Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst feststellen: Ich habe fast den Eindruck, daß der Sinn und der Zweck des Gesetzentwurfes völlig verkannt wird. Es wird über den Gesetzentwurf gesprochen, als ob er ein Gesetzentwurf über die Auseinandersetzung, über die Eigentumsübertragung oder -feststellung sei.
Dieser Gesetzentwurf regelt zunächst die Verwaltung, und zwar aus einem sehr dringenden Grunde. Meine Damen und Herren, man kann über das staatsrechtliche Verhältnis in Deutschland denken wie man will,
man braucht hier nicht darüber zu streiten.
- Es ist eine rhetorische Voraussetzung; das
heißt nur: diese staatsrechtliche Frage spielt jetzt gar keine Rolle.
— Diese staatsrechtliche Frage spielt bei dem Gesetzentwurf keine Rolle, Herr Kollege Carlo Schmid! — Es ist ganz gleichgültig, ob der Art. 134 Abs. 1 das Eigentum bereits mit dem Tage des Inkrafttretens der Verfassung auf den Bund überträgt oder ob das Eigentum erst mit dem Tage des Inkrafttretens des Ausführungsgesetzes nach Abs. 4 übergehen soll. Das eine kann niemand bestreiten: daß durch den Art. 134 des Grundgesetzes dem Bund z um i n d e s t die erste Anwartschaft auf das Eigentum an diesem Vermögen gegeben ist, und wer die Verwaltung dieses Vermögens, auf das der Bund die erste Anwartschaft besitzt, aus irgendwelchen Gründen zur Zeit innehat, muß diese erste Anwartschaft des Bundes respektieren. Es ist ein Verstoß gegen die Treuhänderpflicht, wenn der Treuhänder die Zwischenzeit benutzt, um über das Eigentum, auf das dem Bund die erste Anwartschaft zusteht, endgültig zu verfügen.
Die ganzen Verhältnisse und die ganzen Meinungsverschiedenheiten sind dadurch entstanden, daß die Länder das endgültige Verfügungs- und Veräußerungsrecht für dieses Vermögen in Anspruch genommen haben.
Dem Bundesministerium der Finanzen wurde im Sommer 1950 von einem Lande, als das Bundesministerium der Finanzen durch die Presse erfahren hatte, daß dieses Land über einen großen Vermögenskomplex verfügt hat,
auf Anfrage hin, unter welchen Umständen und aus welchen Gründen und ob die Veräußerung für dauernd erfolgt sei, zur Antwort gegeben, daß der Bund überhaupt kein Recht habe, nach der Veräußerung und nach der Verwaltung dieses Vermögens zu fragen.
Erst vor wenigen Tagen hat ein Land dem Bund
mitgeteilt, daß es in bezug auf Betriebe, die hundertprozentig früheres Reichseigentum gewesen
sind, für völlig verfügungsberechtigt halte und Vermögen dieser Betriebe veräußern wolle.
Das Bundesministerium der Finanzen hat mit großer Geduld mehr als 12 Monate lang mit den Ländern über den Abschluß einer Verwaltungsvereinbarung verhandelt. Diese Verhandlungen haben sich — nicht mit großen Gesichtspunkten, sondern mehr mit kleinen, ich möchte fast sagen: manchmal kleinlichen Gesichtspunkten — so hingeschleppt, daß es nicht mehr möglich gewesen ist, das Ende der Verhandlungen über die Verwaltungsvereinbarung abzuwarten. Es mußte infolgedessen ein neuer Weg gesucht werden, und nachdem die Verwaltungsvereinbarung nicht möglich war, während es für den Bund unmöglich ist, zuzusehen, wenn über Vermögen, für das dem Bund zumindest die erste Anwartschaft als Eigentümer zusteht, von dem Treuhänder bzw. dem Verwalter ohne Wissen des Bundes verfügt wird und verfügt werden soll, mußte eine Lösung gefunden werden. Diese Lösung ist der Gesetzentwurf, der sich ja nur auf die Frage der Verwaltung bezieht
und dem Bund nur das Recht gibt, Weisungen bezüglich der Verwaltung auszusprechen. Das ist der entscheidende Gesichtspunkt, und ich möchte bitten, dem Rechnung zu tragen.
Ich möchte noch um etwas anderes bitten. Wenn man über das Eigentum spricht und wenn man sagt, der Bund sei nicht Eigentümer, dann muß ich fragen: Wer ist denn sonst Eigentümer?
Wollen wir denn in Deutschland nach den Zonen gehen? Wollen wir denn in Deutschland unsere Meinungsverschiedenheiten entscheiden, indem sich Deutsche gegen Deutsche auf Militärregierungsgesetze berufen?
Ich möchte hier die Frage des Eigentums und die Frage der Verwaltung nicht nach Militärregierungsgesetzen beurteilen und betrachtet wissen,
zumal ich feststellen muß, daß Militärregierungsgesetze etwas Vorübergehendes sind, und ich hoffe, daß der Tage nur mehr wenige sind, an denen die Militärregierungsverordnungen Nr. 19 für die amerikanische Zone, Nr. 217 für die französische Zone und Nr. 202 für die britische Zone noch bestehen werden. Wir müssen doch alle wünschen, daß diese Militärregierungsregelung möglichst bald verschwindet, und müssen einen Gesetzentwurf unter dem Gesichtspunkt aufbauen, daß diese Militärregierungsgesetze nicht bestehen. Wenn und solange noch Streit über das Eigentum besteht, dann ist das erste und dringendste, wenigstens einmal die Verwaltung zu regeln, bis im Wege des Gesetzes das Eigentum reguliert werden kann.
— Oder die Ausscheidung des Eigentums; denn das Grundgesetz sieht vor, daß das, was in der Verwaltung der Länder steht, den Ländern übertragen werden soll und das, was in der Verwaltung des
Bundes steht, sowie die Beteiligungen grundsätzlich dem Bund übertragen werden sollen. Das muß durch Bundesgesetz geregelt werden, und bis dieses Gesetz in Kraft ist, muß die Frage der Verwaltung ihre Regelung finden. Diese Verwaltung zu regeln, ist der Zweck dieses Gesetzes.
Ich muß wirklich gestehen: die Vorschläge, die
die Bundesregierung den Ländern auch bezüglich
der endgültigen Eigentumsregelung gemacht hat,
sind meiner Überzeugung nach sehr entgegenkommend gewesen, und ich weiß, daß viele Länder
über das Entgegenkommen, zu dem die Bundesregierung bereit war, sehr erfreut und vielleicht
sogar überrascht gewesen sind. Gerade deshalb
hätte ich gewünscht, daß wir uns über eine Frage
wie diese, wie die Verwaltung in der Zwischenzeit — bis zur Ausscheidung des Eigentums —
unter Deutschen und nach deutschen Gesetzen zu
regeln ist, ohne Streit und in Frieden einigen
können. Ich bitte den Bundestag, den Gesetzentwurf in dem Sinn der Einigung anzunehmen.