben an die Selbst-egulierung der Märkte schlichtweg für naiv halten.
Sie, Herr Kollege von der FDP, haben – das freutich – Offenheit gegenüber guten Vorschlägen signali-iert. Wir als Linke haben welche zu bieten. Für uns hatie Stärkung der Verbraucherrechte oberste Priorität.as VIG ist eine lahme Ente – das ist mehrfach erwähntorden – und hat den Praxistest nicht bestanden. Esuss endlich auf alle Produkte und Dienstleistungenusgeweitet werden. Auskunftsansprüche müssen sichuch auf Unternehmen beziehen, und Auskünfte müssenür die Verbraucher vor allen Dingen kostenlos sein.
ir brauchen auch eine stabile Finanzierung der Ver-raucherzentralen und einen Ausbau ihrer Beratungstä-igkeit. Der vzbv hat ausgerechnet: Mit der bisherigeneratungsstruktur würde es 30 Jahre dauern, bis jederaushalt wenigstens einmal beraten werden könnte.ier verspricht der Koalitionsvertrag, Konzepte zu ent-ickeln. Das verspricht man schon seit vielen Jahren.ir wollen diese Konzepte endlich sehen; denn sonstommt die Hilfe für die Betroffenen zu spät. Eine Lehreus der Krise – das dürfte Konsens sein – ist ein besserernlegerschutz. Leider sind auch hier die Pläne lücken-aft. Was fehlt, ist die Beweislastumkehr beim Scha-ensersatz und vor allen Dingen auch der Schutz derreditnehmer. Er fehlt fast gänzlich im Koalitionsver-rag.
s ist endlich an der Zeit, Verbraucherpolitik auch auser Perspektive der unteren Einkommensschichten zuetreiben. Andere Dinge fehlen gänzlich: Das Markt-ächtersystem und die Ampelkennzeichnung werdenicht kommen, obwohl wir diese wie auch die Smiley-ennzeichnung im Gastronomiebereich brauchen wür-en. Wir brauchen eine bundesweit koordinierte Lebens-ittelkontrolle, und es wäre auch schön gewesen, wenner digitale Verbraucherschutz überhaupt erst einmal alshemenfeld benannt worden wäre.
Es ist dringend an der Zeit, das Ungleichgewicht amarkt zu beseitigen und Verbraucherinnen und Verbrau-her mit den Unternehmen auf gleiche Augenhöhe zuringen. Dafür wäre es notwendig gewesen, sich auch aner einen oder anderen Stelle couragiert mit Unterneh-en anzulegen. Diesen Mut hat die Koalition leidericht aufgebracht.Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
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Frau Lay, das war Ihre erste Rede im Hohen Haus.
Wir beglückwünschen Sie dazu und wünschen Ihnen al-
les Gute.
Jetzt hat das Wort Johannes Röring für die CDU/
CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! DieUnion ist schon immer vertrauensvoller Partner für dieMenschen in ländlichen Räumen, für die Bäuerinnenund Bauern, für die Beschäftigten der Land- und Agrar-wirtschaft gewesen, und das soll auch so bleiben.
Wir wissen, dass diese Branche, wie alle anderenauch, zurzeit vor großen Herausforderungen und Anpas-sungen steht. Um hier positive Akzente zu setzen, habenwir im Koalitionsvertrag unsere Ziele formuliert, die wirin den kommenden vier Jahren erreichen wollen. DieUnion steht dabei ohne Wenn und Aber zu einer flächen-deckenden, vielfältigen Landwirtschaft mit unternehme-rischer Verantwortung.Die Agrarwirtschaft ist in ländlichen Gebieten einwichtiger Faktor für Wachstum und Erfolg in mittelstän-dischen Unternehmen. Durch sie werden sichere Ar-beitsplätze im ländlichen Raum geschaffen, die Bürge-rinnen und Bürgern und vielen Familien eine hoheLebensqualität ermöglichen. Zur Stärkung der infra-strukturellen Rahmenbedingungen ist es unbedingt not-wendig, in diesem Bereich weitere Verbesserungen zuerzielen. Wir wollen lebendige und lebenswerte ländli-che Räume, die gerade jungen Menschen und FamilienPerspektiven bieten, aber auch die Versorgung der älte-ren Generationen sicherstellen. Besonders setzen wir unsdabei für den Ausbau der Breitbandversorgung ein, umeine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten.
Moderne Kommunikationstechnologien wie das breit-bandige Internet werden zunehmend zum Schlüssel fürInnovation, Wachstum und Sicherung von Arbeitsplät-zen, auch in der Landwirtschaft.
Bei den Zukunftsfeldern Ernährung, Energie, Ge-sundheit, Umwelt- und Klimaschutz wird die Agrarwirt-schaft eine bedeutende Rolle einnehmen. Aus diesemGrund stellt sich die Frage der Nachhaltigkeit bei derNutzung natürlicher Ressourcen auch dort. Hier wollenwir ausgewogene Regelungen mit dem Blick auf dieUmwelt, den Pflanzenbau, die Pflanzenzüchtung oderdie Tierhaltung, die nachhaltig wirken.Wichtig dabei ist eine Beurteilung auf fachlicherGrundlage, die auch die Wettbewerbssituation der Land-wwävndtzVtfdluadlvFsbsNwkgvAbstmeDtbshAuwsfhNseZzs
Es stellt sich für mich in diesem Zusammenhang dierage, ob wir nicht dazu kommen müssen, dass wir un-er Ackerland, unser Grünland, sozusagen unsere Le-ensmittelproduktionsfläche, genauso schützen wie un-eren Wald. Jeder Eingriff, der landwirtschaftlicheutzfläche der Produktion entzieht, muss abgewogenerden und kommt nur als letzte Maßnahme infrage.
Als zielführende Maßnahmen dazu müssen wir zu-ünftig verbesserte flexible Eingriffs- und Ausgleichsre-elungen haben. Der Weg dahin muss auf einen qualitati-en Ausgleich ausgerichtet sein. Hier müssen intelligentensätze gewählt werden. Es müssen Aspekte wie eineessere Innenentwicklung der Städte, eine stärkere Unter-tützung der Entsiedlung von Flächen zugunsten von Na-ur und Umwelt sowie standortabhängige Ausgleichs-aßnahmen finanzieller Art durch gesetzliche Vorgabenrmöglicht werden.Beim Ausbau von erneuerbaren Energien hateutschland in den vergangenen Jahren ein enormes Po-enzial entwickelt. Durch die Novellierung des Erneuer-are-Energien-Gesetzes im vergangenen Jahr wurde die-er Trend weiter positiv beeinflusst.Den Weg der hierdurch erfolgten Weichenstellungenin zu mehr dezentralen, kleinen, standortangepasstennlagen, die sich durch eine optimale Wärmenutzungnd verstärkte Reststoffnutzung auszeichnen, wollen wireitergehen. Wir möchten auch weiterhin nachwach-ende Rohstoffe aus Land- und Forstwirtschaft sinnvollördern. Wir wollen uns deswegen besonders für die Ver-inderung einer Konkurrenz zwischen dem Anbau vonahrungsmitteln und dem von nachwachsenden Roh-toffen, beispielsweise durch einseitige Überförderung,insetzen. Deshalb unterstützen wir Konzepte, dereniel es ist, die Reststoffnutzung zu verbessern, das Prin-ip der Kreislaufwirtschaft zu optimieren und Wärmeinnvoll zu nutzen.
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Johannes RöringWir sehen in der Nutzung nachwachsender Rohstoffezur Energieproduktion eine weitere Option für die Land-wirtschaft. Sie kann sich hiermit Einnahmemöglichkeitenerschließen und ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Da-bei sind uns Effizienzsteigerung, Nachhaltigkeit, größt-mögliche Klimaeffekte und regionale Wertschöpfungsehr wichtig.Bei aller Euphorie ist mir aber, meine Damen undHerren, mehr denn je wichtig: Nahrung zuerst! Daherspreche ich mich auch eindeutig gegen die Förderungder Installation von Fotovoltaikanlagen auf bestenAckerböden aus,
da hier landwirtschaftlich nutzbare Produktionsflächeverloren geht. Hier besteht dringender Korrekturbedarf.
Meine Damen und Herren, wir wollen eine flächende-ckende, lebendige Land- und Forstwirtschaft und einestarke Agrarwirtschaft in unserem Land. Unser Ziel ist,dass die heimische Agrarwirtschaft auf regionalen Märk-ten, dem EU-Binnenmarkt sowie auch auf Märkten au-ßerhalb der Europäischen Gemeinschaft bestehen kann.Die Landwirte in Deutschland sollen sich darauf verlas-sen können, dass wir auch in Zeiten des globalen Han-dels und der Liberalisierung die politischen Rahmenbe-dingungen so setzen, dass sich die Agrarwirtschaft vorOrt nachhaltig entwickeln kann. Wir setzen uns dafürein, dass gesamtgesellschaftliche Leistungen der Land-wirtschaft entsprechend honoriert werden. Bei der Um-setzung von EU-Richtlinien müssen wir Wettbewerbs-verzerrungen vermeiden. Zugleich müssen wir diese einszu eins umsetzen.Wir werden in den kommenden vier Jahren eineAgrarpolitik für Deutschland gestalten, die sich durchein hohes Maß an Verlässlichkeit auszeichnet. Wir brau-chen Rahmenbedingungen, die Vertrauen schaffen; dennnur dies setzt Kräfte frei, schafft Mut für Investitionenund macht die Landwirtschaft für junge Menschen at-traktiv und damit auch auf lange Sicht zukunfts- undwettbewerbsfähig.Vielen Dank.
Der Kollege Dr. Wilhelm Priesmeier hat das Wort für
die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Verehrte Frau Ministerin, ich muss sagen, ichbin ein bisschen enttäuscht ob des Inhaltes Ihrer Regie-rungserklärung.
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Lassen Sie mich einige Fragen zu dem Bereich, derach meiner Einschätzung in der Regierungserklärunger Ministerin etwas zu kurz gekommen ist, dem Tier-chutz, ansprechen. Dieser Bereich bewegt mich alsachpolitiker natürlich in besonderer Weise. Sie schrei-en:Wir wollen den Tierschutz in der landwirtschaftli-chen Nutztierhaltung im Einklang mit der Wirt-schaftlichkeit voranbringen.Eine andere Äußerung, die ernst zu nehmen ist, ist dierage der Eins-zu-eins-Umsetzung. Bedeutet das jetzt,ass alle Standards, die wir in Deutschland über den EU-tandard hinaus erkämpft haben, zurückgeführt werden?der heißt das sogar, dass die stringente Politik, die wireit 1998 betrieben haben und dank der Deutschland eineührende Rolle in der Tierschutzpolitik in Europa ein-immt, infrage gestellt wird?Sie machen keine konkreten Aussagen zum Ver-andsklagerecht; das muss man nicht unbedingt. Das istei Ihnen wahrscheinlich ein Tabuthema. Das ist auchicht ganz einfach.Es gibt auch keine konkrete Aussage zur Ferkelkas-ration. Das sind Themen, die im Augenblick die Tier-chutzdiskussion bestimmen. In den Niederlanden gibts zwischen den Wirtschaftsbeteiligten bereits die Ver-inbarung, ab 2015 vollständig auf die Kastration zu ver-ichten. Zu solchen Ansätzen hätte man sich durchausußern können. Aber ich kann keine konkreten Äußerun-en erkennen.Wie halten Sie es mit den Tiertransporten? Mecklen-urg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz haben einen Ent-chließungsantrag vorgelegt. Ich hätte mir gewünscht,ass dort eine Acht-Stunden-Regelung aufgenommenorden wäre. Eine solche Regelung gibt es aber nicht.benso gibt es keine Aussage zum Tierschutz-TÜV, füren ich gekämpft habe. Ich bin immer noch stolz darauf,ass wir das gesetzlich geregelt haben.
ie Frage ist: Wo bleibt die Verordnung? Frau Ministe-in, werden Sie eine Verordnung vorlegen, oder werdenie das nicht tun? Wie sieht die weitere Vorgehensweiseus? Das würde auch einige Menschen in diesem Lande,ie sich für den Tierschutz engagieren, brennend interes-ieren. Ich warte da auf eine Aussage.Unter deutscher Ratspräsidentschaft gab es eine großeonferenz in Brüssel, bei der es um das Tierschutzlabelei Lebensmitteln ging. Auch dazu gibt es von Ihneneine Aussage. Wie stehen Sie dazu? Treten Sie dafürin? Unterstützen Sie das? Oder ist Ihnen das nur eine
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Dr. Wilhelm PriesmeierRandnotiz wert? Ich hätte, liebe Kolleginnen und Kolle-gen von der FDP und von der Union, in diesem Bereichein bisschen mehr Mut und klare Aussagen von Ihnen er-wartet.Klare Aussagen fehlen mir auch zu Kernbereichender Agrarpolitik und ihrer Weiterentwicklung. Wir allewissen, dass die gegenwärtige Agrarpolitik sich, auch inBezug auf die Prämien und Transferzahlungen, dauer-haft und immer wieder neu zu legitimieren hat. Ihre Aus-sage dazu lässt eher eine rückwärtsgewandte Politik be-fürchten, nach dem Motto: möglichst viel für die ersteSäule, möglichst wenig für die zweite Säule. Ich warnedavor. Wahrscheinlich wird in absehbarer Zeit der Lissa-bon-Vertrag rechtskräftig werden. Dann werden sich dieVoraussetzungen für die europäische und die nationaleAgrarpolitik grundlegend wandeln.
Es gibt keinen Hinweis von Ihnen, wie man sich in die-ser Hinsicht verhalten wird.Auch zu der Frage, die im Zusammenhang damitschon im Vorfeld diskutiert wird – Finanzierung der EU-Agrarpolitik und Größenordnung des nationalen Bei-trags –, gibt es keine Aussage. Das würde aber vieleLandwirte, Wirtschaftsbeteiligte und andere Betroffenein diesem Land interessieren. Da hätte ich ein bisschenmehr erwartet.Auf der anderen Seite muss man natürlich beachten,dass es bei den einschneidenden Veränderungen, die unsbevorstehen, keine radikalen Brüche geben darf. Dasheißt, man muss diesen Prozess gestalten. Sie verschie-ben das Ganze auf den Zeitraum nach 2013. Denken Sienicht weiter als bis 2013? Oder ist das Absicht, um dieLandwirte und Wirtschaftsbeteiligten im Unklaren zulassen?
Das sind ganz entscheidende Fragen, zu denen ich ent-sprechende Aussagen erwartet habe.Lassen Sie mich zum Schluss noch eine Bemerkungzu dem Manna machen, das vom Himmel gefallen ist,vor allen Dingen für die Milchbauern. Die Milchbauernhaben eine harte Zeit hinter sich. Im Augenblick scheintes wieder bergauf zu gehen. Die Preise steigen; ichhoffe, dass es Anfang nächsten Jahres auskömmlich seinwird. In Bezug auf das 500-Millionen-Euro-Programmfrage ich mich ganz ernsthaft nach der Zielrichtung.500 Millionen Euro sind ungefähr 118 Euro pro Kuhoder 2 Cent pro Liter für den angedachten Zeitraum.Was bezwecken Sie damit? Wie soll das Geld zu den be-troffenen Betrieben gelangen? Wollen Sie da eine Struk-turpolitik betreiben, oder wollen Sie nur mit der Gieß-kanne durch die Lande fahren und das Geld auskippen?
Wollen Sie in gleicher Weise jeden Hektar Grünland be-denken?WkWIn5lh2hnsTudzgkswZpZkDgm
ch hoffe, dass Sie das können, und ich hoffe, dass esicht so ist, wie es den Anschein hat, dass nämlich die00 Millionen Euro dazu dienen, dass die Bayern end-ich die Klappe halten, statt den Quotenausstieg 2015 zuinterfragen oder nach einer Mengensteuerung nach015 zu verlangen. Diese Politik, die während der Ver-andlungen, aber auch in den letzten Monaten zu erken-en war, hat dazu geführt, dass vielen Betrieben wirt-chaftlicher Schaden zugefügt worden ist. An deratsache, dass die Quotenpreise bei der letzten Auktionm 4 Cent gestiegen sind, kann man erkennen, wie vielort in Bewegung geraten ist. Ich glaube, in dieser Be-iehung wäre ein bisschen mehr Ehrlichkeit angebrachtewesen.
Ich kann nur hoffen, dass Sie diese Ehrlichkeit in Zu-unft aufbringen. Ich freue mich natürlich auf die Zu-ammenarbeit mit Ihnen. Aber ich werde Sie immerieder kritisch fragen, wo denn Ihre Konzepte für dieukunft sind. Darauf können Sie sich verlassen.Vielen Dank.
Damit schließe ich die Aussprache zu diesem Punkt.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 sowie Zusatz-unkt 1 auf:3 Abschließende Beratungen ohne AusspracheBeratung des Antrags der Fraktionen CDU/CSU,SPD, FDP, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIEGRÜNENEinsetzung von Ausschüssen– Drucksache 17/17 –P 1 Beratung des Antrags der Fraktion DIE LINKEEinsetzung eines Ausschusses für die Herstel-lung gleichwertiger Lebensverhältnisse in derBundesrepublik Deutschland– Drucksache 17/9 –Eine Aussprache ist hierzu nicht vorgesehen. Daherommen wir gleich zur Abstimmung.Wer stimmt für den interfraktionellen Antrag aufrucksache 17/17? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltun-en? – Damit ist dieser Antrag einstimmig angenom-en. Die Ausschüsse sind entsprechend eingesetzt.
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Vizepräsidentin Katrin Göring-EckardtWer stimmt für den Antrag der Fraktion Die Linke aufDrucksache 17/9? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltun-gen? – Damit ist der Antrag bei Zustimmung durch dieFraktion Die Linke und bei Gegenstimmen der übrigenFraktionen abgelehnt.Damit sind wir am Schluss der heutigen Tagesord-nung.Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-destages auf morgen, Mittwoch, den 11. November2009, 9 Uhr, ein.Die Sitzung ist geschlossen.