Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für den Kreis meiner näheren politischen Freunde habe ich kurz folgendes auszuführen, was vom Standpunkt der Mehrheit in den Ausschüssen abweicht.
Man hat das hier in Frage stehende Gesetz als Vorschaltegesetz bezeichnet. Es bestimmt, daß, soweit Eigentum und sonstige Vermögensrechte, die dem Deutschen Reich zustanden, auf Grund gesetzlicher Bestimmung einem Land übertragen oder der Verwaltung eines Landes übergeben worden sind, die Eigentumsübertragung als nicht erfolgt und die Verwaltungsbefugnis als beendet gilt, wie dies der verehrte Herr Referent näher ausgeführt hat. In § 6 des Entwurfs in der Fassung des Ausschusses wird die Verwaltung des Vermögens den dort bezeichne ten Bundesbehörden übertragen.
Das Grundgesetz hat über die Rechtsverhältnisse des Vermögens des Reiches in Art. 134 Vorschriften erlassen. Ihre rechtliche Natur ist umstritten. Die Eile des Abschlusses in den Arbeiten des Parlamentarischen Rates hat, wie der Herr Referent dargelegt hat, manche Unklarheit gebracht. Aber für ,die Auslegung eines Gesetzes sind doch zunächst die Gesetzgebungsmaterialien heranzuziehen, die jetzt erst nach und nach allgemein zugänglich werden. Sie geben keine völlige Klarheit. Wenn Sie den Bericht des Referenten des Parlamentarischen Rates über den Abschnitt der Schluß- und Übergangsbestimmungen zugrunde legen, so trat nach dem Militärregierungsgesetz Nr. 19 Anfang Mai 1949 bei der endgültigen Fassung des Art. 134 klar die Anschauung zutage, daß in den Bestimmungen der drei Absätze des Art. 134, also auch in Abs. 1, wonach das Vermögen des Reiches grundsätzlich Bundesvermögen wird, nur programmatische Rechtsgrundsätze, Direktiven, Richtlinien für den Gesetzgeber gegeben werden sollen, der zum Vollzug des Art. 134 mit Zustimmung des Bundesrates ein Bundesgesetz erläßt. Aber auch wenn man die Sätze in Abs. 1 bis Abs. 3 des Art. 134 nicht nur als Programmsätze und Richtlinien, sondern als Rechtssätze ansieht, sind die drei Absätze ein zusammenhängendes Ganzes. Sie werden durch den zusammenfassenden Abs. 4 verbunden, wonach die Auseinandersetzung durch ein Bundesgesetz erfolgen muß, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Der Art. 134 Abs. 1 gibt den Obersatz, daß das ehemalige Reichsvermögen grundsätzlich Bundesvermögen, also Vermögen der gleichen Rechtspersönlichkeit, wie sie das Reich darstellt, bleibt, soweit nicht die Ausnahmen nach Abs. 2 und 3 eingreifen. Und es handelt sich um eine Auseinandersetzung, die nicht nur die Aktiva, sondern auch die Passiva, die Schulden und Aufwendungen, in Betracht ziehen muß, die von den Ländern in der Zeit ihres Eigentums oder ihrer Verwaltung für dieses Vermögen gemacht worden sind. Die Länder haben ja den Wiederaufbau zum Teil unter Überwindung größter Schwierigkeiten vorgenommen. Diese Auseinandersetzung ist dem Bundesgesetz zugewiesen. Auch dieses Vorschaltegesetz ist eine vorausgeschickte Teilregelung dieser Auseinandersetzung; sie will die Auseinandersetzung einseitig zugunsten des Bundes und zu Lasten der Länder vollziehen, die man bei allen ihren berechtigten Ansprüchen auf die Bittstellung gegenüber dem Bund zurückdrängen will.
Der Art. 134 Abs. 1, der mit Recht den Vorrang des Bundes aufstellt, ist kein selbständiger Programmsatz oder Rechtssatz; er ist an die Ausnahmen in Abs. 2 und 3 gebunden, und die gesamte Durchführung — der Regel und ihrer Ausnahmen — stellt die Auseinandersetzung dar, die von der Zustimmung des Bundesrats abhängig ist.
Der Rechtsausschuß des Bundesrats hatte also völlig recht, wenn er nach den Darlegungen seines Herrn Vorsitzenden, Minister Dr. Katz, am 12. August 1950 betont hat, daß auch derartige Zwischen- und Vorgesetze zur Regelung des Reichseigentums an die Zustimmung des Bundesrats gebunden sind. Die Länder haben den Gesetzentwurf am 12. August 1950 einmütig abgelehnt und erklärt, daß die Zustimmung des Bundesrats nicht in Aussicht gestellt werden könne, und der Bundesrat hat der Bundesregierung vorgeschlagen, den Gesetzentwurf zurückzuziehen. Das ist nicht geschehen.
Es entspricht nach meiner Überzeugung und der meiner näheren Freunde dem Willen und dem Wortlaut des Gesetzes, daß eine Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern zu erfolgen hat. Es wäre möglich, daß auch Teilregelungen in diesem schwierigen Gegenstand erfolgen; aber eine solche ganz einseitig nur zugunsten des Bundes wirkende Teilregelung ist mit dem Grundgedanken der gütlichen Auseinandersetzung, wie sie das Grundgesetz in Art. 134 vorsieht, unvereinbar. Meine näheren politischen Freunde können deshalb diesem Gesetzentwurf ihre Zustimmung nicht geben.