Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ihnen hier vorliegenden Gesetzentwürfe über die Erhöhung der Bezüge für die Arbeitslosen und Arbeitslosenfürsorgeunterstützungsempfänger sollen keine grundsätzliche Neuordnung dieses Fragenkomplexes herbeiführen. In meinem Ministerium ist eine Novelle über die Neuordnung und Neugestaltung des AVAVG fertiggestellt worden. Es haben bereits Besprechungen mit den Ländervertretern und mit den Sozialpartnern stattgefunden, und alle diese Stellen wollen mir bis zum 4. April ihre endgültige Stellungnahme schriftlich zugehen lassen.
Wir müssen uns bei dieser Gesetzesmaterie darüber klar sein, daß wir ein völlig auseinandergelaufenes Recht vor uns haben. In der britischen Zone haben wir in der Nachkriegszeit wieder ein einheitliches Recht bekommen, aber in den anderen Zonen ist das Gesetz so weit auseinandergelaufen, daß man heute von zehn verschiedenen Rechtsgrundlagen ausgehen muß. Wir wollen durch diese Ihnen jetzt vorliegenden Gesetzentwürfe erreichen, daß zumindest in der Unterstützungszahlung einheitliches Recht für das ganze Bundesgebiet herbeigeführt wird. Deshalb finden Sie im Anhang an diese Gesetzentwürfe die Unterstützungslisten, die Inhalt und Teil der Gesetze werden.
Soweit es sich hier um die Fragen handelt, die die Arbeitslosenversicherung selbst angehen, handelt es sich hauptsächlich um eine Neugestaltung des § 105. Hier soll einem Übelstand abgeholfen werden, der dadurch entstanden ist, daß in der Vergangenheit der tatsächliche Arbeitsverdienst des Einzelnen zur Grundlage der Berechnung seiner Unterstützung herangezogen wurde. Die Folge davon war, daß, wenn der Mann in den letzten dreizehn Wochen seines Arbeitsverhältnisses krank war oder er aus irgendwelchen dringenden Gründen einen Urlaub nehmen mußte, er nachher mit einem zu geringen Arbeitsverdienst seine Unterstützung berechnet bekam. Diese Dinge sind abgeändert worden. Vor allen Dingen ist auch die Möglichkeit beseitigt worden, daß jemand eine Schädigung seiner Bezüge erfährt, weil er in den letzten dreizehn Wochen Kurzarbeit machen mußte. In der Zukunft wird für die Berechnung der Unterstützungssätze die tarifvertraglich für den betreffenden Beruf vorgesehene Arbeitszeit zugrunde gelegt sein. Nur wenn jemand aus eigenem Ermessen heraus Freizeiten eingelegt hat, wird er dadurch ein Schädigung erfahren.
Weiter sind die Unterstützungssätze in der Arbeitslosenversicherung in der neuen Liste um 10 % erhöht worden. Bei der Arbeitslosenversicherung wirkt sich ein höheres Lohnniveau ja bereits dadurch wesentlich aus, daß der betreffende eben
seine Unterstützungssätze nach den neuesten Tarifen bekommt. Darüber hinaus haben wir noch dafür gesorgt, daß, wenn jemand eine außerberufliche Arbeit vorübergehend angenommen hat — ich will einmal sagen: ein gelernter Facharbeiter der Metallindustrie ist irgendwie in der Landwirtschaft tätig gewesen' —, er seine Unterstützung nicht nach den Verdiensten der letzten dreizehn Wochen bekommt, sondern der Betreffende kann den Antrag stellen, daß ihm der durchschnittliche Verdienst der letzten 52 Wochen zugrunde gelegt wird, wenn das für ihn besser ist. Es wird auch noch die Frage zu prüfen sein, ob man diese Bestimmungen nicht so weit ausdehnt, daß auch eine in der Zwischenzeit eingetretene Erhöhung der Tariflöhne zusätzlich in Anrechnung gebracht werden kann.
In diesem Gesetzentwurf finden Sie dann Bestimmungen über die Höchstarbeitsentgelte, die in der Arbeitslosenversicherung zugrunde gelegt werden können. Sie finden hier den täglichen Arbeitsverdienstsatz von 12,50 DM; er war seither 10 DM. Für den wöchentlichen Verdienst finden Sie 87,50 DM und für den Monatsverdienst 375 DM. Durch diese Bestimmungen werden die Höchstsätze, die zur Anrechnung gebracht werden können, um rund 25 °/o erhöht. Wenn Sie sich die hier vorgesehenen Bestimmungen in ihrer Gesamtheit ansehen, werden Sie davon sprechen können, daß die tatsächlichen Bezüge derjenigen, die arbeitslos werden 'oder arbeitslos sind, in einem höheren Rahmen als nur um 10 % erhöht werden.
Wesentlich anders liegen die Dinge bei dem zweiten Gesetzentwurf, dem Entwurf über die Arbeitslosenfürsorgeunterstützungen. Hier handelt es sich an erster Stelle darum, daß wir jemanden, der vorübergehend Arbeit angenommen und noch keine neue Anwartschaft erworben hat, in der Zukunft nicht mehr nach seinem früheren Arbeitsverdienst einstufen, sondern nach dem Arbeitsverdienst, den er nun in den letzten dreizehn Wochen gehabt hat. Die Notlage ist ja bei den Arbeitslosenfürsorgeempfängern draußen am allergrößten, vor allen Dingen dann, wenn es sich um Menschen handelt, die jahrelang arbeitslos sind, wie wir sie leider Gottes in den Flüchtlingsländern finden. Um dieser besonderen Notlage zu steuern, sind wir in der Vorlage dazu übergegangen, diesen Leuten die Möglichkeit zu geben, ihre Unterstützungssätze umwandeln zu lassen, und zwar nach dem erhöhten Lohnniveau ihres Berufes. Wenn beispielsweise ein Bauarbeiter vor zwei Jahren arbeitslos geworden ist, damals einen Stundenlohn von einer Mark gehabt hat und sein Arbeitslosenfürsorgesatz nun auf dieser Grundlage errechnet ist, dann kann er beim Arbeitsamt den Antrag stellen, daß für seine Unterstützungsberechnung für die Zukunft der jetzige Tariflohn seines Gewerbes angerechnet wird. Wir haben darüber hinaus natürlich auch hier die Unterstützungssätze um 10 Prozent erhöht. Wir werden hierdurch vielleicht schon an der einen oder anderen Stelle in größere Schwierigkeiten wegen der Aufnahme von zumutbaren Arbeiten kommen.
Zusammenfassend möchte ich Ihnen sagen, daß die Gesetzentwürfe nicht dazu angetan sind, das wirklich ernste Problem der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitslosenfürsorge endgültig zu regeln. Hier handelt es sich darum, die schnellstmögliche Verabschiedung eines Gesetzes herbeizuführen, das den Arbeitslosen, vor allen Dingen den Arbeitslosenfürsorgeunterstützungsempfängern größere Beträge geben will, als es seither möglich war.
Über den Kostenaufwand möchte ich Ihnen sagen, daß die zur Durchführung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes aufzubringenden Mittel natürlich den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung entnommen werden müssen. Wir rechnen damit, daß die Mehrkosten im Jahr 55 Millionen DM betragen. Die erhöhten Löhne und die damit erhöhten Eingänge an Arbeitslosenversicherungsbeiträgen setzen die Arbeitslosenversicherung instand, diese Mittel aufzubringen, ohne eine Gefährdung der Arbeitslosenversicherung herbeizuführen. Für den zweiten Gesetzentwurf müssen die finanziellen Grundlagen vom Bund erbracht werden. Es handelt sich dabei um Mehrausgaben für den Bund in Höhe von 80 Millionen DM im Jahr.