Meine Damen und Herren! Wir werden von seiten der kommunistischen Fraktion der ersten, zweiten und dritten Beratung der Regierungsvorlage nicht widersprechen. Wir werden uns allerdings erlauben, zur zweiten Beratung in bezug auf die materielle Seite einen Abänderungsantrag zu stellen, weil, wie ich bereits ausgeführt habe, der Satz einer Erhöhung von 10 °/o als absolut unzulänglich zu betrachten ist.
Aber ich möchte noch einige Bemerkungen zu dem machen, was von einzelnen Herren in der Debatte zum Ausdruck gebracht worden ist. Ich hätte sehr gewünscht, der Herr Bundesarbeitsminister hatte wenigstens den Versuch unternommen, sich ernsthaft mit dem Problem einer fortschrittlichen Arbeitsiosenhilfe auseinanderzusetzen. Er hätte wenigstens den Versuch unternehmen sollen, vor dem Hause zu sagen, nach welcher Grundrichtung er nun eine Reform des Arbeitslosenversicherungsgesetzes durchzuführen gedenkt. Man hätte dabei schon erkennen können, wieweit die Reform-vorschlage der Bundesregierung gediehen sind. Aber ich glaube, daß noch sehr viel Zeit ins Land gehen wird, denn Herr Bundesminister Storch machte ausdrücklich die Einschränkung, daß er erst dann an die Arbeit gehen wird, wenn die Vorschläge der Länder vorliegen werden.
Ich hätte weiter gewünscht, der Herr Bundesarbeitsminister hätte einmal eindeutig dem Hause gegenüber zum Ausdruck gebracht, wie hoch die Steigerung der Lebenshaltungskosten ist, welchen Prozentsatz sie angenommen hat und in welchem Verhältnis dazu das Einkommen eines Arbeitslosen, der also eine Arbeitslosenunterstützung bezieht, oder das Einkommen eines Menschen steht, der auf die Arbeitslosenfürsorgeunterstützung angewiesen ist, weil wir dann die Möglichkeit gehabt hätten, einmal die unmögliche Diskrepanz zwischen diesen beiden Sätzen sehr eindeutig beleuchtet zu erhalten.
Meine Damen und Herren! Wir haben hier in sehr eingehendem Maße über die Frage der Vollbeschäftigung diskutiert. Ich glaube, man kann mit Recht auf die gestrige Debatte hinweisen, wo ebenfalls die Frage der verhängnisvollen Wirtschaftspolitik der Bundesregierung als der stärkste Hemmschuh für eine Vollbeschäftigung überhaupt angesprochen worden ist. Meine Damen und Herren, damit möchte ich auch dem Herrn Kollegen Sabel eine Antwort geben. Herr Kollege Sabel, ich habe die Dinge sehr ernst durchdacht. Sie können mir das schon zumuten. Ich bin nicht der Auffassung, daß sich die Problematik der Arbeitslosigkeit in irgendeiner Form zur Agitation eignet, sondern wir wollen eine ernsthafte Hilfe für die Erwerbslosen erreichen. Sie werden zugeben müssen, daß mit irgendwelchen platonischen Versprechungen von seiten der Bundesregierung — es liegen ja genügend Erfahrungen vor — weder den Arbeitslosen noch denen gedient ist, die hier im Parlament sitzen und die Verantwortung für die Dinge zu übernehmen haben. Wenn die Arbeitslosen draußen auf Vollbeschäftigung warten, dann sterben sie allmählich aus. Ich bin schon der Meinung, Herr Kollege Sabel, daß das angeblich starke Absinken der Arbeitslosenzahl — und man kann hier die amtlichen Zahlen der Bundesregierung zitieren — wirklich nichts an meiner Feststellung über das Vorhandensein einer strukturellen Arbeitslosigkeit ändert
und daß das kleine Absinken der Arbeitslosenzahl durch saisonbedingte Einflüsse und Ursachen bewerkstelligt worden ist. Das soll man eindeutig feststellen.
Und nun noch eines, Herr Kollege Sabel. Sie haben sich mit unserem Gesetzentwurf auseinandergesetzt. Ich glaube allerdings, wenn Sie meine Begründung eingehend verfolgt haben, dann werden Sie zugeben mussen: ich habe nicht davon gesprochen, dab in den Arbeitsämtern Gebuhren für die Arbeitsvermittlung erhoben werden, sondern ich habe davon gesprochen, daß in dem alten AVAVG immer noch der Passus vorhanden ist, daß Gebühren erhoben werden konnen. Ich sehe nicht ein, warum man nicht an der Streichung eines solchen Paragraphen interessiert sein soll. Dagegen spricht nichts, sondern alles spricht für die Streichung eines solchen unmöglichen Paragraphen. Herr Kollege Sabel, Sie sind j a Arbeitsamtsdirektor und verfügen über Erfahrungen. Sie wissen genau, daß Sie, wenn Sie heute irgendeiner Gemeindeverwaltung delegieren, die Arbeitsvermittlung durchzuführen, einen unmöglichen Zustand in ihrem gesamten Arbeitsamtsbezirk erhalten.
Dann eine andere Frage, nämlich die der Vermittlung bei Streiks, Herr Kollege Sabel. Ich gehe nicht ganz mit Ihnen einig, daß der bisherige § 63 ausreicht. Sie haben die Meinung vertreten, daß die Vermittlung bei Streiks nach unserer Formulierung eigentlich zuerst gegeben sei. Herr Kollege Sabel, wir sagen in unserem Antrage eindeutig: Bei Ausstand und Aussperrung darf keine Vermittlung von Arbeitskräften vorgenommen werden, wahrend der bisherige § 63 kautschukartig jedem Arbeitsamt die Möglichkeit gibt
— ich darf es Ihnen vorlesen —, eine Arbeitsvermittlung auch bei Streiks und Aussperrungen dann vorzunehmen, wenn es der Arbeitslose verlangt.
Der Abs. 3 von § 63 des AVAVG lautet eindeutig: Ebenso dürfen ausständige oder ausgesperrte Arbeitnehmer nur vermittelt werden, wenn die Tatsache des Ausstandes oder der Aussperrung dem Arbeitgeber vorher bekanntgegeben war.
Also dieser Paragraph beinhaltet eindeutig die Möglichkeit der Arbeitsvermittlung während eines Streiks oder einer Aussperrung und muß geändert werden, weil er in der Vergangenheit — das werden Ihnen die Leute mit Erfahrung bestätigen können — dazu geführt hat, daß durch die Not getriebene Arbeitslose zu Streikbrechern gepreßt worden sind.
Eine andere Frage ist der § 90. Herr Kollege Sabel, ich denke gar nicht daran, nun Ihre Argumentation anzuerkennen, daß ich damit den Pendlerverkehr treffe. Kein Mensch denkt daran, den Pendlerverkehr, der gegeben ist, damit irgendwie zu schädigen.
Aber wir wehren uns dagegen, den Arbeitsämtern Befugnisse in bezug auf Umschichtungen zu übertragen, die weder aus sozialen Gesichtspunkten heraus gerechtfertigt noch Aufgabe der Arbeitsämter sind. Wenn Sie einen Umschichtungsprozeß der Arbeitskräfte, der Facharbeiter, durchführen wollen, die in dem einen Gebiet vorhanden sind und in dem andern Gebiet benötigt werden, dann haben Sie wirtschaftspolitisch andere Voraussetzungen für diese Dinge zu schaffen.
Und nun, meine Damen und Herren, noch eine Frage: Zwang zur Fortbildung. Was wir mit unserem Antrage verlangen, ist doch wirklich nicht zuviel. Wir verlangen, daß die Kosten der Fortbildung restlos von den Arbeitsämtern getragen werden. Herr Kollege Sabel, ich habe ja auch eine kleine Ahnung, wie die Fortbildung bei den Arbeitsämtern betrieben wird. Ich darf für mich in Anspruch nehmen, daß ich immer der Meinung gewesen bin — und auch meine Freunde sind immer der Meinung gewesen —, daß die Heranbildung eines qualifizierten Nachwuchses und die Heranbildung guter Facharbeiter von uns mit allen Mitteln, die wir zur Verfügung haben, gefördert werden muß. Wir sehen das Aufgabengebiet der Arbeitsämter darin, den schuldlos arbeitslos gewordenen Menschen nicht absinken zu lassen, sondern ihm während der Zeit seiner Arbeitslosigkeit die realen Grundlagen der Fortbildung zu geben.
— Schön, dann verstehe ich nicht, warum Sie dagegen polemisierten. Hier können die Arbeitsämter bedeutend mehr tun, als sie bisher getan haben.
Nun noch ein Wort zum Herrn Bundesarbeitsminister. Ich glaube, Herr Bundesarbeitsminister, Sie müssen sich besser beraten lassen. § 105, bei dem Sie sich in einer etwas fulminanten Form mit einigen Sätzen einen guten Abgang verschaffen wollten, besagt: Die Hauptunterstützung beträgt wöchentlich für jede Reichsmark bis zu 12 Mark 72 v. H. des Arbeitsentgelts nach Abs. 1. Sie wollen die Erhöhung um 10 %. Wir wollen beispielsweise hier eine Erhöhung um 15 %. Wie Sie zu dieser Milchmädchenrechnung kommen, bleibt Ihr Geheimnis. Aber verlassen Sie sich darauf: die Arbeitslosen werden die Form Ihrer Demokratie ablehnen, nämlich der Demokratie, in der es Armen wie Reichen gleichermaßen verboten ist, unter Brücken zu nächtigen oder zu betteln.