Rede von
Dr.
Franz
Ott
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(Plos)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (Plos)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als am 1. März 1951 in der 122. Sitzung das Problem bereits behandelt wurde, ist eine gewisse Beruhigung unter den Arbeitslosen und Rentenempfängern eingetreten, weil man im Bundesparlament von einer Erhöhung von sage und schreibe 25 % und als Zeitpunkt vom 1. April 1951 sprach.
Heute hat man uns nun einen Entwurf vorgelegt, wonach die Sätze der Arbeitslosenfürsorge um 10 % erhöht werden sollen. Ich habe damals erklärt: wir verzichten auf eine Begründung unseres Antrags Drucksache Nr. 1863, weil wir annehmen, daß die soziale Lage dieser Ärmsten der Armen zur Genüge bekannt ist. Nach dem Studium dieser Vorlage aber bin ich zu der Meinung gekommen, daß dem doch nicht so ist. Uns geht es nicht um demagogische Redensarten, wie in der damaligen Debatte gesagt wurde.
Uns geht es nicht darum, daß zum Fenster hinausgeredet wird, sondern uns geht es darum, daß
wirklich diesen Ärmsten der Armen geholfen wird.
Darum frage ich Sie, Herr Arbeitsminister: Ist Ihnen bekannt, daß sich unter diesen Arbeitslosen in erster Linie die Heimatvertriebenen befinden, die nackt über die Grenze gejagt wurden auf Grund der Verträge von Potsdam und Jalta, in denen von einer sogenannten harmlosen „humanen" Vertreibung, einer wirklich angenehmen Vertreibung gesprochen wurde? Diese Menschen haben nichts mitnehmen können, kein Taschentuch, keinen zweiten Anzug, gar nichts. Sie sind wirklich nackt herübergetrieben worden. Und nun sollen sie unter diesen Bedingungen ihr Leben fristen? Die Sätze reichen nicht einmal hin, um sich ernähren, geschweige denn, um sich Anschaffungen an Kleidung, Wäsche und dergleichen Dingen mehr machen zu können. Wenn ich am Samstagabend in meinen Wahlkreis heimkomme, habe ich schon immer Angst, weil die Menschen in Schlangen vor meiner Wohnung stehen, die bitten und betteln, die um Rat kommen und fragen: ja, was wird denn im Parlament gemacht? Bekommen wir endlich jene Hilfe, die wir brauchen, um überhaupt leben zu können? Tränen werden vergossen, Herr Arbeitsminister! Es ist wirklich katastrophal, in welcher Lage sich diese armen, armen Menschen befinden.
Deshalb können wir diesen Sätzen unter keinen Umständen zustimmen, denn sie wären keine Hilfe für die Arbeitslosen, sondern nur, ich muß schon sagen, ein gewisses Beruhigungsmittel, eine Morphiumspritze, die sie ein bißchen über das hinwegtäuschen soll, was eigentlich ist. Wir kennen die Schwierigkeiten, mit denen die Regierung heute zu kämpfen hat. Das wissen wir ganz genau. Aber es ist schon einmal der Satz gefallen: Wenn wir schon zur Armut verurteilt sind — so ungefähr hat es geheißen —, dann soll diese Armut auch von allen getragen werden! Ist Ihnen bekannt, Herr
Arbeitsminister Storch, daß in den Städten die Millionäre wie Pilze aus dem Boden schießen?
— Das stimmt! Das ist erwiesen, meine Damen und Herren! Ich habe erst vor wenigen Tagen einen Herrn aus der Stadt Reutlingen bei mir gehabt, der mir über diese Dinge berichtet hat. Wir haben wirklich den Wunsch, daß diese Armut von allen Menschen getragen wird und daß endlich einmal dort angepackt wird, wo man anpacken kann, nämlich bei den Reichen, die sich durch die Kriegsschacherei bereichert haben, die sich bei der Währungsreform bereichert haben und die sich bis heute auf Grund dieser Voraussetzungen zu diesen Millionengewinnen haben heraufschwingen können.
Darum lehnen wir diese Gesetzesvorlage ab und bitten, uns baldigst eine andere Vorlage zu unterbreiten, mit der den Ärmsten der Armen wirklich geholfen werden kann.