Rede von
Fritz
Schäffer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits bei der Beantwortung der Interpellation Strauß am 16. Januar dieses Jahres habe ich darauf hingewiesen, daß es unerfreuliche Erscheinungen in der Verwendung dei Gelder für die Deckung der Besatzungskosten gibt, und ich habe darauf aufmerksam gemacht, daß die Bundesregierung bemüht ist, diese unerfreulichen Erscheinungen möglichst bald der Vergangenheit angehören zu lassen. Ich bin natürlich dankbar, wenn der Bundestag die Bundesregierung in dem Bemühen, diese unerfreulichen Erscheinungen zu überwinden, unterstützt, und ich sehe auch in diesem Antrag ein solches Bemühen.
Zu dem Antrage selbst darf ich wie folgt Stellung nehmen. Nach Berichten der Landesfinanzministerien waren im Bundesgebiet am 1. April 1950 insgesamt rund 65 000 bebaute und unbebaute Grundstücke der privaten und öffentlichen Hand requiriert. Davon sind Wohngrundstücke, Hotels, Fremdenheime, Kuranstalten und Gaststätten insgesamt 43 856, von denen insgesamt 1736 nicht genutzt gewesen sind. Die Aufgliederung ergibt sich aus folgender Übersicht: Einfamilienhäuser: requiriert 16 235, nicht genutzt davon 631; Mietwohngrundstücke: requiriert 11 111, nicht genutzt davon 491; Baracken: requiriert 679, davon nicht genutzt 26; Einzelwohnungen: requiriert 13 928, davon nicht genutzt 533; Hotels und Fremdenheime: requiriert 1207, davon nicht genutzt 34; Kuranstalten: requiriert 93, genutzt alle; Gaststätten: requiriert 603, nicht genutzt 21. Feststellungen darüber, wie langE die 1736 Objekte schon nicht genutzt stehen, waren seinerzeit von den Landesfinanzministerien nicht getroffen worden..
Die Arbeitsgemeinschaft der Besatzungsgeschädigten in Frankfurt am Main hat nach dem Stand vom Dezember 1950 eine Zusammenstellung der in der amerikanischen und britischen Zone requirierten Wohnungen gefertigt, die seit über drei Monaten nicht genutzt sind. In dieser Zusammenstellung werden insgesamt 508 Objekte aufgeführt.
Hiernach kann es keinem Zweifel unterliegen, daß ein nicht unwesentlicher Teil der requirierten Wohnungen, Hotels, Fremdenheime, Kuranstalten und Gaststätten nicht oder doch nicht vollständig genutzt ist. Eine genaue Erfassung aller nicht oder nicht voll genutzten Objekte begegnet noch immer erheblichen Schwierigkeiten, da die Besatzungsdienststellen dem Personal der deutschen Behörden der Besatzungslastenverwaltung den Zutritt zu den requirierten Objekten zumeist verbieten. Teilweise sind auch Gebäudekomplexe oder Ortsteile eingezäunt und stehen unter militärischer Bewachung.
Die Bundesregierung hat wiederholt mündlich und schriftlich die Alliierte Hohe Kommission und ihre Unterausschüsse auf diese Sachlage hingewiesen und um Freigabe der nicht oder nicht ausreichend genutzten Objekte gebeten. In einem Memorandum vom 2. Januar 1951 hat der Bundeskanzler die Alliierte Hohe Kommission ersucht, bei der Erstellung von neuen Besatzungsbauten die Anforderungen an Raumgröße und Zahl der Zimmer so herabzusetzen, daß mit den verplanten Mitteln mindestens die doppelte Anzahl von Wohnungsbauten errichtet werden könne, und requirierte Wohnungen mit den Einrichtungsgegenständen Zug um Zug nach der Errichtung der neuen Besatzungsbauten freizugeben.
Das Bundesministerium der Finanzen hat in einem Memorandum vom 30. Dezember 1950 den alliierten Unterausschuß für Besatzungskosten unter Überreichung einer genauen Liste um die Freigabe bestimmter nicht genutzter, unterbelegter oder zweckfremd genutzter Hotels, Kuranstalten und Fremdenheime gebeten. Eine Antwort darauf ist von seiten der Besatzungsmächte bis heute leider noch nicht ergangen.
Die Bundesregierung wird sich auch in Zukunft nachdrücklich dafür einsetzen, daß der Gesamtbestand an requirierten Objekten, gleichviel ob es sich um Wohnungen oder gewerbliche Betriebe der privaten Hand handelt, unter Zuziehung von deutschen Sachverständigen einer eingehenden Überprüfung daraufhin unterzogen wird, ob nicht eine vollständige oder wenigstens teilweise Freigabe möglich ist. Hierbei darf allerdings nicht verkannt werden, daß, solange die Maßnahmen zur Verstärkung der alliierten Streitkräfte noch nicht abgeschlossen sind, in manchen Fällen eine Freigabe von gegenwärtig leerstehenden Objekten sich nicht durchsetzen lassen wird, weil ,diese für die Belegung mit neuen Streitkräften in Aussicht genommen sind.
Im übrigen wird zu dein Antrag noch folgendes bemerkt. Der in dem Antrag vorgeschlagene Weg einer automatischen Freigabe von requirierten Wohnungen, Gaststätten, Erholungsstätten und anderen Objekten, sofern sie von der Besatzungsmacht drei Monate lang nicht genutzt werden, wird
sich leider nicht durchführen lassen. Es wird viel-. mehr immer eine formelle Freigabe durch die Besatzungsmacht erforderlich sein, da alle Zahlungen für die Nutzungsentschädigung, für Ansprüche auf Besatzungsschäden usw. zu Lasten des alliierten Besatzungskosten- und Auftragsausgabenhaushalts gehen.
Bei der Sonderabteilung Besatzungslastenverwaltung des Bundesministeriums der Finanzen ist die Errichtung einer sogenannten Objektkartei in Angriff genommen worden, in der alle von den Besatzungsmächten requirierten Grundstücke erfaßt werden sollen. Die Unterlagen zur Führung dieser Kartei, die in Zukunft laufend fortgeschrieben wird, erhält die Sonderabteilung von den Behörden der Besatzungslastenverwaltung. Die Sonderabteilung wird sich von diesen Behörden wenn möglich auch melden lassen, ob requirierte Objekte zweckfremd genutzt, unterbelegt oder seit welcher Zeit sie von der Besatzungsmacht überhaupt nicht oder nur unzureichend genutzt werden. Bei diesen Arbeiten werden sich die Behörden der Besatzungslastenverwaltung selbstverständlich der Mithilfe der Gemeinden bedienen.
Das Bundesministerium der Finanzen wird nach einem Beispiel, das bereits in Bremen durchgeführt ist, bei den Besatzungsmächten die Einsetzung von gemischten Kommissionen aus Deutschen und aus Angehörigen der Besatzungsmächte beantragen, damit diese von Fall zu Fall Nachprüfungen vornehmen und die Freigabe solcher Räume erwirken können, die nicht unbedingt und sofort für Besatzungszwecke benötigt werden.
Die Bundesregierung hat daneben trotz der beengten Finanzlage des Haushalts im Haushaltsjahr 1950/51 im Einzelplan XXVII bereits 35 Millionen DM für einen Fonds eingesetzt, aus dem Ersatzbauten für die durch die Besatzung verdrängten Deutschen geschaffen werden sollten. Es darf damit gerechnet werden, daß in den nächsten Monaten mehrere Tausend dieser Wohnungen bereits fertiggestellt werden und zur Unterbringung der besatzungsverdrängten deutschen Bevölkerung zur Verfügung stehen.
Die Bundesregierung wird die Besatzungsmächte auch veranlassen, daß sie Zug um Zug mit der Errichtung von Besatzungswohnbauten durch die öffentliche Hand die requirierten bürgerlichen Wohnungen freigeben, so daß die Besatzungsbehörden dann endlich ausschließlich in öffentlichen Gebäuden untergebracht und die privaten bürgerlichen Wohnungen sämtlich freigegeben sind. Diese Maßnahmen verlangen nach der finanziellen Seite Wieder Opfer von dem deutschen Steuerzahler. Aber diese Opfer müssen wohl um der Beruhigung der Bevölkerung willen gebracht werden.