Rede von
Heinrich Georg
Ritzel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident!
Meine Damen und meine Herren! Der Herr Rechtsanwalt Dr. Berthold in München hat am 6. Dezember 1950 namens und im Auftrag der Witwe des
verstorbenen Bundestagsabgeordneten Dr. Ernst
Falkner Strafanzeige gegen den Bundestagsabgeordneten Elimar von Fürstenberg wegen Verunglimpfung des Andenkens des verstorbenen Dr.
Ernst Falkner erstattet. Der Sachverhalt wird von
dem antragstellenden Anwalt wie folgt geschildert:
Am 7. November 1950 gedachte der Bundestag in seiner Sitzung in ehrender Weise des
soeben verunglückten Bundestagsabgeordneten
Dr. Ernst Falkner. Am Abend des gleichen
Tages wurde der ehemalige Bayernpartei-Abgeordnete E. von Fürstenberg vom sogenannten Spiegelausschuß vernommen. Ohne daß
von Fürstenberg vom Spiegelausschuß danach
gefragt wurde, teilte er als Zeuge mit, daß er
noch etwas Nachteiliges über Herrn Dr. Falkner berichten wolle. Er habe, um über Dr. Falkner etwas zu erfahren, sich an den „Stellvertreter des Chefs" einer ausländischen Spionageorganisation gewendet
mit dem Ersuchen, ob er von ihm etwas Nachteiliges über Dr. Falkner erfahren könne. Dieser „stellvertretende Chef" habe ihm darauf mitgeteilt, daß Dr. Falkner laufend von kommunistischer Seite Gelder bezogen habe.
Als er vom Spiegelausschuß gebeten wurde, den Namen dieses ominösen stellvertretenden Chefs mitzuteilen, weigerte sich Herr von Fürstenberg, dies zu tun, unter Berufung auf das Abgeordnetengeheimnis. Herr von Fürstenberg war der Ansicht, daß das Abgeordnetengeheimnis, das bekanntlich nur zum Schutze von Deutschen gilt, die einem Abgeordneten in seiner Abgeordneteneigenschaft etwas anvertrauen, auch für den stellvertretenden Chef einer ausländischen Spionageorganisation gelten müsse.
Abgesehen von der ungeheuren Geschmacklosigkeit, die darin liegt, einen soeben verstorbenen Kollegen im Bundestag in dieser Weise zu verleumden, würde das Verhalten des Abgeordneten von Fürstenberg, wenn es ungestraft durchginge, einer neuen Form von Verleumdungen zwischen Politikern Tür und Tor öffnen. Mit demselben Recht könnten nunmehr andere Bundestagsabgeordnete anfangen, zu behaupten, sie hätten mit diesem oder jenem Chef einer ausländischen Spionageorganisation gesprochen, und dieser Chef habe ihnen etwa vertraulich mitgeteilt, daß Bundeskanzler Dr. Adenauer von Washington Gelder beziehe und Finanzminister Schäffer von Moskau.
Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität hat sich pflichtgemäß mit der Angelegenheit zu befassen gehabt. Ein Mitglied des Ausschusses hat versucht — und ist aus diesem Grunde sogar bis Innsbruck gefahren —, zu einer gütlichen Beilegung der Angelegenheit die Hand zu bieten. Der Versuch blieb ergebnislos. Das Mitglied des Ausschusses verhandelte ergebnislos mit dem Bruder der Witwe des verstorbenen Abgeordneten Dr. Falkner.
Der Aussschuß hatte zu prüfen, ob es sich um einen Sachverhalt handelt, der nach dem Beispiel, das sich oft und auch soeben hier vor dem Bundestag abgespielt hat, nicht zur Aufhebung der Immunität führen soll, nämlich um einen Sachverhalt, bei dem eine Beleidigung politischen Charakters in Frage steht. Mit Rücksicht auf den inneren Zusammenhang mit den Angelegenheiten, die der Untersuchungsausschuß Nr. 44 behandelt, und auch aus anderen Erwägungen hat der Ausschuß verneint, daß im vorliegenden Fall ein Grund gegeben ist, die Immunität nicht aufzuheben. Der Ausschuß beantragt einstimmig, das Hohe Haus wolle beschließen, die Immunität des Abgeordneten von Fürstenberg aufzuheben.