Meine Damen und Herren, hinsichtlich der Überweisung an den Ausschuß für Arbeit besteht Einmütigkeit.
Es ist weiterhin der Antrag gestellt worden, den Gesetzentwurf auch an den Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen. Ich bitte die Damen und Herren, die für die Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Stimmenthaltungen? — Ich sehe zwei Enthaltungen. Meine Damen und Herren, das zweite war die Mehrheit. Damit ist die Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik abgelehnt.
Ich rufe weiter auf den Punkt 11 der gestrigen Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der Bayernpartei betreffend Rückgabe nichtgenutzter, von der Besatzungsmacht beschlagnahmter Wohnungen .
Der. Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 15 Minuten und eine Aussprachezeit von 60 Minuten vor. — Das Haus ist damit einverstanden.
Das Wort zur Begründung des Antrags hat Herr Abgeordneter Dr. Seelos.
Dr. Seelos -, Antragsteller: Meine Damen und Herren! Wir hatten bereits vor acht Wochen eine ganz ausführliche Debatte über Besatzungsfragen. Ich möchte in keiner Weise diese Debatte wiederholen. Das erlaubt unsere Zeit nicht. Aber es ist notwendig, von Zeit zu Zeit immer wieder auf gewisse drängende Fragen in den Besatzungsangelegenheiten hinzuweisen, insbesondere da die kleine Revision des Besatzungsstatuts für die Bevölkerung keine Erleichterung des unmittelbaren Druckes gebracht hat. Deshalb drängen diese für den politischen und finanziellen Status der Bundesrepublik wichtigsten Fragen von selbst immer wieder nach vorn. Es ist wichtig, daß der unmittelbare Druck, den die Bevölkerung spürt, von ihr genommen wird, damit auch die ganze psychologische Haltung des Volkes zur Besatzung in normale, objektive Bahnen kommt. Es ist auch nicht tragbar, daß in der Entwicklung zu normalen Verhältnissen in bezug auf Besatzungsangelegenheiten wegen bevorstehender Konferenzen längere Pausen eintreten. Wir haben nun seit vielen Jahren alle sechs Monate wieder einmal eine „wichtigste Konferenz", die dann in der Entwicklung der Besatzungsfragen einen entscheidenden Schritt bedeuten soll, und immer wieder sind dadurch nur Pausen eingetreten, die für die Bevölkerung untragbar sind.
Ich möchte auch vorausschicken, daß bei diesen ganzen Diskussionen unbedingte Sachlichkeit von beiden Seiten walten muß, sowohl von seiten der Besatzungsmacht wie auch von deutscher Seite. Es geht z. B. nicht an, daß die Alliierten, die Gesetze erlassen haben, in denen sie für vor der Währungsreform entstandene Schäden einen Satz von 10:1 festsetzten, dann behaupten, daß das mit Zustimmung der Bundesregierung erfolgt sei, wenn das in keiner Weise wahr ist. Das vergiftet nur die Atmosphäre.
Andererseits dürfen aber auch von deutscher Seite nicht Dinge verbreitet werden, die einfach unwahr sind. Zum Beispiel mißbillige ich es, daß, veranlaßt durch eine Anfrage einiger Abgeordneten, durch ganz Deutschland und durch die Welt die in dieser Form falsche Meldung gegangen ist, als ob in Garmisch-Partenkirchen eine Kegelbahn mit 400 000 Mark Kosten eingerichtet worden sei.
Durch diese Anfrage ist in der ganzen öffentlichkeit ein falscher Eindruck entstanden. Tatsache ist, daß nur 85,000 DM an Kosten für das Gebäude für sieben Kegelbahnen entstanden und daß die ganzen Kegel, die halbmechanische Einrichtung und auch die Bestuhlung unmittelbar von Amerika geliefert worden sind. Ich sage das, um die Atmosphäre herzustellen, die notwendig ist, um eine sehr heikle Frage gerecht und objektiv zu regeln. Denn es ist nun einmal schwierig, zwei Interessen auszugleichen, das Bequemlichkeitsinteresse einer Besatzungsarmee und das Lebensinteresse eines Volkes.
Dieser Antrag will sich also sehr beschränken, auch nicht einmal die gesamte Wohnungsfrage, die Wohnungsbelegung, das Zusammenwohnen behandeln. Diese Fragen sind ja schon in der letzten allgemeinen Besatzungsdebatte sehr eingehend behandelt worden, bei der verschiedene Anträge auch der SPD vorlagen. Dieser Antrag will vielmehr in einem ganz speziellen Punkt, der für die Bevölkerung besonders unverständlich ist, eine Änderung erreichen. Wir beantragen nämlich, daß Wohnungen, Gast- und Erholungsstätten und andere Objekte, die drei Monate lang nicht von der Besatzungsmacht genutzt werden, automatisch an die deutschen Wohnungsberechtigten bzw. Nutzungsberechtigten zurückfallen sollen. Nach dem mir vorliegenden Material haben wir ungefähr mit an die 1000 leerstehenden Häusern und Wohnungen zu rechnen, die seit mehr als drei Monaten ungenutzt
sind. Ich habe hier Listen von der Vereinigung der Besatzungsgeschädigten. In Amberg z. B. stehen 22 Häuser leer, teilweise seit dreiviertel Jahren, in Bad Kissingen sind es 24 leerstehende Familienhäuser. In Regensburg sind 61 Wohnungen mit 202 Räumen seit über drei Monaten nicht belegt. Aus Neheim-Hüsten in der englischen Zone habe ich hier, alles mit Adressenangabe, zwei Objekte benannt, die seit 1947 leer stehen. Ich habe diese mir vorliegenden Listen über etwa 508 Objekte nachgeprüft und in einigen Telefongesprächen festgestellt, daß sie in keiner Weise genau und korrekt sind. Aus Grünwald bei München habe ich zwei Objekte genannt bekommen, die leer stehen, die aber in der Liste nicht enthalten sind. Aus Kempten hat man mir gemeldet, daß von den 71 beschlagnahmten Häusern bis vor kurzem die Hälfte leergestanden hat, daß in den nächsten Tagen bis zu 85 % der beschlagnahmten Wohnungen leer stehen und daß sich darunter Häuser befinden, die 10, 12 und 15 Monate ununterbrochen nicht belegt waren. All diese Objekte sind in meinen Sammellisten, die mir von den Interessentenverbänden gegeben worden sind, nicht enthalten. Man kann also wohl mit Sicherheit sagen, daß an die 1000 Häuser mehr als drei Monate leer stehen. Das ist doch bei der furchtbaren Wohnungsnot, die wir haben, einfach nicht tragbar.
Die Besatzungsmacht kann auch nicht, was sie in der letzten Zeit zu tun versucht, einige Objekte zuruckgeben und dann die deutschen Nutzungsberechtigten sich verpflichten lassen, daß sie jederzeit auf Anforderung innerhalb von sieben Tagen das Objekt wieder räumen. Das nützt uns gar nichts. Es geht auch nicht an, daß, wie es in den letzten Monaten geschah, eine Hortungspolitik getrieben wird und die normale geringe Freigabe, die wir im letzten Jahre zu verzeichnen hatten, seit einigen Monaten völlig stockt, weil man nicht genau weiß, was die Zukunft bringt. Ich bin der Auffassung, daß zum Beispiel die Zurückziehung der Besatzungsverwaltung auf der niedrigsten, auf der Kreisebene in Deutschland etwa 700 Häuser freistellen würde, die bestimmt für eine Armee nicht gebraucht werden. Wenn wir nun schon alles tun, um diese Divisionen, die vielleicht kommen sollen, unterzubringen, dann sind doch dafür Kasernen da. Dafür braucht man doch nicht die Privatvillen in irgendwelchen abgelegenen Orten.
Also ich bin der Auffassung, daß hier schon mehr getan werden muß. Bei dem Mangel an Material, das die amtlichen Stellen haben, müssen sich auch die amtlichen Stellen nun bemühen, endlich, nach sechs Jahren, ein verläßliches Material zu bekommen. Bis vor kurzem haben sich die Besatzungsmächte geweigert, mit uns zusammenzuarbeiten. Sie erinnern sich, daß wir hier schon einmal einen Antrag behandelt und uns dagegen gewehrt haben, daß es im Volkszählungsgesetz verboten war, die von den Besatzungsmächten beschlagnahmten Objekte mitaufzunehmen. Das sind Dinge, die aufhören müssen; sonst werden wir uns die Angaben mit anderen Mitteln beschaffen. Das ist ja nun möglich, aber das würde sofort dieser Untersuchung eine Tendenz gegen die Besatzung geben, und wir wollen ja gar nicht irgendeinen Streit, sondern wir wollen diese Dinge in Harmonie zusammen mit den Besatzungsmächten regeln.
Um verläßliche Angaben zu bekommen, ist es notwendig, daß die Gemeinden regelmäßig melden, wie der Stand der nicht benutzten Wohnungen ist.
Darauf bezieht sich der zweite Absatz unseres Antrages, der darum ersucht:
Zur Durchführung dieser Maßnahme sollen die Gemeinden angehalten werden, monatlich die von der Besatzungsmacht beschlagnahmten Wohnungen und andere Objekte zu melden, die länger als drei Monate nicht genutzt werden.
In welcher Form das dann mit den Ländern im einzelnen vereinbart wird, ist völlig Sache der Exekutive.
Ich glaube, es ist nicht notwendig, diesen Antrag, der in sich selbst verständlich und geschlossen ist, noch erst an den Ausschuß zu verweisen. Die Exekutive kann ja die Einzelheiten durchführen, wie sie es für richtig hält. Ich würde dankbar sein, wenn der Antrag im Interesse der Sache sofort hier im Plenum angenommen würde.
Bevor ich schließe, möchte ich aber noch diesen Appell nicht an die Besatzungsstellen, sondern an Washington, an London usw. richten, an die Stellen, wo wirklich die Entscheidungen gegen die Bequemlichkeit von Besatzungsarmeen getroffen werden: Sie sollen doch endlich die Besatzungsfragen so regeln, daß wir uns diese Debatten ersparen können, die uns bis daher stehen. Sie werden sich ja immer wiederholen und werden kommen mit steigendem Nachdruck, mit wachsender Stärke und auch mit wachsender Erbitterung, wenn berechtigten Forderungen des deutschen Volkes nicht Rechnung getragen wird. Wir wollen deshalb diese Fragen in friedlichem Geist regeln, so wie wir es von einer Freundschaftsbesatzung erwarten. Unberechtigte Forderungen müssen jetzt endlich aufhören, wenn die Besatzung nicht in den Geruch einer Zwangsbesatzung kommen soll.