Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 127. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte um Ihre Aufmerksamkeit für die Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.
Der Präsident hat Urlaub erteilt für zwei Tage den Abgeordneten Paul , Harig, Niebergall, Rische.
Um Urlaub für längere Zeit sucht nach der Abgeordnete Nuding, und zwar für acht Wochen.
Widerspruch erfolgt nicht. Der Urlaub ist also genehmigt.
— Es liegt ein Urlaubsgesuch vor, daß der Abgeordnete Nuding wegen Krankheit acht Wochen beurlaubt werden möchte.
— Meine Damen und Herren, darf ich diese Frage einen Augenblick zurückstellen. Ich werde feststellen lassen, ob ein ärztliches Attest vorliegt. Ich komme gleich auf die Sache zurück.
Weiter sind entschuldigt die Abgeordneten Frau Döhring, Ludwig, Dr. Dorls.
Meine Damen und Herren! Zur heutigen Tagesordnung darf ich folgendes sagen: Ich nehme an, Sie sind damit einverstanden, daß die gestern abgesetzten Punkte 9 a), b), c), 11 und 12 auf die heutige Tagesordnung gesetzt werden. Der Punkt 12 erledigt sich allerdings dadurch, daß die Herren Antragsteller mir mitgeteilt haben, sie bäten, diesen Punkt — Nr. 2006 der Drucksachen — heute von der Tagesordnung abzusetzen.
— Das Haus ist damit einverstanden, daß wir zu Beginn der heutigen Tagesordnung diese Punkte vornehmen.
Weiterhin liegt mir ein interfraktioneller Antrag unter Drucksache Nr. 2057 über die Verlängerung der Wahlperiode der Landtage der Länder Baden und Württemberg-Hohenzollern vor. Es ist mir von den Fraktionen vorgeschlagen worden, diesen Antrag heute in allen drei Lesungen auf die Tagesordnung zu nehmen. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist. — Das ist der Fall.
Wir treten in die Tagesordnung ein, und ich rufe zunächst den neuen Punkt der Tagesordnung auf:
Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, BP, Z und Gruppe BHE-DG eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung der Wahlperiode der Landtage der Länder Baden und Württemberg-Hohenzollern .
Zur Begründung wollte der Abgeordnete Euler sprechen, den ich im Augenblick nicht im Saale sehe.
— Soll auf die Begründung verzichtet werden?
— Es wird auf die Begründung verzichtet. —*)
Meine Damen und Herren, ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Wortmeldungen dazu? — Herr Abgeordneter Dr. Becker!
Ich nehme an, daß wir keine Redezeit zu vereinbaren brauchen.
Ich habe staatsrechtliche Bedenken und werde mich deshalb bei der Abstimmung der Stimme enthalten.
Diese Erklärung zu einer Abstimmung steht einem jeden Abgeordneten nach der Geschäftsordnung frei.
Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Ich komme zur
zweiten Beratung
und eröffne die Einzelberatung über das Gesetz. — Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich komme zur Abstimmung über § 1, — § 2, — Einleitung und Überschrift des Gesetzes. — Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Paragraphen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. —Ich bitte um die Gegenprobe. — Gegen vier Stimmen bei etwa zehn Enthaltungen angenommen. Ich schließe die zweite Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache zur
dritten Beratung.
— Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache. — Einzelberatung! — Ebenfalls keine Wortmeldungen.
Ich lasse abstimmen über § 1, — § 2, — Einleitung und Überschrift des Gesetzes. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei dem gleichen Stimmenverhältnis angenommen.
Ich komme zur Schlußabstimmung über das Gesetz zur Verlängerung der Wahlperiode der Landtage der Länder Baden und Württemberg-Hohenzollern. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Gegen vier Stimmen bei etwa zehn Enthaltungen angenommen. Damit, meine Damen und Herren, ist das Gesetz in allen drei Beratungen angenommen.
Ich rufe auf den Punkt 9 der gestrigen Tagesordnung:
a) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung ;
*) Schriftliche Begründung siehe Seite 4880 Erste Beratung des von der Fraktion der I KPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abänderung von Bestimmungen in dem Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom 16. Juli 1927 (RGBl. I S. 187) in der zur Zeit geltenden Fassung (Nr. 1958 der Drucksachen);
f) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Bemessung und Höhe der Arbeitslosenfürsorgeunterstützung .
Zur Begründung der Gesetzentwürfe unter den Punkten 9 a) und 9 c) der Tagesordnung hat der Herr Bundesminister für Arbeit das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ihnen hier vorliegenden Gesetzentwürfe über die Erhöhung der Bezüge für die Arbeitslosen und Arbeitslosenfürsorgeunterstützungsempfänger sollen keine grundsätzliche Neuordnung dieses Fragenkomplexes herbeiführen. In meinem Ministerium ist eine Novelle über die Neuordnung und Neugestaltung des AVAVG fertiggestellt worden. Es haben bereits Besprechungen mit den Ländervertretern und mit den Sozialpartnern stattgefunden, und alle diese Stellen wollen mir bis zum 4. April ihre endgültige Stellungnahme schriftlich zugehen lassen.
Wir müssen uns bei dieser Gesetzesmaterie darüber klar sein, daß wir ein völlig auseinandergelaufenes Recht vor uns haben. In der britischen Zone haben wir in der Nachkriegszeit wieder ein einheitliches Recht bekommen, aber in den anderen Zonen ist das Gesetz so weit auseinandergelaufen, daß man heute von zehn verschiedenen Rechtsgrundlagen ausgehen muß. Wir wollen durch diese Ihnen jetzt vorliegenden Gesetzentwürfe erreichen, daß zumindest in der Unterstützungszahlung einheitliches Recht für das ganze Bundesgebiet herbeigeführt wird. Deshalb finden Sie im Anhang an diese Gesetzentwürfe die Unterstützungslisten, die Inhalt und Teil der Gesetze werden.
Soweit es sich hier um die Fragen handelt, die die Arbeitslosenversicherung selbst angehen, handelt es sich hauptsächlich um eine Neugestaltung des § 105. Hier soll einem Übelstand abgeholfen werden, der dadurch entstanden ist, daß in der Vergangenheit der tatsächliche Arbeitsverdienst des Einzelnen zur Grundlage der Berechnung seiner Unterstützung herangezogen wurde. Die Folge davon war, daß, wenn der Mann in den letzten dreizehn Wochen seines Arbeitsverhältnisses krank war oder er aus irgendwelchen dringenden Gründen einen Urlaub nehmen mußte, er nachher mit einem zu geringen Arbeitsverdienst seine Unterstützung berechnet bekam. Diese Dinge sind abgeändert worden. Vor allen Dingen ist auch die Möglichkeit beseitigt worden, daß jemand eine Schädigung seiner Bezüge erfährt, weil er in den letzten dreizehn Wochen Kurzarbeit machen mußte. In der Zukunft wird für die Berechnung der Unterstützungssätze die tarifvertraglich für den betreffenden Beruf vorgesehene Arbeitszeit zugrunde gelegt sein. Nur wenn jemand aus eigenem Ermessen heraus Freizeiten eingelegt hat, wird er dadurch ein Schädigung erfahren.
Weiter sind die Unterstützungssätze in der Arbeitslosenversicherung in der neuen Liste um 10 % erhöht worden. Bei der Arbeitslosenversicherung wirkt sich ein höheres Lohnniveau ja bereits dadurch wesentlich aus, daß der betreffende eben
seine Unterstützungssätze nach den neuesten Tarifen bekommt. Darüber hinaus haben wir noch dafür gesorgt, daß, wenn jemand eine außerberufliche Arbeit vorübergehend angenommen hat — ich will einmal sagen: ein gelernter Facharbeiter der Metallindustrie ist irgendwie in der Landwirtschaft tätig gewesen' —, er seine Unterstützung nicht nach den Verdiensten der letzten dreizehn Wochen bekommt, sondern der Betreffende kann den Antrag stellen, daß ihm der durchschnittliche Verdienst der letzten 52 Wochen zugrunde gelegt wird, wenn das für ihn besser ist. Es wird auch noch die Frage zu prüfen sein, ob man diese Bestimmungen nicht so weit ausdehnt, daß auch eine in der Zwischenzeit eingetretene Erhöhung der Tariflöhne zusätzlich in Anrechnung gebracht werden kann.
In diesem Gesetzentwurf finden Sie dann Bestimmungen über die Höchstarbeitsentgelte, die in der Arbeitslosenversicherung zugrunde gelegt werden können. Sie finden hier den täglichen Arbeitsverdienstsatz von 12,50 DM; er war seither 10 DM. Für den wöchentlichen Verdienst finden Sie 87,50 DM und für den Monatsverdienst 375 DM. Durch diese Bestimmungen werden die Höchstsätze, die zur Anrechnung gebracht werden können, um rund 25 °/o erhöht. Wenn Sie sich die hier vorgesehenen Bestimmungen in ihrer Gesamtheit ansehen, werden Sie davon sprechen können, daß die tatsächlichen Bezüge derjenigen, die arbeitslos werden 'oder arbeitslos sind, in einem höheren Rahmen als nur um 10 % erhöht werden.
Wesentlich anders liegen die Dinge bei dem zweiten Gesetzentwurf, dem Entwurf über die Arbeitslosenfürsorgeunterstützungen. Hier handelt es sich an erster Stelle darum, daß wir jemanden, der vorübergehend Arbeit angenommen und noch keine neue Anwartschaft erworben hat, in der Zukunft nicht mehr nach seinem früheren Arbeitsverdienst einstufen, sondern nach dem Arbeitsverdienst, den er nun in den letzten dreizehn Wochen gehabt hat. Die Notlage ist ja bei den Arbeitslosenfürsorgeempfängern draußen am allergrößten, vor allen Dingen dann, wenn es sich um Menschen handelt, die jahrelang arbeitslos sind, wie wir sie leider Gottes in den Flüchtlingsländern finden. Um dieser besonderen Notlage zu steuern, sind wir in der Vorlage dazu übergegangen, diesen Leuten die Möglichkeit zu geben, ihre Unterstützungssätze umwandeln zu lassen, und zwar nach dem erhöhten Lohnniveau ihres Berufes. Wenn beispielsweise ein Bauarbeiter vor zwei Jahren arbeitslos geworden ist, damals einen Stundenlohn von einer Mark gehabt hat und sein Arbeitslosenfürsorgesatz nun auf dieser Grundlage errechnet ist, dann kann er beim Arbeitsamt den Antrag stellen, daß für seine Unterstützungsberechnung für die Zukunft der jetzige Tariflohn seines Gewerbes angerechnet wird. Wir haben darüber hinaus natürlich auch hier die Unterstützungssätze um 10 Prozent erhöht. Wir werden hierdurch vielleicht schon an der einen oder anderen Stelle in größere Schwierigkeiten wegen der Aufnahme von zumutbaren Arbeiten kommen.
Zusammenfassend möchte ich Ihnen sagen, daß die Gesetzentwürfe nicht dazu angetan sind, das wirklich ernste Problem der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitslosenfürsorge endgültig zu regeln. Hier handelt es sich darum, die schnellstmögliche Verabschiedung eines Gesetzes herbeizuführen, das den Arbeitslosen, vor allen Dingen den Arbeitslosenfürsorgeunterstützungsempfängern größere Beträge geben will, als es seither möglich war.
Über den Kostenaufwand möchte ich Ihnen sagen, daß die zur Durchführung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes aufzubringenden Mittel natürlich den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung entnommen werden müssen. Wir rechnen damit, daß die Mehrkosten im Jahr 55 Millionen DM betragen. Die erhöhten Löhne und die damit erhöhten Eingänge an Arbeitslosenversicherungsbeiträgen setzen die Arbeitslosenversicherung instand, diese Mittel aufzubringen, ohne eine Gefährdung der Arbeitslosenversicherung herbeizuführen. Für den zweiten Gesetzentwurf müssen die finanziellen Grundlagen vom Bund erbracht werden. Es handelt sich dabei um Mehrausgaben für den Bund in Höhe von 80 Millionen DM im Jahr.
Meine Damen und Herren,. Sie haben die Begründung der beiden Gesetzesvorlagen der Regierung gehört.
Zur Begründung des Gesetzesantrags der KPD — Drucksache Nr. 1958 — hat Herr Abgeordneter Kohl das Wort.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, für die Begründung 15 Minuten und für die Aussprache über diese drei Punkte der Tagesordnung eine Redezeit von 120 Minuten vorzusehen.
Kohl (KPD), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Im Frühjahr 1950 wurde im Bundestag anläßlich einer Debatte über die stetig wachsende Zahl der Arbeitslosen durch Herrn Bundesarbeitsminister Storch die Meinung vertreten, daß diese Zahl bis zum Herbst 1950 stark im Absinken begriffen sein werde und daß ihre Senkung keinen besonderen Schwierigkeiten mehr begegnen würde. Sekundiert wurde der Herr Bundesarbeitsminister nicht nur hier in diesem Hause, sondern auch außerhalb dieses Hauses von dem Herrn Bundeswirtschaftsminister Dr. Erhard, der in der Behandlung der Prognosen der wirtschaftlichen Zukunftsentwicklung dieselbe Auffassung vertreten hat und der ja gestern erneut unter Beweis gestellt hat, wie wandlungsfähig er bei seinen Prognosen geworden ist. Wir haben die Tatsache zu verzeichnen, daß trotz aller Bemühungen der Bundesregierung, wie der Herr Bundesarbeitsminister meint, die Zweimillionengrenze der Arbeitslosenzahl in Sicht ist. Damit ist nach unserer Meinung der Höhepunkt noch nicht erreicht. Auch die offiziellen Pressemitteilungen, die von einem leichten Absinken der Arbeitslosenziffer sprechen, können über die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse nicht hinwegtäuschen. Es ist bereits gesternin diesem Hause ausgeführt worden, daß die Arbeitslosenziffer schon außerordentlich stabil ist, vielleicht die einzige Stabilität, die wir in Westdeutschland zu verzeichnen haben. Die Hoffnungen, die eine große Anzahl von Politikern auf die Folgen des Marshallplans gesetzt hat — deren Wirksamkeit von uns allerdings bestritten worden ist —, sind nicht erfüllt worden. Diese Abhängigkeit vom Marshallplan ist mit eine der Hauptursachen dafür, daß die Arbeitslosenzahl nicht absinkt, sondern weiter im Steigen begriffen ist. Wir sind der Meinung, daß gerade in der Tatsache des Vorhandenseins einer strukturellen Arbeitslosigkeit die koloniale Abhängigkeit Westdeutschlands erneut unter Beweis gestellt worden ist. Die Maßnahmen der Regierung, die in den letzten Monaten besonders kraß in Erscheinung getreten sind — ich erinnere nur an die Brotpreiserhöhung, an die Tatsache der kommenden Erhöhung der Margarinepreise, an die Erhöhung der Butterpreise und Kohlenpreise, an.
die diskutierte Mietpreiserhöhung und den Blütenstrauß neuer Steuergesetze, den der Bundesfinanzminister in einer der letzten Sitzungen dem Parlament serviert hat —, führen ganz zwangsläufig zu einer außerordentlichen Verschlechterung der Lebenshaltung im allgemeinen.
Besonders hart aber treffen diese geschaffenen wirtschaftlichen und politischen Tatsachen den Kreis der Arbeitslosen. Die unglaubliche Spanne zwischen Preis und Einkommen zeigt ihre Auswirkungen gerade bei den bald zwei Millionen Arbeitslosen, deren Erbitterung in Hunderten von Entschließungen dieser Kreise an dieses Haus und an die maßgebenden Regierungsstellen zum Ausdruck gekommen ist. Es wäre wirklich einmal zweckmäßig, wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister nicht nur von der Tribüne dieses Hauses die Maßnahmen der Regierung, die sie auf dem wirtschaftlichen und Preissektor durchzuführen gedenkt, vor dem deutschen Volk vertreten, sondern wenn er seine Parole des Riemen-enger-Schnallens auch einmal in einer Arbeitslosenversammlung vertreten würde. Er zieht es allerdings vor, vor den Kreisen der Industrie- und Handelskammern zu sprechen, weil dort die Situation für ihn ungefährlicher ist.
Wir stellen die bedenkliche Tatsache fest, daß bei den langfristig Erwerbslosen, die den größten Teil der Arbeitslosen darstellen — weit über 60 %, der Anteil der Jugendlichen beträgt zirka 28 % —, sich die Lage durch die katastrophale Wirtschafts- und Steuerpolitik der Regierung bedeutend verschlechtert hat. Der Bundesarbeitsminister Storch, der gerade vor mir seinen Gesetzentwurf zur Änderung wenigstens in der Unterstützungsfrage begründet hat, glaubt nun, mit einer zehnprozentigen Erhöhung einen Ausgleich geschaffen und auf der anderen Seite auch — allerdings ist das illusionär — damit die Empörung der Erwerbslosen aufgefangen zu haben. Die Proteste, die bereits jetzt laut geworden sind, gipfeln immer wieder in der berechtigten Behauptung, daß dieser Gesetzentwurf eine Verhöhnung der Arbeitslosen darstellt. Dabei ist bezeichnend, daß für die Errichtung einer Bundesanstalt für Arbeitslosenversicherung, die jetzt noch vorhandenen zirka 700 Millionen DM Rücklage in diese neue Bundesanstalt miteingebracht werden sollen. Den Satz in der Begründung des Gesetzentwurfes über die zehnprozentige Erhöhung sollte man in Parallele setzen, daß nämlich mit diesen Gesetzesvorlagen die Möglichkeiten der Bundesregierung, den Erwerbslosen zu helfen, ausgeschöpft seien. Obwohl der Bundestag bereits Anfang vorigen Jahres die Meinung vertreten hat, daß eine grundlegende Reform des Gesetzes über Arbeitslosenversicherung und Arbeitsvermittlung eine zwingende Notwendigkeit ist, versucht man, mit kleinen Änderungen an der Gesamtproblematik dieser Frage vorbeizukommen, weil man das Steueraufkommen der arbeitenden Menschen für Zwecke der sogenannten Sicherheit benötigt. Dabei läßt man die soziale Seite, die vor allen Dingen für die bald 2 Millionen Arbeitslosen so lebenswichtig ist, vollkommen außer acht. Ich darf in diesem Zusammenhange darauf hinweisen, daß es nicht nur bedenklich ist, wenn nach den Erklärungen des Bundeswirtschaftsministers in der gestrigen Sitzung die Mittel der Sozialversicherung und der Arbeitslosenversicherung für Investitionszwecke in Anspruch genommen werden, sondern ich glaube, daß hier auch der schärfste Widerstand gegen diese
Pläne von seiten der Arbeiterschaft in Erscheinung treten dürfte.
Diese grundsätzliche Erkenntnis und die Tatsache, daß seit 1939 keine Änderung entscheidender Art an dem Gesetz über Arbeitslosenversicherung und Arbeitslosenfürsorge vorgenommen worden ist, hat uns veranlaßt, diesen Gesetzentwurf vorzulegen, der wenigstens in den grundsätzlichen Fragen eine längts fällige Reform des Arbeitslosenversicherungsgesetzes vorsieht. Wir erheben dabei keinen Anspruch darauf, mit unseren Vorschlägen alles das aus dem Gesetz ausgemerzt zu haben, was auszumerzen notwendig ist. Aber wir sind der Auffassung, daß, da die Bundesregierung bisher jede Initiative vermissen ließ und die Not bei den Erwerbslosen immer weiter steigt, endlich etwas getan werden muß, um diesem Personenkreis in bescheidenem Ausmaß zu helfen.
Schon seit Jahren wird beispielsweise in zuständigen Fachkreisen darüber diskutiert, ob es zweckmaßig sei, zwei verschiedene Unterstützungsarten zu haben, einmal die Arbeitslosenversicherung und zum zweiten die Arbeitslosenfürsorgeunterstützung. Die Kompliziertheit dieses Verfahrens bedingt einen riesigen Verwaltungsapparat, dessen Mittel man durch eine Vereinfachung einsparen könnte, indem man eine Unterstützungsart sicherstellt, auf die der Arbeitslose, soweit er in einem versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis gestanden hat, für die Gesamtdauer seiner Arbeitslosigkeit einen Rechtsanspruch haben muß. Wir gingen dabei auch von dem Grundsatz aus, daß nach Ablauf der bestimmten Karenzzeit das Überwechseln von der Alu in die Alfu mit einer finanziellen Schlechterstellung verbunden ist, die weder moralisch noch sozial gerechtfertigt ist, weil ja mit der Länge der Arbeitslosigkeit die Lebenslage des Arbeitslosen immer weiter absinkt und ein niedrigerer Unterstützungssatz nicht verantwortet werden kann. Die Mittel der Arbeitslosenversicherung sind zweckgebunden und sollten nach unserer Meinung eindeutig den Anspruchberechtigten zugute kommen.
Wir legen weiter in unserem Gesetzesvorschlag den Gedanken fest, daß die Vermittlung und Berufsberatung unentgeltlich auszuführen sind, im Gegensatz zu dem bisher gültigen § 60 des alten Gesetzes, nach dem den Arbeitsämtern bei Arbeitsvermittlung immer noch die Erhebung von Gebühren gestattet ist.
Trotz dem Angebot des Herrn Bundeskanzlers — nach großem, allerdings untauglichem Vorbild —, auf Kosten der Arbeiter einen Burgfrieden abzuschließen, sind wir der Meinung, daß infolge der Politik der Bundesregierung Lohnkämpfe und, wenn die Entwicklung so weiter geht, sicherlich auch Arbeitszeitkämpfe unvermeidlich sein werden. Wir wollen deshalb in dieses Gesetz gewisse Sicherungen einbauen und sagen in unserem Gesetzesvorschlag, daß bei Ausständen oder Aussperrungen unter keinen Umständen eine Vermittlung von Arbeitslosen durch die Arbeitsämter durchgeführt werden darf. Wir stützen uns dabei auf die Erfahrungen in der Vergangenheit, wo man immer wieder versuchte, gerade bei Lohn- und Arbeitszeitkämpfen die Arbeitslosen gegenüber der um ihre Existenz ringenden Arbeiterschaft auszuspielen. Wir sind uns auch darüber im klaren, daß weite Kreise in Westdeutschland mit dem Gedanken spielen, einmal die Not der Arbeitslosen für ihre Rekrutierungsgelüste in der Frage der Remilitarisierung nutzbar zu machen.
Wir wollen weiter die Versicherungsfreiheit von Lehrlingen, Anlernlingen und Praktikanten bis 12 Monate vor Beendigung ihres vertraglichen Lehr- oder Arbeitsverhältnisses; für diese Zeit hat dann der Unternehmer die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu tragen. Niemand wird bestreiten wollen, daß bei dem bisherigen Zustand gerade dieser Personenkreis kurz nach Beendigung seines Vertragsverhältnisses zum großen Teil entlassen wird und praktisch vor einem Nichts steht.
Einer der entscheidendsten Paragraphen ist § 87, in dem wir entsprechend unserer grundsätzlichen Einstellung eine Unterstützungsart verlangen, die jedem Anspruchsberechtigten für die Dauer seiner gesamten Arbeitslosigkeit die Arbeitslosenunterstützung garantiert. Die Anwartschaft muß als erfüllt betrachtet werden, wenn der Arbeitslose bei seiner Entlassung in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden hat.
Bei einem Blick auf die gegenwärtig von den Arbeitsämtern durchgeführten Aus- und Fortbildungskurse sind wir der Meinung, daß bedeutend mehr getan werden könnte, wenn man unseren Gesetzesvorschlag annimmt, der vorsieht, die Kosten für diese Fortbildung und auch das Fahrgeld durch die Arbeitsämter tragen zu lassen.
Die kommunistische Fraktion des Bundestages hat bereits im September vorigen Jahres dem Bundestag einen Antrag unterbreitet, der eine Erhöhung der Unterstützungssätze für Arbeitslose und Kurzarbeiter um 30 % vorsah. Die Antwort auf diesen Antrag ist nun der Gesetzentwurf der Bundesregierung, der eine zehnprozentige Erhöhung als ausreichend betrachtet. Wir halten es deshalb auch für notwendig, die Berechnungsgrundlage, die nach dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf des Herrn Bundesarbeitsministers um 10 % erhöht wird, in § 105 zu ändern, und zwar zugunsten der Erwerbslosen, indem angesichts der unerhört gestiegenen Lebenshaltungskosten der bisher unzulängliche Zuschlag für Angehörige von 20 bzw. 10 % auf 40 bzw. 30 % erhöht wird.
Wer selbst einmal das Schicksal eines Erwerbslosen hat auf sich nehmen müssen, der wird wissen, daß die in, § 110 festgelegte Karenzzeit eine Unmöglichkeit darstellt. Wir verlangen deshalb mit unserem Gesetzentwurf, die Arbeitslosenunterstützung vom Tage der Arbeitslosmeldung ab zu bezahlen. Die Zahlung der Kurzarbeiterunterstützung, die nach dem Gesetz eine Kannbestimmung ist, muß in eine Mußbestimmung geändert werden. Ebenso muß dem Erwerbslosen bei der Beschaffung einer neuen Arbeitsausrüstung geholfen werden. Mittel der Arbeitsämter sind dafür ohne Rückerstattung zur Verfügung zu stellen.
Die Tatsache, daß Arbeitslose aus langfristiger Arbeitslosigkeit in einen neuen Beruf vermittelt werden, in dem sie zuerst die notwendige Fertigkeit erlangen müssen, zwang dazu, einen Lohnausgleich aus den Mitteln der Arbeitslosenversicherung festzulegen, der so lange zu gewähren ist, bis der Arbeitende in seinem neuen Wirkungskreis die volle Fertigkeit erreicht hat.
Eine Unmöglichkeit stellt der bisherige Zustand dar, daß der Leiter des Arbeitsamtes bzw. des Landesarbeitsamtes bei der Durchführung von Notstandsarbeiten den Stundenlohn bestimmt bzw. festlegt. Wir verlangen, daß bei der Durchführung dieser Arbeiten der dafür vorgesehene Tariflohn unter allen Umständen zu bezahlen ist. Ebenso lehnen wir es ab, daß ausgesprochene Facharbeiter unter Androhung des Entzugs der Arbeitslosenunterstützung gezwungen werden können, einen anderen Beruf, in dem gegenwärtig Mangel besteht, aufzunehmen, und daß die Unterstützungszahlung davon abhängig gemacht wird.
Den Gemeinden und Gemeindeverbänden gestehen wir nicht mehr die Vermittlung von Arbeitslosen zu, weil wir, gestützt auf Erfahrungen, die Unmöglichkeit dieses Zustandes kennen.
Wir sind uns darüber im klaren, daß dieser von uns eingereichte Gesetzentwurf, wenn er gründlich und eingehend diskutiert wird, unter allen Umständen zweifelsohne eine fortschrittliche Arbeitslosenhilfe darstellt.
Wir sind uns weiter darüber im klaren, daß die Erwerbslosen in erster Linie die Katastrophenpolitik der Bundesregierung mit niedrigen Unterstützungssätzen und mit einem weiteren Ansteigen der Arbeitslosenzahl zu bezahlen haben. Nur zwei kurze Zitate: Die „Düsseldorfer Nachrichten" vom 9. März 1951 bringen unter der Überschrift „Höhere Preise, mehr Steuern, weniger Wohnungen, Bauverbote in Kürze zu erwarten" ein Bild über die tatsächlichen Zustände, wie wir sie gegenwärtig in Westdeutschland haben und wie sie sich weiter entwickeln werden. Einen Tag vorher veröffentlicht das Nürnberger „8-Uhr-Abendblatt" ebenfalls einen Bericht unter der Überschrift „Eine Milliarde für neue Kasernen für amerikanische Streitkräfte oder kasernierte deutsche Truppen". Wir sind der Meinung, meine Damen und Herren, die Mittel, die Sie in diesem Hause für einen sogenannten Verteidigungsbeitrag und für eine schlagkräftige Polizei bewilligen, sollten viel eher den Erwerbslosen zugutekommen. Sie sollten Ihre Politik därauf ausrichten, die Erwerbslosen in Arbeit zu bringen. Sie können sie in Arbeit bringen, wenn Sie eine Politik des Friedens und nicht eine Politik der Vorbereitung des Krieges betreiben.
Deswegen glauben wir sagen zu müssen, daß der Gesetzentwurf im Ausschuß für Arbeit gründlich diskutiert werden soll. Wir beantragen die Überweisung an diesen Ausschuß.
Meine Damen und Herren! Bevor ich die allgemeine Aussprache eröffne, möchte ich folgendes bekanntgeben:
Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses bittet, bekanntzugeben, daß der Ausschuß um 16 Uhr 30 Minuten im Zimmer 02 des Südflügels seine Sitzung fortsetzt.
Weiterhin bin ich darauf aufmerksam gemacht worden, daß der interfraktionelle Antrag über die Verlängerung der Legislaturperiode der Landtage von Württemberg-Hohenzollern und Baden, der vorhin zur Abstimmung kam, auch von der Fraktion der WAV unterschrieben ist. Ich weise ausdrücklich darauf hin.
Schließlich habe ich auf Wunsch des Bundestages die ärztliche Bescheinigung des Dr. Dr. med. Meng, Stuttgart, über die Krankheit des Abgeordneten Nuding vom 5. März heranziehen lassen. Der Arzt weist darauf hin, daß Herr Kollege Nuding am 1. Dezember 1950 wegen eines chronischen Magengeschwürs operiert wurde. Der völlig reduzierte Allgemeinzustand zusammen mit erheblichen Kreislaufstörungen bedinge, daß die Erholung zu dem Zustand der Arbeitsfähigkeit wesentlich länger dauere und weiterhin benötigen werde als ohne die genannten Befunde. Zur Zeit sei der Patient noch völlig arbeitsunfähig. Voraussichtliche Dauer wei-
terhin 6 bis 8 Wochen. — Ich darf annehmen, daß
der Bundestag unter diesen Umständen mit Erteilung des beantragten Urlaubs einverstanden ist.
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Besprechung der ersten Beratung der Gesetzentwürfe, die eben begründet worden sind, im Rahmen einer allgemeinen Redezeit von 120 Minuten.
Als erster hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Ott.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als am 1. März 1951 in der 122. Sitzung das Problem bereits behandelt wurde, ist eine gewisse Beruhigung unter den Arbeitslosen und Rentenempfängern eingetreten, weil man im Bundesparlament von einer Erhöhung von sage und schreibe 25 % und als Zeitpunkt vom 1. April 1951 sprach.
Heute hat man uns nun einen Entwurf vorgelegt, wonach die Sätze der Arbeitslosenfürsorge um 10 % erhöht werden sollen. Ich habe damals erklärt: wir verzichten auf eine Begründung unseres Antrags Drucksache Nr. 1863, weil wir annehmen, daß die soziale Lage dieser Ärmsten der Armen zur Genüge bekannt ist. Nach dem Studium dieser Vorlage aber bin ich zu der Meinung gekommen, daß dem doch nicht so ist. Uns geht es nicht um demagogische Redensarten, wie in der damaligen Debatte gesagt wurde.
Uns geht es nicht darum, daß zum Fenster hinausgeredet wird, sondern uns geht es darum, daß
wirklich diesen Ärmsten der Armen geholfen wird.
Darum frage ich Sie, Herr Arbeitsminister: Ist Ihnen bekannt, daß sich unter diesen Arbeitslosen in erster Linie die Heimatvertriebenen befinden, die nackt über die Grenze gejagt wurden auf Grund der Verträge von Potsdam und Jalta, in denen von einer sogenannten harmlosen „humanen" Vertreibung, einer wirklich angenehmen Vertreibung gesprochen wurde? Diese Menschen haben nichts mitnehmen können, kein Taschentuch, keinen zweiten Anzug, gar nichts. Sie sind wirklich nackt herübergetrieben worden. Und nun sollen sie unter diesen Bedingungen ihr Leben fristen? Die Sätze reichen nicht einmal hin, um sich ernähren, geschweige denn, um sich Anschaffungen an Kleidung, Wäsche und dergleichen Dingen mehr machen zu können. Wenn ich am Samstagabend in meinen Wahlkreis heimkomme, habe ich schon immer Angst, weil die Menschen in Schlangen vor meiner Wohnung stehen, die bitten und betteln, die um Rat kommen und fragen: ja, was wird denn im Parlament gemacht? Bekommen wir endlich jene Hilfe, die wir brauchen, um überhaupt leben zu können? Tränen werden vergossen, Herr Arbeitsminister! Es ist wirklich katastrophal, in welcher Lage sich diese armen, armen Menschen befinden.
Deshalb können wir diesen Sätzen unter keinen Umständen zustimmen, denn sie wären keine Hilfe für die Arbeitslosen, sondern nur, ich muß schon sagen, ein gewisses Beruhigungsmittel, eine Morphiumspritze, die sie ein bißchen über das hinwegtäuschen soll, was eigentlich ist. Wir kennen die Schwierigkeiten, mit denen die Regierung heute zu kämpfen hat. Das wissen wir ganz genau. Aber es ist schon einmal der Satz gefallen: Wenn wir schon zur Armut verurteilt sind — so ungefähr hat es geheißen —, dann soll diese Armut auch von allen getragen werden! Ist Ihnen bekannt, Herr
Arbeitsminister Storch, daß in den Städten die Millionäre wie Pilze aus dem Boden schießen?
— Das stimmt! Das ist erwiesen, meine Damen und Herren! Ich habe erst vor wenigen Tagen einen Herrn aus der Stadt Reutlingen bei mir gehabt, der mir über diese Dinge berichtet hat. Wir haben wirklich den Wunsch, daß diese Armut von allen Menschen getragen wird und daß endlich einmal dort angepackt wird, wo man anpacken kann, nämlich bei den Reichen, die sich durch die Kriegsschacherei bereichert haben, die sich bei der Währungsreform bereichert haben und die sich bis heute auf Grund dieser Voraussetzungen zu diesen Millionengewinnen haben heraufschwingen können.
Darum lehnen wir diese Gesetzesvorlage ab und bitten, uns baldigst eine andere Vorlage zu unterbreiten, mit der den Ärmsten der Armen wirklich geholfen werden kann.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe geglaubt, mich vorhin deutlich genug ausgedrückt zu haben, als ich über die Arbeitslosenfürsorge sprach. Herr Abgeordneter Ott, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß in dem Gesetzentwurf bezüglich der Arbeitslosenfürsorge, zu der Sie j a hauptsächlich gesprochen haben, etwas ganz anderes als eine zehnprozentige Erhöhung der Arbeitslosenfürsorgesätze enthalten ist. Ich habe vorhin gesagt — vielleicht waren Sie nicht im Saal —, daß nach diesem Gesetzentwurf die Unterstützungssätze der langfristig Arbeitslosen nach den jetzigen Tarifsätzen umzugestalten sind. Ist jemand lange arbeitslos gewesen, dann kann ihm auf Grund dieser Bestimmung sein Unterstützungssatz um denselben Prozentsatz erhöht werden, um den die Lohnsumme oder die Lohnzahlungen in der Zwischenzeit gestiegen sind, und zu dieser Erhöhung bekommt er dann die 10 %, die Ihnen anscheinend als einziges im Gesetz aufgefallen sind.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Keuning.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß sagen, daß uns einiges in den beiden von der Regierung vorgelegten Entwürfen und auch in den Ausführungen des Bundesarbeitsministers mit Freude erfüllt, wenn auch nur in sehr geringem Maße. Uns erfüllt mit Freude, daß man den veränderten Verhältnissen Rechnung tragen will. Wir haben schon lange auf solch eine Vorlage gewartet. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, daß diese Fragen schon im Juli des vorigen Jahres in einem Antrag der Sozialdemokratischen Partei angesprochen wurden. Es wird also spät dazu Stellung genommen. Es freut uns aber, wie man langsam erkennt, daß diese Fragen doch brennender sind, als es damals in der Debatte hingestellt wurde.
Ich möchte auch darauf aufmerksam machen, daß die große sozialpolitische Debatte in der 122. Sitzung des Deutschen Bundestages am 1. März dieses Jahres durch eine Interpellation der Sozialdemokratischen Partei ausgelöst wurde, die sich auf den Antrag des vorigen Jahres bezog. Der Antrag forderte, daß von der Regierung nun end-
lieh Maßnahmen ergriffen werden, die erkennen lassen, daß man der Not entgegentreten will.
Zu der Notlage der betroffenen Kreise möchte ich keine allgemeinen Ausführungen machen. Ich möchte nur an die von uns gemachten sehr ausführlichen Darlegungen erinnern, die in der sozialpolitischen Debatte in dieser Richtung gemacht worden sind. Auch die gestrige Debatte in diesem Hause hat noch einmal aufgezeigt, wie wir zu dieser Frage stehen.
Zu dem Gesetzentwurf Drucksache Nr. 2007 möchte ich sagen, es ist erfreulich, daß nun hinsichtlich der langfristig Arbeitslosen, und zwar solcher, die früher in anderen Berufen tätig waren und in der letzten Zeit eine nicht ihrer Ausbildung entsprechende Beschäftigung übernommen haben, welche eine entsprechend geringere Entlohnung und weiter eine entsprechend geringere Unterstützung mit sich gebracht hat, ein Schritt vorwärtsgegangen wird. Wir begrüßen das sehr. Ich möchte aber darauf hinweisen, daß in dem § 2 Abs. 3 gesagt wird, diese Maßnahme solle auf laufende Unterstützungsfälle nicht angewendet werden. Ich hoffe, das richtig zu verstehen. Es würde dann dazu kommen, daß in einer Gruppe zwei verschieden hohe Unterstützungssätze gezahlt werden — wenn ich es nicht richtig verstanden haben sollte, würde ich mich sogar freuen, aber ich sehe gerade, daß Sie, Herr Bundesarbeitsminister, den Kopf schütteln —; das wäre ja eine Ungerechtigkeit. In Abs. 3 des § 2 heißt es:
Auf laufende Unterstützungsfälle im Sinne des Absatzes 2 findet § 105 Absätze 2 und 3 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in der Fassung dieses Gesetzes keine Anwendung.
Ich kann leider diesem Wortlaut keine andere Deutung geben als die, daß dann praktisch zwei verschiedene Berechnungsarten nebeneinander bestehen, daß derjenige, der heute erwerbslos wird, die Unterstützung nach den neuen Berechnungsgrundlagen bekommt, und derjenige, der schon länger erwerbslos ist, nicht.
Die Tabelle in der Vorlage Drucksache Nr. 2007 ist auch für uns nicht gerade erfreulich. Es wird in der Regierungsvorlage davon gesprochen, daß angestrebt wird, bis zu 80 % des Arbeitsverdienstes an Unterstützung zu zahlen. Bei den aufgeführten Berechnungsbeispielen muß ich feststellen, daß das nur bei den untersten Sätzen in Frage kommt. Bei den Gruppen, deren Angehörige heute als Normalverdiener — 50 bis 60 Mark Wochenverdienst — anzusehen sind, wird der Prozentsatz lange nicht erreicht. Er liegt bei einem Arbeitslosen mit sechs Familienangehörigen bei zirka 70 %. Wir glauben, Herr Arbeitsminister, daß man hier doch nicht an die Grenze des Möglichen gegangen ist. Bei aller Anerkennung der Überlegungen, wie weit man gehen kann, um den Arbeitswillen nicht erlahmen zu lassen, glauben wir doch, daß man hier nicht bis an die Grenze gegangen ist, also einem Unterstützungssatz, der die Not in dem höchstmöglichen Maße zu lindern vermag und bei dem trotzdem noch der Wille erhalten wird, sich um eine ordentlich bezahlte Arbeit zu bemühen.
Wir glauben also, im Ausschuß entsprechende Vorschläge machen zu müssen. Ich stelle fest, daß der von der KPD vorgelegte Entwurf hier einen Satz von 90 % vorsieht, daß also der Arbeitslose 90 % des normalen Einkommens bekommen soll, während die Regierungsvorlage von 80 % spricht.
Aber in den wenigsten Fällen werden 80 % ausgezahlt werden. In den meisten Fällen bewegt sich der Satz zwischen 50 bis 55, höchstens 60 %. Das ist nach unserer Ansicht zu niedrig.
Herr Arbeitsminister, es hat uns gefreut, daß Sie uns in Ihrem Ministerium einen Einblick in die Entwicklung der Sozialversicherung gegeben haben. Es wäre uns sehr angenehm gewesen, wenn Sie auch in dieser brennenden Frage den gleichen Kreis, den Ausschuß für Arbeit und den Ausschuß für Sozialpolitik, zu sich eingeladen hätten, um diesem Kreis Unterlagen darüber zu geben, was an Stock vorhanden ist. Denn ein gewisser Stock ist ja neben dem, was laufend einkommt, vorhanden. Dann wäre man doch wohl zu anderen Sätzen gekommen, als sie hier in der Vorlage niedergelegt sind.
Zu der Vorlage Drucksache Nr. 2008 ist in groben Zügen das gleiche zu sagen. Die Vorlage beschäftigt sich mit den Alfu-Empfängern. Wir begrüßen auch, daß in ihrer Begründung die Notwendigkeit zwischenzeitlicher Überprüfung der Unterstützung im Hinblick auf das tatsächlich auf dem Arbeitsmarkt vorherrschende Lohnniveau nochmals betont wird. Wir sehen hier den Angelpunkt zu. einer in den Debatten der letzten Zeit immer hervorgehobenen Frage, nämlich der Einführung einer sogenannten gleitenden Skala für Unterstützungen. Wir lesen in Ihrer Begründung, daß praktisch seit 1947 die gleichen Sätze maßgebend sind. Es heißt dort wörtlich:
Die Regelung der Unterstützungssätze verträgt jedoch keinen Aufschub, da diese ebenso wie die Sätze der Arbeitslosenversicherung auf der Wirtschaftslage des Jahres 1947 fußen.
Wir müssen betonen, Sie kommen sehr, sehr spät. Trotzdem ist das Geringe, das heute hier vorgetragen wurde, schon erfreulich. Auf Grund der Hinweise, die auch heute in der Begründung des Herrn Arbeitsministers gegeben wurden, werden wir, wie gesagt, im Ausschuß vor allen Dingen die Frage der gleitenden Skala für Unterstützungen aufgreifen.
Zu der Vorlage der KPD wollen wir jetzt keine Stellung nehmen. Wie Sie wissen, Herr Kollege Kohl, liegt eine Vorlage fast gleicher Art seitens der Sozialdemokratischen Partei bereits seit dem vorigen Jahr vor und hat auch im Ausschuß einige Male zur Beratung gestanden; Sie waren leider nicht da. Wir haben von der Regierung das Versprechen bekommen, daß in nächster Zeit eine generelle Überholung des AVAVG erfolgen wird. Sie ist soeben angekündigt worden. Wir hoffen, daß die Überholung ohne jede Verzögerung erfolgt, damit die wirklich brennenden Fragen bald geklärt werden können. Wir haben den Eindruck, Herr Arbeitsminister — und ich habe von dieser Stelle aus schon einige Male unsere Unzufriedenheit über die langsame Behandlung von Anträgen aus diesem Hohen Hause zum Ausdruck gebracht —, daß Ihre vielgepriesene Sparsamkeit auf Kosten dessen betrieben wird, was notwendig ist. Sie würden bei der Haushaltsberatung unsere volle Unterstützung haben, wenn wir dabei den Eindruck gewinnen würden, daß die entsprechenden Stellen so arbeiten können, wie es den Notwendigkeiten der Zeit entspricht. Wir glauben, daß sie Ihre Sparsamkeit teils am falschen Platze üben.
In dem Entwurf der KPD wird auf den § 74 AVAVG hingewiesen. Wir haben von Ihnen in der damaligen Debatte das Versprechen bekommen, daß Sie diese Regelung jeden Tag mitmachen
würden. Fast 200 Tage sind ins Land gegangen, und es ist nichts geschehen.
Die arbeitslosen jungen Menschen, die nun nach Beendigung der Lehrzeit vor den Werkstätten stehen, werden zu den Wohlfahrtsämtern gehen müssen. Wenn auch gesagt wird, es wird Alfu gezahlt, so ist doch immer die Bedürftigkeit nachzuweisen. Ich richte also nochmals den Appell an Sie, nicht falsche Sparsamkeit zu üben, sondern in Ihrem Ministerium die Leute einzusetzen, die die dringenden Vorlagen auch schnellstens bearbeiten können.
Wir werden der Überweisung an den Ausschuß für Arbeit und Sozialpolitik zustimmen. Wir haben immer wieder auf die Not der betroffenen Kreise hingewiesen; in diesen Vorlagen sehen wir eine Anerkennung unseres Drängens. Wenn man an die sozialpolitische Debatte und an manchen Zwischenruf denkt, der protokollarisch festgelegt ist, dann muß man sich fragen, wieweit noch ein echtes soziales Verständnis vorhanden ist. Wir haben bei den meisten Vorlagen den Eindruck, daß sie aus dem Geiste des „so sozial wie möglich" erfolgen. Das heißt, daß nicht der Druck der harten Tatsachen dahintersteht. Wir haben von dieser Stelle aus mehrfach erklärt, daß die Sozialpolitik von dem Grundsatz aus „so sozial wie nötig" betrieben werden muß. Das heißt, daß man unablässig und mit stärkstem Druck daran gehen muß, die Not zu beseitigen. Bei aller Anerkennung der materiellen Schwierigkeiten der Regierung in der gesetzlichen Regelung dieser Fragen sind wir doch der Ansicht, daß hier nicht das Entsprechende getan wird. Diese Vorlagen entsprechen in der letzten Erfüllung nicht den Vorstellungen der Sozialdemokratie. Ich habe soeben schon gesagt, es sind einige erfreuliche Fortschritte zu verzeichnen. Wir werden im Ausschuß mithelfen, eine Vorlage zu erarbeiten, die der Not der Zeit gerecht wird. Es ist soviel von der Not gesprochen worden. Es ist notwendig, auf dem schnellsten Wege hier eine gute Regelung zu schaffen, notwendig in dem tiefsten Sinne des Wortes, um „die Not zu wenden".
Das Wort hat der Abgeordnete Sabel. — Ich bitte um Entschuldigung; Herr Bundesminister Storch möchte zwischendurch das Wort nehmen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin meinem Vorredner für seine Ausführungen sehr dankbar. Er hat sich wenigstens ernstlich Mühe gegeben, in die Gesetzentwürfe, die heute vor uns liegen, hineinzudringen. Ich bin auch offen genug, Ihnen zu sagen, daß ich gern bereit bin, bei der Bearbeitung dieser beiden Vorlagen im Ausschuß berechtigte und zur Zeit schnell durchführbare Erweiterungen mitzumachen. Ich möchte Sie nur darauf aufmerksam machen, daß wir in diesem Gesetz nicht festlegen können, daß auf Grund der Tatsache, daß die Löhne gehoben worden sind, nun die laufenden Unterstützungen von heute auf morgen oder in kurzer Zeit überprüft werden müssen. Mit einer derartigen Arbeit würden die Arbeitsämter einfach nicht fertig werden.
— Wir haben bereits eine derartig aufgeblähte Arbeitsverwaltung, daß wir uns, wenn die Dinge jetzt
neu gestaltet werden, allen Ernstes fragen müssen, ob der Verwaltungsapparat in dieser Größe gehalten werden kann. Im Rahmen des Möglichen bin ich jederzeit bereit, den Weg mitzugehen, damit der Arbeitslose, der seinen Beitrag im Verhältnis zu seinem Arbeitslohn gezahlt hat, auch die jeweilige Unterstützung nach dem Prozentverhältnis zu dem dann gültigen Lohn erhält. In dieser Hinsicht dürfen Sie auf meine Mitarbeit und die meiner Beamten im Ministerium unbedingt rechnen.
Ich bin vorhin auf die von der Kommunistischen Partei gestellten Anträge nicht eingegangen. Aber für den Fall, daß der eine oder andere aus dem Hohen Hause zu den Dingen Stellung nehmen will, möchte ich Ihnen einige Auswirkungen der kommunistischen Anträge zeigen. Nach den kommunistischen Anträgen würde jemand, der einen Beitrag entsprechend einem Wochenverdienst von 12 DM gezahlt hat, einen Unterstützungsanspruch von 20,40 DM haben. Derjenige, der die Beiträge für 30 DM Wochenlohn bezahlt hat, würde 45,30 DM und derjenige, der Beiträge für einen Wochenlohn von 60 DM entrichtet hat, würde 68,10 DM an Unterstützung bekommen. Ich glaube, unter solchen Umständen würde kein Mensch mehr arbeiten.
Das Wort hat der Abgeordnete Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst zu dem Antrag der KPD Drucksache Nr. 1958 und zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Kohl kurz Stellung nehmen. Zu seinem Leidwesen muß ich mitteilen, daß die Arbeitslosenzahl in den letzten Wochen nicht gestiegen, sondern immerhin um etwa 250 000 gesunken ist. Das wird ihm sehr leid tun; aber uns freut es, und wir hoffen und wünschen, daß wir auch in den kommenden Wochen ein starkes Absinken der Arbeitslosigkeit verzeichnen können.
Zu dem Antrag Drucksache Nr. 1958 möchte ich sagen, daß darin sehr wenig enthalten ist, was genügend durchdacht ist. Der einzige Punkt, in dem ich mit den Antragstellern einig gehe, betrifft die Abänderung des § 74 AVAVG. Es geht darum, die Lehrlinge für eine bestimmte Zeit vor Abschluß der Lehre der Versicherungspflicht zu unterstellen, damit sie einen Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung haben, wenn sie nach Ablauf der Lehrzeit arbeitslos werden.
Zu den anderen beantragten Änderungen des Gesetzes möchte ich folgendes sagen, und zwar zunächst zu § 60. Schon bisher war die Vermittlung durch die Arbeitsämter und die Inanspruchnahme der Berufsberatung immer unentgeltlich. In Abs. 2 des Gesetzes ist lediglich gesagt, daß Vermittlungseinrichtungen, die nicht in den Rahmen der Arbeitsämter gehören, berechtigt sind, von den Auftraggebern den Ersatz ihrer Auslagen zu verlangen.
Der Antrag der KPD verlangt zu § 63, daß eine Vermittlung in den Fällen nicht durchgeführt wird, in denen in einem bestimmten Betrieb oder in einer bestimmten Industrie gestreikt wird. Bisher war es so, daß die Arbeitsämter in solchen Fällen den Bewerbern Mitteilung von der Bestreikung machen mußten und daß dann jeder die Möglichkeit hatte, die Aufnahme der Arbeit zu verweigern.
— Nein, das ist noch so. Es kann keinem etwas geschehen, wenn er in diesem Falle die Arbeitsaufnahme verweigert. Wenn wir Ihrem Antrag stattgeben würden, würde das praktisch dazu führen, daß die Arbeitsämter in solche Arbeitskämpfe eingreifen; und das wollen wir nicht.
Zu § 87 fordert der Antrag der KPD, daß jede Anwartschaftszeit wegfällt. Hierzu möchte ich einiges Grundsätzliche sagen. Wir legen Wert darauf, daß auch in der Arbeitslosenversicherung der Versicherungscharakter soweit wie möglich erhalten bleibt. Wir wissen, daß hier die Dinge etwas schwieriger liegen als sonst in der Sozialversicherung. Wir wollen aber doch nicht ganz von dem Versicherungscharakter abgehen, wie es in dem Antrag gefordert wird. Es ist ja nicht so, daß diejenigen, die keine Anwartschaftszeit erfüllt haben, ohne jede Hilfe dastehen, sondern sie können im Falle der Bedürftigkeit die Arbeitslosenfürsorge in Anspruch nehmen.
Den § 90 will der Antrag dahin geändert wissen, daß jeder berechtigt sein soll, die Arbeitsaufnahme zu verweigern, wenn die Arbeit an einem andern Ort angeboten wird. Meine Damen und Herren, wenn Sie das tun, führt das allenfalls dazu, daß die Pendelarbeiter — und das sind ja nicht wenige — unter Umständen berechtigt sind, die Arbeitsaufnahme an einem andern Ort zu verweigern. Ich darf darauf hinweisen, daß wir Städte haben, in denen mehr als 50 % der Arbeitnehmer Pendelarbeiter sind. Das Gesetz bietet heute schon ausreichende Möglichkeiten, die Arbeitsaufnahme an einem fremden Ort zu verweigern, nämlich dann, wenn dem Arbeitslosen Nachteile entstehen würden.
In Ihrem Antrag fordern Sie weiter, daß § 91,
d. h. die Möglichkeit beseitigt wird, den Arbeitslosen zur Pflichtarbeit heranzuziehen. Meine Damen und Herren, wer die Praxis kennt, der weiß,
daß es eine unbedingte Notwendigkeit ist, diese
Möglichkeit einer Heranziehung zur Pflichtarbeit
zu geben, und zwar aus erzieherischen Gründen,
damit in den Fällen, in denen der Arbeitswille bezweifelt werden kann, die Möglichkeit zur Überprüfung des Arbeitswillens besteht. Meine Freunde sind der Auffassung, daß wir hier eher eine Ausweitung als eine Einengung vornehmen sollten.
Das gleiche trifft auf die nächste Ziffer Ihres Antrags zu. Sie wollen die Bestimmung im AVAVG streichen, daß dem Arbeitslosen unter Umständen die Unterstützung entzogen wird, wenn er sich nicht an Einrichtungen zur beruflichen Fortbildung beteiligt.
Der Sinn der Maßnahmen zur beruflichen Fortbildung, die durch die Arbeitsverwaltung durchgeführt werden, ist doch der, den Arbeitslosen vermittlungsfähiger zu machen, ihm zusätzliche Kenntnisse zu verschaffen, damit er in der Konkurrenz um den Arbeitsplatz besser dasteht, und hier ist es unter Umständen notwendig, durch die Möglichkeit, die Unterstützung zu entziehen, einen Zwang auszuüben, damit der einzelne sich an diesen Fortbildungseinrichtungen beteiligt.
Durch die Streichung von § 95 soll die Anwartschaftszeit beseitigt werden. Nach § 99 wird die Arbeitslosenunterstützung praktisch für die ganze Dauer der Arbeitslosigkeit beantragt. Ich halte — auch wiederum im Hinblick auf die Aufrechterhaltung des Versicherungscharakters — die bisherige Regelung für zweckmäßiger, daß für eine bestimmte Zeit ein versicherungsrechtlicher Anspruch besteht und daß, soweit das möglich ist, diese Aufwendungen. für einen bestimmten Zeitraum aus den Beitragsmitteln bestritten werden. Darüber hinaus ist es unerläßlich, bei der bisherigen Regelung zu verbleiben, also bei der Arbeitslosenfürsorge mit der damit verbundenen Bedürftigkeitsprüfung. Das ist unerläßlich, weil es nur so möglich ist, die Aufwendungen für diese Unterstützungen im Rahmen des Tragbaren zu halten.
In § 105 schlagen Sie eine beachtliche Erhöhung der Hauptunterstützung vor. In Verbindung damit will ich auch auf den § 107 eingehen, in dem Sie die gesamte Unterstützung auf 90% des Arbeitsentgelts begrenzen wollen. Meine Damen und Herren, Ihnen allen ist bekannt, daß heute der Arbeitnehmeranteil an den Sozialbeiträgen 10% und darüber beträgt. Wenn Sie diesen Grundsatz akzeptieren, dann stellen Sie den Arbeitslosen praktisch demjenigen gleich, der in Arbeit steht. Ich frage mich, ob das zweckmäßig ist, ob dadurch der Wille zur Arbeit erhalten bleiben kann oder ob hierdurch nicht die Möglichkeit des stärkeren Mißbrauchs gegeben ist.
Das sind so einige Hinweise, die Ihnen zeigen, daß dieser Antrag zumindest nicht recht durchdacht ist. Ich habe doch immerhin die Sorge, daß er mehr um seiner agitatorischen Wirkung willen gestellt worden ist.
Ich bin der Meinung, wir sollten diesen Antrag dem Ausschuß für Arbeit überweisen. Dieser kann ihn zugleich mit den bereits vorliegenden Anträgen behandeln.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit darum bitten, daß die Regierung die angekündigte Novelle zum AVAVG doch baldigst vorlegt, damit wir dann in einem Zug die Korrektur des Gesetzes, soweit diese erforderlich ist, vornehmen können.
Zu den beiden Vorlagen der Bundesregierung brauche ich nicht viel zu sagen. Der Herr Bundesarbeitsminister hat die Vorlagen erläutert. Ich kann namens meiner Freunde diese Vorlagen begrüßen, da sie gegenüber dem bisherigen Zustand eine beachtliche Verbesserung bedeuten. Ich will auf die Einzelheiten nicht eingehen. Ich bitte nur zu erwägen, ob es nicht möglich ist — starke Bedenken sind bisher nicht vorgetragen worden —, diese beiden Vorlagen heute auch noch in zweiter und dritter Lesung zu verabschieden, damit die Arbeitslosen drei Wochen früher in den Genuß dieser Verbesserungen kommen können. Meine Damen und Herren, wir stehen vor der Osterpause. Verabschieden wir die beiden Vorlagen heute nicht — ich weiß, es ist ein ungewöhnliches Verfahren —, dann bedeutet das praktisch, daß die Arbeitslosen einige Wochen später in den Genuß dieser Verbesserung kommen. Ich würde dabei wünschen, daß die vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen berücksichtigt werden, soweit sie von der Bundesregierung akzeptiert sind. Ich bin nicht der Meinung, daß die Gegensätze hier so groß sind, daß die Ausschußberatung unbedingt erforderlich ist. Ich bin der Meinung, die weitergehenden Wünsche könnten im Ausschuß zusammen mit den übrigen die gleiche Materie betreffenden Fragen behandelt werden. Wir sollten uns aber bemühen, den Versuch zu machen, die Sache heute in zweiter und dritter Lesung durchzuziehen, damit, wie ich schon sagte, die
Arbeitslosen drei Wochen früher in den Genuß der Verbesserungen kommen, die diese Gesetzentwürfe bringen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schäfer.
Dr. Schäfer: : Meine Damen und Herren! In den Ausführungen des Herrn Arbeitsministers hat uns ganz besonders die Ankündigung interessiert, daß sehr bald mit einer Novelle zu dem Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung zu rechnen ist. Wir glauben allerdings an die Dringlichkeit einer Revision dieses ganzen Gesetzgebungswerkes, weil die strukturell gewandelten wirtschaftlichen Verhältnisse und die besonderen Umstände der Nachkriegswirtschaft eine Erneuerung und eine Vervollkommnung des Gesetzes sowohl auf dem Gebiet der Arbeitslosenversicherung als auch auf dem Gebiet der Arbeitsvermittlung notwendig machen. In diesem Rahmen bedeutet das heutige Ergänzungsgesetz, das sich in erster Linie mit einer Verbesserung der Unterstützungssätze befaßt, nur einen kleinen Schritt. Es paßt sie auf der bisherigen gesetzlichen Grundlage nur den veränderten materiellen Bedingungen der Arbeitslosen an.
Wir meinen aber, daß es notwendig ist, baldigst darüber hinaus an eine weitgehende Veränderung des Systems heranzugehen. Wir begrüßen in dieser Hinsicht bei den zu Erörterung stehenden Vorlagen, daß man vor allen Dingen da, wo die langfristige Erwerbslosigkeit ganz besonders drückend empfunden wird, wenigstens verbesserte Berechnungsgrundlagen für die Höhe der Unterstützungssätze eingebaut hat. Wir haben aber Bedenken gegen den Vorschlag, der von einem Herrn Kollegen, der vor mir gesprochen hat — ich weiß nicht mehr, wer es war —, vorgetragen worden ist, so etwas einzuführen wie eine gleitende Skala der Unterstützungssätze. Da, meine Damen und Herren, rühren wir an sehr gefährliche Dinge. Wenn wir in irgendeinem Zweig öffentlicher Leistungen zu gleitenden Skalen übergehen, dann begeben wir uns nicht nur in ein Gefahrengebiet hinein, das währungspolitisch sehr unerwünschte Folgen enthalten könnte, sondern wir begeben uns auch der Möglichkeit, dem jeweiligen Wechsel angepaßte Veränderungen zweckentsprechend vorzunehmen. Es erscheint verlockend, gewissermaßen die Verantwortung von sich abzuschieben, indem man einen statistischen Mechanismus an die Stelle einer jeweiligen Entscheidung über die Höhe irgendwelcher sozialer Leistungen setzt. Aber man unterwirft sich damit zugleich auch dem Zwang, für die Frage der Beiträge und der Finanzierung der Leistungen ebenso gleitende Regelungen auftreten zu lassen. Unser ganzes wirtschaftliches Geschehen vollzieht sich auf keinem Gebiete schematisch, und eine echte Parallelität aller Erscheinungen ist auf dem LohnPreis-Gebiet, auf dem Gebiet des Beschäftigungsgrades usw. keineswegs zu verzeichnen. Wir würden uns mit einer gleitenden Skala der Gefahr aussetzen, daß wir eine Automatik, eine sehr mechanistische Automatik an die Stelle einer Entscheidung setzen, die doch jeweils von einer sehr sorgfältigen Analyse der wechselnden Gesamtsituationen ausgehen muß.
Bei der Reform der Arbeitslosenversicherung und Arbeitsvermittlung wird man sich natürlich auch den Fragen eines Mißbrauchs dieser Einrichtungen zuwenden müssen. Wir haben auf dem Gebiet der Sozialpolitik auf der einen Seite leider Gottes immer wieder die Verpflichtung, zu helfen, wo es notwendig ist; wir haben auf der anderen Seite aber auch Vorkehrungen dagegen zu treffen, daß die Hilfsmittel mißbraucht werden. Daß wir jedoch auf dem Gebiet, das heute zur Debatte steht, mancherlei Mißbrauchserscheinungen haben, ist Ihnen, meine Damen und Herren, bekannt. Es ist unvermeidlich, hier vor allen Dingen das unerfreuliche Gebiet der Schwarzarbeit noch einmal zu nennen, nämlich die leider nicht seltenen Versuche, einerseits zu Lasten derjenigen, die Arbeit leisten, Unterstützung in Anspruch zu nehmen und sich andererseits durch eine Arbeitsleistung, die nicht gemeldet wird, Einkünfte zu verschaffen. Hier sind, glaube ich, wirksamere Vorkehrungen als bisher notwendig.
Es wird weiterhin nötig sein — und hier hängt das Gebiet, das wir jetzt streifen, mit dem sozialen Wohnungsbau zusammen —, um wirklich helfen zu können, es bei der Unterstützung für die Menschen nicht bewenden zu lassen, sondern ihnen die Möglichkeit der eigenen Existenzsicherung zu geben und ein größeres Maß von Freizügigkeit zu erreichen. Damit komme ich zu dem Gebiet der Arbeitsvermittlung, das mit der Unterstützung in Zusammenhang steht. Meine Damen und Herren, unendlich viele Menschen sind in der Nachkriegszeit durch die Gewalt der Zufälle oder durch die Willkür sogar gesetzlicher Normen und Bestimmungen in Existenzformen gebracht worden, die ihrer Neigung und Anlage nicht entsprechen. Es ist nicht nur damit getan, daß ein Mensch eine Arbeit bekommt, sondern es kommt darauf an, daß die Einheit von Leben und Beruf wiederhergestellt wird; denn die innere Spannung in einem Menschen, die schließlich zur sozialen Unruhe führt, entsteht dadurch, daß seine Tätigkeit zu seinen Neigungen und Anlagen nicht in einem ausgeglichenen Verhältnis steht. Hier muß eine größere Beweglichkeit, aber auch eine größere Wendigkeit, eine — wie soll ich sagen? — größere Genauigkeit der Ermittlung auf dem Gebiet der Arbeitsvermittlung herbeigeführt werden. Das wird eine Aufgabe sein, die nicht nur mit rein formalen, mit rein organisatorischen Mitteln zu lösen sein wird. Hier werden wir an die Qualität der Vermittlung gesteigerte Ansprüche stellen müssen. Wir werden uns daran gewöhnen müssen, zur Erhöhung des Wirkungsgrades der Berufsarbeit dafür zu sorgen, daß die besten mit betriebswirtschaftlicher Praxis ausgerüsteten Arbeitsvermittler gefunden werden, die die Menschen an die richtige Stelle weisen können, damit diese nach dem höchsten Maße ihrer individuellen Leistungsfähigkeit in die Lage versetzt werden, beste Leistungen letztendlich im Dienste der Volkswirtschaft zu vollbringen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Fraktion der Deutschen Partei begrüßt die Absichten der Bundesregierung, in der Frage der Erhöhung der Unterstützungssätze der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitslosenfürsorge einen Versuch zu machen, der dringenden Not in etwa zu steuern, und wir freuen uns, daß gleichzeitig mit dieser Vorlage endlich auch die Rechtseinheit auf dem Gebiet der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitslosenfürsorge hergestellt
wird, daß durch einheitliche Tariftabellen, durch einheitliche Erhöhung der Sätze die Rechtszersplitterung nicht nur beseitigt wird, sondern darüber hinaus auch die Grundlage für einen echten und notwendigen Finanzausgleich geschaffen wird. Insofern bejahen und begrüßen wir diese Vorlage.
Was aber die beabsichtigte Erhöhung der Unterstützungssätze und die bisherige Konstruktion der Gesetzgebung, auf die Herr Dr. Schäfer eben schon hingewiesen hat, angeht, so sind wir der Auffassung, daß die Vorlage ein Notverband auf eine langeiternde Wunde ist, von der wir glauben, daß an ihr endlich einmal von einem geschickten Chirurgen operiert werden sollte.
Insofern möchte ich, ohne die Grundsatzdebatte etwa zu eröffnen, nur auf zwei Probleme hinweisen, die wir bei der von uns sehr begrüßten Novelle zum AVAVG dann im Rahmen sehr gründlicher Mitarbeit im Ausschuß vertiefen wollen. Ich möchte also darauf aufmerksam machen, daß es sich j a um gar keine Arbeitslosenversicherung handelt und daß wir niemals eine wahre Versicherung nach einem echten Versicherungsprinzip besessen haben. Die Höhe und die Erhebung der Beiträge erfolgen zwar nach einem versicherungstechnischen Prinzip; aber auch in der zur Debatte stehenden Vorlage werden die Leistungen nicht nach denselben Prinzipien begründet, sondern sie erfolgen weitgehend wie bisher nach dem Fürsorgeprinzip.
Um ein einfaches, verständliches Beispiel zu nennen: Ein Arbeiter oder Angestellter, der 30 Jahre lang Beiträge bezahlt hat, wird nun im Alter arbeitslos. Er übernimmt eine minderbezahlte, geringerwertige Beschäftigung und bekommt dann, wenn er erneut arbeitslos ist. die Leistungen nicht nach den 30 Jahre lang gezahlten Beiträgen, sondern nach den vielleicht im letzten Jahr oder im letzten halben Jahr gezahlten Beiträgen, weil sich die Leistungen ja nach dieser Zeit errechnen. Mit diesem primitiven Beispiel meine ich anschaulich gemacht zu haben, worum es uns geht, nämlich bei der Novelle zum AVAVG klarzustellen: Ist überhaupt die Frage der Arbeitslosigkeit mit einer Arbeitslosenversicherung konstruktiv zu lösen — was in der öffentlichen Diskussion seit dem Bestand der Arbeitslosenversicherung mit Recht weitgehend bestritten wird —, oder müssen wir uns in der Frage der Arbeitslosenfiirsorge bemühen, neue und bessere Wege zu finden?
Der Herr Minister hat in seiner Begründung, die er uns zur Gesetzesvorlage gegeben hat, darauf hingewiesen, daß die Erhöhung der Unterstützungssätze nur um durchschnittlich 10 vom Hundert möglich ist und daß weitergehende Erhöhungen nicht nur geeignet sein würden, den Arbeitswillen zu lähmen, sondern auch die Tragfähigkeit der Arbeitslosenversicherung erheblich schmälern, j a geradezu eine Gefahr der Illiquidität der Arbeitslosenversicherung heraufbeschwören würden. In diesem Zusammenhang würde es meine Fraktion allerdings sehr begrüßen, wenn uns der Herr Minister sehr bald einmal ein klares Bild über die Verwendung der Mittel des Reichsstocks auch hinsichtlich der von meinem Vorredner angeschnittenen Frage des sozialen Wohnungsbaus geben könnte. Ebenso würde es uns freuen, wenn uns der Herr Minister eine Erklärung geben könnte über die von ihm in letzter Zeit oft angeschnittene Frage der möglichen Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge oder gar der beabsichtigten
Verwendung der Mittel der Arbeitslosenversicherung für die Sanierung der Rentenversicherung. Alle diese Dinge sind außerordentlich wichtig, und meine Fraktion hofft, daß hier bei der Novelle zum AVAVG von Grund auf klare und übersichtliche Verhältnisse für eine Neuordnung, die für Jahre hinaus Wert haben soll, geschaffen werden.
Ich hoffe außerdem, daß die von der Regierung beabsichtigte Erhöhung der Sätze besonders in den Flüchtlingsländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein eine spürbare Erleichterung bringen wird. Meine Fraktion begrüßt alle Maßnahmen, die — um mit den Worten des Vorredners der SPD zu sprechen — so sozial wie möglich und so sozial wie nötig sein werden. Sie ist aber in der Auffassung, was sozial ist, wahrscheinlich in der Problematik der „Prinzipien der Fürsorge" und „des echten Versicherungsprinzips" anderer Auffassung als die Opposition.
Zusammenfassend möchte ich sagen: In der Frage der Arbeitslosenfürsorge werden wir alles begrüßen, was der werteschaffenden Arbeitslosenfürsorge dient, wodurch Unterstützungsgelder in Arbeit umgewandelt werden. Wir sind mit der Regierung darin einig, daß die Höhe der Fürsorgesätze immer nur so sein kann, daß der echte Anreiz zur Arbeit nicht verlorengeht und eine echte Relation zum Lohn- und Preisgefüge bestehen bleibt.
Auf den KPD-Antrag möchte ich nicht eingehen, weil wir ihn bei der Grundsatzdebatte über die Novelle zum AVAVG gründlicher erörtern können und erörtern werden.
Ich möchte noch ein Wort zu der Einbeziehung Berlins sagen. Der Herr Minister hat nichts darüber gesagt; er hat aber bei seinem vorletzten Besuch — wie ich aus der Presse erfahren habe — den Berlinern diese Zusage gegeben. Ich begrüße es sehr, daß unsere Berliner Arbeitslosen in diese Verbesserung der gesetzlichen Bestimmungen einbezogen werden. Ich möchte die Gelegenheit nicht versäumen, den Wunsch zum Ausdruck zu bringen, daß die Berliner Abgeordneten in diesem Hause alles tun möchten, um auch in diesem Zusammenhang eine echte Anpassung an die Sozialgesetzgebung der Bundesrepublik für jeden Berliner Arbeiter und Angestellten nun, nachdem es so oft versprochen wurde, endlich zu ermöglichen.
Dem Antrag des Herrn Kollegen Sabel, dieses Gesetz heute auch noch in zweiter und dritter Lesung zu verabschieden, stimmen wir zu. Wir sind der Auffassung — und ich beziehe mich da auf die gestrige Debatte zur Geschäftsordnung, die so unerfreuliche Formen angenommen hat, als die Opposition forderte, noch am gestrigen Tage das Mitbestimmungsrecht in zweiter Lesung zu verabschieden —, daß es wichtiger und vielen Arbeitslosen dienlicher wäre, wenn wir dieses Gesetz ohne Ausschußberatungen mit allergrößter Beschleunigung verabschieden könnten.
Wir glauben, daß damit sofort geholfen werden kann, während den Arbeitern mit den Wünschen, die Sie geäußert haben, vor dem 31. Dezember 1951 in keinem Falle geholfen würde. Ich möchte außerdem bitten, daß sich auch die Opposition dieser unserer Forderung in voller Verantwortung anschließt,
weil sie ja „so sozial wie möglich" handeln will. Falls sie es nicht tut, möchte ich den Vorsitzenden des Ausschusses bitten, zu überlegen, was dann notwendigerweise sofort im Ausschuß zu beraten ist und was dem Wohl der arbeitenden Bevölkerung mehr dient. In diesem Sinne sind wir mit den anderen Regierungsparteien darin einig, ohne Bedenken und ohne jede unnötige Verzögerung durch Debatten im Ausschuß diese Vorlage so anzunehmen, wie sie die Regierung vorgelegt hat.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kohl.
Meine Damen und Herren! Wir werden von seiten der kommunistischen Fraktion der ersten, zweiten und dritten Beratung der Regierungsvorlage nicht widersprechen. Wir werden uns allerdings erlauben, zur zweiten Beratung in bezug auf die materielle Seite einen Abänderungsantrag zu stellen, weil, wie ich bereits ausgeführt habe, der Satz einer Erhöhung von 10 °/o als absolut unzulänglich zu betrachten ist.
Aber ich möchte noch einige Bemerkungen zu dem machen, was von einzelnen Herren in der Debatte zum Ausdruck gebracht worden ist. Ich hätte sehr gewünscht, der Herr Bundesarbeitsminister hatte wenigstens den Versuch unternommen, sich ernsthaft mit dem Problem einer fortschrittlichen Arbeitsiosenhilfe auseinanderzusetzen. Er hätte wenigstens den Versuch unternehmen sollen, vor dem Hause zu sagen, nach welcher Grundrichtung er nun eine Reform des Arbeitslosenversicherungsgesetzes durchzuführen gedenkt. Man hätte dabei schon erkennen können, wieweit die Reform-vorschlage der Bundesregierung gediehen sind. Aber ich glaube, daß noch sehr viel Zeit ins Land gehen wird, denn Herr Bundesminister Storch machte ausdrücklich die Einschränkung, daß er erst dann an die Arbeit gehen wird, wenn die Vorschläge der Länder vorliegen werden.
Ich hätte weiter gewünscht, der Herr Bundesarbeitsminister hätte einmal eindeutig dem Hause gegenüber zum Ausdruck gebracht, wie hoch die Steigerung der Lebenshaltungskosten ist, welchen Prozentsatz sie angenommen hat und in welchem Verhältnis dazu das Einkommen eines Arbeitslosen, der also eine Arbeitslosenunterstützung bezieht, oder das Einkommen eines Menschen steht, der auf die Arbeitslosenfürsorgeunterstützung angewiesen ist, weil wir dann die Möglichkeit gehabt hätten, einmal die unmögliche Diskrepanz zwischen diesen beiden Sätzen sehr eindeutig beleuchtet zu erhalten.
Meine Damen und Herren! Wir haben hier in sehr eingehendem Maße über die Frage der Vollbeschäftigung diskutiert. Ich glaube, man kann mit Recht auf die gestrige Debatte hinweisen, wo ebenfalls die Frage der verhängnisvollen Wirtschaftspolitik der Bundesregierung als der stärkste Hemmschuh für eine Vollbeschäftigung überhaupt angesprochen worden ist. Meine Damen und Herren, damit möchte ich auch dem Herrn Kollegen Sabel eine Antwort geben. Herr Kollege Sabel, ich habe die Dinge sehr ernst durchdacht. Sie können mir das schon zumuten. Ich bin nicht der Auffassung, daß sich die Problematik der Arbeitslosigkeit in irgendeiner Form zur Agitation eignet, sondern wir wollen eine ernsthafte Hilfe für die Erwerbslosen erreichen. Sie werden zugeben müssen, daß mit irgendwelchen platonischen Versprechungen von seiten der Bundesregierung — es liegen ja genügend Erfahrungen vor — weder den Arbeitslosen noch denen gedient ist, die hier im Parlament sitzen und die Verantwortung für die Dinge zu übernehmen haben. Wenn die Arbeitslosen draußen auf Vollbeschäftigung warten, dann sterben sie allmählich aus. Ich bin schon der Meinung, Herr Kollege Sabel, daß das angeblich starke Absinken der Arbeitslosenzahl — und man kann hier die amtlichen Zahlen der Bundesregierung zitieren — wirklich nichts an meiner Feststellung über das Vorhandensein einer strukturellen Arbeitslosigkeit ändert
und daß das kleine Absinken der Arbeitslosenzahl durch saisonbedingte Einflüsse und Ursachen bewerkstelligt worden ist. Das soll man eindeutig feststellen.
Und nun noch eines, Herr Kollege Sabel. Sie haben sich mit unserem Gesetzentwurf auseinandergesetzt. Ich glaube allerdings, wenn Sie meine Begründung eingehend verfolgt haben, dann werden Sie zugeben mussen: ich habe nicht davon gesprochen, dab in den Arbeitsämtern Gebuhren für die Arbeitsvermittlung erhoben werden, sondern ich habe davon gesprochen, daß in dem alten AVAVG immer noch der Passus vorhanden ist, daß Gebühren erhoben werden konnen. Ich sehe nicht ein, warum man nicht an der Streichung eines solchen Paragraphen interessiert sein soll. Dagegen spricht nichts, sondern alles spricht für die Streichung eines solchen unmöglichen Paragraphen. Herr Kollege Sabel, Sie sind j a Arbeitsamtsdirektor und verfügen über Erfahrungen. Sie wissen genau, daß Sie, wenn Sie heute irgendeiner Gemeindeverwaltung delegieren, die Arbeitsvermittlung durchzuführen, einen unmöglichen Zustand in ihrem gesamten Arbeitsamtsbezirk erhalten.
Dann eine andere Frage, nämlich die der Vermittlung bei Streiks, Herr Kollege Sabel. Ich gehe nicht ganz mit Ihnen einig, daß der bisherige § 63 ausreicht. Sie haben die Meinung vertreten, daß die Vermittlung bei Streiks nach unserer Formulierung eigentlich zuerst gegeben sei. Herr Kollege Sabel, wir sagen in unserem Antrage eindeutig: Bei Ausstand und Aussperrung darf keine Vermittlung von Arbeitskräften vorgenommen werden, wahrend der bisherige § 63 kautschukartig jedem Arbeitsamt die Möglichkeit gibt
— ich darf es Ihnen vorlesen —, eine Arbeitsvermittlung auch bei Streiks und Aussperrungen dann vorzunehmen, wenn es der Arbeitslose verlangt.
Der Abs. 3 von § 63 des AVAVG lautet eindeutig: Ebenso dürfen ausständige oder ausgesperrte Arbeitnehmer nur vermittelt werden, wenn die Tatsache des Ausstandes oder der Aussperrung dem Arbeitgeber vorher bekanntgegeben war.
Also dieser Paragraph beinhaltet eindeutig die Möglichkeit der Arbeitsvermittlung während eines Streiks oder einer Aussperrung und muß geändert werden, weil er in der Vergangenheit — das werden Ihnen die Leute mit Erfahrung bestätigen können — dazu geführt hat, daß durch die Not getriebene Arbeitslose zu Streikbrechern gepreßt worden sind.
Eine andere Frage ist der § 90. Herr Kollege Sabel, ich denke gar nicht daran, nun Ihre Argumentation anzuerkennen, daß ich damit den Pendlerverkehr treffe. Kein Mensch denkt daran, den Pendlerverkehr, der gegeben ist, damit irgendwie zu schädigen.
Aber wir wehren uns dagegen, den Arbeitsämtern Befugnisse in bezug auf Umschichtungen zu übertragen, die weder aus sozialen Gesichtspunkten heraus gerechtfertigt noch Aufgabe der Arbeitsämter sind. Wenn Sie einen Umschichtungsprozeß der Arbeitskräfte, der Facharbeiter, durchführen wollen, die in dem einen Gebiet vorhanden sind und in dem andern Gebiet benötigt werden, dann haben Sie wirtschaftspolitisch andere Voraussetzungen für diese Dinge zu schaffen.
Und nun, meine Damen und Herren, noch eine Frage: Zwang zur Fortbildung. Was wir mit unserem Antrage verlangen, ist doch wirklich nicht zuviel. Wir verlangen, daß die Kosten der Fortbildung restlos von den Arbeitsämtern getragen werden. Herr Kollege Sabel, ich habe ja auch eine kleine Ahnung, wie die Fortbildung bei den Arbeitsämtern betrieben wird. Ich darf für mich in Anspruch nehmen, daß ich immer der Meinung gewesen bin — und auch meine Freunde sind immer der Meinung gewesen —, daß die Heranbildung eines qualifizierten Nachwuchses und die Heranbildung guter Facharbeiter von uns mit allen Mitteln, die wir zur Verfügung haben, gefördert werden muß. Wir sehen das Aufgabengebiet der Arbeitsämter darin, den schuldlos arbeitslos gewordenen Menschen nicht absinken zu lassen, sondern ihm während der Zeit seiner Arbeitslosigkeit die realen Grundlagen der Fortbildung zu geben.
— Schön, dann verstehe ich nicht, warum Sie dagegen polemisierten. Hier können die Arbeitsämter bedeutend mehr tun, als sie bisher getan haben.
Nun noch ein Wort zum Herrn Bundesarbeitsminister. Ich glaube, Herr Bundesarbeitsminister, Sie müssen sich besser beraten lassen. § 105, bei dem Sie sich in einer etwas fulminanten Form mit einigen Sätzen einen guten Abgang verschaffen wollten, besagt: Die Hauptunterstützung beträgt wöchentlich für jede Reichsmark bis zu 12 Mark 72 v. H. des Arbeitsentgelts nach Abs. 1. Sie wollen die Erhöhung um 10 %. Wir wollen beispielsweise hier eine Erhöhung um 15 %. Wie Sie zu dieser Milchmädchenrechnung kommen, bleibt Ihr Geheimnis. Aber verlassen Sie sich darauf: die Arbeitslosen werden die Form Ihrer Demokratie ablehnen, nämlich der Demokratie, in der es Armen wie Reichen gleichermaßen verboten ist, unter Brücken zu nächtigen oder zu betteln.
Das Wort hat der Abgeordnete Richter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben die Drucksachen Nr. 2007 und Nr. 2008 begrüßt, haben aber trotzdem Kritik zu üben. Bereits im Juni 1950 haben wir durch einen Antrag das Hohe Haus gebeten, die Bundesregierung zu ersuchen, eine den Preis-und Lohnverhältnissen gerecht werdende Erhöhung der Arbeitslosenunterstützungssätze und der Alfu-Unterstützungssätze zu beschließen. Damals hat das Hohe Haus auf Antrag der Vertreter der Regierungsparteien beschlossen, unseren Antrag als Material der Bundesregierung zu überweisen, anstatt ihn, wie wir es vorgeschlagen haben, dem Ausschuß für Sozialpolitik zuzuleiten, um zu den Dingen sachlich Stellung zu nehmen und Ihnen Vorschläge zu unterbreiten. Hätten Sie das getan, dann hätte, wovon ich überzeugt bin, der Sozialpolitische Ausschuß Ihnen schon viel früher Vorschläge auf Erhöhung der Unterstützungssätze und Renten unterbreitet und sicherlich auch in einem weitergehenden Maße, als es hier vorgesehen ist. Wir bedauern sehr, daß die Bundesregierung so lange Zeit gebraucht hat, um uns endlich diese kärgliche Vorlage zu unterbreiten.
Mein Kollege Keuning hat im Namen unserer Fraktion bereits angedeutet, daß eine Erhöhung der im allgemeinen 10%igen Aufbesserung der Unterstützungssätze vorgesehen werden müßte. Er hat weiterhin darauf hingewiesen, daß man die Unterstützungssätze den Lohnsätzen anpassen sollte, d. h., daß man nicht mehr jahrelang eine Unterstützung auf Grund eines viel geringeren Lohnes geben soll, obwohl sich inzwischen der Lohn durch Tariferhöhungen usw. gesteigert hat. Wir sind der Meinung, daß im Gesetz eine Regelung gefunden werden muß und auch gefunden werden kann, nach der von Zeit zu Zeit die laufenden Unterstützungsfälle nach den jeweils geltenden Tariflöhnen ihrer Berufsgruppe neu berechnet werden. Das schafft einen gewissen Ausgleich zu dem sich laufend ändernden und im Steigen befindlichen Preisgefüge. Drittens sind wir der Auffassung, daß diese Vorlage eine Mindestunterstützung hätte vorsehen müssen. Wenn Sie sich diese Tabelle ansehen, werden Sie über die geringen Unterstützungen erschrecken, die einem Arbeitslosen gewährt werden können.
Im Interesse der Arbeitslosen selbst aber, die nun schon monatelang auf Erhöhung ihrer Unterstützung warten, wünschen wir nicht nur, wie es auch der Kollege Sabel zum Ausdruck gebracht hat, sondern beantragen, daß die zweite und dritte Lesung der beiden Gesetzentwürfe vorgenommen wird. Wir werden Ihnen in aller Kürze in einer neuen Vorlage unsere weitergehenden Wünsche unterbreiten.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen sind nicht eingegangen.
Es liegen also die von der CDU und der SPD gestellten Anträge vor, heute nicht nur die erste, sondern auch die zweite und dritte Beratung der Gesetzentwürfe in den Drucksachen Nr. 2007 und Nr. 2008 vorzunehmen. Ich darf annehmen, daß Widerspruch nicht erhoben wird. — Ich stelle das fest und schließe damit die allgemeine Besprechung der ersten Beratung.
Ich eröffne die Einzelbesprechung der
zweiten Beratung
über die Vorlage auf Drucksache Nr. 2007 und rufe den § 1 des Gesetzentwurfs auf. Ich darf darauf aufmerksam machen, meine Damen und Herren — ich bitte, das zu vergleichen —, daß auf Seite 8 der Drucksache Änderungsvorschläge des Deutschen Bundesrats enthalten sind. Zweien dieser Vorschläge hat die Bundesregierung zugestimmt, dem dritten Vorschlag nicht. Ich unterstelle, daß die Abänderungsvorschläge des Bundesrats, denen die Bundesregierung zugestimmt hat, Abänderungen der Regierungsvorlage sind und daß über
die Regierungsvorlage in dieser Fassung verhandelt wird.
Ich rufe also § 1 auf. Wer wünscht zu § 1 das Wort zu nehmen? — Herr Abgeordneter Kohl!
Meine Damen und Herren! Ich kann mir eine Begründung des Antrags, den ich bereits vorhin skizziert habe, ersparen. Zur zweiten Beratung stellen wir den Abänderungsantrag:
Die Sätze der Arbeitslosenunterstützung und Arbeitslosenfürsorgeunterstützung werden gegenüber den bisherigen Sätzen um 30 % erhöht.
Wir bitten Sie, diesem Antrage zuzustimmen.
Weitere Wortmeldungen zu § 1? — Das ist nicht der Fall.
Es liegt ein Abänderungsantrag der Fraktion der KPD zu § 1 vor, im § 106 zu bestimmen:
Die Sätze der Arbeitslosenunterstützung und
Arbeitsiosentürsorgeunterstutzung werden gegenuber den bisherigen Satzen um 3 % erhöht.
Ich komme zur Abstimmung über diesen Antrag. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag der kommunistischen Fraktion zuzustimmen wunschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um aie Gegenprobe. — Der Antrag ist gegen die sieben anwesenden Mitglieder der kommunistischen Fraktion bei Stimmenthaltung der SPD-Fraktion — das hat sich inzwischen ergeben — abgelehnt.
Ich darf annehmen, daß das Haus dem § 1 in der Fassung der Vorlage zustimmt. — Ich stelle das fest.
Meine Damen und Herren, ich rufe weiter auf § 2. Liegen Wortmeldungen vor? — Das ist nicht der Fall.
Ich komme zur Abstimmung über § 2 und gleichzeitig über Einleitung und Überschritt des Gesetzes. Ich bitte aie Damen und Herren, die dem § 2, der Einleitung und der Überschrift des Gesetzes zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen. Damit ist die zweite Beratung des Gesetzes erledigt.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache zur dritten Beratung. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Ich komme zur Einzelbesprechung der §§ 1 und 2, der Einleitung und Überschrift. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Einzelbesprechung.
Ich komme zur Abstimmung über die §§ 1 und 2, Einleitung und Überschrift des Gesetzes unter Berücksichtigung der Änderungen, die sich aus der Stellungnahme der Bundesregierung zu den Bundesratsvorschlägen ergeben. Ich bitte die Damen und Herren, die den genannten Paragraphen, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Einstimmig angenommen.
Ich komme zur Schlußabstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünschen, die Hand zu erhoben. —
Ich darf vielleicht darauf aufmerksam machen, daß bei § 2 noch das Datum des Inkrafttretens eingesetzt werden muß.
Falls es nicht eingesetzt wird, gelten die Bestimmungen des Grundgesetzes. Wollen Sie das heutige Datum einsetzen?
— Herr Bundesminister für Arbeit?
Ist das Haus damit einverstanden, daß das Datum des 1. April eingesetzt wird?
— Meine Damen und Herren, es liegt ein Abänderungsantrag der Fraktion der KPD vor, das Datum des 1. März einzusetzen. Ich bitte die Damen und Herren, die dafür sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich darf also unterstellen, daß das Haus damit einverstanden ist, daß in § 2 Zeile 1 des Abs. 1 eingesetzt wird: „1. April 1951".
Nachdem das geklärt ist, komme ich zur Schlußabstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das Gesetz' ist einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren! Ich komme weiter zur, Vorlage Drucksache Nr. 2008: Entwurf eines Gesetzes über die Bemessung und Höhe der Arbeitslosenfürsorgeunterstützung. Hinsichtlich der Änderungsvorschläge des Deutschen Bundesrats gilt das gleiche, was ich vorhin gesagt habe.
Ich komme zur Einzelbesprechung der zweiten Beratung. Ich rufe auf § 1. — Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich komme zur Abstimmung über § 1. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 1 zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Paragraph ist angenommen.
§ 2. Ich darf annehmen, daß auch hier in Zeile 1 der 1. April 1951 als Termin des Inkrafttretens eingesetzt werden soll. — Das Haus ist darüber einig. Wortmeldungen liegen zu § 2 nicht vor.
Ich komme zur Abstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 2 unter Einsetzung des Datums „1. April 1951" zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Paragraph ist in dieser Form angenommen.
§ 3. — Keine Wortmeldungen.
Einleitung und Überschrift. —
Ich lasse abstimmen über § 3, Einleitung und Überschrift des Gesetzes. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Einstimmig angenommen. Ich schließe die zweite Beratung.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Gesamtbesprechung der dritten Beratung. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Gesamtbesprechung.
Ich komme zur Einzelbesprechung und rufe auf § 1,— § 2, — § 3, — Einleitung und Überschrift. — Keine Wortmeldungen. Ich schließe die Einzelbesprechung über § 1, § 2, § 3, Einleitung und Überschrift.
Ich lasse abstimmen über die genannten Paragraphen, die Einleitung und Überschrift. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Einstimmig angenommen.
Ich komme zur Schlußabstimmung über den Entwurf eines Gesetzes über die Bemessung und Höhe der Arbeitslosenfürsorgeunterstützung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Für die Drucksache Nr. 1958 liegt der Antrag auf Ausschußüberweisung vor. Meine Damen und Herren, welchen Ausschüssen soll die Drucksache Nr. 1958 überwiesen werden?
— Der Abgeordnete Sabel hat zur Frage der Ausschußüberweisung das Wort.
Meine Damen und Herren! Die Fragen der Arbeitslosenversicherung sind bisher stets nur im Ausschuß für Arbeit beraten worden. Ich halte es für abwegig und auch für unzweckmäßig, nun auch noch einen weiteren Ausschuß mit dieser Arbeit zu betrauen.
Meine Damen und Herren, hinsichtlich der Überweisung an den Ausschuß für Arbeit besteht Einmütigkeit.
Es ist weiterhin der Antrag gestellt worden, den Gesetzentwurf auch an den Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen. Ich bitte die Damen und Herren, die für die Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Stimmenthaltungen? — Ich sehe zwei Enthaltungen. Meine Damen und Herren, das zweite war die Mehrheit. Damit ist die Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik abgelehnt.
Ich rufe weiter auf den Punkt 11 der gestrigen Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der Bayernpartei betreffend Rückgabe nichtgenutzter, von der Besatzungsmacht beschlagnahmter Wohnungen .
Der. Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 15 Minuten und eine Aussprachezeit von 60 Minuten vor. — Das Haus ist damit einverstanden.
Das Wort zur Begründung des Antrags hat Herr Abgeordneter Dr. Seelos.
Dr. Seelos -, Antragsteller: Meine Damen und Herren! Wir hatten bereits vor acht Wochen eine ganz ausführliche Debatte über Besatzungsfragen. Ich möchte in keiner Weise diese Debatte wiederholen. Das erlaubt unsere Zeit nicht. Aber es ist notwendig, von Zeit zu Zeit immer wieder auf gewisse drängende Fragen in den Besatzungsangelegenheiten hinzuweisen, insbesondere da die kleine Revision des Besatzungsstatuts für die Bevölkerung keine Erleichterung des unmittelbaren Druckes gebracht hat. Deshalb drängen diese für den politischen und finanziellen Status der Bundesrepublik wichtigsten Fragen von selbst immer wieder nach vorn. Es ist wichtig, daß der unmittelbare Druck, den die Bevölkerung spürt, von ihr genommen wird, damit auch die ganze psychologische Haltung des Volkes zur Besatzung in normale, objektive Bahnen kommt. Es ist auch nicht tragbar, daß in der Entwicklung zu normalen Verhältnissen in bezug auf Besatzungsangelegenheiten wegen bevorstehender Konferenzen längere Pausen eintreten. Wir haben nun seit vielen Jahren alle sechs Monate wieder einmal eine „wichtigste Konferenz", die dann in der Entwicklung der Besatzungsfragen einen entscheidenden Schritt bedeuten soll, und immer wieder sind dadurch nur Pausen eingetreten, die für die Bevölkerung untragbar sind.
Ich möchte auch vorausschicken, daß bei diesen ganzen Diskussionen unbedingte Sachlichkeit von beiden Seiten walten muß, sowohl von seiten der Besatzungsmacht wie auch von deutscher Seite. Es geht z. B. nicht an, daß die Alliierten, die Gesetze erlassen haben, in denen sie für vor der Währungsreform entstandene Schäden einen Satz von 10:1 festsetzten, dann behaupten, daß das mit Zustimmung der Bundesregierung erfolgt sei, wenn das in keiner Weise wahr ist. Das vergiftet nur die Atmosphäre.
Andererseits dürfen aber auch von deutscher Seite nicht Dinge verbreitet werden, die einfach unwahr sind. Zum Beispiel mißbillige ich es, daß, veranlaßt durch eine Anfrage einiger Abgeordneten, durch ganz Deutschland und durch die Welt die in dieser Form falsche Meldung gegangen ist, als ob in Garmisch-Partenkirchen eine Kegelbahn mit 400 000 Mark Kosten eingerichtet worden sei.
Durch diese Anfrage ist in der ganzen öffentlichkeit ein falscher Eindruck entstanden. Tatsache ist, daß nur 85,000 DM an Kosten für das Gebäude für sieben Kegelbahnen entstanden und daß die ganzen Kegel, die halbmechanische Einrichtung und auch die Bestuhlung unmittelbar von Amerika geliefert worden sind. Ich sage das, um die Atmosphäre herzustellen, die notwendig ist, um eine sehr heikle Frage gerecht und objektiv zu regeln. Denn es ist nun einmal schwierig, zwei Interessen auszugleichen, das Bequemlichkeitsinteresse einer Besatzungsarmee und das Lebensinteresse eines Volkes.
Dieser Antrag will sich also sehr beschränken, auch nicht einmal die gesamte Wohnungsfrage, die Wohnungsbelegung, das Zusammenwohnen behandeln. Diese Fragen sind ja schon in der letzten allgemeinen Besatzungsdebatte sehr eingehend behandelt worden, bei der verschiedene Anträge auch der SPD vorlagen. Dieser Antrag will vielmehr in einem ganz speziellen Punkt, der für die Bevölkerung besonders unverständlich ist, eine Änderung erreichen. Wir beantragen nämlich, daß Wohnungen, Gast- und Erholungsstätten und andere Objekte, die drei Monate lang nicht von der Besatzungsmacht genutzt werden, automatisch an die deutschen Wohnungsberechtigten bzw. Nutzungsberechtigten zurückfallen sollen. Nach dem mir vorliegenden Material haben wir ungefähr mit an die 1000 leerstehenden Häusern und Wohnungen zu rechnen, die seit mehr als drei Monaten ungenutzt
sind. Ich habe hier Listen von der Vereinigung der Besatzungsgeschädigten. In Amberg z. B. stehen 22 Häuser leer, teilweise seit dreiviertel Jahren, in Bad Kissingen sind es 24 leerstehende Familienhäuser. In Regensburg sind 61 Wohnungen mit 202 Räumen seit über drei Monaten nicht belegt. Aus Neheim-Hüsten in der englischen Zone habe ich hier, alles mit Adressenangabe, zwei Objekte benannt, die seit 1947 leer stehen. Ich habe diese mir vorliegenden Listen über etwa 508 Objekte nachgeprüft und in einigen Telefongesprächen festgestellt, daß sie in keiner Weise genau und korrekt sind. Aus Grünwald bei München habe ich zwei Objekte genannt bekommen, die leer stehen, die aber in der Liste nicht enthalten sind. Aus Kempten hat man mir gemeldet, daß von den 71 beschlagnahmten Häusern bis vor kurzem die Hälfte leergestanden hat, daß in den nächsten Tagen bis zu 85 % der beschlagnahmten Wohnungen leer stehen und daß sich darunter Häuser befinden, die 10, 12 und 15 Monate ununterbrochen nicht belegt waren. All diese Objekte sind in meinen Sammellisten, die mir von den Interessentenverbänden gegeben worden sind, nicht enthalten. Man kann also wohl mit Sicherheit sagen, daß an die 1000 Häuser mehr als drei Monate leer stehen. Das ist doch bei der furchtbaren Wohnungsnot, die wir haben, einfach nicht tragbar.
Die Besatzungsmacht kann auch nicht, was sie in der letzten Zeit zu tun versucht, einige Objekte zuruckgeben und dann die deutschen Nutzungsberechtigten sich verpflichten lassen, daß sie jederzeit auf Anforderung innerhalb von sieben Tagen das Objekt wieder räumen. Das nützt uns gar nichts. Es geht auch nicht an, daß, wie es in den letzten Monaten geschah, eine Hortungspolitik getrieben wird und die normale geringe Freigabe, die wir im letzten Jahre zu verzeichnen hatten, seit einigen Monaten völlig stockt, weil man nicht genau weiß, was die Zukunft bringt. Ich bin der Auffassung, daß zum Beispiel die Zurückziehung der Besatzungsverwaltung auf der niedrigsten, auf der Kreisebene in Deutschland etwa 700 Häuser freistellen würde, die bestimmt für eine Armee nicht gebraucht werden. Wenn wir nun schon alles tun, um diese Divisionen, die vielleicht kommen sollen, unterzubringen, dann sind doch dafür Kasernen da. Dafür braucht man doch nicht die Privatvillen in irgendwelchen abgelegenen Orten.
Also ich bin der Auffassung, daß hier schon mehr getan werden muß. Bei dem Mangel an Material, das die amtlichen Stellen haben, müssen sich auch die amtlichen Stellen nun bemühen, endlich, nach sechs Jahren, ein verläßliches Material zu bekommen. Bis vor kurzem haben sich die Besatzungsmächte geweigert, mit uns zusammenzuarbeiten. Sie erinnern sich, daß wir hier schon einmal einen Antrag behandelt und uns dagegen gewehrt haben, daß es im Volkszählungsgesetz verboten war, die von den Besatzungsmächten beschlagnahmten Objekte mitaufzunehmen. Das sind Dinge, die aufhören müssen; sonst werden wir uns die Angaben mit anderen Mitteln beschaffen. Das ist ja nun möglich, aber das würde sofort dieser Untersuchung eine Tendenz gegen die Besatzung geben, und wir wollen ja gar nicht irgendeinen Streit, sondern wir wollen diese Dinge in Harmonie zusammen mit den Besatzungsmächten regeln.
Um verläßliche Angaben zu bekommen, ist es notwendig, daß die Gemeinden regelmäßig melden, wie der Stand der nicht benutzten Wohnungen ist.
Darauf bezieht sich der zweite Absatz unseres Antrages, der darum ersucht:
Zur Durchführung dieser Maßnahme sollen die Gemeinden angehalten werden, monatlich die von der Besatzungsmacht beschlagnahmten Wohnungen und andere Objekte zu melden, die länger als drei Monate nicht genutzt werden.
In welcher Form das dann mit den Ländern im einzelnen vereinbart wird, ist völlig Sache der Exekutive.
Ich glaube, es ist nicht notwendig, diesen Antrag, der in sich selbst verständlich und geschlossen ist, noch erst an den Ausschuß zu verweisen. Die Exekutive kann ja die Einzelheiten durchführen, wie sie es für richtig hält. Ich würde dankbar sein, wenn der Antrag im Interesse der Sache sofort hier im Plenum angenommen würde.
Bevor ich schließe, möchte ich aber noch diesen Appell nicht an die Besatzungsstellen, sondern an Washington, an London usw. richten, an die Stellen, wo wirklich die Entscheidungen gegen die Bequemlichkeit von Besatzungsarmeen getroffen werden: Sie sollen doch endlich die Besatzungsfragen so regeln, daß wir uns diese Debatten ersparen können, die uns bis daher stehen. Sie werden sich ja immer wiederholen und werden kommen mit steigendem Nachdruck, mit wachsender Stärke und auch mit wachsender Erbitterung, wenn berechtigten Forderungen des deutschen Volkes nicht Rechnung getragen wird. Wir wollen deshalb diese Fragen in friedlichem Geist regeln, so wie wir es von einer Freundschaftsbesatzung erwarten. Unberechtigte Forderungen müssen jetzt endlich aufhören, wenn die Besatzung nicht in den Geruch einer Zwangsbesatzung kommen soll.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hoecker.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde haben mich beauftragt, zu erklären, daß wir dem Antrag Drucksache Nr. 1995 zustimmen, in dem ersucht wird, daß Objekte, die länger als drei Monate leerstehen, ohne weiteres von der Besatzungsmacht an die Gemeinden zurückgegebenwerden. Das würde den Anfang eines Weges zur Regelung dieser Frage bedeuten. Im Gegensatz zu meinem Herrn Vorredner bin ich nicht der Auffassung, daß nur tausend Objekte in Frage kommen, sondern ich kann auf Grund der Erfahrung in einem Bezirk, der überaus stark von der Besatzungsmacht belegt worden ist, sagen, daß mehrere tausend Häuser sich heute zum Teil in einem geradezu skandalösen Zustand befinden und unterbelegt sind und auch mehr als tausend Häuser leerstehen. Wenn die Regierung sich ernstlich mit der Frage beschäftigt, kann dieser Antrag eine Bresche in die Dinge schlagen, die hier zur Debatte stehen.
Wir dürfen uns damit nicht begnügen. Die gesamte Frage der Beschlagnahme muß unserer Auffassung nach baldigst einer endgültigen Lösung zugeführt werden. Die Proteste gegen diese Beschlagnahmen kommen aus ganz Westdeutschland und werden Tag für Tag an jeden Politiker und an alle anderen dafür Verantwortlichen herangetragen. Man kann an dieser Frage nicht wie bisher — sechs Jahre nach dem Kriege — achtlos vorübergehen. Das würde zur Folge haben, daß eine Verzweiflungsstimmung und eine geistige Widerstandsbewegung hochkommt, die nicht im In-
teresse der Alliierten liegt, auch nicht im Interesse Deutschlands und Europas überhaupt. Aust der sittlichen Verpflichtung, für das Wohl der Evakuierten zu sorgen, die heute in Westdeutschland noch fast 31/2 Millionen Menschen ausmachen, sind wir verantwortlich, uns für eine annehmbare Lösung in dieser Beziehung einzusetzen.
Meine Damen und Herren! Seit dem verhängnisvollen Jahre 1945 sind in den drei Zonen Westdeutschlands etwa 3 bis 31/2 Millionen Menschen aus ihren Wohnungen entfernt, man kann sagen, vertrieben worden, aus Häusern und Wohnungen, die durch jahrelangen Fleiß, durch Sparsamkeit und, wie in meinem Bezirk, in der Hauptsache von der minderbemittelten Bevölkerung erworben worden sind. Viele dieser Verdrängten glaubten, die Beschlagnahme ihrer Wohnungen würde, wie z. B. in den Pfingsttagen des Jahres 1945, nur eine vorübergehende Maßnahme sein. Sie sind in dieser Erwartung bitter enttäuscht worden. Schweres Leid und bittere Enttäuschung haben sie in den letzten sechs Jahren erfahren müssen. Heute, fast sechs Jahre nach Beendigung des Krieges, sehen sie immer noch keine Möglichkeit der Aufhebung der Beschlagnahme und müssen zum größten Teil noch in Elendsquartieren hausen, müssen infolge der großen Wohnungsnot darin untergebracht werden und ihr Dasein fristen.
Wir alle, die wir für eine Lösung dieser Frage im Namen des Rechts und der Menschlichkeit eintreten, müssen an die Besatzungmächte die Frage richten: Wie lange noch müssen die aus ihren Häusern und Wohnungen Vertriebenen auf die Rückgabe ihres Privateigentums warten? Die Besatzungsmächte haben bekanntlich das Grundgesetz anerkannt. In Art. 14 und in Art. 18 ist das Recht auf Privateigentum garantiert. Wir sind der Auffassung: Wenn das Verhältnis zwischen den Besatzungsmächten und der deutschen Bevölkerung sich nicht weiter verschlechtern soll, muß diese im Grundgesetz gegebene Garantie auch gegenüber den Evakuierten anerkannt werden.
Es wird bekanntlich sehr viel über die gemeinsame Verteidigung der europäischen Interessen usw. geredet. Hier könnten die Besatzungsmächte ein Beispiel geben und beweisen, daß sie wirklich nur eine Schutzmacht und keine Kriegsmacht mehr sind; und aus dieser Atmosphäre müßte sich die Möglichkeit einer Freigabe der seit sechs Jahren beschlagnahmten Häuser ergeben.
Als letzthin die Mitteilung durch die Presse ging, daß das Besatzungsstatut abermals revidiert werden solle und Erleichterungen für die Politik des Bundes und damit auch für die deutsche Bevölkerung eintreten sollten, waren sehr viele Leute der Auffassung, daß auch in der Frage der Freigabe ihrer Häuser eine Erleichterung geschaffen werde. Sie sind auch diesmal wieder sehr schwer enttäuscht worden. Die zuversichtliche Stimmung, die anfangs herrschte, wurde dadurch beeinträchtigt, daß durch die Presse die Nachricht ging, es solle weiterer Wohnraum für die neu ankommenden Truppen beschlagnahmt werden. Wir müssen fragen, ob Familienangehörige, Frauen und Kinder, überhaupt geeignet sind, einen Schutz Deutschlands zu gewährleisten. Soldaten müssen meiner Auffassung nach in Kasernen wohnen, und diese stehen, besonders in meinem Bezirk, in ausreichendem Maße zur Verfügung. Es gibt auch eine größere Anzahl von ehemaligen deutschen Wehrmachthäusern und eigens für die Besatzungsmacht gebauten Häusern, die man dem Gefolge der Besatzungstruppen zur Verfügung stellen könnte. Jeder weitere Eingriff in den augenblicklich vorhandenen Wohnraum ist meiner Meinung nach unzweckmäßig und nicht zu verantworten. Die Evakuierten wenden sich dagegen um so mehr, als sie selber, wie ich schon sagte, sich noch mit sehr miserablen Wohnverhältnissen begnügen müssen.
Mein Herr Vorredner hat eben bereits angedeutet, daß ein überhöhter Bedarf der Besatzungsmacht an Wohnraum vorhanden ist. Ich will Sie nicht damit langweilen und belästigen, daß ich Ihnen all die Beispiele dafür aufzähle, wie dieser Wohnraum von der Besatzungsmacht genutzt wird. Die Ansprüche der Besatzungsmacht stehen in krassem Widerspruch zu den Verhältnissen, unter denen unsere Evakuierten heute leben müssen. Es ist Tatsache, daß die Besatzungsangehörigen — ich kann das belegen — in deutschen Häusern in Wohnraum geradezu schwelgen. Ich habe hier eine Liste mit 12 oder 14 Beispielen, von denen ich nur 2 herausgreifen will. Fall 2: Parterre 4 Räume, belegt von einer Person; erste Etage 4 Räume, belegt von 2 Personen. Ein anderer Fall: eine große Villa ist belegt von einem Offizier, einer Hausdame mit Sohn, einem Dienstmädchen und einem Nachtwächter. Zusammenfassend kann ich Ihnen sagen, daß z. B. in 95 Räumen, die hier erfaßt sind, nur 35 Personen inklusive deutschen Personals wohnen.
Daß ein solcher Zustand auf die Dauer unerträglich ist, darüber muß sich auch die Besatzungsmacht letzten Endes einmal klar werden. Ich möchte Ihnen aus meiner Stadt, in der ich das zweifelhafte Vergnügen habe, mich mit diesen Fragen beschäftigen zu müssen, noch ein besonders markantes Beispiel geben. In dieser Stadt wurden im Jahre 1945 6000 Menschen innerhalb von 48 Stunden auf die Straße gesetzt. Wir haben es fertig gebracht, 40 % der damals beschlagnahmten 650 Häuser wieder freizubekommen. Aber nach einer Statistik vom 1. Januar dieses Jahres steht fest, daß jeder Besatzungsangehörige 51/2 mal soviel Wohnraum hat wie ein Deutscher.
Das sollte auch den Besatzungsmächten zu denken geben; sie sollten selbst daran interessiert sein, daß diese Frage endlich einmal vernünftig gelöst wird.
Meine Damen und Herren! Bei der Revision des Besatzungsstatuts hat — das habe ich vorhin schon gesagt — die evakuierte Bevölkerung Westdeutschlands große Hoffnungen gehabt, die wiederum enttäuscht worden sind. Sie muß sich weiterhin entschieden dagegen verwahren und zur Wehr setzen, daß man sie nach wie vor als Menschen zweiter Klasse behandelt und ihnen die im Bonner Grundgesetz verankerten Grundrechte vorenthält, deren gewissenhafte Beachtung man sich nach dem Besatzungsstatut zur Pflicht gemacht hat. Die Evakuierten stehen auf dem Standpunkt, daß die Angehörigen der Armeedienststellen in erster Linie in den vorhandenen Besatzungsbauten unterzubringen sind bzw. daß, wenn diese nicht ausreichen, unverzüglich mit dem Bau von Wohnungen und Unterkunftsräumen für die Angehörigen der Schutztruppe begonnen wird. Sie sind weiter der Meinung, daß es nach internationalem Recht und nach dem Kontrollratsgesetz Nr. 18, dem Wohnungsgesetz, unzulässig ist, wenn Privatpersonen Privateigentum requirieren oder Requirierungen zulassen und ihre private Unterkunft aus Besat-
zungskosten bezahlen lassen. Es ist Tatsache, daß die Angehörigen der Besatzungsmacht, der Militärs oder der Beamten, die Frauen und Kinder, die Schwiegermütter, Großmütter und alles, was hierher nach Deutschland kommt, eine große Zahl der Besatzungsmacht ausmachen. In dem Gesetz Nr. 18, einem von der höchsten alliierten Instanz in Deutschland erlassenen. Gesetz, heißt es in Art. 8 Ziffer 20:
Ausländer, die sich freiwillig in Deutschland aufhalten, sind wie deutsche Staatsangehörige zu behandeln.
Und in Art. 13:
Jede Verletzung oder Nichtbefolgung dieses Gesetzes wird strafrechtlich verfolgt.
Demnach dürfte es keinem Zweifel unterliegen, daß Frauen und Kinder nicht zum Besatzungsheer, noch viel weniger zur Schutztruppe gehören und daß sie sich durchaus freiwillig in Deutschland aufhalten; denn es wird und kann von keiner Seite ein Zwang auf sie ausgeübt werden. Auf Grund der gleichen Vorschrift kann man aber auch nicht Privateigentum requirieren oder weiterhin requiriert lassen, um in diesen Wohnungen, wie es in einem sehr großen Maße der Fall ist, deutsche und ausländische Bedienstete der Besatzungsmacht unterzubringen. Das ist seit Jahren und jetzt noch in vielen beschlagnahmten Häusern der Fall. Ferner müssen die Evakuierten dagegen Verwahrung einlegen, daß in ihren Häusern kostspielige Umbauten vorgenommen werden, die zum großen Teil eine völlige Zweckentfremdung der Häuser herbeiführen, so daß sie späterhin als Wohnhäuser nicht mehr verwendet werden können.
Ich bitte, zum Schluß zu kommen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bin sofort fertig, Herr Präsident! — Es wäre besser, wenn das Geld zum Bau von Besatzungshäusern verwendet werden würde.
Zusammenfassend möchten wir die sofortige Freigabe fordern. Wir fordern, daß die Unterbringung von Familienangehörigen nicht eher vorgenommen wird, bis hierfür Raum zur Verfügung steht usw. Wir fordern weiter, daß die Regierung sich ernstlich bemüht, mit den Alliierten zu einem Akkord oder zu einer Verständigung zu kommen. Im Interesse der notwendigen europäischen Zusammenarbeit bitte ich das zu tun, ehe es zu spät ist und ehe eine Verzweiflungsstimmung in dem betroffenen Bevölkerungsteil aufkommt.
Das Wort hat der Abgeordnete Fisch.
Meine Damen und Herren! Wenn wir mit der Fraktion der Bayernpartei auch nicht sympathisieren, so sympathisieren wir doch in diesem Falle mit dem von ihr vorgelegten Antrag und werden ihm unsere Zustimmung geben, obwohl dieser Antrag nach unserer Meinung eine Reihe von Unzulänglichkeiten und Halbheiten enthält. Es handelt sich hier um ein Problem, das mit aller Dringlichkeit behandelt werden sollte. Es ist gewissermaßen für das Verhältnis symbolisch, in dem die Besatzungsmächte zum deutschen Volk stehen. Es wäre auch zu empfehlen, daß alle diejenigen, die so viel von der Gemeinschaft der westlichen Kultur sprechen, sich die Tatbestände, die hier vorliegen, einmal näher ansehen. Ich glaube, sie würden ihre Konzepte für das nächste Mal dann etwas revidieren.
Gestatten Sie, daß ich für die ganze Lage auf diesem Gebiet ein Beispiel aus der Gemeinde, in der ich wohne und deren Bevölkerung ich hier zu vertreten die Ehre habe, anführe. aus Neu-Isenburg bei Frankfurt.
— Warum Sie lachen, weiß ich nicht. Sie lachen, weil Sie es nicht besser verstehen. — Die Gemeinde hat 17 000 Einwohner.
In diesem Städtchen sind heute noch 219 Häuser mit insgesamt 520 Wohnungen von den Amerikanern beschlagnahmt.
50 Häuser mit insgesamt 120 Wohnungen stehen seit Monaten — davon einige seit vier Monaten — leer. In anderen Häusern sind die oberen Stockwerke vollkommen leer und werden von niemandem benutzt. In dieser Gemeinde gibt es gleichzeitig 1100 Wohnungsuchende. 200 Familien mit 3, 4 oder 5 Personen sind gezwungen, in einem Zimmer zu hausen. Es haben Verhandlungen mit der Militärverwaltung des Rhein-Main-Flughafens stattgefunden. Die Stadtverwaltung hat die Zusage erhalten, daß „demnächst" 30 Häuser und einige Wohnblocks mit zirka 110 Wohnungen geräumt werden. Das war vor mehreren Wochen. Die Freigabescheine werden von der Flughafenverwaltung aber bis heute noch verweigert. Es werden neue Bedingungen gestellt, so daß bisher insgesamt nur 3 Häuser freigegeben worden sind. Die Besatzungsoffiziere stellen neuerdings die Bedingung, daß in die freizugebenden Häuser deutsche Angestellte bei amerikanischen Behörden eingewiesen werden. Sie behalten sich das Recht vor, die Mieter, die Parteien, die in die Häuser, die sie angeblich freigeben wollen, eingewiesen werden. selbst herauszusuchen.
Man muß auch auf einige andere Begleitumstände hinweisen. Die ersten Häuser, die geräumt worden sind, geben den Einblick in eine erschreckende Mentalität der früheren Bewohner. Hier muß man von mutwilliger, von beabsichtigter Demolierung sprechen. Nicht nur, daß' die Böden, die Möbel zerstört, Wasserschäden angerichtet, die Öfen herausgerissen, die Türen eingeschlagen sind, sondern man sieht mutwillig und systematisch angerichtete Zerstörungen in fast all den Häusern, die freigegeben werden.
Odernehmen Sie einen anderen Tatbestand. Man hat allein in 80 Häusern der Gemeinde, von der ich spreche, die dort bestehenden Ofenheizungen herausgerissen und statt dessen Zentralheizungen eingebaut, oder man hat Etagenheizungen herausgerissen und statt dessen Kellerheizungen eingebaut. Nunmehr, nachdem die Häuser freigegeben werden, erklären deutsche Behörden, Besatzungskostenämter — vermutlich auf amerikanische Empfehlung hin —, daß die Wohnungen durch diese Änderungen eine Wertsteigerung erfahren hätten. So werden arme Leute, Kleinhäusler und Mieter gezwungen, für diese „Wertsteigerung", die die amerikanischen Besatzer vorgenommen haben, Beträge in Höhe von 3- bis 4000 Mark zu zahlen. Oder man zwingt sie, anzuerkennen, daß eine Verrechnung gegen die entstandenen Schäden vorgenommen werden soll. In anderen Fällen verfügt man, daß, wie das in Buchschlag im Kreise Offenbach geschehen ist, die Häuser in dem Zustand verbleiben, in dem sie die Besatzer verlassen haben. Wenn sie z. B. sämtliche Zwischenwände, die
Brandmauern eingerissen haben, um die Häuser für ihre Zwecke einzurichten, so sollen die Häuser in diesem Zustand bleiben, obwohl sie als freigegeben gelten und obwohl die bisherigen Insassen keine Miete mehr bezahlen.
Meine Damen und Herren! Wir sind der Meinung, daß ,die im Antrag der Bayernpartei formulierten Forderungen nicht ausreichend sind. Man muß die sofortige Freigabe allen ungenutzten oder nur teilweise genutzten Wohnraums verlangen. die Freigabe allen Wohnraums, der bis jetzt durch übermäßigen oder nicht zu verantwortenden Luxus in Anspruch genommen wird. Man muß weiter die vollkommene Ersatzleistung für alle Zerstörungen und Änderungen am Inventar oder an Einrichtungen verlangen, die ohne Zustimmung der Eigentümer oder der Mieter von den Besatzern in der vergangenen Zeit vorgenommen worden sind. Man muß ferner verlangen, daß bei der Freigabe keinerlei Bedingungen hinsichtlich der Auswahl der neuen Bewohner gestellt werden, sondern daß die alten Eigentümer, die alten Mieter wieder vollkommen in ihre alten Rechte eingesetzt werden. Darüber hinaus aber muß, glaube ich, jeder vernünftige Mensch verlangen, daß die Besatzer, die sich durch derartig provokatorisches Benehmen auszeichnen, in Kürze gänzlich verschwinden. Ich glaube, daß außer einigen pflichtvergessenen oder kurzsichtigen deutschen Politikern niemand wünscht, daß diese Leute auch nur einen Tag länger uns mit ihrer Anwesenheit beglücken.
Das Wort hat der Abgeordnete Strauß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist für uns ja eine beruhigende Gewißheit, daß in Ausgleich dessen, was von den Alliierten im Westen mutwillig an beschlagnahmtem Eigentum zerstört wird, die Besatzungsmacht im Osten dafür um so behutsamer mit dem deutschen Eigentum umgeht.
Wir haben heute auch die Gewißheit erhalten, daß der Kollege Fisch sich dafür einsetzen wird, daß eine Besatzungsmacht einmal zunächst verschwindet, der niemand eine Träne nachweint: das sind seine politischen Freunde aus der Sowjetunion.
— Wir wollen mal sehen, wer zuerst verschwindet, Herr Kollege.
Ich darf nach den Äußerungen der beiden ersten Vorredner nur noch einige wenige Feststellungen treffen. Wir stimmen dem Antrag der Bayernpartei und der in ihm enthaltenen allgemeinen Tendenz sowie den einzelnen Wünschen darin grundsätzlich zu. Es .handelt sich zunächst um den Komplex der sogenannten leerstehenden Häuser, die schon oft 10 bis 12 Monate nicht mehr benutzt worden sind und trotzdem immer noch — zum Teil sogar unter hohen Bewachungskosten, Bewachungskosten, die aus deutschen Steuermitteln aufgebracht werden müssen — für zukünftige Verwendung bereit gehalten werden. Wir sind hier nicht dazu da, vielleicht regionale Einzelwünsche allein zu vertreten. Aber ich darf ein Beispiel nur aus der nächsten Nähe von hier nehmen. Wir haben drüben in Bad Godesberg in der Augustastraße, Hohenzollernstraße, Plittersdorfer Straße, Beethovenstraße, Übierstraße und Stirzenhofstraße Häuser mit 10, 12 und mehr Wohnräumen, die seit 10 bis 13 Monaten völlig leerstehen, aber weiterhin beschlagnahmt sind. Hier greift der Antrag mit Recht einen von der gesamten Bevölkerung und im besonderen von den Eigentümern dieser beschlagnahmten und seit Mon aten leerstehenden Häuser gehegten Wunsch auf, man solle die Häuser in Gottes Namen zurückgeben und, falls ein Bedarf an Wohnraum auftritt, diesen aus Besatzungsneubauten decken, statt die alten, seit Monaten leerstehenden Häuser etwa wiederum zu belegen.
Ein Mißstand, der diese Kreise der Besatzungsgeschädigten — die mit ihren Familienangehörigen immerhin weit über 3 Millionen Menschen in Deutschland ausmachen - ebenfalls erbittert, ist die horrende Unterbelegung dieser Häuser im Vergleich zu der normalen deutschen Durchschnittsbelegung auch in den Gegenden, die nicht so stark mit Heimatvertriebenen belegt sind. Wenn vorhin der Kollege von der SPD hier einige Einzelheiten gebracht hat, so zeigen wieder die Beispiele hier aus der Nähe, aus Bad Godesberg — und es ist überall so, ob es Mergentheim, Tölz, Garmisch, Bamberg oder andere von der Besatzungsmacht besonders schwer belegte Gegenden sind, die gleichzeitig auch eine starke Überfüllung mit einheimischer Bevölkerung haben — Mißstände, die einfach abgestellt werden müssen. Wir haben z. B. hier in Godesberg drüben in der Hohenzollernstraße 7 ein Haus mit 12 Räumen, das von 2 Personen bewohnt ist, in der Hohenzollernstraße 17 ein Haus mit 12 Räumen und 2 Personen, in der Hohenzollernstraße 15 ein laus mit 13 Räumen und 2 Personen, in der Plittersdorfer Straße 57 ein Haus mit 8 Wohnräumen und 2 Personen, in der Ubderstraße 65 ein Haus mit 17 Räumen und 3 Personen usw. Die Liste ließe sich beliebig ergänzen.
Bei den Bauten, die jetzt von der Besatzungsmacht für ihre Besatzungsangehörigen errichtet werden, wie zum Beispiel in Frankfurt, in Wolfgang bei Hanau und anderswo, ist es normal und üblich geworden, daß in den reinen Besatzungshäusern jede Besatzungsfamilie, Offiziers- oder Beamtenfamilie, eine gut eingerichtete und gut ausgebaute Wohnung erhält. Ich glaube, daß die Gewöhnung an die Zivilbevölkerung hier im Laufe der letzten sechs Jahre schon weit genug vorgeschritten ist, so daß man auch einmal den Versuch machen könnte, sowohl in Einzelhäusern als auch in Gaststätten das Convivium zwischen Deutschen und der Besatzungsmacht durchzuführen. das ja trotz Fraternisierungsverbot schon in den ersten Monaten des Jahres 1945, wenn natürlich auch unter anderen Voraussetzungen, praktisch gehandhabt worden ist.
Die Frage der unterbelegten Häuser muß natürlich angesichts der Überfüllung des deutschen Wohnraums eine besonders starke Erbitterung und besonders starke Mißhelligkeiten hervorrufen. Wir haben gerade im bayrischen Fremdenverkehrsgebiet eine ganze Reihe von Hotels und Gaststätten, die ausschließlich für die Besatzungsmacht belegt sind und seit der Zeit, da die deutschen Hotels und Gaststätten auch für die amerikanischen und sonstigen ausländischen Gäste geöffnet sind, nur mehr schwach besucht sind und die trotzdem nicht freigegeben werden. Ich darf hier ein besonders erschütterndes Beispiel bringen, das sind die Einrichtungen des Kurortes Bad Tölz. Bad Tölz ist das größte Jodbad Deutschlands, das bisher Tausenden von Herzleidenden Erholung gebracht hat. Die Kur-
einrichtungen von Bad Tölz sind immer noch beschlagnahmt, obwohl sie praktisch nicht mehr genutzt werden und unzählige Eingaben über alle möglichen Stellen gemacht worden sind, um die nicht mehr 'belegten Kureinrichtungen freizugeben, weil gerade die Angehörigen der Besatzungsmächte in den deutschen Hotels und Gaststätten heute viel lieber verkehren als in den reinen Besatzungsgaststätten oder Besatzungskantinen usw. Wir haben noch ein weiteres Beispiel in der Erweiterung der Pionierschule in Murnau, die zur Beschlagnahme eines Teils des Ufers des Staffelsees und dazu führt, daß der Fremdenverkehr in dieser Gegend sehr stark geschädigt wird. Dies ist mit aller Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Wir hatten an sich erwartet, daß eine Pionierschule zum Zwecke 'des Übungsbrückenbaus sich nicht gerade ein stehendes Gewässer aussucht, wo die Brücken von dem Ufer zu einer Insel gebaut werden, sondern eine der deutschen Anlagen der alten Pionierschulen benutzt wird, um im fließenden Gewässer Brücken zu errichten usw.
Darum hoffen wir, daß die Forderungen, die in dem Antrag der Fraktion der Bayernpartei erhoben werden, durch die Verhandlungen der Regierung mit der Hohen Kommission tatsächlich verwirklicht werden.
Ich gehe nun auf den letzten Absatz ein. Ich hoffe ja nicht, daß der Kollege Seelos mit der Zitierung der Gemeinden hier etwa ein Weisungsrecht des Bundes an die Gemeinden begründen will; denn das würde natürlich viel zu tief eingreifen.
Sie haben sich sehr vorsichtig ausgedrückt mit der Formulierung „sollen die Gemeinden angehalten werden".
Zum Schluß noch ein Wort, Herr Kollege Seelos. Sie haben vorher in sehr taktvoller Weise unter Verschweigen der Urheber die Anfrage wegen der Garmischer Kegelbahn gebracht. Es ist hier vielleicht nicht der richtige Ort, über die Frage zu sprechen, wer der bessere Diplomat ist. Da haben Sie doch auf diesem Gebiet die größere Vorgeschichte.
Ich habe aber keinen Grund, zu verschweigen, daßdiese Anfrage von uns, von der CSU, gestellt worden ist. Sie ist — das möchte ich ausdrücklich feststellen — nicht gestellt worden, um eine Politik der Nadelstiche zu betreiben, um heute diese, morgen jene Kleinigkeit herauszugreifen. Wenn aber, ohne daß von der örtlichen Militärregierung oder von der bayerischen Landesmilitärregierung widersprochen wird, in der größten Tageszeitung Deutschlands überhaupt, in der Süddeutschen Zeitung mit einer Auflage von 250 000 Exemplaren behauptet wird, daß in Garmisch eine Kegelbahn mit einem Aufwand von 400 000 DM aus dem Besatzungskostenhaushalt errichtet worden ist, so muß das selbstverständlich Unruhe und Empörung hervorrufen. Wir erwarten von der Besatzungsmacht nichts anderes als die Klarstellung dieser Angelegenheit und vertreten die Meinung: wenn die Angabe in der Zeitung richtig ist, liegt ein Mißbrauch der Besatzungskosten vor, das werden auch die Besatzungsbehörden nicht bestreiten; ist die Angabe nur teilweise richtig oder überhaupt nicht richtig, die in dieser Zeitung gemacht worden ist, dann liegt es im Interesse der Besatzungsmacht, daß die Öffentlichkeit darüber aufgeklärt wird, zumal es gerade eine Gegend betrifft, in der — abgesehen von dem sonst blühenden Fremdenverkehr — Tausende von Menschen ihr Leben mit einem der niedrigsten Einkommensätze fristen müssen. Es ist die gleiche 'Gegend, in der heute sehr zahlreiche Anträge auf Stundung der Soforthilfeabgabe beim Finanzamt liegen, weil die Steuern nicht mehr aufgebracht werden können. Da muß eine solche Art der Verwendung der Besatzungskosten begreiflicherweise Aufsehen und berechtigterweise Empörung hervorrufen, und darum, glaube ich, sind wir mit den verantwortlichen Stellen der Besatzungsmacht durchaus einig, daß solche Fragen geklärt werden. Wir haben nicht die Behauptung darüber aufgestellt, wir haben aber gewünscht, daß Klarheit darüber geschaffen wird. Gerade in einem Zeitpunkt, in dem man hinsichtlich der Verwendung der Besatzungskosten in ein neues Stadium getreten ist, was kein Mensch bestreiten wird, ist es unsere Pflicht als politische Vertreter dieses Bevölkerungsteiles, solche Dinge aufzudecken. Würden wir dazu schweigen, so würden wir uns aus diesen Kreisen der Bevölkerung einen Vorwurf zuziehen. Deswegen glaube ich, Herr Kollege Seelos, daß es nicht richtig ist, wenn wir hier in bezug auf Anfragen oder Anträge eine diplomatische Würdigung vornehmen; denn die Frage, wer von uns der undiplomatischere ist, ist noch lange nicht entschieden.
Das Wort hat der Abgeordnete Wirths.
Meine Damen und Herren! Wir sind dafür, daß der Antrag angenommen wird, ohne daß er vorher dem Ausschuß zur Beratung überwiesen ist. Wir müssen aber offen bekennen: wir glauben nicht, daß er sehr viel Erfolg haben wird. Wir sind dieser Ansicht aus einer Reihe von Gründen. Die Hohe Kommission kann sich mit der Frage der Freigabe von beschlagnahmten und leerstehenden Häusern beschäftigen, soweit solche von Angestellten der eigenen Behörden beansprucht worden sind; dagegen wird sie kaum Erfolg haben, wenn es sich um Häuser handelt, die von der Besatzungsarmee beschlagnahmt worden sind. Ich glaube, daß die Erfahrungen, die die Länderregierungen auf diesem Gebiet gemacht haben, meine Ansicht bestätigen werden. Ich weiß, daß die zuständigen Minister in Nordrhein-Westfalen in Fällen, wie sie von den Vorrednern erwähnt worden sind, sich außerordentlich viel Mühe gegeben haben, etwas zu erreichen; aber sie haben bis jetzt nichts erreicht, weil die Besatzungsarmee auf diesem Gebiet macht, was sie will. Die Armee ist ja auch nicht an die Weisungen der Hohen Kommission gebunden. Deswegen verspreche ich mir von diesem Antrag keinen großen Erfolg.
Zum Abs. 2 möchte 'ich folgendes sagen. Ich glaube, daß die Gemeinden auch dann, wenn sie von der zuständigen Aufsichtsbehörde — ich will dabei nicht entscheiden, ob das nun das Land oder der Regierungspräsident oder sonst wer ist — aufgefordert werden, diejenigen Wohnungen zu melden, die länger als drei Monate nicht von ,der Besatzungsmacht genutzt werden, dieser Aufforderung nicht nachkommen können. Ich weiß, daß die zuständigen Beamten in den Gemeinden die Anweisung von der Besatzungsmacht haben. etwaige Listen über beschlagnahmte Häuser nicht herauszugeben. Ich glaube, das ganze Problem muß von
einer anderen Seite her angefaßt werden. Es muß sich darum handeln, jetzt nicht nur Ersatzwohnungen für die neuen Besatzungsverdrängten zu bauen, wie man sie neuerdings heißt, also für Leute, die ihre Wohnungen räumen müssen, weil die Kasernen erneut für die Besatzungstruppen beschlag- nahmt werden, sondern man muß auch für diejenigen Menschen Wohnungen bauen, die nunmehr seit fünf oder sechs Jahren aus ihren Wohnungen verdrängt worden sind.
Ich möchte hier das Beispiel von Bad Oeynhausen anführen. Meine Damen und Herren, heute noch besteht ein Stacheldrahtzaun um den größeren Teil der Stadt herum. Es gibt in Oeynhausen sogar einen Stadtpaß, der in besonderen Fällen. etwa für Ärzte oder für Angehörige anderer wichtiger Berufszweige ausgestellt wird. Mit einem solchen Stadtpaß kann man in das vom Stacheldraht abgetrennte Gebiet.
Das ist ein außerordentlich unwürdiger Zustand. Ich habe mir aber erzählen lassen, daß es auch in der russischen Zone etwas Ähnliches gibt, daß auch dort Wohnviertel von Stacheldraht umgeben sind. Ich glaube, wenn der Herr Kollege Fisch über die SED in der sogenannten Volkskammer erreichen würde, daß ein Vorstoß nach Karlshorst gemacht würde und die Russen den Stacheldraht entfernten, dann würde vielleicht auch der Engländer geneigt sein, seinen Stacheldraht in Oeynhausen zu entfernen.
Meine Damen und Herren, wir müssen also erstens Ersatzwohnungen für die Deutschen bauen, die seit Jahren aus ihren Wohnungen herausgeflogen sind, und wir müssen zweitens den Schritt tun und feststellen, ob die Deutschen überhaupt in ihre Häuser zurückkönnen, weil diese, wie eben mit Recht betont worden ist, in der Zwischenzeit so umgebaut worden sind, daß sie einfach nicht wiederzuerkennen sind. Es kommt dazu, daß ja auch die deutschen Behörden nicht das Recht haben, diese Häuser zu betreten.
In Oeynhausen 'beispielsweise sollen dem Vernehmen und der Presse nach eine Reihe von großen Häusern zur Aufnahme von kasernierten Truppen umgebaut werden oder umgebaut worden sein. Damit ist das Objekt als solches vernichtet. Ich glaube, die einzige Lösung wäre die, daß diese Häuser angekauft würden — natürlich zu Lasten der Besatzungskosten — und daß man das Geld dazu verwenden würde, für diese Deutschen neue Wohnungen und neue Häuser zu bauen. Ich glaube nicht, daß es möglich ist, den Zweck des Antrages auf andere Weise zu erreichen. Das ganze Problem darf nicht so relativ eng, wie es Herr Seelos betont hat, betrachtet werden, sondern es müßte einmal in seinem ganzen Umfang gesehen werden. Man muß den größten Wert darauf legen, daß die Dinge -- wie beispielsweise in Oeynhausen — sich ändern. Ich will nicht davon sprechen, daß man da noch viel großartigere Anlagen gebaut hat als z. B. in Garmisch-Partenkirchen. Das wird Ihnen zum größten Teil bekannt sein. Aber wenn wir nicht einen grundsätzlichen Wandel in der Auffassung der Besatzungsmächte und hier insbesondere der zuständigen Stellen der Besatzungsarmee erreichen, dann, meine Damen, und Herren, werden wir uns hier roch einige Male über das Problem zu unterhalten haben.
Das Wort hat der Abgeordnete Reismann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns schon wiederholt mit dem durch die Fraktion der Bayernpartei angeschnittenen Problem befaßt. Ich erinnere daran, daß wir in der 108. Sitzung des Bundestages am 15. Dezember 1950 einstimmig beschlossen haben, die Bundesregierung solle sich mit der Hohen Kommission in Verbindung setzen, um gewisse Zugeständnisse zu erreichen. Der dritte Punkt des damaligen Beschlusses lautete, die Bundesregierung solle versuchen, das Zugeständnis zu erlangen, daß
... eine laufende Überprüfung der Belegungsdichte von Wohnungen, die für die Besatzungsangehörigen beschlagnahmt worden sind, durch die zuständigen deutschen Dienststellen gestattet und eine zentrale Berichterstattung eingerichtet wird.
Ich würde mich gefreut haben, wenn die Regierung Veranlassung genommen hätte, jetzt darüber zu berichten, oder wenn der Herr Wohnungskommissar uns dazu einen Bericht vorlegen und sagen könnte, was in dieser Hinsicht geschehen ist. Ich erinnere daran; ich halte es für an der Zeit, daß darüber einmal Auskunft gegeben wird. Wir werden eine formelle Anfrage deswegen einreichen. Aber in Verbindung damit ist es natürlich erklärlich, wenn eben einer der Herren Redner sagte, ihm erscheine der Erfolg solcher Bemühungen zweifelhaft. Man hat nämlich von dem Erfolg dieser damaligen Bemühungen bis heute noch nichts gemerkt. Um so wichtiger wäre es, festzustellen, ob Bemühungen überhaupt erfolgt sind, und wenn ja, in welcher Weise.
Es ist richtig und von allen bisher schon betont worden, daß die Unterbelegung angesichts der eigenen Belegungsdichte unter der deutschen Bevölkerung geradezu ärgerniserregend auffällt, und daß dagegen etwas geschehen muß, zumal die Belegung eines ganzen Hauses von 9, 10, 11 Zimmern mit 1, 2, 3 Personen gerade oft in Städten vor sich geht, die unter dem Krieg aufs schwerste gelitten haben. In den zerstörten Städten sind dann manchmal in einem Raum zwei oder drei Familien zusammengepfercht worden, während nebenan von den Besatzungsmächten ganze Häuser für eine nur geringe Personenzahl benutzt werden. Aber 'da wir bisher nichts, keine Verbesserung haben erreichen können, so, glaube ich, genügt es nicht, wenn wir jetzt von neuem eine Resolution annehmen.
Was könnte man in dieser Hinsicht noch tun? Da bin ich der Ansicht, man muß ganz im Ernst und in aller Öffentlichkeit einmal daran erinnern, daß wir doch jetzt in den Beziehungen zu den Besatzungsmächten in ein neues Stadium getreten sind. Man muß mit aller Deutlichkeit einmal sagen: Wenn man an unseren guten Willen appelliert und uns die Gleichberechtigung immerzu auf dem Papier erklärt, dann muß auch in dieser Hinsicht einmal etwas vorangeschritten werden. Man muß diese Dinge verquicken mit der Erörterung der anderen Fragen. Deshalb bedauere ich, daß der Antrag so für sich isoliert steht. Wir müssen auch bei anderen Angelegenheiten darauf zurückkommen.
Man könnte noch eine ganze Reihe vo Städten und Orten nennen. Herr Strauß hat zahlreiche aus den verschiedensten Gegenden genannt; Herr Wirths hat soeben einige aus dem östlichen Westfalen genannt. Die westfälischen Badeorte leiden sehr
schwer darunter, zumal es hierbei für die Leute um ihre wirtschaftliche Existenz geht. Nicht nur den Wohnraum hat man ihnen genommen. In Osnabrück, Münster und in Neheim-Hüsten ist an vielen Stellen das gleiche zu beklagen. Überall fällt dabei besonders unangenehm auf, daß man, wenn die Räume leerstehen, die früheren Besitzer — Inhaber, Eigentümer oder Mieter, das ist hierbei gleich — nicht einmal zur Bewachung heranzieht Es sind mir Fälle genannt, aus dem Osnabrücksehen insbesondere, in denen das Doppelte oder Dreifache des gezahlten Mietzinses für die Bewachung ausgegeben wird. Man verweigert den früheren Mietern das Recht, diese Räume überhaupt nur zu betreten, geschweige denn zu bewachen. Das würden sie gern umsonst tun. Dafür zahlt man an andere Leute das Zwei- und Dreifache des Betrages. Das ist nebenbei eine Verschwendung unseres Geldes, gegen die wir uns zur Wehr setzen müssen.
Ich möchte die Regierung dringendst auffordern, doch dafür zu sorgen, daß nun auch nach außen sichtbar in Erscheinung tritt, daß das deutsche Volk Ärgernis an diesen Zuständen nimmt. Den Herren von der äußersten Linken, von der KPD bestreite ich allerdings das Recht, sich mit solchem Ton der Entrüstung, wie ihn eben der Herr Abgeordnete Fisch gebraucht hat, nur gegen die westlichen Besatzungsmächte zu wenden. Dann mögen sie zunächst ihre guten Beziehungen einsetzen, damit das im Osten, in der Sowjetzone besser wird, und damit sie uns hier mit dem berühmten guter? Vorbild vorangehen können.
Die Rednerliste ist erschöpft. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. — Verzeihung, das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister. Ich bitte sehr um Entschuldigung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits bei der Beantwortung der Interpellation Strauß am 16. Januar dieses Jahres habe ich darauf hingewiesen, daß es unerfreuliche Erscheinungen in der Verwendung dei Gelder für die Deckung der Besatzungskosten gibt, und ich habe darauf aufmerksam gemacht, daß die Bundesregierung bemüht ist, diese unerfreulichen Erscheinungen möglichst bald der Vergangenheit angehören zu lassen. Ich bin natürlich dankbar, wenn der Bundestag die Bundesregierung in dem Bemühen, diese unerfreulichen Erscheinungen zu überwinden, unterstützt, und ich sehe auch in diesem Antrag ein solches Bemühen.
Zu dem Antrage selbst darf ich wie folgt Stellung nehmen. Nach Berichten der Landesfinanzministerien waren im Bundesgebiet am 1. April 1950 insgesamt rund 65 000 bebaute und unbebaute Grundstücke der privaten und öffentlichen Hand requiriert. Davon sind Wohngrundstücke, Hotels, Fremdenheime, Kuranstalten und Gaststätten insgesamt 43 856, von denen insgesamt 1736 nicht genutzt gewesen sind. Die Aufgliederung ergibt sich aus folgender Übersicht: Einfamilienhäuser: requiriert 16 235, nicht genutzt davon 631; Mietwohngrundstücke: requiriert 11 111, nicht genutzt davon 491; Baracken: requiriert 679, davon nicht genutzt 26; Einzelwohnungen: requiriert 13 928, davon nicht genutzt 533; Hotels und Fremdenheime: requiriert 1207, davon nicht genutzt 34; Kuranstalten: requiriert 93, genutzt alle; Gaststätten: requiriert 603, nicht genutzt 21. Feststellungen darüber, wie langE die 1736 Objekte schon nicht genutzt stehen, waren seinerzeit von den Landesfinanzministerien nicht getroffen worden..
Die Arbeitsgemeinschaft der Besatzungsgeschädigten in Frankfurt am Main hat nach dem Stand vom Dezember 1950 eine Zusammenstellung der in der amerikanischen und britischen Zone requirierten Wohnungen gefertigt, die seit über drei Monaten nicht genutzt sind. In dieser Zusammenstellung werden insgesamt 508 Objekte aufgeführt.
Hiernach kann es keinem Zweifel unterliegen, daß ein nicht unwesentlicher Teil der requirierten Wohnungen, Hotels, Fremdenheime, Kuranstalten und Gaststätten nicht oder doch nicht vollständig genutzt ist. Eine genaue Erfassung aller nicht oder nicht voll genutzten Objekte begegnet noch immer erheblichen Schwierigkeiten, da die Besatzungsdienststellen dem Personal der deutschen Behörden der Besatzungslastenverwaltung den Zutritt zu den requirierten Objekten zumeist verbieten. Teilweise sind auch Gebäudekomplexe oder Ortsteile eingezäunt und stehen unter militärischer Bewachung.
Die Bundesregierung hat wiederholt mündlich und schriftlich die Alliierte Hohe Kommission und ihre Unterausschüsse auf diese Sachlage hingewiesen und um Freigabe der nicht oder nicht ausreichend genutzten Objekte gebeten. In einem Memorandum vom 2. Januar 1951 hat der Bundeskanzler die Alliierte Hohe Kommission ersucht, bei der Erstellung von neuen Besatzungsbauten die Anforderungen an Raumgröße und Zahl der Zimmer so herabzusetzen, daß mit den verplanten Mitteln mindestens die doppelte Anzahl von Wohnungsbauten errichtet werden könne, und requirierte Wohnungen mit den Einrichtungsgegenständen Zug um Zug nach der Errichtung der neuen Besatzungsbauten freizugeben.
Das Bundesministerium der Finanzen hat in einem Memorandum vom 30. Dezember 1950 den alliierten Unterausschuß für Besatzungskosten unter Überreichung einer genauen Liste um die Freigabe bestimmter nicht genutzter, unterbelegter oder zweckfremd genutzter Hotels, Kuranstalten und Fremdenheime gebeten. Eine Antwort darauf ist von seiten der Besatzungsmächte bis heute leider noch nicht ergangen.
Die Bundesregierung wird sich auch in Zukunft nachdrücklich dafür einsetzen, daß der Gesamtbestand an requirierten Objekten, gleichviel ob es sich um Wohnungen oder gewerbliche Betriebe der privaten Hand handelt, unter Zuziehung von deutschen Sachverständigen einer eingehenden Überprüfung daraufhin unterzogen wird, ob nicht eine vollständige oder wenigstens teilweise Freigabe möglich ist. Hierbei darf allerdings nicht verkannt werden, daß, solange die Maßnahmen zur Verstärkung der alliierten Streitkräfte noch nicht abgeschlossen sind, in manchen Fällen eine Freigabe von gegenwärtig leerstehenden Objekten sich nicht durchsetzen lassen wird, weil ,diese für die Belegung mit neuen Streitkräften in Aussicht genommen sind.
Im übrigen wird zu dein Antrag noch folgendes bemerkt. Der in dem Antrag vorgeschlagene Weg einer automatischen Freigabe von requirierten Wohnungen, Gaststätten, Erholungsstätten und anderen Objekten, sofern sie von der Besatzungsmacht drei Monate lang nicht genutzt werden, wird
sich leider nicht durchführen lassen. Es wird viel-. mehr immer eine formelle Freigabe durch die Besatzungsmacht erforderlich sein, da alle Zahlungen für die Nutzungsentschädigung, für Ansprüche auf Besatzungsschäden usw. zu Lasten des alliierten Besatzungskosten- und Auftragsausgabenhaushalts gehen.
Bei der Sonderabteilung Besatzungslastenverwaltung des Bundesministeriums der Finanzen ist die Errichtung einer sogenannten Objektkartei in Angriff genommen worden, in der alle von den Besatzungsmächten requirierten Grundstücke erfaßt werden sollen. Die Unterlagen zur Führung dieser Kartei, die in Zukunft laufend fortgeschrieben wird, erhält die Sonderabteilung von den Behörden der Besatzungslastenverwaltung. Die Sonderabteilung wird sich von diesen Behörden wenn möglich auch melden lassen, ob requirierte Objekte zweckfremd genutzt, unterbelegt oder seit welcher Zeit sie von der Besatzungsmacht überhaupt nicht oder nur unzureichend genutzt werden. Bei diesen Arbeiten werden sich die Behörden der Besatzungslastenverwaltung selbstverständlich der Mithilfe der Gemeinden bedienen.
Das Bundesministerium der Finanzen wird nach einem Beispiel, das bereits in Bremen durchgeführt ist, bei den Besatzungsmächten die Einsetzung von gemischten Kommissionen aus Deutschen und aus Angehörigen der Besatzungsmächte beantragen, damit diese von Fall zu Fall Nachprüfungen vornehmen und die Freigabe solcher Räume erwirken können, die nicht unbedingt und sofort für Besatzungszwecke benötigt werden.
Die Bundesregierung hat daneben trotz der beengten Finanzlage des Haushalts im Haushaltsjahr 1950/51 im Einzelplan XXVII bereits 35 Millionen DM für einen Fonds eingesetzt, aus dem Ersatzbauten für die durch die Besatzung verdrängten Deutschen geschaffen werden sollten. Es darf damit gerechnet werden, daß in den nächsten Monaten mehrere Tausend dieser Wohnungen bereits fertiggestellt werden und zur Unterbringung der besatzungsverdrängten deutschen Bevölkerung zur Verfügung stehen.
Die Bundesregierung wird die Besatzungsmächte auch veranlassen, daß sie Zug um Zug mit der Errichtung von Besatzungswohnbauten durch die öffentliche Hand die requirierten bürgerlichen Wohnungen freigeben, so daß die Besatzungsbehörden dann endlich ausschließlich in öffentlichen Gebäuden untergebracht und die privaten bürgerlichen Wohnungen sämtlich freigegeben sind. Diese Maßnahmen verlangen nach der finanziellen Seite Wieder Opfer von dem deutschen Steuerzahler. Aber diese Opfer müssen wohl um der Beruhigung der Bevölkerung willen gebracht werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Seelos.
Ich darf noch kurz auf die Begründung meines Antrags zurückkommen, nachdem der Finanzminister sich an dem Wort „automatisch" gestoßen hat. Ich habe bei meinen Ausführungen ausdrücklich gesagt, daß die Einzelheiten dieses Rückfalls an die deutschen Nutzungsberechtigten durch die Exekutive behandelt werden sollen, daß die Automatik nur insofern als Grundsatz gelten soll, als der Anspruch des Rückfalls nach drei Monaten da ist. Ich glaube also durchaus, daß man den Antrag in dieser Form annehmen kann, nachdem gesagt ist, daß die Einzelheiten der Durchführung der Exekutive überlassen bleiben.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Ich lasse abstimmen. Es ist beantragt, diesen Antrag der Fraktion der Bayernpartei dem Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten zu überweisen.
— Ohne Ausschußberatung, gut! Dann lasse ich über den Antrag abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Einstimmig angenommen.
Ich rufe nunmehr auf Punkt 1 der gedruckten Tagesordnung von heute:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über den Ablauf der durch Kriegs- oder Nachkriegsvorschriften gehemmten Fristen ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (Nr. 2055 der Drucksachen).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Majonica. Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Drucksache Nr. 1985 liegt Ihnen der Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über den Ablauf der durch Kriegs- oder Nachkriegsvorschriften gehemmten Fristen vom 28. Dezember 1950 vor.
In § 1 dieses Gesetzes wird eine Interpretation des § 203 des Bürgerlichen Gesetzbuches gegeben. Damit wird also kein neues materielles Recht geschaffen, es werden nur gewisse Unklarheiten in bezug auf Devisenausländer beseitigt und gewisse Zweifelsfälle geklärt.
§ 2 regelt die Ansprüche, die durch § 3 des ersten Gesetzes vom 28. Dezember 1950 nicht geregelt worden sind. Bei dem Begriff des Devisenausländers wird nicht von der Nationalität, sondern vom ständigen Wohnsitz ausgegangen. Die Devisenausländer konnten bisher keine Klarheit über die Rechtslage dieser Dinge in Deutschland bekommen und haben deshalb auch ihre Rechte nicht wahrgenommen. Daher wird hier eine Fristverlängerung bis zum Ende des Jahres vorgenommen, damit gewisse Handlungen zur Unterbrechung der Fristen vorgenommen werden können, wie Klageerhebung oder auch Verhandlungen über die Stundung.
Außerdem schlägt der Ausschuß eine Änderung in § 2 vor, und zwar soll es zu Beginn des § 2 nicht lauten, wie es im Entwurf vorgesehen ist: „Ist", sondern „War oder ist". Durch diese Änderung werden Sonderfälle, die bisher durch den § 2 nicht erfaßt worden sind, nunmehr berücksichtigt.
Weiterhin war der Wunsch geäußert worden, daß § 2 Abs. 1 Satz 2 folgende Fassung erhalten solle:
Diese Bestimmung ist auch anzuwenden, wenn
die Verjährung nach den bisher geltenden Vorschriften bereits eingetreten ist, aber nach
diesen Vorschriften oder nach § 1 vor dem
9. Mai 1945 noch nicht vollendet war.
Nach der Meinung des Ausschusses ist dies nicht notwendig, denn durch diese Änderung des § 2 Abs. 1 Satz 2 würde kein neues materielles Recht geschaffen werden, sondern es würde nur das be-
stimmt werden, was schon jetzt in § 2 vorgesehen ist. Auch bei der jetzigen Fassung des § 2 Abs. 1 Satz 2 ist es selbstverständlich, daß der § 1 des Gesetzes mitberücksichtigt werden muß. Eine Neufassung dieses Satzes ist daher überflüssig.
Zur Begründung des § 2 a, der, wie Sie aus der Drucksache Nr. 2055 entnehmen können, eingeschoben worden ist, möchte ich noch folgendes vortragen. Die Verjährungsfristen bei Banken enden am 31. März 1951. Nun ist es so, daß die Coupons sich meistens nicht in den Händen der Eigentümer, sondern in den Händen der Bank befinden. Wenn also die Banken bis zum 31. März dieses Jahres die Vorlegungsfrist einhalten sollen, müßten sie in dieser knappen Zeit eine Arbeitsleistung bewältigen, die sie einfach nicht bewältigen können, zumal sie nicht über die nötigen juristischen Fachkräfte verfügen. Deshälb schlägt der Ausschuß vor, die Vorlegungsfristen der Banken vom 31. März auf den 31. Dezember dieses Jahres hinauszuschieben. Dazu darf ich noch bemerken, daß alle Interessierten, sowohl Gläubiger wie Schuldner, dieser Regelung des § 2 a, der nun eingeschoben werden soll, zugestimmt haben.
Ich darf daher im Namen des Ausschusses beantragen:
Der Bundestag wolle beschließen,
dem Gesetzentwurf mit den aus der nachstehenden Zusammenstellung ersichtlichen Änderungen, im übrigen unverändert nach der Vorlage zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Im Ältestenrat ist die Vereinbarung getroffen worden, daß das Gesetz ohne weitere Aussprache verabschiedet werden solle. Ist das Haus einverstanden?
Dann rufe ich zur
zweiten Beratung
auf. § 1, — § 2, — § 2 a, — § 3, — Einleitung und Überschrift. — Wer einverstanden ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen. Ich schließe die zweite Beratung.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Keine Wortmeldungen. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
§§ 1 bis 3, — Einleitung und Überschrift. — Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 2 der gedruckten Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des vom Deutschen Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Verlängerung des Wirtschaftsstrafgesetzes ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (Nr. 2043 der Drucksachen).
Das Wort zur Erstattung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik hat der Abgeordnete Stegner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als der Wirtschaftsausschuß den Entwurf des Gesetzes zur Änderung und Verlängerung des Wirtschaftsstrafgesetzes zu be- raten hatte, entstanden insofern gewisse Schwierigkeiten, als sich jedermann im Ausschuß darüber klar war, daß das alte Wirtschaftsstrafgesetz, das ja noch vom Wirtschaftsrat seinerzeit verabschiedet war, dringend einer Anpassung an die gegenwärtigen Preisverhältnisse bedurfte.
Da das Wirtschaftsstrafgesetz am 31. März dieses Jahres abläuft, war es infolgedessen natürlich, außer der Verlängerung zugleich eine Verbesserung hineinzuarbeiten. Von dieser Idee ging der Bundesrat aus und änderte die §§ 18, 19 und 20 des Wirtschaftsstrafgesetzes. Nun berührt besonders die Änderung im § 19 einige grundsätzliche Dinge, die in der Kürze der Zeit und bei der Tragweite der Änderung nicht fachgerecht hätten verhandelt werden können, um so mehr als wir im Wirtschaftsausschuß darüber einig waren, daß neben der wirtschaftspolitischen Seite auch rechtliche Überlegungen eine sehr erhebliche Rolle hätten spielen müssen. Diese rechtlichen. Überlegungen hätten verlangt, daß das Gesetz auch erst noch dem Ausschuß für Rechtswesen zur Beratung hätte zugeleitet werden müssen.
Nun kam dem Ausschuß eine weitere neue Tatsache zur Kenntnis, daß nämlich die Bundesregierung ein vollkommen neues Wirtschaftsstrafgesetz vorbereitet hat, das bereits dem Bundesrat vorgelegen hat. Der Bundesrat hat es inzwischen an die Bundesregierung zurückgegeben, und die Bundesregierung wird nach Stellungnahme dieses neue Wirtschaftsstrafgesetz in den nächsten Tagen dem Hohen Hause zur Beratung vorlegen.
Wir haben uns deswegen entschlossen, dem Plenum vorzuschlagen, den Entwurf des Gesetzes zur Änderung und Verlängerung des Wirtschaftsstrafgesetzes so abzuändern, daß die materielle Seite herausfällt und durch das neue Wirtschaftsstrafgesetz behandelt wird. Infolgedessen haben wir nur vorzuschlagen, daß der Paragraph über die Verlängerung des alten Wirtschaftsstrafgesetzes in Kraft tritt. Wir haben diese Verlängerung bis 31. März 1952 befristet. Nun könnte man sagen, der Termin sei natürlich viel zu lang, gemessen an den Notwendigkeiten der preispolitischen Situation. Wir sind uns aber darüber klar gewesen, daß wir es jederzeit in der Hand haben, durch schnelle und gründliche Beratung des neuen Wirtschaftsstrafgesetzes ja auch das Verlängerungsgesetz entsprechend früher außer Kraft zu setzen. Wir haben aber den Termin auch deswegen so weit gewählt, weil wir am Beispiel des Preisgesetzes gesehen haben, daß es sinnlos ist, alle drei Monate ein Verlängerungsgesetz vorzulegen und das dann in letzter Minute im Ausschuß durchzupeitschen. Eine solche Behandlung führt zu keiner sorgfältigen und gründlichen Arbeit. Infolgedessen haben wir den Termin etwas weiter gelegt, in der Hoffnung, daß das neue Wirtschaftsstrafgesetz von uns sehr schnell verabschiedet werden wird. Um aber bei dieser Arbeit mit gutem Beispiel voranzugehen, hat der Wirtschaftsausschuß bereits in seiner letzten Sitzung einen Unterausschuß eingesetzt, der sich mit dem materiellen Inhalt des § 19 des neuen Gesetzes, der die Preistreiberei behandelt, sofort wird befassen können. Nach Überweisung an den Ausschuß wird daher der Unterausschuß sein Votum sehr schnell vorlegen können, so daß das Wirtschaftsstrafgesetz dann dem Rechtsausschuß zu-
gehen kann. Es wird in der Hand des Rechtsausschusses liegen, das gesamte neue Wirtschaftsstrafgesetz sehr rasch zu verabschieden und damit dieses heute vorgelegte Verlängerungsgesetz abzulösen.
Der Ausschuß schlägt Ihnen daher vor, den hier vorgelegten Entwurf lediglich als Verlängerungsgesetz anzunehmen. Ich habe aber außerdem dem Herrn Präsidenten noch einen Abänderungsantrag vorzulegen, der sich lediglich auf die formale Seite beschränkt. Da wir lediglich zu einer Verlängerung kommen, müssen in der Überschrift des Gesetzes die Worte „Änderung und" gestrichen werden. Damit behalten wir nur die „Verlängerung" übrig. Ich habe diesen Antrag formuliert und darf ihn dem Herrn Präsidenten überreichen.
Der Vollständigkeit halber darf ich noch erwähnen, daß die Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion Bedenken gegen die erhebliche Verlängerung hatten. Ich glaube aber, daß es angesichts der vorliegenden Situation lediglich beim Hohen Hause liegen wird, ein neues, besseres Wirtschaftsstrafgesetz zu beschließen. Wir waren uns alle im Ausschuß darüber einig, daß mit dem vorliegenden Wirtschaftsstrafgesetz die derzeitige Preissituation nicht voll wird gemeistert werden können, obwohl seitens der Regierungsvertreter auf eine Konferenz der Landespreisbehörden hingewiesen wurde, die vor kurzer Zeit in Düsseldorf, von Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen beschickt, stattgefunden hat. Auf dieser Konferenz wurde festgestellt, daß man auch mit dem alten Wirtschaftsstrafgesetz die Situation noch meistern könnte, und zwar in Verbindung mit den bekannten neuen Rechtsverordnungen. Wir glauben aber, daß es absolut nötig sein wird, eine größere Klarheit und auch eine wirtschaftspolitisch umfassendere Note gerade in den § 19 im Sinne der Änderungen des Bundesrats und der Bundesregierung hineinzubringen. Wir hoffen, das sehr schnell durch die Behandlung des neuen Wirtschaftsstrafgesetzes erledigen zu können.
In diesem Sinne bitte ich Sie im Namen des Ausschusses, der Verlängerung des alten Wirtschaftsstrafgesetzes des Wirtschaftsrates bis zum 31. März 1952 zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Greve.
Meine Damen und Herren! Auf Grund eines einstimmigen Beschlusses des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht habe ich folgendes zu erklären:
Durch Beschluß des Bundestags ist der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Verlängerung des Wirtschaftsstrafgesetzes—Drucksache Nr. 1998dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß federführend und dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zur Beratung überwiesen worden. Auf Grund eines Schreibens des Ausschusses für Wirtschaftspolitik an den Herrn Vorsitzenden des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht vom 8. März 1951, eingegangen beim Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht am 9. März 1951, ist der Herr Vorsitzende des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht gebeten worden, zu einer auf den 12. März, also vom Freitag auf Montag einberufenen Sitzung des Ausschusses für Wirtschaftspolitik einige Abgeordnete des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu entsenden, damit diese an den Beratungen des vorliegenden Gesetzentwurfes im Ausschuß für Wirtschaftspolitik teilnehmen könnten.
Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht hält dieses Verfahren nicht für möglich. Wenn ein Gesetzentwurf einem Ausschuß federführend und einem anderen zu gleicher Zeit zur Beratung überwiesen ist, dann ist es üblich, daß jedem Ausschuß die Möglichkeit gegeben werden muß, den betreffenden Gesetzentwurf im eigenen Rahmen zu behandeln, das um so mehr, als es sich nach der einhelligen Auffassung der Mitglieder des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht um einen Gesetzentwurf handelt, der federführend dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht hätte überwiesen werden müssen.
Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht hat es aus diesem Grunde abgelehnt, sich mit dem Gesetzentwurf zu befassen, und ist nicht in der Lage, die Verantwortung für den Inhalt des Gesetzentwurfes, wie er Ihnen durch den Wirtschaftspolitischen Ausschuß auf Grund des eben erstatteten Berichts zur Annahme empfohlen wird, beizutreten.
Der ganze Vorgang, um es noch einmal in aller Deutlichkeit zu sagen, ist deswegen nach der einhelligen Auffassung der Mitglieder des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht um so befremdlicher, als eben die federführende Beratung dem Inhalt des Gesetzes und außerdem dem Wesen nach als Strafrecht in erster Linie dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zugestanden hätte. Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht ist nicht in der Lage, dem Plenum des Bundestags irgendeine Stellungnahme bekanntzugeben.
Das Wort hat der Abgeordnete Mellies.
Meine Damen und Herren! Das, was wir eben erlebt haben, ist etwas durchaus Ungewöhnliches in diesem Hause. Ich möchte doch darauf hinweisen, daß für Schwierigkeiten und Auseinandersetzungen zwischen den Ausschüssen zunächst einmal der Präsident des Hauses und dann der Ältestenrat zuständig ist. Ich glaube, es ist nicht gut möglich, daß hier vor dem offenen Plenum Schwierigkeiten zwischen den einzelnen Ausschüssen zur Erörterung kommen, ohne daß der genannte Weg zunächst einmal beschritten worden ist.
Im übrigen darf ich wegen der zweiten Beschwerde feststellen, daß die Entscheidung darüber, welcher Ausschuß federführend sein soll, beim Plenum dieses Hauses liegt. Ein Ausschuß kann nicht aus verletzter Eitelkeit seine Mitarbeit verweigern, weil er der Ansicht ist, daß er federführend ist. Ich glaube, die Ausschüsse sollten sich daran gewöhnen, die Entscheidungen des Plenums zu respektieren.
Jedes Mitglied des Hauses hat ja bei der Überweisung an die einzelnen Ausschüsse die Möglichkeit, hier entsprechende Anträge zu stellen. Wenn
aber die Entscheidung des Plenums gefallen ist,
dann muß auch entsprechend verfahren werden.
Sonst kommen wir sehr bald in einen Zustand, in
dem das Haus nicht mehr arbeitsfähig sein wird.
Meine Damen und Herren! Ich glaube nicht, daß verletzte Eitelkeit hier am Werke war, sondern nur ein besonderes Pflichtbewußtsein.
Das Wort hat der Abgeordnete Stegner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zur Klarstellung nur einige Sätze sagen. Es ist tatsächlich nicht so, daß sich der Wirtschaftspolitische Ausschuß nun darum gerissen hätte, hier ein Primat an sich zu ziehen. Wenn Sie sich einmal die gedruckte Vorlage ansehen, dann finden Sie, daß der Angelpunkt des Bundesratsvorschlags der § 19 über Preistreiberei ist. Der Wirtschaftspolitische Ausschuß war sich bei der Beratung des Gesetzentwurfs, bei der als Regierungsvertreter der Herr Staatssekretär des Bundesjustizministers anwesend war, absolut darüber klar, daß das Wirtschaftsstrafgesetz in den Rechtsausschuß gehört, daß aber der einzige Paragraph, der eine besondere wirtschaftspolitische Bedeutung hat, weil er nämlich in der vorgesehenen Änderung von der Stückbeurteilung auf Betriebsbeurteilung geht, vom Wirtschaftspolitischen Ausschuß zwangsläufig bearbeitet werden muß. Da dieser Paragraph in der Vorlage der Kernpunkt, ja, ich möchte sagen, das überhaupt einzige Stück war, waren wir zweifellos berechtigt, darüber ein Urteil abzugeben, ob wir die unvollkommene Vorlage jetzt durchhetzen oder ob wir dem ausführlichen neuen Wirtschaftsstrafgesetz den Einbau des § 19 überlassen sollen. Insofern ist der Rechtsausschuß tatsächlich nicht übergangen worden. Im neuen Wirtschaftsstrafgesetz wird zweifellos die Schwere der Beurteilung beim Rechtsausschuß liegen. Wir werden aber diesen § 19 im Wirtschaftsausschuß seiner ganz eminent volkswirtschaftlichen Bedeutung wegen sehr ausführlich beraten und durcharbeiten müssen. Ich glaube, daß Divergenzen zwischen den Ausschüssen gar nicht bestehen. Sie werden auch bei dem neuen Gesetz nicht bestehen. Beim alten Gesetz können sie es deswegen nicht, weil eben die Streichung des § 19, der im Vordergrunde des Interesses liegt, vom Wirtschaftsausschuß vorgeschlagen wird. Da der Wirtschaftspolitische Ausschuß die Beratung der materiellen wirtschaftspolitischen Seite durch Streichungen zurückgestellt hat, möchte ich Sie bitten, den Antrag des Wirtschaftspolitischen Ausschusses auf Verlängerung des alten Gesetzes anzunehmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe Art. 1 auf. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen einige Stimmen angenommen.
Art. 2, — Einleitung und Überschrift. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen einige Stimmen angenommen.
Damit ist die zweite Beratung geschlossen. Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Allgemeine Aussprache. — Keine Wortmeldungen. Ich schließe die dritte Beratung.
— Es ist doch klar. Die Vorlage sieht doch so aus, daß außer der Einleitung zu Art. 1 und Ziffer 4 zu Art. 1 alles gestrichen ist.
— Ja, das kommt jetzt.
Zur allgemeinen Aussprache in der dritten Beratung hat sich niemand gemeldet. Sie ist damit geschlossen.
Art. 1 und 2. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen einige Stimmen angenommen.
Nun zur Überschrift. Hier ist eine Änderung vorzunehmen. Es ist praktisch eine redaktionelle Änderung; ich habe deswegen nicht besonders abstimmen lassen. Es muß heißen: „Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung des Wirtschaftsstrafgesetzes". Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen einige Stimmen angenommen.
Wer in der Schlußabstimmung für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen einige Stimmen angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Ziffer 3 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über das Schiffsregister ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (Nr. 1999 der Drucksachen).
Das Wort zur Erstattung des mündlichen Berichts des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht hat der Abgeordnete Dr. Greve.
Meine Damen und Herren! Für den Inhalt des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über das Schiffsregister und die Begründung zu dem Gesetzentwurf beziehe ich mich auf die Drucksache Nr. 1370, die Ihnen vorliegt. Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht hat einen Unterausschuß eingesetzt. Dieser Unterausschuß hat nach Beratung in mehreren Sitzungen dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht Vorschläge über gewisse Änderungen des Gesetzentwurfs gemacht. Die Änderungen liegen Ihnen in der Drucksache Nr. 1999 vor. Sie sind im wesentlichen redaktioneller Natur.
In § 87 ist gesagt, daß § 199 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Anwendung findet; d. h. daß in denjenigen Ländern, in denen über die weitere Beschwerde durch ein Oberlandesgericht zu entscheiden ist, an die Stelle des bezirksmäßig zuständigen Oberlandesgerichts für das Land, in dem mehrere Oberlandesgerichte bestehen, e i n Oberlandesgericht oder ein oberstes Landesgericht, wie es in Bayern der Fall ist, für zuständig erklärt werden kann.
Der Art. 4 a ist auf Vorschlag des Bundesjustizministeriums übernommen worden, ohne daß irgendwelche Gegenvorschläge im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht gemacht worden sind.
Ich habe Ihnen weiter über den Art. 2 Ziffer 1 Ausführungen zu machen, wonach § 1 Abs. 2 folgende Fassung erhalten soll:
Die Landesjustizverwaltung bestimmt die Amtsgerichte, bei denen Schiffsregister zu führen sind, und die Registerbezirke.
Hierüber hat es eine lebhafte Debatte im Unterausschuß und im Ausschuß für 'Rechtswesen und Verfassungsrecht selbst gegeben. Sowohl der Vertreter des Bundesverkehrsministeriums als auch der Vertreter des Bundesjustizministeriums waren der Ansicht, daß es zweckmäßig ist, an die Stelle der Landesjustizverwaltungen das Bundesjustizministerium treten zu lassen, weil die Bezirke derjenigen Amtsgerichte, bei denen Schiffsregister geführt werden, über den Rahmen von Ländern hinausreichen, so daß es also sachlich durchaus berechtigt wäre, daß das Bundesjustizministerium die Amtsgerichte bestimmt, bei denen Schiffsregister zu führen sind, und auch die Registerbezirke selbst. Es wurden Bedenken erhoben, ob das Bundesjustizministerium Aufgaben erledigen kann, die nach dem Grundgesetz den Landesjustizverwaltungen zustehen. Das Bundesjustizministerium selbst steht auf dem Standpunkt, daß keine Verletzung des Grundgesetzes vorliegt, wenn das Bundesjustizministerium an die Stelle der Landesjustizverwaltungen tritt.
Der Ausschuß für Verkehrswesen des Deutschen Bundestages hat durch seinen Vorsitzenden dem Vorsitzenden des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht mitgeteilt, daß im Kreise des Verkehrsausschusses Bedenken wegen des § 1 Abs. 2 aufgetaucht seien, daß man sich aber entschlossen habe, unter Zurückstellung dieser Be- denken auch von seiten des Verkehrsausschusses dem Bundestag zu empfehlen, den Gesetzentwurf in der vom Rechtsausschuß beschlossenen Fassung anzunehmen.
Neuerdings sind an die Ausschüsse für Rechtswesen und Verfassungsrecht und für Verkehrswesen Mitteilungen seitens des Zentralausschusses der deutschen Binnenschiffahrt herangetragen worden, die zum Inhalt haben, daß die Bestimmung der Registerbezirke und der Amtsgerichte, bei denen Schiffsregister geführt werden, zweckmäßigerweise durch das Bundesjustizministerium erfolgt. Aus diesem Grunde wäre es begrüßenswert, aus dem Bundestag einen Änderungsantrag betreffend § 1 Abs. 2 zu erhalten. Herr Kollege Dr. Reismann hat erklärt, daß die Fraktion des Zentrums einen dementsprechenden Antrag stellen werde. Ich glaube, der Antrag ist bereits eingegangen. Für den Fall, daß Bedenken bestehen sollten, ist es empfehlenswert, den Gesetzentwurf noch einmal an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zurückzuverweisen. Ich muß aber darauf hinweisen, daß von seiten des Bundesjustizministeriums und des Bundesverkehrsministeriums die Angelegenheit für so dringlich erachtet wird, daß sie, schnellstens erledigt werden sollte. Wenn das Bundesjustizministerium selbst der Auffassung ist, daß verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die Bestimmung der Amtsgerichte, bei denen Schiffahrtsregister geführt werden, und auch im Hinblick auf die Bestimmung der Registerbezirke durch die Bundesjustizverwaltung nicht bestehen, würden nach Auffassung aller Beteiligten Zweckmäßigkeitsgründe dafür sprechen, daß das Bundesjustizministerium an die Stelle der Landesjustizverwaltungen tritt.
Ich habe im Namen des Ausschusses dem Plenum zu empfehlen, den Gesetzentwurf in der Fassung des Ausschusses anzunehmen. Durch die Beratung des Abänderungsantrags des Zentrums würde sich allerdings möglicherweise eine Änderung ergeben, ùnd es würde dann zweckmäßig sein, die Zurückverweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu beschließen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie eine kurze Unterbrechung. Eine Viertelstunde nach Schluß des Plenums tritt der Vorstand des Bundestages zu einer kurzen Sitzung im roten Zimmer zusammen.
Ich rufe auf Art. 1 der Vorlage Drucksache Nr. 1370 betreffend Vorschriften über das Schiffsregister. — Keine Wortmeldungen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Einstimmig angenommen.
Zu Art. 2 ist ein Abänderungsantrag angekündigt.
Zur Begründung hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Reismann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es erscheint mir nach den Ausführungen des Herrn Kollegen Greve nicht nötig, eine lange Begründung zu geben.
Aber ein Beispiel will ich Ihnen nennen. Es handelt sich da um die Weser. Wenn nach der jetzigen Vorlage verfahren wird, kann es passieren, daß zunächst das Land Niedersachsen ein Registergericht einrichtet, dann das Land Bremen, das Land Nordrhein-Westfalen und Hessen, so daß wir nun vier haben, wo wir bisher mit zwei auskommen konnten, einem für die Unterweser in Bremen, einem für die Oberweser in Minden. Es ist unzweckmäßig, vier Stellen einzurichten, wenn man bislang nur zwei gehabt hat. Es müßten zwischen den vier beteiligten Ländern gegenseitige Verhandlungen einsetzen, es müßten Staatsverträge geschlossen werden. Dabei weiß man nicht einmal, ob das geht, weil insofern die Justiz des Landes, sagen wir, Niedersachsen, nach Bremen übergreifen müßte oder von Bremen in niedersächsisches Gebiet übergegriffen werden müßte. Alle diese Schwierigkeiten gelten in gleichem Maße auch dort, wo Hessen und Nordrhein-Westfalen oder Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen beteiligt sind. Dieselbe Sache kann sich bei jedem anderen Fluß auch wiederholen. Aber bei den bayerischen Flüssen passiert es nicht. Das sei besonders mit Rücksicht auf die bayerischen Interessen gesagt. Da kommt es praktisch nicht in Frage. Ich habe mich vergewissert, daß es beim Main nicht der Fall ist. Das ist, glaube ich, so schon in Ordnung.
Es erscheint zweckmäßig, durch diese kleine Änderung, der verfassungsmäßige Bedenken nicht entgegenstehen, diese Komplikationen zu vermeiden. Ich bitte Sie deswegen, unserem Abänderungsantrag zuzustimmen.
Keine Wortmeldungen dazu? — Es ist nicht der Fall.
Dann lasse ich über den Abänderungsantrag abstimmen. Wer für die Änderung der Vorlage in dem beantragten Sinne ist, nämlich daß es in Art. 2 Punkt 1 § 1 Abs. 2 statt: „Die Landesjustizverwaltung bestimmt die Amtsgerichte ...", heißen soll: „Die Bundesjustizverwaltung bestimmt die Amtsgerichte . . .", den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Einstimmig angenommen.
Nun lasse ich abstimmen über Art. 2 Ziffern 1, —2,-3,-4,-5,-6,-7,-8,-9,-10,-11, — 12, — 13, — 14, — 15, — 16, -- 17, — 18, —19,--20,-21,-22,-23,-24 und 25.
Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Art. 3. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Art. 4. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Art. 4 a. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Der Artikel ist angenommen.
Art. 5. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Art. 6. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Ende der zweiten Beratung.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Die allgemeine Aussprache ist eröffnet. — Keine Wortmeldungen? — Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Ich rufe auf Art. 1, — Art. 2, — Art. 3, — Art. 4, — Art. 4 a, — Art. 5, — Art. 6, — Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Wer in der Schlußabstimmung für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich um ein
Handzeichen. — Gegenprobe! — Das Gesetz ist beschlossen.
Dieser Punkt der Tagesordnung ist erledigt. Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die vorläufige Haushaltsführung der Bundesverwaltung im Rechnungsjahr 1951 ;
Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses (Nr. 2056 der Drucksachen). (Erste Beratung: 126. Sitzung.)
Zur Berichterstattung für den Haushaltsausschuß erteile ich das Wort dem Abgeordneten Blachstein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushaltsausschuß hat sich heute morgen mit dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP in Drucksache Nr. 2044 beschäftigt. Es handelt sich um den Entwurf eines Gesetzes über die vorläufige Haushaltsführung. Dieses Gesetz ist, wie die Antragsteller gestern schon zur Begründung gesagt haben, durch den leidigen Zustand notwendig geworden, daß wir am Ende des Haushaltsjahres 1950 die Etatberatungen noch nicht abgeschlossen haben und die Regierung für das Jahr 1951 ein Instrument für die Fortsetzung ihrer Tätigkeit braucht.
Der Gesetzentwurf entspricht im wesentlichen dem Gesetz, das auch für die bisherige vorläufige Haushaltsführung im Rechnungsjahr 1950 in Kraft war. Die Debatte im Haushaltsausschuß hat sich auf zwei Punkte konzentriert. § 3 Abs. 2 hat eine längere Aussprache ausgelöst. Es wurde dabei kritisiert, daß im laufenden Haushaltsjahr von der Regierung teilweise Dienststellen neu eingerichtet wurden, ohne daß der Haushaltsausschuß vorher darüber informiert wurde. Aus diesem Grunde wurde von der sozialdemokratischen Fraktion ein Zusatzantrag gestellt, den Sie in der Vorlage Drucksache Nr. 2056 am Ende des Abs. 2 des § 3 finden. Er besagt:
Ebenso bedarf es der Zustimmung des Haushaltsausschusses des Bundestages, wenn für neue Aufgaben besondere Dienststellen, für die Bundesmittel erforderlich sind, geschaffen werden sollen.
Auf diesen Zusatz konnte sich der Ausschuß mit allen Stimmen einigen. Es soll damit erreicht werden, daß das Haushaltsrecht des Parlaments gewahrt wird und neue Dienststellen vorher dem Haushaltsausschuß zur Genehmigung vorgelegt werden müssen.
Zu § 5 legt der Haushaltsausschuß Wert darauf, festzustellen, daß die hier aufgeführte Abgabepflicht der Post nicht bedeutet, daß die nicht genannte Bundesbahn ihrer Verpflichtungen gegenüber dem Bund entbunden werden soll. Die rechtliche Lösung, die Einlösung der Verpflichtungen der Bundesbahn gegenüber dem Bund, muß später erfolgen. Es wurde nicht als notwendig angesehen, eine solche Regelung in einem Gesetz über die vorläufige Haushaltsführung bereits vorzunehmen.
Schließlich bestanden bei dem Kollegen Bausch Bedenken gegen den Abs. 3 des § 6, Bedenken, daß die Zahlungsverpflichtung des Bundes gegenüber seinen Gläubigern unbedingt anerkannt werden müsse und daß auch ein Bundesgesetz diese Verpflichtung nicht aufheben könne. Bei Enthaltung des Kollegen Bausch haben die übrigen Mitglieder des Ausschusses aber dem Abs. 3 des § 6 zugestimmt.
Der Haushaltsausschuß schlägt dem Hohen Hause gemäß Drucksache Nr. 2056 vor, den vorbezeichneten Gesetzentwurf mit den aus der nachstehenden Zusammenstellung ersichtlichen Änderungen, im übrigen unverändert nach der Vorlage anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe in der zweiten Beratung auf: § 1, —§2,—§3,—§4,—§5,—§6,—§7,—§8,§ 9, — Einleitung und Überschrift. — Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen einige Stimmen angenommen. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Keine Wortmeldung. Die allgemeine Aussprache ist geschlossen.
Ich rufe auf zur Einzelaussprache über die §§ 1 bis 9, Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit. Angenommen.
Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit. Das Gesetz ist angenommen. Der Punkt der Tagesordnung ist erledigt.
Die Mitglieder des Haushaltsausschusses werden gebeten, unverzüglich zu einer Sitzung des Ausschusses zusammenzutreten. Ich fürchte nur, das Haus wird sich dann noch mehr leeren.
Dann rufe ich auf Punkt 5 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse des Reichsvermögens und der preußischen Beteiligungen ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (Nr. 2032 der Drucksachen).
Ich erteile das Wort zur Erstattung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen dem Abgeordneten Dr. Dr. Höpker-Aschoff.
Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf Drucksache Nr. 1853 ist in der ersten Lesung dieses Hauses dem Finanzausschuß, und zwar diesem federführend, und außerdem dem Rechtsausschuß überwiesen worden. Die erste Beratung durch den Finanzausschuß erfolgte am 15. Februar, eine gemeinsame Beratung beider Ausschüsse am 22. Februar, die Beratung durch den Rechtsausschuß am 7. März und die abschließende Beratung durch den Finanzausschuß am 9. März 1951.
Der Bundesrat hatte zu dem Entwurf wie folgt Stellung genommen:
Es ist zweifelhaft, ob die Zuständigkeit des Bundes zum Erlaß des Gesetzes gegeben ist; selbst wenn diese Frage zu bejahen sein sollte, so würde die Zustimmung des Bundesrates erforderlich sein, jedoch nicht in Aussicht gestellt werden können. Vielmehr darf der Bundesrat erwarten, daß der Herr Bundesminister der Finanzen eine Antwort auf das Schreiben des Herrn Vorsitzenden des Finanzausschusses vom 10. Juni 1950 erteilt und die Erörterungen über den Entwurf der Verwaltungsvereinbarung fortsetzt.
Der Bundesrat schlägt deshalb der Bundesregierung vor, den Gesetzentwurf zurückzuziehen.
Die Bundesregierung hat den Entwurf gleichwohl an den Bundestag weitergeleitet.
Mit Rücksicht auf die Haltung des Bundesrats wurde aber von dem Vorsitzenden des Rechtsausschusses, dem Herrn Abgeordneten Dr. Laforet, in einer Aufzeichnung vom 6. März 1951 und auch mündlich bei den Beratungen der Ausschüsse die Auffassung vertreten, wenn der Bundesrat dem Entwurf eines der Zustimmung bedürftigen Gesetzes im ersten Stadium seine Zustimmung verweigere, müsse der Bundestag die weitere Behandlung des Gesetzentwurfes ablehnen und es der Regierung überlassen, einen neuen Gesetzentwurf vorzulegen. Diese Auffassung wurde durch einen Beschluß des Rechtsausschusses vom 7. März 1951 mit großer Mehrheit abgelehnt. Der Beschluß lautet:
Die Entscheidung des Bundesrats, ob er einem
Gesetz, das der Zustimmung bedarf, zustimmt,
kann erst nach der Verabschiedung des Gesetzes durch den Bundestag erfolgen.
Der Finanzausschuß hat sich diesem Beschluß angeschlossen. Er beruht auf folgenden Erwägungen:
Die erste Beschäftigung des Bundesrates ist nur eine Stellungnahme zu dem Entwurf der Regierung und kann den Bundestag nicht hindern, seinerseits über den Entwurf der Regierung Beschluß zu fassen. Es darf auch bei einem zustimmungsbedürftigen Gesetz damit gerechnet werden, daß der Bundesrat auf Grund der Beschlüsse des Bundestages seine ursprüngliche Auffassung ändert. Die Frage, ob ein Gesetz der Zustimmung des Bundesrates bedarf, ist überhaupt für den Gang der Beratungen des Bundestages ohne Bedeutung. Sie wird erst bedeutungsvoll, wenn der Bundesrat dem vom Bundestag beschlossenen Gesetz seine Zustimmung versagt. Dann hat die Bundesregierung zu entscheiden, ob sie den Gesetzesbeschluß des Bundestages gleichwohl dem Herrn Bundespräsidenten zur Verkündung vorlegen will.
Meine Damen und Herren! Welche Bedeutung hat der vorliegende Gesetzentwurf? Das am 20. April 1949, also vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes erlassene Gesetz Nr. 19 der amerikanischen Militärregierung übertrug Reichsvermögen und preußisches Vermögen den Ländern, indessen mit dem Vorbehalt, daß der Bund nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes jede Verfügung, die das Gesetz Nr. 19 zugunsten der Länder getroffen hat, aufheben kann, sofern sie dem Grundgesetz widerspricht. Ähnliche Bestimmungen enthält die nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes erlassene Verfügung Nr. 217 der französischen Militärregierung, allerdings ohne den Vorbehalt. Die ebenfalls nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes erlassene Verordnung Nr. 202 der britischen Militärregierung läßt die Eigentumsverhältnisse unberührt und überträgt den Ländern nur die Verwaltung, behält aber dem Bunde vor, diese Übertragung der Verwaltung nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes rückgängig zu machen.
§ 1 des Gesetzentwurfes bezweckt, die Bestimmungen des Gesetzes Nr. 19 und der Verordnungen Nr. 217 und 202 wieder rückgängig zu machen. § 1 Abs. 1 der Vorlage bestimmt:
Soweit nach dem 19. April 1949 Eigentum oder sonstige Vermögensrechte, die dem Deutschen Reich zustanden, auf Grund gesetzlicher Bestimmungen auf ein Land übergegangen sind, gilt dieser Übergang als nicht erfolgt. Das gleiche gilt für Beteiligungen des ehemaligen Landes Preußen an Unternehmen des privaten Rechts, die nach dem 19. April 1949 auf ein Land übergegangen sind.
In den Ausschußberatungen hat § 1 Abs. 1 eine
Änderung erfahren. Er soll nunmehr lauten: Soweit nach dem 19. April 1949 Eigentum oder sonstige Vermögensrechte, die dem Deutschen Reich zustanden, auf Grund gesetzlicher Bestimmungen einem Lande übertragen oder der Verwaltung eines Landes übergeben worden sind, gilt die Eigentumsübertragung als nicht erfolgt und die Verwaltungsbefugnis als beendet. Das gleiche gilt für Beteiligungen des ehemaligen Landes Preußen an Unternehmen des privaten Rechts, die nach dem 19. April 1949 auf ein Land übergegangen sind.
Mit dieser Änderung wird deutlich zum Ausdruck gebracht, daß nicht nur die Übertragung des Eigentums, wie sie das amerikanische Gesetz Nr. 19 und die französische Verordnung Nr. 217 verfügen, rückgängig gemacht werden soll, sondern daß auch die den Ländern durch die britische Verordnung Nr. 202 übertragene Verwaltung ein Ende nehmen soll. Beide Ausschüsse haben den § 1 mit dieser Änderung mit großer Mehrheit — der Finanzausschuß gegen eine Stimme, der Rechtsausschuß gegen zwei Stimmen — gebilligt.
§ 2 enthält entsprechende Vorschriften über das Vermögen der mit eigener Rechtspersönlichkeit aus-
gestatteten Unternehmen des Reiches und des preußischen Staates.
§ 3 gibt der Bundesregierung die Möglichkeit, bei selbständigen Unternehmen des Reiches und des preußischen Staates, die ihren Sitz außerhalb des Bundesgebietes haben, Verwalter für die im Bundesgebiet gelegenen Vermögenswerte dieser Unternehmen einzusetzen.
§ 4 bestimmt, daß rechtsgeschäftliche Verfügungen, die in der Zwischenzeit getroffen wurden, wirksam bleiben mit Ausnahme derjenigen Verfügungen, die zugunsten der Länder selbst oder einer von den Ländern abhängigen juristischen Person getroffen sind.
§ 5 behält die endgültige Auseinandersetzung über das ehemalige Reichsvermögen und das ehemalige preußische Vermögen nach Maßgabe der Bestimmungen der Art. 134 und 135 des Grundgesetzes den dort vorgesehenen Ausführungsgesetzen vor.
Alle diese Paragraphen sind von beiden Ausschüssen, mit kleinen redaktionellen Änderungen, mit großer Mehrheit angenommen worden.
§ 6 der Vorlage hat in den Ausschüssen eine andere Fassung erhalten. § 6 sieht nunmehr vor, daß das dem Bund nach den Bestimmungen des Grundgesetzes gehörende ehemalige Reichsvermögen und preußische Vermögen durch die Oberfinanzdirektionen verwaltet werden soll. Diese neue Fassung wurde im Finanzausschuß gegen eine Stimme, im Rechtsausschuß gegen einige wenige Stimmen gutgeheißen. Gegenüber den von der Minderheit vorgetragenen Bedenken wurde zum Ausdruck gebracht, daß eine einheitliche Verwaltung notwendig sei, um dem heute herrschenden Chaos ein Ende zu machen, und daß das Finanzverwaltungsgesetz die Verwaltung des dem Bunde gehörenden Vermögens durch die Bundesvermögensabteilungen der Oberfinanzdirektionen zwingend vorschreibe, aber auch vorsehe, daß die Oberfinanzdirektionen sich bei der Verwaltung der örtlichen Landesbehörde bedienen können. Die vorgetragenen Bedenken werden nach der Auffassung der großen Mehrheit beider Ausschüsse schließlich auch dadurch ausgeräumt, daß der zweite Satz des § 6 Abs. 1 der Bundesregierung die Möglichkeit gibt, die Verwaltung anderen Stellen zu übertragen.
Die Bundesregierung wird hiernach die Verwaltung den Ländern überlassen, soweit es sich um Verwaltungsvermögen oder Heimfallvermögen, also Vermögensmassen handelt, die nach den Abs. 2 und 3 des Art. 134 den Ländern übertragen werden müssen. Das gleiche gilt für Vermögen, das gemäß Art. 134 Abs. 2 letzter Satz übertragen werden kann und zweckmäßigerweise übertragen werden soll. Es würde also durchaus die Möglichkeit bestehen, ehemaliges Reichswehrvermögen, das inzwischen von den Ländern besiedelt worden ist, der Verwaltung der Länder zu überlassen.
§ 6 Abs. 2 ist auf Anregung des Rechnungshofes eingefügt worden und bezweckt, gewisse Erschwerungen der Verwaltung durch die Reichshaushaltsordnung zu beseitigen. Er ist von beiden Ausschüssen einmütig gebilligt.
Meine Damen und Herren! Beide Ausschüsse haben sich eingehend mit den zwei Fragen befaßt: erstens, welche Bedeutung Art. 134 Abs. 1 des Grundgesetzes habe; zweitens, ob das vorliegende Gesetz der Zustimmung des Bundesrats bedürfe. Beide Ausschüsse haben zu der ersten Frage mit großer Mehrheit —. der Finanzausschuß gegen eine Stimme, der Rechtsausschuß gegen zwei
Stimmen — die Auffassung vertreten, daß nach den Bestimmungen des Grundgesetzes, also abgesehen von den Bestimmungen des amerikanischen Gesetzes Nr. 19 und der Verordnung Nr. 217 der französischen Militärregierung, der Bund seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes Eigentümer des ehemaligen Reichsvermögens sei, und zwar aus folgenden Gründen.
Erstens. Das Grundgesetz geht davon aus, daß der heutige deutsche Staat, wie er in der Bundesrepublik verkörpert ist, mit dem ehemaligen Reich identisch ist und daß das Grundgesetz keinen neuen Staat geschaffen, sondern dem fortbestehenden deutschen Staat nur eine neue Organisation gegeben hat. Diese Auffassung wird übrigens auch von dem Abgeordneten Dr. Laforet in seiner Aufzeichnung vom 6. März 1951 vertreten.
Zweitens: Die in den verschiedenen Ausschüssen des Parlamentarischen Rates beschlossenen Fassungen: „Das Reichsvermögen ist Bundesvermögen", „Das Reichsvermögen geht auf den Bund über", „Das Reichsvermögen wird grundsätzlich Bundesvermögen", enthalten keinen materiellen Unterschied. Die Fassung „Das Reichsvermögen ist Bundesvermögen" mag dem Gedanken der Identität am besten entsprechen, die Fassung „Das Reichsvermögen geht auf den Bund über" mag den Gedanken der Universalsukzession zum Ausdruck bringen. Aber auch die Fassung „Das Reichsvermögen wird grundsätzlich Bundesvermögen" kann nur den Sinn haben, daß der Bund jedenfalls mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes Eigentümer des ehemaligen Reichsvermögens wird.
Drittens. Die Auffassung, daß Art. 134 Abs. 1 ein Programm der Zukunft enthalte, das erst durch ein dem Art. 134 Abs. 4 entsprechendes Gesetz verwirklicht werden müsse, würde zu der absurden Folgerung führen, daß bis dahin das ehemalige Reichsvermögen herrenloses Gut wäre. Auch der Herr Abgeordnete Dr. Laforet hat in seiner Aufzeichnung vom 6. März 1951 ausgesprochen, daß in Art. 134 Abs. 1 nicht nur eine Richtlinie, ein Programmsatz, sondern ein Rechtssatz vorliege. In den Beratungen der Ausschüsse und des Plenums des Parlamentarischen Rates ist niemals der Gedanke laut geworden, daß Art. 134 Abs. 1 nur ein Programm enthalte. Nun hat allerdings der Hauptausschuß des Parlamentarischen Rates die von ihm zunächst beschlossene Fassung „Das Reichsvermögen ist Bundesvermögen" im letzten Stadium auf Vorschlag des Redaktionsausschusses in die Fassung abgeändert: „Das Reichsvermögen wird grundsätzlich Bundesvermögen".
Der Bericht, den der Herr Abgeordnete von Brentano über die Übergangsbestimmungen erstattet hat, spricht aus, daß der Vorschlag des Redaktionsausschusses im Hinblick auf das amerikanische Gesetz gemacht worden sei und die Absicht verfolge, die Entscheidung hinauszuschieben und dem Art. 134 nur die Bedeutung eines Programms zu geben. Hierzu ist folgendes zu bemerken. Der Bericht sollte wie entsprechende Berichte zu allen Abschnitten des Grundgesetzes in der letzten Sitzung des Parlamentarischen Rates erstattet werden. Um die Verabschiedung zu beschleunigen, verzichtete man damals auf die mündlichen Berichte und gab den Berichterstattern auf, ihre Berichte schriftlich zu den Akten zu geben. Alle Berichte sind daher nicht vorgetragen, sondern erst geraume Zeit nach der Verabschiedung des Grundgesetzes zu den Akten gegeben worden, so auch der Bericht des Herrn Abgeordneten
von Brentano. Die Abgeordneten Dr. Greve und Dr. Höpker-Aschoff, die an den Beratungen des Redaktionsausschusses teilgenommen haben, haben in den Ausschußberatungen gegenüber der Darstellung des Berichts darauf hingewiesen, daß der Vorschlag des Redaktionsausschusses zwar durch das Gesetz Nr. 19 ausgelöst sei, aber auf folgenden Beweggründen beruht habe. Man war der Meinung, daß der Satz „Das Reichsvermögen ist Bundesvermögen" zu den Vorschriften des amerikanischen Gesetzes in einem gewissen Gegensatz stehe, daher vielleicht Schwierigkeiten bei der Genehmigung des Grundgesetzes auslösen könnte und daß man daher eine Fassung wählen müsse, die nicht nur dem Gedanken der Identität oder der Universalsukzession gerecht werde, sondern auch einen das amerikanische Gesetz aufhebenden, rechtsbegründenden Akt gemäß dem Vorbehalt des amerikanischen Gesetzes darstelle.
Viertens. Das Wort „grundsätzlich" in Art. 134 Abs. 4 spricht nicht für einen Programmsatz, sondern zielt nur auf die Ausnahme in den Absätzen 2 und 3 ab. Dies wird auch in der Aufzeichnung des Herrn Abgeordneten Dr. Laforet vom 6. März 1951 betont.
Fünftens. Nach Art. 134 Abs. 2 soll der Bund das Verwaltungsvermögen den Ländern übertragen. Übertragen kann nur, wer Eigentümer ist.
Sechstens. Es herrscht Übereinstimmung auch bei den Ländern, daß die Bestimmungen des Art. 135 unmittelbar rechtsbegründende Wirkung haben, daß also insbesondere das Vermögen des ehemaligen preußischen Staates mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes Vermögen der neuen Länder geworden ist. Dies ergibt sich mit besonderer Deutlichkeit aus Art. 135 Abs. 7. Dieser Grundsatz muß dann auch für Art. 135 Abs. 6 gelten. Wäre also Art. 134 Abs. 1 nur ein Programmsatz, der erst durch ein Bundesgesetz verwirklicht werden müßte, so würde man zu dem widersinnigen Ergebnis kommen, daß die preußischen Unternehmen nach Art. 135 Abs. 6 mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes Vermögen des Bundes geworden sind, daß aber die Unternehmen des ehemaligen Reiches dem Bund erst durch ein besonderes Gesetz zugesprochen werden müßten.
Die zweite Frage, ob das vorliegende Gesetz der Zustimmung des Bundesrates bedarf, ist vom Rechtsausschuß durch ausdrücklichen Beschluß gegen zwei Stimmen verneint worden. Der Beschluß lautet:
Das Gesetz nach Drucksache Nr. 1853 ist kein
Gesetz im Sinne des Art. 134 Abs. 4 des
Grundgesetzes und deshalb kein Bundesgesetz,
das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Der Finanzausschuß hat sich dieser Auffassung angeschlossen. Als Begründung hierfür wurde in beiden Ausschüssen folgendes vorgebracht.
Erstens. Wenn der Bund kraft Identität Eigentümer des ehemaligen Reichsvermögens geworden ist, so bedarf es überhaupt keines besonderen Gesetzes mehr, um ihm das Eigentum zu übertragen.
Zweitens. Art. 134 Abs. 4 ist vom Hauptausschuß des Parlamentarischen Rates bereits beschlossen, als die Fassung des Abs. 1 lautete: „Das Reichsvermögen ist Bundesvermögen". Er kann sich daher nur auf die Ausführung der Absätze 2 und 3 beziehen.
Drittens. Das vorliegende Gesetz hat lediglich die Bedeutung, die dem Grundgesetz widersprechenden Gesetze und Verordnungen der
Militärregierung rückgängig zu machen und dem Bund die Verwaltung seines Eigentums zu übertragen. Hierauf kann sich Abs. 4 nach seiner Entstehungszeit und seiner Entstehungsgeschichte nicht beziehen.
Ich darf noch einmal darauf hinweisen, daß die heute zu treffende Entscheidung durch die Frage, ob dieses Gesetz der Zustimmung des Bundesrates bedarf, gar nicht berührt wird. Die Frage wird für uns erst bedeutungsvoll, wenn der Bundesrat gemäß Art. 77 Abs. 2 den Vermittlungsausschuß anruft.
Ich habe Ihnen daher im Namen des Finanzausschusses und mit Bezugnahme auf die Beschlüsse des Rechtsausschusses vorzuschlagen, den Antrag auf Drucksache Nr. 2032 anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Redezeit insgesamt auf 90 Minuten zu begrenzen. Ich schlage Ihnen vor, daß die Generalaussprache gegen die sonstige Übung schon jetzt bei der zweiten Beratung erfolgt, damit die allgemeinen Gesichtspunkte erledigt sind, ehe man in die Beratung der einzelnen Artikel eintritt.
Der Abgeordnete Dr. Greve hat sich zur Geschäftsordnung gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.
Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie bitten, entgegen der sonstigen Übung heute zu beschließen, von der Beschränkung der Redezeit abzusehen, da es sich um eine sehr wichtige Materie handelt und von den Fraktionen verschiedene Redner im einzelnen zu den Generalien dieses Gesetzentwurfs Stellung nehmen möchten. Ich glaube, es dient der Sache, wenn in diesem Falle eine Beschränkung der Redezeit nicht erfolgt.
Der Antrag ist gestellt. Spricht jemand dagegen?
— Sie sind gegen die Aufhebung der Beschränkung der Redezeit. Ich muß abstimmen lassen, zunächst über die Ausnahme von der Geschäftsordnung, die Beschränkung der Redezeit. Wer für die Beschränkung der Gesamtaussprache auf 90 Minuten ist, den bitte ich., die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit. Damit ist die Redezeit insgesamt auf 90 Minuten begrenzt.
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Laforet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für den Kreis meiner näheren politischen Freunde habe ich kurz folgendes auszuführen, was vom Standpunkt der Mehrheit in den Ausschüssen abweicht.
Man hat das hier in Frage stehende Gesetz als Vorschaltegesetz bezeichnet. Es bestimmt, daß, soweit Eigentum und sonstige Vermögensrechte, die dem Deutschen Reich zustanden, auf Grund gesetzlicher Bestimmung einem Land übertragen oder der Verwaltung eines Landes übergeben worden sind, die Eigentumsübertragung als nicht erfolgt und die Verwaltungsbefugnis als beendet gilt, wie dies der verehrte Herr Referent näher ausgeführt hat. In § 6 des Entwurfs in der Fassung des Ausschusses wird die Verwaltung des Vermögens den dort bezeichne ten Bundesbehörden übertragen.
Das Grundgesetz hat über die Rechtsverhältnisse des Vermögens des Reiches in Art. 134 Vorschriften erlassen. Ihre rechtliche Natur ist umstritten. Die Eile des Abschlusses in den Arbeiten des Parlamentarischen Rates hat, wie der Herr Referent dargelegt hat, manche Unklarheit gebracht. Aber für ,die Auslegung eines Gesetzes sind doch zunächst die Gesetzgebungsmaterialien heranzuziehen, die jetzt erst nach und nach allgemein zugänglich werden. Sie geben keine völlige Klarheit. Wenn Sie den Bericht des Referenten des Parlamentarischen Rates über den Abschnitt der Schluß- und Übergangsbestimmungen zugrunde legen, so trat nach dem Militärregierungsgesetz Nr. 19 Anfang Mai 1949 bei der endgültigen Fassung des Art. 134 klar die Anschauung zutage, daß in den Bestimmungen der drei Absätze des Art. 134, also auch in Abs. 1, wonach das Vermögen des Reiches grundsätzlich Bundesvermögen wird, nur programmatische Rechtsgrundsätze, Direktiven, Richtlinien für den Gesetzgeber gegeben werden sollen, der zum Vollzug des Art. 134 mit Zustimmung des Bundesrates ein Bundesgesetz erläßt. Aber auch wenn man die Sätze in Abs. 1 bis Abs. 3 des Art. 134 nicht nur als Programmsätze und Richtlinien, sondern als Rechtssätze ansieht, sind die drei Absätze ein zusammenhängendes Ganzes. Sie werden durch den zusammenfassenden Abs. 4 verbunden, wonach die Auseinandersetzung durch ein Bundesgesetz erfolgen muß, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Der Art. 134 Abs. 1 gibt den Obersatz, daß das ehemalige Reichsvermögen grundsätzlich Bundesvermögen, also Vermögen der gleichen Rechtspersönlichkeit, wie sie das Reich darstellt, bleibt, soweit nicht die Ausnahmen nach Abs. 2 und 3 eingreifen. Und es handelt sich um eine Auseinandersetzung, die nicht nur die Aktiva, sondern auch die Passiva, die Schulden und Aufwendungen, in Betracht ziehen muß, die von den Ländern in der Zeit ihres Eigentums oder ihrer Verwaltung für dieses Vermögen gemacht worden sind. Die Länder haben ja den Wiederaufbau zum Teil unter Überwindung größter Schwierigkeiten vorgenommen. Diese Auseinandersetzung ist dem Bundesgesetz zugewiesen. Auch dieses Vorschaltegesetz ist eine vorausgeschickte Teilregelung dieser Auseinandersetzung; sie will die Auseinandersetzung einseitig zugunsten des Bundes und zu Lasten der Länder vollziehen, die man bei allen ihren berechtigten Ansprüchen auf die Bittstellung gegenüber dem Bund zurückdrängen will.
Der Art. 134 Abs. 1, der mit Recht den Vorrang des Bundes aufstellt, ist kein selbständiger Programmsatz oder Rechtssatz; er ist an die Ausnahmen in Abs. 2 und 3 gebunden, und die gesamte Durchführung — der Regel und ihrer Ausnahmen — stellt die Auseinandersetzung dar, die von der Zustimmung des Bundesrats abhängig ist.
Der Rechtsausschuß des Bundesrats hatte also völlig recht, wenn er nach den Darlegungen seines Herrn Vorsitzenden, Minister Dr. Katz, am 12. August 1950 betont hat, daß auch derartige Zwischen- und Vorgesetze zur Regelung des Reichseigentums an die Zustimmung des Bundesrats gebunden sind. Die Länder haben den Gesetzentwurf am 12. August 1950 einmütig abgelehnt und erklärt, daß die Zustimmung des Bundesrats nicht in Aussicht gestellt werden könne, und der Bundesrat hat der Bundesregierung vorgeschlagen, den Gesetzentwurf zurückzuziehen. Das ist nicht geschehen.
Es entspricht nach meiner Überzeugung und der meiner näheren Freunde dem Willen und dem Wortlaut des Gesetzes, daß eine Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern zu erfolgen hat. Es wäre möglich, daß auch Teilregelungen in diesem schwierigen Gegenstand erfolgen; aber eine solche ganz einseitig nur zugunsten des Bundes wirkende Teilregelung ist mit dem Grundgedanken der gütlichen Auseinandersetzung, wie sie das Grundgesetz in Art. 134 vorsieht, unvereinbar. Meine näheren politischen Freunde können deshalb diesem Gesetzentwurf ihre Zustimmung nicht geben.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Etzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich um die beiden Grundfragen: Soll angenommen werden, daß nach Abs. 1 des Art. 134 das Vermögen des ehemaligen Reiches von Gesetzes wegen, und zwar auf Grund unmittelbarer Wirkung des Grundgesetzes, auf den Bund übergegangen ist und daß der in Abs. 4 vorgesehenen Bundesgesetzgebung, die eine Zustimmungsgesetzgebung darstellt, nur noch die Regelung der Einzelfragen gemäß Abs. 2 und 3 vorbehalten bleiben soll? Um diese Fragen geht es.
Es mag nicht leicht sein, vor dem großen Kreise des Plenums eine eindringende und subtile verfassungsrechtliche Darlegung über die Art. 134 und 135 zu machen. Ich will mich also in meinen Ausführungen über diese Rechtsfragen sehr kurz fassen.
Der Herr Kollege Dr. Höpker-Aschoff hat schon am 24. Januar bei der Begründung einer Interpellation seiner Fraktion den Versuch einer juristischen Interpretation des Art. 134 gemacht. Inzwischen haben sich auch der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen und der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht mit dieser Rechtsmaterie eingehendst befaßt und den Rechtsstoff durchleuchtet. Der Herr Kollege Dr. Laforet hat soeben in einer nach meiner Auffassung überzeugenden Weise die Beweisgründe für die auch von meiner Fraktion nachdrücklichst vertretene Ansicht angeführt, daß der Abs. 1 des Art. 134 nicht den mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes erfolgten gesetzlichen Übergang des ehemaligen Reichsvermögens auf den Bund verfügt, sondern nur den Charakter einer Richtlinie, einer Direktive oder Anweisung an den Bundesgesetzgeber für die nach Abs. 4 zu treffende Regelung und Auseinandersetzung bedeutet. Dies ergibt sich in Abs. 1 schon aus dem Zusatz „grundsätzlich", der völlig unverständlich und sinnlos wäre, wenn der Übergang auf den Bund von Grundgesetzes wegen erfolgt wäre. Zwingend folgt das aber aus dem Abs. 3, in dem der Begriff „wird" an Stelle von „ist" in dem gleichen Sinne wie in Abs. 1 gebraucht ist; er kann, wie aus der Einschränkung „soweit es nicht der Bund für eigene Verwaltungsaufgaben benötigt" unzweifelhaft hervorgeht, nur die Bedeutung haben, daß der künftige Übergang oder die künftige Übertragung durch ein Bundesgesetz, und zwar ein Zustimmungsgesetz, geregelt werden muß. Die vergleichende Heranziehung des Art. 135 führt zu dem gleichen Ergebnis. Auch die Beratungsgeschichte des Parlamentarischen Rats bestätigt nach unserer Ansicht diese Auffassung im vollen Umfang. Wäre die Ansicht richtig, welche davon ausgeht, daß der Übergang durch Gesetz,
I nämlich durch den Abs. 1 des Art. 134 schon geschehen sei, so wäre nicht einzusehen, warum es erst noch des vorliegenden sogenannten Vorschaltegesetzes, vor allem. seines § 1 bedürfte. Die Frage der Identität des Bundes und des vormaligen Reiches, also die Streitfrage über den Fortbestand des früheren Reiches, ob es auch vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes noch existierte oder nicht, ob es durch sogenannte Debellation untergegangen sei — letztere Auffassung vertreten wir —, diese Frage ist hier nicht entscheidend heranzuziehen.
Abgesehen von diesen rein verfassungsrechtlichen Erwägungen sprechen auch politische und wirtschaftliche Gründe dafür, daß der Bund hier nicht eine kategorische, brüske, einseitige Regelung trifft und über die Rechte, die sich die Länder durch ihre bisherige Verwaltung erworben haben, einfach hinweggeht. Die Länder haben in einer Zeit, die man als chaotisch bezeichnen muß, in der niemand wußte, was Rechtens war, diesen Besitz weitgehend übertragen erhalten.
Sie haben diesen Besitz verwaltet, entwickelt und große Investitionen gemacht. Eine ganze Reihe von Ländern war beispielsweise nur mit Hilfe der ehemaligen Wehrmachtländereien in der Lage, einen nicht geringen Teil der ihnen zufallenden Aufgaben bei der Bewältigung des Flüchtlingsproblems durchzuführen.
Das ist wesentlich; und diese Länder haben hier in einer sehr schweren Zeit für den Bund eine Vorleistung vollbracht, auf der er aufbauen konnte. Es ist unmöglich, nun sozusagen mit einem Federstrich durch die verwickelten Rechtsverhältnisse, die inzwischen geschaffen worden sind — denn es haben doch in großem Maßstabe Ansiedlungen, Rechtsverfügungen, Eigentumsübertragungen stattgefunden —, ich sage: durch diese komplizierten Rechtsverhältnisse hindurchzufahren. Ich glaube, daß in einer Zeit, in der die Dekonzentration des Besitzes, der Macht, die Entflechtung im politischen und wirtschaftlichen Bereich das Gebot ist, nicht eine neue Machtkonzentration, eine neue Besitz- und Verwaltungsanhäufung erfolgen darf, wie sie hier durch das vorliegende Gesetz geschaffen würde. Ich glaube, daß mit behutsamer Hand vorgegangen werden muß und daß der Bund gut daran tut, mit weiser Mäßigung zu verfahren.
Der Bund sollte auch aus politisch-psychologischen Gründen nicht einen Verfassungskonflikt hervorrufen und die Länder in einer allzu direkten Weise vor den Kopf stoßen. Er müßte ein Interesse daran haben, daß das Verhältnis zwischen Bund und Ländern nicht in unheilvoller Weise beeinflußt und verschlechtert wird.
Ich möchte wünschen, daß das Plenum des Bundestages, im Gegensatz zu Mehrheitsauffassungen, die in den beteiligten Ausschüssen zutage getreten sind soviel staatsmännische Weisheit und politische Einsicht besitzt,
daß es diesem Gesetz seine Zustimmung niemals erteilt.
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst feststellen: Ich habe fast den Eindruck, daß der Sinn und der Zweck des Gesetzentwurfes völlig verkannt wird. Es wird über den Gesetzentwurf gesprochen, als ob er ein Gesetzentwurf über die Auseinandersetzung, über die Eigentumsübertragung oder -feststellung sei.
Dieser Gesetzentwurf regelt zunächst die Verwaltung, und zwar aus einem sehr dringenden Grunde. Meine Damen und Herren, man kann über das staatsrechtliche Verhältnis in Deutschland denken wie man will,
man braucht hier nicht darüber zu streiten.
- Es ist eine rhetorische Voraussetzung; das
heißt nur: diese staatsrechtliche Frage spielt jetzt gar keine Rolle.
— Diese staatsrechtliche Frage spielt bei dem Gesetzentwurf keine Rolle, Herr Kollege Carlo Schmid! — Es ist ganz gleichgültig, ob der Art. 134 Abs. 1 das Eigentum bereits mit dem Tage des Inkrafttretens der Verfassung auf den Bund überträgt oder ob das Eigentum erst mit dem Tage des Inkrafttretens des Ausführungsgesetzes nach Abs. 4 übergehen soll. Das eine kann niemand bestreiten: daß durch den Art. 134 des Grundgesetzes dem Bund z um i n d e s t die erste Anwartschaft auf das Eigentum an diesem Vermögen gegeben ist, und wer die Verwaltung dieses Vermögens, auf das der Bund die erste Anwartschaft besitzt, aus irgendwelchen Gründen zur Zeit innehat, muß diese erste Anwartschaft des Bundes respektieren. Es ist ein Verstoß gegen die Treuhänderpflicht, wenn der Treuhänder die Zwischenzeit benutzt, um über das Eigentum, auf das dem Bund die erste Anwartschaft zusteht, endgültig zu verfügen.
Die ganzen Verhältnisse und die ganzen Meinungsverschiedenheiten sind dadurch entstanden, daß die Länder das endgültige Verfügungs- und Veräußerungsrecht für dieses Vermögen in Anspruch genommen haben.
Dem Bundesministerium der Finanzen wurde im Sommer 1950 von einem Lande, als das Bundesministerium der Finanzen durch die Presse erfahren hatte, daß dieses Land über einen großen Vermögenskomplex verfügt hat,
auf Anfrage hin, unter welchen Umständen und aus welchen Gründen und ob die Veräußerung für dauernd erfolgt sei, zur Antwort gegeben, daß der Bund überhaupt kein Recht habe, nach der Veräußerung und nach der Verwaltung dieses Vermögens zu fragen.
Erst vor wenigen Tagen hat ein Land dem Bund
mitgeteilt, daß es in bezug auf Betriebe, die hundertprozentig früheres Reichseigentum gewesen
sind, für völlig verfügungsberechtigt halte und Vermögen dieser Betriebe veräußern wolle.
Das Bundesministerium der Finanzen hat mit großer Geduld mehr als 12 Monate lang mit den Ländern über den Abschluß einer Verwaltungsvereinbarung verhandelt. Diese Verhandlungen haben sich — nicht mit großen Gesichtspunkten, sondern mehr mit kleinen, ich möchte fast sagen: manchmal kleinlichen Gesichtspunkten — so hingeschleppt, daß es nicht mehr möglich gewesen ist, das Ende der Verhandlungen über die Verwaltungsvereinbarung abzuwarten. Es mußte infolgedessen ein neuer Weg gesucht werden, und nachdem die Verwaltungsvereinbarung nicht möglich war, während es für den Bund unmöglich ist, zuzusehen, wenn über Vermögen, für das dem Bund zumindest die erste Anwartschaft als Eigentümer zusteht, von dem Treuhänder bzw. dem Verwalter ohne Wissen des Bundes verfügt wird und verfügt werden soll, mußte eine Lösung gefunden werden. Diese Lösung ist der Gesetzentwurf, der sich ja nur auf die Frage der Verwaltung bezieht
und dem Bund nur das Recht gibt, Weisungen bezüglich der Verwaltung auszusprechen. Das ist der entscheidende Gesichtspunkt, und ich möchte bitten, dem Rechnung zu tragen.
Ich möchte noch um etwas anderes bitten. Wenn man über das Eigentum spricht und wenn man sagt, der Bund sei nicht Eigentümer, dann muß ich fragen: Wer ist denn sonst Eigentümer?
Wollen wir denn in Deutschland nach den Zonen gehen? Wollen wir denn in Deutschland unsere Meinungsverschiedenheiten entscheiden, indem sich Deutsche gegen Deutsche auf Militärregierungsgesetze berufen?
Ich möchte hier die Frage des Eigentums und die Frage der Verwaltung nicht nach Militärregierungsgesetzen beurteilen und betrachtet wissen,
zumal ich feststellen muß, daß Militärregierungsgesetze etwas Vorübergehendes sind, und ich hoffe, daß der Tage nur mehr wenige sind, an denen die Militärregierungsverordnungen Nr. 19 für die amerikanische Zone, Nr. 217 für die französische Zone und Nr. 202 für die britische Zone noch bestehen werden. Wir müssen doch alle wünschen, daß diese Militärregierungsregelung möglichst bald verschwindet, und müssen einen Gesetzentwurf unter dem Gesichtspunkt aufbauen, daß diese Militärregierungsgesetze nicht bestehen. Wenn und solange noch Streit über das Eigentum besteht, dann ist das erste und dringendste, wenigstens einmal die Verwaltung zu regeln, bis im Wege des Gesetzes das Eigentum reguliert werden kann.
— Oder die Ausscheidung des Eigentums; denn das Grundgesetz sieht vor, daß das, was in der Verwaltung der Länder steht, den Ländern übertragen werden soll und das, was in der Verwaltung des
Bundes steht, sowie die Beteiligungen grundsätzlich dem Bund übertragen werden sollen. Das muß durch Bundesgesetz geregelt werden, und bis dieses Gesetz in Kraft ist, muß die Frage der Verwaltung ihre Regelung finden. Diese Verwaltung zu regeln, ist der Zweck dieses Gesetzes.
Ich muß wirklich gestehen: die Vorschläge, die
die Bundesregierung den Ländern auch bezüglich
der endgültigen Eigentumsregelung gemacht hat,
sind meiner Überzeugung nach sehr entgegenkommend gewesen, und ich weiß, daß viele Länder
über das Entgegenkommen, zu dem die Bundesregierung bereit war, sehr erfreut und vielleicht
sogar überrascht gewesen sind. Gerade deshalb
hätte ich gewünscht, daß wir uns über eine Frage
wie diese, wie die Verwaltung in der Zwischenzeit — bis zur Ausscheidung des Eigentums —
unter Deutschen und nach deutschen Gesetzen zu
regeln ist, ohne Streit und in Frieden einigen
können. Ich bitte den Bundestag, den Gesetzentwurf in dem Sinn der Einigung anzunehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Greve.
Meine Damen und Herren! Ich kann auf einen Teil meiner Ausführungen verzichten, weil der Herr Bundesfinanzminister den Herren Kollegen Dr. Laforet und Dr. Etzel eine bessere Antwort auf ihre Ausführungen erteilt hat, als ich es überhaupt je hätte tun können.
Es handelt sich hier meines Erachtens richtigerweise überhaupt nicht darum, ob Art. 134 Abs. 1 unmittelbar geltendes Recht oder nur Programmsatz ist. Ich bin aber trotzdem gehalten, zu einigen Ausführungen, insbesondere des Herrn Kollegen Dr. Laforet, Stellung zu nehmen, weil sie auf die Entwicklungsgeschichte des Art. 134 des Grundgesetzes zurückgehen.
Es ist meines Erachtens im Grunde genommen müßig, zu versuchen, aus diesem oder jenem Wort des Art. 134 Abs. 1 zu beweisen, daß diese Bestimmung unmittelbar geltendes Recht oder nur ein Programmsatz sei. Entscheidend ist vielmehr, daß den gesamten Arbeiten des Parlamentarischen Rates die sogenannte Identitätstheorie zugrunde lag. Es sollte, wie die damaligen Abgeordneten des Parlamentarischen Rates Schmid, Süsterhenn und Seebohm eindeutig erklärt haben, kein neuer Staat geschaffen, sondern das Reich lediglich neu organisiert werden. Diese Identitätstheorie lag auch den Spezialberatungen zu Art. 134 zugrunde, Herr Kollege Dr. Laforet. Der Abgeordnete Dr. Schmid hat in der Sitzung des Hauptausschusses vom 10. Februar 1949 erklärt:
Die Sache ist klar: es gilt das Recht der Universalsukzession. Die Juristen wissen, was das heißt; es ist gar nichts Geheimnisvolles, es bedeutet, daß alle Forderungen und alle Schulden übergehen, gerade wie alle vertraglichen Verpflichtungen und alle vertraglichen Rechte.
Das ist ganz eindeutig und ganz klar.
Wenn aber die Rechtspersönlichkeit Deutsches Reich sich in der Bundesrepublik fortsetzt, wenn also beides nur Bezeichnungen für ein und dieselbe Rechtspersönlichkeit sind, dann muß zwangsläufig — und das hat der Herr Bundesfinanzminister eben ja auch zum Ausdruck gebracht — das ehemalige Reichsvermögen Bundesvermögen geworden sein,
gleichgültig, wie man immer die Bestimmungen über das Reichsvermögen im Grundgesetz gefaßt haben mag. Dem Grundgesetzgeber zu unterstellen, daß er für die Überleitung des Reichsvermögens auf den Bund einen besonderen Gesetzgebungsakt für erforderlich gehalten habe, würde juristisch bedeuten, daß der Grundgesetzgeber das Reichsvermögen mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes herrenlos machen wollte — denn der bisherige Rechtsträger setzte sich ja im Bund als ein und dieselbe Rechtspersönlichkeit fort —, und das kann auch nach Ihrer Auffassung, Herr Kollege Laforet, nicht der Wille desjenigen gewesen sein, der das Grundgesetz geschaffen hat, nämlich des Parlamentarischen Rates.
Ich darf nur kurz noch zu dem Versuch einer Wortinterpretation des Art. 134 Abs. 1 des Grundgesetzes Stellung nehmen. Die Vertreter der Programmsatztheorie berufen sich meist entscheidend auf den Art. 134 Abs. 4, und das haben Sie auch getan, Herr Kollege Laforet. Dieser Absatz bezieht sich nicht nur auf Abs. 2 und 3, sondern auch auf Abs. 1 des Art. 134 des Grundgesetzes. Demgegenüber muß dann aber darauf hingewiesen werden, daß der Art. 134 Abs. 4, so wie er jetzt Gesetz ist, auch in den Fassungen enthalten war, in denen Abs. 1 lautete: „Das Reichsvermögen ist Bundesvermögen". Ich kann mich in diesem Zusammenhang auf das beziehen, was der Herr Kollege Dr. Höpker-Aschoff als Berichterstatter heute dem Plenum vorgetragen hat. Art. 134 Abs. 1 lautete während der Beratungen — wie schon angedeutet —mehrfach: Das Reichsvermögen ist Bundesvermögen. Die Vertreter der Programmsatztheorie, zu der Sie ja auch gehören, Herr Kollege Dr. Laforet, erkennen zwar an, daß bei einer solchen Formulierung über die unmittelbare Wirkung des Art. 134 Abs. 1 kein Zweifel bestehen könnte; sie glauben aber, daß die Formulierung „Das Reichsvermögen wird grundsätzlich Bundesvermögen" eindeutig für die Programmsatztheorie spricht. Hierbei stützen sie sich neuerdings vor allen Dingen auf den Bericht des Herrn Kollegen Dr. von Brentano zu Art. 134. Insoweit möchte ich mich auch auf die zutreffenden Ausführungen des Herrn Berichterstatters beziehen.
Herr Dr. Höpker-Aschoff hatte bereits im Januar 1949 beantragt, den ersten Satz des Art. 134 wie folgt zu formulieren:
Das Reichsvermögen wird grundsätzlich Bundesvermögen.
Er hat damals ausdrücklich erklärt, daß eine materielle Änderung gegenüber der bisherigen Fassung „ist Bundesvermögen" nicht beabsichtigt sei.
Die Herren Abgeordneten Dr. Lehr und Dr. Katz haben die Vorschläge des Abgeordneten Dr. HöpkerAschoff ausdrücklich als Verbesserungen bzw. redaktionelle Änderungen bezeichnet.
Der Sachverständige Ministerialdirektor Dr. Ringelmann aus dem bayerischen Finanzministerium hat zu dem Vorschlag des Herrn Kollegen Dr. Höpker-Aschoff u. a. folgendes erklärt:
Herr Minister Dr. Höpker-Aschoff hat beantragt, daß der Zusatz: „Gesetzliche oder vertragliche Heimfallrechte bleiben unberührt" als entbehrlich gestrichen wird. Ich habe Zweifel, ob auf Grund der absoluten Bestimmung, daß das Vermögen des Reiches Bundesvermögen
wird und daß die mit diesem Vermögen in rechtlichem oder wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten und Lasten auf den Bund übergehen, diese Heimfallrechte als Lasten angesehen werden können. Das erscheint mir nach verschiedenen Richtungen zweifelhaft.
Und dann weiter in den Ausführungen des Ministerialdirektors Dr. Ringelmann:
Jetzt könnte die Meinung entstehen, daß mit der Fassung, daß dieses Vermögen auf den Bund übergeht, über diese Heimfallrechte, diese Rückgabeansprüche ohne weiteres der Stab gebrochen ist. Die Länder könnten unter diesen Umständen gezwungen werden, vor dem Bundesverfassungsgericht Recht zu nehmen, und es könnte sich hieraus eine große Anzahl von Streitigkeiten ergeben. Aus diesem Grunde würde ich bitten, selbst wenn die Bestimmung, wie Herr Minister Dr. HöpkerAschoff meint, überflüssig ist, sie doch aufzunehmen. In diesem Falle würde das Superfluum jedenfalls nichts schaden.
So Herr Ministerialdirektor Dr. Ringelmann aus dem Bayerischen Finanzministerium.
Herr Kollege Dr. Laforet, gerade diese Erklärungen von Herrn Ministerialdirektor Dr. Ringelmann zeigen, daß auch er die Fassung von Herrn Kollegen Dr. Höpker-Aschoff: „Das Reichsvermögen wird grundsätzlich Bundesvermögen" dahin verstand, daß damit ein unmittelbar geltender Rechtssatz geschaffen würde. Es ist meines Erachtens völlig unerheblich, was aus diesem Vorschlag von Herrn Kollegen Dr. Höpker-Aschoff im Laufe der Beratungen geworden ist, entscheidend ist meines Erachtens nur, daß er im Mai 1949 eine Fassung wiederum wörtlich aufgriff, die er bereits vorher einmal gebracht hatte und von der sowohl er als auch alle andereh Beteiligten bei der ersten Erörterung der Fassung davon ausgegangen sind, daß sie einen unmittelbar geltenden Rechtssatz wiedergibt.
Es ist auch durchaus verständlich, weshalb nach dem Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 19 Herr Dr. Höpker-Aschoff wieder auf seine alte Fassung zurückkam, und er selbst hat es ja andeutungsweise in seinem Bericht auch schon gesagt. Es galt damals nämlich, eine Fassung zu finden, die zum Ausdruck brachte, daß auch das durch das Gesetz Nr. 19 inzwischen auf die Länder übergegangene Reichseigentum mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes Bundesvermögen wird. Es bestand offenbar die Ansicht, daß dieser Wille mit der Fassung: .,Das Reichsvermögen ist Bundesvermögen" nicht hinreichend zum Ausdruck gekommen ist.
Das ist das, was ich Ihnen als Antwort auf Ihre Ausführungen zu sagen habe, Herr Kollege Dr. Laforet. Im übrigen halte ich die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers für so durchschlagend, daß ich bitten möchte, dem Gesetzentwurf, wie der Ausschuß es Ihnen vorschlägt, die Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmid.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um die Bundesrepublik in den Stand zu setzen, das ehemalige Reichsvermögen in die Hand zu nehmen, wäre nicht ein
einziger Artikel im Grundgesetz notwendig gewesen.
Dieser Artikel 134 war notwendig — und er schien nützlich zu sein —, weil man erstens über das Schicksal des preußischen Staatsvermögens im Grundgesetz etwas bestimmen mußte und weil man zweitens im Grundgesetz bestimmen wollte, daß den Ländern ein Teil des früheren Reichsvermögens zu Eigentum übertragen werden sollte. Aus diesem Grunde ist der Art. 134 notwendig gewesen und ist er nützlich.
Wenn man der Meinung ist, irgendein Artikel im Grundgesetz sei notwendig gewesen, um zu bestimmen, daß Reichseigentum Bundeseigentum wird, dann muß man eine von zwei Prämissen akzeptieren. Entweder muß man dann davon ausgehen, daß 1945 das Deutsche Reich zerbrochen ist, daß es verschwunden ist, daß sich auf seinem Gebiet neue Staaten gebildet haben und daß diese Staaten — kraft Standrechts, möchte ich sagen — das alte Reichsvermögen okkupieren konnten. Ich glaube nicht, daß jemand in diesem Saale anwesend ist, der sich zu einer solchen Prämisse bekennen würde.
Die zweite Prämisse, von der man sonst ausgehen müßte, wäre die, daß man annimmt, ein Befugter habe Reichsvermögen den Ländern übertragen, und diese Länder seien damit Eigentümer geworden und der deutsche Staat in seiner heutigen Form „Bundesrepublik" habe es damit verloren; er müsse es sich also kraft seiner Gesetzgebungsgewalt wieder zu Eigentum zurückübertragen. Das ist die zweite Prämisse, von der man ausgehen müßte.
Wenn man von ihr ausgehen will, dann muß man sich auf bestimmte Rechtshandlungen stützen können und muß sich gefallen lassen, daß diese behaupteten Rechtshandlungen auf ihre Gültigkeit hin untersucht werden. Eine staatsrechtliche Legitimation für irgend jemanden, eine solche Übertragung vorzunehmen, ist nirgends zu finden, weder in der alten Verfassung noch in der Zwischenverfassung des Dritten Reiches noch etwa in dem, was nach 1945 in Deutschland bis zum Inkrafttreten des Grundgesetzes geschehen ist. Die einzige „Rechtshandlung", auf die man sich stützen könnte, wären Akte der Besatzungsmacht. Da gibt es das amerikanische Zonengesetz, das britische und das französische Zonengesetz. Diese drei Gesetze sind recht verschieden. In der britischen Zone ist man ohne jede Frage am korrektesten nach dem geltenden Völkerrecht, nämlich nach der Haager Landkriegsordnung, verfahren. Dort hat der Okkupant nicht mehr an Dritte — an die Länder — übertragen, als was ihm das Völkerrecht selbst gab. Das Völkerrecht gibt dem Okkupanten nur die Rechte des Nießbrauchs und des Verwaltens und nicht mehr; und: nemo plus iuris transferre potest quarr ipse habet!
Die Amerikaner sind in der Textierung ihrer Verordnung nicht so vorsichtig gewesen; aber sie haben ganz offensichtlich dasselbe gemeint. Sie haben ganz offensichtlich nicht mehr übertragen wollen, als was sie nach Völkerrecht übertragen durften. Die Franzosen haben es anders gehalten. Sie wollten ausgesprochenermaßen mehr; sie wollten im Zuge der Politik, die sie damals für vernünftig hielten, den Ländern das Bundeseigentum übergeben, zu echtem Eigentum, damit es kein Reichseigentum mehr gäbe und so die Erinnerung an die Einheit Deutschlands nicht immer neu geweckt werde. Das geschah im Zuge der „föderalistischen" Außenpolitik der Franzosen von damals. Vielleicht ist ihre Deutschlandpolitik heute anders. Ich hoffe es; aber damals war sie s o. Das ging so weit, daß man den Ländern der französischen Zone — jedenfalls zweien davon — es geradezu aufzwingen wollte, das Eisenbahnvermögen zu übernehmen, und daß man die drei Länder der Zone veranlaßte, mit diesem ihnen nun „geschenkten" Reichseigentum eine besondere Eisenbahngesellschaft zu gründen. Wir in WürttembergHohenzollern und in Rheinland-Pfalz haben uns geweigert, das zu akzeptieren. Wir haben erklärtermaßen nur als Treuhänder und unter Vorbehalt der Rechte einer künftigen Deutschen Republik, die es damals noch gar nicht gab, unterzeichnet. Leider hat die badische Regierung sich geweigert, diesen Vorbehalt mit abzugeben.
Es tut mir leid, das feststellen zu müssen; aber es war so. Herr Abgeordneter Hilbert, es tut mir leid, daß es so war, auch um Sie!
— Ja, es tut mir leid auch um Sie. Es wäre mir
lieber gewesen, Ihr Staatspräsident hätte sich
damals uns, den beiden anderen Regierungschefs,
angeschlossen. Aber er meinte, er würde, wenn er
den Vorbehalt mit unterschriebe, die Rechte des
badischen Volkes kränken. — Nun, das ist vorbei,
und solche Sachen bleiben ein für allemal vorbei.
Verfügungen, die so gemeint gewesen sein sollten, daß Reichseigentum von der Besatzungsmacht an Länder zu Eigentum übertragen wird, sind völkerrechtswidrig. Keine Besatzungsmacht hat ein solches Recht, und es konnte darum durch diese drei Gesetze kein Eigentumstitel geschaffen werden. Alles, was an Rechten übergehen konnte, waren Verwaltungs- und Nießbrauchrechte und sonst nichts! Der Bund hat es nicht nötig, durch irgendein Gesetz zu bestimmen: Das und das, was einmal „Reichsvermögen" war, wird jetzt „Bundesvermögen", sondern das, was „Reichsvermögen" war, i s t „Bundesvermögen", ob der Art. 134 im Grundgesetz steht oder nicht.
Was durch Gesetz geregelt werden muß, sind ausschließlich die Modalitäten des Übergangs der Verwaltung aus der einen Hand in die andere.
Mit anderen Worten: Dieses Gesetz hat nicht konstitutiven Charakter, sondern ausschließlich ordnenden Charakter. Es ist ein Gesetz, durch das eine Organisation wird aufgestellt werden müssen, durch das gewisse Stellen bestimmt werden müssen, die befugt sind, diese oder jene Abrechnung oder faktische Leistung vorzunehmen, aber nicht mehr.
Und dann wird ein Gesetz nötig sein, das das ehemalige Reichsvermögen, das mit guten Gründen nunmehr an die Länder gegeben werden soll, diesen überträgt, weil die Länder jetzt Verwaltungsaufgaben zu erfüllen haben, die früher das Reich mit diesen Gütern erfüllte. Wenn das geschehen wird, dann wird man ein Gesetz erlassen müssen, das die Länder zu Eigentümern macht. — So steht die Sache!
Meine Damen und Herren, das Problem ist ernst. Wenn wir in dieser Sache — aus Bequemlichkeit oder weil es für diesen oder jenen Länderfiskus profitabel sein könnte — eine Maßnahme gutheißen, von der man einmal Rückschlüsse auf eine falsche Grundauffassung über den juristischen Sta-
tus Deutschlands ziehen könnte, dann könnte es sein, daß uns unsere Reden einmal von einer Seite präsentiert werden, mit der wir dann nicht hier, in diesem Hause, werden diskutieren können!
Und deswegen, meine Damen und Herren, bitte
ich zu entschuldigen, daß ich diese juristischen Ausführungen gemacht habe. Ich glaube, es war notwendig, daß das getan wurde, und ich glaube, es
ist notwendig, daß wir uns immer wieder auf diese
Grundlage der juristischen und politischen Existenz
der Bundesrepublik besinnen. Wenn ich mir vorhin erlaubt habe, dem Herrn Bundesfinanzminister
einen Zwischenruf zu machen, als er sagte, es sei
gleichgültig, wie man darüber denke, so war das
so gemeint: Wir sollten das nicht als eine gleichgültige Angelegenheit ansehen, als einen Sport
beflissener Juristen, ob man so oder so denkt,
sondern wir sollten eh und je wissen, daß, wenn
wir falsch in diesem Ansetzen der Gleichung unserer Existenz denken, alles, was wir damit einmal
sollten errechnen wollen, nicht mehr stimmen kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Pelster.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich in den Streit bzw. in die juristischen Auseinandersetzungen nicht mehr hineinbegeben. Ich glaube, das ist zur Genüge geschehen. Die Ausführungen, die von seiten des Herrn Dr. Etzel dahingehend gemacht wurden, daß das ehemalige Reichsvermögen jetzt Ländereigentum sei, können nicht überzeugen. Es muß doch bestritten werden, daß aus den chaotischen Zuständen der damaligen Zeit heute Eigentumsrechte abgeleitet werden können. Wer das mitgemacht hat — und ich glaube, es sind sehr viele Damen und Herren hier im Hause, die das mitgemacht haben —, der kann sich noch vorstellen, wie das Volk selbst in den einzelnen Orten, in denen sich Reichseigentum befand, sich nach dem Rezept, wie es dort vorgetragen wurde, dieses Reichseigentum angeeignet hat, und wie man ganze Flugplätze ausgeraubt hat,
Das war ja nicht mehr zu verantworten. Ich glaube, es kann auch nicht damit begründet werden, daß man sagt, wir leben in einer Zeit der Entflechtung, der Entmachtung großer Verwaltungen usw., und wir müssen deshalb auch eine Entmachtung des Bundesvermögens vornehmen und müssen es weithin streuen.
So weit kann es meines Erachtens nicht gehen. Es ist ein gesundes Empfinden, wenn ausgesprochen wird, daß ehemalige Reichseigentum wird Bundeseigentum. Es mußte meines Erachtens in dem Augenblick Bundeseigentum werden, wo der Bund entstand. Vorher konnte es — da stimme ich den Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers bei — nur Verwaltung, konnte es nur Treuhänderschaft sein. Es war unser aller Pflicht, da, wo sich Eigentum des Bundes oder der Länder befand, es in treuhänderische Verwaltung zu nehmen. Das haben auch die Städte teilweise getan. Die Städte sind ja auch treuhänderisch für die Auszahlung der Gehälter an Eisenbahn- und Postbeamte eingetreten, weil auch da niemand wußte, wo die Reichspost, die Reichsbahn usw. waren. Da mußten
die Städte und Stadtverwaltungen aus ihren I Kassen die Gehälter zahlen, um überhaupt das Leben in Gang zu halten. So war es auch hier gedacht, als die Länder einsprangen. Die Länder waren ja auch nicht etwa im Augenblick des Zusammenbruchs da; sie kamen erst sehr viel später. Vorher waren nur die Städte da, denen man ja zuerst mit einem ernannten Rat gestattete, die Verwaltung wieder aufzunehmen. Dann erst wurde die Entflechtung des großen Landes Preußen vorgenommen, wurden die elf Länder geschaffen, und dann erst traten diese Länder in die Verwaltungsrechte, in die Treuhänderschaft ein. Daß sie es getan haben, das danken wir ihnen! Es war aber auch ihre Pflicht, denn es galt doch, das ganze deutsche Volk aus der Not, aus dem Chaos herauszuholen. Das war das einzige. Daraus dürfen wir meines Erachtens, ob wir nun föderalistisch denken oder ob wir hier das Bundesinteresse vertreten, keinen Streit entstehen lassen. Ich bin auch der Meinung des Bundesfinanzministers, daß das ganze Gesetz lediglich nach der Verwaltungsseite irgendwelche Festlegungen trifft und daß die anderen Fragen dadurch vorläufig nicht berührt werden.
Ich möchte deshalb meine näheren politischen Freunde, wie der Herr Kollege Laforet sagte, und das Haus bitten, dem Gesetz so, wie es im Ausschuß beschlossen worden ist, die Zustimmung zu geben. Ich darf Ihnen als Mitglied des Ausschusses sagen, daß sowohl die rechtlichen als auch die anderen Fragen im Finanz- und auch im Rechtsausschuß außerordentlich eingehend und ernst beraten worden sind. Ich bitte Sie, dem Antrage des Ausschusses Ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Oesterle.
Ich möchte auch meinerseits keine juristischen Ausführungen mehr anknüpfen, aber ich möchte doch im Hinblick darauf, was heute wieder verschiedentlich angeklungen ist, daß die Verwaltung der Länder verschwenderisch war und daß Verfügungen getroffen wurden, die den Interessen des Bundes nicht entsprechen, wie es insbesondere seinerzeit bei der Besprechung der Interpellation der Fall war, einige Ausführungen nach der wirtschaftlichen Seite hin machen.
Meine verehrten Damen und Herren, ich weiß genau, wohin die Pointe des Herrn Bundesfinanzministers und auch die damalige Anspielung des Herrn Kollegen Dr. Höpker-Aschoff zielte. Es betrifft ein Land in der US-Zone — in diesem Falle nicht Bayern —, das vielleicht bezüglich der Verfügung über Reichsvermögen in einer Weise vorgegangen ist, die auch wir nicht gutheißen. Aber man darf die Dinge ja — nicht zur Entschuldigung dieses Landes — doch nicht so betrachten, daß man sie vom heutigen Gesichtspunkt aus ansieht. Meine Damen und Herren, wer in diesen Dingen tätig war, der weiß ganz genau — und der Herr Kollege Dr. Schmid hat vorhin auch darauf abgehoben —, daß, sagen wir einmal, vor drei Jahren ein Sergeant der amerikanischen Besatzungsarmee mehr Recht hatte, als vielleicht wir heute hier haben.
— Wenn man ihn nicht hinausgeworfen hat, — ich kann nur für Bayern sprechen! In diesem Fall gilt es für die Westzonen, daß die Verwaltung dieses ganzen Vermögens erst Ende 1946 in deutsche Hände übergegangen ist, nach den Richtlinien zum Beispiel der US-Zone nach dem Titel 17. Hier in der britischen Zone war es, glaube ich, anders. Wir haben versucht, hier möglichst das deutsche Recht zur Geltung zu bringen; in soundso vielen Fällen ist es an der Haltung der Besatzungsmacht gescheitert. Das wissen wir alle. Wir haben versucht, hier Regelungen hineinzubringen, und ich könnte Ihnen sehr, sehr viele Beispiele nach dieser Richtung anführen. Im einzelnen möchte ich aber erstens einmal das hier auszuführen vermeiden, dann aber doch zweitens darauf hinweisen, daß man die Dinge auch unter dem damaligen Gesichtspunkt hinsichtlich der Verwaltung betrachten muß. Es ist selbstverständlich, es werden immer da oder dort Mißgriffe vorgekommen sein; aber in sehr vielen Dingen haben wir zumindest — ich kann in diesem Fall nur für Bayern sprechen — durch sehr genaue Anweisungen, durch Einbau der Reichshaushaltsordnung, der Reichswirtschaftsbestimmungen usw., durch einen Revisionsverband, den wir intern aufgestellt haben, durch Prüfungen des obersten Rechnungshofes wirklich, soweit es möglich war, versucht, eine Verwaltung so aufzubauen, wie sie der Bund wahrscheinlich auch weiterführen wird.
Ich glaube sogar, daß der Bund, wenn er einmal die Bestimmungen sieht, vielleicht bis zu einem gewissen Grade erfreut darüber sein wird. Der Herr Kollege Höpker-Aschoff hat es auch nicht gerade bei der Behandlung der Interpellation auf Bayern abgestellt; aber ich glaube, er würde auch seinerseits als Sachkenner ersten Ranges vielleicht seine Freude haben, wenn er die Bestimmungen sehen würde.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Zeit ist an sich sehr kurz bemessen. Ich darf mich deshalb bezüglich der Verwaltung auf diese paar Bemerkungen beschränken. Ich möchte aber doch noch bezüglich der Verfügungen, die auch in Bayern getroffen worden sind — das gebe ich ohne weiteres zu —, einige Worte anfügen, auch immer wieder im Hinblick auf die damalige Zeit. Manche der Verfügungen, wenn nicht überhaupt alle, sind absolut zwangsläufig gewesen. Sie galten zunächst einmal — denn damals hatte das Militärregierungsgesetz Nr. 54 noch Bestand — von Haus aus, ohne daß eine deutsche Regierung eingeschaltet war, für ein bestimmtes Vermögen. Insbesondere Wehrmachttruppenübungsplätze usw., die wir ohne weiteres herausgeben mußten und die heute praktisch noch der Landesregierung zur Verfügung stehen, wurden einfach für Siedlungszwecke bestimmt. Hier ist allerdings ein Paragraph der Gesetzesvorlage, der einige Schwierigkeiten bringen wird, aber sicher im Einvernehmen mit dem Bundesfinanzminister gelöst werden kann.
Der zweite Punkt, der zu berücksichtigen war, waren die politischen Verhältnisse. Ich brauche hier bloß ein Schlagwort zu nennen: die zwei Millionen Vertriebener, die zwangsweise in alle möglichen vorhandenen Räume, die zum Teil zerbombt waren und zum Teil irgendwie anders genutzt wurden, hineingepreßt worden sind. Ich darf nur an Kaufbeuren erinnern, wo die Gablonzer Industrie einfach in ein Montanwerk hineingestellt worden ist, und wenn morgen die Montanwerke als Gesellschaft wiederhergestellt werden, wird sie diese Industrie nicht mehr herausbringen können. Genau so trifft es auf andere Gebiete zu. Es mußten manche Verfügungen getroffen werden, um einerseits den Flüchtlingen eine Basis, eine Kreditunterlage zu geben,
andererseits aber auch großindustriellen Unternehmen, bei Siemens-Schuckert zum Beispiel, die wir in St. Georgen und Traunstein angesiedelt haben.
— Ganz bestimmt, ohne Zweifel! Ich will dies nur zur Rechtfertigung der bisherigen Verwaltung sagen. Wenn ich Ihnen sage, daß von den rund zwei Milliarden Vermögen, wie es geschätzt wird — bayerisches Vermögen, also ehemaliges Reichsvermögen —, zusammen bis zum Ende des vorigen Jahres zwar 191 Kaufverträge abgeschlossen worden sind, so betrifft das aber nur eine Summe von rund sechs Millionen DM. Das sind alles Dinge, die der Bund, wenn er das Vermögen übernommen hätte, genau so hätte machen müssen. Darüber besteht, glaube ich, kaum ein Zweifel, wenn man die Dinge genau anschaut.
Ich darf auf eins zurückkommen. Es wurde auch Bayern erwähnt, der Wassertruppenübungsplatz Neu-Ulm, der tatsächlich verkauft worden ist. Weil die Zeit fortgeschritten ist, nur ein paar Bemerkungen. Die amtliche Schätzung war 46 910 DM, eine private Schätzung des Unternehmens 44 000 DM, verkauft wurde es für 48 350 DM. Außerdem mußte der Erwerber noch den Lastenausgleich übernehmen. Er hatte vorher schon Erwerbungen gemacht in Höhe von 13 700 DM, und zwar meist Holzschuppen. Es war überhaupt nur ein massives Gebäude vorhanden. Wenn man das Gelände heute betrachtet, sieht es natürlich imposant aus. Der Erwerber hat seinerzeit 183 000 DM hineingesteckt.
Nun ein Wort noch zu den Unternehmen.
Ich darf darauf aufmerksam machen, daß die Redezeit abgelaufen ist.
Sie haben gesagt, Sie wollen noch einen neuen Abschnitt beginnen. Das ist unmöglich.
Dann mache ich es mit zwei Sätzen. Es liegt hier ein besonderes Interesse des Bundes vor. Bezüglich der Beteiligungen sind wir auch sehr stark interessiert, und das auch, weil das letzte Mal vom Kollegen Gülich der Satz gefallen ist: Die Manager haben an dem Weiterbestand dieses Zustandes ein Interesse gehabt. Das gilt überall dort nicht, wo und sobald wir in der Lage waren, die ordentlichen Organe nach dem HGB herzustellen. Ich darf bloß an SKW usw. erinnern. Dort, wo wir regional nicht in der Lage waren, wo es überregional ging — etwa in der britischen Zone, wo andere Bestimmungen gegolten haben —, haben wir einen Beirat geschaffen wie beispielsweise bei der WIFO. Ich darf keine weiteren Ausführungen machen; Sie werden mir aber vielleicht dankbar sein, daß ich damals bei der Auswahl des Vorstandes von SKW einen Mann von außerhalb Bayerns herangezogen habe.
Ich bitte, nun zu schließen. Die Redezeit ist schon längst überschritten.
Abschließend darf ich sagen, daß die Verwaltung -- ich kann nur für Bayern sprechen — große volkswirtschaftliche Erfolge erzielt hat. Unter den gegebenen Umständen hätte eine Bundesverwaltung auch nicht mehr erzielen können.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den vorzüglichen juristischen Ausführungen bleibt mir zum Juristischen nichts mehr ,zu sagen. Ich will aber zum Wirtschaftlichen nur das eine sagen: Wer weiß, in wie ungeheuerem Maße und wie leichtfertig über ehemaliges Reichsvermögen verfügt worden ist, der muß auch unter diesem Gesichtspunkt zu der Auffassung kommen, daß eine Änderung erforderlich ist. Wir brauchen die Bundesvermögensverwaltung zum 1. April, wie ich es vor Wochen bei der Beratung der Interpellation gefordert habe. Es ist keine Zeit mehr zu verlieren, diese Bundesvermögensverwaltung einzuführen. Herr Kollege Dr. Etzel hat an die staatsmännische Weisheit des Bundestages appelliert. Ich möchte hoffen, daß es nicht die bayerische staatsmännische Weisheit ist, die Ihren Entschluß leitet, sondern daß es eine gesamtdeutsche staatsmännische Weisheit sein wird; und die gebietet die zentrale Bundesvermögensverwaltung zum 1. April.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Höpker-Aschoff.
Dr. Dr. Höpker-Aschoff: : Meine Damen und Herren! Ich möchte nur noch ein paar kurze Bemerkungen machen, diesmal nicht als Berichterstatter, sondern als schlichter Abgeordneter.
Zu dem ehemaligen Reichsvermögen gehört auch das Vermögen der Montan-Industrie G. m. b. H., einer G. m. b. H. mit einem Gesellschaftskapital von 400 Millionen Mark, das zu 100 % im Besitz des Reiches war. Diese Montan-Industrie G. m. b. H. hatte eine große Zahl von chemischen und metallurgischen Betrieben, darunter, ich glaube, etwa 12 bis 15 Betriebe auch in Bayern. Eines Tages teilte der von den Briten in Berlin eingesetzte Generaltreuhänder dieser Montan-Industrie dem Herrn Bundesfinanzminister seine Besorgnisse mit, daß über das in Bayern gelegene Vermögen dieser Montanindustrie zum Schaden der Gesellschaft und zum Schaden ihrer Gläubiger verfügt werden würde. Er bekam darauf eine beruhigende Antwort des Bundesministeriums der Finanzen. Es wurde ihm dargestellt, er brauche diese Sorge nicht zu haben, denn dieses Vermögen sei ja Reichsvermögen geworden. und in Bayern würde wahrscheinlich niemand daran denken. unrechtmäßigerweise über dieses Reichsvermögen zu verfügen. Aber die Herren im Bundesfinanzministerium. die dieses Sehreiben aufgesetzt hatten, erfuhren dann eine seltsame Überraschung. Dieses Schreiben war auch den Bayern mitgeteilt worden. Darauf wurde von seiten des bayerischen Staatsministeriums der Finanzen an den Herrn Bundesfinanzminister folgende Antwort erteilt:
Die Rechtsauffassung Bayerns und der übrigen Bundesländer über die Behandlung der früheren reichseigenen und nach dem Gesetz Nr. 19 auf die Länder übergegangenen Vermögenswerte ist in wiederholten Besprechungen zwischen Vertretern der Bundesministerien und den Finanzministerien der Länder stets eindeutig zum Ausdruck gebracht worden. Die Länder der US-Zone und der französischen Zone haben bisher keinen Zweifel darüber gelassen, daß sie sich auf der Grundlage dieser gesetzlichen Bestimmungen zu Verfügungen über die in ihrem Bereich gelegenen ehemaligen reichseigenen Vermögenswerte für berechtigt halten.
Eine Änderung der bestehenden Sach- und Rechtslage kann nur durch die in Aussicht. genommene Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern oder durch ein Bundesgesetz nach Art. 134 des Grundgesetzes eintreten. Ihre Ansicht, daß das Gesetz Nr. 19 durch Art. 134 gegenstandslos geworden ist, teile ich in Übereinstimmung mit allen übrigen Ländern der US-Zone und französischen Zone, wie Sie wissen, nicht. Dem Bundesministerium der Finanzen ist auch bekannt, daß sich die Länder auf Grund der für sie geltenden gesetzlichen Bestimmungen auch als Eigentümer der in ' ihrem Bereich gelegenen Vermögenswerte früherer Reichsgesellschaften, die zu 100 0/o dem Reich gehörten, erachten.
Da dem Bundesministerium der Finanzen aus den mehrfachen mündlichen und schriftlichen Erörterungen die Auffassung des Landes Bayern über die derzeitigen Rechtsverhältnisse bezüglich des ehemaligen Reichsvermögens hinreichend bekannt ist, erscheint mir das in Abschrift übermittelte Schreiben an die Montan-Industrie G. m. b. H. Berlin unverständlich. Ich hätte es begrüßt, wenn das Bundesministerium vor Abgabe einer solchen Erklärung gegenüber der Montan-Industrie G. m. b. H., die Rechte an den in den Ländern der US-Zone und der französischen Zone gelegenen Vermögenswerten der früheren MontanIndustriewerke nicht besitzt, das bayerische Staatsministerium der Finanzen unterrichtet hätte.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, dieser Briefwechsel bedarf keiner Erläuterung und zeigt jedenfalls mit der allergrößten Deutlichkeit, wie notwendig es ist, daß die Verwaltung dessen, was nach dem Grundgesetz unzweifelhaft als früheres Vermögen des Reiches dem Bund gehört, auch in die Hände des Bundes kommt.
Im übrigen möchte ich das noch einmal unterstreichen, was der Herr Bundesfinanzminister schon einmal ausgeführt hat. Was ist denn eigentlich der Inhalt dieses Gesetzes? Wird hier denn irgendwie zuungunsten der Länder verfügt? Es werden doch nur Gesetze und Verordnungen der Besatzungsmächte aufgehoben, und jedermann in Deutschland sollte sich darüber freuen, daß nunmehr der Versuch gemacht wird, nach deutschem Recht zu leben, und daß niemand, auch kein Landesminister, in die Versuchung geführt wird, sich gegenüber dem Bunde auf Gesetze der Besatzungsmächte zu berufen, die in der Zwischenzeit ergangen sind.
Das zweite ist, daß dem Bund die Verwaltung übertragen wird. Wie man bei dieser Lage auf den Gedanken kommen könnte, daß es sich hier um ein Gesetz handelt, das nach Art. 134 Abs. 4 der Zustimmung bedürfte, ist mir vollkommen unerfindlich. Aber selbst wenn das Gesetz einer Zustim-
mung bedürfte, wäre das für den Gang unserer Beratungen im Augenblick völlig gleichgültig. Wir könnten dann in Ruhe abwarten, ob der Bundesrat seine Zustimmung erteilt. Anzunehmen, daß der Bundesrat auf seinem bisherigen ablehnenden Standpunkt beharrt, würde ich als eine - nun, ich möchte sagen: Beleidigung des Bundesrates betrachten. Denn man muß davon ausgehen, daß auch im Bundesrat Männer sitzen, die einer Belehrung mit vernünftigen Gründen nicht unzugänglich sind.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vertreter der Deutschen Partei im Parlamentarischen Rat haben sich eindeutig zu dem Grundsatz der Identität von Reich und Bund bekannt. Daraus folgt, daß das Eigentum des Reiches Eigentum des Bundes ist. Ich schließe mich der Rechtsansicht des Herrn Kollegen Schmid an. Die beiden Bremsen, die hier zu erwähnen wären, können nicht wirksam werden. Wir erkennen kein „Strandrecht" an, und wir können die Wirkung von Besatzungsakten im Hinblick auf das Eigentum, sei es öffentliches oder privates Eigentum, nicht weitergezogen sehen als die Inanspruchnahme von Nießbrauchrechten.
Zur Auslegung des Art. 134 Abs. 1 glaube ich, daß man an dem Problem vorbeigeht, und zwar insofern, als man hier von einer konstitutiven oder von einer programmatischen Bedeutung gesprochen hat. Eine konstitutive Bedeutung kann der Artikel nicht haben, denn kraft der Identität ist das Eigentum d a geblieben, wo es vorher war, nämlich beim Reich, also beim Bund.
Einen nur programmatischen Gehalt kann Art. 134 Abs. 1 auch nicht haben, denn das, was in ihm geregelt ist, fasse ich — und ich glaube, mich damit in Übereinstimmung mit meinen politischen Freunden zu befinden — hauptsächlich in der Richtung auf, daß eine Anwartschaft der Länder auf den endgültigen Erwerb von Eigentumsrechten geschaffen worden ist,
und zugleich ein Anspruch auf ein geordnetes gesetzliches Auseinandersetzungsverfahren. Infolgedessen, glaube ich, hat Art. 134 einen klar ordnenden Sinn, und die Vorlage des Herrn Finanzministers — darin unterscheide ich mich von den Darlegungen des Herrn Kollegen Laforet — bedeutet nichts weiter, als daß sie die Voraussetzungen für die Verwirklichung der Anwartschaft der Länder schafft. Daraus ergibt sich, daß diese Voraussetzung, nämlich die Sicherstellung der Anwartschaft, auch die Verwaltungsrechte regeln muß.
Meine Fraktion wird daher, in der Anschauung, daß man in rechtlichen Dingen hart und klar sein muß — besonders bei Rechtsfragen, die sich aus der Identität zwischen Reich und Bund ergeben —, dieser Vorlage ihre Zustimmung geben. Es wäre dabei noch zu erwägen, ob das Gesetz zustimmungspflichtig ist oder nicht. Ich bin der Auffassung, daß dieses Gesetz nur die Voraussetzungen für eine Auseinandersetzung schafft. Ob diese Voraussetzungen bereits Teil der Auseinandersetzung sind und daß damit Art. 134 Abs. 4, also die Zustimmungspflicht des Bundesrats, Anwendung findet oder nicht, darüber kann man streiten. Ich persönlich bin der
Ansicht, daß die Schaffung der Voraussetzungen allein dieses Gesetz nicht zustimmungspflichtig macht.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Etzel .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers konnten den Eindruck erwecken, als ob es sich nach dem Inhalt dieses Gesetzes nur urn die Beendigung der Verwaltung der Länder handeln sollte. In Wahrheit ist sowohl in § 1 wie in § 2 ausdrücklich davon die Rede, daß die seinerzeitige Übertragung des Eigentums auf die Länder als beendet angesehen werden soll. Ich will die Frage nicht nachprüfen, ob die besatzungsrechtliche Übertragung des Eigentums auf die Länder wirklich rechtsgültig ist. Wir alle sind der Auffassung, daß es an der Zeit ist, so rasch wie möglich das Besatzungsrecht und den Status des Besatzungsrechts durch deutsche Gesetzgebung zu ersetzen. Aber die rechtliche Grundlage deswegen für die rückliegende Zeit zu bestreiten, wie Herr Professor Dr. Carlo Schmid, glaube ich, es versucht hat, halte ich für höchst bedenklich, und ich möchte warnen, auf diesem Wege fortzuschreiten, weil andernfalls weitere Folgen für viel bedeutsamere Fragen entstehen könnten, die ich hier nicht näher kennzeichnen will. Das süße Gift des Hinweises, es handele sich nur um eine vorläufige Regelung, der nach § 6 dann die endgültige Auseinandersetzung entweder durch ein Zustimmungsgesetz nach Abs. 4 des Art. 134 oder durch ein einfaches Gesetz nach Abs. 6 des Art. 135 folgen solle, kann uns nicht beruhigen noch überzeugen und uns auch nicht die Meinung nehmen, daß dieses Gesetz mit den Bestimmungen der Art. 134 und 135 nicht in Einklang zu bringen ist.
Meine Damen und Herren! Die Rednerliste ist erschöpft. Ich darf infolgedessen die Debatte schließen. Wir kommen zur Abstimmung.
Ich rufe auf die Paragraphen des vorliegenden Gesetzentwurfs. Ich glaube, nach der eben erfolgten Aussprache, die als allgemeine Debatte geführt worden ist, bedarf es keiner Sonderdebatte mehr für die einzelnen Paragraphen.
Ich rufe also auf die §§ 1, — 2, — 3, — 4, — 5, — 6, — 6 a, — 7, — Einleitung und Überschrift. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Paragraphen und der Einleitung und Überschrift zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist zweifellos die Minderheit. Der Antrag ist gegen eine geringe Minderheit angenommen.
Damit ist die zweite Beratung beendet.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der in zweiter Lesung angenommenen Fassung im ganzen zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das Gesetz ist mit derselben Mehrheit wie vorhin angenommen.
Ich rufe nun auf Punkt 6 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundsteuergesetzes ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (Nr. 2013 der Drucksachen).
— Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Lausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die sozialdemokratische Fraktion muß ich leider nochmals den Antrag stellen, den Gesetzentwurf zur Änderung des Grundsteuergesetzes von der heutigen Tagesordnung abzusetzen und ihn an den Finanz- und Steuerausschuß federführend und ebenfalls an den Rechtsausschuß zurückzuüberweisen. Die Gründe dafür sind folgende: Wir haben eben, sozusagen in letzter Minute, Anträge der Zentrumsfraktion erhalten, zu denen wir bezüglich einzelner Punkte heute sehr wohl Stellung nehmen könnten. Aber in Ziffer 1 des Umdrucks Nr. 103 ist ein Punkt angeschnitten, der doch wohl sehr schwierige Rechtsfragen aufwirft, die nicht im Plenum entschieden werden können, sondern zuerst in den zuständigen Fachausschüssen diskutiert und geklärt werden müssen.
Ich bitte das Haus, diesem Antrag stattzugeben.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Dr. Kneipp. — Meine Damen und Herren, ich bitte doch, Platz zu nehmen. Die Unruhe ist so groß, daß es schwer ist, den Ausführungen der Redner zu folgen.
Ich bitte dem Antrag nicht zu entsprechen. Die fragliche Sache ist seinerzeit schon bei der ersten Beratung hier im Plenum durch den Kollegen Dr. Bertram angeschnitten worden, und er hat sie auch im Ausschuß erneut aufgegriffen. Der Ausschuß hat sich mit der Frage eingehend beschäftigt und ist mit sehr großer Mehrheit zur Ablehnung gekommen. Der Gesetzentwurf steht jetzt praktisch zum zweiten Mal auf der Tagesordnung. Das erste Mal ist die Rückverweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen und gleichzeitig die Überweisung an den Wohnungsausschuß beschlossen worden. Es geht doch nicht an, daß wir Gesetze mehrmals zurückverweisen.
Meine Damen und Herren, jetzt hat ein Redner f ü r die Absetzung des Punktes und ein Redner dagegen gesprochen. Ich würde Ihnen empfehlen, von einer Geschäftsordnungsdebatte abzusehen und gleich abzustimmen. Ich glaube nicht, daß uns eine lange Geschäftsordnungsdebatte nützlich wäre.
— Das Haus scheint meiner Auffassung zuzustimmen. Im übrigen entspricht es auch den Befugnissen des Präsidenten, von sich aus über die Worterteilung zur Geschäftsordnung zu entscheiden.
— Nein, nach der jetzt gestellten Frage erteile ich das Wort zur Geschäftsordnung nicht mehr! Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die für die Absetzung und Zurückverweisung sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. —
Ich bitte nochmals diejenigen, die für Rückverweisung sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte nochmals um die Gegenprobe. — Meine Damen und Herren, es ist nicht genau zu entscheiden.
Infolgedessen müssen wir den Hammelsprung durchführen. Wer also für Zurückverweisung ist, den bitte ich, durch die Ja-Tür, wer dagegen ist, durch die Nein-Tür zu gehen.
Ich bitte, die Türen zu schließen.
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Ich bitte, die Abstimmung zu beschleunigen. — Ich bitte nochmals um Beschleunigung der Abstimmung!
Ich bitte, die Türen zu schließen. Die .Abstimmung ist beendet.
Meine Damen und Herren, das Ergebnis der Abstimmung ist: 195 Ja, 117 Nein, 6 Enthaltungen. Damit ist der Antrag auf Rückverweisung an den Finanz- und Steuerausschuß und an den Rechtsausschuß angenommen. Ich nehme an, daß er sich auch auf die dazu inzwischen eingegangenen Abänderungsanträge bezieht. —
Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betreffend Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Dr. Schumacher gemäß Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 15. Dezember 1950 (Nr. 2004 der Drucksachen).
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Kahn.
Herr Präsident! Hohes Haus! In der Ihnen vorliegenden Drucksache Nr. 2004 handelt es sich um den Antrag auf Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Dr. Kurt Schumacher gemäß Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 15. November 1950. Der 3. Ausschuß des Bundestages, der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität, hat sich mit der vorbezeichneten Angelegenheit in zwei Sitzungen eingehend und ausführlich befaßt. Ich habe die Ehre, Ihnen den Beschluß dieses Ausschusses bekanntzugeben.
Es gehört ein Mindestmaß von Achtung gegenüber einer Persönlichkeit dazu, sich mit ihr oder über sie zu unterhalten. Dr. Dehler genießt in der Sozialdemokratie diese Achtung nicht.
Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität hat sich als Richtlinie für die Behandlung von Beleidigungen vor Jahresfrist einmütig den Standpunkt zu eigen gemacht, daß bei Beleidigungen, die ausschließlich politischen Charakter haben, seitens dieses Ausschusses die Aufhebung der Immunität nicht in Frage kommt. Der Ausschuß ist der Auffassung, daß es sich im vorliegenden Falle nicht um eine Verleumdung, sondern um eine politische formale Beleidigung handelt. Der Kollege Abgeordneter Mayer schlug dem Ausschuß vor, zwischen den beiden Persönlichkeiten zu vermitteln und im Wege einer Aussprache den Bundesjustizminister Dr. Dehler zu bewegen, seinen gestellten Antrag zurückzuziehen. In seiner Sitzung vom 22. Februar 1951 hat der Ausschuß nochmals zu der fraglichen Angelegenheit Stellung genommen. Der Ausschuß kam wiederum zu der Auffassung, daß es sich bei diesem Gegenstand nur um eine formale Beleidigung rein politischen Charakters handelt, und hat deshalb mit allen gegen eine Stimme dahingehend Beschluß gefaßt, dem Hause vorzuschlagen, die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Dr. Kurt Schumacher abzulehnen.
Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen die Ergebnisse einer zweimaligen Beratung der Angelegenheit im Geschäftsordnungsausschuß zum Vortrag gebracht und bitte Sie, gemäß dem Beschluß des Geschäftsordnungsausschusses dem Antrag auf Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Dr. Kurt Schumacher nicht stattzugeben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag des Ausschusses zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betreffend Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Dr. Freiherrn von Fürstenberg gemäß Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 8. Januar 1951 und Schreiben des Rechtsanwalts Dr. Berthold (München) vom 6. Dezember 1950 (Nr. 2005 der Drucksachen).
Das Wort zur Berichterstattung hat der Herr
Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident!
Meine Damen und meine Herren! Der Herr Rechtsanwalt Dr. Berthold in München hat am 6. Dezember 1950 namens und im Auftrag der Witwe des
verstorbenen Bundestagsabgeordneten Dr. Ernst
Falkner Strafanzeige gegen den Bundestagsabgeordneten Elimar von Fürstenberg wegen Verunglimpfung des Andenkens des verstorbenen Dr.
Ernst Falkner erstattet. Der Sachverhalt wird von
dem antragstellenden Anwalt wie folgt geschildert:
Am 7. November 1950 gedachte der Bundestag in seiner Sitzung in ehrender Weise des
soeben verunglückten Bundestagsabgeordneten
Dr. Ernst Falkner. Am Abend des gleichen
Tages wurde der ehemalige Bayernpartei-Abgeordnete E. von Fürstenberg vom sogenannten Spiegelausschuß vernommen. Ohne daß
von Fürstenberg vom Spiegelausschuß danach
gefragt wurde, teilte er als Zeuge mit, daß er
noch etwas Nachteiliges über Herrn Dr. Falkner berichten wolle. Er habe, um über Dr. Falkner etwas zu erfahren, sich an den „Stellvertreter des Chefs" einer ausländischen Spionageorganisation gewendet
mit dem Ersuchen, ob er von ihm etwas Nachteiliges über Dr. Falkner erfahren könne. Dieser „stellvertretende Chef" habe ihm darauf mitgeteilt, daß Dr. Falkner laufend von kommunistischer Seite Gelder bezogen habe.
Als er vom Spiegelausschuß gebeten wurde, den Namen dieses ominösen stellvertretenden Chefs mitzuteilen, weigerte sich Herr von Fürstenberg, dies zu tun, unter Berufung auf das Abgeordnetengeheimnis. Herr von Fürstenberg war der Ansicht, daß das Abgeordnetengeheimnis, das bekanntlich nur zum Schutze von Deutschen gilt, die einem Abgeordneten in seiner Abgeordneteneigenschaft etwas anvertrauen, auch für den stellvertretenden Chef einer ausländischen Spionageorganisation gelten müsse.
Abgesehen von der ungeheuren Geschmacklosigkeit, die darin liegt, einen soeben verstorbenen Kollegen im Bundestag in dieser Weise zu verleumden, würde das Verhalten des Abgeordneten von Fürstenberg, wenn es ungestraft durchginge, einer neuen Form von Verleumdungen zwischen Politikern Tür und Tor öffnen. Mit demselben Recht könnten nunmehr andere Bundestagsabgeordnete anfangen, zu behaupten, sie hätten mit diesem oder jenem Chef einer ausländischen Spionageorganisation gesprochen, und dieser Chef habe ihnen etwa vertraulich mitgeteilt, daß Bundeskanzler Dr. Adenauer von Washington Gelder beziehe und Finanzminister Schäffer von Moskau.
Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität hat sich pflichtgemäß mit der Angelegenheit zu befassen gehabt. Ein Mitglied des Ausschusses hat versucht — und ist aus diesem Grunde sogar bis Innsbruck gefahren —, zu einer gütlichen Beilegung der Angelegenheit die Hand zu bieten. Der Versuch blieb ergebnislos. Das Mitglied des Ausschusses verhandelte ergebnislos mit dem Bruder der Witwe des verstorbenen Abgeordneten Dr. Falkner.
Der Aussschuß hatte zu prüfen, ob es sich um einen Sachverhalt handelt, der nach dem Beispiel, das sich oft und auch soeben hier vor dem Bundestag abgespielt hat, nicht zur Aufhebung der Immunität führen soll, nämlich um einen Sachverhalt, bei dem eine Beleidigung politischen Charakters in Frage steht. Mit Rücksicht auf den inneren Zusammenhang mit den Angelegenheiten, die der Untersuchungsausschuß Nr. 44 behandelt, und auch aus anderen Erwägungen hat der Ausschuß verneint, daß im vorliegenden Fall ein Grund gegeben ist, die Immunität nicht aufzuheben. Der Ausschuß beantragt einstimmig, das Hohe Haus wolle beschließen, die Immunität des Abgeordneten von Fürstenberg aufzuheben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Donhauser.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich hier um die Frage der Aufhebung der Immunität unseres Kol-
legen von Fürstenberg. Sie erinnern sich, daß ich schon vor einigen Wochen in der gleichen Frage hier das Wort ergriffen habe. Ich habe damals erklärt: wir haben alle miteinander ein Interesse daran, daß Beleidigungen irgendwelcher Art, die im Zusammenhang mit der „Spiegel"-Affäre stehen, restlos geklärt werden. Auch in der Angelegenheit der Aufhebung meiner eigenen Immunität habe ich deswegen diesen Standpunkt vertreten und an dieser Stelle selber dafür plädiert, daß meine Immunität aufgehoben wird. Ich habe dann aber aus Anlaß eines zweiten Antrags des Immunitätsausschusses, der meine Person betraf, vortragen müssen, daß die Herren Parteifreunde des Abgeordneten Dr. Baumgartner gar nicht in der Lage, ja gar nicht bereit seien, die gleiche Fairneß zu zeigen.
Sie wissen, daß beispielsweise erst vor wenigen Tagen die Immunität des Abgeordneten Dr. Baumgartner wegen einer Sache, die ebenfalls im Zusammenhang mit der „Spiegel"-Affäre steht, nicht aufgehoben worden ist, und zwar einfach mit der lapidaren Begründung, es handle sich um Beleidigungen, die im Wahlkampf gemacht worden und deshalb nicht ernst zu nehmen seien.
Meine Damen und Herren, wer den Kollegen Fürstenberg und die Protokolle des „Spiegel"-Ausschusses genau kennt, der weiß, daß die Darstellung, die der Rechtsanwalt der Gegenpartei Dr. Berthold gegeben hat und die hier verlesen worden ist, gar nicht richtig ist.
Es stimmt nämlich gar nicht, daß Herr von Fürstenberg diese Aussagen von sich aus gemacht hätte, sondern er ist unter Hinweis auf seinen Eid sehr nachdrücklich dazu aufgefordert worden.
Ich habe im Namen meines Parteifreundes Fürstenberg zu erklären, daß er von sich aus alles Interesse daran hat, daß diese Frage vor einem ordentlichen Gericht geklärt wird, daß er aber auch ebenso ein Interesse daran hat — wie wohl auch das ganze Haus —, daß sich die Gegenseite, die Herren Baumgartner und Genossen, nicht hinter der Immunität verstecken und verschanzen, die ihnen der bayerische Landtag gewährt.
Ich muß Sie deswegen bitten, in diesem Falle den Antrag in den Ausschuß zurückzuverweisen, damit zwischen dem Immunitätsausschuß des Bundestages und dem des bayerischen Landtags Einvernehmen hergestellt werden kann.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Strauß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich selbstverständlich jeglicher Kritik an der Berichterstattung enthalten. Aber angesichts der Tatsache, daß die Praxis des Bundestags und des bayerischen Landtags in Fragen der Aufhebung der Immunität voneinander abweichen und so die verschiedenen Seiten, die in dem „Spiegel"-Ausschuß vertreten waren, nicht gleich behandelt werden, stelle ich im Namen meiner Fraktion den Antrag, die Entscheidung über die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten von Fürstenberg bis zur Klärung der schon neulich im
Falle Donhauser angeschnittenen Frage zurückzustellen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Ritzel.
Meine Damen und Herren! Zur Vermeidung von Mißverständnissen möchte ich zunächst einmal darauf hinweisen, daß ich als Berichterstatter lediglich aus den Akten zitiert habe, und zwar wörtlich. Zweitens darf ich darauf hinweisen, daß der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität auf Grund der Zurückverweisung des Antrages auf Aufhebung der Immunität des Herrn Abgeordneten Donhauser bereits den Beschluß gefaßt hat, sich mit den Landtagen, also in erster Linie auch mit dem Bayerischen Landtag, in Verbindung zu setzen, um eine einheitliche Behandlung von Anträgen auf Aufhebung der Immunität herbeizuführen. Drittens darf ich aber noch darauf aufmerksam machen — ich habe es schon aus Anlaß des Falles Donhauser gesagt —, daß die Dinge ja nicht endlos so behandelt werden können, wenn sich weiterhin in der Behandlung der Immunitätsaufhebungsanträge Differenzen zwischen der Meinung des Bundestages und der Meinung der einzelnen Landtage herausstellen sollten. Wir haben dasselbe ja auch in dem Fall Reimann in bezug auf den Landtag von Nordrhein-Westfalen gehabt. Wenn also weiterhin differierende Meinungen zu verzeichnen sind, wird der Bundestag nicht darum herumkommen, eine selbständige Entscheidung zu fällen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Meine Damen und Herren, es sind verschiedene Anträge gestellt worden; zunächst der Antrag des Herrn Abgeordneten Donhauser auf Rückverweisung an den Ausschuß und dann der Antrag des Herrn Strauß auf Vertagung, soweit ich verstanden habe.
— Also auch Rückverweisung an den Ausschuß.
Wir stimmen zunächst ab über den Antrag auf Rückverweisung. Ich bitte diejenigen, die für Rückverweisung sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war zweifellos die Mehrheit. Die Rückverweisung ist also beschlossen. Damit, meine Damen und Herren, ist Punkt 8 der Tagesordnung für heute erledigt.
Nun ist hier ein Antrag der SPD zur Geschäftsordnung eingegangen:
Am Freitag, dem 16. März, wird die zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Unternehmen des Bergbaues sowie der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie als erster Punkt auf die Tagesordnung gesetzt.
Wird dazu eine besondere Begründung gegeben? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Dann kommen wir also sofort zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die diesem Antrag der SPD zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Damit, meine Damen und Herren, sind wir am Schluß der Tagesordnung. Ich berufe die nächste, die 128. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Freitag, den 16. März 1951.
Ich darf darauf aufmerksam machen, daß eine Viertelstunde nach Schluß dieser Sitzung eine kurze Sitzung des Vorstandes des Bundestages im Roten Zimmer stattfindet. Unmittelbar im Anschluß an das Plenum findet außerdem eine Sitzung des Haushaltsausschusses statt, und schließlich versammelt sich eine Stunde nach Schluß dieser Sitzung die Fraktion der FDP.
— Die morgige Plenarsitzung, meine Damen und Herren, beginnt um 10 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.