Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Fraktion der Deutschen Partei begrüßt die Absichten der Bundesregierung, in der Frage der Erhöhung der Unterstützungssätze der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitslosenfürsorge einen Versuch zu machen, der dringenden Not in etwa zu steuern, und wir freuen uns, daß gleichzeitig mit dieser Vorlage endlich auch die Rechtseinheit auf dem Gebiet der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitslosenfürsorge hergestellt
wird, daß durch einheitliche Tariftabellen, durch einheitliche Erhöhung der Sätze die Rechtszersplitterung nicht nur beseitigt wird, sondern darüber hinaus auch die Grundlage für einen echten und notwendigen Finanzausgleich geschaffen wird. Insofern bejahen und begrüßen wir diese Vorlage.
Was aber die beabsichtigte Erhöhung der Unterstützungssätze und die bisherige Konstruktion der Gesetzgebung, auf die Herr Dr. Schäfer eben schon hingewiesen hat, angeht, so sind wir der Auffassung, daß die Vorlage ein Notverband auf eine langeiternde Wunde ist, von der wir glauben, daß an ihr endlich einmal von einem geschickten Chirurgen operiert werden sollte.
Insofern möchte ich, ohne die Grundsatzdebatte etwa zu eröffnen, nur auf zwei Probleme hinweisen, die wir bei der von uns sehr begrüßten Novelle zum AVAVG dann im Rahmen sehr gründlicher Mitarbeit im Ausschuß vertiefen wollen. Ich möchte also darauf aufmerksam machen, daß es sich j a um gar keine Arbeitslosenversicherung handelt und daß wir niemals eine wahre Versicherung nach einem echten Versicherungsprinzip besessen haben. Die Höhe und die Erhebung der Beiträge erfolgen zwar nach einem versicherungstechnischen Prinzip; aber auch in der zur Debatte stehenden Vorlage werden die Leistungen nicht nach denselben Prinzipien begründet, sondern sie erfolgen weitgehend wie bisher nach dem Fürsorgeprinzip.
Um ein einfaches, verständliches Beispiel zu nennen: Ein Arbeiter oder Angestellter, der 30 Jahre lang Beiträge bezahlt hat, wird nun im Alter arbeitslos. Er übernimmt eine minderbezahlte, geringerwertige Beschäftigung und bekommt dann, wenn er erneut arbeitslos ist. die Leistungen nicht nach den 30 Jahre lang gezahlten Beiträgen, sondern nach den vielleicht im letzten Jahr oder im letzten halben Jahr gezahlten Beiträgen, weil sich die Leistungen ja nach dieser Zeit errechnen. Mit diesem primitiven Beispiel meine ich anschaulich gemacht zu haben, worum es uns geht, nämlich bei der Novelle zum AVAVG klarzustellen: Ist überhaupt die Frage der Arbeitslosigkeit mit einer Arbeitslosenversicherung konstruktiv zu lösen — was in der öffentlichen Diskussion seit dem Bestand der Arbeitslosenversicherung mit Recht weitgehend bestritten wird —, oder müssen wir uns in der Frage der Arbeitslosenfiirsorge bemühen, neue und bessere Wege zu finden?
Der Herr Minister hat in seiner Begründung, die er uns zur Gesetzesvorlage gegeben hat, darauf hingewiesen, daß die Erhöhung der Unterstützungssätze nur um durchschnittlich 10 vom Hundert möglich ist und daß weitergehende Erhöhungen nicht nur geeignet sein würden, den Arbeitswillen zu lähmen, sondern auch die Tragfähigkeit der Arbeitslosenversicherung erheblich schmälern, j a geradezu eine Gefahr der Illiquidität der Arbeitslosenversicherung heraufbeschwören würden. In diesem Zusammenhang würde es meine Fraktion allerdings sehr begrüßen, wenn uns der Herr Minister sehr bald einmal ein klares Bild über die Verwendung der Mittel des Reichsstocks auch hinsichtlich der von meinem Vorredner angeschnittenen Frage des sozialen Wohnungsbaus geben könnte. Ebenso würde es uns freuen, wenn uns der Herr Minister eine Erklärung geben könnte über die von ihm in letzter Zeit oft angeschnittene Frage der möglichen Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge oder gar der beabsichtigten
Verwendung der Mittel der Arbeitslosenversicherung für die Sanierung der Rentenversicherung. Alle diese Dinge sind außerordentlich wichtig, und meine Fraktion hofft, daß hier bei der Novelle zum AVAVG von Grund auf klare und übersichtliche Verhältnisse für eine Neuordnung, die für Jahre hinaus Wert haben soll, geschaffen werden.
Ich hoffe außerdem, daß die von der Regierung beabsichtigte Erhöhung der Sätze besonders in den Flüchtlingsländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein eine spürbare Erleichterung bringen wird. Meine Fraktion begrüßt alle Maßnahmen, die — um mit den Worten des Vorredners der SPD zu sprechen — so sozial wie möglich und so sozial wie nötig sein werden. Sie ist aber in der Auffassung, was sozial ist, wahrscheinlich in der Problematik der „Prinzipien der Fürsorge" und „des echten Versicherungsprinzips" anderer Auffassung als die Opposition.
Zusammenfassend möchte ich sagen: In der Frage der Arbeitslosenfürsorge werden wir alles begrüßen, was der werteschaffenden Arbeitslosenfürsorge dient, wodurch Unterstützungsgelder in Arbeit umgewandelt werden. Wir sind mit der Regierung darin einig, daß die Höhe der Fürsorgesätze immer nur so sein kann, daß der echte Anreiz zur Arbeit nicht verlorengeht und eine echte Relation zum Lohn- und Preisgefüge bestehen bleibt.
Auf den KPD-Antrag möchte ich nicht eingehen, weil wir ihn bei der Grundsatzdebatte über die Novelle zum AVAVG gründlicher erörtern können und erörtern werden.
Ich möchte noch ein Wort zu der Einbeziehung Berlins sagen. Der Herr Minister hat nichts darüber gesagt; er hat aber bei seinem vorletzten Besuch — wie ich aus der Presse erfahren habe — den Berlinern diese Zusage gegeben. Ich begrüße es sehr, daß unsere Berliner Arbeitslosen in diese Verbesserung der gesetzlichen Bestimmungen einbezogen werden. Ich möchte die Gelegenheit nicht versäumen, den Wunsch zum Ausdruck zu bringen, daß die Berliner Abgeordneten in diesem Hause alles tun möchten, um auch in diesem Zusammenhang eine echte Anpassung an die Sozialgesetzgebung der Bundesrepublik für jeden Berliner Arbeiter und Angestellten nun, nachdem es so oft versprochen wurde, endlich zu ermöglichen.
Dem Antrag des Herrn Kollegen Sabel, dieses Gesetz heute auch noch in zweiter und dritter Lesung zu verabschieden, stimmen wir zu. Wir sind der Auffassung — und ich beziehe mich da auf die gestrige Debatte zur Geschäftsordnung, die so unerfreuliche Formen angenommen hat, als die Opposition forderte, noch am gestrigen Tage das Mitbestimmungsrecht in zweiter Lesung zu verabschieden —, daß es wichtiger und vielen Arbeitslosen dienlicher wäre, wenn wir dieses Gesetz ohne Ausschußberatungen mit allergrößter Beschleunigung verabschieden könnten.
Wir glauben, daß damit sofort geholfen werden kann, während den Arbeitern mit den Wünschen, die Sie geäußert haben, vor dem 31. Dezember 1951 in keinem Falle geholfen würde. Ich möchte außerdem bitten, daß sich auch die Opposition dieser unserer Forderung in voller Verantwortung anschließt,
weil sie ja „so sozial wie möglich" handeln will. Falls sie es nicht tut, möchte ich den Vorsitzenden des Ausschusses bitten, zu überlegen, was dann notwendigerweise sofort im Ausschuß zu beraten ist und was dem Wohl der arbeitenden Bevölkerung mehr dient. In diesem Sinne sind wir mit den anderen Regierungsparteien darin einig, ohne Bedenken und ohne jede unnötige Verzögerung durch Debatten im Ausschuß diese Vorlage so anzunehmen, wie sie die Regierung vorgelegt hat.