Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst zu dem Antrag der KPD Drucksache Nr. 1958 und zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Kohl kurz Stellung nehmen. Zu seinem Leidwesen muß ich mitteilen, daß die Arbeitslosenzahl in den letzten Wochen nicht gestiegen, sondern immerhin um etwa 250 000 gesunken ist. Das wird ihm sehr leid tun; aber uns freut es, und wir hoffen und wünschen, daß wir auch in den kommenden Wochen ein starkes Absinken der Arbeitslosigkeit verzeichnen können.
Zu dem Antrag Drucksache Nr. 1958 möchte ich sagen, daß darin sehr wenig enthalten ist, was genügend durchdacht ist. Der einzige Punkt, in dem ich mit den Antragstellern einig gehe, betrifft die Abänderung des § 74 AVAVG. Es geht darum, die Lehrlinge für eine bestimmte Zeit vor Abschluß der Lehre der Versicherungspflicht zu unterstellen, damit sie einen Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung haben, wenn sie nach Ablauf der Lehrzeit arbeitslos werden.
Zu den anderen beantragten Änderungen des Gesetzes möchte ich folgendes sagen, und zwar zunächst zu § 60. Schon bisher war die Vermittlung durch die Arbeitsämter und die Inanspruchnahme der Berufsberatung immer unentgeltlich. In Abs. 2 des Gesetzes ist lediglich gesagt, daß Vermittlungseinrichtungen, die nicht in den Rahmen der Arbeitsämter gehören, berechtigt sind, von den Auftraggebern den Ersatz ihrer Auslagen zu verlangen.
Der Antrag der KPD verlangt zu § 63, daß eine Vermittlung in den Fällen nicht durchgeführt wird, in denen in einem bestimmten Betrieb oder in einer bestimmten Industrie gestreikt wird. Bisher war es so, daß die Arbeitsämter in solchen Fällen den Bewerbern Mitteilung von der Bestreikung machen mußten und daß dann jeder die Möglichkeit hatte, die Aufnahme der Arbeit zu verweigern.
— Nein, das ist noch so. Es kann keinem etwas geschehen, wenn er in diesem Falle die Arbeitsaufnahme verweigert. Wenn wir Ihrem Antrag stattgeben würden, würde das praktisch dazu führen, daß die Arbeitsämter in solche Arbeitskämpfe eingreifen; und das wollen wir nicht.
Zu § 87 fordert der Antrag der KPD, daß jede Anwartschaftszeit wegfällt. Hierzu möchte ich einiges Grundsätzliche sagen. Wir legen Wert darauf, daß auch in der Arbeitslosenversicherung der Versicherungscharakter soweit wie möglich erhalten bleibt. Wir wissen, daß hier die Dinge etwas schwieriger liegen als sonst in der Sozialversicherung. Wir wollen aber doch nicht ganz von dem Versicherungscharakter abgehen, wie es in dem Antrag gefordert wird. Es ist ja nicht so, daß diejenigen, die keine Anwartschaftszeit erfüllt haben, ohne jede Hilfe dastehen, sondern sie können im Falle der Bedürftigkeit die Arbeitslosenfürsorge in Anspruch nehmen.
Den § 90 will der Antrag dahin geändert wissen, daß jeder berechtigt sein soll, die Arbeitsaufnahme zu verweigern, wenn die Arbeit an einem andern Ort angeboten wird. Meine Damen und Herren, wenn Sie das tun, führt das allenfalls dazu, daß die Pendelarbeiter — und das sind ja nicht wenige — unter Umständen berechtigt sind, die Arbeitsaufnahme an einem andern Ort zu verweigern. Ich darf darauf hinweisen, daß wir Städte haben, in denen mehr als 50 % der Arbeitnehmer Pendelarbeiter sind. Das Gesetz bietet heute schon ausreichende Möglichkeiten, die Arbeitsaufnahme an einem fremden Ort zu verweigern, nämlich dann, wenn dem Arbeitslosen Nachteile entstehen würden.
In Ihrem Antrag fordern Sie weiter, daß § 91,
d. h. die Möglichkeit beseitigt wird, den Arbeitslosen zur Pflichtarbeit heranzuziehen. Meine Damen und Herren, wer die Praxis kennt, der weiß,
daß es eine unbedingte Notwendigkeit ist, diese
Möglichkeit einer Heranziehung zur Pflichtarbeit
zu geben, und zwar aus erzieherischen Gründen,
damit in den Fällen, in denen der Arbeitswille bezweifelt werden kann, die Möglichkeit zur Überprüfung des Arbeitswillens besteht. Meine Freunde sind der Auffassung, daß wir hier eher eine Ausweitung als eine Einengung vornehmen sollten.
Das gleiche trifft auf die nächste Ziffer Ihres Antrags zu. Sie wollen die Bestimmung im AVAVG streichen, daß dem Arbeitslosen unter Umständen die Unterstützung entzogen wird, wenn er sich nicht an Einrichtungen zur beruflichen Fortbildung beteiligt.
Der Sinn der Maßnahmen zur beruflichen Fortbildung, die durch die Arbeitsverwaltung durchgeführt werden, ist doch der, den Arbeitslosen vermittlungsfähiger zu machen, ihm zusätzliche Kenntnisse zu verschaffen, damit er in der Konkurrenz um den Arbeitsplatz besser dasteht, und hier ist es unter Umständen notwendig, durch die Möglichkeit, die Unterstützung zu entziehen, einen Zwang auszuüben, damit der einzelne sich an diesen Fortbildungseinrichtungen beteiligt.
Durch die Streichung von § 95 soll die Anwartschaftszeit beseitigt werden. Nach § 99 wird die Arbeitslosenunterstützung praktisch für die ganze Dauer der Arbeitslosigkeit beantragt. Ich halte — auch wiederum im Hinblick auf die Aufrechterhaltung des Versicherungscharakters — die bisherige Regelung für zweckmäßiger, daß für eine bestimmte Zeit ein versicherungsrechtlicher Anspruch besteht und daß, soweit das möglich ist, diese Aufwendungen. für einen bestimmten Zeitraum aus den Beitragsmitteln bestritten werden. Darüber hinaus ist es unerläßlich, bei der bisherigen Regelung zu verbleiben, also bei der Arbeitslosenfürsorge mit der damit verbundenen Bedürftigkeitsprüfung. Das ist unerläßlich, weil es nur so möglich ist, die Aufwendungen für diese Unterstützungen im Rahmen des Tragbaren zu halten.
In § 105 schlagen Sie eine beachtliche Erhöhung der Hauptunterstützung vor. In Verbindung damit will ich auch auf den § 107 eingehen, in dem Sie die gesamte Unterstützung auf 90% des Arbeitsentgelts begrenzen wollen. Meine Damen und Herren, Ihnen allen ist bekannt, daß heute der Arbeitnehmeranteil an den Sozialbeiträgen 10% und darüber beträgt. Wenn Sie diesen Grundsatz akzeptieren, dann stellen Sie den Arbeitslosen praktisch demjenigen gleich, der in Arbeit steht. Ich frage mich, ob das zweckmäßig ist, ob dadurch der Wille zur Arbeit erhalten bleiben kann oder ob hierdurch nicht die Möglichkeit des stärkeren Mißbrauchs gegeben ist.
Das sind so einige Hinweise, die Ihnen zeigen, daß dieser Antrag zumindest nicht recht durchdacht ist. Ich habe doch immerhin die Sorge, daß er mehr um seiner agitatorischen Wirkung willen gestellt worden ist.
Ich bin der Meinung, wir sollten diesen Antrag dem Ausschuß für Arbeit überweisen. Dieser kann ihn zugleich mit den bereits vorliegenden Anträgen behandeln.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit darum bitten, daß die Regierung die angekündigte Novelle zum AVAVG doch baldigst vorlegt, damit wir dann in einem Zug die Korrektur des Gesetzes, soweit diese erforderlich ist, vornehmen können.
Zu den beiden Vorlagen der Bundesregierung brauche ich nicht viel zu sagen. Der Herr Bundesarbeitsminister hat die Vorlagen erläutert. Ich kann namens meiner Freunde diese Vorlagen begrüßen, da sie gegenüber dem bisherigen Zustand eine beachtliche Verbesserung bedeuten. Ich will auf die Einzelheiten nicht eingehen. Ich bitte nur zu erwägen, ob es nicht möglich ist — starke Bedenken sind bisher nicht vorgetragen worden —, diese beiden Vorlagen heute auch noch in zweiter und dritter Lesung zu verabschieden, damit die Arbeitslosen drei Wochen früher in den Genuß dieser Verbesserungen kommen können. Meine Damen und Herren, wir stehen vor der Osterpause. Verabschieden wir die beiden Vorlagen heute nicht — ich weiß, es ist ein ungewöhnliches Verfahren —, dann bedeutet das praktisch, daß die Arbeitslosen einige Wochen später in den Genuß dieser Verbesserung kommen. Ich würde dabei wünschen, daß die vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen berücksichtigt werden, soweit sie von der Bundesregierung akzeptiert sind. Ich bin nicht der Meinung, daß die Gegensätze hier so groß sind, daß die Ausschußberatung unbedingt erforderlich ist. Ich bin der Meinung, die weitergehenden Wünsche könnten im Ausschuß zusammen mit den übrigen die gleiche Materie betreffenden Fragen behandelt werden. Wir sollten uns aber bemühen, den Versuch zu machen, die Sache heute in zweiter und dritter Lesung durchzuziehen, damit, wie ich schon sagte, die
Arbeitslosen drei Wochen früher in den Genuß der Verbesserungen kommen, die diese Gesetzentwürfe bringen.