Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist für uns ja eine beruhigende Gewißheit, daß in Ausgleich dessen, was von den Alliierten im Westen mutwillig an beschlagnahmtem Eigentum zerstört wird, die Besatzungsmacht im Osten dafür um so behutsamer mit dem deutschen Eigentum umgeht.
Wir haben heute auch die Gewißheit erhalten, daß der Kollege Fisch sich dafür einsetzen wird, daß eine Besatzungsmacht einmal zunächst verschwindet, der niemand eine Träne nachweint: das sind seine politischen Freunde aus der Sowjetunion.
— Wir wollen mal sehen, wer zuerst verschwindet, Herr Kollege.
Ich darf nach den Äußerungen der beiden ersten Vorredner nur noch einige wenige Feststellungen treffen. Wir stimmen dem Antrag der Bayernpartei und der in ihm enthaltenen allgemeinen Tendenz sowie den einzelnen Wünschen darin grundsätzlich zu. Es .handelt sich zunächst um den Komplex der sogenannten leerstehenden Häuser, die schon oft 10 bis 12 Monate nicht mehr benutzt worden sind und trotzdem immer noch — zum Teil sogar unter hohen Bewachungskosten, Bewachungskosten, die aus deutschen Steuermitteln aufgebracht werden müssen — für zukünftige Verwendung bereit gehalten werden. Wir sind hier nicht dazu da, vielleicht regionale Einzelwünsche allein zu vertreten. Aber ich darf ein Beispiel nur aus der nächsten Nähe von hier nehmen. Wir haben drüben in Bad Godesberg in der Augustastraße, Hohenzollernstraße, Plittersdorfer Straße, Beethovenstraße, Übierstraße und Stirzenhofstraße Häuser mit 10, 12 und mehr Wohnräumen, die seit 10 bis 13 Monaten völlig leerstehen, aber weiterhin beschlagnahmt sind. Hier greift der Antrag mit Recht einen von der gesamten Bevölkerung und im besonderen von den Eigentümern dieser beschlagnahmten und seit Mon aten leerstehenden Häuser gehegten Wunsch auf, man solle die Häuser in Gottes Namen zurückgeben und, falls ein Bedarf an Wohnraum auftritt, diesen aus Besatzungsneubauten decken, statt die alten, seit Monaten leerstehenden Häuser etwa wiederum zu belegen.
Ein Mißstand, der diese Kreise der Besatzungsgeschädigten — die mit ihren Familienangehörigen immerhin weit über 3 Millionen Menschen in Deutschland ausmachen - ebenfalls erbittert, ist die horrende Unterbelegung dieser Häuser im Vergleich zu der normalen deutschen Durchschnittsbelegung auch in den Gegenden, die nicht so stark mit Heimatvertriebenen belegt sind. Wenn vorhin der Kollege von der SPD hier einige Einzelheiten gebracht hat, so zeigen wieder die Beispiele hier aus der Nähe, aus Bad Godesberg — und es ist überall so, ob es Mergentheim, Tölz, Garmisch, Bamberg oder andere von der Besatzungsmacht besonders schwer belegte Gegenden sind, die gleichzeitig auch eine starke Überfüllung mit einheimischer Bevölkerung haben — Mißstände, die einfach abgestellt werden müssen. Wir haben z. B. hier in Godesberg drüben in der Hohenzollernstraße 7 ein Haus mit 12 Räumen, das von 2 Personen bewohnt ist, in der Hohenzollernstraße 17 ein Haus mit 12 Räumen und 2 Personen, in der Hohenzollernstraße 15 ein laus mit 13 Räumen und 2 Personen, in der Plittersdorfer Straße 57 ein Haus mit 8 Wohnräumen und 2 Personen, in der Ubderstraße 65 ein Haus mit 17 Räumen und 3 Personen usw. Die Liste ließe sich beliebig ergänzen.
Bei den Bauten, die jetzt von der Besatzungsmacht für ihre Besatzungsangehörigen errichtet werden, wie zum Beispiel in Frankfurt, in Wolfgang bei Hanau und anderswo, ist es normal und üblich geworden, daß in den reinen Besatzungshäusern jede Besatzungsfamilie, Offiziers- oder Beamtenfamilie, eine gut eingerichtete und gut ausgebaute Wohnung erhält. Ich glaube, daß die Gewöhnung an die Zivilbevölkerung hier im Laufe der letzten sechs Jahre schon weit genug vorgeschritten ist, so daß man auch einmal den Versuch machen könnte, sowohl in Einzelhäusern als auch in Gaststätten das Convivium zwischen Deutschen und der Besatzungsmacht durchzuführen. das ja trotz Fraternisierungsverbot schon in den ersten Monaten des Jahres 1945, wenn natürlich auch unter anderen Voraussetzungen, praktisch gehandhabt worden ist.
Die Frage der unterbelegten Häuser muß natürlich angesichts der Überfüllung des deutschen Wohnraums eine besonders starke Erbitterung und besonders starke Mißhelligkeiten hervorrufen. Wir haben gerade im bayrischen Fremdenverkehrsgebiet eine ganze Reihe von Hotels und Gaststätten, die ausschließlich für die Besatzungsmacht belegt sind und seit der Zeit, da die deutschen Hotels und Gaststätten auch für die amerikanischen und sonstigen ausländischen Gäste geöffnet sind, nur mehr schwach besucht sind und die trotzdem nicht freigegeben werden. Ich darf hier ein besonders erschütterndes Beispiel bringen, das sind die Einrichtungen des Kurortes Bad Tölz. Bad Tölz ist das größte Jodbad Deutschlands, das bisher Tausenden von Herzleidenden Erholung gebracht hat. Die Kur-
einrichtungen von Bad Tölz sind immer noch beschlagnahmt, obwohl sie praktisch nicht mehr genutzt werden und unzählige Eingaben über alle möglichen Stellen gemacht worden sind, um die nicht mehr 'belegten Kureinrichtungen freizugeben, weil gerade die Angehörigen der Besatzungsmächte in den deutschen Hotels und Gaststätten heute viel lieber verkehren als in den reinen Besatzungsgaststätten oder Besatzungskantinen usw. Wir haben noch ein weiteres Beispiel in der Erweiterung der Pionierschule in Murnau, die zur Beschlagnahme eines Teils des Ufers des Staffelsees und dazu führt, daß der Fremdenverkehr in dieser Gegend sehr stark geschädigt wird. Dies ist mit aller Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Wir hatten an sich erwartet, daß eine Pionierschule zum Zwecke 'des Übungsbrückenbaus sich nicht gerade ein stehendes Gewässer aussucht, wo die Brücken von dem Ufer zu einer Insel gebaut werden, sondern eine der deutschen Anlagen der alten Pionierschulen benutzt wird, um im fließenden Gewässer Brücken zu errichten usw.
Darum hoffen wir, daß die Forderungen, die in dem Antrag der Fraktion der Bayernpartei erhoben werden, durch die Verhandlungen der Regierung mit der Hohen Kommission tatsächlich verwirklicht werden.
Ich gehe nun auf den letzten Absatz ein. Ich hoffe ja nicht, daß der Kollege Seelos mit der Zitierung der Gemeinden hier etwa ein Weisungsrecht des Bundes an die Gemeinden begründen will; denn das würde natürlich viel zu tief eingreifen.
Sie haben sich sehr vorsichtig ausgedrückt mit der Formulierung „sollen die Gemeinden angehalten werden".
Zum Schluß noch ein Wort, Herr Kollege Seelos. Sie haben vorher in sehr taktvoller Weise unter Verschweigen der Urheber die Anfrage wegen der Garmischer Kegelbahn gebracht. Es ist hier vielleicht nicht der richtige Ort, über die Frage zu sprechen, wer der bessere Diplomat ist. Da haben Sie doch auf diesem Gebiet die größere Vorgeschichte.
Ich habe aber keinen Grund, zu verschweigen, daßdiese Anfrage von uns, von der CSU, gestellt worden ist. Sie ist — das möchte ich ausdrücklich feststellen — nicht gestellt worden, um eine Politik der Nadelstiche zu betreiben, um heute diese, morgen jene Kleinigkeit herauszugreifen. Wenn aber, ohne daß von der örtlichen Militärregierung oder von der bayerischen Landesmilitärregierung widersprochen wird, in der größten Tageszeitung Deutschlands überhaupt, in der Süddeutschen Zeitung mit einer Auflage von 250 000 Exemplaren behauptet wird, daß in Garmisch eine Kegelbahn mit einem Aufwand von 400 000 DM aus dem Besatzungskostenhaushalt errichtet worden ist, so muß das selbstverständlich Unruhe und Empörung hervorrufen. Wir erwarten von der Besatzungsmacht nichts anderes als die Klarstellung dieser Angelegenheit und vertreten die Meinung: wenn die Angabe in der Zeitung richtig ist, liegt ein Mißbrauch der Besatzungskosten vor, das werden auch die Besatzungsbehörden nicht bestreiten; ist die Angabe nur teilweise richtig oder überhaupt nicht richtig, die in dieser Zeitung gemacht worden ist, dann liegt es im Interesse der Besatzungsmacht, daß die Öffentlichkeit darüber aufgeklärt wird, zumal es gerade eine Gegend betrifft, in der — abgesehen von dem sonst blühenden Fremdenverkehr — Tausende von Menschen ihr Leben mit einem der niedrigsten Einkommensätze fristen müssen. Es ist die gleiche 'Gegend, in der heute sehr zahlreiche Anträge auf Stundung der Soforthilfeabgabe beim Finanzamt liegen, weil die Steuern nicht mehr aufgebracht werden können. Da muß eine solche Art der Verwendung der Besatzungskosten begreiflicherweise Aufsehen und berechtigterweise Empörung hervorrufen, und darum, glaube ich, sind wir mit den verantwortlichen Stellen der Besatzungsmacht durchaus einig, daß solche Fragen geklärt werden. Wir haben nicht die Behauptung darüber aufgestellt, wir haben aber gewünscht, daß Klarheit darüber geschaffen wird. Gerade in einem Zeitpunkt, in dem man hinsichtlich der Verwendung der Besatzungskosten in ein neues Stadium getreten ist, was kein Mensch bestreiten wird, ist es unsere Pflicht als politische Vertreter dieses Bevölkerungsteiles, solche Dinge aufzudecken. Würden wir dazu schweigen, so würden wir uns aus diesen Kreisen der Bevölkerung einen Vorwurf zuziehen. Deswegen glaube ich, Herr Kollege Seelos, daß es nicht richtig ist, wenn wir hier in bezug auf Anfragen oder Anträge eine diplomatische Würdigung vornehmen; denn die Frage, wer von uns der undiplomatischere ist, ist noch lange nicht entschieden.