Meine Damen und Herren! Ich kann auf einen Teil meiner Ausführungen verzichten, weil der Herr Bundesfinanzminister den Herren Kollegen Dr. Laforet und Dr. Etzel eine bessere Antwort auf ihre Ausführungen erteilt hat, als ich es überhaupt je hätte tun können.
Es handelt sich hier meines Erachtens richtigerweise überhaupt nicht darum, ob Art. 134 Abs. 1 unmittelbar geltendes Recht oder nur Programmsatz ist. Ich bin aber trotzdem gehalten, zu einigen Ausführungen, insbesondere des Herrn Kollegen Dr. Laforet, Stellung zu nehmen, weil sie auf die Entwicklungsgeschichte des Art. 134 des Grundgesetzes zurückgehen.
Es ist meines Erachtens im Grunde genommen müßig, zu versuchen, aus diesem oder jenem Wort des Art. 134 Abs. 1 zu beweisen, daß diese Bestimmung unmittelbar geltendes Recht oder nur ein Programmsatz sei. Entscheidend ist vielmehr, daß den gesamten Arbeiten des Parlamentarischen Rates die sogenannte Identitätstheorie zugrunde lag. Es sollte, wie die damaligen Abgeordneten des Parlamentarischen Rates Schmid, Süsterhenn und Seebohm eindeutig erklärt haben, kein neuer Staat geschaffen, sondern das Reich lediglich neu organisiert werden. Diese Identitätstheorie lag auch den Spezialberatungen zu Art. 134 zugrunde, Herr Kollege Dr. Laforet. Der Abgeordnete Dr. Schmid hat in der Sitzung des Hauptausschusses vom 10. Februar 1949 erklärt:
Die Sache ist klar: es gilt das Recht der Universalsukzession. Die Juristen wissen, was das heißt; es ist gar nichts Geheimnisvolles, es bedeutet, daß alle Forderungen und alle Schulden übergehen, gerade wie alle vertraglichen Verpflichtungen und alle vertraglichen Rechte.
Das ist ganz eindeutig und ganz klar.
Wenn aber die Rechtspersönlichkeit Deutsches Reich sich in der Bundesrepublik fortsetzt, wenn also beides nur Bezeichnungen für ein und dieselbe Rechtspersönlichkeit sind, dann muß zwangsläufig — und das hat der Herr Bundesfinanzminister eben ja auch zum Ausdruck gebracht — das ehemalige Reichsvermögen Bundesvermögen geworden sein,
gleichgültig, wie man immer die Bestimmungen über das Reichsvermögen im Grundgesetz gefaßt haben mag. Dem Grundgesetzgeber zu unterstellen, daß er für die Überleitung des Reichsvermögens auf den Bund einen besonderen Gesetzgebungsakt für erforderlich gehalten habe, würde juristisch bedeuten, daß der Grundgesetzgeber das Reichsvermögen mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes herrenlos machen wollte — denn der bisherige Rechtsträger setzte sich ja im Bund als ein und dieselbe Rechtspersönlichkeit fort —, und das kann auch nach Ihrer Auffassung, Herr Kollege Laforet, nicht der Wille desjenigen gewesen sein, der das Grundgesetz geschaffen hat, nämlich des Parlamentarischen Rates.
Ich darf nur kurz noch zu dem Versuch einer Wortinterpretation des Art. 134 Abs. 1 des Grundgesetzes Stellung nehmen. Die Vertreter der Programmsatztheorie berufen sich meist entscheidend auf den Art. 134 Abs. 4, und das haben Sie auch getan, Herr Kollege Laforet. Dieser Absatz bezieht sich nicht nur auf Abs. 2 und 3, sondern auch auf Abs. 1 des Art. 134 des Grundgesetzes. Demgegenüber muß dann aber darauf hingewiesen werden, daß der Art. 134 Abs. 4, so wie er jetzt Gesetz ist, auch in den Fassungen enthalten war, in denen Abs. 1 lautete: „Das Reichsvermögen ist Bundesvermögen". Ich kann mich in diesem Zusammenhang auf das beziehen, was der Herr Kollege Dr. Höpker-Aschoff als Berichterstatter heute dem Plenum vorgetragen hat. Art. 134 Abs. 1 lautete während der Beratungen — wie schon angedeutet —mehrfach: Das Reichsvermögen ist Bundesvermögen. Die Vertreter der Programmsatztheorie, zu der Sie ja auch gehören, Herr Kollege Dr. Laforet, erkennen zwar an, daß bei einer solchen Formulierung über die unmittelbare Wirkung des Art. 134 Abs. 1 kein Zweifel bestehen könnte; sie glauben aber, daß die Formulierung „Das Reichsvermögen wird grundsätzlich Bundesvermögen" eindeutig für die Programmsatztheorie spricht. Hierbei stützen sie sich neuerdings vor allen Dingen auf den Bericht des Herrn Kollegen Dr. von Brentano zu Art. 134. Insoweit möchte ich mich auch auf die zutreffenden Ausführungen des Herrn Berichterstatters beziehen.
Herr Dr. Höpker-Aschoff hatte bereits im Januar 1949 beantragt, den ersten Satz des Art. 134 wie folgt zu formulieren:
Das Reichsvermögen wird grundsätzlich Bundesvermögen.
Er hat damals ausdrücklich erklärt, daß eine materielle Änderung gegenüber der bisherigen Fassung „ist Bundesvermögen" nicht beabsichtigt sei.
Die Herren Abgeordneten Dr. Lehr und Dr. Katz haben die Vorschläge des Abgeordneten Dr. HöpkerAschoff ausdrücklich als Verbesserungen bzw. redaktionelle Änderungen bezeichnet.
Der Sachverständige Ministerialdirektor Dr. Ringelmann aus dem bayerischen Finanzministerium hat zu dem Vorschlag des Herrn Kollegen Dr. Höpker-Aschoff u. a. folgendes erklärt:
Herr Minister Dr. Höpker-Aschoff hat beantragt, daß der Zusatz: „Gesetzliche oder vertragliche Heimfallrechte bleiben unberührt" als entbehrlich gestrichen wird. Ich habe Zweifel, ob auf Grund der absoluten Bestimmung, daß das Vermögen des Reiches Bundesvermögen
wird und daß die mit diesem Vermögen in rechtlichem oder wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten und Lasten auf den Bund übergehen, diese Heimfallrechte als Lasten angesehen werden können. Das erscheint mir nach verschiedenen Richtungen zweifelhaft.
Und dann weiter in den Ausführungen des Ministerialdirektors Dr. Ringelmann:
Jetzt könnte die Meinung entstehen, daß mit der Fassung, daß dieses Vermögen auf den Bund übergeht, über diese Heimfallrechte, diese Rückgabeansprüche ohne weiteres der Stab gebrochen ist. Die Länder könnten unter diesen Umständen gezwungen werden, vor dem Bundesverfassungsgericht Recht zu nehmen, und es könnte sich hieraus eine große Anzahl von Streitigkeiten ergeben. Aus diesem Grunde würde ich bitten, selbst wenn die Bestimmung, wie Herr Minister Dr. HöpkerAschoff meint, überflüssig ist, sie doch aufzunehmen. In diesem Falle würde das Superfluum jedenfalls nichts schaden.
So Herr Ministerialdirektor Dr. Ringelmann aus dem Bayerischen Finanzministerium.
Herr Kollege Dr. Laforet, gerade diese Erklärungen von Herrn Ministerialdirektor Dr. Ringelmann zeigen, daß auch er die Fassung von Herrn Kollegen Dr. Höpker-Aschoff: „Das Reichsvermögen wird grundsätzlich Bundesvermögen" dahin verstand, daß damit ein unmittelbar geltender Rechtssatz geschaffen würde. Es ist meines Erachtens völlig unerheblich, was aus diesem Vorschlag von Herrn Kollegen Dr. Höpker-Aschoff im Laufe der Beratungen geworden ist, entscheidend ist meines Erachtens nur, daß er im Mai 1949 eine Fassung wiederum wörtlich aufgriff, die er bereits vorher einmal gebracht hatte und von der sowohl er als auch alle andereh Beteiligten bei der ersten Erörterung der Fassung davon ausgegangen sind, daß sie einen unmittelbar geltenden Rechtssatz wiedergibt.
Es ist auch durchaus verständlich, weshalb nach dem Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 19 Herr Dr. Höpker-Aschoff wieder auf seine alte Fassung zurückkam, und er selbst hat es ja andeutungsweise in seinem Bericht auch schon gesagt. Es galt damals nämlich, eine Fassung zu finden, die zum Ausdruck brachte, daß auch das durch das Gesetz Nr. 19 inzwischen auf die Länder übergegangene Reichseigentum mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes Bundesvermögen wird. Es bestand offenbar die Ansicht, daß dieser Wille mit der Fassung: .,Das Reichsvermögen ist Bundesvermögen" nicht hinreichend zum Ausdruck gekommen ist.
Das ist das, was ich Ihnen als Antwort auf Ihre Ausführungen zu sagen habe, Herr Kollege Dr. Laforet. Im übrigen halte ich die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers für so durchschlagend, daß ich bitten möchte, dem Gesetzentwurf, wie der Ausschuß es Ihnen vorschlägt, die Zustimmung zu geben.