Rede von
Carl
Wirths
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren! Wir sind dafür, daß der Antrag angenommen wird, ohne daß er vorher dem Ausschuß zur Beratung überwiesen ist. Wir müssen aber offen bekennen: wir glauben nicht, daß er sehr viel Erfolg haben wird. Wir sind dieser Ansicht aus einer Reihe von Gründen. Die Hohe Kommission kann sich mit der Frage der Freigabe von beschlagnahmten und leerstehenden Häusern beschäftigen, soweit solche von Angestellten der eigenen Behörden beansprucht worden sind; dagegen wird sie kaum Erfolg haben, wenn es sich um Häuser handelt, die von der Besatzungsarmee beschlagnahmt worden sind. Ich glaube, daß die Erfahrungen, die die Länderregierungen auf diesem Gebiet gemacht haben, meine Ansicht bestätigen werden. Ich weiß, daß die zuständigen Minister in Nordrhein-Westfalen in Fällen, wie sie von den Vorrednern erwähnt worden sind, sich außerordentlich viel Mühe gegeben haben, etwas zu erreichen; aber sie haben bis jetzt nichts erreicht, weil die Besatzungsarmee auf diesem Gebiet macht, was sie will. Die Armee ist ja auch nicht an die Weisungen der Hohen Kommission gebunden. Deswegen verspreche ich mir von diesem Antrag keinen großen Erfolg.
Zum Abs. 2 möchte 'ich folgendes sagen. Ich glaube, daß die Gemeinden auch dann, wenn sie von der zuständigen Aufsichtsbehörde — ich will dabei nicht entscheiden, ob das nun das Land oder der Regierungspräsident oder sonst wer ist — aufgefordert werden, diejenigen Wohnungen zu melden, die länger als drei Monate nicht von ,der Besatzungsmacht genutzt werden, dieser Aufforderung nicht nachkommen können. Ich weiß, daß die zuständigen Beamten in den Gemeinden die Anweisung von der Besatzungsmacht haben. etwaige Listen über beschlagnahmte Häuser nicht herauszugeben. Ich glaube, das ganze Problem muß von
einer anderen Seite her angefaßt werden. Es muß sich darum handeln, jetzt nicht nur Ersatzwohnungen für die neuen Besatzungsverdrängten zu bauen, wie man sie neuerdings heißt, also für Leute, die ihre Wohnungen räumen müssen, weil die Kasernen erneut für die Besatzungstruppen beschlag- nahmt werden, sondern man muß auch für diejenigen Menschen Wohnungen bauen, die nunmehr seit fünf oder sechs Jahren aus ihren Wohnungen verdrängt worden sind.
Ich möchte hier das Beispiel von Bad Oeynhausen anführen. Meine Damen und Herren, heute noch besteht ein Stacheldrahtzaun um den größeren Teil der Stadt herum. Es gibt in Oeynhausen sogar einen Stadtpaß, der in besonderen Fällen. etwa für Ärzte oder für Angehörige anderer wichtiger Berufszweige ausgestellt wird. Mit einem solchen Stadtpaß kann man in das vom Stacheldraht abgetrennte Gebiet.
Das ist ein außerordentlich unwürdiger Zustand. Ich habe mir aber erzählen lassen, daß es auch in der russischen Zone etwas Ähnliches gibt, daß auch dort Wohnviertel von Stacheldraht umgeben sind. Ich glaube, wenn der Herr Kollege Fisch über die SED in der sogenannten Volkskammer erreichen würde, daß ein Vorstoß nach Karlshorst gemacht würde und die Russen den Stacheldraht entfernten, dann würde vielleicht auch der Engländer geneigt sein, seinen Stacheldraht in Oeynhausen zu entfernen.
Meine Damen und Herren, wir müssen also erstens Ersatzwohnungen für die Deutschen bauen, die seit Jahren aus ihren Wohnungen herausgeflogen sind, und wir müssen zweitens den Schritt tun und feststellen, ob die Deutschen überhaupt in ihre Häuser zurückkönnen, weil diese, wie eben mit Recht betont worden ist, in der Zwischenzeit so umgebaut worden sind, daß sie einfach nicht wiederzuerkennen sind. Es kommt dazu, daß ja auch die deutschen Behörden nicht das Recht haben, diese Häuser zu betreten.
In Oeynhausen 'beispielsweise sollen dem Vernehmen und der Presse nach eine Reihe von großen Häusern zur Aufnahme von kasernierten Truppen umgebaut werden oder umgebaut worden sein. Damit ist das Objekt als solches vernichtet. Ich glaube, die einzige Lösung wäre die, daß diese Häuser angekauft würden — natürlich zu Lasten der Besatzungskosten — und daß man das Geld dazu verwenden würde, für diese Deutschen neue Wohnungen und neue Häuser zu bauen. Ich glaube nicht, daß es möglich ist, den Zweck des Antrages auf andere Weise zu erreichen. Das ganze Problem darf nicht so relativ eng, wie es Herr Seelos betont hat, betrachtet werden, sondern es müßte einmal in seinem ganzen Umfang gesehen werden. Man muß den größten Wert darauf legen, daß die Dinge -- wie beispielsweise in Oeynhausen — sich ändern. Ich will nicht davon sprechen, daß man da noch viel großartigere Anlagen gebaut hat als z. B. in Garmisch-Partenkirchen. Das wird Ihnen zum größten Teil bekannt sein. Aber wenn wir nicht einen grundsätzlichen Wandel in der Auffassung der Besatzungsmächte und hier insbesondere der zuständigen Stellen der Besatzungsarmee erreichen, dann, meine Damen, und Herren, werden wir uns hier roch einige Male über das Problem zu unterhalten haben.