Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 18. Sitzung des Deutschen Bundestags und bitte zunächst den Schriftführer Herrn Abgeordneten Dr. Miessner, die heute abwesenden Mitglieder des Hauses verlesen zu wollen.
Beurlaubt sind wegen Krankheit die Abgeordneten Scharnberg, Dr. Kleindinst, Dr. Horlacher, Nickl, Dr. Laforet, Naegel, Gengler, Sewald, Hagge, Dr. Mücke, Klinge, Frau Arnold, Kurt Müller, Dr. Ziegler, Ewers. — Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Dr. Jaeger, Joseph Schmitt, Struve, Blank, Dr. Ehlers, Richter, Frau Schanzenbach, Kalbitzer, Dr. Martin Schmidt, Jacobs, Dr. Suhr, Neumann, Schönauer, Steinhorster, Determann, Reimann, Agatz, Pfleiderer, Herrman und Dirscherl.
Meine Damen und Herren! Ich bitte ferner, davon Kenntnis nehmen zu wollen: Der Herr Bundeskanzler hat mir amtlich mitgeteilt, daß er heute nachmittag um 17 Uhr eine Regierungserklärung abgibt.
Ferner habe ich Ihnen bezüglich der vorliegenden Tagesordnung mitzuteilen, daß der Punkt 1:
Interpellation der Abgeordneten Euler, Dr. Preusker, Dr. Becker, Dr. Dr. Nöll von der Nahmer und Genossen betreffend Abschluß der Entnazifizierung ,
auf Antrag der Interpellanten von der heutigen Tagesordnung abgesetzt wird.
Wir kommen damit, meine Damen und Herren, zu Punkt 2 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Personen .
Ich nehme an, daß der Herr Bundesminister des Innern die Vorlage einbringen wird. — Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vorlage Nr. 175 hat eine lebhafte und eine sehr grundsätzliche Diskussion um das Beamtenrecht in Gang gebracht. Durch diese Vorlage ist der ganze Komplex beamtenpolitischer und beamtenrechtlicher Fragen in Bewegung gekommen, ein Beweis dafür, welch ein neuralgisches Gebiet das Beamtenrecht offenbar ist. Demgegenüber möchte ich hier von vornherein nachdrücklich betonen, daß die Vorlage Nr. 175 nur eine vorläufige, vorübergehende Regelung will. Ein endgültiges Beamtengesetz für die Personen im Bundesdienst,
wie es Artikel 73 Ziffer 8 vorsieht, sowie auch Rahmenvorschriften für Personen im Länder- und Gemeindedienst, wie sie Artikel 75 Ziffer 1 vorsieht, werden erst noch zu erarbeiten sein.
Die Materie für das endgültige Beamtengesetz, für die Rahmenvorschriften der Länder- und Kommunalbeamten ist reichlich umstritten. Das zeigt ja schon die Diskussion, die jetzt bei dem vorläufigen Beamtengesetz aufbricht. Die endgültigen Vorlagen werden selbstverständlich nach Fühlungnahme mit den zuständigen Organisationen zu erarbeiten sein. Alles das wird Zeit erfordern. Wir können aber, um mit der Bundesarbeit richtig in Gang zu kommen, auf diese endgültige Abklärung der Dinge nicht warten.
Nach dem Grundgesetz ist der Bundespräsident berufen, die Beamten und Bediensteten des Bundes zu ernennen und zu entlassen. Das ist die einzige Richtschnur, die einzige Rechtsgrundlage, die wir im Augenblick vorfinden. Es heißt in Artikel 60 des Grundgesetzes weiter, daß das gilt, soweit nicht gesetzlich anderes bestimmt ist. Bezüglich dieses Zusatzes in Artikel 60 wird auf das Militärregierungsgesetz Nr. 15 als eine für den Bund angeblich geltende Norm hingewiesen. Demgegenüber ist zu sagen, daß das Militärregierungsgesetz Nr. 15 lediglich von der britischen und amerikanischen Militärregierung — also nur für zwei Zonen — erlassen worden ist und daß es nur für die Angehörigen der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes und der gleichstehenden Körperschaften Geltung hat. Der Bund ist als ein neuer Dienstherr nachträglich mit einem Wirkungsbereich für die drei Zonen ins Leben getreten und fällt nicht unter dieses Gesetz.
Das Militärregierungsgesetz Nr. 25, welches eine gewisse Ausweitung vornehmen will, ist ebenfalls nur von der englischen und amerikanischen Militärregierung — nicht von der französischen — erlassen worden. Daraus ergibt sich, daß auch dieses Gesetz Nr. 25 an dem Wirkungsumkreis des Gesetzes Nr. 15 nichts ändern kann.
Endlich ist auf einen Brief der Hohen Kommissare vom 28. September 1949 Bezug genommen worden, in dem gesagt wird, daß das Gesetz Nr. 15 für die Bundesregierung angewendet werden möchte. Meine Damen und Herren, das mag eine Empfehlung sein, ein rechtsetzender Akt der Hohen Kommissare ist es nicht. Die Hohen Kommissare haben sich für rechtsetzende Akte durch ihr Gesetz Nr. 1 selber gewisse Förmlichkeiten auferlegt, die in dem vorliegenden Fall in keiner Weise in Anspruch genommen und sicherlich nicht erfüllt sind.
Das alles bedeutet, daß das Gesetz Nr. 15 für den Bund nicht in Geltung steht.
Bezüglich des in Frankfurt amtierenden Personalamts möchte ich noch zusätzlich darauf hinweisen, daß es auf deutschem Gesetz, nämlich auf einem Gesetz des Wirtschaftsrats vom 23. Juni 1948 beruht. Es ist klar, daß dieses Gesetz ebenfalls nur eine bitonale Geltung haben kann.
Die Rechtsgrundlagen für die Dienstverhältnisse im Bund müssen also anderweitig gefunden werden. Das will die Vorlage Nr. 175 tun. Sie regelt das im Augenblick Nötige, und auch das nur vorläufig. Bezüglich des Inhalts dieser Vorlage darf ich auf die Drucksache Nr. 175 verweisen, sonderlich auch auf die beigegebene Begründung. Ferner ist Ihnen die Stellungnahme des Bundesrats mitgeteilt, die dahin lautet, daß er diese Vorlage als eine brauchbare Grundlage bezeichnet, die aber
zu gewissen Bedenken Anlaß gebe. Die Bedenken werden im wesentlichen dargestellt. Die Bundesregierung hat ihrerseits zu diesem Votum des Bundesrats Stellung genommen. Ein Teil der Anregungen wird aufgenommen, bei anderen haben wir deutlich gemacht, aus welchen Gründen wir es nicht tun. Die Vorlage Nr. 175 läuft in ihrem Kernpunkt darauf hinaus, daß das Beamtenrecht von 1937 für den Bund in Anwendung stehen soll.
Ich darf dazu zunächst auf die Empfehlungen des Juristischen Ausschusses der Ministerpräsidenten Bezug nehmen. Es heißt da:
Der Ausschuß ist übereinstimmend der Ansicht, daß für die Bundesbeamten das Deutsche Beamtengesetz von 1937 fortgilt. Da dieses Gesetz jedoch in vielen Punkten überholt und in anderen Teilen durch die Gesetzgebung der Besatzungsmacht geändert ist, empfiehlt der Ausschuß, das Gesetz in dem zur Zeit geltenden Wortlaut zusammenzustellen und neu bekanntzumachen.
Gerade das wollen wir mit der Vorlage Nr. 175 erfüllen. Es sollte nicht stutzig machen, daß hier das Jahr 1937 eine Rolle spielt.
Dem Kenner der Materie ist bekannt, daß der Inhalt dieses Gesetzes von 1937 auf wesentlich älteren Vorarbeiten beruht, und es ist selbstverständlich, daß die Bräunung, die auf dieses Gesetz aufgetragen worden ist, heruntergekratzt wird. Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß eben dieses Beamtenrecht von 1937 nach wie vor in der englischen Zone für die dortigen Länder usw. in Geltung steht und daß im Bereich der amerikanischen und französischen Zone dieses Beamtenrecht von 1937 materiell in Landesgesetze aufgenommen worden ist, die die Zustimmung der Militärregierung gefunden haben. Es ist also gar nichts Absonderliches, wenn auch der Bund auf diese Plattform tritt. Im übrigen darf ich noch darauf hinweisen, daß der Wirtschaftsrat in Frankfurt zu Beginn seiner Arbeit ja auch nichts anderes getan hat, als daß er zunächst einmal das Beamtenrecht von 1937 für sich in Anwendung brachte. Schließlich, meine Damen und Herren, verweise ich auf Artikel 33 Absatz 5 des Grundgesetzes, in dem es heißt: „Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln." Dieser Hinweis auf das überkommene Recht wird mit dieser Vorlage akzeptiert.
Die Vorlage Nr. 175 übernimmt aber auch einige Reformgedanken aus dem Gesetz Nr. 15, jedenfalls in dem Umfange, wie er für das vorläufige Recht dringend geboten erscheint. Ich darf in solchem Zusammenhang zunächst auf § 2 hinweisen, wo über die Auswahl der Bewerber für den Bundesdienst gesagt ist, daß ohne Rücksicht auf Geschlecht, Rasse, Glaubensbekenntnis und politische Überzeugung zu verfahren ist und daß außerdem auch sogenannte Außenseiter zu berücksichtigen sind.
In § 3 wird dem' Beamten die Verpflichtung auferlegt, sich zur demokratischen Staatsauffassung zu bekennen. Der Bundesrat hat vorgeschlagen, diesen § 3 in anderer Fassung ins Gesetz zu nehmen. Wir haben von Regierungs wegen das Bedenken, daß damit eine Verpflichtung zu aktiver politischer Betätigung ausgedrückt sein könnte, und empfehlen deshalb, bei der ursprünglichen Vorlage zu bleiben.
Völlig dem neuen Recht aus Gesetz Nr. 15 entspricht die Formulierung der Gehorsamspflicht des Beamten. Ich verweise auf § 6 Absatz 2 der Vorlage.
Außerdem, meine Damen und Herren, ist angeregt worden, in die Vorlage auch eine Bestimmung hineinzunehmen, wonach Beamte, die ihren Dienst nicht voll versehen, zurückgestuft oder entlassen werden können. Man nennt das den sogenannten Trottelparagraphen. Ich habe keine Bedenken dagegen, ihn schon in das vorläufige Recht hineinzunehmen; in das endgültige soll er ganz bestimmt. Wenn er in das vorläufige von Regierungs wegen nicht hineingenommen worden ist, so aus dem einfachen Grunde, weil wir für die nächste Zeit eines solchen Paragraphen nicht bedürfen. Jeder, der heute in den Bundesdienst tritt, tut es nur kommissarisch oder auf Widerruf, und wenn einmal endgültige neue Beamtenverhältnisse beim Bund etabliert sein werden, hoffen wir ja, das endgültige Beamtengesetz zu haben. Aber wenn Sie der Meinung sind, daß man das hier schon hineinnehmen solite, — bitte, dagegen wird kein grundsätzlicher Einwand sein.
Es ist ferner angeregt worden, in dem vorläufigen Gesetz das sogenannte Juristenmonopol für den Bundesdienst ausdrücklich außer Kraft zu setzen. Darauf sage ich nur: gesetzlich besteht ein Juristenmonopol überhaupt nicht, und faktisch ist es weitgehend erledigt. Ich sehe keinen Anlaß, hier eine besondere Bestimmung hineinzubringen.
Die am meisten umstrittene Anregung bezieht sich auf ein Personalamt. Die Bundesregierung bejaht ein Personalamt sicherlich nicht für die vorläufige Regelung, aus dem einfachen Grunde, meine Damen und Herren, weil das, was man sich unter dem Personalamt vorstellt, viel zu sehr umstritten ist, als daß wir in kurzer Zeit damit klarkommen könnten. Das Frankfurter Personalamt wird allgemein abgelehnt. Es wird abgelehnt wegen seiner autokratischen Spitze, wegen seiner diktatorischen Vollmachten, wegen seiner Unzugänglichkeit für parlamentarische Kontrollen und aus noch manchem anderen Grunde.
Ob aber ein Personalamt anderen Stiles und welchen Stiles geschaffen werden soll, das eben ist der große Streit, nicht zuletzt auch unter den verschiedenen gewerkschaftlichen Organisationen, und wir können uns jetzt bei der notwendigen eiligen Regelung nicht damit aufhalten, diesen sehr tiefgehenden grundsätzlichen Streit zu beenden. Deshalb enthält die Vorlage nichts über das Personalamt und verweist die Abklärung dieser Dinge auf das endgültige Beamtenrecht. Es sollen also mit anderen Worten auch hier die hergebrachten Grundsätze wieder zur Anwendung kommen. Im übrigen darf ich hier anmerken, daß diese Haltung mit dem einstimmigen Votum des Organisationsausschusses der Ministerpräsidenten in Übereinstimmung steht. Die Ministerpräsidentenkonferenz hat durch ihren Organisationsausschuß das Personalamt rundweg verneint und abgelehnt.
Ein weiterer Streitkomplex bezieht sich auf die Frage, ob die sogenannten Angestellten beibehalten werden sollen, oder ob künftig nur eine Zweiteilung nach Arbeitern und Beamten sein soll. Auch hier ist wiederum festzustellen, daß der Streit durch die Reihen hindurchgeht, auch durch die Organisationen hindurchgeht. Es wird gesagt,
sogenannte Zeitbeamte seien keine echte Kategorie, sie entbehrten der lebenslänglichen Anstellung auf der einen Seite und des gewerkschaftlichen Schutzes auf der andern Seite; deshalb also Wiederherstellung der Dreiteilung oder aber Überführung der Zeitbeamten in das lebenslängliche Beamtenverhältnis. Es ist offensichtlich, meine Damen und Herren, daß wir damit vor einer sehr grundsätzlichen Frage stehen, auch vor einer Frage von großer finanzieller Bedeutung. Deshalb also im Rahmen des Vorläufigen und des Eiligen ein Aufrechterhalten des derzeitigen Zustandes und eine Verweisung der grundsätzlichen Lösungen auf später.
Ein weiterer Streitpunkt ist die politische Betätigungsfreiheit der Beamten. Sollen Einschränkungen stattfinden? Wenn ja, in welchem Ausmaß? Auch das sollte auf die Zukunft verwiesen werden.
Noch ein Streitpunkt ist die Frage, ob die Betriebsräte einheitlich Arbeiter, Angestellte und Beamte umfassen sollen oder ob für die Beamten eine Sondervertretung neben dem Betriebsrat etabliert wird. Auch zu dieser Frage nimmt die Vorlage keine Stellung. Sie beläßt es laut § 7 bei der bisherigen Rechtslage, um auch da der Diskussion und der Abklärung der Meinungen die nötige Freiheit zu lassen.
Mit dem Beamtenrecht sind also eine ganze Reihe weitgreifender Meinungsverschiedenheiten verbunden, die jetzt alle anläßlich der allein beabsichtigten vorläufigen Regelung aufbrechen. Die baldige Verabschiedung des Gesetzes wäre nicht möglich, wenn wir jetzt in eine verbindliche Behandlung aller dieser Fragen eintreten wollten. Auch der Bundesrat hat sich mit einer Übergangslösung einverstanden erklärt. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, diesem Gesetzentwurf mit Rücksicht auf die praktischen Bedürfnisse der Verwaltung baldmöglichst Ihre Zustimmung zu geben, die Neigung zur Diskussion grundsätzlicher Fragen einzuschränken und sie auf das Beamtengesetz, das alsbald vorgelegt werden soll, zu konzentrieren.
Meine Damen und Herren! Sie haben die Ausführungen des Herrn Bundesministers des Innern gehört. Ich darf das Einverständnis des Hauses im Hinblick auf § 37 der vorläufigen Geschäftsordnung damit annehmen, daß wir die Beratung über den Gesetzentwurf nicht abschnittweise, sondern im ganzen führen.
Ich eröffne die Aussprache. Zunächst hat sich der Herr Abgeordnete Strauss zum Wort gemeldet.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach Artikel 33 Absatz 5 des Grundgesetzes ist das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln. Dazu kommt die Bestimmung des Artikels 73 des Grundgesetzes, wonach das Gesetzgebungsrecht dem Bund hinsichtlich der dem Bund unmittelbar unterstehenden Beamten ausschließlich zusteht; ferner steht ihm aber auch das Recht der Rahmengesetzgebung hinsichtlich des Beamtenrechts in den Ländern und Gemeinden zu.
Im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland haben wir zurzeit ein dreigeteiltes Beamtenrecht. Wir haben in den Ländern der amerikanischen
Zone die nach dem Zusammenbruch neu erlassenen Beamtengesetze. In den Ländern der englischen und der französischen Zone haben wir im allgemeinen noch das Deutsche Beamtengesetz von 1937, das in diesen Ländern von den Zusätzen befreit worden ist, die diesem Gesetz im Jahre 1937 im nationalsozialistischen Sinne auferlegt worden sind. Wir haben drittens das Militärregierungsgesetz Nr. 15, das für die Beamten und Arbeiter der Zweizonenverwaltung von Frankfurt gültig war.
Ohne Zweifel ist die Neuregelung des Rechtsverhältnisses der Angehörigen des öffentlichen Dienstes im Bundesgebiet eine dringende Aufgabe. Das ergibt sich schon allein daraus, daß ja nicht nur der organisatorische, sondern auch der personelle Aufbau der Ministerien im Laufe der nächsten Monate zum Zwecke der Herstellung ihrer Arbeitsfähigkeit durchgeführt werden muß. Auf der anderen Seite wird aber ein Gesetzentwurf, der die endgültige Regelung der Rechtsverhältnisse der Angehörigen des öffentlichen Dienstes behandeln soll und sich zugleich als Rahmengesetz auch mit den Richtlinien für die Gesetzgebung in den Ländern für die Länder- und Gemeindebeamten zu befassen hat, eine umfangreiche Diskussion genereller Art auslösen. Bei dem Entwurf dieses endgültigen Gesetzes wird eine Fülle von Problemen zur Sprache kommen, die sich nun einmal im Zusammenhang mit der Frage der Regelung der Rechtsverhältnisse des öffentlichen Dienstes und im besonderen auch aus der Stellung und dem Verhalten des Beamtentums im Dritten Reich ergeben, wobei man sich aber davor hüten soll, eine Schwarz-Weiß-Malerei zu betreiben. Diese Fülle von Problemen ergibt sich weiterhin aus der Art und Weise, wie der Staat im Laufe der letzten vier Jahre, also in der Zeit nach dem Zusammenbruch, gegenüber dem steuerzahlenden, hilfesuchenden und oft antragstellenden Staatsbürger in Erscheinung getreten ist. In der öffentlichen Diskussion und in der generellen Aussprache wird hier im besonderen auch das Verhältnis zwischen dem Bürokraten und dem Beamten geklärt werden müssen.
Es wird dafür gesorgt werden müssen, daß der Staat, der dem einzelnen Bürger ja meistens und in erster Linie in der Gestalt des Beamten entgegentritt, in dieser seiner Vertretung durch den Beamten gegenüber dem Staatsbürger wiederum als das erscheint, was er sein soll, und daß auch im besonderen der Staatsbürger im Staat wieder das sehen kann, was er in ihm sehen soll, nicht mehr und nicht weniger. In dieser Hinsicht müssen wohl viele Schlacken aus der Zeit nicht nur der letzten vier Jahre, sondern auch der diesen letzten vier Jahren vorhergegangenen zwölf Jahre und darüber hinaus manche Erscheinungen aus der vorhergegangenen Zeit in einer neuen Beamtengesetzgebung beseitigt werden.
Ich glaube aber, daß es verfehlt wäre, die generelle Diskussion darüber schon heute bei der Diskussion des vorliegenden Gesetzentwurfes einzuleiten, so verlockend das bei der Regelung dieser Materie auch sein mag.
Wenn wir das uns hier vorliegende Gesetz im engeren Rahmen betrachten, so dürfen wir bei der Diskussion doch einige Grundsätze nicht. übersehen, die in diesem Entwurf niedergelegt sind. Wir lassen vor allen Dingen keinen Zweifel
darüber, daß wir von unserer Fraktion aus nach wie vor daran festhalten: der Beamte steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis zum Staat. Ansätze dahin, den Beamten zu einer Art Tarifvertragspartner als Arbeitnehmer gegenüber dem andern Tarifvertragspartner, dem Staat, als Arbeitgeber zu machen, müssen wir ablehnen, und zwar nicht deswegen, weil der Beamte besondere Vorrechte gegenüber den anderen Staatsbürgern genießen soll. Die Beamten sind ja im Laufe der Jahre gerade in Gefahr gekommen, eine Art Kaste zu bilden, was den Vorwurf der Bürokratie, den Vorwurf, daß die Beamten meistenteils Bürokraten sind, begründet hat. Wir sind aus grundsätzlichen Erwägungen dagegen. Der Beamte muß eng mit dem Volk verbunden sein. Er muß in der Art und Weise, wie er sich dem einzelnen Bürger gegenüber verhält, beweisen, daß er wirklich mit dem Volke verbunden ist und daß er nicht eine Art Sonderrecht, womöglich noch hinter einem Schalter und im Kommandoton, für sich beansprucht. Der Beamte hat auch kein Recht darauf, für sich in Anspruch zu nehmen, hinter einem Glasfenster zu sitzen, um von dort aus die übrige Welt von einer sicheren Warte zu sehen. Alle diese Rechte wollen wir dem Beamten nicht etwa durch diese Art der Gesetzgebung geben. Wir müssen aber nach wie vor daran festhalten, daß der Beamte in einem besonderen Treueverhältnis gegenüber dem Staat, in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis steht und daß daraus für ihn sich nicht nur Rechte, sondern in erster Linie Pflichten ergeben, die sich für einen Beamten, der in einem privatrechtlichen Verhältnis zum Staat steht, nicht ergeben würden; denn darunter würden der Staat und das Volk — und das Volk ist hier wichtiger als der Staat — in erster Linie leiden.
Ferner ist nach dem Grundgesetz dafür Sorge zu tragen, daß bei den obersten Bundesbehörden Beamte aus allen Ländern in angemessener Weise verwendet und die bei den übrigen Bundesbehörden in den Ländern beschäftigten Personen aus diesen Ländern genommen werden.
Wenn wir uns überlegen, welchen Umfang das vorliegende Gesetz hat, das heißt auf welchen Personenkreis es sich erstreckt — denn nur, wenn wir übersehen, welcher Personenkreis von diesem Gesetz betroffen wird, können wir die quantitativen Auswirkungen dieses Gesetzes ermessen —, so müssen wir uns vor Augen halten, daß es sich hier erstens um das Personal der Bundesministerien handelt, zweitens um das Personal der Obersten Bundesbehörden: Patentamt, Statistisches Amt, drittens um alle bei dem Obersten Bundesgericht und den oberen Bundesgerichten beschäftigten Personen, viertens um das Personal, das bei den bundeseigenen Verwaltungen mit eigenem Verwaltungsunterbau beschäftigt ist, wie Auswärtiger Dienst, Finanzverwaltung, Bundeseisenbahn, Bundespost, Verwaltung der Bundeswasserstraßen und der Schiffahrt, und fünftens um bundesunmittelbare Anstalten, die entweder in der Errichtung begriffen oder noch zu errichten sind, wie die Bundesanstalt für Angestelltenversicherung oder die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung.
Es wird kein Zweifel darüber bestehen, daß im Bundesdienst die höchstqualifizierten Beamten beschäftigt sein müssen, daß im Bundesdienst in erster Linie in größerem Maße, als es für Länder und Gemeinden gilt, hochqualifizierte Fachleute
1 beschäftigt werden müssen; denn wenn schon in den Bundesinstanzen eine Fülle von Kompetenzen, eine Fülle von Rechten sich vereinigt, kann auch das Parlament und auf der andern Seite der Steuerzahler verlangen, daß im Bundesdienst ohne Rücksicht auf manche begreifliche Forderungen, die erhoben werden, in erster Linie höchstqualifizierte Fachleute angestellt werden.
Was nun die Grundlage für dieses vor uns liegende Übergangsgesetz angeht, so haben wir gehört und aus der Unterlage gelesen, daß es sich im wesentlichen noch auf das Deutsche Beamtengesetz von 1937 stützt. Herr Bundesminister Dr. Heinemann hat schon erwähnt, daß allein die Jahreszahl 1937 eine Angriffsmöglichkeit für eine in diesem Falle allerdings vielleicht propagandistische Kritik bieten kann. Wir sollten uns hüten, bei den Gesetzen, die im Laufe der Jahre 1933 bis 1945 erlassen worden sind, allein auf die Jahreszahl zu schauen. Wir erweisen nämlich damit denen, die die Zustände von damals heute noch verteidigen wollen, eher einen Gefallen, ais daß wir ihnen damit Abbruch tun.
Wir sollten bei den Gesetzen von 1933 bis 1945 auf das sehen, was in ihnen wirklich an gesetzgeberischem Wert enthalten ist, und darauf sehen, was ihnen als NS-Verbrämung beigefügt und aufgezwungen worden ist.
Dieses Beamtengesetz stützt sich in der Hauptsache, wie erwähnt, auf das Deutsche Beamtengesetz des Jahres 1937, das sich ja in den meisten Ländern noch in Anwendung befindet. Allerdings sind einzelne Bestimmungen aus dem Frankfurter Gesetz, aus dem bizonalen Gesetz Nr. 15, in dieses Beamtengesetz übernommen worden. Im besonderen war es wohl notwendig, eine Bestimmung aufzunehmen, die auch schon in der Länderpraxis durchweg Usus geworden ist, nämlich den sogenannten Außenseitern die Möglichkeit zu geben, im Behördendienst beschäftigt zu werden. Das Wort „Außenseiter" soll in diesem Zusammenhang nicht mißverstanden werden. Dieses Wort ist vielleicht vom Standpunkt desjenigen geprägt worden, der aus der Beamtenlaufbahn herausgewachsen ist und die übliche Beamtenlaufbahn eingeschlagen hat. Der Staat muß aber Wert darauf legen, daß den Persönlichkeiten, die sich in ihrem Beruf in der Wirtschaft, im praktischen Leben Erfahrungen, Kenntnisse gesammelt und dort Charakter und Haltung gezeigt haben — auch das letztere sei nicht zu übersehen —, die Möglichkeit gegeben wird, in den Behördendienst einzutreten. Der Blickpunkt, von dem aus allerdings dieser sogenannte Außenseiterparagraph gesehen werden muß, ist nicht der des einzelnen, der eine Versorgung im öffentlichen Dienst haben will, sondern der Blickpunkt muß von der Allgemeinheit, vom Staate aus sein, der Wert darauf legt, einzelne bisher nicht im Behördendienst stehende, durch Beruf und Lebenserfahrung bewährte und hochgeeignete Personen in den Staatsdienst zu ziehen und dadurch die Erfahrungen und die Arbeitsfähigkeit der Behörde zu bereichern.
Ebenso ist etwas, was im Beamtengesetz von 193T natürlich bewußt unterdrückt worden ist, in dieses Gesetz aufgenommen worden, was ein Element eines jeden demokratischen Beamtengesetzes in Zukunft zu sein hat: das ist die Verantwortung des Beamten für Handlungen, die gegen Verfassung oder Gesetz verstoßen. Es wird nach diesem Gesetz nicht, wie es im alten Beamtengesetz möglich war, irgendeinem Beamten möglich sein, sich noch auf einen Befehl oder eine Anordnung zu berufen, die er ausgeführt habe, ohne nach Recht und Unrecht zu fragen, sich lediglich auf den Befehl der vorgesetzten Dienststelle berufend. Wir wissen aus bitterer Erfahrung sehr genau, welches Unheil, welches Leid und welche Katastrophe gerade die Berufung auf den Befehl eines Vorgesetzten — nämlich die Vermeidung der Verantwortung — bei uns angerichtet hat. Letzten Endes ist das eine der Wurzeln des gesamten Übels, einer der Ansätze zu unserm Zusammenbruch überhaupt gewesen.
Hier muß bei einem Beamtengesetz der Hebel angesetzt und dem Beamten die Verantwortung für die Gesetzmäßigkeit seiner Handlungen aufgezwungen werden. Daher ist auch in diesem Übergangsgesetz mit besonderer Betonung die Verantwortlichkeit des Beamten ohne Rücksicht auf die Anordnungen, die er erhalten hat, im Hinblick auf die Gesetzmäßigkeit seiner Handlungen ganz genau festgelegt.
Das neue Gesetz enthält natürlich nicht alle Einzelheiten, die ein Beamtengesetz zu enthalten hat. Es ist mehr oder minder ein Mantelgesetz für die seit dem Jahre 1937 eingetretene beamtenrechtliche Entwicklung, um für eine Übergangszeit eine klare Rechtsgrundlage zu gewinnen.
Allerdings wäre bei den Punkten, die man sich bei diesem Gesetz noch einmal überlegen muß, die bisher noch nicht aufgeführt sind, noch einiges anzufügen. Der Herr Bundesminister Heinemann hat vorhin schon auf den sogenannten TrottelParagraphen hingewiesen. Ich glaube, man wird sich in dem Ausschuß, dem dieses Gesetz ja wohl überwiesen wird, doch ernstlich überlegen müssen, ob es nicht zweckmäßig ist, schon jetzt in diesem Gesetz — gerade jetzt, da es darauf ankommt, nur fähige Beamte einzustellen und nur fähige Beamte zu fördern — eine Bestimmung vorzusehen, daß unfähige Beamte, die den Notwendigkeiten und Leistungen, die ihre Aufgaben erfordern, nicht entsprechen, in ihrer Gehaltsstufe oder auch in ihrer Laufbahn zurückgestuft und notfalls auch in den Warte- bzw. Ruhestand versetzt werden können. Allerdings darf — und darin unterscheiden wir uns von dem Frankfurter Entwurf wesentlich — diese Maßnahme nicht auf Anordnung einer Dienstbehörde, sei es der obersten Dienstbehörde, und schon gar nicht des Personalamts erfolgen. Eine solche Maßnahme, die tief auch in das Recht des Beamten eingreift, kann nur durch eine richterliche Instanz mit Beschwerdemöglichkeit über ihn verhängt werden.
Ich glaube, es besteht kein Zweifel darüber, daß das Frankfurter Gesetz für die Bundesregierung als vorläufige oder endgültige Rechtsgrundlage trotz des Beschlusses — es handelt sich ja nicht um ein Gesetz — der Hohen Kommissare nicht in Frage kommt. Dieses Gesetz ist seinerzeit in besonderem Maße auf die Interessen der Zweizonenverwaltung abgestimmt worden und auch auf eine Art und Weise entstanden, die seinerzeit für die Zweizonenverwaltung, um es ganz offen zu sagen, doch nur zu typisch war. Wir haben uns damals im Wirtschaftsrat immer überlegt, warum ausgerechnet dem Wirtschaftsrat die Auf-
gabe der Schaffung eines Beamtengesetzes obliegt, während ihm zur gleichen Zeit die Schaffung eines Gesetzes über die Gewerbefreiheit aus formalen oder verfassungsrechtlichen Gründen untersagt worden ist. Im übrigen waren damals die Arbeiten des Wirtschaftsrats so weit gediehen, daß der deutsche Entwurf des Gesetzes zwei Tage vor der Verabschiedung im Plenum des Wirtschaftsrats in der zweiten und dritten Lesung stand. Sie sollte an einem Donnerstag erfolgen, aber am Dienstag vorher wurde das Militärregierungsgesetz, das große Teile des deutschen Gesetzentwurfs enthielt, auf den Tisch des Hauses gelegt.
Wenn in Artikel 33 des Grundgesetzes festgelegt ist, daß das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln ist, so müssen wir gerade im Hinblick auf diese Bestimmung der Verfassung wohl erwähnen, daß das sogenannte Frankfurter Gesetz sich in großen Teilen außerhalb der seit 1937 entwickelten Rechtsgrundlagen hält. Ohne Zweifel bedarf unser Beamtenrecht im Hinblick auf eine Reihe von Notwendigkeiten und Gesichtspunkten einer Reform und einer Modernisierung. Wir müssen aber davor warnen, mit der bisherigen Entwicklung abrupt zu brechen und an ihrer Stelle etwas absolut Neues zu schaffen. Etwas Gutes kann nur herauskommen, wenn die notwendigen Neuerungen sich in einer sinnvollen Weise mit dem verbinden, was sich in der Vergangenheit bewährt hat.
Jeder andere Weg, der beschritten wird, wird auf der einen Seite zur Reaktion und auf der andern Seite zu Neuerungen führen, die nicht das erreichen werden, was man durch eine gesunde, aufbauende Reform erreichen kann.
Der Herr Bundesminister Heinemann hat die Frage des Personalamts erwähnt. Es besteht, glaube ich, kein Zweifel darüber, daß die Diskussion um das Personalamt sehr, sehr umfangreich sein wird. Sie wird eines Tages aufgenommen werden müssen. Es war der Wunsch der Militärregierungen, in den Ländern, vor allem in der amerikanischen Zone, ein Personalamt zu errichten. Das Personalamt ist im Frankfurter Wirtschaftsrat durch ein eigenes Gesetz verankert worden. In dem Militärregierungsgesetz Nr. 15 ist das Personalamt mit sehr umfangreichen Kompetenzen festgelegt worden. Wenn aber die Frage des Personalamts in Verbindung mit dem gegenwärtigen Gesetz geregelt werden sollte, würde mit diesem Gesetz nicht das erreicht werden, was erreicht werden soll, nämlich rasch eine Rechtsgrundlage zu gewinnen. Denn die Behandlung der Frage des Personalamts, das für uns manches Neue, manches Gute, aber auch Manches enthält, was uns bedenklich erscheint, würde eine verhältnismäßig lange Zeit erfordern. Wenn man nicht ein ausgezeichneter Kenner der Materie ist, kann man sich heute nicht von vornherein für oder gegen das Personalamt entscheiden. Man kann wohl auf der einen Seite für das Personalamt anführen, daß es eine gewisse Koordinierungspflicht hat, daß vielleicht sogar der Artikel 36 des Grundgesetzes, wonach Beamte aus den Ländern in angemessener Weise im Bundesdienst zu verwenden sind, ohne ein Personalamt nur schwer verwirklicht werden kann, daß der Austausch hochqualifizierter Beamter innerhalb der Ministerien, daß die richtige Weiterleitung von Bewerbungsgesuchen gut geeigneter Leute ohne ein Personalamt auf Schwierigkeiten stößt. Das ist richtig. Auf der anderen Seite wollen wir uns aber keinem Zweifel darüber hingeben, daß das Personalamt auf keinen Fall eine außerhalb der politischen Verantwortung, nicht unter parlamentarischer Kontrolle stehende, scheinrichterliche Behörde sein darf.
Etwas Ähnliches ist in dem Frankfurter Gesetz Nr. 15 doch wohl aus dem Personalamt geworden. Das ist für uns eines der bemerkenswertesten Beispiele dafür, daß der Versuch der Demokratisierung einer bestimmten Aufgabe auch zu einer Diktaturisierung derselben führen kann. Denn was soll man von einem Personalamt halten, dessen Leiter oder Beauftragter des Leiters das Recht erhält, in einem Gesetz die Entscheidung eines Ministers, der unter politischer Verantwortung steht, wieder umzustoßen? Was soll man davon halten, daß über die letzte Entscheidung der obersten Dienstbehörde hinaus das Personalamt Beschwerdeinstanz geworden ist und daß in diesem bizonalen Gesetz Nr. 15 nicht einmal die Einrichtung von Dienststrafkammern festgelegt ist, also festgelegt ist, daß auch über die Entscheidungen des Personalamts hinaus eine richterliche Überprüfung und eine richterliche Entscheidung erfolgen kann?
Wir haben gegen ein solches Personalamt eine Reihe von Bedenken. Wir haben erstens Bedenken dagegen, daß es schon in seinem Umfang praktisch eine Art Überministerium geworden ist, weil es damals Zuständigkeiten erhalten hat, die auch politische Verantwortung in sich bergen. Und wer politische Verantwortung hat, muß auch politisch zur Verantwortung gezogen werden können. Wenn dieser Grundsatz nicht eingehalten wird, würde gerade gegen eines der Hauptelemente der demokratischen Ordnung verstoßen werden.
Zwei Fragen sind in diesem Gesetz nicht angeschnitten worden. Vielleicht kann die eine von beiden bis zu einer endgültigen Regelung aufgeschoben werden. Das ist die Frage der politischen Tätigkeit der Beamten, insbesondere die Einschränkung der passiven Wählbarkeit. Im Frankfurter Beamtengesetz war den Beamten die politische Tätigkeit im Sinne einer bestimmten parteilichen Richtung rundweg untersagt. Das passive Wahlrecht setzte praktisch das Aufgeben der Beamteneigenschaft voraus. Im Grundgesetz ist vorgesehen, daß das passive Wahlrecht eingeschränkt werden kann. Es wird aus praktischen Gründen, glaube ich, kaum erforderlich sein, darüber jetzt eine Bestimmung einzufügen. Die endgültige Regelung der Frage muß aber sorgfältig überlegt werden, damit die Beseitigung von Mißständen nicht dazu führt, daß das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird.
Ein weiterer Punkt, der in dieses Gesetz aufgenommen werden sollte und der Prüfung bedarf, ist die Frage der Aussage des Beamten vor Gericht. Wenn ich mich recht erinnere, kann nach dem Deutschen Beamtengesetz von 1937 ein Beamter in einem Gerichtsverfahren, in dem er als Zeuge geladen wird, nur dann über Vorgänge dienstlicher Art aussagen, wenn das Gericht von seinem Vorgesetzten die Erlaubnis dazu eingeholt hat, daß der Beamte als Zeuge vernommen wird und Aussagen über Vorgänge innerhalb seiner Behörde macht. Ich glaube, daß die Geheimhaltung von vielleicht strafrechtlich verfolgbaren Angelegenheiten innerhalb der Behörde nicht auf diese Weise der Entscheidung eines Vorgesetzten überlassen werden kann. Man kann wohl, wie es im
bayerischen Beamtengesetz und im Frankfurter Beamtengesetz geschehen ist, eine Einschränkung der Auskunftspflicht des Beamten vor Gericht einführen, etwa derart, daß die Dienstbehörde bei Gericht beantragen kann, die Auskunftspflicht einzuschränken, und daß dann das Gericht über die Einschränkung entscheidet. Diese Frage müßte im Ausschuß auf jeden Fall noch eingehend geprüft werden.
In diesem Übergangsgesetz ist im Gegensatz zum Frankfurter Gesetz und das scheint wohl die Wiederaufnahme eines guten und richtigen Brauchs zu sein — nicht allein ein Gelöbnis des Beamten verlangt worden, sondern es ist von ihm ein Dienst-und Treueid auf die Einhaltung der Verfassung und der Gesetze und auf die Erfüllung der Dienstpflicht verlangt worden. Wenn der Bundesrat auf der andern Seite zusätzlich fordert, daß die im Gesetz enthaltene Bestimmung über die demokratische Haltung des Beamten noch durch eine stärkere Verpflichtung ersetzt wird, so kann man hier allerdings geteilter Meinung sein. Entweder wird die Bestimmung ernst genommen; dann müßte sie eigentlich im Sinne einer politischen Aktivierung des Beamten ausgelegt werden. Oder sie wird nicht ernst genommen; dann bedeutet sie eine bloße Deklamation. Eine solche Deklamation haben wir nicht nötig. Wir sind überzeugt, daß wir mit der entsprechenden Bestimmung in diesem Gesetzentwurf durchaus auskommen.
Es ist nicht möglich, sich in der ersten Lesung abschließend über alle Einzelheiten dieser Problematik zu verbreiten. Wir wollen uns darüber klar sein, daß es jetzt notwendig ist, rasch eine Rechtsgrundlage zu gewinnen, um den personellen Aufbau der Ministerien durchführen zu können, und daß wir jetzt in dieser kurzen Zeit nicht ein neues Beamtengesetz schaffen können. Es bedarf gerade für dieses Gesetz sorgfältiger Überlegungen, um das, was notwendig ist und sich bewährt hat, aus der Vergangenheit zu übernehmen, und das, was erneuert werden muß, mit einzufügen. Alle diese grundsätzlichen Fragen, die sich nun einmal mit den Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst verbinden, müssen auch hier im Bundestag einmal eingehend diskutiert werden.
Jetzt handelt es sich darum, unserer Regierung ein Werkzeug in die Hand zu geben, mit dem sie zuverlässige, demokratisch einwandfreie und fachlich gut qualifizierte Beamte einstellen kann.
Das Wort hat der Herr Abgeordneten Dr. Menzel.
Meine Damen und Herren! Die Begründung, die der Herr Innenminister des Bundes diesem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf gegeben hat, ist in doppelter Weise sehr interessant. Einmal ist interessant, mit welcher Ängstlichkeit der Herr Innenminister des Bundes an den politischen Fragen, die ein solches Beamtengesetz beinhaltet, vorbeigegangen ist,
und ferner ist die Begründung interessant, die er gegeben hat, um uns die Eilbedürftigkeit klarzumachen, weshalb der Bund schon jetzt ein Beamtengesetz braucht.
Die Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers enthielt eine solche Fülle von Zusagen auf
dem sozialen Gebiet, sie hat uns die wirtschaftlichen und sozialen Nöte des Volkes so geschildert, daß wir Sozialdemokraten angenommen hatten, die Bundesregierung würde es als ihre vordringlichste Aufgabe ansehen, uns als eines der ersten Gesetze ein Gesetz über den Wohnungsbau oder über die Hebung der sozialen und wirtschaftlichen Lage der verarmten Massen vorzulegen oder zum mindesten einmal die Kraft und den Mut finden, eine Verordnung nach Artikel 119 des Grundgesetzes zu
erlassen, um die gerechte Verteilung der Vertriebenen durchzuführen.
Aber nach zwei Monaten Regierungszeit stehen wir jetzt vor der Tatsache, daß dieser kreißende Berg nur ein armseliges Mäuslein geboren hat, daß trotz all der wirtschaftlichen Nöte und trotz der noch steigenden Not draußen nichts anderes herausgekommen ist als ein zum mindesten doch recht dürftiges vorläufiges Beamtengesetz.
Meine Damen und Herren! Etwas voreilig, politisch nicht sehr glücklich und juristisch falsch beraten hatte die Bundesregierung schon vor einigen Wochen erklärt, daß das Gesetz Nr. 15 allein schon durch die Tatsache außer Kraft gesetzt sei, daß sich die Bundesregierung entschlossen habe, ein neues Gesetz vorzulegen. Auch bis zur Bundesregierung sollte es sich herumgesprochen haben, daß durch einen Kabinettsbeschluß, ein neues Gesetz vorzulegen, nicht ein bereits bestehendes außer Kraft gesetzt wird.
Aber im Laufe der Verhandlungen innerhalb der Bundesregierung, im Bundesrat und mit den Hohen Kommissaren war es die Bundesregierung selbst, die durch ihren amtlichen Sprecher mitteilen ließ, daß auch nach ihrer Auffassung dieses von ihr heute wieder plötzlich als ungültig hingestellte Gesetz doch Gültigkeit auch für den Bund, auch für die französische Zone und für die Bundesbeamten habe. Das kann nach dem Besatzungsstatut, nach dem Gesetz Nr. 25, nach den Artikeln 123 und 124 des Grundgesetzes auch gar nicht anders sein, sofern man gewillt ist, die Verfassung zu achten.
Man mag über das Gesetz Nr. 15 denken, wie man will. Auch wir sind durchaus der Auffassung, daß es erheblicher Abänderungen bedarf, daß es allein nicht die geeignete Grundlage sein kann, um einen neuen Beamtentyp in Deutschland zu schaffen. Aber das ist noch längst kein genügender Grund dafür, um die Beamten und Angestellten wieder in die Zwangsjacke des Hitlergesetzes vom Jahre 1937 zu stecken. Meine Damen und Herren! Es ist ja nicht nur so, daß die Hohen Kommissare die Ausdehnung des Gesetzes Nr. 15 auf die Beamten des Bundes ausdrücklich verfügt haben, sondern es heißt in der Anordnung der Hohen Kommissare vom 12. September 1949 — ich darf mit Erlaubnis des Präsidenten den entscheidenden Satz verlesen —, „daß die Hohen Kommissare ferner beschlossen, daß das Militärregierungsgesetz Nr. 15 betreffend die Funktionen und Organisationen der bizonalen Beamten auf die Bundesbeamten anzuwenden sei";
und die Bundesregierung hat durch ihren offiziellen Pressedienst dann am 17. Oktober ausdrücklich erklärt, die Militärgouverneure hätten als
eine ihrer letzten Amtshandlungen das für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet erlassene Beamtengesetz Nr. 15 auf die Bundesbeamten ausgedehnt. Es ist nicht so, wie der Innenminister des Bundes erklärt, daß es sich nur um eine einfache Mitteilung der Besatzungsmacht gehandelt habe, sondern es handelt sich hier um eine amtliche Verlautbarung der Hohen Kommissare.
Schließlich hat die Bundesregierung, um gar keinen Zweifel über die Rechtslage aufkommen zu lassen, über den Rundfunk am 28. Oktober verbreiten lassen, die Bundesregierung sei auf Grund einer Intervention der Hohen Kommissare übereingekommen, das alliierte Beamtengesetz so lange in Kraft zu lassen, bis das neue deutsche Gesetz vom Bundestag angenommen und von den Alliierten gebilligt worden sei. Also eine durchaus richtige Würdigung der klaren Rechtslage.
Und nun sagt der Herr Innenminister, daß ohne dieses vorläufige Gesetz die Bundesregierung nicht arbeitsfähig werden könnte. Das ist uns nicht verständlich. Die Bundesregierung findet auf Grund der in Frankfurt am Main beschlossenen Gesetze eine fertige Verwaltungsapparatur vor, um eine tatkräftige Beamtenpolitik machen und an eine Besetzung der Beamtenstellen gehen zu können. Aber das, was der Herr Innenminister und der Kollege Strauss hier zum Personalamt ausgeführt haben, beweist ja, warum er nicht an diese Dinge heran will. W i r halten es für notwendig, daß durch ein solches Personalamt die Garantie dafür geschaffen wird, daß die Besetzung der wichtigsten Stellen gerade bei einer Regierung, die sich doch nur auf eine sehr bescheidene Mehrheit in diesem Parlament stützen kann, nicht nur nach einseitigen parteipolitischen Gesichtspunkten oder auf Grund sonstiger Beziehungen erfolgt.
— Ich glaube schon, daß Ihnen das recht unbequem ist.
Das vorhandene Amt könnte sofort arbeiten.
Es war nicht uninteressant, daß der Herr Innenminister des Bundes neben den Argumenten gegen das Personalamt zum Schluß bemerkte, daß auch sonstige Gründe dagegen sprächen. Nun, meine Damen und Herren, warum so verschämt mit der Angabe dieser Gründe? Ich glaube, daß sich dahinter die Angst versteckt, daß der jetzige Leiter des Personalamts ein Mann ist, der nicht das Mitgliedsbuch einer der Regierungsparteien in der Tasche hat.
— Ich würde Ihnen empfehlen, den Herrn Bundesminister zu fragen, warum er diesen Mann nicht beschäftigen will. Dann wird er wahrscheinlich das Mitgliedsbuch nennen.
— Sicher, das weiß ich.
Meine Damen und Herren ! Wie es nicht anders zu erwarten war, hat dieser Gesetzentwurf einen sehr schlechten Start gehabt, und zwar zunächst einmal im Bundesrat. Die Bedenken des Bundesrats sind Ihnen in der Drucksache mitgeteilt worden. Aber Sie wissen auch, wie stark die Bedenken und die Kämpfe im Bundesrat waren. Der Bundesrat hatte es sogar für erforderlich gehalten, wegen dieser Gesetzesvorlage eine geheime Sitzung abzuhalten, um erst einmal die gegenüberstehenden Meinungen zu klären und sich dann in der öffentlichen Sitzung jeder sachlichen Diskussion über diese wichtige Frage zu enthalten und einfach die Länder abstimmen zu lassen. Dabei passierte es, daß die Stimmen eines Landes anders abgegeben wurden, als der Kabinettsbeschluß gelautet hatte.
Aber das Gesetz hat nicht nur beim Bundesrat einiges Kopfschütteln erregt, es hat vor allem — und das scheint uns wichtig und müßte auch dem Parlament wichtig erscheinen — bei den gesamten Beamtengewerkschaften einen erheblichen Protest ausgelöst. Das war nicht nur die Gewerkschaft der öffentlichen Dienste in Stuttgart. Dem Protest dieser Gewerkschaft haben sich später die großen Gewerkschaftsverbände der Eisenbahn, der Post, die Gewerkschaften für Erziehung und Wissenschaft, für Land- und Forstwirtschaft angeschlossen. Auch der Städtetag hat sich in einer Entschließung seines Beamtenausschusses sehr energisch gegen dieses Gesetz gewehrt, und da werden Sie wirklich nicht sagen können, daß es sich um ein sozialdemokratisches Komitee handle.
Ein wie gutes politisches Fingerspitzengefühl die Gewerkschaften hinsichtlich der Bedenken gegen diese Vorlage gehabt haben, geht aus einer Kundgebung hervor, die, soviel ich weiß, auch den übrigen Mitgliedern dieses Hohen Hauses zugegangen ist, worin es unter anderem heißt:
Die beabsichtigte Wiederinkraftsetzung des Deutschen Beamtengesetzes ist kein mutiger Schritt vorwärts; es ist eine Konzession an den Einfluß solcher Kräfte, die aus Bequemlichkeit oder Energielosigkeit den Weg aus der Vergangenheit nicht in die Gegenwart, noch weniger aber in die Zukunft zu finden vermögen.
Dieser Begründung kann man sich durchaus anschließen, besonders dann, wenn man einen kurzen Blick auf die politische Entwicklung des Beamtenbegriffs in Deutschland und vornehmlich in Preußen zurückwirft.
Das preußisch-deutsche Beamtentum ist im wesentlichen aus zwei Wurzeln gewachsen, einmal aus dem dynastischen Prinzip verbunden mit dem Anspruch auf unbedingten Gehorsam des Staatsdieners, ohne jede Verbindung zum Volke, und zwar einem unbedingten Gehorsam des Staatsdieners gegenüber dem Monarchen. Weil die Monarchien in Deutschland mit dem Aufbau des Militarismus verbunden waren, mußten die Landesherren eine zuverlässige Versorgung ihrer im Wehrdienst tätigen Männer schaffen. Das Prinzip der Militärversorgungsscheine wurde daher bei uns in Deutschland, im Gegensatz zu anderen Ländern, leider die eigentliche Grundlage unseres Beamtentums.
Damit entstand die sehr unglückselige Einteilung in untere, mittlere und höhere Beamte, und zugleich entstand damit der Kastengeist der Beamten, unter dem das deutsche Volk seit je so sehr gelitten hat.
Die Grundlagen des militaristischen Staates sind vernichtet, und mit dem Wegfall dieser Grundlage muß auch jener alte Beamtentyp wegfallen. Verkennen Sie auch das eine nicht: in dem gleichen Maße, in dem die Wandlung des alten Obrigkeitsstaates über den Rechtsstaat zum modernen sozialen und Wirtschaftsstaat vor sich ging, entstand
die von vielen nicht erkannte Notwendigkeit, einen neuen Beamtentyp in diese Entwicklung einzubauen. Der Staat konnte im vorigen und zu Anfang dieses Jahrhunderts mit diesem Tempo der modernen Entwicklung nicht Schritt halten. Er kam dadurch • in eine Isolierung gegenüber den Grundelementen der Bevölkerung, und es war gar kein Wunder, daß unter dieser Isolierung des Staates, unter dieser leider vorhandenen Trennung von Staat und Staatsbürger auch das Ansehen des Beamten leiden mußte.
Das änderte sich auch 1918 nach dem Wegfall der Monarchie nicht. Wir haben es alle selbst bitter empfunden und erleben müssen, daß das damalige Beamtentum den neuen Weg nicht sah und in der Weimarer Verfassung zum großen Teil nicht zum Schrittmacher der Demokratie, sondern zum Hemmschuh der Weimarer Republik wurde. In dem gleichen Maße, in dem ein großer Teil der leitenden Beamten nach 1918 an den Ideen der Monarchie und des Absolutismus festhielten, waren sie dann 1933 bereit, zur NSDAP überzugehen.
Aus dieser Entwicklung können wir die Bedeutung des Beamtengesetzes erkennen, und an dieser Bedeutung geht der Entwurf völlig vorbei. Er ist in seinem materiellen Inhalt unmöglich, und wir sind auch der Meinung, daß die Formulierungen dieses Entwurfs zum Teil recht oberflächlich sind. Zunächst haben wir Bedenken, der in § 6 des Entwurfs geforderten Ermächtigung an die Bundesregierung zuzustimmen. Die Bundesregierung glaubt, es sei möglich, ein so wichtiges Gesetz wie das Beamtengesetz von 1937 dadurch modernisieren zu können, daß man an den meisten Stellen das Wort „Nationalsozialismus" einfach mit dem Worte „Demokratie" auswechselt. Gegen eine solche „Entnazifizierung" von Gesetzen
wehren wir uns! Wir haben schon genug gehabt an der Entnazifizierung der einzelnen früheren Beamten. Wenn wir auch bei den Gesetzen jetzt anfangen, Kategorien zu schaffen, dann würde dieses Gesetz nach unserer Auffassung in die Kategorie I, nämlich der Hauptschuldigen gehören;
denn es war die Grundlage für den Anspruch auf unbedingten und blinden Gehorsam der Staatsdiener gegenüber Adolf Hitler. Mein Herr Vorredner hat sehr richtig darauf hingewiesen, daß in dieser Grundlage des blinden Gehorsams mit ein übler Kern des Dritten Reiches gelegen hat. Wenn aber die Bundesregierung glaubt, dieses Gesetz, wie sie es hier tut, in die Kategorie V bringen zu können, und meint, daß man bloß einige Worte zu streichen brauche, dann fürchten wir, daß es nächstens noch unter eine Amnestie fällt und daß es dann vielleicht noch in seinem alten Wortlaut angewendet wird.
Wir sind auch der Meinung, daß es nicht möglich ist, so wichtige Gesetze nur dadurch zu entnazifizieren, daß man einfach einige Hauptwörter ändert.
Denn das, was der Nationalsozialismus im Beamtentum sah, und das, was wir in ihm sehen sollten, sind zwei so verschiedene Elemente wie Feuer und Wasser, und diesen Gegensatz kann man nicht durch die formale Änderung einiger Paragraphen aus der Welt schaffen.
Wir laufen auch Gefahr, daß wir unsere Beamten in dem neuen . Staat in die recht gefährliche Nähe einer beamtenpolitischen Gedankenwelt bringen, aus der sie durch eine glimpfliche Entnazifizierung gerade entronnen sind.
Nun, meine Damen und Herren, was ist denn bei dieser Eile, von der die Bundesregierung spricht, herausgekommen? Die Bundesregierung soll nach § 6 die Ermächtigung erhalten, das alte Reichsbeamtengesetz von 1937 zu überholen. Sie hat diesen Versuch bereits unternommen und hat einen Entwurf ausgearbeitet, der zeigt, wie sie sich dieses Ergebnis denkt. Und wie sieht es aus? Wenn Sie sich diese Vorlage näher ansehen, werden Sie unsere Bedenken gegen eine Ermächtigung für die Regierung teilen. Es heißt zwar in § 2 des Gesetzentwurfes, daß in Durchführung des Grundgesetzes Frauen und die Angehörigen aller Rassen und Berufe gleichgestellt sind. Aber in jener ersten Überarbeitung durch die Bundesregierung finden Sie die fröhliche Wiedergeburt der §§ 28 und 63 des Reichsbeamtengesetzes von 1937, die da besagen, daß Frauen erst mit 35, Männer aber schon mit 27 Jahren Beamte werden dürfen, und Sie finden auch jene Bestimmung wieder, daß die Frauen-Beamten entlassen werden müssen, wenn ihre Versorgung anderweitig sichergestellt ist. Nun, daß das dem Grundgesetz ganz offenbar widerspricht, wird ja auch dem Herrn Bundesinnenminister klar sein. Aber warum will man es erst auf eine Entscheidung des Verfassungsgerichts ankommen lassen, um sich bescheinigen zu lassen, daß diese Bestimmungen des Gesetzes verfassungswidrig sind?
Aber es gibt in der überarbeiteten Vorlage noch einige andere Bestimmungen, die sehr interessant sind. Sie finden da wieder die Vorschrift, daß der Herr Bundespräsident — der Paragraph ist also überarbeitet worden, und nun heißt es statt „Führer und Reichskanzler" lediglich „Bundespräsident" — ermächtigt sei, nicht nur die Beamten des Bundes, sondern auch die Regierungspräsidenten, Oberbürgermeister, Landräte und Polizeipräsidenten jederzeit in den Wartestand zu versetzen.
Ferner findet sich da die Bestimmung, daß dieses Gesetz auch auf die Polizeibeamten der Länder Anwendung zu finden habe.
Nun weiß ich, daß der Herr Bundesinnenminister erklären wird, das seien einige Flüchtigkeiten. Aber, meine Damen und Herren, ist es wirklich verantwortlich gehandelt, die doch in diesem Hohen Hause immer so stark betonten föderalistischen Interessen
zu übersehen und sich mit Flüchtigkeiten zu entschuldigen? Wenn man schon einen Paragraphen ändert — und die Paragraphen, die ich zitiert habe, sind geändert worden —, dann wäre es doch viel leichter gewesen, denselben Bleistift zu benutzen, um den ganzen Paragraphen
zu streichen, nicht aber, ihn in einer neuen Fassung wieder erstehen zu lassen.
Meine Damen und Herren! Wir alle wissen auch, daß 1937 an eine gewerkschaftliche Betätigung der Beamten deshalb nicht gedacht werden konnte, weil sie unzulässig war. Hätte es da für die Bundesregierung nicht nahegelegen, in dieses Gesetz etwas über das Recht zur gewerkschaftlichen Betätigung aufzunehmen? Natürlich werden Sie sagen, dieses Recht sei im Grundgesetz garantiert, und das Kontrollratsgesetz Nr. 22 gewähre dem Beamten jenes Recht. Aber nach der jahrelangen Unterdrückung jeder gewerkschaftlichen Betätigungsfreiheit der Beamten wäre es doch notwendig gewesen, als ein politisches Programm dieser Bundesregierung zu erkennen zu geben, daß sie für die gewerkschaftliche Koalitionsfreiheit der Beamten sei. Aber vielleicht hängt das mit der Tatsache zusammen, daß der Herr Bundeskanzler in seiner damaligen Regierungserklärung die Gewerkschaften leider überhaupt nicht erwähnt hat.
Dabei hätte es doch nahegelegen, sich schon vorher, ehe man dieses Gesetz weiterleitete, mit den Gewerkschaften zu beraten. Man komme uns nicht damit, es sei keine Zeit gewesen. Das Gesetz ist, ich glaube, drei oder vier Wochen im Kabinett beraten worden. Da hätte sich weiß Gott ein Vor- oder Nachmittag finden lassen, um diese Fragen mit den Gewerkschaften zu beraten. Die Gewerkschaften hätten dann mit Recht darauf hinweisen können, welchen gefährlichen Weg wir wieder gehen, wenn wir die alte Klassifizierung des Gesetzes von 1937 erneut einführen.
Der Herr Bundesinnenminister hat hier bei der Unterscheidung zwischen Beamten und Angestellten auch wieder auf die alte Formel hingewiesen — und er entleiht sie dem Gesetz von 1937 —, daß Beamter nur sein solle, wer Hoheitsfunktionen erfülle. Nun, meine Damen und Herren, wer die Praxis des Beamtenrechts und wer die Verwaltung kennt, weiß, daß es bei der Vielseitigkeit der heutigen Verwaltungsmaschinerie und bei der Fülle der Aufgaben, die der öffentlichen Verwaltung heute obliegen, gar nicht möglich ist, zwischen reinen Hoheitsaufgaben und Nichthoheitsaufgaben so exakt zu scheiden. Daher hat sich keine der Verwaltungen — sei es vor 1914, sei es vor 1933, sei es auf Grund des Gesetzes von 1937 — an diese Unterscheidung gehalten, weil man sich einfach nicht daran halten konnte. Wir fürchten auch, daß eine solche Unterscheidung sich unsozial auswirken und dazu führen muß, daß nur eine kleine Anzahl der höheren Beamten in den Genuß beamtenrechtlicher Vorteile kommen wird, die Masse der unteren und mittleren Beamten aber nicht.
Wir sind daher der Auffassung, daß es ' auch im
Interesse des Staates nur darauf ankommt, ob eine
Tätigkeit, die jemandem übertragen wird, von
Dauer ist, und daß derjenige, der diese Stelle aus-
füllt, unter den gleichen sozialen und unter den
gleichen rechtlichen Bedingungen arbeiten soll wie
sein Kollege. Wir würden in dieser Einheit von
Beamten und Angestellten — wobei ich hier unter
Beamten zunächst noch den alten Typ verstehe —
einen entscheidenden Fortschritt für die Entwicklung unseres künftigen Beamtenrechts sehen. Wir sind darüber hinaus — gerade wenn wir diese Einheit bejahen — der Auffassung, daß die Einstellung und die Beförderung innerhalb des Staatsdienstes nicht auf einem Laufbahnanspruch, auf einem Karrierenanspruch basieren sollte. Wir sind der Meinung, daß es hier entscheidend auf die fachliche und sachliche Leistung sowie die charakterliche Haltung des Betreffenden ankommen sollte. Uns macht daher jene Vorschrift des Gesetzentwurfes sehr stutzig, in der es heißt, es können „auch" diejenigen, die nicht die Laufbahn des Beamten durchgemacht haben, eingestellt werden. Dieses „auch" ist sehr verdächtig. Es klingt wie eine Art Gnadenbrot. Dabei wissen wir genau, meine Damen und Herren, daß gerade jene Männer und Frauen, die nicht durch die „Ochsentour" gegangen sind, sondern sich draußen im wirtschaftlichen, im politischen, im gewerkschaftlichen ' Leben bewährt haben, meistens die besten Vertreter der Interessen des Staates geworden sind.
Wir sollten daher verlangen, daß sie „bevorzugt", nicht „auch" einzustellen sind.
Damit hängt natürlich, wenn wir den Karriereanspruch künftig verneinen, auch die Notwendigkeit zusammen, alle Stellen im Staate auszuschreiben.
Es ist nicht richtig, den Nachwuchs nur aus dem engeren Kreise zu nehmen, den der jeweilige Dienstherr gerade kennt. Nach den auf Grund einer Ausschreibung eingehenden Bewerbungen hat der Dienstherr die Möglichkeit, den Richtigen auszuwählen. In diesem Zusammenhange freue ich mich, daß auch mein Herr Vorredner sich grundsätzlich für den sogenannten Trottel-Paragraphen einsetzt. Wir sind aber der Meinung, daß es, um der ganzen beamtenpolitischen Entwicklung eine bestimmte Richtung zu geben, erforderlich wäre, diese Vorschrift schon jetzt aufzunehmen.
Es ist mir aufgefallen, daß der Herr Bundesminister einen wesentlichen Teil der amtlichen und uns gedruckt vorliegenden Begründung heute nicht erwähnt hat, und zwar jenen Teil der Begründung, aus dem sich ergibt, wozu die Bundesregierung ermächtigt werden soll. Das ist völlig offen gelassen worden. Dazu gehört z. B., meine Damen und Herren, daß mit der Annahme dieses Gesetzes nicht nur alle besoldungs- und versorgungsrechtlichen Bestimmungen, alle Durchführungserlasse usw. des Dritten Reiches in Kraft treten sollen, sondern daß auch das bei den Beamten so berüchtigte Dienststrafgesetz Adolf Hitlers von 1938 in Kraft treten soll.
Die schriftliche Begründung läßt das an einer Stelle nur sehr verschämt erkennen. Aber was steckt denn dahinter, meine Damen und Herren? Während wir in Preußen schon vor 1933 ein verhältnismäßig modernes Beamtendienststrafrecht hatten, wurde die Rechtslage durch das Gesetz von 1937 hinter die des Jahres 1851 zurückgeworfen. Damals, das heißt 1937, wurden nicht nur jene den Beamten so ungünstigen Bestimmungen geschaffen, wonach zu einem Schuldspruch eine einfache Mehrheit des Richterkollegiums genüge. Damals wurden auch die Verjährungsvorschriften gestrichen, und das gesamte Dienststrafverfahren wurde zu einem Geheimverfahren hinter verschlossenen Türen gemacht; kein Beamter hatte die Möglichkeit, seine
Rechte in aller Öffentlichkeit zu verteidigen. Die Rechtlosigkeit, unter die die Beamten damals gestellt wurden, ging sogar so weit, daß ihnen eine Verteidigung erst im Hauptverfahren zustand und kein Verteidiger das Recht hatte, in dem einleitenden Verfahren die Rechte des Beamten wahrzunehmen.
Diese Verletzung der primitivsten Rechte eines jeden Angeschuldigten will die Bundesregierung heute wieder dulden. Ich bin der Meinung, daß das eine sehr erhebliche, eine sehr schwerwiegende Verletzung der Fürsorgepflicht des Staates gegen- über den Beamten ist. Wenn hier immer wieder von der Treuepflicht des Beamten gegenüber dem Staat, die auch wir anerkennen, gesprochen wird, so steht dieser Treuepflicht gegenüber auch eine Fürsorgepflicht des Staates. Diese Fürsorgepflicht wird aufs gröblichste verletzt, wenn Sie dieses Geheimverfahren, diese Rechtlosstellung der Beamten im Hitlerschen Dienststrafgesetz wieder einführen wollen.
So macht diese Vorlage den Versuch der Wiederherstellung zumindest der rechtlichen Grundlagen eines sehr rückständigen Beamten- und Dienststrafrechtes, das den Geist der Mitte des vorigen Jahrhunderts, das heißt den Geist der preußischen Reaktion atmet. Welche Gefahren hier vorliegen, ergibt sich wohl aus der befremdenden, aber auch geradezu beängstigenden Tatsache des Wiedererwachens der Korporationen an den einzelnen Universitäten.
— Herr Abgeordneter Dr. Müller, ich werde Ihnen gleich einige Zeilen vorlesen, und wenn Sie dann noch lachen, ist Ihnen allerdings nicht zu helfen.
In der Göttinger Universitätszeitung vom Oktober dieses Jahres finden Sie einen Artikel, der von einem Herrn Grüninger, Oberregierungsrat, zur Zeit a. D., unterschrieben ist. Er trägt die Überschrift: „Die Korporationsdebatte". Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten möchte ich einige Zeilen daraus verlesen:
Mir war es etwa für die Wahl der Mitarbeiter in meinem Wirkungskreis sehr wesentlich, in meinen Bundesbrüdern Persönlichkeiten zu wissen, denen ich mich in Idealen und Zielen verbunden fühle und denen ich deswegen bedenkenlos auch verantwortungsvolle Auf gaben übertragen konnte. Wieviel befriedigender ist doch die Auslese nach einem solchen Persönlichkeitsprinzip gegenüber der schematischen Anwendung fachlicher Prüfungsergebnisse und -zeugnisse.
Auch mir war in der Zeit meiner eigenen beruflichen Entwicklung die Förderung durch wohlwollende ältere Bundesbrüder eine wertvolle Stütze.
— Das hat wohl mit dem Beamtengesetz etwas zu tun, weil wir den Geist, der hier aus diesen Zeilen spricht, nicht wieder haben wollen. Wir wollen nicht, daß er in unserer-Beamtenpolitik und Gesetzgebung wieder eine Heimstätte findet.
Es heißt dann weiter wie folgt:
Der zweite Grundzug, die Erziehung zur unbedingten Ehrenhaftigkeit in allen Lebenslagen,
ist ein anderer Ausdruck für den Anspruch des Akademikers als Elitepersönlichkeit. Es ist nun ein gesellschaftliches und berechtigtes Phänomen, daß solche Führerschichten bestrebt sind, durch die Wahl besonderer Moral- und Ehrenkodizes, besonderer Umgangsformen und auch Abzeichen sich von der übrigen Volksmasse abzugrenzen.
Die Kneipe, der Komment, das Fechten usw. sind unwesentlich, aber — wie die Liturgie der katholischen Kirche --- eine historisch gewordene Form, an deren Wert wir nicht zweifeln dürfen.
Sehen Sie, meine Damen und Herren, diese Kreise und diesen Geist des Beamtenrechts wollen wir nicht mehr.
— Da sind wir einig?
— Es freut mich, daß wir in diesem strittigen Punkt jetzt einig sind. Immerhin findet der Geist, der hier in Erscheinung tritt, seinen Niederschlag in einem „Schutzbund für ehemalige Pg-Beamte" in Frankfurt am Main, der wahrscheinlich die Grundlage mancher Anträge in diesem Hohen Hause sein wird. Diese Schutzvereinigung fordert ja sogar, daß die innerhalb eines NSDAP-Amtes zugebrachten Tätigkeitszeiten auf das Besoldungsdienstalter auch im neuen demokratischen Staate angerechnet werden sollen.
In diesem Zusammenhang noch ein Wort zu dem, was nach unserer Auffassung schon jetzt als Praxis der Beamtenpolitik im Bund in Erscheinung tritt. Wir wissen alle, wie wenig zugänglich die Besatzungsmächte häufig in der Beamtenpolitik von Dienststellen, die allein der Kontrolle der Besatzungsmächte unterstanden, waren und wie wenig man deutschen Anregungen und Hinweisen gefolgt ist. Wir wissen, daß es leider Gottes gar nicht so wenige Dienststellen gab, die heute in deutsche Hoheit übergeführt wurden, die nicht nur zu 90 oder 95 Prozent, sondern zu 100 Prozent mit ehemaligen Pgs besetzt worden sind. Aber diese Erbschaft, die nun einmal gegeben ist und mit der wir fertig werden müssen, gibt noch keinen Anspruch, nun auch innerhalb des Bundes eine gleiche Politik fortzusetzen. Unsere Skepsis gegen diesen Beamtenrechtsentwurf wird gerade durch das gestärkt, was wir seit einiger Zeit auf diesem Gebiete erleben.
Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung einige sehr erfreuliche und sehr mutige Worte zur Judenfrage gefunden. Als er diese Erklärung abgab, fiel uns allerdings auf, daß er dabei nicht den Beifall seiner Regierungsparteien hatte.
Aber, meine Damen und Herren, wir werden sehr skeptisch, wenn wir beim Herrn Bundeskanzler einen Mann finden, der trotz seiner Kommentierung der Rassegesetze von Nürnberg 1935 und trotz seiner Mitautorschaft an jenem Gesetz heute zu
einer entscheidenden Funktion beim Herrn Bundeskanzler berufen werden soll.
Die Beteuerung, gute auswärtige Beziehungen zu erstreben, setzt ferner voraus, daß man dem Ausland durch die Personalpolitik keine berechtigten Einwände gibt, die Echtheit des Bekenntnisses zu Europa zu bezweifeln. Aber das würde geschehen, wenn in einem der entscheidenden Ministerien ein Mann sitzt, der wegen einer Fragebogenfälschung über seine Betätigung im Ausland vorbestraft ist.
— Dazu gehört der Herr!
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich deshalb etwas aus dem Nähkörbchen plaudern, weil auch innerhalb der Regierungsparteien diese Frage, wie man Personalpolitik macht, heftig umstritten ist.
— O ja!
Unter dem 19. Oktober hat der Herr Bundeskanzler von einer der Fraktionen, die dieser Regierung angehören, einen Brief bekommen:
Falls im Innenministerium noch ein freier Posten zu besetzen ist, erwartet die Fraktion, daß ihre Vorschläge entsprechend berücksichtigt werden, und zwar in zahlenmäßigem Umfange wie vereinbart.
Wir bestehen darauf, daß beim Arbeitsministerium als Staatssekretär Herr . . . vorgesehen wird. Außerdem ist ein koordinierendes Ernährungsdezernat zu schaffen und ebenfalls von uns zu besetzen.
Jetzt ist es uns nicht mehr verwunderlich, daß die Rechte dieses Hohen Hauses protestierte, als mein Freund Dr. Schumacher in seiner Erwiderung zur Regierungserklärung forderte, daß auch in der Beamtenpolitik die verfassungstreuen Parteien gleichberechtigt berücksichtigt werden sollten.
Wir führen das nicht wegen dieses oder jenes einzelnen Mannes oder wegen dieses oder jenes einzelnen Postens an, sondern weil diese Vorgänge uns für den Weg, den die Bundesregierung auf einem so wichtigen Gebiete gehen will, symptomatisch zu sein scheinen; denn es handelt sich nicht nur um die Frage einiger Personen, sondern um eine grundsätzliche politische Entscheidung der Bundesregierung. Seien wir uns darüber klar, daß das Ausland sehr aufmerksam darauf achten wird, ob jene Geister zurückgerufen werden, die bereits einmal Schrittmacher des Dritten Reiches oder später seine getreuen Helfer gewesen sind.
Meine Damen und Herren! Das, was die Bundesregierung uns hier vorlegt, beweist, daß sie nicht gewillt ist, irgend etwas Modernes zu schaffen, daß sie an der Entwicklung des Staates im letzten Jahrhundert einfach achtlos vorbeigehen will, und wenn der Herr Innenminister des Bundes erklärt, daß das alles nur provisorisch sei, dann erinnere ich an die fatale Tatsache, daß die meisten Provisorien nach 1945 Neigung zu endgültiger Gestaltung ge-
zeigt haben. Wenn es aber einer eiligen provisorischen Lösung bedarf, dann kann ich nur wiederholen: Bleiben Sie bei der jetzigen Rechtsgrundlage!
Wir aber von der Sozialdemokratischen Partei, meine Damen und Herren, lehnen es ab, die Beamten wieder in eine politisch so unwürdige und rechtlich so ungeklärte Situation zu bringen, wie sie der vorliegende Entwurf mit sich bringt. Die Demokratisierung der Verwaltung setzt eine Demokratisierung des gesamten Beamtenrechts voraus. So, wie der Beamte ist, wird auch der Staat sein. Der Staat wird in erster Linie durch seine Beamten und Angestellten wirksam, und er tritt in der Person der Beamten und Angestellten dem einzelnen Staatsbürger in seiner großen Machtvollkommenheit gegenüber. Wir von der Sozialdemokratie sagen zu den sittlichen, zu den moralischen Grundsätzen eines an den Staat gebundenen Beamtentums ja; aber, meine Damen und Herren, wir fordern auch um der Beamten willen, daß die Klassenunterschiede beseitigt werden und daß dieses Beamtenrecht eingebettet wird in die politische Gesamtsituation unseres Volkes, in seine Nöte, in seine Wünsche in dieser schweren Zeit und auch in seine berechtigten Hoffnungen auf die Zukunft.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gundelach.
Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Kommunistischen Partei lehnt den Regierungsgesetzentwurf zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse für die im Dienst des Bundes stehenden Personen in seiner jetzigen Fassung ab. Dieser Entwurf entspricht keineswegs den Bedingungen einer demokratischen Neuordnung des Beamtenrechts. Wir Kommunisten sind der Meinung, daß auch ein Provisorium für eine gewisse Übergangszeit das Neue und das Fortschrittliche gegenüber dem Alten zum Ausdruck bringen muß. Von einem neuen, fortschrittlichen Geist ist aber in der Regierungsvorlage nicht das geringste zu spüren. Man hat bei der Erarbeitung dieser Vorlage auf das Beamtengesetz aus dem Jahre 1937 zurückgegriffen. Dieses, meine Herren und Damen, wird aber dadurch nicht besser, daß in der Begründung der Regierung darauf hingewiesen wird, daß es den Beamtenrechtsverhältnissen der Weimarer Zeit mit entspricht. Diese Tatsache, daß man sich seitens der Regierung bei der zur Beratung stehenden Gesetzesvorlage auf die mangelhaften Rechtsverhältnisse der Vergangenheit stützt, läßt vermuten, daß die Regierung auch bei der Ausarbeitung eines Gesetzes für die endgültige Regelung der Rechtsverhältnisse für die im öffentlichen Dienst tätigen Personen den demokratischen Erfordernissen nicht Rechnung tragen wird.
Die vorliegende Gesetzesvorlage ist das Werk der Ministerialbürokratie. Die Regierung hat es nicht einmal für erforderlich gehalten, obwohl es sich hier um die Rechte eines großen Personenkreises handelt, der gewerkschaftlich organisiert ist, dessen Berufsvertretung, die Gewerkschaften, bei der Vorbereitung der Gesetzesvorlage zur Mitarbeit heranzuziehen. Das zeigt einen Kurs der Regierung, den wir bereits auf anderen Gebieten gewohnt sind, der aber auf das schärfste zu mißbilligen ist. Die Gewerkschaften haben ein Anrecht darauf, auch dort gehört zu werden, wo der Arbeitgeber der Staat selber ist. Nur durch die Mitarbeit der Gewerkschaften bei der Neuregelung der
Rechte der im öffentlichen Dienst tätigen Personen wird erreicht werden, daß diese Menschen in engste Tuchfühlung mit dem Volke kommen und nicht mehr, wie es leider der Fall ist, Staat im Staate spielen können.
Für uns Kommunisten ist es selbstverständlich, daß allen Personen, die im öffentlichen Dienst tätig sind, die vollen Staatsbürgerrechte zugestanden werden müssen. Wir sind gegen die zur Zeit bestehenden Beschränkungen, die es Beamten und Angestellten im Staatsdienst verbieten, sich politisch zu betätigen, und die es diesen Personen nicht gestatten, bei Wahlen zu kandidieren. Eine solche Entrechtung hat ganz und gar nichts mit Demokratie und ganz und gar nichts mit der Schaffung demokratischer Verwaltungsorgane zu tun; im Gegenteil: eine solche entrechtete Beamtenschaft ist volksfremd und muß volksfremd bleiben. Mit diesem Zustand muß nach der Auffassung der Kommunisten bei der Neuregelung der Rechtsverhältnisse für die im Staatsdienst tätigen Menschen Schluß gemacht werden. Es muß aber auch mit dem heutigen Zustand der Abhängigkeit der Staatsbediensteten von der oberen Bürokratie Schluß gemacht werden. Die Staatsbediensteten sollen unserer Meinung nach volle Verantwortlichkeit einzig und allein gegenüber dem gesamten Volke tragen.
Der vorliegende Gesetzentwurf entspricht keineswegs fortschrittlichen demokratischen Auffassungen auf dem Gebiete der Neuregelung der Rechtsverhältnisse für die im Staatsdienst tätigen Personen. Deswegen lehnen wir Kommunisten den Gesetzentwurf in der jetzigen Fassung ab. Auch wir vermissen darin das, was schon von dem Herrn Abgeordneten Menzel zum Ausdruck gebracht worden ist und eine sehr wichtige Forderung der Gewerkschaften darstellt, nämlich die Schaffung eines Personalamts des Bundes. Wir stehen zu dieser Forderung der Gewerkschaften, weil wir damit ein Entgegenwirken gegen die „Nur-Entscheidung" der einzelnen Ministerien in der Beamtenpolitik erreichen wollen.
Herr Abgeordneter Pannenbecker hat das Wort.
Meine Damen und Herren! Wir begrüßen ob der Unsicherheit, die zur Zeit auf dem Gebiete des Beamtenrechts herrscht, die Einbringung der Gesetzesvorlage, betonen aber daß wir Wert darauf legen müssen, daß diesem Übergangsgesetz bald ein endgültiges Gesetz folgt.
Da es sich um ein Gesetz handelt, das als Übergangsgesetz anzusprechen ist, möchte ich mich bei der heutigen Beratung nicht auf Einzelheiten einlassen, betone aber, meine Damen und Herren, daß meine politischen Freunde am Berufsbeamtentum und am öffentlich-rechtlichen Treueverhältnis der Beamten zum Staat festhalten.
Einen Punkt darf ich herausgreifen, der auch schon von einem der Herren Vorredner gestreift worden ist. Auch wir sind der Meinung, daß bei einer Zurückstufung von Beamten, sei es besoldungsmäßig oder in anderer Weise, nicht der Dienstvorgesetzte, selbst nicht der höchste Dienstvorgesetzte die Entscheidung zu treffen hat, sondern daß dafür eine richterliche Instanz geschaffen werden muß.
Zu der Frage des Personalamts möchte meine Fraktion im Augenblick nicht abschließend Stellung nehmen. Zweifellos kann das Personalamt so, wie es in Frankfurt bestanden hat, nicht weiterbestehen.
Es erscheint aber meinen politischen Freunden als richtig, daß im Augenblick hinsichtlich der Einstellung der Bewerber - der Herr Innenminister hat auf § 2 des Gesetzentwurfs besonders hingewiesen — eine parlamentarische Kontrolle ausgeübt wird. Man könnte einwenden, daß das bei dem vorläufigen Charakter des Gesetzes nicht notwendig sei; aber meine politischen Freunde sind der Auffassung, daß es gerade jetzt, da es sich in der Hauptsache um Neueinstellungen handelt, darauf ankommt, eine Kontrolle auszuüben. Deswegen hat meine Fraktion folgenden Antrag gestellt, den ich Ihnen im Auftrage meiner Fraktion vorlese:
Der Bundestag wolle beschließen:
Zur Überwachung der Durchführung des § 2 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Personen wird ein parlamentarischer Sonderausschuß gebildet, dem von jeder Fraktion ein Vertreter angehört. Diesem Sonderausschuß ist die beabsichtigte Besetzung der leitenden Beamtenstellen vier Wochen vor der Besetzung mitzuteilen. Leitende Stellen sind in der gehobenen Laufbahn die des Amtmanns und höher, in der höheren Laufbahn die des Oberrats und höher.
Ich nehme an, daß der Antrag dem Herrn Präsidenten vorliegt.
Nach § 37 der vorläufigen Geschäftsordnung kann über Änderungsanträge zu Gesetzentwürfen nicht vor Schluß der ersten Beratung entschieden werden.
Das Wort hat jetzt der Herr Abgeordnete Dr. Nowack.
Meine Damen und Herren, erschrecken Sie bitte nicht über dieses voluminöse Werk, das ich in der Hand habe. Es ist nicht die Unterlage meiner Rede, sondern nur ein Material, das ich nachher bei der Rede brauche, insbesondere nachdem der Herr Kollege Menzel darauf angespielt hat.
Herr Kollege Menzel hat erklärt, daß die Regierungsvorlage ein armseliges Mäuslein sei. Er hat sich dann aber mit aller Kraft bemüht, in dieses armselige Mäuslein das gesamte Vokabularium und die gesamte Phraseologie der Sozialdemokratischen Partei hineinzustecken und aus diesem Mäuslein auf diese Weise eine Art von Elefanten zu machen, den er dann dem erstaunten Volk vorgeführt hat.
Er hat damit an die grundsätzliche Frage des Beamtentums gerührt und hat eine Notlösung, die die Regierung hier als eine Brücke, als eine Zwischenlösung vorgeschlagen hat, zum Anlaß genommen, um nun eine Grundsatzdebatte über die Beamtenfragen herbeizuführen. Wir sind bereit, uns auf diese Grundsatzdebatte einzulassen. Ehe ich mich damit beschäftige, Möchte ich jedoch erst einmal zu einigen Punkten der Vorlage Stellung nehmen.
Die Vorlage sieht in § 1 vor, daß alle Körperschaften des öffentlichen Rechts auch unter die Bestimmungen dieses Gesetzes fallen sollen, soweit sie auf Bundesebene errichtet worden sind.
Wir haben gegen diese Formulierung Bedenken, weil wir wissen, daß in den letzten eineinhalb Jahrzehnten eine ganze Reihe von Institutionen zu Körperschaften des öffentlichen Rechts gemacht worden sind, die es früher nicht waren, Körperschaften, die gar nicht das Bedürfnis haben, nunmehr unter beamtenrechtliche Vorschriften für ihre Angestelltenschaft gestellt zu werden.
Eine andere Überlegung muß man bei dem § 6 machen. In den Punkten a, b und c sind die gesetzlichen Unterlagen angeführt, auf die sich die Bundesregierung bei der Durchführung der vorliegenden Gesetzesvorlage stützen will. Das ist allerdings in einer so ungewissen Weise erfolgt, daß man es in dieser Form unmöglich für juristisch tragbar erklären kann. Wir halten es daher für notwendig, daß die in den Punkten a, b und c angeführten gesetzlichen Unterlagen in der nunmehr gültigen Fassung veröffentlicht werden.
Herr Kollege Menzel hat eine dieser Unterlagen, nämlich die Fassung des Deutschen Beamtengesetzes, bereits erwähnt. Er hat es allerdings so dargestellt, als ob damit eine Neufassung des Deutschen Beamtengesetzes von seiten der Bundesregierung vorgelegt worden wäre. In Wirklichkeit handelt es sich — das geht aus dem ersten Blatt dieser Referentenarbeit ganz klar hervor — nicht um eine Neufassung des Deutschen Beamtengesetzes, sondern um eine Zusammenstellung dessen, was die Anordnungen der verschiedenen Militärregierungen an dem Gesetz von 1937 geändert haben, um eine Ubersicht darüber zu haben, was noch anzuwenden ist und was verschwunden ist. Es ist also keine Überarbeitung des Deutschen Beamtengesetzes, kein Referentenentwurf, der neu vorliegt, sondern nur eine sachliche Ausarbeitung, die einmal diese Dinge für den täglichen Gebrauch festhält, bis wir in diesem Hause das richtige deutsche Beamtengesetz, das neue Gesetz, gemacht haben werden. In diesem Gesetz werden wir auch solche Dinge, wie sie hier aus Artikel 28 angeführt worden sind, beseitigen. Wir werden dafür sorgen, daß die Frauen bei ihrer Einstellung in den Dienst des Bundes mit den gleichen Rechten ausgestattet werden wie ihre männlichen Kollegen. Das ist nur ein Punkt. Es gibt noch eine ganze Reihe anderer Punkte, die durchaus der Abänderung bedürfen. Das ist ja aber unsere Aufgabe die wir in den nächsten Monaten hier im Hause und in den Ausschüssen zu lösen haben werden.
Gerade die Unklarheit, mit der die Punkte a, b und c in § 6 abgefaßt sind, zeigt uns, wie dringlich die Lösung der Aufgabe ist, ein neues deutsches Beamtengesetz zu schaffen. Es ist daher dringend erforderlich, daß wir so bald wie möglich die entsprechenden Vorlagen erhalten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben dann noch einiges zu § 2 zu sagen, und damit komme ich gleich zum Grundsätzlichen. Der § 2 sieht insbesondere in seinem Absatz 2 vor, daß auch sogenannte Außenseiter — das Wort ist hier schon gefallen — in die Beamtenlaufbahn einbezogen werden können. Das soll eine Art Bluttransfusion, eine Auffrischung des Blutes innerhalb des gesamten Beamtenkörpers sein. Das ist etwas, was in seinem Grundgedanken durchaus gut und anzuerkennen ist, was aber bei weitem nicht so neu ist, wie man uns heute gerade von
seiten derjenigen weismachen will, die das Berufsbeamtentum nicht fördern, sondern die es behindern und abbauen möchten. Es hat zu allen Zeiten innerhalb der Beamtenschaft für fähige Leute jegliche Aufstiegsmöglichkeit gegeben.
Wenn Sie nur ein Beispiel wollen, dann nehmen Sie den Generalpostmeister Stephan, der ein klassisches Beispiel dafür ist.
— Ich habe Ihnen ein klassisches Beispiel genannt. Aus der Entwicklung der letzten Jahre gerade seit 1945 können wir, glaube ich, weit zahlreichere neuere, modernere Beispiele anführen.
— Es ist nicht das Normale. Ich spreche auch von Außenseitern. Sie können ja nicht die Ausnahme zum Normalen machen. Das ist nämlich das Unglück, das heute geschieht.
Es gab auch Außenseiter, die, sagen wir einmal, aus Standesgründen in eine amtliche Stellung kamen. Das war insbesondere in der wilhelminischen Zeit üblich. Wir wollen die Dinge gar nicht beschönigen, wir wollen sie so sehen und nennen, wie sie sich tatsächlich abgespielt haben. Aber das eine muß ich noch einmal feststellen: das waren die Ausnahmen und nicht die Regel. In den vergangenen dreißig Jahren hat man aber den naiven Irrtum begangen, daß man geglaubt hat, Beamter könne jeder spielen. Man hat in vielen Fällen aus der Ausnahme eine Regel gemacht. Das hat dazu geführt, daß das wirkliche Berufsbeamtentum sich zurückgesetzt gefühlt hat. Denn es sah, daß Leute in Stellen waren und in Stellungen kamen, für die der Beamte jahrelang, jahrzehntelang arbeiten, zahllose Prüfungen ablegen und eine außerordentliche Bewährung liefern mußte. Diese Stellen flogen anderen nun einfach zu.
Damit verbunden war ein Aufgeben des Grundgedankens, der das echte Berufsbeamtentum zutiefst beseelt: der Berufsbeamte leistet Dienst. Aus dem Dienst wurde nun aber ein job gemacht. Gerade das, was für den Berufsbeamten beim Antritt seiner Laufbahn nicht das Entscheidende ist, nämlich die Pension, erschien nun als die große Sehnsucht für alle diejenigen, die auf dem Außenseiterwege in allzu großer Zahl als eine Inflation in den Beamtenapparat hineinströmten.
— Damit gehen wir sehr gern ins Volk. Und wenn Sie einmal das Volk darüber hören, dann werden Sie wissen, daß das Volk den Berufsbeamten und nicht den parteipolitisch orientierten Außenseiter will.
Nicht nur Sie gehen ins Volk, auch wir tun das,
vielleicht sogar besser und mehr, als Sie es sich
vorstellen oder als Ihnen vielleicht erwünscht ist.
Man hat geglaubt, daß zum Beamtentum eigentlich gar keine Kenntnisse gehören. Kein Mensch kommt auf die Idee, einem Regierungsrat etwa den Bohrer eines Zahnarztes in die Hand zu geben und ihn auf die Patienten loszulassen. Aber wenn
derselbe Zahnarzt, vielleicht mit dem richtigen Parteibuch ausgestattet, in das Amt eines Regierungsrats gesetzt wird, dann ist alle Welt sofort davon überzeugt, daß er es großartig ausfüllen kann.
—Dann bohrt er dort weiter, - ja, aber an der falschen Stelle.
Zum Beamtentum gehört Fachwissen. Wenn Sie dieses Fachwissen bei den Beamten nicht voraussetzen, wenn Sie nur die Außenseiter gelten lassen wollen, dann schaffen Sie kein echtes Beamtentum mehr, so wie wir es in deutscher Überlieferung haben.
Lassen Sie mich dazu abschließend noch folgendes sagen: Man muß mit dieser Inflation von Außenseitern Schluß machen. Außenseiter ja, aber mit Maß! Sie sollen die Ausnahme und nicht die Regel sein. Sonst wirkt diese Bluttransfusion nicht belebend, sondern zersetzend auf den Beamtenkörper.
Ich nehme Gelegenheit, mich noch mit den Ausführungen des Herrn Kollegen Menzel zu befassen. Er hat uns hier — wenn auch Gott sei Dank kurz gefaßt — eine Entwicklungsgeschichte des deutschen Beamtentums in SPD-Sicht vorgetragen. Danach bestand eigentlich das deutsche Beamtentum nur aus ehemaligen Unteroffizieren oder aus cliqueverbundenen Korpsstudenten oder bestimmten gesellschaftlichen Schichten. Nichts ist eine größere Lüge als das.
Herr Abgeordneter Nowack, ich darf Sie einmal unterbrechen. Sie meinen: objektiv eine Lüge?
Objektiv! Ich habe nicht gemeint, daß Herr Kollege Menzel eine Lüge gesprochen hat.
— Ich habe Sie leider nicht verstanden, sonst hätte ich Ihnen geantwortet.
Der Herr Minister Menzel hat den Beamten nur als die Verkörperung des dynastischen Prinzips hingestellt. Er hat ihn als einen Fürstendiener hingestellt und hat damit gerade die Tradition des Berufsbeamten auf den Kopf gestellt. Denn der Berufsbeamte ist in seiner modernen Form gerade gegen die Fürstenwillkür entstanden, als der unabhängige Mann, als der Mann, der der Diener der Allgemeinheit sein sollte.
— Das glaube ich nicht nur, sondern das ist eine geschichtliche Tatsache, der Sie sich auch werden beugen müssen. Ich bitte Sie, sich mit den Dingen entsprechend zu befassen. Der Beamte ist der Diener der Allgemeinheit gewesen. Man hat ihm gerade das, was man heute, losgelöst von der geschichtlichen Betrachtungsweise, als ein Vorrecht ansieht, als eine notwendige Stütze gegeben, nämlich die Versorgung für das Leben, indem man ihm die Sorge um das Alter abgenommen hat. Gerade
dadurch hat man ja den Beamten unabhängig gegenüber Gewalten und Mächten machen wollen, die versuchen konnten, auf diesen Wahrer öffentlicher Interessen Einfluß zu. nehmen. Solche Versuche, auf die Beamten Einfluß zu nehmen und sich damit Vorteile über die verfassungsmäßig festgelegten Rechte hinaus zu verschaffen, sind zu allen Zeiten gemacht worden. Das Berufsbeamtentum hat sich diesen Versuchen, ganz gleich, ob sie von seiten des Monarchen, von seiten der Regierung, von seiten der politischen Parteien, von seiten der Interessentenverbände kamen, widersetzt und hat sich intakt und integer gehalten als eine Dienstkörperschaft für die Gesamtheit des Volkes.
— Sehr geehrter Herr Kollege, das hat mit etwas anderem zu tun. Wir können uns aber auch darüber unterhalten, wenn Sie Wert darauf legen.
Das ist der Grundgedanke des deutschen Beamtentums, und an diesem Gedanken wollen wir festhalten. Das ist die Tendenz, die meine Fraktion in der Behandlung aller Beamtenfragen verfolgen wird. An der Grundlage des Beamtentums ist, wie ich schon sagte, zu allen Zeiten gerüttelt worden. Die Regierenden sind nicht immer sehr zufrieden gewesen, wenn sie mit dem Beamtentum notwendigerweise in Konflikt geraten mußten, weil sich der Beamte nur an Recht, Gesetz und Verfassung hielt. Sie können bei Bismarck nachlesen, wie er über seine Landräte und über seine Kreisrichter gegrollt hat, die sich keineswegs den Wünschen ihres obersten Beamten in dem Maße auslieferten, wie er es von ihnen gefordert hat. Gerade aus diesen Kreisen der Beamtenschaft — das wollen wir auch nicht vergessen — sind viele führende Köpfe der Fortschrittspartei hervorgegangen, die eine Vorkämpferin einer modernen Staats- und Lebensgemeinschaft geworden ist.
Ich habe gesagt, der Kampf gegen diese Grundlagen des Beamtentums sei zu allen Zeiten geführt worden. Besonders stark ist er aber nach dem Jahre 1918 geführt worden. Damals haben die Sozialdemokraten alles daran gesetzt, um eine Auflösung und Abschaffung des Berufsbeamtentums herbeizuführen, genau wie heute.
Damals haben sie versucht, dem Beamten klarzumachen, daß das Treueverhältnis eigentlich ein leerer Wahn sei. Man machte es damals wie heute lächerlich. Man versuchte, dem Beamten jene Mär einzureden, die man auch dem Arbeiter und Angestellten erzählte, daß er eigentlich nichts anderes sei als ein Verkäufer seiner eigenen Arbeitskraft. Man wollte den Beamten mit den Angestellten und Arbeitern auf eine Stufe stellen, sie gewerkschaftlich in den marxistisch geführten Organisationen mit den Arbeitern und Angestellten zusammenschließen.
Das ist vielleicht einer der nachhaltigsten Angriffe gegen die Grundlagen des Berufsbeamtentums gewesen, die wir überhaupt erlebt haben. Es ist bedauerlich, daß es so gewesen ist. Denn das hat mit dazu beigetragen, daß gleichzeitig in Verbindung mit Außenseitern, die damals in starkem Maße eindrangen, das Berufsbeamtentum geschwächt wurde. Das geschah gerade in einer Zeit, als der Nationalsozialismus sich auf den Marsch machte, um die Macht von der Weimarer Republik zu übernehmen. Die SPD hat damals verhindert, daß ein neues deutsches Beamtenrecht geschaffen wurde. Das Dritte Reich hat nachher die erarbeite-
ten Unterlagen aufgegriffen, sie mit dem braunen Stuck versehen und das Gesetz von 1937 vorgelegt.
Aber, sehr verehrter Herr Kollege Menzel, es ist nun nicht so gewesen, daß die Beamtenschaft sich nach dem Gesetz mit brauner Farbe gerissen hätte, sondern man muß, wenn man der Wahrheit Rechnung tragen will, wohl feststellen, daß bei der Abfassung dieses Beamtengesetzes damals von seiten der Beamtenschaft alles unternommen wurde, um die viel weitergehenden nationalsozialistischen Tendenzen, die dieses Gesetz erfüllen sollten, zu unterbinden. Denn Ley und Hitler waren genau so Gegner des Beamtentums wie es auch die Sozialisten und Marxisten nach dem Jahr 1918 gewesen sind.
Sie wollten das Berufsbeamtentum abschaffen, sie wollten es uno actu in Gemeinschaft mit den Angestellten und Arbeitern in die DAF überführen, um aus dem Berufsbeamtentum ein willfähriges Werkzeug für ihre Partei zu machen. Sie haben diese Politik im Zusammenhang mit der Machtübernahme begonnen, indem sie jenes fälschlich so genannte „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" erlassen haben. Das Gesetz war nichts anderes als das Aufziehen einer Schleuse, um die braunen Mannschaften in die verhaßten Bürostuben einziehen zu lassen. Diejenigen, die sich noch wenige Tage vorher gegen das Berufsbeamtentum ausgesprochen und sich über die Gewährung von Pensionen empört hatten, setzten sich, als sie in den Amtsstuben kaum angekommen waren, hin, und sahen es als ihre erste Aufgabe an, sich die Höhe ihrer Pension auszurechnen.
Meine Damen und Herren! Man muß die Dinge richtig nennen und richtig sehen. Ich bin der letzte, der bereit ist, den Mitarbeitern des Nationalsozialismus irgendein Lob zu spenden. Wenn man die Dinge nicht agitatorisch, sondern sachlich darstellen will, muß man aber der Wahrheit die Ehre geben. Ley und Hitler haben damals mit dem Gesetz von 1937, das auch in der jetzt vorgelegten gereinigten Fassung bestimmt kein absolut geeignetes Gesetz ist, ihre Ziele nicht durchsetzen können. Ein Jahr später unternahmen sie einen neuen Schlag und haben mit der Anwendung der TOA, mit der dort vollzogenen weitgehenden Gleichstellung von Beamten und Angestellten versucht, ihre Ziele doch noch von einer anderen Seite her zu erreichen.
Meine Damen und Herren! Heute werden nun wieder gleiche Bestrebungen geltend gemacht, und man begründet ihre Notwendigkeit mit der Entwicklung des modernen Staates. Man glaubt, daß es notwendig ist, den Beamten alten Stils zu beseitigen. Er gehört angeblich nicht mehr in die moderne Staatsform hinein. Ich glaube, wir sollten uns sehr genau überlegen, ob es nicht notwendig ist, gerade in der Demokratie und in einer Zeit, in der sich alle möglichen Einflüsse von Parteien, Organisationen und Verbänden so lebhaft bemerkbar machen, an dem staatsbürgerlichen Grundgedanken, an der staatsbürgerlichen Notwendigkeit des Berufsbeamtentums festzuhalten. Diesen Grundgedanken sollten wir nicht aufgehen.
Der Abgeordnete Dr. Menzel hat sich nun mit außerordentlichem Interesse für das Gesetz Nr. 15 eingesetzt. Hier wird uns etwas als der letzte Schrei der Demokratie angeboten, was für uns in Wirklichkeit etwas Wesensfremdes ist, was unvereinbar ist mit der Überlieferung und mit den Grundlagen, auf denen wir unser Berufsbeamtentum aufbauen wollen. Würden wir dem Gesetz Nr. 15 folgen oder ihm auch nur weitgehend ent-
sprechen, würden wir genau das Gegenteil von dem erreichen, was die Öffentlichkeit bei der Regelung dieser Frage von uns erwartet. Anstatt eine Entpolitisierung durchzuführen, würden wir nämlich das Beamtentum der Politik ausliefern. Die Forderung der Entpolitisierung kann nur erfüllt werden, wenn man zu dem ursprünglichen Sinn des Berufsbeamtentums zurückfindet und durch geeignete Sicherungen die parteipolitische Einflußsphäre fernhält. Das staatspolitische Interesse, das bei der Schaffung des Berufsbeamten als eines Staatsdieners ursprünglich maßgebend war, ist heute in noch viel stärkerem Maße für den demokratischen Staat gegeben.
Zum Schluß noch eine andere Überlegung. Wir haben in Deutschland nicht sehr viel Institutionen, die ihre Traditionen bewahrt haben. Aber unsere deutsche Beamtenschaft ist Träger einer Tradition. Eine Tradition, die Gutes in sich birgt, soll man nicht nur um der Tradition willen pflegen, sondern man soll sie weitertragen und entwickeln. Die Tradition unseres deutschen Beamtentums heißt selbstloser Dienst. Das Verdienst krönt sie und nicht d e r Verdienst. Sie heißt unermüdlicher Dienst für Volk und Staat. Sie heißt Objektivität, Rechtlichkeit, Lauterkeit und Sauberkeit. Das sind alles Grundsätze und Faktoren, deren Tradition zu bewahren und fortzuführen wir gerade heute ein außerordentliches Interesse haben. Daher empfehlen wir, daß wir in diesen Fragen an diesen Überlieferungen unseres Berufsbeamtentums festhalten, daß wir festhalten an einer Tradition, die sich für unser Volk früher bewährt hat und die sich auch in Zukunft bewähren wird, wenn wir ihre echte und ursprüngliche Grundlage nicht verlassen.
Ehe ich das Wort weiter erteile, darf ich darauf aufmerksam machen, daß man sich inzwischen interfraktionell dahin verständigt hat, die Sitzung um 1 Uhr 30 zunächst zu unterbrechen. Der Rest der verbleibenden Tagesordnung, das heißt also der größte Teil der Tagesordnung, soll dann auf die nächste Plenarsitzung verschoben werden. Ich weise deshalb hierauf hin, damit die nachfolgenden Redner, die sich noch zur Diskussion gemeldet haben, nach Möglichkeit die Liebenswürdigkeit haben, sich im Rahmen der noch verbleibenden Restzeit zu halten, damit wir wenigstens die erste Beratung dieses Gesetzentwurfes abschließen können.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Farke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der uns vorliegende Entwurf zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes stehenden Personen stellt eine Übergangsregelung dar. Der Herr Abgeordnete Menzel meinte, es sei wichtiger, Vorlagen zu bringen, die mit der Not unseres Volkes in Zusammenhang stehen. Meine Freunde und ich halten es für richtig, daß erst die Voraussetzung für solche Vorlagen geschaffen wird. Die Voraussetzung ist, daß die Regierung in den Stand gesetzt wird, ihre Ministerien und Behörden aufzubauen, damit sie die Gesetzesvorlagen vorbereiten können. Wir halten deshalb diese Übergangsregelung für notwendig und sind der Meinung, daß sie so schnell als möglich in Wirksamkeit treten muß.
Eine Übergangsregelung kann natürlich nicht vollkommen sein. Die Meinungsverschiedenheiten
sind naturgemäß groß. Aber all diese Dinge stehen eigentlich gar nicht so sehr zur Debatte. Darüber wäre erst zu sprechen, wenn eine endgültige Regelung des Beamtenrechts erfolgt. Für uns ist wichtig, daß wir aus dieser Übergangsregelung erkennen, wie sich die endgültige Regelung gestalten wird. Wir erkennen aus dieser Übergangsregelung, daß man sich wiederum an die alte bewährte Tradition des Berufsbeamtentums anschließen will, um nun von hier aus weiter modern aufzubauen. Mit dieser Übergangsregelung ist die Verbindung mit dem deutschen Beamtengesetz von 1937 hergestellt.
Der Herr Abgeordnete Menzel meinte, man habe aus diesem Beamtengesetz nur das Wort „nationalsozialistisch" gestrichen und es durch das Wort „demokratisch" ersetzt. Ich möchte dem Herrn Kollegen Menzel sagen, daß diese Worte allein schon sehr viel bedeuten. Das Wort „nationalsozialistisch" hatte ein ungeheures Gewicht hinter sich, gerade für den Beamten. Wenn es aber so ist. daß man vielfach nur die Worte wechselte, wissen wir ja, daß dieses Gesetz schon vor 1933 vorbereitet war und in seinen Grundzügen festlag. Wie der Herr Kollege Nowack, eben sagte, ist es der Beamtenschaft gelungen, gerade das, was für die Berufsbeamtenschaft wesentlich und vor 1933 geschaffen war, zu erhalten.
Wenn dann weiter vom Herrn Kollegen Menzel gesagt worden ist, dieses deutsche Beamtengesetz habe die Beamten zu Nazis erzogen, so bedeutet diese Erklärung — und das muß ja wohl stimmen —, daß man einen großen Teil Schuld daran trägt, wenn Nazis erzogen wurden. Aber ich glaube, das hat er nicht sagen wollen.
Für uns ist an dieser Übergangsregelung maßgebend, daß man an die Tradition des Berufsbeamtentums in ihrem edelsten Sinne wieder anknüpft. Der Berufsbeamte hat hohe Achtung genossen und genießt sie auch heute noch im Volke. Die Fehler kennen wir, und es ist unsere Aufgabe, das auszumerzen, was fehlerhaft war. Das kann in den Ausschußberatungen geschehen.
Entscheidend aber ist, daß diese Übergangsregelung eine Fortsetzung in unserer deutschen Entwicklung bildet. Ich möchte für meine Fraktion erklären, daß wir alles ablehnen, was an Fremdem hineingebracht worden ist, und das betrifft auch das Gesetz Nr. 15. Wir wollen die Fortentwicklung des deutschen Beamtentums im modernsten Sinne. Wir wollen das Berufsbeamtentum und werden demgemäß diesem Entwurf einer Übergangsregelung unsere Zustimmung geben.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Donhauser.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe im Auftrage meiner politischen Freunde zu erklären, daß wir mit dem Grundgedanken und dem Grundsätzlichen des in dem Regierungsentwurf niedergelegten Verfahrens einverstanden sind.
In einigen Punkten aber haben wir Bedenken. Ehe ich sie im einzelnen anmelde, erlauben Sie mir, daß ich einige Bemerkungen zum Verlauf der Debatte mache. Ich habe heute mit Bedauern festgestellt, daß niemand, weder der Herr Bundesminister des Innern noch sonst jemand hier im
Hause ein Wort des Dankes gefunden hat für die vielen Tausende und Zehntausende kleiner Beamter, die in den unglückseligen Jahren von 1945 bis 1948 unbestechlich geblieben sind, die trotz eines unglaublichen Hungerlohns ihre Arbeit pflichtgetreu getan haben. Niemand hat diesen Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienste ein Wort des Dankes und der Anerkennung gegesagt! Erinnern Sie sich doch, meine Damen und Herren, an diese Zeiten vor der Währungsreform, als jeder kleine Beamte und Angestellte, der für einen Hungerlohn von 200 Mark, 250 oder knapp 300 Mark seinen Dienst tat und seine Pflicht erfüllte, ausgelacht worden ist von jedem sogenannten Geschäftsmann oder was sich so nannte, der in der Lage war, in einem Bruchteil der Arbeitszeit eines Beamten oder Angestellten ein Vielfaches dessen zu verdienen.
Wir sollten uns davor hüten, immer gleich ganze Gruppen unseres Volkes zu bezichtigen. Wir neigen überhaupt dazu, Kollektivurteile im eigenen Hause und im eigenen Volke zu fällen und Sündenböcke für alle unsere nationalen Fehler herauszusuchen. In weiten 'feilen unseres Volkes herrscht die Auffassung, als ob man heute, nachdem es die Juden oder andere nicht mehr gut sein können, nun die Beamten als Sündenböcke in die Wüste schicken könnte.
Sicherlich hat die gesamte Beamtenschaft ihre Fehler wie wir alle, und einer der hervorstechendsten Fehler ist ihr Standesdünkel. . Aber das ist durchaus nicht nur ein Fehler der deutschen Beamtenschaft. Der Standesdünkel soll etwas sein, was uns Deutschen insgesamt anhaftet. Es soll beispielsweise Abgeordnete hier im Hause geben, die sich sehr gern mit diesem Prädikat „Abgeordneter" angesprochen hören. Es soll auch Abgeordnete geben, die beispielsweise, auch wenn sie es nicht besonders eilig haben, an der Rheinfähre um jeden Preis auf ihrem Vorfahrtsrecht bestehen, damit ja der Untertan merkt, wo oben und unten ist.
Ich möchte also empfehlen, daß wir uns in Zukunft überhaupt davor hüten, gleichgültig, von welcher Partei wir kommen, samt und sonders Kollektivbezichtigungen gegen eine Landsmannschaft, einen Stand oder eine Partei auszusprechen,
— Jawohl, meine Damen und Herren! Ich möchte gerade in diesem Zusammenhang dem Herrn Vorredner von der SPD, Herrn Abgeordneten Menzel
— oder muß ich vielleicht sagen: dem Herrn Minister Menzel? —,
etwas entgegenhalten. Wenn Sie mit Recht einige Auswüchse beispielsweise bei den deutschen Korporationen gegeißelt haben — ich komme bei Gott nicht in den Verdacht, ein Verteidiger des deutschen Korporationswesens von Anno dazumal zu sein, denn ich bin kein Akademiker —, dann möchte ich Ihnen, Herr Abgeordneter Menzel, in diesem Zusammenhang aber doch sagen: die Sucht, seinen näherstehenden Organisationsmitgliedern Vorteile zu verschaffen, Posten zu verschaffen, ist auch nicht ein besonderes Kriterium unserer gewesenen Korporationen.
Ich glaube, die erfolgreichste und mächtigste Korporation auf diesem Gebiet ist die deutsche Sozialdemokratie,
die bis zum heutigen Tage auch nicht besonders erfolgreich gegen das durchaus begreifliche menschliche Bestreben, seinen engeren Freunden Vorteile zu verschaffen, angekämpft hat.
Meine Damen und Herren! Es scheint mir heute aber doch besonders wesentlich zu sein, noch auf den Vorschlag des Bundesrats hinzuweisen, den § 3 abzuändern. Wir unterstützen auch da die Regierung in vollem Umfange, denn es erscheint uns sehr gefährlich, den deutschen Beamten in diesem Zusammenhang auf eine Verfassung festzulegen, die er zwar getreulich zu erfüllen hat, die aber trotzdem in vielen entscheidenden Punkten durchaus reformbedürftig ist.
Gerade dann, wenn Sie erwarten, meine Damen und Herren, daß das künftige deutsche Beamtengeschlecht Verantwortung trägt und eigene Entschlüsse fassen kann und fassen soll, dürfen Sie ihm auf politischem Gebiet nicht solche einschneidenden Fesseln anlegen, die mit Demokratie, nebenbei bemerkt, überhaupt nichts mehr zu tun haben.
Meine Damen und Herren! Wir haben schon bei den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Dr. Schumacher anläßlich der Regierungserklärung gehört, daß der Anspruch angemeldet worden ist, die politischen Parteien bei der Besetzung künftiger Beamtenposten paritätisch zu beteiligen.
Wenn ich die Verfassung richtig verstanden habe, kennt sie nur e i n Ordnungsprinzip, das Anspruch auf paritätische Berücksichtigung hat, nämlich die Landsmannschaften.
Ich bitte Sie, sich die Verfassung daraufhin einmal anzusehen. Wir hätten auch erwartet, daß der Herr Bundesminister des Innern in seinen Ausführungen, wenn schon nicht im Gesetzentwurf selbst, einige Hinweise bringt, die diesem Prinzip, das im Grundgesetz verankert ist, gerecht werden.
Wenn wir so weitermachen, werden wir es erleben, daß auf allen Gebieten paritätische Forderungen angemeldet werden, daß morgen nicht nur die politischen Parteien ihre Paritäten zur Beteiligung an der Futterkrippe fordern, sondern daß übermorgen alle möglichen anderen Organisationen kommen, vielleicht die Religionsgemeinschaften und am Tag darauf die Glatzköpfigen oder die Rothaarigen.
Meine Damen und Herren, entweder bekommen wir wieder ein sauberes, unbestechliches Berufsbeamtentum, das nicht nach Parteien gruppiert ist, oder wir bekommen überhaupt keine saubere Staatsverwaltung mehr.
Wir sind uns jedenfalls darüber klar, daß dem Herrn Bundesminister des Innern eine ganz große Aufgabe und eine große Veranwortung erwächst. Herr Bundesminister! Sie wissen ebenso wie wir alle im Hause, daß die Bürokratie der Verwaltung, insbesondere aber die ehemalige Reichsbürokratie und somit die heutige Bundesbürokratie, sich nicht gerade übermäßiger Beliebtheit im Volke erfreuen. Sie haben durch eine geschickte Auswahl der Männer, die uns in Zukunft verwalten sollen, die Möglichkeit, dafür zu sorgen, daß eine organische Verbindung zwischen Volk und Beamtentum zustande kommt. Das setzt aber voraus, Herr Bundesminister, daß auf jeden Fall das natürlichste und nach dem Wortlaut des Grundgesetzes einzig mögliche Ordnungsprinzip, nämlich das landsmannschaftliche, gewahrt wird. Wenn sich die Bundesregierung als so instinktlos erweisen sollte, irgendwo in eine ausgesprochen bäuerliche Gegend, meinetwegen Südbayerns, Menschen zu schicken, die nach ihrer Bildung, ihrem Herkom- men und ihrer ganzen Mentalität dort einfach hinpassen wie die Faust aufs Auge, dann dürfte sic sich nicht wundern, wenn man eine solche Verwaltung als landfremd, unter Umständen sogar als eine Zwingherrschaft ansieht.
Meine Damen und Herren! Es wird wohl niemals möglich sein, durch Vorschriften oder gar durch Gesetzesparagraphen diese Dinge befriedigend bis ins einzelne zu lösen. Wir müssen von der Bundesregierung erwarten können, daß sie beim Aufbau der kommenden Bundesverwaltung soviel Fingerspitzengefühl und soviel Instinkt entwickelt, daß diese Dinge, wie wir sie vor allem im gesamten Verlauf der nationalsozialistischen Verwaltungsherrschaft erlebt haben, sich nicht wiederholen. — Das, glaube ich, mußte zur Ergänzung der heutigen Debatte gesagt werden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Miessner.
Meine Damen und Herren! Wir sind etwas überrascht, daß die Debatte zu dem vorläufigen Gesetz hier schon einen solchen Grundsatzcharakter angenommen hat. An sich hatten wir nicht beabsichtigt, dazu zu sprechen. Nachdem aber nun von den anderen Parteien grundsätzliche Ausführungen gemacht worden sind, möchten wir einige Punkte hervorheben, die uns für das Berufsbeamtentum wesentlich erscheinen.
Wir sind mit der vorläufigen Regelung insofern einverstanden, als hier auf die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums Bezug genommen wird. Ein Hauptgrundsatz des Berufsbeamtentums muß das Leistungsprinzip sein. Dieses Leistungsprinzip möchten wir in allererster Linie fordern und damit jegliches Parteibuchbeamtentum ablehnen. Wenn Sie einmal ins Leben sehen und zum Beispiel einen Landrat betrachten, der ein Berufsbeamter ist, dann ist es ziemlich gleichgültig, ob der Mann von Partei wegen SPD- oder FDP- oder CDU-Mann ist; bei ihm wird dann erfahrungsgemäß seine fachliche Aufgabe und sein fachliches Wissen so im Vordergrunde stehen, daß dieses überwiegt und er sachliche Arbeit leistet. Ich selber bin bis zur Bundestagswahl Berufsbeamter gewesen und kann Ihnen hier aus meiner eigenen Sicht diese praktische Erfahrung sagen. Wenn man
also das Leistungsprinzip voranstellt — was wir fordern —, dann gibt es von allein keine Parteibuchbeamten mehr.
Mein Herr Vorredner hat den Beamten ein gutes Wort zukommen lassen wollen, indem er darauf hinwies, daß sie bei schlechter Bezahlung in der Reichsmarkzeit während der letzten Jahre nach dem Kriege ihre Pflicht getan haben. Ich möchte das noch dahin ergänzen, daß sie nicht nur für schlechtes Geld ihre Arbeit geleistet haben, sondern daß sie sich auch als völlig unbestechlich erwiesen haben. Mir persönlich ist kein Fall von Richterbestechung bekannt, und auch bei der Finanzverwaltung gibt es nur ganz geringe Fälle von Bestechung, obwohl doch diese Verwaltung, die dauernd mit Geld umzugehen hat, wahrhaftig leicht in die Lage gekommen wäre, hier vom Wege abzuweichen.
Ich möchte aber der Öffentlichkeit doch eines sagen: daß man nämlich die Berufsbeamten nicht mit denjenigen Kräften verwechseln darf, die nach 1945 vom Volk als sogenannte „Beamte" in den Wirtschafts-. in den Wohnungs- oder in den Kraft Fahrzeugämtern saßen. Diese waren keine Berufsbeamten. Das wird ja leider von der Öffentlichkeit immer wieder verwechselt und fälschlicherweise als belastend für das Berufsbeamtentum angeführt, indem man dann in Bausch und Bogen sagt: Seht, wie sie sich benehmen. In Wirlichkeit ist aber gerade diese Zeit ein klassischer Beweis dafür, wie notwendig es ist, für wirkliche Staatsaufgaben, sagen wir, für hoheitliche Funktionen, nur Berufsbeamte zu nehmen. Nicht erforderlich ist es, in einem städtischen Wasserwerk oder in einer städtischen Sparkasse Beamte einzusetzen; da macht es der Ingenieur bzw der Kaufmann besser. Aber hoheitliche Aufgaben müssen von Berufsbeamten wahrgenommen werden. Hier hat sich das eigentliche Berufsbeamtentum ganz tadellos bewährt. Man sollte daher an den Grundsätzen des Berufsbeamtentum nicht ohne Not rütteln.
Ich möchte nur noch zu einem Punkt kommen, nämlich zu der Frage der Disziplinargerichtsbarkeit. Das ist eine Sache, die den Nicht-Beamten weniger geläufig ist. Man will heute die Disziplinargerichtsbarkeit doch mehr oder weniger in den Hintergrund drängen und sie durch die Allgewalt des Personalamts ersetzen. Wir von der Nationalen Rechten lehnen das auf das entschiedenste ab, weil man mit der Beseitigung der Disziplinargerichtsbarkeit das Berufsbeamtentum aus den Fugen hebt. Nur wenn der Beamte, der ja ständig unter Vorgesetzten lebt, das sichere Gefühl hat, nicht auf Gedeih und Verderb seiner Vorgesetztenskala unterworfen zu sein, sondern die Möglichkeit zu haben, irgendwelche Vorwürfe durch eine Gerichtsinstanz — das ist nämlich das Disziplinargericht — nachprüfen zu lassen, nur dann ist und bleibt der Beamte innerlich der freie Mensch, der dem Gesetz unterworfen ist und der gerade und aufrecht handeln kann. Nimmt man ihm daher diese Möglichkeit, so muß der Beamte zwangsläufig zu einem Kriechertyp *der etwas dergleichen werden. Es ist uns auch aus einem andern Grunde unverständlich, wieso man von links die Disziplinargerichtsbarkeit angreift. Gerade nach 1945 ist doch durch Überwindung der Diktaturmethoden der Schrei nach demokratischen Einrichtungen wie z. B. unabhängigen Verwaltungsgerichten aufgekommen. Verwaltungsgerichtsbarkeit haben sämtliche Parteien, die hier sitzen, gefordert. Wenn man es aber für erforderlich hält, für Dinge, bei denen es sich meistens nur darum dreht, ob der Staatsbürger diese oder jene Geld- oder Sachleistung zu erbringen hat, eine Gerichtsbarkeit zu schaffen, um wieviel mehr sollte man dann für den Beamten, wenn es für ihn um Existenzfragen geht, eine gerichtliche Nachprüfung für richtig halten. Es ist uns daher völlig unverständlich, daß man nach 1945, da alles von Demokratie redet, ausgerechnet gegen die doch bestimmt demokratische Einrichtung einer unabhängigen Disziplinargerichtsbarkeit verstoßen will.
Auf weitere Punkte möchte ich nicht zu sprechen kommen. Ich nehme an, daß diese in einer späteren Generaldebatte zur Sprache kommen werden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mensing.
Meine Damen und Herren! Ich wollte nur kurz eine Erklärung abgeben. Der Vertreter der Bayernpartei hat in nicht mißzuverstehender Form auf die niedrigen Gehälter und Löhne hingewiesen, die ein Teil, ja ein Großteil der Beamtenschaft in den letzten Jahren bezogen hat. Er hat in diesem Zusammenhang auf die hohen Einkünfte der Geschäftsleute und in nicht mißzuverstehender Form auf die zweifelhaften Geschäfte hingewiesen. Wenn Sie, Herr Kollegen von der Bayernpartei, damit die Schwarzhändler gemeint haben,
so identifiziere ich mich mit Ihrer Auffassung. Sollten Sie aber die anständigen Geschäftsleute und Handwerker damit gemeint haben, so lehne ich diese Ihre Auffassung mit aller Entschiedenheit ab. Im übrigen nehmen Sie zur Kenntnis, daß gerade diese Geschäftsleute ein Interesse daran haben, daß der Lebensstandard der breiten Massen ein gehobener ist.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Inneren.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich sagte heute vormittag zur Einleitung meiner Begründung, daß die Vorlage Nr. 175 den gesamten Umkreis der Beamtenpolitik in Bewegung gebracht habe. Die Diskussion, die wir inzwischen erlebten, bestätigt das nach Umfang und Inhalt in hervorragendem Maße. Wenn wir zum Ziel kommen wollen, müssen wir all das Grundsätzliche und Weitergreifende jetzt draußen lassen und uns auf das Nötige und Vorläufige beschränken. Die Anregungen, die in dieser Grundsatzdiskussion über die Vorlage hinaus gegeben worden sind, werden bei der Bearbeitung des endgültigen Gesetzes ihre Berücksichtigung finden.
Ich möchte jedoch zu den Ausführungen von Herrn Dr. Menzel und zu dem Antrag von Herrn Pannenbecker Stellung nehmen.
Herr Menzel hat hier einen ganzen Blumenstrauß von Argumenten präsentiert, und ich muß einige Blumen da herauspflücken. Herr Menzel hat von Stellungnahmen des Kabinetts, von Presse- und Rundfunkmitteilungen in der Richtung gesprochen, daß das Kabinett das Gesetz Nr. 15 als bundesverbindliche Grundlage akzeptiert hätte. Herr Menzel, Sie sind da irrigen Nachrichten zum Opfer gefallen, wie das ja leider bei der Presse und beim Rundfunk so geht.
— Also ich sage Ihnen nur: das hat nicht stattgefunden. Es würde zu weit führen, hier weiter auf Einzelheiten einzugehen.
Herr Menzel, Sie haben vor allen Dingen darauf angespielt, daß die Bundesregierung verfassungstreu handeln müßte, und Sie haben auf den Artikel 124 Bezug genommen. Das ist ein sehr ernst zu nehmender Einwand, wenn er berechtigt wäre. Der Artikel Nr. 124 lautet:
Recht, das Gegenstände der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes betrifft, wird innerhalb seines Geltungsbereichs Bundesrecht.
Ich erkläre, daß Militärregierungsrecht auf dem Umweg über den Artikel 124 keinesfalls Bundesrecht wird.
Dieser Appell an die Verfassungstreue ist also völlig abzulehnen.
Sie haben sodann als eine besonders amüsante Blume etwas präsentiert, was Sie schon im Bundesratsausschuß bei den dortigen Erörterungen gebracht haben und ihnen offenbar so gut gefällt, daß Sie nicht unterlassen konnten, es hier noch einmal aufzutischen. Sie sagten, daß die Vorlage Nr. 175 Anlaß geben könnte, auch Regierungspräsidenten, Bürgermeister und andere Beamte außer Funktion zu bringen, und Sie haben sogar den Föderalismus bemüht, um dies abzuwehren. Herr Dr. Menzel, es ist Ihnen schon im Bundesratsausschuß gesagt worden, daß diese Bezugnahme in einer Anlage aus einem reinen Schreibversehen entstanden ist, und im übrigen bedarf es ja wohl nur eines Blickes auf die Überschrift und den o Inhalt des § 1 des Gesetzes. Wir diskutieren hier über ein Gesetz, das die Rechtsverhältnisse von Bundesbeamten regeln soll, und im § 1 steht ausdrücklich, daß es sich auf diesen Anwendungskreis beschränkt. Föderalistische Bemühungen, um bayerische Bürgermeister oder schleswig-holsteinische Landräte zu schützen, sind also durchaus fehl am Platze.
Wenn Sie im übrigen Bedenken geltend gemacht haben, daß wir reaktionäre Urständ feiern wollten, so kann ich nur sagen: Lassen Sie uns schnelle Arbeit tun, dann kommen wir über all das alsbald hinweg. Ihr Gesamturteil über die Vorlage Nr. 175 war ja wohl das, daß es in die Kategorie I gehört und nicht in V. Ich habe gesagt, daß in der Mehrzahl der Länder in den drei Zonen die Beamtenverhältnisse noch bis zu diesem Tag auf der Grundlage des Gesetzes von 1937 geregelt sind, befinde mich also in allerbester Mitläuferschaft.
Sodann, Herr Dr. Menzel, haben Sie — in Umschreibung — von zwei Beamten gesprochen, die jetzt im Bundesdienst tätig seien. Dem einen wird nachgesagt, daß er einen ominösen Kommentar geschrieben habe, und dem andern, daß er wegen Fragebogenfälschung verurteilt sei. Ich habe als Bundesinnenminister mit diesen beiden Beamten — ich weiß, welche Fälle Sie meinen — unmittelbar nichts zu tun, jedenfalls um keinen Deut mehr als Sie, Herr Dr. Menzel, der Sie Innenminister von Nordrhein-Westfalen sind, wo diese beiden Beamten bis heute noch im Amt sind.
Hier bei der Bundesregierung wirken diese beiden Herren ja nur kommissarisch.
Ich weiß auch — und Sie wissen es selber ebenfalls —, warum diese beiden Herren in Nordrhein-Westfalen noch im Amte sind; denn wir haben uns zu früherer Zeit im Kabinett Nordrhein-Westfalen über die Einzelheiten dieser Fälle unterhalten, und da ist ja auch manches von Ihnen anders gesagt worden, als Sie es jetzt der Bundesregierung ankreiden wollen.
Zu dem Antrag Pannenbecker, einen Ausschuß einzusetzen, wonach die Einstellung von Beamten gewisser Kategorien einer Mitwirkung dieses Ausschusses bedürfen soll, möchte ich nur sagen, daß Herr Pannenbecker offenbar eine Stadtverordnetenversammlung mit dem Bundesparlament verwechselt.
Der Personalausschuß der Stadtverordnetenversammlung von Oberhausen kann sich beschlußmäßig in die Einstellung jedes Inspektors oder Stadtrats einschalten; aber der Bundestag kann dergleichen nicht tun. Ein Bundestagsausschuß kann nach dem Grundgesetz nicht mehr Funktionen ausüben als das Parlament, und das Parlament kann sicherlich bei der Anstellung von einzelnen Personen nicht mitwirken. Das wäre keine Aufgabe der Legislative. Hier hat die Bundesregierung, hier hat die Exekutive die Vorhand. Es möchte allenfalls daran gedacht werden, kritische Fälle durch einen Untersuchungsausschuß im Sinne des Artikel 44 des Grundgesetzes einmal nachzuprüfen; aber das war in dem Antrag nicht gemeint und sollte wohl noch als verfrüht erscheinen. Ich bitte deshalb, diesen Antrag von Herrn Pannenbecker abzulehnen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Becker.
Meine Damen und Herren! Im Verlaufe der Debatte haben verschiedene Herren Kollegen den Herrn Kollegen Menzel anzureden versucht und sind dabei immer im Zweifel gewesen, ob sie von dem Herrn Abgeordneten, von dem Herrn Kollegen oder von dem Herrn Minister sprechen sollten, Es war in der Tat nicht ganz leicht zu unterscheiden, und die Unterscheidung wird um so schwieriger, als wir soeben den Ausführungen des Herrn Ministers des Innern entnommen haben, daß der Herr Kollege Menzel auch im Bundesratsausschuß gesprochen hat. Wenn das so ist, dann haben wir hier das Beispiel, daß erstens ein Minister eines Landes, also die Spitze der Exekutive, nicht nur im Bundesrat, wo er nach der Verfassung sein kann, sondern auch im Bundestag sitzt, was gegen den Grundsatz der Trennung von Exekutive und Legislative unter Umständen verstoßen könnte.
Zweitens aber steht sicher fest, daß man unmöglich Mitglied des Bundestags und gleichzeitig Stimmführer und Redner einer Länderregierung im Bundesrat sein kann.
Das dürfte wohl inkompatibel sein.
Das war das Staatsrechtliche.
Nun das Politische! Es interessiert uns zu wissen, ob das Kabinett von Nordrhein-Westfalen im Bundesrat für oder gegen die Vorlage der Bundesregierung Stellung genommen hat. In jedem Falle würden wir dann das sonderbare Ergebnis haben, daß, wenn es gegen die Regierungsvorlage gesprochen hat, es in der Person ihres Ministers hier im Bundestag, eines Doppelmandatars, eine Unterstützung gefunden hätte, während im anderen Falle derjenige, der die Stimmen von Nordrhein-Westfalen, die für das Gesetz waren, im Bundesrat mit instruiert hat, hier dagegen gesprochen hat.
Erkläret mir, Graf Örindur, diesen Zwiespalt der Natur!
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Menzel:
Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich den Herrn Innenminister des Bundes in aller Bescheidenheit darauf hinweisen, daß das, was ich angeblich aus der Presse über die Stellungnahme der Bundesregierung zum Gesetz Nr. 15 erfahren habe, nicht aus der allgemeinen Presse, sondern aus dem Presse- und Informationsdienst der Bundesregierung vom 17. Oktober 1949 stammt.
Worauf sollen wir uns denn noch verlassen können, wenn nicht einmal dieser amtliche Informationsdienst als Unterlage für unsere Entscheidungen und Überlegungen gelten soll?
Aber der Standpunkt des Herrn Innenministers oder der Bundesregierung hat ja — das habe ich vorhin darzulegen mir erlaubt — etwas gewechselt Zuerst hieß es: Wir können das Gesetz Nr. 15 nicht anerkennen, weil es allein schon dadurch außer Kraft gesetzt sei, daß die Bundesregierung einen Kabinettsbeschluß gefaßt habe, ein neues Gesetz vorzulegen. Später hat die Bundesregierung erklärt, daß sie das Gesetz anerkenne, wie es diese Verlautbarung hier ergibt, und heute sagt sie, sie erkenne es nicht an.
Vielleicht — das wäre sehr gut — steht dann die Bundesregierung bei der zweiten Lesung wieder auf dem Standpunkt: es gilt.
Die verfassungsmäßigen Schmerzen, die Herr Kollege Becker hier vorgetragen hat, kann ich ihm leicht kurieren. Herr Kollege Becker, ich bin im Ausschuß des Bundesrats nicht als Mitglied der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen erschienen, sondern der Ausschuß hatte mich gebeten, zu einigen Fragen des Beamtenrechts als Sachverständiger Stellung zu nehmen.
Sie können natürlich diese Einladung des Bundesratsausschusses für innere Angelegenheiten kritisieren.
— Sie können sie sogar für bedauerlich halten; aber schließlich bestand für mich doch gar keine Veranlassung, einer solchen Einladung nicht Folge zu leisten. Ich habe also auf die Willensbildung im Bundesrat nicht irgendwie Einfluß genommen.
— Sicher!
Meine Damen und Herren, es handelt sich bei Nordrhein-Westfalen nicht um die einzige Landesregierung, die durch Regierungsmitglieder auch hier im Bundestag vertreten ist.
Das ist bei mehreren Fraktionen der Fall, auch bei
Fraktionen, die zur Regierung stehen. Sie wissen,
daß einige CDU-Mitglieder dieses Hauses in einer
Landesregierung ein Ministerressort verwalten.
Der Herr Innenmnister des Bundes hat geglaubt, eine Retourkutsche fahren zu können, als er mich auf die beiden in meiner Rede vorhin angedeuteten Personen hingewiesen hat. Meine Damen und Herren, glauben Sie nur nicht, daß ich mit solcher Retourkutsche nicht gerechnet hätte.
Was zunächst den einen Herrn anlangt, so war er oder ist er vielleicht noch — ich weiß es nicht — Stadtkämmerer einer großen Stadt in Nordrhein-Westfalen. Nun wissen Sie selbst, daß auf die Besetzung der städtischen Beamtenposten kein Innenminister und auch keine Landesregierung irgendeinen Einfluß nehmen kann.
Gerade von Ihnen wird doch immer die Auffassung vertreten, daß die kommunale Selbstverwaltung auch die Beamtenpolitik selbst zu machen hat,
es sei denn, daß dem Beamten ein strafrechtliches Vergehen vorzuwerfen ist. Die politische Bewertung eines Beamten wird aber — wenigstens auf Grund der englischen Gemeindeordnung, die in der britischen Zone gilt — den örtlichen Selbstverwaltungen allein überlassen.
Es ist richtig, daß der betreffende Herr dann in den Landesrechnungshof gekommen ist. Aber, meine Damen und Herren, in der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen — wenn' Sie schon im Bundestag die Angelegenheiten der Länder beraten wollen, so bin ich bereit, es klarzustellen — haben ja die Vertreter Ihrer Fraktion die Mehrheit, und ich kann mich nicht dagegen wehren, wenn ich bei der Abstimmung über eine Personalangelegenheit überstimmt werde. Die Tatsache, daß dieser Herr in den Landesrechnungshof gekommen ist, beruht allein auf dem Abstimmungsergebnis und ist von den Herren der CDU zu verantworten.
Meine Damen und Herren, der andere Herr gehört in jenes Kapitel, das ich vorhin erwähnt habe, als ich die Meinung aussprach, daß die Personal-
politik der Besatzungsmächte zumeist sehr zu beanstanden gewesen sei. Diesen Herrn haben wir bei einer Bezirksregierung vorgefunden, als die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen gebildet wurde. Als später die Verurteilung dieses Herrn zu einem Jahr Gefängnis erfolgte, habe ich in meiner Eigenschaft als Innenminister ein Dienststrafverfahren einleiten und — da wir zur Zeit kein Dienststrafverfahren durchführen können — wenigstens eine Versetzung vornehmen wollen. Ich bin dadurch gescheitert, daß die Vertreter der CDU im Kabinett mich mit ihrer Mehrheit gehindert haben.
Ein Herr der Bundesregierung der CDU-Fraktion hat mich noch im Laufe des letzten Winters in Bonn gebeten, diesen Herrn, der — ich weiß nicht — als Regierungs- oder Oberregierurigsrat geführt wird und jetzt beurlaubt ist, doch zum Regierungsdirektor zu befördern, und zwar wegen seiner Verdienste von früher.
Als ich diese Beförderung ablehnte, hieß es, daß die Weigerung des Innenministers, einen solchen Mann zu befördern, wieder einmal beweise, daß ihm an der Großen Koalition in Nordrhein-Westfalen nichts liege.
Herr Innenminister des Bundes! Ich glaube also, daß der Schuß, den Sie hier losgelassen haben, verteufelt nach hinten gegangen ist.
Der Herr Abgeordnete Dr. Leuchtgens hat das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Als ich vorhin hörte, daß Herr Dr. Menzel Innenminister von Nordrhein-Westfalen ist, war ich baß erstaunt.
Ich war erstaunt darüber, daß ein Minister zur gleichen Zeit Abgeordneter des Bundestags ist.
Wenn Sie, meine Damen und Herren, namentlich die Herren von der Sozialdemokratie, ein bißchen Verständnis für die Reinlichkeit einer Verfassung hätten, hätten Sie das überhaupt nicht zugelassen.
Sie haben damit bewiesen, daß Sie von dem alten
— Wenn Sie, meine Herren, weiter nichts können als lachen, dann will ich Ihnen nur zurufen: Sie wissen ja, wen man am Lachen erkennt.
Das Entscheidende bleibt doch immer noch die theoretische Grundlage. Die Legislative und die Exekutive und die richterliche Gewalt müssen getrennt sein. Sie sind hier nicht getrennt, und damit wird gegen den grundsätzlich von der klassischen Staatsrechtslehre anerkannten Satz verstoßen. Bis jetzt
hat man von der Sozialdemokratie, die sonst überall an den Dingen rührt, daran nicht gerührt. Ich verstehe jetzt, warum sie nicht daran rührt. Es betrifft ja ihre eigenen Leute, und wenn sie diese Übelstände nicht abstellt, — —
— Ich bin Staatsrechtler.
— Sehen Sie, Sie lachen wieder über irgend etwas und wissen gar nicht, warum Sie lachen. Sie haben ja gar keine Ahnung vom Staatsrecht, sonst würden Sie über diese Dinge nicht lachen. Ich habe Ihnen ja vorhin schon gesagt, wen man am Lachen erkennt. Glauben Sie doch nicht, daß Sie sich über die peinliche Situation hinwegsetzen können.
Herr Abgeordneter Leuchtgens, die Zitierung dieses Spruches kann zu sehr gefährlichen Interpretationen führen.
Ich möchte Sie dringend bitten, solche Bemerkungen zu unterlassen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich nehme die Rüge des Herrn Präsidenten hin.
Nein, es war nur eine Bitte!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich stelle nur fest, daß das ein Ausdruck des Volkes ist und daß die vox populi doch gelegentlich auch sehr viel für sich hat.
Im übrigen hat der Herr Minister Menzel jetzt Anspielungen gemacht, was mir auch fremd ist, daß noch andere Fraktionen in diesem Hause Minister sitzen hätten. Ich weiß das nicht. Ich gestehe offen, ich bin die Liste der Abgeordneten nicht näher durchgegangen. Aber ich bedaure tief. wenn neben Herrn Menzel noch andere Minister hier im Hause sitzen, daß das der Fall ist, und ich möchte wünschen, daß die Herren Minister soviel Reinlichkeitsgefühl und soviel Anstandsgefühl hätten, so rasch wie möglich — —
Herr Abgeordneter Dr. Leuchtgens, ich glaube, wir wollen hier im Hause mit dem Gebrauch des Wortes Reinlichkeit vorsichtig sein.
Das betrifft die guten Beziehungen der Mitglieder des Hauses untereinander.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich weiß ganz genau, daß man über den Begriff Reinlichkeit verschiedener Meinung sein kann.
Die Menschen unterscheiden sich häufig gerade in bezug auf diesen Punkt sehr voneinander. Ich stelle als meine Auffassung fest, daß ein Minister in irgendeinem Lande nicht zu gleicher Zeit
Mitglied dieses Hohen Hauses sein kann. Wenn das der Fall ist, dann ist das ein Verstoß gegen die Lehren des Staatsrechts und ein Verstoß gegen die politische Anständigkeit.
Das Wort hat der Herr Bundesminister Kaiser.
Meine Damen und Herren! Ich habe die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Menzel heute morgen nicht gehört. Ich habe nur aus dem Hin und Her der Entgegnung mit dem Herrn Bundesinnenminister entnommen, daß Herr Abgeordneter Menzel gegen zwei Beamte, die im Bundesdienst stehen, Bedenken geäußert hat. Herr Abgeordneter Menzel, ich bin darüber sehr erstaunt, sowohl in bezug auf den einen wie auf den anderen Beamten. Bei dem einen Mann, von dem Herr Abgeordneter Menzel bemerkte, daß er Kämmerer einer
rheinischen Stadt gewesen sei und heute in der
Finanzprüfungsstelle von Nordrhein-Westfalen tätig sei, handelt es sich um einen Mann, der einmal einen Kommentar zu den Nürnberger Gesetzen geschrieben hat. Herr Abgeordneter Menzel, das ist doch derselbe Kommentar, von dem Sie als Berliner Anwalt wiederholt zum Ausdruck brachten, daß das ein wertvolles Dokument für die Vertretung unserer Volksangehörigen jüdischen Glaubens sei.
Wer diesen Mann kennt — wir kennen ihn —, kann nur sagen, daß es sich um einen der ausgezeichnetsten, um einen auch in der Zeit des Dritten Reiches in unserem Sinne bewährtesten Beamten handelt.
Was nun den zweiten Mann angeht, so glaube ich, auch ihn zu kennen. Das ist derselbe Mann, der in der Tat von einem britischen Militärgericht zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden ist. Warum? Weil er versäumt hatte — und das nennt man dann Fragebogenfälschung — anzugeben, daß ihm einmal die Ehrennadel des VDA zugeeignet worden ist.
Es handelt sich bei dieser Persönlichkeit um einen Mann, der in der ganzen Zeit seiner Tätigkeit bei der Kölner Regierung und bei damit zusammenhängenden Fragen im deutschen Westen sich größte Verdienste erworben hat und insbesondere auch in den Reihen Ihrer Partei höchste Achtung genießt, Herr Menzel. — ich möchte dazu nicht mehr sagen —, von dem der Richter, der dieses Urteil sprechen mußte, selbst zum Ausdruck brachte, daß nichts gegen den Mann geschieht, daß man vielmehr volles Verständnis dafür habe, daß die deutsche Regierung einen solchen Mann sofort wieder im Dienst verwendet.
Herr Menzel selber hat, als diese Angelegenheit von kommunistischer Seite im Landtag von Nordrhein-Westfalen zur Sprache gebracht wurde, erklärt, daß er die Angelegenheit nachgeprüft habe und daß er in diesem Falle keine Veranlassung sehe einzugreifen.
Ich kann nur sagen: wir könnten uns alle miteinander glücklich schätzen, wenn wir Persönlichkeiten von solcher Bewährung, von solcher Fähigkeit und von solcher Zuverlässigkeit allseitig in t Diensten des Staates hätten.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Pannenbecker.
Meine Damen und Herren! Ich möchte gegenüber dem Herrn Bundesinnenminister Dr. Heinemann, der mich hier in allzu freundlicher Weise, möchte ich beinahe sagen, apostrophiert hat, erklären: es ist mir sehr wohl bekannt, daß die Rechte einer Stadtvertretung — und sei es auch die der Stadtvertretung von Oberhausen, die er genannt hat — durchaus andere sind als die Rechte des Bundestags. Das haben wir gewußt, ehe wir den Antrag der Zentrumsfraktion eingebracht haben. Aber es ist das Recht des Parlaments, zu überwachen und sich orientieren zu lassen bzw. umgekehrt sich orientieren zu lassen und zu überwachen. Etwas anderes ist aus dem Antrag der Zentrumsfraktion, den ich vorgelegt
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Menzel.
So ist es, und darum habe ich mich gemeldet.
Meine Damen und Herren! Was der Herr Bundesminister Dr. Kaiser —
Ich habe ihm gesagt, es sei durchaus richtig, daß in diesem Kommentar, der heute diesem Herrn vorgehalten wird, manche Stelle drin sei, die man damals als Anwalt bei der Vertretung von Juden oder Mischlingen zur Verteidigung ausnutzen konnte.
Dagegen läßt sich gar nichts sagen. Aber bei einem so dicken Kompendium kommt es ja nicht auf diese oder jene Stelle an, die man sich mühsam heraussucht, sondern auf die Gesamthaltung des Kommentars.
Sie brauchen sich nur einmal die Einleitung jenes Buches durchzulesen und Sie bekommen einen gründlichen Abriß über die nationalsozialistische Rassepolitik, wie sie dann in den Kzs mündet. Darum geht es hier. Es geht doch auch darum, daß solche Männer, die als Stadtkämmerer durchaus tragbar sein mögen, in einer leitenden Funktion bei der neuen Bundesregierung einfach nicht möglich sein sollten.
Ich komme nun zu dem, was sich im Landtag von Nordrhein-Wesfalen abgespielt hat.
— Ich bedaure das auch. — Ich muß das klarstellen.
Wenn ich als Kabinettsmitglied von Nordrhein-Westfalen in einer Frage überstimmt werde, so bedeutet das für mich noch nicht, daß ich einen solchen Kabinettsbeschluß nicht achte. Es ist für mich ganz selbstverständlich — ich hätte das hier nicht vorgetragen, wenn ich nicht persönlich angesprochen worden wäre —, daß ich mich einem Kabinettsbeschluß füge und einen Kabinettsbeschluß, selbst wenn er mir nicht paßt, dann auch vor dem Landtag von Nordrhein-Westfalen vertrete.
Mir ist soeben ein Antrag auf Schluß der Debatte vorgelegt worden.
— Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Strauss!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe mich nur zum Wort gemeldet, um etwas nachzuholen, was ich vorhin vergessen habe. Ich bitte, die Vorlage dem Ausschuß für Beamtenrecht zu überweisen.
Das hätte ich dem Haus sowieso vorgeschlagen. Ich möchte über den Antrag auf Schluß der Debatte nicht besonders abstimmen lassen, denn ich darf feststellen, daß keine weiteren Wortmeldungen vorliegen.
Hiermit erkläre ich die Aussprache für geschlossen. Wir nehmen von dem Antrag des Herrn Abgeordneten Strauss Kenntnis. — Ich darf dann feststellen, daß das Haus mit der Überweisung der Vorlage Drucksache Nr. 175 an den Ausschuß für Beamtenrecht einverstanden ist.
Ich frage weiter, ob das Haus damit einverstanden ist, daß der vorhin von der Zentrumsfraktion vorgetragene Antrag als Material dem gleichen Ausschuß überwiesen wird.
— Ich stelle das Einverständnis des Hauses fest.
Ich habe noch eine geschäftliche Mitteilung zu machen. Die Fraktionssitzung der CDU/CSU findet um 15 Uhr 30, diejenige der SPD um 16 Uhr und diejenige der FDP um 16 Uhr statt.
Ich bitte, sich um 17 Uhr, falls das Klingelzeichen nicht später oder früher ertönt, wieder zu versammeln. Ich unterbreche die 18. Sitzung des Bundestags.
Die Sitzung wird um 17 Uhr 11 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne erneut die heute mittag unterbrochene 18. Sitzung des Deutschen Bundestags.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler zu einer
Erklärung der Bundesregierung.
Meine Damen und meine Herren! Am 15. November habe ich Ihnen in diesem Hause Bericht erstattet über den Anfang der Verhandlungen mit den Hohen Kommissaren. Ich bin heute in der Lage, Ihnen das I Ergebnis mitzuteilen. Es ist mit den Hohen Kommissaren vereinbart, daß heute um 17 Uhr das Ergebnis der Verhandlungen in Bonn, in Paris, in London und in Washington der Öffentlichkeit übergeben wird. Ich werde Ihnen im Verlauf meiner Ausführungen den Inhalt des Ergebnisses mitteilen, und Sie werden dann den Wortlaut erhalten.
Ehe ich nun dazu übergehe, lassen Sie mich einige Ausführungen über die nach meiner Meinung zu beobachtende Methode unserer Außenpolitik machen! Wir Deutsche auf der einen Seite und die Alliierten auf der anderen Seite sehen naturgemäß den gleichen Tatbestand von zwei verschiedenen Gesichtspunkten aus an. Ich meine: wir Deutsche sollten nicht vergessen, was sich von 1933 bis 1945 abgespielt hat, wir dürfen auch nicht vergessen, welches Unglück durch die nationalsozialistische Regierung über die ganze Welt gekommen ist. Ich meine: wir dürfen weiter nicht vergessen, daß noch heute fast alle Völker der Erde schwer unter den Folgen dieses Krieges zu leiden haben. Endlich glaube ich, daß wir uns bei allem, was wir tun, klar darüber sein müssen, daß wir infolge des totalen Zusammenbruchs ohne Macht sind. Man muß sich deswegen darüber klar sein, daß bei den Verhandlungen, die wir Deutsche mit den Alliierten zu führen haben, um fortschreitend in immer größeren Besitz der staatlichen Macht zu kommen, das psychologische Moment eine sehr große Rolle spielt, daß man aber von vornherein nicht ohne weiteres volles Vertrauen verlangen und erwarten kann. Wir können und dürfen nicht davon ausgehen, daß nun bei den anderen plötzlich ein völliger Stimmungsumschwung gegenüber Deutschland eingetreten ist, daß vielmehr das Vertrauen nur langsam, Stück für Stück, wiedergewonnen werden kann. So unwürdig und falsch es sein- würde, wenn wir eine Politik sklavischer Unterwürfigkeit verfolgen würden, eine dumme, unkluge und aussichtslose Politik wäre es, wenn wir etwa auftrumpfen wollten.
Ich glaube, wir Deutsche müßten uns auch vor der spekulativen Erwägung besonders hüten, daß wir aus einer Uneinigkeit unter den anderen großen Mächten irgendwie Erfolge erzielen könnten. Ich betone nochmals: die Methode der deutschen Außenpolitik muß sein, langsam und stückweise weiterzukommen. Sie muß vor allem auch psychologisch sein und muß versuchen, das Vertrauen wiederzuerwerben, das wir Deutsche durch den Nationalsozialismus leider Gottes im weiten Umfange verloren hatten.
In der Presse ist nach der letzten Bundestagssitzung vieles über Geheimdiplomatie geschrieben worden. Daß diplomatische Verhandlungen nicht öffentlich geführt werden können, ist eine solche Selbstverständlichkeit, meine Damen und Herren, daß man darüber eigentlich keine Worte zu verlieren braucht.
Unter psychologischen Gesichtspunkten muß man auch das Verlangen nach Sicherheit auf der andern Seite betrachten. Das Sicherheitsverlangen hat auch eine psychologische Wurzel. Man kann in gewissem Umfang durch verstandesmäßige Darlegungen ein Gefühl der Unsicherheit gegenüber Deutschland bekämpfen, aber man kann, wie man weder der Liebe noch dem Haß mit Vernunftgründen völlig entgegentreten kann, auch dem Bedürfnis nach Sicherheit mit Vernunftgründen allein nicht entgegentreten. Auch hier, glaube
ich, muß man Schritt für Schritt und psychologisch behutsam weitergehen, um auf dem Wege über Gewinnung des Vertrauens das Sicherheitsbedürfnis auf der anderen Seite zu befriedigen.
Das Abkommen, das auf dem Petersberg abgeschlossen worden ist, ist in englischer, in französischer und in deutscher Sprache niedergelegt worden; der Text in deutscher Sprache ist dem Text in englischer und französischer Sprache gleichwertig, der deutsche Text gilt ebenso wie der französische und der englische Text. Es ist unterschrieben von den Hohen Kommissaren und von mir. Ich darf Ihnen dieses Abkommen jetzt vorlesen und werde bei einigen Stellen einige erklärende Ausführungen dazu machen.
Niederschrift der Abmachungen
zwischen den Alliierten Hohen Kommissaren
und dem deutschen Bundeskanzler.
Auf dem Petersberg, am 22. November 1949.
Im Anschluß an die Konferenz der drei Außenminister in Paris am 9. und 10. November sind die Hohen Kommissare des Vereinigten Königreiches, Frankreichs und der Vereinigten Staaten bevollmächtigt worden, mit dem Bundeskanzler die Noten zu erörtern, die er über eine endgültige Regelung der Demontagefrage an die Hohen Kommissare gerichtet hatte. Die Hohen Kommissare sind darüber hinaus beauftragt worden, mit dem Bundeskanzler weitere Punkte zu prüfen, die in eine Gesamtregelung einbezogen werden können. Entsprechende Verhandlungen fanden am 15., 17. und 22. November auf dem Petersberg statt.
Die Besprechungen waren getragen von dem Wunsch und der Entschlossenheit beider Parteien, ihre Beziehungen auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens fortschreitend zu entwickeln. Zunächst ist es ihr vordringlichstes Ziel, die Bundesrepublik als friedliebendes Mitglied in die europäische Gemeinschaft einzugliedern. Zu diesem Zweck soll die Zusammenarbeit Deutschlands mit den westeuropäischen Ländern auf allen Gebieten durch den Beitritt der Bundesrepublik zu allen in Frage kommenden internationalen Körperschaften und durch den Austausch von Handels- und Konsularvertretungen mit anderen Ländern ausdrücklich gefördert werden. Sowohl die Hohen Kommissare als auch der Bundeskanzler sind der Auffassung, daß Fortschritte auf diesem Wege auf der Wiederherstellung eines echten Sicherheitsgefühls in Westeuropa beruhen müssen; auf dieses Ziel vor allem waren ihre Bemühungen gerichtet. Dabei wurden sie bestärkt durch eine weitgehende Gemeinsamkeit der Anschauungen und Absichten.
Im einzelnen wurde Übereinstimmung in folgenden Punkten erzielt:
I. Die Hohe Kommission und die Bundesregierung sind übereingekommen, die Teilnahme Deutschlands an allen den internationalen Organisationen herbeizuführen, in denen deutsche Sachkenntnis und Mitarbeit zum allgemeinen Wohl beitragen können. Sie bringen ihre Genugtuung über die in dieser Richtung bereits unternommenen verschiedenen Schritte zum Ausdruck, wie die Teilnahme der Bundesrepublik an der Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit, den von bei- I den Seiten ausgesprochenen Wunsch, daß die Bundesrepublik demnächst als assoziiertes Mitglied in den Europarat aufgenommen werden soll, und die beabsichtigte Unterzeichnung eines zweiseitigen Abkommens mit der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Marshallplanhilfe.
II. In der Überzeugung, daß die möglichst enge Mitarbeit Deutschlands zum Wiederaufbau der westeuropäischen Wirtschaft wünschenswert ist, erklärt die Bundesregierung ihre Absicht, der internationalen Ruhrbehörde, in der sie derzeit nur durch einen Beobachter vertreten ist, als Mitglied beizutreten. Zwischen beiden Parteien besteht Einverständnis darüber, daß der deutsche Beitritt zum Ruhrabkommen keinen
besonderen Bedingungen aus Artikel 31
dieses Abkommens unterworfen ist.
Lassen Sie mich hier, meine Damen und Herren, einige Ausführungen einschieben. Es ist gerade über diese Frage außerordentlich viel geredet und geschrieben worden, was nach meiner Auffassung neben der Sache liegt. Ich stelle folgendes fest: Die Ruhrbehörde besteht auf Grund des Londoner Abkommens. Nach Artikel 2 dieses Abkommens ist Deutschland jetzt schon Mitglied der Ruhrbehörde. Es war damals, als das Abkommen geschlossen wurde, außenpolitisch seiner Handlungsfähigkeit völlig beraubt, und es wurde durch die Militärgouverneure bzw. die Alliierten vertreten. Alle in dem Ruhrabkommen festgesetzten Rechte der Ruhrbehörde und Verpflichtungen für Deutschland bestehen jetzt schon. Wir könnten uns diesen Verpflichtungen nur mit Gewalt entziehen, und wir besitzen keine Gewalt.
Deutschland hat in diesem Ruhrabkommen ein, und zwar ein sehr wertvolles Recht erhalten, nämlich ein Stimmrecht in der Ruhrbehörde. Es hat das gleiche Stimmrecht wie die Vereinigten Staaten, wie England und Frankreich, und ebensoviel Stimmen, nämlich drei, wie die Beneluxstaaten zusammen. Es hat drei der fünfzehn Stimmen, die in der Ruhrbehörde abgegeben werden können.
Die Ausübung dieses Stimmrechts ist ihm aber zur Zeit verwehrt.
Die Ausübung dieses Stimmrechts ist nach dem Ruhrabkommen den Alliierten übertragen, bis Deutschland das Recht zur Abgabe dieser Stimmen von den Besatzungsbehörden übertragen wird. Voraussetzung dieser Übertragung ist nach dem Ruhrabkommen — ich zitiere wörtlich —, „daß Deutschland durch Beitritt oder auf andere Weise erklärt, daß es bereit ist, die ihm durch das Ruhrabkommen auferlegten Verpflichtungen zu erfüllen".
In dem Abkommen mit den Hohen Kommissaren erklären wir uns nun — ich habe Ihnen eben den Wortlaut vorgelesen — bereit, der internationalen Ruhrbehörde als Mitglied beizutreten. Wir werden dadurch nicht Vertragspartner; als gleichberechtigte Vertragspartner sind wir den anderen sechs Signatarmächten auch gar nicht erwünscht. Wir gehen dadurch, daß wir diese Erklärung abgeben, keine neue Verpflichtung für
Deutschland ein, denn ich wiederhole nochmals: diese Verpflichtungen bestehen jetzt schon.
Es ist auch nicht richtig, wenn gesagt wird, daß wir durch Entsendung eines Mitgliedes in die Ruhrbehörde Souveränitätsrechte aufgeben. Denn, meine Damen und Herren, wir besitzen diese Souveränitätsrechte überhaupt nicht; sie sind uns genommen durch die bedingungslose Kapitulation und durch das Londoner Abkommen.
Es kann auch nicht die Rede sein von dem Eingehen eines völkerrechtlichen Vertrages. Denn diese Erklärung, wie sie in dem Abkommen enthalten ist, die ich Ihnen eben vorgelesen habe, begründet weder ein Recht noch eine Verpflichtung, sondern diese Erklärung gibt den Alliierten die Möglichkeit, das Hemmnis der Stimmabgabe durch uns zu beseitigen.
Dieses Ruhrabkommen sieht im Artikel 33 die Möglichkeit der Änderung vor, und es regelt das für Änderungen notwendige Verfahren, und zwar soll das Verfahren folgendermaßen sein: Die Ruhrbehörde kann eine Änderung empfehlen; die Signatarmächte haben dann über die Änderung zu beschließen, nicht etwa die Mitglieder der Ruhrbehörde; denn die Ruhrbehörde ist nicht gleich mit den Signatarmächten.
Ich habe, meine Damen und Herren, bei der Verhandlung über diesen Punkt mit den Hohen Kommissaren folgendes erklärt: Das Ruhrabkommen ist im vorigen Jahre abgeschlossen worden; seit dieser Zeit ist eine andere Entwicklung eingetreten, das Ruhrabkommen muß deswegen in einer Reihe von Artikeln geändert werden. Die Deutsche Bundesregierung behält sich vor, wenn sie im Rat stimmberechtigt ist, dort entsprechende Anträge zu stellen. Da aber die letzte Entscheidung bei den Signatarmächten liegt, müssen wir darum bitten, daß Deutschland, das ja auch nach der Entsendung in die Ruhrbehörde nicht zu diesen Signatarmächten, also zu den Vertragspartnern, gehört, ehe die Signatarmächte über die Empfehlung der Ruhrbehörde Beschluß fassen, gehört wird.
Die Hohen Kommissare haben mir darauf geantwortet, daß sie nicht befugt seien, dem zuzustimmen, daß sie aber diesen Vorschlag und Antrag der Deutschen Bundesregierung den Signatarmächten weitergeben würden. Ich bin autorisiert worden, hier im Bundestag diese Erklärung abzugeben, die ich Ihnen eben abgegeben habe. Daraus, meine Damen und Herren, geht völlig klar hervor — ich unterstreiche das nochmals —, daß wir durch die Entsendung eines stimmberechtigten Vertreters in die Ruhrbehörde nicht Vertragspartner des Londoner Abkommens werden. Diese Erklärung unsererseits und diese Entsendung eines Vertreters in die Ruhrbehörde ist ein Akt von psychologischer Bedeutung,
und zwar von psychologischer Bedeutung gegenüber den europäischen Völkern, die uns gegenüber dieses besondere Bedürfnis nach Sicherheit, von dem ich eben gesprochen habe, empfinden.
Ich fahre nunmehr in der Bekanntgabe des Abkommens fort.
III. Die Bundesregierung erklärt ferner ihre feste Entschlossenheit, die Entmilitarisierung des Bundesgebiets aufrechtzuerhalten
und mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln die Neubildung irgendwelcher Streitkräfte zu verhindern. Zu diesem Zweck wird die Bundesregierung mit der Hohen Kommission auf dem Gebiet des Militärischen Sicherheitsamts eng zusammenarbeiten.
IV. Die Hohe Kommission und die Bundesregierung sind übereingekommen, daß die Bundesregierung nunmehr die schrittweise Wiederaufnahme von konsularischen und Handelsbeziehungen mit den Ländern in Angriff nehmen wird, mit denen derartige Beziehungen als vorteilhaft erscheinen.
— Uns erscheinen, nicht den Hohen Kommissaren.
V. Die Bundesregierung, die aus freien demokratischen Wahlen hervorgegangen ist, bekräftigt ihren Entschluß, den Grundsätzen der Freiheit, Toleranz und Menschlichkeit, die die westeuropäischen Nationen verbinden, rückhaltlos Achtung zu verschaffen und sich in ihrem Handeln von diesen Grundsätzen leiten zu lassen. Die Bundesregierung ist fest entschlossen, alle Spuren der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft aus dem deutschen Leben und seinen Einrichtungen auszutilgen und das Wiederaufleben totalitärer Bestrebungen, welcher Art auch immer, zu verhindern.
Sie wird bemüht sein, den Aufbau der Regierung freiheitlich zu gestalten und autoritäre Methoden auszuschalten.
VI. Auf dem Gebiet der Dekartellisierung und zur Beseitigung monopolistischer Tendenzen wird die Bundesregierung gesetzgeberische Maßnahmen treffen, die den von der Hohen Kommission auf Grund des Artikel 2 des Besatzungsstatuts erlassenen Entscheidungen entsprechen.
VII. Die Hohe Kommission hat dem Bundeskanzler die Bestimmungen eines zwischen den drei Mächten getroffenen Abkommens über die Lockerung der dem deutschen Schiffbau derzeit auferlegten Beschränkungen mitgeteilt. Die wesentlichen, jetzt vereinbarten Bestimmungen sehen folgendes vor:
a) Der Bau von Hochseeschiffen mit Ausnahme von solchen Schiffen, die in erster Linie zur Beförderung von Passagieren bestimmt sind, und der Bau von Tankern bis 7200 Tonnen, von Fischereifahrzeugen bis 6500 Tonnen und von Küstenfahrzeugen bis zu 2700 Tonnen mit einer Verkehrsgeschwindigkeit von 12 Knoten kann nunmehr aufgenommen werden. Die Zahl derartiger Schiffsbauten ist nicht beschränkt.
b) Die Bundesregierung kann mit Zustimmung der Hohen Kommission bis zum 31. Dezember 1950 sechs Spezialschiffe ankaufen oder bauen, deren Tonnage und Geschwindigkeit diese Beschränkungen überschreiten. Weitere Einzelheiten über diesen Punkt sind dem Kanzler mitgeteilt worden.
Der Bundeskanzler hat die Frage des
Baues und der Reparatur von Schiffen auf deutschen Werften für Exportzwecke zur Sprache gebracht. Die Hohen Kommissare haben ihn davon unterrichtet, daß diese Frage in dem Sachverständigenausschuß nicht erörtert worden sei und daß sie deshalb nicht in der Lage seien, ihm eine endgültige Entscheidung mitzuteilen. Sie werden indessen deutsche Werften einstweilen zum Bau von Schiffen für Exportzwecke ermächtigen, jedoch unter Beschränkung auf die Typen und Zahlen, die für den Bau von Schiffen für die deutsche Wirtschaft gelten. Die Reparatur ausländischer Schiffe werden sie ohne Einschränkung genehmigen.
Lassen Sie mich dazu einige Ausführungen machen, meine Damen und Herren. Die deutschen Werften und die deutsche Schiffahrt sind nicht etwa nur eine Angelegenheit der Küste, sie sind in eminentem Maße eine allgemeine deutsche An(Sehr richtig!)
Die Werften und die Schiffahrt unterlagen bisher Beschränkungen, die unerträglich waren. Seit vielen Monaten hat in London eine ausländische Sachverständigenkonferenz getagt, die unseren Werften und unserer Schiffahrt Erleichterungen bringen sollte. Dieser Sachverständigenausschuß war zu keinem Ergebnis gekommen. Er ist jetzt durch die Pariser Konferenz dazu gebracht worden, seine Arbeit in der Weise zu Ende zu führen, wie ich es Ihnen eben mitgeteilt habe. Aus den Terminen, die Sie gehört haben — 31. Dezember 1950! —, werden Sie ohne weiteres ersehen, daß in dieser ganzen Frage das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.
Ebenfalls ist das letzte Wort in der Frage des Baues von Schiffen für Exportzwecke noch nicht gesprochen. Verstehen Sie mich recht: damit sind die ausländischen Schiffe gemeint, die auf unseren Werften gebaut werden sollen und durch deren Bau unsere Facharbeiter wieder Arbeit bekommen.
VIII. Die Hohe Kommission hat die Frage der Demontage angesichts der von der Bundesregierung gegebenen Zusicherungen erneut überprüft und folgenden Änderungen des Demontageplans zugestimmt.
Meine Damen und Herren! Es ist nicht etwa so, daß sämtliche Demontagen eingestellt werden. Eine Anzahl von Demontagen geht weiter und wird zu Ende geführt. Das gilt in erster Linie für die Demontagen von Unternehmungen, die für Kriegszwecke geschaffen sind. Sie werden aus dem Wortlaut des Dokuments gleich entnehmen, daß die Demontagen, die schon geschehen sind, nicht wieder rückgängig gemacht werden. Aber aus der Liste der Werke, die nunmehr von der Reparationsliste gestrichen werden, werden Sie ersehen, daß wir einen großen Schritt weitergekommen sind. Unser Wirtschaftsministerium ist der Auffassung, daß hiermit etwa 90 Prozent unserer Wünsche erfüllt werden. Jetzt, in diesem Augenblick, in dem ich zu Ihnen spreche, gehen die Befehle zur Einstellung der Demontage bei den Werken heraus, deren Namen ich Ihnen jetzt mitteile:
Die nachstehend aufgeführten Werke wer- den von der Reparationsliste gestrichen, und die Demontage ihrer Einrichtungen wird sofort eingestellt:
a) Synthetische Treibstoff- und Gummiwerke:
Farbenfabriken Bayer, Leverkusen, Chemische Werke, Hüls,
— Bei diesen Werken sind bestehende Einrichtungen für Forschungszwecke ausgenommen, die unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit Bedeutung besitzen.
Weiter:
Gelsenberg Benzin, Aktiengesellschaft, Gelsenkirchen,
Hydrierwerke Scholven, Aktiengesellschaft, Gelsenkirchen-Buer,
— mit Ausnahme bestimmter Einrichtungen für Forschungszwecke, die unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit Bedeutung besitzen.
Ruhröl G.m.b.H., Bottrop,
Ruhrchemie Aktiengesellschaft, Oberhausen-Holten,
Gewerkschaft Viktor, Castrop-Rauxel, Krupp-Treibstoff-Werke, Wanne-Eickel, Steinkohlenbergwerk Rheinpreußen,
Moers,
Dortmunder Paraffin-Werke, Dortmund, Chemische Werke, Essener Steinkohle, Bergkamen.
b) Stahlwerke
August Thyssen Hütte, DuisburgHamborn,
Hüttenwerke Siegerland Aktiengesellschaft, Charlottenhütte, Niederschelden,
Deutsche Edelstahlwerke, Krefeld, Hüttenwerk Niederrhein, Duisburg, Klöckner-Werke Aktiengesellschaft, Düsseldorf,
Ruhrstahl Aktiengesellschaft, Henrichshütte, Hattingen,
Bochumer Verein Aktiengesellschaft,
Gußstahlwerke, Bochum.
Die Demontage oder der Abbruch solcher Elektroöfen, die für die Aufrechterhaltung des Betriebes dieser Werke nicht notwendig sind, wird weiterhin durchgeführt.
c) Die Demontage in den IG-Farben-Werken Ludwigshafen-Oppau wird eingestellt mit Ausnahme der Einrichtungen für die Herstellung von synthetischem Ammoniak und Methanol, soweit deren Entfernung im Reparationsplan vorgesehen ist.
d) In Berlin wird jegliche Demontage eingestellt, und die Arbeit in den betroffenen Werken wird wieder ermöglicht.
Für Berlin, meine Damen und Herren, ist eine besondere Regelung getroffen worden. Es handelt sich um die Borsig-Werke in Berlin. In den Borsig-Werken in Berlin sind die Maschinen schon demontiert. Während im allgemeinen — Sie werden das gleich hören — das, was demontiert ist, demontiert bleibt, wird in Berlin eine Ausnahme gemacht, und die bereits demontierten Maschinen dürfen wieder in Benutzung genommen werden.
Bereits demontierte Einrichtungen werden, mit Ausnahme der in Berlin in Frage kommenden Einrichtungen, der IARA zur Verfügung gestellt. Durch die vorstehenden Änderungen der Reparationsliste werden die bestehenden Produktionsverbote und -beschränkungen für bestimmte Erzeugnisse nicht berührt. Demontierte Werke dürfen nur mit Genehmigung des Militärischen Sicherheitsamtes wieder aufgebaut oder wieder eingerichtet werden. Werke, bei denen die Demontage eingestellt ist, unterstehen einer geeigneten Kontrolle, um sicherzustellen, daß die Begrenzung der Stahlerzeugung — 11,1 Millionen Tonnen pro Jahr — nicht überschritten wird.
Sehr bedauerlich, meine Damen und Herren, ist,
daß es nicht gelungen ist, Watenstedt-Salzgitter
von der Demontage zu befreien. Es wurde mir
auf meine dahingehenden Vorstellungen und auf
die Schilderung der katastrophalen Lage, die unter
Umständen dort entstehen kann, erwidert, daß das
Stahlwerk bereits zum größten Teil demontiert
sei und daß die übrigen dort vorhandenen Einrichtungen nicht demontiert würden. Man hat mir
seitens der Hohen Kommissare die feste und wiederholte Zusicherung gegeben, daß man von seiten
der Hohen Kommissare die Bundesregierung und
die Landesregierung Niedersachsen auf jede Weise
darin unterstützen würde, in Salzgitter industrielle
Einrichtungen zu treffen, die den Zusammenbruch
dieses Gebietes verhüten.
IX. Die Frage der Beendigung des Kriegszustandes ist erörtert worden. Obwohl die Beendigung des Kriegszustandes im Einklang mit dem Geist dieser Abmachungen stehen würde, bietet doch die Frage erhebliche juristische und praktische Schwierigkeiten, die noch der Prüfung bedürfen.
— Meine Damen und Herren, ich komme auf den Wortlaut dieser Erklärungen in einigen Schlußbemerkungen zurück.
X. Die Hohen Kommissare und der Bundeskanzler haben diese Niederschrift unterzeichnet in der gemeinsamen Entschlossenheit, die in der Präambel aufgestellten Absichten zu verwirklichen, und in der Hoffnung, daß ihre Abmachungen einen bedeutsamen Beitrag zur Einordnung Deutschlands in eine friedliche und dauerhafte Gemeinschaft der europäischen Nationen darstellen.
Lassen Sie mich zum Schluß folgendes ausführen. Nicht alle unsere Wünsche und Anträge sind erfüllt worden. Aber die Gerechtigkeit gebietet es doch festzustellen, daß ein sehr großer Teil unserer Wünsche erfüllt worden ist und daß daher dieses Abkommen für die deutsche Wirtschaft zweifellos einen sehr wertvollen und großen Erfolg darstellt.
Politisch, meine Damen und Herren, ist dieses Abkommen ein sehr großer Erfolg. Zum erstenmal seit dem Zusammenbruch wird unsere Gleichberechtigung offiziell anerkannt, und zum erstenmal werden wir wieder in die internationale Sphäre eintreten. Die ganzen Verhandlungen mit den Hohen Kommissaren verliefen in einem guten Klima, in einer guten Atmosphäre. Irgendein Druck wurde auf uns nicht ausgeübt.
Ich habe eben schon hervorgehoben, daß der englische, der französische und der deutsche Text gleichberechtigt sind.
Lassen Sie mich noch einmal die Worte aus der Präambel und die Worte aus dem Satz wiederholen, der über die Beendigung des Kriegszustandes handelt. In dem Punkt IX heißt es, daß die Beendigung des Kriegszustandes im Einklang mit dem Geist dieser Abmachungen stehen würde -und in dieser Feststellung erblicke ich einen außerordentlich großen Fortschritt für unser Vaterland,
denn hier ist durch die Unterschriften der Vereinigten Staaten, Englands und Frankreichs festgestellt, daß dieses Abkommen mit dem Geist des Friedens übereinstimmt — und daß nur technische und juristische Gründe ein Hindernis dafür bilden, daß dieser Friede geschlossen und der Kriegszustand beendet wird.
Lassen Sie mich auch noch einmal unterstreichen, daß an mehreren Stellen auf Zusammenarbeit im gegenseitigen Vertrauen hingewiesen ist. Es ist wirklich so: wir Deutsche, unser Vaterland kann, nachdem seine ganze Macht zerbrochen ist, nur in gemeinsamer, vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den Westalliierten wieder hochkommen. Auf diesem Wege ist das Abkommen, das ich Ihnen eben verlesen habe, ein großer Fortschritt. Ich glaube, wir dürfen davon überzeugt sein, daß wir auf diesem Wege die Zukunft Deutschlands, daß wir auf diesem Wege auch die Rettung und die Zukunft Westeuropas sichern, das ohne Deutschland nicht gerettet werden kann, und daß wir — und das ist das oberste Ziel, meine Damen und Herren — auf diesem Wege auch den Frieden der Welt sichern.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers gehört. Es ist interfraktionell vereinbart worden, jetzt die Sitzung auf zweieinhalb Stunden zu unterbrechen. Es ist, wie ich eben sehe, 6 Uhr. Ich frage das Haus, ob es damit einverstanden ist, daß wir bereits um 8 Uhr wieder zusammentreten.
— Dann treten wir also um 8 Uhr 30 wieder zusammen.
— Es erhebt sich Widerspruch. Meine Damen und Herren, dann muß ich darüber abstimmen lassen, wenn wir uns nicht verständigen können. Wie wäre es, wenn wir uns auf 8 Uhr 15 verständigen würden?
— Dann muß ich abstimmen lassen. Der weitergehende Antrag ist der für 8 Uhr 30. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Wer für 8 Uhr ist, ;den bitte ich, jetzt die Hand zu erheben. — Das letztere scheint mir die Mehrheit zu sein. Dann berufe ich auf heute abend 8 Uhr erneut die 18. Plenarsitzung des Bundestags ein, die ich hiermit unterbreche.
Die Sitzung wird um 20 Uhr 43 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne erneut die heute abend um 6 Uhr unterbrochene 18. Sitzung des Deutschen Bundestags. Der einzige Punkt unserer Tagesordnung ist die
Aussprache über die Regierungserklärung.
Ich eröffne hiermit die Aussprache und erteile als erstem Redner Herrn Abgeordneten Dr. Arndt das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im Wesen der Sache eines jeden politischen Aktes liegt es, daß er ein psychologisches Potential ist. Damit hat der Herr Bundeskanzler uns wahrhaftig nichts Neues gesagt, und diese Erkenntnis enthebt uns nicht der Mühe, diesen Akt auf seine politische Bedeutung und seine rechtliche Tragweite zu untersuchen.
Wären die Abmachungen d e r große Erfolg, und wäre der Beitritt Deutschlands zum Ruhrstatut „nichts als ein psychologischer Akt", warum hat dann der Herr Bundeskanzler sich so gequält, mit advokatorischen Argumenten nachzuweisen, daß es irgendeiner Mitwirkung der gesetzgebenden Körperschaften in keiner Weise bedürfe? Glauben Sie, Herr Dr. Adenauer, daß ein rein psychologischer Akt wirksamer vorgenommen wird, wenn Sie allein ihn vollziehen, statt daß die gesamte frei gewählte Volksvertretung ihn sich zu eigen macht? Das sind nicht die Gründe, die hinter Ihrer Argumentation stehen, daß es eines Aktes der Volksvertretung nicht bedürfe. In Wahrheit — erlauben Sie mir bitte bei dem Ernst der Stunde dies in aller Trockenheit zu sagen — handelt es sich um nichts anderes als um ein neues Glied in der Kette der Versuche der permanenten Ausschaltung des Parlaments,
des Unterfangens, Verfassungskämpfe durch autoritären Handstreich zu gewinnen.
Man kann die Argumentation des Herrn Bundeskanzlers, daß kein gesetzgeberischer Akt notwendig sei, in drei Gründe zusammenfassen; erstens: wir hätten noch gar keine Hoheitsrechte im Sinne des Artikels 24 des Grundgesetzes, und deshalb sei deren Übertragung auch gar nicht möglich und überhaupt nicht vorstellbar; zweitens: die Ermächtigung für die Bundesregierung zum Beitritt zum Ruhrstatut sei ja im Ruhrstatut selbst enthalten, daher sei Artikel 59 auch unanwendbar, denn es handle sich nur um eine Maßnahme im Rahmen bestehenden Besatzungsrechts; drittens: dieser Vertrag, dieses Abkommen, das da auf dem Petersberg geschlossen ist, sei gar kein Vertrag; denn insbesondere der Beitritt zum Ruhrstatut begründe keine neuen Pflichten, er gebe allenfalls ein neues wertvolles Recht.
Die Bundesregierung nimmt also ihre Zuflucht zum. Besatzungsrecht und behandelt das Besatzungsrecht als eine Art Ermächtigungsgesetz ohne Ermächtigung.
Denn es gibt keine Möglichkeit der Ableitung von l Befugnissen der Bundesregierung aus dem Besatzungsrecht. Die Bundesregierung verkörpert für den Teil der Exekutive eigenständige deutsche Staatsgewalt. Daran möchte ich von vornherein keinerlei Irrtum aufkommen lassen.
Soeben erst hat der Staatsrechtler in Münster, der Professor Friedrich Klein, sich gerade insoweit mit dem Besatzungsstatut auseinandergesetzt und hat zu diesen Fragen unter Berufung auf den Freiburger Staatsrechtler Greve und auch auf meine Wenigkeit ausgeführt — der Herr Präsident möge mir erlauben, daß ich die entscheidenden Sätze hier dem Hohen Hause zur Kenntnis bringe —:
Die Besatzungsmächte haben der deutschen verfassunggebenden Gewalt die Möglichkeit gegeben, in dem frei gewordenen Bereich eine eigenständige, von deutschen Organen auszuübende Staatsgewalt zu organisieren. Es ist daher deutsche Staatsgewalt, nicht delegierte Besatzungsgewalt, die von den Bundesorganen wahrgenommen wird. Diese Auffassung entspricht dem Wesen des Besatzungsstatuts als einer Art ideeller oder juristischer Räumung Deutschlands, durch die sich die autoritär von oben ausgeübte Besatzungsgewalt insoweit zurückzieht und der demokratisch von unten wachsenden deutschen Staatsgewalt Raum gibt. Sie wird durch den Wortlaut des Besatzungsstatuts gedeckt, das in Ziffer 1 Satz 2 sagt: „Abgesehen von den in diesem Statut enthaltenen Beschränkungen besitzen der Bund und die ihm angehörenden Länder volle gesetzgebende, vollziehende und richterliche Gewalt gemäß dem Grundgesetz und ihren Verfassungen." Während die von den Bundesorganen wahrzunehmende Gewalt nach dem Frankfurter Dokument Nr. 3 nur delegierte Besatzungsgewalt hätte sein können, ist sie nach dem Besatzungsstatut eigenständige deutsche Staatsgewalt.
— Soweit der Staatsrechtler Klein.
Aber nun der Standpunkt des Herrn Bundeskanzlers, das Ruhrstatut ermächtige ja die Bundesregierung zum Beitritt. Artikel 31 sagt allerdings in der schlechten Übersetzung: „sobald eine deutsche Regierung errichtet worden ist, kann sie dem vorliegenden Abkommen durch Unterzeichnung einer Erklärung beitreten". Nun, mit dem Übersetzen hat man manchmal Pech. Auch die Bundesregierung hat mit dem Übersetzen ihres Dokuments, das sie uns heute vorgelegt hat, solches Pech gehabt. Ich hoffe, es wird nicht an allzuvielen Stellen sein; aber eine Stelle ist immerhin bezeichnend. In der deutschen Übersetzung heißt es, daß die Bundesregierung bemüht sein werde, den Aufbau der Regierung freiheitlich zu gestalten. Im französischen Text heißt es „une structure plus libérale" und im Englischen „to liberalise"; also es wird von der Bundesregierung erwartet, daß sie sich bemüht, mehr freiheitlich zu regieren, als sie es bisher getan hat.
So ist es auch hier bei dieser Obersetzung des Ruhrstatuts. Man kann keinesfalls das Wort „Regierung" mit „Bundesregierung" gleich „Kabinett" übersetzen. Denn „Gouvernment Allemand", „German Government" im Sprachgebrauch ist zwar auch im Ruhrstatut schwankend
und mag vielleicht an einigen Stellen wirklich nur mit „Kabinett" übersetzt werden können, grundsätzlich aber umschließen die Worte „gouvernment" und „government" auch die Legislative und tun das auch im Ruhrstatut.
— Das werde ich Ihnen gleich noch näher darlegen. Sie brauchen zum Beispiel, um die Terminologie zu unterscheiden, sich nur einmal mit der französischen Verfassung vom 13. Oktober 1946 auseinanderzusetzen, wo „Regierung" im Sinne von „Kabinett` als „conseil" bezeichnet wird ; dagegen „gouvernment" ist die Staatsgewalt, so daß auch dort im Artikel 2 gesagt wird: gouvernment du peuple pour le peuple et par le peuple. Das ist der Ausdruck „gouvernment". Ich kann auch hinweisen auf das Schreiben der Kommissare vom 21. September 1949 über -das Inkrafttreten des Besatzungsstatuts. Da ist ja authentisch interpretiert, wann in Deutschland „government" oder „gouvernment" vorhanden ist, nämlich, wie es in dem Schreiben vom 21. September 1949 wörtlich heißt: „Mit der Einberufung der im Grundgesetz vorgesehenen gesetzgebenden Körperschaften und mit der Wahl des Präsidenten und der Wahl und Ernennung des Kanzlers und der Bundesminister ist die Regierung der Bundesrepublik Deutschland errichtet," „German Government is established". Das ist die Definition, wie sie von den Kommissaren selbst in ihrem authentischen Schreiben, mit dem das Inkrafttreten des Besatzungsstatuts begleitet und bekanntgegeben worden ist, gegeben wird. Nicht anders kann es auch im Ruhrstatut ausgelegt werden, zumal Sie im Artikel 15, im Artikel 24 des Ruhrstatuts finden, daß dort ja ausdrücklich von gesetzgeberischen Maßnahmen, von Maßnahmen, die nur durch Gesetz erfolgen, die Rede ist, so daß man also aus diesem Begriff „government" die gesetzgebende Körperschaft niemals ausklammern darf.
Der Beitritt zum Ruhrstatut erfüllt daher in eindeutiger Weise den Tatbestand des Artikels 24 des Grundgesetzes, in dem es heißt:
Der Bund kann durch Gesetz Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen
Dieser Artikel 24 des Grundgesetzes gilt mithin sowohl für das Ruhrstatut als auch für den Europarat, der ja in den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers reichlich zur kurz gekommen ist. Denn wenn man die Ausführungen, die uns heute gemacht worden sind, auf ihre juristische und politische Substanz untersucht, kann man sie doch leider nur so auffassen, daß sich der Herr Bundeskanzler mit der Bundesregierung bedingungslos bereit erklärt hat und daß er bedingungslos den Wunsch geäußert hat, in den Europarat aufgenommen zu werden, und zwar auch dann, wenn es bei der französischen Forderung bleibt oder bleiben sollte, daß das Saarland dort durch den französischen Außenminister oder mit eigenen Stimmen vertreten wird. Ein solcher Eintritt in den Europarat kann aber ebenfalls nur durch Gesetz geschehen; denn nach Artikel 42 c des Londoner Zehn-Mächte-Abkommens vom 5. Mai dieses Jahres wird man am Tage der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde Mitglied des Europarats. Nach dem Artikel 5 b gilt dies auch für assoziierte Mitglieder.
Man kann auch nicht argumentieren, daß der Eintritt in den Europarat, zu dem die Bundesregierung sich durch dieses Abkommen verpflichtet hat, ja keine Verfügung über die Saar enthalte. Denn hier und heute handelt es sich um mehr als um den Eintritt, weil die Reflexwirkung auf die Saar unter diesen Umständen eine vollendete Tatsache schafft. Eine solche Tatsache verstößt gegen den Vorspruch im Grundgesetz, durch den das deutsche Volk aufgefordert bleibt, die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden, also auch die Einheit! Natürlich dies in allererster Linie seitens der Bundesregierung.
Der Herr Bundeskanzler scheint sehr weit gegangen zu sein und die ausländische Presse besser und früher als uns unterrichtet zu haben; denn ich verweise auf die Bemerkungen in der „New York Times" vom 19. November, daß der Herr Bundeskanzler der Auffassung sei — es muß sich offenbar um offiziöse Gespräche gehandelt haben —, daß der Status der Saar keinen wirklichen Unterschied für Europa mache, wenn die gegenwärtigen Ziele der Westalliierten und der Bundesregierung für die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit, wie sie in den Plänen der OEEC. und des Europarats angedeutet sind, sich entwikkeln würden.
Diese Ziele des Herrn Bundeskanzlers sind nicht die Ziele der beiden Völker; und daß das, was mein Parteifreund Dr. Schumacher hier vorgetragen hat, mehr den Zielen der beiden Völker entspricht, ist kürzlich erst von dem französischen Staatsmann Leon Blum im „Populaire" vom 19. November bestätigt worden, in dem er sich die tragende Idee, von der hier im Hause die Opposition beseelt ist, zu eigen gemacht hat. Um jedes Mißverständnis noch einmal auszuschließen, wiederhole ich, daß ganz sicherlich für meine sozialdemokratischen Freunde und mich die Verständigung gerade mit Frankreich Herzenssache ist.
Was wir aber wollen, ist die totale Kooperation der Völker, aber nicht nur eine Allianz ihrer herrschenden Klassen.
Der Herr Bundeskanzler hat seine heutigen Ausführungen damit eingeleitet, daß er gesagt hat, wir sollten insbesondere nicht vergessen, welch unermeßliches Leid und Elend die nationalsozialistische Gewaltherrschaft — wäre der bessere Ausdruck gewesen, statt „Regierung" — über die Völker der Welt gebracht hat. Meine Damen und Herren, wir vergessen das nicht! Wir vergessen das um so weniger, weil ja auch meine Freunde und ich und weiteste Teile des deutschen Volkes mit zu den Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gehört haben, was auch hierbei nicht vergessen werden darf!
Man sollte uns deshalb nicht Nationalismus vorwerfen, der uns ganz ferne liegt. Was uns beseelt, ist das Gefühl der Gleichwertigkeit, auf dem die sozialistische Internationale und die europäische Arbeiterbewegung von Beginn an seit mehr als einem Jahrhundert beruht.
Der Beitritt zum Ruhrstatut kann also nur durch die völkerrechtliche Vertretung des Bundes im Sinne des Artikel 59 Absatz 1 möglich sein, also durch einen Akt des Herrn Bundespräsidenten
und nur mit der Zustimmung des Bundestags durch Gesetz nach Artikel 59 Absatz 2. Deshalb haben wir dem Hohen Hause den Antrag vorgelegt, der Ihnen als Drucksache vorliegt und auf den ich lediglich verweisen will. Denn es handelt sich keineswegs um einen nur innerstaatlichen Vorgang. Wenn die Westalliierten das Ruhrstatut oder ähnliche Konventionen nicht ratifizieren sollten, so doch deshalb, weil es für sie lediglich Verwaltungsabkommen sind, durch die sie die Art der Ausübung der von ihnen kraft Völkerrechts in Anspruch genommenen Befugnisse regeln. Das sagt ganz eindeutig Artikel 18 des Ruhrstatuts, der von den existing powers, von den pouvoirs actuellement détenus spricht. Die Alliierten regeln also nur intern die Ausübung der Gewalten, der Befugnisse, von denen sie glauben, daß sie sie kraft der Faktizität der Lage durch das Völkerrecht bekommen haben. Dort also sind diese Akte weder rechtsbegründend noch neuverpflichtend. Bei uns dagegen ist es ein konstitutiver rechtsgeschäftlicher Akt, und es liegt genau so, als wenn etwa die Militärgouverneure oder der Kontrollrat früher ein Handelsabkommen für Deutschland mit Schweden abgeschlossen ten. Auch dann hätten die Parlamente der Besatzungsmächte keineswegs dieses Handelsabkommen zu ratifizieren brauchen; aber das hätte die Notwendigkeit für Schweden nicht ausgeschlossen, dort, wenn es nach seinem Staatsrecht geboten ist, diesen Handelsvertrag durch Gesetz zu ratifizieren. Denn die Kommissare sind hier uns gegenüber in dem Fall dieses Abkommens ausländische Macht. Die alliierten Organe haben, wie Klein in seinem eben zitierten Aufsatz sagt, einen Januskopf, indem sie teils deutsche, teils ausländische Staatsgewalt ausüben. Dafür ließe sich eine Fülle von Literatur anführen. Soweit sie aber Kontrolle ausüben oder soweit sie Abkommen mit der Bundesregierung schließen, handeln sie kraft ausländischer Macht. Das ergibt ganz eindeutig die Satzung der Hohen Kommission vom 20. September dieses Jahres, wo es in Artikel I Ziffer 1 heißt, daß diese Kommission zur Ausübung der obersten alliierten Regierungsgewalt in der deutschen Bundesrepublik gebildet wird, der autorité suprême alliée, der allied authority, aber nicht der deutschen, so daß es sich hier um den Umgang und den Abschluß mit ausländischen Mächten handelt.
Meine Damen und Herren! Ich komme damit zum Kernstück dessen, was der Herr Bundeskanzler uns vorgetragen hat, indem er auszuführen suchte, dieser Vertrag — das blieb immer offen; er sprach einmal vom Gesamtabkommen und einmal nur vom Beitritt zum Ruhrstatut — sei gar kein Vertrag; denn hinsichtlich des Ruhrstatuts bestimme ja Artikel 2: Deutschland „ist" Mitglied. Mithin würden keine neuen Pflichten übernommen oder, wie es in dem Gutachten des Herrn Bundesjustizministers heißt: der Beitritt fügt rechtlich nichts Neues hinzu. Nun, dagegen ist folgendes wohl eindeutig festzustellen.
Eine solche Auffassung verkennt den fundamentalen Unterschied zwischen einer einseitig oktroyierten Pflicht und einer freiwillig rechtsgeschäftlich übernommenen.
Es ist die klassische Tradition des Völkerrechts, daß man einer Besatzungsmacht Gehorsam, dem Vertragspartner Treue schuldet. In dem Augenblick, in dem wir auch nur durch dieses Abkommen, das uns zum Beitritt verpflichtet — und das
ist doch der Sinn des Abkommens —, Vertragspartner mit den durch die Hohen Kommissare vertretenen Mächte werden, geht also eine rechtliche Substanzänderung von außerordentlicher Tragweite vor.
Warum, glauben Sie wohl, ist denn der Beitritt vorgesehen? Warum hat man sich nicht damit begnügt, einseitig oktroyiert zu sagen: Deutschland ist Mitglied? Das muß doch einen Sinn haben, daß Deutschland beitreten kann. Und diesen Sinn hat es in der Tat, weil nämlich die Ruhr „behörde", wie sie immer genannt wird, ohne die deutsche Mitarbeit lebensunfähig ist, was sich alsbald erweisen muß, und erst durch die deutsche Mitwirkung — eine freiwillige, eine auf der Treue des Abschlusses beruhende Mitwirkung — virulent werden kann. Das ist eine politische Substanzänderung von ganz unübersehbarer Tragweite.
Zum Schluß darf ich auch hier noch einmal darauf hinweisen, daß der Beitritt zum Ruhrstatut ja gar nicht isoliert für sich zur Debatte sieht, sondern daß er eine Leistung sein soll, zu der sich der Herr Bundeskanzler kraft Abkommens verpflichtet hat. Das, was hier zu erörtern und zu untersuchen ist, ob es der Ratifizierung durch das Parlament bedarf, ist ja das Gesamtabkommen; denn dieses Abkommen bildet eine Ganzheit und enthält die Beitrittspflicht, wie soeben erst auch der französische Herr Außenminister Schuman in Paris zur gleichen Stunde gesagt hat, der dieses Instrument dahin interpretiert, daß es sich bereits um das deutsche Ersuchen zum Beitritt handelt, das als Gegenleistung für das, was sonst im Abkommen steht, vereinbart ist.
Nun aber, meine Damen und Herren, stellen Sie sich doch einmal die politische Unmöglichkeit eines Abschlusses vor, durch den man einem Abkommen, einem Statut beitritt, ohne selbst dadurch Signatarmacht zu werden. Der Herr Bundesjustizminister ist gerade auf diesen Punkt in seinem Gutachten eingegangen. Er hat gesagt:
Insbesondere wird durch den Beitritt keine
Bindung dahin erzeugt, daß künftige Änderungen des Statuts nur mit Zustimmung
Deutschlands erfolgen können.
Das ist ganz außerordentlich! Man verpflichtet sich durch das Abkommen vom Petersberg zum Beitritt zu einem Statut, von dem man weiß, daß man bei diesem Statut nicht Signatarmacht wird und nicht einmal dabei mitzuwirken braucht oder mitwirken darf, wenn dieses Statut geändert wird.
Zu dieser politischen Unmöglichkeit kommt eine juristische Unglaublichkeit; denn der Herr Bundeskanzler hat gesagt, die Bundesregierung oder Deutschland erwerbe dadurch mehr Rechte, sie habe aber geglaubt, sie könnte von den Bestimmungen des Artikels 59 des Grundgesetzes deshalb Abstand nehmen, weil man nicht auf der Grundlage der Gleichberechtigung, sondern insoweit im Rahmen einer Unterordnung gehandelt habe. In dem Gutachten des Herrn Bundesjustizministers heißt es sehr bemerkenswerterweise: „Ebenso fehlt es an der rechtlichen Gleichordnung der Partner beim Vertragsschluß, die für das Wesen des Vertrags kennzeichnend ist."
Meine Damen und Herren, die Argumentation ist
also folgende: wenn eine Bundesregierung auf
der Grundlage der Gleichberechtigung verhandelt und abschließt, braucht sie das Parlament; wenn sie es aber an der rechtlichen Gleichordnung fehlen läßt, braucht sie das Parlament nicht.
Ich glaube, daß in diesem Bukett, das man uns da präsentiert hat, ein ganzer Strauß von Unmöglichkeiten ist.
Ich komme weiterhin zu einem eklatanten Widerspruch, den ich zwischen den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers und dem Gutachten seines Herrn Bundesjustizministers finde. Der Herr Bundeskanzler hat gegen Schluß seiner Ausführungen — etwas emphatisch gefaßt — darauf hingewiesen, daß es sich' hier nahezu um so etwas handle wie um den Frieden, daß eigentlich dem Frieden nur noch — wie sich der Herr Bundeskanzler ausdrückte — technisch-juristische Hemmnisse im Wege stünden. Ich bitte Sie, diese Stelle aus der Rede des Herrn Bundeskanzlers, der, wie ich glaube, in" besonderem Maße der Beifall der Mitte und der Rechten dieses Hohen Hauses gegolten hat, mit einer Ausführung des Herrn Bundesjustizministers in seinem Gutachten zu vergleichen, worin gesagt ist, es würde dadurch - nämlich durch einen gesetzgeberischen Akt - „einer einfachen Erklärung, welche die Bundesregierung im Rahmen des bestehenden Besatzungsrechts nach politischen Zweckmäßigkeitserwägungen abgeben muß, das unangemessene Gewicht eines feierlichen Gesetzes gegeben".
Ärger kann man sich nicht widersprechen. Der eine sagt: für das, was heute hier geschehen soll und worüber wir hier verhandeln, ist ein Gesetz viel zu feierlich. Und der andere sagt, meine Damen und Herren: in dieser ernsten Stunde hätten wir fast den Frieden, wenn nicht juristisch-technische Hemmnisse entgegenstünden.
— Ich weiß nicht, was Sie mir zurufen; aber ich kann Ihnen eines zurufen: selbst wenn man dieses von Widersprüchen und Unklarheiten strotzende Gutachten des Herrn Bundesjustizministers zugrunde legt, darf man den Satz zitieren: „Er”, nämlich der Beitritt zum Ruhrstatut, „stellt zwar eine in den auswärtigen Beziehungen Deutschlands abzugebende rechtsgeschäftliche, Erklärung dar”.
Es wäre gut gewesen, wenn sich die Bundesregierung nicht immer auf Artikel 59 Absatz 2 versteift hätte; sie hätte dann nämlich in Artikel 59 Absatz 1 gesehen, daß der Bundespräsident den Bund völkerrechtlich vertritt. Wenn es sich also um die Abgabe einer rechtsgeschäftlichen Erklärung in den auswärtigen Beziehungen Deutschlands handelt, dürfte die Bundesregierung unzuständig und der Herr Bundespräsident das zuständige Organ sein. Und wenn es sich um ein Abkommen handeln würde, in dem man sich zur Abgabe der Erklärung verpflichtet — und in diesem Abkommen stehen ja den Leistungen Gegenleistungen gegenüber —, würde es selbstverständlich der Zustimmung des Parlaments bedürfen.
Meine Damen und Herren, wenn die Hohen Kommissare Partner akzeptieren, die in solcher Weise mit dem Grundgesetz umgehen, dann erhebt sich die Frage: wie ist das zu vereinbaren mit dem Anspruch, daß die Intervention einer Demokratisierung Deutschlands dienen soll?
Man wird um so bedenklicher, wenn man in der New York Times vom 17. November liest, daß Mister Sulzberger, der gegenwärtig Europa bereist, ausführt: die Westmächte täten gut daran, der Regierung Adenauer so viele Konzessionen wie notwendig zu machen, damit sie von der Opposition nicht gestürzt werde.
Ich fürchte: die Westalliierten kommen, statt eine europäische Politik zu treiben, dadurch in eine Interessenpolitik hinein, die die Tendenz hat, auch ein autoritäres Regime Adenauer eher zu stützen, als es durch ein demokratisches Regime ablösen zu lassen.
— Ich glaube, daß die Stunde nicht dazu angetan
ist, soviel Heiterkeit zu zeigen!
Ich glaube, daß Ihnen auch nicht so heiter zu Mute ist. Und daß meine Warnungen nicht so ganz unberechtigt sind, mögen Sie daraus ersehen, daß der Herr Vizekanzler die eindeutige Neigung dokumentiert hat, selbst den ERP-Gesetzentwurf durch Verwaltungsakt statt durch das Parlament in Kraft setzen zu lassen, obwohl die Ratifikation in Artikel 15 ausdrücklich vorgeschrieben ist.
Man muß fast befürchten, daß der Herr Bundeskanzler eine Art Winkelried sein will, weil er nämlich selber nicht ganz glaubt, daß sich die deutsche parlamentarische Demokratie sein Vor- haben zu eigen machen könnte. Ja, meine Damen und Herren, es handelt sich hier um eine autoritäre Entscheidung über die Lebensfragen von Millionen
und um die freiwillige Anerkennung eines Akts, der die restliche Großsubstanz der deutschen Wirtschaft einer entscheidenden Einwirkung durch das deutsche Staatsvolk entzieht.
Und es handelt sich darum, daß die territoriale Unversehrtheit Deutschlands mit der an Gewißheit grenzenden Wahrscheinlichkeit einer wesentlichen Einbuße aufs Spiel gesetzt wird.
Was heute hier zur Debatte und zur Abstimmung steht, ist nichts anderes als die Probe dessen, ob das Grundgesetz ein Fetzen Papier ist und ob die Mehrheit ihr Bestreben fortsetzen kann, sich so, wie es schon mehrfach in diesem Hohen Hause geschehen ist, darüber hinwegzusetzen oder ob hier das Grundgesetz geachtet wird.
Wir glaubten, auf dem Wege zu einer parlamentarische Demokratie zu sein, und sehen uns auf dem Wege zu einer Monarchie ohne Konstitution.
— Meine Damen und Herren, ich fürchte, das Lachen wird Ihnen noch vergehen.
Sie dürfen überzeugt sein, daß wir auf dieses Dunkel immer den hellsten Scheinwerfer richten werden, und Sie können überzeugt sein, daß wir dessen eingedenk sind, daß der Herr Bundeskanzler das Grundgesetz, als er hier sein Amt antrat, beschworen hat, und bei Gott, Herr Bundeskanzler, wir werden Sie an diesen Eid zu erinnern wissen!
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Meine Damen und Herren! Ich nehme das Wort des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt auf. Ich nehme für mich in Anspruch, daß ich nicht nur heute, nicht nur in dem Amt, das ich jetzt ausfülle, sondern jederzeit mich dem Recht, dem Gesetz und der Verfassung zutiefst verpflichtet habe.
Meine bayerischen Freunde wissen es, wie ;ich das getan habe.
— Das ist kein Grund zum Lachen. Ich habe den Herrn Ministerpräsidenten Dr. Ehard ähnlich wie heute Herr Dr. Arndt an den Eid erinnert, nicht böswillig, sondern auch in einer Situation, in der es darum ging, das Fundament für unsere gemeinsame politische Arbeit zu finden, und ich verarge es dem Herrn Kollegen Arndt in keiner Weise, wenn er in ernstester Art die verfassungsrechtliche Problematik der heutigen Lage aufzeichnet. Die Dinge liegen nicht einfach,
und ich bin ihm dankbar, wenn er darum kämpft, wenn er mit lauteren Mitteln kämpft.
Er operiert mit einem Gutachten von mir. Ich weiß nicht, was für eine Bewandtnis es damit hat. Ich habe dem Herrn Bundeskanzler, ich will einmal sagen, die Probleme dargestellt, wie ich sie sehe, nicht als ein Gutachten, nicht als etwas Endgültiges und Festes,
sondern als den Versuch, zur Klarheit zu kommen. Ich weiß nicht, woher der Herr Abgeordnete Arndt dieses Gutachten in der Hand hat.
Hier werden fortgesetzt Dinge gestohlen, was einen mit ernster Sorge erfüllt.
Es ist ja nicht der erste Fall,
daß Dinge, die nicht für andere bestimmt sind,
plötzlich in der Hand der anderen sich befinden.
Ich weiß es nicht, woher der Herr Kollege Arndt
jetzt schon die französische und die englische Übersetzung des Abkommens vom 22. November in der Hand hat.
Das sind merkwürdige Zusammenhänge.
Ich sage, wir sind bereit, ernstlich diese Frage zu klären und ihr mitnichten irgendwie auszuweichen. Aber wir verwahren uns — und ich glaube,
ich habe auch das Recht, den Herrn Bundeskanzler N dagegen zu verwahren —, wenn der Herr Kollege Arndt uns vorwirft, wir würden mit advokatorischen Mitteln arbeiten und es gehe uns um einen autoritären Handstreich und was dergleichen Dinge sind. Nein, es geht uns um den ernsten Willen, die Dinge richtig, entsprechend dem Grundgesetz, entsprechend der Verfassung zu behandeln.
— Ich glaube, Herr Kollege Wuermeling hat recht; das ist doch das Bittere an dieser Diskussion, die sich entfaltet. Ich sage: die Bedeutung des Rechts ist uns bewußt. Hat der Herr Kollege Arndt wirklich die Tragik dieses Augenblicks erfaßt? Hat er ein Gefühl für den politischen Sinn, hat er ein Empfinden für das, was auf dem Spiele steht?
Denkt der Sozialdemokrat Arndt wirklich an den Arbeiter, um dessen Arbeitsstätte es geht?
Oder denkt er zunächst nur daran, wie man das Recht benutzen kann, um der Regierung politische Schwierigkeiten zu machen?
Nun habe ich das Gefühl, die Angriffe des Herrn Arndt gehen in das Leere. Er sagt: autoritärer Handstreich, die Regierung will das Parlament ausschalten! Sie will Dinge, die unter die Zuständigkeit des Parlaments fallen, diesem vorenthalten. Ich glaube, er hat die vom Herrn Bundeskanzler vorgelesene Niederschrift der Abmachungen zwischen ihm und den alliierten Hohen Kommissaren nicht gehört. Auch die Interpretation des französischen Außenministers kann an dem Text dieses Abkommens nichts ändern. Es wird behauptet, mit diesem Abkommen sei schon der Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu dem Ruhrabkommen erklärt. Wie heißt es in Ziffer 2 des Abkommens?
In der Überzeugung, daß die möglichst enge Mitarbeit Deutschlands zum Wiederaufbau der westeuropäischen Wirtschaft wünschenswert ist, erklärt die Bundesregierung ihre Absicht, der internationalen Ruhrbehörde, in der sie derzeit nur durch einen Beobachter vertreten ist, als Mitglied beizutreten.
Die Erklärung einer „Absicht" zwischen Beteiligten, die für den Beitritt selbst nicht zuständig sind; denn gegenüber den Hohen Kommissaren kann diese Beitrittserklärung nicht abgegeben werden.
— Es ist die Feststellung einer Absicht, Herr Kollege Greve; wo ist von einer Verpflichtung die Rede? Eine Absicht ist zum Ausdruck gekommen. Selbst wenn es richtig wäre, was der Herr Kollege Arndt sagt, daß eine Ratifizierung im Wege der Gesetzgebung durch Bundestag und wohl auch Bundesrat erfolgen müßte, dann wäre das eine cura posterior. Dann müßte das durch einen Gesetzgebungsakt vollzogen werden. Aber der Herr Abgeordnete Dr. Arndt irrt sich grundsätzlich, wenn er sagt, daß dieses Abkommen, in dem lediglich eine Absicht festgelegt werde, schon der Form des Artikel 59 Absatz 2 des Grundgesetzes, also des Vollzuges durch ein Gesetz, bedürfe.
Nicht anders ist es bei der Frage des Beitritts zum Europarat, wobei ich durchaus die Frage of-
fenlasse, ob dort nicht das Verfahren nach Artikel 59 erfolgen muß.
- Ich gestehe nichts zu; über die Dinge wollen wir sprechen.
Wie liegt denn in Wirklichkeit das Problem? Wir wollen einmal die Frage erörtern — wir wollen nicht ausweichen —: Wie ist dieser Beitritt zum Ruhrstatut rechtlich zu qualifizieren? Ist zu diesem Schritt ein gesetzgeberischer Akt erforderlich, oder — das ist die Alternative — handelt es sich lediglich um eine Erklärung der Regierung? Ich bin aus verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichen Gründen der Meinung, daß es der Form des Gesetzes nicht bedarf. Ich möchte meinen, wenn man unbefangen und ohne die Tendenz der angeblich konstruktiven Opposition, grundsätzlich Schwierigkeiten für die Regierung zu machen,
an die Frage herantritt, dann kommt man nicht zu dem Ergebnis des Herrn Kollegen Arndt.
Was hatten wir im Parlamentarischen Rat vor Augen, als wir diesen Artikel 59. formulierten?
— Nein, was der Artikel 59 erstrebte, war etwas ganz anderes. Es war das Ziel unserer Politik; es war die Vorstellung, daß Deutschland eines Tages den anderen wieder als freier, gleichgeordneter Partner gegenübertritt. Dafür — das ist meine Überzeugung gewesen und ist es auch heute noch — ist dann die feierliche Form des Gesetzes notwendig. Bedarf wirklich eine solche Erklärung, wie sie in Artikel 31 des Ruhrstatuts vorgesehen ist, in welcher eine deutsche Regierung
— wir wollen das doch nicht vergessen —, die sich unter den Beschränkungen des Besatzungsrechts bewegt und bewegen muß, nichts anderes sieht als eine behelfsmäßige Möglichkeit, die eben das uns aufgezwungene Besatzungsrecht läßt, — bedarf eine solche Erklärung der Form des Gesetzes? Meine Meinung ist, daß die Maßnahme, um die es sich jetzt handelt, in keiner Weise in den Rahmen des Artikel 59 Absatz 2 paßt. Ich bin der Meinung, daß eine Reihe von rechtlichen Gründen dieses Ergebnis durchaus unterstützt. Dazu ist es notwendig, die Dinge nüchtern rechtlich zu werten.
Die. erste Frage, die ich aufwerfe, lautet: Fällt das, was geschehen soll, was noch nicht geschehen ist, der Beitritt zum Ruhrstatut, in das eigentliche Völkerrecht,
in das Völkerrecht in der Überlieferung, wie wir es verstehen und wie es nach meiner Überzeugung der Artikel 59 im Auge hat?
Völkerrecht ist das Recht, das durch die Übereinstimmung koordinierter, souveräner Staaten geschaffen ist. In unserem Fall handelt es sich nicht um Völkerrecht, sondern — das ist eine bittere Feststellung, aber so ist es — um das Besatzungsrecht,
ein Recht, erwachsen aus der einseitigen Tatsache
der noch bestehenden Besetzung. Die Besetzung
ist eine völkerrechtliche Tatsache, aber sie stellt e doch nicht selber Völkerrecht dar.
Das ist das typische droit interméditaire, ein System einseitiger Regelung. Das ist doch das Entscheidende. Völkerrecht, das wir anerkennen, muß unsere Zustimmung haben.
— Nein, die gebe ich nicht.
Ich sage: jedenfalls ist dieses Besatzungsrecht kein Völkerrecht im Sinne der Bestimmung des Artikel 59 des Grundgesetzes.
Der erste Einwand ist: es ist kein Völkerrecht. Der zweite Einwand ist: bei dem Beitritt zum Ruhrstatut handelt es sich nicht um einen Staatsakt, sondern um einen ganz spezifischen Regierungsakt. So ist es auch im Ruhrstatut ausgesprochen. Der Artikel 31 spricht von der „deutschen Regierung". Es liegt mir vollkommen fern, Herr Abgeordneter Arndt, aus dem Besatzungsstatut Rechte für unseren Standpunkt herzuleiten. Ich weise den Vorwurf, die Bundesregierung würde ihre Zuflucht zum Besatzungsstatut suchen, nachdrücklich zurück.
Das ist keine würdige Art der politischen Auseinandersetzung.
Wir fragen lediglich, was rechtlich richtig ist. Ich diskutiere gern mit Ihnen, Herr Kollege Dr. Schmid. Aber haben Sie es wirklich nötig, uns durch den Herrn Kollegen Arndt in dieser sehr wenig vornehmen Art attackieren zu lassen?
Ich sage: in Artikel 31 ist von der „deutschen Regierung" die Rede, im Gegensatz zu Artikel 2 des Ruhrstatuts, in dem von „Deutschland" die Rede ist, das Mitglied des Ruhrausschusses ist. Man kann daraus Folgerungen ziehen. Ich tue es nicht zwingend. Aber es ist nach meiner Meinung immerhin ein Indiz dafür, worum es sich handelt. — Das sind nämlich wohlbekannte Begriffe, auf die es hier ankommt, die es nicht nur in unserer Rechtsvorstellung, sondern in der Rechtspraxis aller Völker gibt. Der Unterschied zwischen Staatsabkommen einerseits und Regierungsabkommen andererseits ist in der Praxis aller Staaten geläufig. Die Intergouvernementalabkommen sind solche, die nicht den Weg über das Parlament, über die gesetzgebenden Körperschaften gehen, sondern die von den Regierungen abgeschlossen werden. Typisch ist die Entwicklung dieser Exekutivabkommen gerade in Amerika, dessen Verfassung in dieser Hinsicht besonders strenge Regeln aufstellt und das trotzdem oder vielleicht auch aus der Notwendigkeit der leichteren Behandlung dieser Dinge zu dieser Form der Exekutivabkommen gekommen ist.
Ich bin der Meinung, daß den Verfassern des Ruhrstatuts dieser Unterschied vor Augen stand. Das Ruhrstatut ist derartig mangelhaft redigiert,
daß der Inhalt der Mangelhaftigkeit der Redaktion durchaus entspricht. Sie haben keinen Anlaß, sich besonders darauf zu stützen. Ich bin aber der Meinung, daß der Artikel 31 das Richtige trifft.
Die staatliche Verpflichtung ist nämlich schon in Artikel 2 des Abkommens ausgedrückt.
— Ich habe Ihnen eben dargelegt, daß das auf Grund des Besatzungsrechts eine bittere Tatsache ist.
— Das ist die Frage, Herr Abgeordneter Schmid. Ich gönne Ihnen den Genuß Ihrer Oppositionshaltung. Es wäre sehr schön, wenn ich vielleicht Ihre Situation teilen
und unbeschwert von Verantwortung einen Kampf beginnen könnte, einen Don-QuijoteKampf, Herr Kollege Schmid!
Die Regierung steht in einer harten Verantwortung vor dem deutschen Volk
und kann es sich nicht leisten, Abenteuer, auch nicht juristische Abenteuer zu beginnen.
Sie können über unsere Bindung durch das Besatzungsrecht, wenn Sie die Dinge nüchtern betrachten, nicht hinwegkommen. Damit bindet uns auch der Artikel 2 des Ruhrstatuts. Damit ist die Konsequenz, daß wir Mitglied des Ruhrausschusses sind, schon ausgesprochen, ohne unseren Willen, ohne daß wir darauf Einfluß haben.
Ganz anders der Artikel 31 des Ruhrstatuts. Es ist ein typisches Regierungsabkommen. Im Artikel 31 handelt es sich doch nur darum, daß die Regierung verwaltungsmäßig sich der schon entstandenen Pflichten annimmt. So ist die Sachlage.
Der Herr Abgeordnete Arndt hat sich über meine Argumentation, daß dieser Beitritt zum Ruhrstatut nach Artikel 31 keinen Vertrag dar- stelle, etwas mokiert. Ich glaube, daß dieses Argument nicht von der Hand gewiesen werden kann. Ein Vertrag ist ein zweiseitiger Akt. Es ist eine etwas nüchterne juristische Erwägung, meine Damen und Herren, die ich Ihnen zumuten muß, um die man aber nicht herumkommt. Ein Vertrag liegt nur vor, wenn ein zweiseitiger Akt gegeben ist, der seine Rechtswirkung durch die beiderseitige Willensübereinstimmung hervorruft. Er kann nur stattfinden zwischen Partnern, die auf dem gleichen Rechtsboden miteinander in Beziehung treten und nur, wenn er beide Partner in gleicher Weise bindet. Ich stelle mir vor, daß der Tag kommen wird, an dem die Unterhändler unseres Staates und anderer Staaten, sagen wir am Quai d'Orsay oder in Downing Street oder im Weißen Haus gleichberechtigt zusammenkommen und frei einen Vertrag schließen. Ich kann in der Szene am Petersberg, wo die Hohen Kommissare mit dem Herrn Bundeskanzler verhandeln, diese gleiche Ebene nicht sehen. Keine der Voraussetzungen, die einen Vertrag ausmachen, ist , im Falle des Beitritts zum Ruhrabkommen gegeben. Es liegt kein zweiseitiger Akt vor, sondern es ist eine einseitige Erklärung, die die deutsche Regierung abgibt. Sie macht damit — das scheint mir das Entscheidende zu sein — lediglich von einer Möglichkeit Gebrauch, die nicht vertraglich vereinbart, sondern die durch Besatzungsrecht einseitig geschaffen ist. Wo will man da von einem Vertrag sprechen?
Es scheint mir auch für Deutschland bedeutsam — auch hier halte ich meinen Standpunkt trotz der Ausführungen des Herrn Dr. Arndt aufrecht —: diese Erklärung, die die Regierung abzugeben haben wird, erzeugt durch sich selbst keinerlei neue Rechtswirkung. Man braucht nur die Texte genau zu lesen, um zu einem richtigen Ergebnis zu kommen.
Ich habe schon gesagt: die Verpflichtungen Deutschlands aus dem Ruhrstatut sind unabhängig von Deutschland bereits bindend begründet. Das Ruhrstatut bedarf keiner Anerkennung, keiner Unterzeichnung von deutscher Seite mehr.
— Ich kann nur sagen: Weil wir von einer Chance, die uns geboten ist, Gebrauch machen. Wenn Sie den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers etwas wohlwollender gelauscht hätten, hätten Sie erkannt, warum wir es tun wollen.
Das Ruhrstatut ist uns durch Artikel 2 auferlegt
worden. Ich habe — und daran ist
worden. Ich habe schon gesagt —und daran ist
nicht zu deuteln —: Wir sind Mitglieder. Das Besatzungsstatut hat überdies zusätzlich noch einmal auch in Artikel 2b diese Tatsache bestätigt. Man kann heroisch, Herr Abgeordneter Schmid, das Besatzungsstatut als nicht bestehend bezeichnen.
Die Regierung muß der Lage realpolitisch Rechnung tragen.
Ich sage: die Bundesregierung kann durch nichts, durch kein Handeln und durch kein Unterlassen an dieser Rechtslage etwas ändern. Die Erklärung, die sie nach Artikel 31 des Ruhrstatuts abgeben will, vermehrt in keiner Weise die rechtliche Verpflichtung Deutschlands.
Nun ist es ja aber auch so, daß durch diesen Beitritt nicht einmal zusätzliche Rechte Deutschlands entstehen, wenn man die Dinge genau prüft.
Das Recht, stimmberechtigte Mitglieder zu entsenden, ist nämlich nicht etwa die Folge
- hören Sie einmal zu, damit Sie es verstehen! — des Beitritts. Es ist, richtig gesagt, nicht die Vertragsfolge; denn dadurch, daß wir beitreten, er- halten wir keinen Anspruch darauf, daß wir stimmberechtigte Vertreter entsenden können. Um in den Genuß dieses Rechtes zu kommen, bedarf es vielmehr, wie Artikel 9c des Ruhrstatuts ausdrücklich sagt, wieder einer einseitigen Erklärung der Besatzungsmächte. Also die Folge unseres Beitritts ist nicht automatisch unser Stimmrecht, sondern dazu muß erst wieder eine einseitige Erklärung der Besatzungsmächte erfolgen.
Ich kann Ihnen, damit es Ihnen klar wird, nur sagen, daß alle Voraussetzungen für die Annahme, in diesem Akt liege ein Vertrag, unrichtig sind.
Es fehlt vollkommen an der rechtlichen Gleichordnung der Partner. Die Erklärung, die wir abgeben, ist nicht eine vertragliche Rechtsgestaltung unter gleicher Beteiligung von Partnern. Noch einmal gesagt: Deutschland nimmt nur eine Chance, eine Möglichkeit wahr, die bereits als einseitige Regelung, als Teil des Besatzungsrechtes, vorgesehen ist und die ganz unabhängig von unserem Beitritt ihre Wirksamkeit hat.
Ich bin der Meinung: keinesfalls hat dieser Beitritt die Wirkung einer gleichmäßig bindenden Regelung. Das könnte man an vielen Einzelheiten dartun.
Der Beitritt hat in keiner Weise Vertragscharakter. Er ist vielmehr ein ganz abweichendes Rechtsgebilde, ein Rechtsgebilde der einseitigen Wahrnehmung einer Rechtsmöglichkeit innerhalb einer einseitig durch Besatzungsrecht geschaffenen Regelung. Wir bleiben überall — diese Erkenntnis ist vor allem dem Kollegen Dr. Arndt bei seinen Ausführungen entgangen — im Rahmen des bestehenden, einseitig konstituierten Besatzungsrechts, und alles fügt sich in diesen Rahmen ein.
Man muß sich diesen eigentümlichen Rechtscharakter des Beitritts einmal klarmachen. Ich darf Ihnen eine Parallele aus einem andern Rechtsgebiet geben. Unser Beitritt ist nicht das, was ein zivilrechtlicher Vertrag, sagen wir, ein Kaufvertrag wäre. Es ist nicht so, daß wir eine Verkaufserklärung abgeben. Wenn man einen Parallelfall aus einem anderen Rechtsgebiet heranziehen will, so muß man sagen: wir stehen nicht dem Manne gleich, der eine Sache verkauft, sondern wir stünden dem Manne gleich, der einer Enteignung unterzogen wird und der nun von der Möglichkeit Gebrauch macht, die Höhe der Entschädigung durch Vereinbarung zu beeinflussen.
So ist die Situation, und aus dieser Vorstellung heraus erkennen Sie die Unmöglichkeit der Annahme, daß es sich hier um einen völkerrechtlichen Vertrag im Sinne des Artikel 59 Absatz 2 handele.
Ich weiß nicht, ob meine Erwägung so unrichtig ist, wie sie der Kollege Herr Dr. Arndt hingestellt hat, der gesagt hat, dieser Vorgang sei würdig, ihm diese solenne Form des Artikel 59 Absatz 2 des Grundgesetzes zukommen zu lassen. Ich bin der Meinung, daß das nicht in den Willen und auch gar nicht in die Systematik des Artikel 59 Absatz 2 hineinfällt. Es würde dadurch wirklich einer einfachen Erklärung, die die Bundesregierung im Rahmen des bestehenden Besatzungsrechts nach politischen Zweckmäßigkeitserwägungen abgeben muß, das sehr unangenehme Gewicht eines feierlichen Gesetzesvorganges gegeben werden. Meine Damen und Herren, ich sage noch einmal: Die Bundesregierung hat in keiner Weise die Absicht, dem Gesetzgebungsverfahren Dinge zu entziehen, die ihm verfassungsmäßig zugehören. Im Gegenteil, sie ist gewillt, Wortlaut und Geist des Grundgesetzes peinlichst genau zu beachten. Gerade aus diesem Grunde ist sie doch genötigt, Ihnen die Bedenken, die gegen die Anwendung des Artikel 59 Absatz 2 sprechen, darzulegen.
Ganz kurz ein Wort zu der Anwendung des Artikel 24 des Grundgesetzes, wonach der Bund gesetzliche Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen nur durch Gesetz übertragen kann! Ich bin der Meinung, daß auch hierüber ernstlich kein Wort zu verlieren ist. Übertragen kann man nur etwas, was der andere noch nicht hat. Ich brauche bloß einen Blick auf Artikel 2 des Ruhrstatuts zu werfen, um zu erkennen, daß die Signatarmächte schon jetzt alle im Ruhrstatut bezeichneten Rechte haben. Also wenn die deutsche Regierung den Weg des Artikel 24 einschlagen wollte, müßte sie die Rechtsverbindlichkeit des Ruhrstatuts und des Besatzungsstatuts überhaupt leugnen, müßte sie mit dem Kopf gegen die Wand rennen. So liegen die Dinge.
Ich glaube, daß das Verfahren, das die Bundesregierung einschlägt, das richtige ist. Es handelt sich nicht um eine statische Regelung, die durch Gesetz ein- für allemal festgelegt werden könnte und sollte. Das ist auch nicht bei dem Beitritt zum Ruhrstatut gewollt. Es handelt sich um den Teil eines dynamischen Prozesses einer in allseitigem Einverständnis fortschreitenden politischen Entwicklung.
Dieser Beitritt ist nicht Grundstein eines Gebäudes, sondern er ist Meilenstein eines Weges, an dessen Ende, so hoffen wir, eine Gestaltung der Dinge steht, in der Deutschland ein verantwortungsvoller gleichberechtigter Partner zum Wohl unseres Volkes und Europas ist.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Baade.
- Ich habe allerdings eben schon Herrn Dr. Baade das Wort gegeben!
— Dann bitte schön!
Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Durch jede Erklärung seitens eines Mitgliedes der Bundesregierung ist nach der Geschäftsordnung die Aussprache neu eröffnet.
— Ich habe nur ganz wenige Sätze zu sagen!
Ich möchte dem Herrn Bundesjustizminister in keiner Weise auf die persönliche Ebene folgen. Meinerseits habe ich hier auch keine Heiterkeit gezeigt, wie es große Teile des Hohen Hauses sonst getan haben, und im übrigen glaube ich, daß der Herr Bundeskanzler mit den Ausführungen des Herrn Bundesjustizministers unzufriedener ist als ich.
Ich möchte nur auf zweierlei hinweisen. Ich habe nicht gesagt, daß in diesem Abkommen, das auf dem Petersberg geschlossen worden ist, bereits der Beitritt zum Ruhrstatut vollzogen sei. Ich wiederhole es nochmals, um jedes Mißverständnis auszuschließen: ich habe die Worte, daß die Bundesregierung die Absicht habe, dem Ruhrstatut beizutreten, dahin ausgelegt, daß das nichts anderes ist als die diplomatische Umschreibung dafür, daß sie die Verpflichtung übernimmt.
Ich wäre dem Herrn Bundeskanzler dankbar, wenn er uns sagen könnte, ob er sich die Ausführungen des Herrn Bundesjustizministers zu eigen macht und ob alle übrigen Folgen des Abkommens auch dann eintreten, wenn die Bundesregierung die Absicht des Beitritts nicht verwirklicht.
Das ist doch die Frage, um die es sich handelt!
Zweitens. Ich habe auch in keinem Teile meiner Ausführungen den Beitritt als einen Vertrag bezeichnet. Ich habe vielmehr darauf hingewiesen, daß die Verpflichtung zum Beitritt Teil eines Ab-
kommens ist, das man nur als Gesamtheit und Ganzheit betrachten kann und das ein Abkommen auf der völkerrechtlich-internationalen Ebene ist. Ich wäre dem Herrn Bundeskanzler dankbar, wenn er uns darüber Aufschluß geben würde, ob er die Auffassung des Herrn Bundesjustizminister teilt, daß die Verhandlungen auf dem Petersberg kein Abkommen gewesen sind und nicht auf dem Fuße der Gleichberechtigung stattfanden. Aber der französische Text, Herr Bundesjustizminister Dehler, den ich zu besitzen das Glück habe, nennt dieses Abkommen „Accord conclu". Ich glaube, die Übersetzung ist ganz einfach.
Wenn gesagt worden ist, die Regierung stehe in harter Verantwortung, und wenn immer so getan wird, als ob man hier auf den Vertretern der Opposition herumtreten
und ihnen den guten Glauben absprechen dürfe,
so frage ich Sie: Wenn die Regierung diese Verantwortung als so hart empfindet, warum holt
sie sich denn dann nicht die Zustimmung des
Der Herr Bundesjustizminister ist auch mit keinem Wort darauf eingegangen, daß ich darzulegen versucht habe, es trete in der politischen und in der rechtlichen Substanz eine Veränderung ein, wenn ich eine mir einseitig oktroyierte Pflicht freiwillig übernehme. Das ist das Entscheidende, und darüber habe ich nichts gehört. Aber ich verweise nochmals auf das Gutachten, in dem es heißt, daß der Beitritt selbst sogar eine in den auswärtigen Beziehungen Deutschlands abzugebende rechtsgeschäftliche Erklärung darstellt. Ich habe auch da jede Äußerung darüber vermißt, wie man die Abgabe einer rechtsgeschäftlichen Erklärung in auswärtigen Angelegenheiten aus der alleinigen Kompetenz des Herrn Bundespräsidenten fortnehmen kann.
Der Herr Bundesminister der Justiz hat sich gewundert, daß ich dieses Gutachten besitze, auf das er auch insoweit eingegangen ist. Ich bin der Meinung, daß die Bundesregierung in solchen Fragen und in solcher Stunde die Verpflichtung hätte, uns ein Rechtsgutachten des Herrn Bundesjustizministers vor der Sitzung gedruckt vorzulegen,
damit alle Mitglieder dieses Hohen Hauses wissen, wie man in der Regierung die Rechtslage beurteilt und von welchen Argumentationen sie ausgegangen ist. Das würde ich für einen demokratischen Weg halten, und nicht den, daß solche Gutachten in der Dunkelkammer bleiben.
Da der Herr Bundesjustizminister aber gezweifelt hat — er sagt, er kenne gar kein Gutachten —, will ich ihm sagen: es ist überschrieben „Gutachten über die Frage, ob der Beitritt zum Ruhrstatut der in Artikel 59 des Grundgesetzes vorgesehenen Gesetzesform bedarf", und ist unterzeichnet „Dr. Dehler, 21. November".
— Wenn der Herr Bundesjustizminister sein Gutachten nicht kennt, bin ich gern bereit, es ihm zur Verfügung zu stellen.
Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine grundsätzliche Bemerkung zur Geschäftsordnung. Herr Abgeordneter Dr. Arndt hat gesagt: Wenn ein Mitglied der Regierung das Wort ergreift, wird die Aussprache wieder eröffnet. Es ist dabei übersehen worden, daß es in dem einschlägigen § 97 der Geschäftsordnung ausdrücklich heißt: „Ergreift nach Schluß der Besprechung ein Mitglied der Bundesregierung das Wort". Wir sind mitten in der Aussprache; darüber kann wohl kein Zweifel bestehen. Insofern ist die Aussprache nicht neu eröffnet. Ich darf daher der Erwartung Ausdruck geben, Herr Abgeordneter Dr. Baade, daß Sie unter Berücksichtigung dieser irrtümlichen Auslegung der Geschäftsordnung sich an die vorhin getroffene Vereinbarung über die Redezeit halten werden.
— Ich stelle ausdrücklich fest: es sind sieben Minuten gewesen.
— Das hat damit nichts zu tun.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Baade.
Meine Damen und Herren! Ich hatte eigentlich die Absicht, heute vor Ihnen nur über den Teil des Abkommens vom Petersberg zu sprechen, auf den das ganze deutsche Volk mit fiebernder Ungeduld gewartet hat, über das Ergebnis der Demontageverhandlungen. Aber der Verlauf der Debatte in der letzten halben Stunde zwingt mich doch, hier einiges Allgemeinpolitisches zu sagen.
An diesem Kampf gegen die Demontagen hat eine Unzahl von idealistischen Freunden des deutschen Volkes in der ganzen Welt teilgenommen. Wer sich an diesem Kampf beteiligt hat, hat sich auf den Augenblick gefreut, in dem ein Enderfolg in diesem Kampf verkündet werden könnte. Das, was wir nun heute gehört haben, bereitet uns nur eine sehr gedämpfte Freude. Es bereitet uns eine gedämpfte Freude bezüglich des sachlichen Ergebnisses, und darüber werde ich in meinen Ausführungen leider nur allzu viel zu sagen haben. Es bereitet uns aber darüber hinaus einen ausgesprochen patriotischen Schmerz, daß diese bescheidenen Erfolge auf dem Gebiet der Demontage erkauft worden sind mit einem bedingungslosen Eintritt in die Ruhrbehörde, mit einem Geschäft, das meiner festen Überzeugung nach zur Erreichung dieses Erfolges niemals nötig gewesen wäre, mit einem Geschäft, dessen Folgen für das deutsche Volk in den kommenden Jahren höchstwahrscheinlich sehr schmerzlich sein werden.
Aber ich muß Ihnen ehrlich gestehen, daß meine Trauer über diesen Tatbestand noch weit überschattet wird durch meine Trauer über den anderen Tatbestand, daß soeben der Bundesjustizminister der Deutschen Republik fast eine halbe Stunde seiner Zeit geopfert hat, um uns klarzumachen, aus welchen Gründen des Besatzungsrechts es für diese Regierung nicht notwendig gewesen sei, sich zu diesem unglücklichen Geschäft die Zustimmung der deutschen Volksvertretung zu holen.
Denn, meine Damen und Herren, dieser Kampf
gegen die Demontagen ist eines der großen histori-
sehen Ereignisse der Periode, in der wir leben. Als vor 25 Monaten, am 16. Oktober 1947, die Demontageliste veröffentlicht wurde, derzufolge mehr als 900 Betriebe in Deutschland abgewrackt werden sollten, 900 Betriebe, von denen nur eine kleine Minderheit auch nur dem Namen nach Rüstungsbetriebe waren, während die große Mehrheit Betriebe der Friedensindustrie waren, ging ein Aufschrei des Entsetzens durch das ganze deutsche Volk und weit über das deutsche Volk hinaus. Was uns jetzt nach 25 Monaten des internationalen Kampfes gegen die Demontagen, eines Kampfes, der nicht nur in Deutschland geführt worden ist, eines Kampfes, dessen entscheidende Phasen sich in den Parlamenten der Siegermächte abgespielt haben, vorgelegt wird, ist ein Ergebnis, das man nach einer Äußerung des „Industriekurier" von gestern nur mit den Empfindungen einer gedämpften Enttäuschung entgegennehmen kann.
Eins ist absolut klar: Dieses Ergebnis der Demontageverhandlungen auf dem Petersberg kann und darf niemals das Endergebnis dieses Kampfes sein,
der nicht ein Kampf gegen die Demontagen allein
ist, sondern der ein Kampf des deutschen Volkes
um sein primitivstes Lebensrecht ist, nämlich um
das Recht, sich mit ehrlicher, friedlicher Arbeit
seinen Lebensunterhalt zu verdienen und dadurch
von endlosen Liebesgaben unabhängig zu werden.
Mit diesem Ergebnis ist nur ein Teilerfolg dieses
Kampfes erzielt, es ist keinesfalls das Endergebnis.
— Ja, das will ich Ihnen sagen, Herr Kollege Brookmann, und ich muß es leider sehr deutlich sagen. Ich muß manches Negative über dieses Ergebnis sagen. Aber ich glaube, wir sind es der historischen Stunde doch schuldig, das, was jetzt nach 25 Monaten des Kampfes mit so viel Hilfe auch von außen erreicht worden ist, nicht nur negativ zu sehen, sondern auch das Positive der Tatsache zu würdigen. Eine Reihe von führenden Betrieben der Stahlindustrie ist von der Demontageliste abgesetzt worden. Betriebe, um die wir monatelang mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln gekämpft haben, sollen jetzt von der Demontage ausgenommen werden, und Deutschland soll das Recht der Veredlung der Kohle — eine Veredlung, die von deutschen Erfindern ausgedacht worden ist — nicht mehr als einzigem Volk auf der Erde vorenthalten werden, sondern wir sollen endlich das Recht dazu bekommen.
Wir würden dieser historischen Stunde auch nicht gerecht werden, wenn wir in diesem Augenblick nicht in erster Linie mit herzlichem Danke aller derer gedenken würden, die uns in diesem Kampf geholfen haben.
Dieser Kampf gegen die Demontagen ist nicht nur in Deutschland geführt worden, er ist insbesondere in England und in Amerika geführt worden.
— Jawohl, meine Herren, ich werde Ihnen zeigen, wie er in England geführt worden ist, und ich fürchte, ich verstehe einiges davon. Er ist auch in England geführt worden, und ohne die Erfolge in der englischen Innenpolitik wäre es niemals möglich gewesen, daß Herr Robertson den Auftrag K seiner Regierung bekommen hätte, irgendeiner Abänderung, der Demontageliste zuzustimmen. Er ist in Amerika in erster Linie geführt worden.
— Es ist beides richtig, meine Damen und Herren.
— Da ich den Vorzug gehabt habe, mit Politikern beider Länder in diesem Kampf einigermaßen zusammenzuarbeiten, weiß ich, wer in diesem Kampf unser Freund und wer unser Feind gewesen ist. Es wäre eine historische Unwahrhaftigkeit, zu behaupten, daß wir in England in dieser Beziehung nur Feinde gehabt haben. Der Kampf ist in England, in Amerika und in Deutschland in seinen entscheidenden Etappen auf überparteilicher Grundlage geführt worden, mit einer politischen Front, die die normalen innenpolitischen Frontstellungen dieser Länder sprengte. Das gilt von England, das gilt in verstärktem Maße von Amerika, und ich wäre als Deutscher froh, wenn ich sagen könnte, daß es in gleichem Maße auch von Deutschland gilt.
Sie haben bezweifelt, daß in England gegen die Demontagen so gekämpft ist. Haben Sie niemals die Unterhausdebatten gelesen, in denen der Labour-Abgeordnete Stokes über die Demontagen die stärksten Dinge gesagt hat, die überhaupt gesagt werden können, in denen nämlich der Labour-Abgeordnete Stokes gesagt hat, daß vor Abschluß eines Friedensvertrages jede Demontage weiter nichts ist als Diebstahl.
— Nein, es ist kein weißer Rabe.
Ich möchte Ihnen noch die Äußerung eines Politikers aus den Siegerländern vorlesen, die am a stärksten zu meinem Herzen gesprochen hat. Diese Äußerung ist von einem englischen Politiker gekommen, von dem Juden Victor Gollancz.
Ich habe hier einen Brief von Victor Gollancz an den Abgeordneten John Hynd, der früher Oberkommissar der britischen Regierung in Deutschland gewesen ist. Victor Gollancz hat mir die Abschrift dieses Briefes geschickt. Erlauben Sie mir, Ihnen im Interesse der historischen Wahrheit einen Satz daraus vorzulesen; er sagt: ,,Jeden Tag werde ich mehr alarmiert über die psychologischen Wirkungen dessen, was in Deutschland geschieht. Ich will nur drei Punkte anführen, und in allen diesen drei Fällen gibt es nicht einen einzigen nüchtern denkenden britischen Sozialdemokraten, der, wenn er ein Deutscher wäre, nicht denselben Standpunkt eingenommen hätte, der von den besten Typen deutscher Sozialdemokraten wie Carlo Schmid und Kurt Schumacher eingenommen worden ist: erstens in der Frage der Sprengungen in Eckernförde, zweitens in der Frage der Demontagen in Bochum II und drittens in der Frage des Ruhrstatuts. Also daß es in diesem Kampf auch in der englischen Öffentlichkeit nicht nur Feinde unseres Standpunktes gegeben hat, sondern auch Freunde, denen wir gar nicht dankbar genug sein können, daran ist gar kein Zweifel.
- Es blieb nicht die Minderheit, Herr Kollege, und zwar in dem entscheidenden Punkte nicht.
Wir wissen genau, wie scharf wir gegen den außerordentlich hartnäckigen Herrn Bevin in diesem Kampfe anzukämpfen hatten. Aber in den
letzten Monate sind wir ein großes Stück weitergekommen. In den letzten entscheidenden politischen Debatten — ich habe einen sehr aufschlußreichen internen Bericht über den Verlauf der Debatten in Washington im September, der Debatten der drei Außenminister, die recht eigentlich den Grund zu diesen Entscheidungen heute hier gelegt haben — in diesen Debatten kam der Vorstoß zur Neueröffnung der Demontagediskussion von Dean Acheson, unter dem Eindruck eines Vorstoßes, den McCloy gemacht hatte. Bevin stimmte diesem Vorstoß zu und war bereit, die Demontagediskussion wieder aufzunehmen; aber es war Schuman, der Dean Acheson fragte, ob er die Absicht hätte, einen vor wenigen Monaten erst feierlich geschlossenen internationalen Vertrag zu brechen. Diese Änderung des Standpunktes von Bevin ist nicht vom Himmel gefallen, sie ist Mann für Mann erkämpft worden innerhalb der Labour Party in England. Ich bilde mir ein, daß eine gewisse Denkschrift, die die deutschen Sozialdemokraten an die Labour Party geschickt haben. einen nicht unwesentlichen Teil zu diesem Umschwung der öffentlichen Meinung innerhalb der Labour Party in England beigetragen hat. Wir sind in dieser Frage nicht allein in der Welt. Der Kampf gegen die Demontage ist nicht in den letzten 8 Tagen hier auf dem Petersberg entschieden worden. Was sich hier auf dem Petersberg ereignet hat, ist ein weiteres Glied in einem Kampfe, der schon seit 25 Monaten in der ganzen Welt systematisch von unseren Freunden geführt wird und den wir, davon sind wir überzeugt, noch lange weiterführen müssen. Es wäre gut, sich ohne innerpolitische Streitigkeiten einmütig darüber klar zu sein, wer in diesem Kampfe l unser Freund und wer unser Gegner ist. Ich glaube, mit der alten wilhelminischen Phrase „Viel Feind, viel Ehr" kann das deutsche Volk in diesem Falle wirklich nicht viel anfangen.
Der Kampf in den Vereinigten Staaten ist auf absolut überparteilicher Grundlage geführt worden. Ich glaube, es hat selten in der Geschichte der Vereinigten Staaten in der neueren Zeit eine Frage gegeben, in der Männer aus so verschiedenen politischen Lagern so sehr einer Meinung gewesen sind, wie in diesem Kampf gegen den Unsinn der Demontagen. Die Front unserer Freunde oder sagen wir besser die Front der Freunde der Vernunft geht sehr weit in die politische Rechte in Amerika. Sie wissen, daß ich das besondere Glück gehabt habe, daß der frühere Präsident Herbert Hoover zu einer Kampfschrift gegen die Demontagen, deren Mitverfasser ich bin, das Vorwort geschrieben hat. Wer die innenpolitischen Verhältnisse Amerikas kennt, der weiß, daß Hoover und seine näheren Freunde, wie Taft, Bridges als äußerste politische Rechte in Amerika empfunden werden, insbesondere auch von der Arbeiterschaft. Aber diese Unterstützung, die wir in Amerika von der politischen Rechten bekommen haben, wäre im Endeffekt ungenügend gewesen, wenn nicht eine ganz breite Front aus den Kreisen der organisierten Arbeiterschaft hinzugestoßen wäre. Die Motive der politischen Rechten in Amerika, die uns im Kampf gegen die Demontagen unterstützt hat und von der wir hoffen müssen und dürfen, daß sie uns auch weiter helfen wird, das Recht des deutschen Volkes auf friedliche Arbeit zu erkämpfen, sind verschieden gewesen. Nicht zuletzt ist dieser Kampf aus ganz nüchternem Eigeninteresse geführt worden. Ich glaube, die Worte, die Herbert Hoover im Vorwort zu der erwähnten
Kampfschrift geschrieben hat, sind vielleicht die typischste Wiedergabe dieses amerikanischen Standpunktes, indem er schrieb:
Zu einer Zeit, in der die Welt an dem Mangel an industrieller Produktion leidet und sogar zu Grunde zu gehen droht, verfolgen wir leider die Politik der Zerstörung der gigantischen Produktionsstätten in den Westzonen von Deutschland. Das bedeutet weniger lebenswichtige Waren für Europa, eine größere Verzögerung in der Wiederherstellung der Welt und eine größere Belastung der amerikanischen Steuerzahler.
Meine Damen und Herren, ich, habe dieses alte Wort von Herbert Hoover heute nicht von ungefähr wiederholt. Der Herr Bundeskanzler hat neulich in seiner Rede über das, was ihm zu Beginn der Verhandlungen auf dem Demontagegebiet schon in Aussicht gestellt worden war, einen Ausdruck gebraucht, der mir keineswegs der politischen Situation zu entsprechen scheint. Er hat nämlich von „Vorleistungen" der anderen Seite gesprochen. Meine Damen und Herren, im Kampf gegen Dummheit und Unsinn gibt es keine Vorleistungen. Was in Deutschland durch Demontagen und Industrierestriktionen geschieht, ist nicht nur zum Schaden für Deutschland, es ist mindestens ebenso sehr zum Schaden aller unserer europäischen Nachbarländer, und es ist zum Schaden der gesamten westlichen Welt. Wenn von diesem Unsinn etwas beseitigt wird, so ist das keine Vorleistung der anderen Seite, sondern es ist ein weiterer Beitrag zu dem leider nur allzu langsamen Prozeß des Kampfes gegen den gigantischen Unsinn des Morgenthauplanes. Wenn die Hohen Kommissare von diesem Unfug etwas abbauen, haben sie nichts „vorgeleistet", und gegen diese „Vorleistung" haben wir keine Gegenleistungen zu vollbringen, indem wir einem anderen Unfug — einem kälteren, aber nicht weniger gefährlichen wie dem Ruhrstatut — in irgendeiner Form zustimmen; sondern dann haben die Hohen Kommissare etwas getan, was mindestens ebensosehr im Interesse der gesamten westlichen Welt wie im Interesse des deutschen Volkes liegt.
Wenn man von Gegenleistungen spricht, so möchte ich auch sofort mit aller Entschiedenheit aussprechen: Gegenleistungen für eine Milderung dieses Unfugs durch die Zustimmung zu einem anderen Unfug, wie es das Ruhrstatut ist, helfen uns und der Welt nicht weiter. Was wir dagegen mit vollem Herzen anbieten, sind nicht solche Gegenleistungen, sondern es ist ein voller Beitrag Deutschlands zur Lösung des Sicherheitsproblems.
Ich erkläre hier mit allem Nachdruck und mit aller Feierlichkeit, das ist kein Opfer und keine Gegenleistung Deutschlands. Es gibt kein Volk in Europa, das an der Verhinderung der Wiederkehr irgendeines Krieges so auf Leben und Tod interessiert ist wie das deutsche Volk.
Wenn wir bereit sind, an einer wirklichen Lösung der Sicherheitsfrage mitzuarbeiten, so tun wir es nicht im Bewußtsein, damit ein Opfer zu bringen, sondern im Bewußtsein, daß wir damit auch gute deutsche Politik machen! Infolgedessen geht diese ganze Mentalität des Junktims und des Handels, bei dem die anderen ein Stück Demontage ablassen und wir ein Stück Ruhrstatut schlucken, an dem Kern des Problems vorbei. Was die anderen
A) leisten müssen — nämlich die Beseitigung des Unfugs —, tun sie mindestens ebensosehr im eigenen wie in unserem Interesse, und was wir leisten müssen — nämlich einen positiven Beitrag zur Sicherheit Europas —, tun auch wir mindestens ebenso in unserem eigenen Interesse. Diese Dinge müssen aus dieser leidigen Sphäre des Kuhhandels heraus. Deshalb ist es meine ganz besondere Trauer, daß diese Angelegenheit in diese Sphäre des Etwas-Ablassens von der einen Art von Unsinn und Etwas-mehr-Einhandelns von der anderen Art von Unsinn überhaupt hineingekommen ist.
Ich sagte Ihnen, der Kampf in Amerika ist die unentbehrliche Voraussetzung für die Teilerfolge, die jetzt auf dem Petersberg erzielt worden sind. Dieser Kampf in Amerika hätte niemals gewonnen werden können, und es wäre niemals in das Marshallplan-Grundgesetz der Artikel 115 f hineingekommen, der die Administratoren zur Nachprüfung der Demontage verpflichtet hat, wenn nicht neben der politischen Rechten die organisierte Arbeiterschaft in so breiter Front mit so starken Argumenten und in einer in den Vereinigten Staaten so starken innenpolitischen Schlüsselposition in diesen Kampf eingerückt wäre. Ich kann Ihnen in dieser kurzen Zeit nur sehr wenige Zitate von den Erklärungen mitteilen, die prominente amerikanische Gewerkschaftsführer in dieser Frage abgegeben haben. Aber ich muß Ihnen eine wenigstens vorlesen. Ich kann mir nicht helfen: wenn die Forderung, die von der American Federation of Labor bereits im Dezember 1947, wenige Monate nach der Veröffentlichung der Demontageliste, bei einem besonderen Besuch bei Präsident Truman aufgestellt worden ist, den Inhalt der heutigen europäischen Regelung bildete, dann wären wir im Jahre 1949 ein großes Stück weiter, als wir in der vorigen Woche auf dem Petersberg gekommen sind. In dieser Resolution sagt die American Federation of Labor:
Um die europäsiche Gesundung zu erreichen, ist es gebieterisch notwendig, im größten Umfange die Hilfsmittel und die produktiven Kapazitäten Europas einschließlich derer des deutschen Volkes zu nutzen. Das, was von Deutschlands industriellem Potential noch übriggeblieben ist, muß eingesetzt werden, um Europa wiederaufzubauen. Auf andere Art und Weise kann es keinen europäischen Wiederaufbau geben. Es müssen unmittelbare Schritte ergriffen werden, um alles, was in Deutschland noch von Kriegsbetrieben übriggeblieben ist, in Friedensbetriebe umzuwandeln.
Inzwischen ist von ehemaligen Kriegsbetrieben wohl nichts mehr übriggeblieben. Damals aber forderte die American Federation of Labor, daß sogar die damals noch übriggebliebenen Kriegsbetriebe zum Nutzen des deutschen Volkes und zum Nutzen von ganz Europa in Friedensbetriebe umgewandelt werden sollten. Den amerikanischen Arbeitern hat dabei auch eine Behörde vorgeschwebt. Diese sah aber wesentlich anders aus als die Ruhrbehörde mit 15 Stimmen, von denen nur 3 Stimmen — und nicht einmal als Signatarmacht — Deutschland gehören sollten. Die American Federation of Labor hat damals schon gefordert, daß die Umwandlung der deutschen Industrien in Friedensindustrien vorgenommen werden soll unter der Leitung eines Komitees von internationalen Sachverständigen, in
dem auch deutsche Arbeitervertreter und deutsche Industrielle sitzen sollen.
Wenn es mit der Ruhrbehörde einmal soweit wäre, daß deutsche Arbeitervertreter darin einen maßgebenden Einfluß hätten, und wenn darin außer deutschen Arbeitervertretern auch englische und amerikanische Arbeitervertreter säßen, dann könnten wir einem Eintritt Deutschlands in eine solche Behörde mit freudigem Herzen zustimmen.
Die amerikanischen Gewerkschaften haben sich auch gar nicht gescheut, den deutschen Arbeitern im Kampf gegen die Demontagen die Anwendung derjenigen Mittel zu empfehlen, die in der freiheitlichen Arbeiterbewegung der ganzen Welt immer selbstverständliche Mittel zur Verteidigung von Lebensinteressen gewesen sind, einschließlich des Streiks. Als die Kieler Arbeiter — ich glaube, es ist beinahe der einzige Fall für einen erfolgreichen, disziplinierten Streik — sich ihre Arbeitsstätten in den HOLMAG-Werken erhalten hatten, haben sie von dem größten Arbeiterverband der Welt, der American Federation of Labor, ein Glückwunschtelegramm bekommen, in dem es heißt:
Die HOLMAG-Arbeiter sind zu dem Erfolg zu beglückwünschen, den sie in der Verteidigung ihrer Arbeitsstätten gehabt haben. Freie Gewerkschaftler in der ganzen Welt werden in ihrem Kampf ein ermutigendes Beispiel für die Vitalität der wiedergeborenen deutschen Arbeiterbewegung sehen.
In diesem Geiste, meine Damen und Herren, ist die Vorbereitung dieses Kampfes geführt worden, von dem nur ein Kapitel, ein Zwischenspiel uns heute in dem Bericht des Herrn Bundeskanzlers geschildert worden ist. Ohne diesen überparteilichen Kampf in England und in Amerika, ohne diese kameradschaftliche Hilfe der organisierten Arbeiterschaft in den angelsächsischen Ländern wäre dieser Erfolg, auch dieser Teilerfolg, niemals denkbar gewesen.
Auf Grund dieses Erfolges ist dann zunächst in das Marshallplan-Grundgesetz der Artikel 115f hineingekommen, der den Administrator aufgefordert hat, die Demontageliste durchzuprüfen und alles das am Leben zu lassen, was — und das ist leider eine sehr aktuelle Feststellung — im Interesse des europäischen Wiederaufbaues besser in Deutschland erhalten bleibt. Meine Damen und Herren, es war vielleicht meine größte Erschütterung, als ich heute in der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers die Liste der geretteten Betriebe gesehen habe und feststellen mußte, daß nicht einmal alle die Betriebe von der Demontage gerettet worden sind, die der im Auftrag der amerikanischen Volksvertretung eingesetzte Humphrey-Ausschuß zur Rettung empfohlen hat,
zur Rettung empfohlen nicht als eine freundliche Handlung nur gegen das deutsche Volk, sondern auf Grund der einwandfreien Feststellungen von unabhängigen Sachverständigen, daß diese Betriebe im Interesse des Aufbaues Europas in Deutschland bleiben müssen.
— Er hat sie nicht gerettet, Herr Bucerius.
— Herr Bucerius, ich stelle zunächst einmal fest, daß das, was bei diesem Handel - Teildemontagestop gegen Eintritt in die Ruhrbehörde — herausgekommen ist, nicht einmal das ist, was der von der amerikanischen Volksvertretung eingesetzte Ausschuß ohne Gegenleistungen Deutschlands zur Rettung vorgeschlagen hat.
— Herr Dr. Bucerius, weswegen er das nicht gerettet hat, wissen wir beide. Wodurch wir die Diskussion wieder in Gang bekommen haben, darüber wissen Sie auch mehr, als Sie mit diesem Zwischenruf zeigen. Es ist ein bedauerlicher Rückschlag der amerikanischen Deutschlandpolitik in diesem Frühjahr zu verzeichnen gewesen. Kreise mit Morgenthau-Denken, die weit in das State Department hineinreichen, haben den amerikanischen Außenminister dazu verführt, dem Washington-Agreement von diesem Frühjahr zuzustimmen und damit die größten Betriebe der deutschen Stahlindustrie und die wichtigsten Betriebe der deutschen synthetischen Industrie zur Demontage zu verurteilen, obwohl der vom amerikanischen Parlament bzw. vom Administrator Hoffman im Auftrag des amerikanischen Parlaments eingesetzte Humphrey-Ausschuß die Rettung dieser Betriebe empfohlen hat.
— Nein, Herr Dr. Bucerius, diesen Rückschlag haben nicht wir jetzt überwunden. Herr Dr. Bucerius, hier sitzt ein Herr von Ihrer Partei, der in derselben Zeit wie ich in Washington war, in der Zeit, als das Washington-Agreement gerade abgeschlossen war. In dieser Zeit wollte kein amerikanischer Politiker und kein amerikanischer Journalist auch nur einen einzigen Satz über Demontage von uns hören. Damals wurde die ganze Welt mit dem Schlagwort gefüttert: Wir haben ja von den 168 Betrieben, die die Humphrey-Kommission zur Rettung empfohlen hat, 159 gerettet; nun hören Sie doch auf, immer über diese fehlenden 9 Betriebe zu reden! Daß diese 9 Betriebe gerade die Hauptsache waren, wurde nicht gesagt.
— Nein, Ihr Fraktionskollege Dr. Henle weiß es besser als Sie. Er weiß, daß die Diskussion nur durch die intensive Mobilisierung sämtlicher Wirtschaftskreise in Amerika wieder in Gang gekommen ist.
Ohne die Vorstöße der amerikanischen Gewerkschaften und ohne die Vorstöße einer Gruppe von Senatoren im amerikanischen Repräsentantenhaus, einer Gruppe, die genau die gleiche überparteiliche Zusammensetzung hatte, wie ich sie geschildert habe, von der äußersten Rechten bis zur Linken, von Senator Taft an bis zu den New-DealSenatoren, hätte niemals das sensationellste Ereignis in der Demontagedebatte eintreten können. Und für das sensationellste Ereignis halte ich immer noch die Tatsache, daß ein nüchterner amerikanischer Geschäftsmann und Bankier, der heute auch Hoher Kommissar für Amerika in Deutschland ist, den Mut gehabt hat, sich von allen Methoden der Geheimdiplomatie und der Überängstlichkeit freizumachen
und in dem Augenblick, als das Abkommen, das diesen Unsinn enthielt, formell noch zwischen seiner Regierung und der französischen und der englischen Regierung in Kraft war, die Flucht in die Weltöffentlichkeit anzutreten.
— Entschuldigen Sie, Herr Dr. Bucerius: McCloy hat am 8. Oktober kein Abkommen mit uns geschlossen, sondern er hat am 8. Oktober ein Beispiel von Zivilcourage gegeben, wie man es den Staatsmännern der ganzen Welt nur empfehlen könnte.
Er hat die Demontagen als das bezeichnet, was sie sind, nämlich als einen Unsinn. Er hat über die Demontage die Wahrheit gesagt, daß sie die Arbeitslosigkeit in Deutschland vergrößert, und er hat die Wahrheit gesagt, daß sie die Belastungen der Besatzungsmächte unerträglich verlängern. Aber glauben Sie, daß Herr McCloy ein Außen-
seiter ist? Glauben Sie, daß McCloy diesen Vorstoß in die Weltöffentlichkeit hätte machen können ohne
jene breite innenpolitische Vorbereitung in Amerika, ohne die Tatsache, daß 46 Senatoren soeben
einen neuen Aufruf gegen die Demontage unterschrieben hatten? Das glauben Sie selber nicht,
Herr Dr. Bucerius.
Der Vorstoß von McCloy ist das Ergebnis der demokratischen Debatte über die Demontagen in den Vereinigten Staaten und der breiten überparteilichen Front, die in Amerika aufgerichtet worden ist, mit der von deutscher Seite auch Männer von außerordentlich verschiedenen innenpolitischen Standpunkten sehr kameradschaftlich zusammengearbeitet haben.
— Leider kann ich in diesem Zusammenhang dem deutschen Bundeskanzler nicht danken.
— Es ist nicht nur seltsam,
sondern der Zwischenruf, der eben kam, trifft genau den Kern der Sache: Es ist schade und bedauerlich. Ich bekenne Ihnen ganz offen, daß mein
größter Schmerz in dieser Angelegenheit dadurch verursacht worden ist, daß dieser Kampf, der in drei Ländern ohne Unterschied der politischen Meinungen geführt wurde
und der erfolgreich geführt wurde, soweit er überparteilich war, in Deutschland und von der Bundesregierung in den letzten beiden Wochen nicht mehr in diesem Geiste weitergeführt worden ist.
Es tut mir leid, daß ich es sagen muß: aber es ist meine Überzeugung in dieser Sache. Ich glaube, ich kenne einiges von den Hintergründen der Dinge, über die ich hier spreche. Nach meiner Überzeugung liegt das unbefriedigende Ergebnis dieses Kompromisses zum großen Teil darin, daß die Bundesregierung bei dem ganzen Kampf und bei den Verhandlungen der letzten Zeit zu erkennen gegeben hat, daß sie sie als Verhandlungen der Regierung führen wollte und daß sie hier nicht gedachte, im Namen des ganzen Volkes oder einer
Ù breiten politischen Front zu sprechen. Das ist eine sehr bedauerliche Schwächung unserer politischen Situation.
Ich glaube, daß die allzu früh ausgesprochene Bereitwilligkeit, in die Ruhrbehörde einzutreten, mehr als alles andere den deutschen Standpunkt geschwächt hat.
Den maßgebenden Politikern auf der anderen Seite einschließlich der Hohen Kommissare ist es längst klar, daß die Ruhrbehörde ein totgeborenes Kind ist, daß die Ruhrbehörde ohne den Eintritt Deutschlands bedeutungslos ist. Das, was von denen, die es wirklich gut mit Europa meinen, von uns verlangt wird, ist nicht die Mitarbeit an einem Institut, das jedenfalls bisher immer nur als ein Institut zur kalten Demontage in Deutschland, zur Drosselung der deutschen Industrie gedacht gewesen ist, sondern das ist — als unser positiver Beitrag — eine freiwillige und freudige Mitarbeit an den Instrumenten der Sicherheit. Die Ruhrbehörde hat mit Sicherheit überhaupt nichts zu tun. Was die Ruhrbehörde und was das Londoner Abkommen in Wirklichkeit ist, hat der Bundeskanzler selber in einer Rede im Landtag von Nordrhein-Westfalen in einer Weise gekennzeichnet, wie ich es nicht besser tun könnte. Er hat davon gesprochen, daß man heute nicht mehr gern politische Annexionen macht, daß aber wirtschaftliche Annexionen unendlich viel schlimmer sind. Und er sagte zum Londoner Abkommen:
Hier in diesem Ruhrabkommen ist der erste eklatante Fall, daß man zwar nicht politisch annektiert, daß man aber etwas viel Schlimmeres tut, daß man ein großes arbeitsames
Volk wirtschaftlich annektiert.
Und er fährt fort:
Der Londoner Vertrag widerspricht auch dem natürlichen Recht. Das natürliche Recht läßt es nicht zu, daß über die Bodenschätze eines Landes, über die Arbeitskraft seiner Bewohner andere Staaten verfügen. Das ist unmöglich, ein solches Abkommen widerspricht jedem natürlichen Recht.
Ich stehe nicht an zu erklären, daß diese Deutung des Londoner Abkommens seitens des Herrn Bundeskanzlers mir sehr viel richtiger zu sein scheint als das, was eben der Herr Bundesjustizminister über den Rechtscharakter dieses Instituts erklärt hat.
Meine Damen und Herren, ich sagte Ihnen: das, was hier erreicht worden ist, bleibt weit hinter dem zurück, was erreicht werden muß, wenn Deutschland lebensfähig werden soll. Es ist nicht erreicht worden, eine der produktivsten Anlagen in ganz Europa zu retten, eine Anlage, die in der amerikanischen Demontagediskussion vom ersten Tage im Zentrum gestanden hat, nämlich Europas größte Stickstoffdüngerfabrik in Oppau-Ludwigshafen. Große Teile dieser Anlage sind durch die Verhandlungen auf dem Petersberg zur Demontage verurteilt, obwohl das Humphrey-Komitee ihre Rettung empfohlen hat, obwohl das Humphrey-Komitee festgestellt hat, daß ein Transfer dieser Anlagen wirtschaftlich überhaupt nicht möglich ist. Ich kann Ihnen in der vorgerückten Zeit die ganzen Konsequenzen dieser Zerstörung nicht auseinandersetzen, ich darf Ihnen nur sagen, daß hier
Anlagen im Werte von ungefähr 12 Millionen DM demontiert werden, um einen Restwert von 3 Millionen DM zu erzeugen. Das sieht nicht erschütternd aus. Aber die Zerstörung dieser Anlage senkt die Stickstoffkapazität in Deutschland um 120 Millionen t Reinstickstoff. Diese 120 Millionen t Reinstickstoff kosten nach heutigen Preisen 100 Millionen DM jährlich; aber sie sollen geopfert werden, um einen Schrottwert zugunsten des französischen Reparationsgläubigers von 3 Millionen DM zu erzeugen, und mit diesem selben Stickstoff hätte der deutsche Landwirt 2 Millionen t Getreidewert im heutigen Wert von 500 Millionen DM erzeugt. Dieses Beispiel habe ich in Amerika unzählige Male benutzt, um zu zeigen, daß diese Zerstörung wirklich die sinnloseste Zerstörung auf Kosten des Reichtums der gesamten westlichen Welt ist, wenn, um 3 Millionen DM Schrott zu erzeugen, eine landwirtschaftliche Produktion im Werte von 500 Millionen DM unmöglich gemacht wird.
Ähnlich unerträglich ist die Verurteilung zur Demontage des Stahlwerks in Watenstedt, desjenigen Stahlwerks in Europa, das in gewissem Sinne seinen natürlichsten Standort hat insofern, als es direkt auf Erzvorkommen liegt, die noch für Jahrhunderte reichen würden. Es ist in dem Fall von Watenstedt mit den unmöglichsten Verdrehungen gearbeitet worden. Mir hat Senator Pepper einmal einen Brief von einem hohen Beamten aus dem State Department geschickt, in dem dieser Beamte erklärt hat, Watenstedt könne ruhig zerstört werden, denn es müßte seinen Koks aus der Ruhr ja auf dem Eisenbahnwege beziehen. Dabei weiß jeder Mensch in Deutschland, daß mit hohen Kosten ein Stichkanal zum Mittellandkanal gebaut worden ist, nur um hier den Austausch von Erz und Koks auf dem wirtschaftlich besten Wege zu ermöglichen. Es kommt das sozial Ungeheuerliche hinzu, daß hier ein Gebiet von 120 000 Menschen auf Gedeih und Verderb von diesem Werk abhängt, ausgerechnet unmittelbar am Rande des Eisernen Vorhangs, ein Gebiet, das jeder Radikalisierung offensteht, wenn es bei diesem unmöglichen Abkommen auf dem Petersberg bleibt. Wir können nur hoffen, daß es der Bundesregierung gelingen wird, aus dem Versprechen, das diesmal wegen der Schaffung von Arbeitsgelegenheiten abgegeben worden ist, etwas wesentlich Konkreteres herauszuholen als aus den absolut inhaltslosen, leeren Versprechungen, die bisher von seiten der Besatzungsmacht gegeben worden sind, um die Arbeiterschaft von Watenstedt über die drohende Arbeitslosigkeit zu beruhigen.
Ein anderer Punkt, der mit der Gewinnung einer Lebensfähigkeit Deutschlands absolut unvereinbar ist — und damit darf ich schließen —, ist die Beibehaltung einer Stahlquote in Deutschland von 11,1 Millionen Tonnen. Ich will Ihnen nur eine Zahl sagen. In dem Plan der interalliierten Militärregierungen, in dem sie als sogenannten Longterm-Plan ausgerechnet haben, daß Deutschland im Jahre 1952/53 lebensfähig sein sollte, hat man uns vorgerechnet, wir sollten in dem Jahre einen Maschinenexport im Wert von etwa 1 Milliarde Dollar haben. Es kann niemand geben, der sich mehr darüber freut als wir. Aber wenn wir den Rechenstift in die Hand nehmen, dann wissen wir, daß wir in der Vorkriegszeit im ganzen großen Deutschland nur einen Maschinenexport von 175 Millionen gehabt haben, und das ist volumenmäßig heute vielleicht 350 Millionen. Man wünscht uns einen Maschinenexport im dreifachen Volumen der Vor-
kriegszeit und hat auf dem Petersberg erneut beschlossen, daß unsere Stahlproduktion auf 60 % der deutschen Stahlproduktion in einem Friedensjahre von Vollbeschäftigung herabgemindert sein soll.
Das ist unvereinbar mit dem Ziel, dieses Deutschland jemals lebensfähig zu machen.
Wie lange noch? fragen Sie mich.
— Ich dachte, Sie fragten mich, wie lange es noch dauern wird, bis wir davon freikommen. Das ist nämlich das, was das deutsche Volk uns fragt.
Auf diese Frage, meine Damen und Herren, kann ich Ihnen auf Grund der bescheidenen Erfahrungen, die ich bisher in diesem Kampf erwerben durfte, nur eines sagen: Mit den Methoden des autoritären Regierens, wie es die Bundesregierung in diesem Fall versucht hat, wird es sehr lange dauern. Je früher wir uns dazu entschließen sen Kampf auf die breite, überparteiliche Grundlage zu stellen, auf der er allein gewonnen werden kann, und je früher es die Bundesregierung lernt, in diesem Kampf die berufene Vertretung des deutschen Volkes, die Volksvertretung, in vollem Umfange einzuschalten, desto eher werden wir diesen Kampf gewinnen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kiesinger.
Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Dr. Arndt hat davon gesprochen, daß wir in einer ernsten Stunde stehen. Es ist in der Tat eine ernste Stunde. Sie ist es in dem einen Sinn, daß jeder Augenblick, der uns zwingt, einen Rückblick auf unser geschichtliches Schicksal zu werfen, das uns seit dem unglückseligen Zusammenbruch des Jahres 1945
— ich bin sehr mit Ihnen einverstanden, auch seit dem Jahre 1933 — beschert worden ist, uns ernst und traurig zu stimmen vermag. Diese ernste Stunde hat aber noch einen anderen Gehalt. Es sei gleich voran gesagt: meine politischen Freunde und ich erwarten, daß von dieser Stunde, von hier und heute eine neue Epoche der Beziehungen des deutschen Volkes zur Welt beginnt.
Es mag als ein großes Wort erscheinen, wenn
das hier ausgesprochen wird, nachdem die Redner
der Opposition durch ihre Argumente mit schweren Bedenken versucht haben, die Stunde zu analysieren, aber auch zu verkleinern. Es ist nicht an
dem, daß heute nicht sehr viele Bedenken zu jedem
möglichen Schritt deutscher Außenpolitik angemeldet werden könnten. Es ist nicht an dem, daß
ernsthafte Argumente gegen neue Schritte in der
deutschen Außenpolitik nicht ernsthaft aufgenommen würden. Aber es geht darum, heute einmal
wirklich zu sehen, was beginnt, mehr auf den
Geist der Dinge zu sehen als nur auf den einzelnen Buchstaben und das einzelne technische Wort.
Als wir im Jahre 1945 zusammenbrachen, war
uns nichts anderes übriggeblieben als unsere Hoffnung, unser Mut und die Kraft des Geistes und des
Willens. Es war uns dazu noch übriggeblieben die
Hoffnung — und da hat Herr Baade vollkommen recht — auf alle jene Gutgesinnten in der Welt, die bereit sein mochten, in einer Stunde, die nicht nur unser Schicksal, sondern das Schicksal der ganzen Welt besiegeln mochte, die Großmut des Siegers zu üben. Die Großmut des Siegers hat lange auf sich warten lassen, trotz all der vielen Kräfte, die hier aufgezählt worden sind und deren Beitrag zu dem, was heute erreicht worden ist, nicht geleugnet werden soll. Mancher Deutsche konnte sich die Frage stellen: Gibt es in dieser Situation für den Besiegten selber überhaupt eine Möglichkeit, in der neuen Bewegung der europäischen Politik mitzuwirken, selber Impulse zu geben, damit die europäische Politik aus einer verhängnisvollen Stagnation und Verkrampfung heraus jenem gemeinsamen Ziel entgegengeführt werde, das alle Gutgesinnten unseres Volkes und alle Gutgesinnten der Welt erstreben? Gewiß, Impulse der Macht konnten es nicht sein. Es mochte Deutsche geben — und es hat sie gegeben —, die glaubten, aus dem erwachsenden Gegensatz der großen Weltmächte Kapital schlagen zu können, die glaubten aushandeln zu können.
— nein, der Mann heißt gewiß nicht Adenauer; ich werde auf diesen Punkt noch zu sprechen kommen —, die wirklich eine Politik des Kuhhandels glaubten betreiben zu können. Das waren, verehrter Herr Dr. Schumacher, Leute des 19. Jahrhunderts; das waren Leute, die nicht begriffen haben, was die Stunde des 20. Jahrhunderts geschlagen hatte. Nicht zu denen bei uns und bei anderen bekennen wir uns, die da Europa im Munde führen und nur den Vorteil des eigenen Landes meinen.
Beifall bei der CDU.)
Uns ist Europa und mit Europa die Welt eine wahrhaft wichtige Angelegenheit, weil wir ganz genau wissen, daß die Entscheidung in diesem Jahrhundert entweder die europäische Entscheidung sein wird. Dann werden alle diese Streitfragen, um die wir uns heute noch zanken, keine Bedeutung mehr haben.
Oder Europa wird diesen Weg nicht finden; dann geht es unter. Das ist die Alternative, die vielleicht jeder in diesem Hause — außer Ihnen ganz links — in ihrem vollen Ernst sieht.
Nun ist das Wort Bismarcks von der Politik als der Kunst des Möglichen viel gebraucht und, ich weiß, viel mißbraucht worden. Darüber scheinen heute in der Tat die Ansichten der Regierung und der Opposition auseinanderzugehen. Und wenn wir ernst und offen miteinander reden und uns wirklich bemühen, uns nicht gegenseitig parteipolitische und parteitaktische Gründe zu unterschieben, dann wollen wir uns diesen Gegensätzen nicht verschließen. Mir erscheinen zwei Äußerungen der Vertreter der Opposition besonders aufschlußreich, um diese verschiedene Auffassung über den Weg, den die deutsche Außenpolitik einschlagen sollte, zu beleuchten. Die eine Außerung war die des Herrn Kollegen Dr. Arndt, der gesagt hat: „Wir wollen eine totale Kooperation der Völker" — einverstanden! —, „nicht nur eine Allianz der herrschenden Klassen". Hier zeigte es sich, daß die Opposition, die Sozialdemokratische Partei, aus ihrer innenpolitischen Konzeption eine außenpolitische Konzeption entwickelt,
indem sie den Standpunkt der sozialistischen Politik, wie sie ihn immer begreift,
gegen die Politik stellt, die wir als die Politik nicht nur einer herrschenden Klasse, sondern als die Politik begreifen, die zum wahren Wohl des deutschen Volkes führen wird.
Die zweite Bemerkung des Kollegen Baade war die, daß er sagte: Ja, wenn bei der Ruhrbehörde deutsche, englische, amerikanische Arbeiter — wenn ich ihn recht verstanden habe — vertreten wären, würden wir zu dieser Behörde anders stehen. Das ist doch nun in der Tat ein 'Gegensatz, der ganz klar genannt werden soll. Ob deswegen der andere Gegensatz, der von der Sozialdemokratischen Partei vertreten wird, wirklich so bedeutsam ist, weiß ich nicht. Es wird von der Opposition gesagt, daß wir viel zu rasch und zu früh zu Vorleistungen, Gegenleistungen, zu Verkoppelungen von Leistungen bereit gewesen sind, während durch eine vielleicht kraftvolle oder konsequente Politik — über deren Einzelheiten wir allerdings nur sehr wenig vernommen haben —
diese oder noch viel weitergehende Erfolge sich erreichen ließen.
Es ist eine Unterstellung, die wir scharf zurückweisen müssen, daß bei dieser Außenpolitik — auch in den Schlußworten des Kollegen Baade kam dies zum Ausdruck — es sich um ein Bündnis von kapitalistischen oder herrschenden Klassen der Völker handle. Es geht uns — das dürfen Sie von der Opposition uns glauben —, genau so wie wir es von Ihnen annehmen möchten, um das Wohl der Völker.
Wie es in der Wirtschaftspolitik falsch ist, die Dinge so zu formulieren, als ob die einen nur für das Wohl der arbeitenden Klasse und die anderen für das Wohl der besitzenden Klasse Politik betrieben, genau so falsch ist es, auf außenpolitischem Gebiet den Gegensatz so herauszustellen.
Wir sind gegen eine Politik der planenden oder zwingenden Wirtschaft deswegen, weil wir uns von ihr keinen Erfolg versprechen, auch keinen Erfolg für die arbeitenden Klassen.
Und wir machen uns nach den bisherigen Erfahrungen darüber keine Illusionen, daß eine Politik, die sich etwa auf die internationale Solidarität der arbeitenden Klassen bezöge, uns aus unserem Elend herausreißen würde.
Ich gebe zu, daß drüben auf den englischen Inseln Männer und Frauen leben, die sich in vorbildlicher Weise für unsere Belange, die Belange der Menschlichkeit eingesetzt haben. Da hat Kollege Baade vollkommen recht; aber sie haben sich nicht durchsetzen können, allzu lange nicht durchsetzen können; und noch jüngst hat der englische Außenminister seinen Zorn gegen das deutsche Volk, seine Ressentiments gegen die Deutschen selbst in einer hochpolitischen Rede nicht unterdrücken können. Ich habe bedauert, daß er es getan hat.
— Verehrter Herr Renner, er hat nicht einmal Sie ausgenommen.
Er hat nämlich von den Deutschen gesprochen,
— Ich habe Ihre Randbemerkungen zugelassen, ohne zu glauben, daß es sich lohnt, darauf einzugehen.
— Ich traue mir durchaus zu, Ihnen, wo es notwendig ist, eine Antwort zu geben.
Nun, meine Damen und Herren, um was handelt es sich wirklich? Das ist die Frage, die ich nach den Ausführungen des Kollegen Arndt aufgreifen will. Es handelt sich nicht darum, hier vor diesem Parlament große völkerrechtliche Kollegs zu lesen.
Es handelt sich nicht darum, den großen Erfolg, den unser Bundeskanzler in den letzten Tagen nach der Meinung nicht nur des großen Teils des deutschen Volkes, sondern des überwiegenden Teils der Welt
erzielt hat, zu verkleinern. Wir nehmen unserer Opposition nicht das Recht, da ihre Stimme zu erheben, wo sie glaubt, dazu verpflichtet zu sein, und wo sie glaubt, darauf hinweisen zu müssen, daß noch das eine oder das andere getan und noch erlangt werden könnte. Eins wollen wir aber unter allen Umständen verhindern: Wir wollen nunmehr unseren führenden Politikern jenes Schicksal der Politiker nach 1919 — und zwar das Schicksal der fähigen Politiker nach 1919 — ersparen, die, von einem Teil ihrer politischen Gegner bekämpft, geschmäht, ja oft genug verleumdet oder aber umgeben von der frostigen Atmosphäre politischen Unverständnisses oder politischer Uninteressiertheit eines großen Teiles unseres Volkes ihr bitteres Amt haben ausführen müssen.
Wir sind hier nicht zusammengekommen, um unserem Bundeskanzler überflüssige Ovationen darzubringen. Aber wir haben uns verpflichtet gefühlt, ihm, der diesen einsamen und schweren Weg der letzten Wochen hat gehen müssen,
der diesen notwendig einsamen Weg hat beschreiten und diesen Kampf hat führen müssen,
der aber bei jeder Phase dieses Weges sein Gewissen befragte, wie wir genau wissen, zu versichern, daß er unser Vertrauen hat und daß er dieses unseres Vertrauens auch auf dem weiteren Wege versichert sein darf.
Wenn ich vorhin davon sprach, wie denn ein Besiegter in dieser europäischen Situation von sich aus der stagnierenden europäischen Politik Impulse zuführen konnte; so konnte die Antwort nur lauten: der Besiegte, der über keine Macht und keine Gewaltmittel verfügt, darf sich nicht darauf beschränken, eine Politik des Schachern, des Handelns, der bloßen Ausnutzung zeitbedingter Situationen zu betreiben; dieser Besiegte, der nicht, wie nach 1919 manche noch glauben konnten, eine
Politik des allmählichen Heraushandelns von Vorteilen für die eigene Nation im Auge hat, sondern der wie jeder echte europäische Politiker das Ziel der kommenden europäischen Föderation — oder wie Sie das kommende Gebilde nennen wollen — im Auge hat, mußte einen anderen Impuls geben. Diesen Impuls kann man nicht mit schönen Worten geben; denn die politischen Tatsachen sind dafür viel zu hart und viel zu rauh. Diesen Impuls konnte man nur mit Taten geben.
Taten aber konnten in diesem Zusammenhang nur Opfer, nur Zugeständnisse sein.
Gewiß, das ist eine Politik, die mit Risiko verbunden ist, eine Politik, die unter Umständen auch fehlgehen könnte, nämlich dann, wenn die Partner dieser Politik sie nicht verstehen würden. Unser Kanzler hat immer wieder in gelegentlichen Adressen an das Ausland darauf hingewiesen, es sei die Voraussetzung seiner Politik, daß auch drüben auf der anderen Seite jener Geist der Zusammenarbeit, jener Geist europäischen Gemeinsinnes, ja Weltgemeinsinnes, vorhanden sei der allein uns zu einer wirklichen Lösung bringen könne.
— Daran glauben wir; denn wenn wir nicht daran glaubten, Herr Renner, dann müßten wir heute resignierend unser Schicksal vom Osten her hinnehmen, und das wollen wir nicht.
Wir glauben immer noch an eine Lösung, und zwar an eine Lösung der Freiheit und des Friedens.
Man mag nun zu diesen Zugeständnissen, wie man sie nennt, tatsächlich verschieden Stellung beziehen. Man mag sagen: „zu früh, zu viel, zu rasch!
Wir sind der Meinung: nicht zu früh, nicht zu viel und nicht zu rasch! Wir sind deswegen dieser Meinung, weil sich die Situation des Jahres 1919 nicht wiederholt, weil es in der Tat jetzt nicht darum geht, wie vorhin dem Bundeskanzler und seiner Politik unterschoben worden ist, eine Politik des Kuhhandels, der Verkoppelung, des Schacherns, der Kleinkrämerei zu betreiben. Wer könnte dies der Politik des Bundeskanzlers und der Bundesregierung in der Tat vorwerfen!. Diese Politik hat eine ganz andere Grundlage und ein ganz anderes Ziel.
Es ist eine Politik, die darauf hinausgeht, ganz Europa und insbesondere Frankreich — denn hier liegt ja der Schlüssel für die Lösung des europäischen Problems — aufzufordern, nun nach diesen Beispielen echten europäischen Gemeinsinnes, die wir beibringen, den europäischen Gemeinsinn ihrerseits zu fördern.
Das Abkommen, das auf dem Petersberg beschlossen worden ist, zeigt ja nicht nur in seinen einzelnen Bestimmungen, sondern in seinem ganzen Wortlaut, in dem Ton, in dem es gehalten ist, daß dies die eigentliche Seele des Abkommens ist. Wenn in dem Abkommen ausdrücklich der Satz steht, daß auf der Grundlage des gegenseitigen
Vertrauens die Beziehungen der Mächte fortschreitend weiter zu entwickeln sind, dann ist damit deutlich genug gesagt, daß in dieses Abkommen in der Tat ein dynamisches Prinzip mit hineingenommen worden ist und daß es sich nicht um eine jener ewig statischen, ewig starren Vereinbarungen handelt, die shylockhaft ausgelegt werden sollen. Es geht hier vielmehr um ein Abkomkommen, das von vornherein die Entfaltung, die Entwicklung in sich begreift. Das liegt ja — und das ist das größte Plus der Politik des Kanzlers — einfach im Zuge der europäischen geschichtlichen Entwicklung. Wir brauchen nicht so ängstlich und so kleinlich zu sein. Wir dürfen den Mut haben, daß die Zeit des anarchischen Nationalstaatentums wirklich vorbei ist. Wer bei uns oder bei den anderen jener Zeit und jener Konzeption noch anhangen sollte, der würde in der Tat einer versteinten Zeit angehören.
Wir Deutsche wollen doch wieder einmal - was
wir so selten in unserer Geschichte haben tun
können — im Zuge der Zeit Politik machen: denn
immer dann ist Politik erfolgreich, wenn sie wirklich im Geiste der Zeit lebt und handelt und nicht
entgegen der Zeit, wie wir es so oft getan haben.
Dieser Geist der Zeit wird von allen, die nicht in einer einseitigen, dogmatischen politischen Konzeption befangen sind, durchaus begriffen. Es ist der Geist der Einheit, es ist der Geist der Freiheit und es ist der Geist des Friedens, der Geist, den nicht, wie man uns glauben machen will, ein paar bösartige Kapitalisten als Propagandavorwand gebrauchen, sondern der Geist, der Hunderte von Millionen Menschen auf dieser Welt beseelt. Darüber sind wir uns, glaube ich, auch mit dem größten Teil unserer Opposition einig.
Wenn mir noch ein kurzes Wort zur juristischen Sachlage zu sagen erlaubt ist, so möchte ich nicht auf die langen juristischen Erörterungen, die heute abend hier gehalten worden sind, im einzelnen eingehen. Ich möchte aber insbesondere den scharfsinnigen und sorgfältigen Begründungen des Herrn Kollegen Dr. Arndt entgegenhalten, daß sie einem traditionellen Völkerrecht oder einer traditionellen völkerrechtlichen Argumentation entnommen sind, die, wie er selber weiß, heute von Völkerrechtlern durchaus ernsthaft bestritten werden kann und ernsthaft bestritten wird. Es gibt je und je im Ablauf der Jahrhunderte und seit den Zeiten des Hugo Grotius und seines „De iure belli ac pacis" Entwicklungen — und wir erleben jetzt wieder eine solche Zeit —, in der die bisherigen Grundlagen des Völkerrechts sich auflösen, zertrümmert werden, in der völlig neue Tatbestände geschaffen werden und aus diesen neuen Tatbeständen sich erst wieder ein neues Völkerrecht entwickelt.
— Wir haben an Hitler nicht erlebt, daß sich ein neues Völkerrecht entwickelt hat, aber wir haben nach 1945 erlebt, daß durch das, was angerichtet worden ist, dieses neue Völkerrecht dann allerdings in der Tat mit Macht in Erscheinung trat.
Daß wir Deutsche dabei in der Hauptsache die Leidtragenden sind, ist wahr. Ich gehe nicht so weit in meinen Entgegnungen gegen Herrn Kollegen Dr. Arndt, wie einer dieser deutschen Völker-
rechtler, in seiner Hilflosigkeit der Situation gegenüber, zu sagen: „Ja, man muß feststellen, daß es heute zweierlei Rechte im Völkerrecht gibt, eines, ein Sonderrecht für die Deutschen, man könnte es auch ein Unrecht für die Deutschen nennen, und all das andere für die übrigen Völker." Dieses Argument will ich nicht bringen.
— Richtig, Herr Kollege Dr. Arndt, nur ein Grundgesetz, aber Sie können in diesem Falle das Grundgesetz ja nicht losgelöst von einer völkerrechtlichen Betrachtung konzipieren, da ja die Streitfrage abhängt von völkerrechtlichen Betrachtungen, nämlich davon, ob der Artikel 59 hier betroffen ist, ob es sich um völkerrechtliche Vereinbarungen und nicht um Vereinbarungen ganz eigener, ganz neuer Art handelt, eben im Rahmen dieses Besatzungsrechts, und darum, ob es nicht in der Tat richtig ist, daß wir keinerlei Hoheitsrechte übertragen, sondern daß wir nur einen Zustand hinnehmen, der bereits besteht. Ich bin mit meinen Freunden der Auffassung, daß es in der Tat so ist und daß infolgedessen die Voraussetzungen der Verfassung nicht zutreffen.
Aber, meine Herren von der Opposition, des großen Klagens ist keine Not; denn das, was Sie letztlich wollen, eine Willenskundgebung des Parlamentes zu dieser Politik der Regierung, das bekommen Sie zwar nicht in dieser formalistischen Art einer besonderen Gesetzgebung, aber Sie bekommen es heute und jetzt, diesen Abend noch werden Sie es erleben!
Wenn Sie also davon sprechen, daß das Parlament übergangen werde, so ist es nur in einem gewissen formellen Sinne von Ihrem Standpunkt aus richtig. Sie wissen selbst, daß das Ergebnis, ob wir heute abend dieses Parlament so unformell befragen, oder ob es den formellen Weg der Gesetzgebung ginge, sachlich kein anderes sein würde.
Uns liegt die Sorge um die Bewahrung des Grundgesetzes und der verfassungsmäßigen Rechte des Parlamentes genau so am Herzen wie der Opposition.
Die Opposition mag uns einwenden: „Das sieht nicht so aus!" — Gut, wir können auch hier vielleicht eine etwas verschiedene Konzeption vom Grundgesetz haben. Das Grundgesetz selbst ist ja durchaus nicht ganz einfach einzufügen in das Schema irgendeines durchschnittlichen parlamentarischen Verfassungsstaates. Die Rechtsstellung, die es der Regierung und dem Bundeskanzler bewußt durch die Verfassungsgesetzgebung erteilt hat, ist in der Tat eine wesentlich andere als etwa zur Zeit der Weimarer Verfassung.
Das ist bewußt so gewollt, um jenem entsetzlichen Elend und Unglück zu steuern, das wieder hätte kommen können, diesem ewigen Wechsel machtloser Regierungen, nie arbeitsfähig, nie entschlußfähig, und damit die Öffnung des Weges zum politischen Chaos, zur politischen Anarchie, zur politischen Demagogie und zuletzt zur politischen Diktatur!
Auch hier kann in der Tat — das wäre einmal unter uns in allem Ernst auszudiskutieren — eine verschiedene Konzeption zugrunde liegen. Wir werden in Zukunft Gelegenheit haben, noch mit Ihnen über diese Dinge zu sprechen.
Was anzuerkennen ist, ist doch, daß diese Art von Erfolgen, die der Kanzler in den letzten Tagen und Wochen, in den kurzen Tagen und Wochen —
zwei Monate, wurde heute gesagt, und ich betrachte zwei Monate im Leben eines Parlaments als eine verteufelt kurze Zeit — erreicht hat, doch nicht zuletzt auf eine gewisse Elastizität, auf eine gewisse Beweglichkeit und Spontaneität des Handelnkönnens beim Kanzler zurückzuführen ist.
— Ja, Sie von ganz links hätten das natürlich immer wieder gern, nicht wahr, den ganzen schwerfälligen Apparat der Gesetzgebung, der in Bewegung gesetzt würde, womöglich mit Einspruch des Bundesrats, hätten das Wochen, Monate vielleicht hinausgezögert! Dann würden wir überhaupt zu keiner politischen Aktivität mehr kommen.
Es muß doch dem parlamentarischen und demokratischen Sinne einer Verfassung entsprechen, wenn der Herr Kanzler weiß, daß er das Vertrauen der Mehrheit dieses Hauses hat
und daß das Hohe Haus ihm nun einmal bis zu einem gewissen Grade auch eine Blankovollmacht erteilt hat.
Anders geht es selbst in einem demokratischen Musterstaate nicht.
— Meine Damen und Herren, bringen Sie mir nicht das Ermächtigungsgesetz! Sie wissen ganz genau, schon die Diskussion heute abend an dieser Stelle wäre bei einem Ermächtigungsgesetz nicht möglich; Sie wären nicht zu Wort gekommen und wir auch nicht.
Wir haben kein Ermächtigungsgesetz, sondern wir haben nur die Notwendigkeit, dem Kanzler eine gewisse Freiheit, einen gewissen Spiel- und Bewegungsraum im Politischen zu geben. Wie weit der im einzelnen zu gehen hat und zu geben ist, darüber kann in der Zukunft und wird zweifellos in der Zukunft noch manches in diesem Hohen Hause und in den Fraktionen dieses Hohen Hauses zu sagen sein. Aber ich habe den Eindruck, daß die Mehrheit dieses Hohen Hauses mit dem, was aus dieser Bewegungsfreiheit aus Spontaneität des Handelns nunmehr erreicht, worden ist, durchaus zufrieden sein kann.
Und, meine Damen und Herren, nicht nur wir sind zufrieden. In diesen Abendstunden ist bereits draußen in den Arbeitsstätten, in den Fabrikstädten, in denen nun der Demontagestop Wirklichkeit geworden ist, das, was heute abend hier diskutiert wird, auch diskutiert worden, unter einfachen, schlichten Männern, die sich nicht den Blick trüben lassen
durch kleinliche Analysen, sondern die wissen,
um was es geht. Ich habe hier die ersten Meldungen vor mir liegen, die DPA hereingebracht
) hat. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten will ich wenigstens zwei von ihnen verlesen:
Das Echo der deutsch-alliierten Abkommen. Hamburg . In den bisher zur Demontage vorgesehenen Betrieben des Ruhrgebiets hat die Verkündung des Demontagestops eine freudige Stimmung ausgelöst.
Die Leute auf den Werken rufen sich die Einstellung der Demontage zu, teilt die Betriebsleitung der Chemischen Werke Bergkamen mit. Es herrscht eine Stimmung wie am Weihnachtsfest.
Für Bergkamen wird es einen kolossalen Auftrieb geben.
— Hören Sie es sich nur an! Und die zweite Meldung:
Die Werksleitung der Krupp-Treibstoffwerke in Wanne-Eickel erklärt:
Uns ist ein Stein vom Herzen gefallen. Alle sind begeistert. Es ist ein außerordentlicher Erfolg für Dr. Adenauer.
Meine Damen und Herren, auch Sie, meine Damen und Herren von der Kommunistischen Partei,
wollen Sie von der Kommunistischen Partei ernsthaft behaupten, daß heute abend die Arbeiter dieser Städte in Sack und Asche herumlaufen?
— Dann bedaure ich, daß wir hier keinen Fernseher haben, der Ihnen sofort vor Augen führte, wie die wahre Stimmung des Volkes ist, auch jenes Teiles des Volkes, den Sie angeblich allein vertreten.
Das, meine Damen und Herren, ist die Situation, wie meine politischen Freunde sie sehen. Wir sind der Meinung, daß wir tatsächlich Mut haben müssen zu dieser Politik. Wir verkennen nicht ihre Risiken. Wir wissen, daß es um ernste Entscheidungen geht. Wir sind stets bereit, die Einwände der Opposition anzuerkennen, wenn sie
— und das muß ich hier einmal aussprechen — so vorgebracht werden, daß der Herr Bundeskanzler nicht wieder einmal genötigt wird, in eigener Sache das Wort zu ergreifen. Es muß dann aber in einer Form geschehen, die erträglich ist, sowohl innerhalb als auch außerhalb dieses Parlaments.
Es gibt eine Art der Kritik, die, von oben herab
erteilt, in einem schulmeisterlichen Ton gehalten,
mit Unterstellungen von vielleicht sogar unlauteren Motiven, mit dem Hinweis auf vollkommene
Dummheit, auf den Mangel jeglicher politischen
Konzeption usw., so vorgetragen werden kann, daß
sie fast notwendigerweise eine Reaktion aus dem
gegnerischen Lager herausfordert. Und wie bedauerlich ist das doch! Meine Damen und Herren,
ich gehöre zu denen, die nichts sehnlicher wünschen, als daß dieser Zustand, den Herr Kollege Baade gekennzeichnet hat, erreicht würde, und ich weiß, daß auch der größte Teil meiner Freunde, ich möchte sagen, alle meine Freunde, diesen Zustand herbeiwünschen, den Zustand nämlich, daß wir einmal Außenpolitik treiben könnten auf der breitesten Grundlage, die in diesem Hause zu erreichen überhaupt möglich ist. Aber die Opposition wird mir zugestehen, daß sie uns das, insbesondere durch ihren Führer, nicht immer leicht gemacht hat. Man kann nicht einfach den Regierungsparteien immer nur vorwerfen, sie seien zu einer solchen gemeinsamen Außenpolitik nicht bereit. Ich habe nicht gefunden, daß von oppositioneller Seite eine solche Bereitschaft in Wort und Tat bisher ernsthaft gezeigt worden wäre.
Das soll aber nicht bedeuten, daß wir nicht alle aufgerufen wären, diesen Versuch auch in der Zukunft zu machen. Wer von uns sollte wirklich ernsthaft den Unsinn wünschen, daß in Sachen der deutschen Außenpolitik dieses h ou e Haus wirklich auf die Dauer nicht nur gespalten, sondern immer katastrophaler auseinandergerissen würde? Wir alle müssen doch wünschen, daß wir uns eines Tages in der Tat zusammenfinden. Aber dann müssen wir auch unseren Standpunkt ehrlich, höflich und mit gegenseitigem Respekt verfechten. Das wollen wir tun und haben wir auch getan, meine Herren von der Opposition,
und wir erwarten es auch von Ihnen. Statt daß wir uns heute gegenseitig Vorwürfe machen, sollten wir lieber in der Zukunft aufpassen und bei aller Verschiedenheit der sachlichen Standpunkte versuchen, wenigstens das Menschenmögliche herauszuholen.
Vielleicht wird auch auf diesem Gebiet weniger die Überzeugung Und die Einsicht das leisten, was in der Geschichte der Menschen immer nur die Not geleistet hat. Wir sind noch nicht am Ende unserer vaterländischen Not, der Not unseres Volkes, und ich betone es noch einmal: unseres Volkes in allen seinen Kreisen, der sogenannten Besitzenden und der Nichtbesitzenden.
Denn mit den alten Schlagworten des Klassenkampfes haben wir ja wohl alle allmählich aufgehört. Wir müssen diesen Geist der Tat — und es geht hier nicht um Phrasen, es geht hier um bittere Wirklichkeit — in die kommende Entwicklung mit hineinnehmen, nachdem, woran ich nicht zweifle, das Hohe Haus heute abend die Politik des Bundeskanzlers gebilligt haben wird. Wir alle müssen uns nicht nur als Deutsche untereinander in diesem Hause verpflichtet fühlen, sondern auch als Europäer unter Europäern; denn denselben Appell, den wir an uns richten, richten wir heute auch an die Menschen jenseits unserer Grenzen. Ich habe gesagt, um was es geht, daß wir diese Politik des Kanzlers nicht durchführen können, wenn nicht auch jenseits dieser Grenzen Einsicht, politische Weisheit, politische Güte, politische Großzügigkeit herrschen, die wir zu zeigen bereit sind und wie wir sie in der Tat schon gezeigt haben.
Dies scheint mir, meine Damen und Herren, nach all den vielen kleinen Ausstellungen an der Politik das Wesentliche zu sein.
Ich habe das Bedürfnis, am Schluß noch einmal gerade gegenüber Herrn Baade zu sagen: Es ist richtig, daß viele gute Kräfte in der Welt und viele zwangsläufige Entwicklungen unseren Kampf vorbereitet haben, der auch von seiten meiner Parteifreunde schon lange begonnen worden ist; denken Sie an den schon im Wirtschaftsrat seit langem geführten mühseligen Kampf gegen die Demontagen.
— Im ganzen Bundesgebiet. — Aber eines dürfen wir nicht verkennen: Wie leicht ist es, wenn nun mit einem Erfolg hervorgetreten wird, zu sagen: „Das ist gar nichts; wieviel mehr hätte sich heute oder morgen oder übermorgen erreichen lassen!" Meine Damen und Herren, wir sind der Meinung, daß hier doch etwas mehr im Spiele ist, daß das nicht nur eine mehr oder weniger zwangsläufige Entwicklung ist, sondern daß hier in der Tat eine bedeutende politische Persönlichkeit sich nun auf deutscher Seite endlich in das weltpolitische Gespräch mit unserer Unterstützung eingeschaltet hat. Diese Persönlichkeit ist unser Bundeskanzler Dr. Adenauer mit seinen Gehilfen in der Regierung.
Diesen Erfolg kann man nicht verkleinern. Wir haben keinen Anlaß, diesen Erfolg als ein Freudenfest für Deutschland zu begehen. Daß es aber in vielen deutschen Herzen, in Tausenden und aber Tausenden, Freude gegeben hat und Freude geben wird, darüber ist kein Zweifel. Es ist auf dem mühseligen Weg aus der Katastrophe zu einem neuen menschenwürdigen Dasein ein wesentlicher Schritt vorwärts getan worden.
Wenn ich noch ein Wort sagen darf zugunsten jener Armen, die durch die Vereinbarung nichts bekommen haben: Salzgitter usw., so dürfen diese Menschen gewiß sein, daß nichts, aber auch nichts unversucht gelassen wird, um auch ihnen in Zukunft zu helfen.
Ich habe darauf hingewiesen, daß dieses Abkommen denkwürdig ist. Ich bin hier wie in vielen Fragen, die Herr Kollege Baade angeschnitten hat — ohne im einzelnen auf sie einzugehen —, der Auffassung, daß über kurz oder lang, ohne den berühmten „dolus eventualis", bald aus dem Geiste gegenseitigen Zusammenlebens und Zusammenarbeitens sich jene von der Vereinbarung gewollte fortschreitende Entwicklung herausbilden wird. Wenn auch wir — anders geht es ja nicht — durch unser Mitdabeisein uns den nötigen Kredit verschafft haben, werden noch viele und hoffnungsvolle Möglichkeiten in der Entwicklung der Dinge liegen. Uns dabei, meine Herren von der Opposition, in jeder Art zu unterstützen, durch sachkundigen Rat, durch Erheben von Bedenken, wenn Sie glauben, daß ein Fehler gemacht worden sei, in der richtigen taktvollen und taktisch richtigen Art, sei niemandem verwehrt, wie auch wir uns bemühen wollen, alles so recht zu tun, wie es uns möglich ist. Wir wollen uns nicht von vornherein trennen. Wir wissen ja, um was es geht und was viele von uns über die Fraktionsschranken hinweg bekümmert hat. Dieses Bekenntnis des Vertrauens zur Politik des Kanzlers wollte ich zum Schluß auch im Namen meiner Parteifreunde abgeben. Es ist in der Tat nicht so einfach, solche
Erfolge zu erreichen. Dazu gehört mehr: Männer, Persönlichkeiten! Weil wir dieser Auffassung sind, hat meine Fraktion folgende Entschließung gefaßt:
Die Fraktion der CDU/CSU hat mit Befriedigung von der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers Kenntnis genommen und stimmt der politischen Zielsetzung der Bundesregierung zu.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gockeln.
Meine Damen und Herren! Ich hoffe, mir Ihre Sympathie durch die Kürze meiner Darlegungen zu erwerben.
Ein Parlament muß politische Fragen in ihrer staatsrechtlichen, verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichen Beziehung erörtern. Jeder Hinblick auf die deutsche Politik ließ uns erwarten, daß sich mit diesem Zeitpunkt Komplikationen und Schwierigkeiten ereignen, weil zur reibungslosen Entwicklung und Entfaltung einer Außenpolitik ein geordneter Staat und eine unbezweifelte rechtliche und politische Substanz vorhanden sein muß. Ich nehme dieses Wort, weil ich hier an einem Lehrstuhl der Politik heute abend so oft gehört habe, daß die jetzt begonnene Politik eine gefährliche Veränderung der politischen und rechtlichen Substanz unsere Volkes sei. Ich habe mich gefragt, welcher Art diese besonders geschützte Substanz sein müßte. Ein Volk, das am 8. Mai 1945 jede eigene Souveränität verlor, in vier Besatzungszonen aufgeteilt und verschieden regiert wurde — es ist sehr schwer, sich von dessen eigener politischer und rechtlicher Substanz einen klaren, einprägsamen Begriff zu machen. Man sollte aber an dieser Stelle die politischen Probleme so behandeln, wie wir sie draußen in einer Volksversammlung behandeln könnten. Nur dann glaube ich, daß wir selbst das Ohr des Volkes, sein Vertrauen und schließlich auch sein Verständnis haben werden. Wenn hier verfahrensmäßige Mängel vorgekommen sein sollten in einer Lage, in der die jetzige Bundesregierung die ersten Schritte in außenpolitischer Beziehung tut und Verpflichtungen eingeht, muß ich aus meiner bisherigen parlamenttarischen Tätigkeit sagen, daß von der ehrenwerten Bank des Bundesrats so manches Mitglied der bestehenden Länderregierungen unter die gleiche Anklage gestellt würde, unter die die Bundesregierung gestellt wird.
— Nein, aber aus der Erfahrung als Präsident des größten deutschen Länderparlaments und aus den Bemühungen um die Grundlage einer echten staatlichen Verfahrensrechtlichkeit weiß ich, wie oft diese Länderregierungen Schritte tun mußten, bei denen sie uns vorher, nicht gefragt haben, ja zum Teil gar nicht fragen konnten.
— Der Herr Bundeskanzler gehört zur politischen Substanz dieses Volkes und zu einer sehr respektablen Substanz!
Ich möchte auf einen Gedanken eingehen, der mir wichtig erscheint. Wenn ich die Kritik an dem
außenpolitischen Weg unserer Bundesregierung in den letzten Sitzungen überlege, dann ist es die immer wieder durchklingende Sorge, daß dieser Weg die sozialen Rücksichten und Belange nicht genügend wahren könnte. Ich gehöre zu denen, die sich auch über die Frage, wie Deutschland in einem zukünftigen Europa stehen wird, ihre Gedanken und Sorgen machen. Ein Redner hat an diesem Tisch erklärt, daß schließlich das große Gefühl unserer internationalen Arbeiterbewegung, getragen von der Auffassung der Gleichwertigkeit, zu dieser Solidarität geführt hat. Nun meine ich aber doch, in der Erklärung, die heute dem Hause gegeben wurde, ist in ihrem politischen Effekt ein erheblicher Schritt zu dieser Gleichberechtigung getan worden. Das zukünftige Europa soll nicht nur in seiner verfassungsrechtlichen und staatsrechtlichen Struktur in die Situation des 20. Jahrhunderts gehören, sondern auch die soziale Situation soll die des 20. Jahrhunderts sein, und nicht die des 19. Jahrhunderts!
Aber jemand aus dem Industriegebiet, etwa der Oberbürgermeister großen Stadt, die mitten in den Fragen der DHaufeage stand, hat doch die Verpflichtung, anzuerkennen, daß in diesem Weg ein sehr greifbarer, berechtigter und unverkennbarer Erfolg liegt.
Es sind 30 000 Arbeiter, die in diesen Betrieben ihr Brot haben, die heute aus der Gefahrenzone der Demontagenliste herausgenommen werden.
Ich denke nicht daran, mich in den Streit einzumischen, wer daran das Verdienst hat. Zu viele waren es, und immer wieder war es die Sorge aller Beteiligten, für diese Frage eine einheitliche Meinung und Auffassung unseres Volkes zu erhalten. Ich habe in meiner Eigenschaft als Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen dem hier vor mir sitzenden Wirtschaftsminister unseres Landes mehr als zehnmal im Namen des gesamten Landtags gedankt und ihn ermuntert, die Bemühungen fortzusetzen, die damals um die Demontagen angestellt wurden. Es hat ausländische Hilfe gegeben, und bis in diese Tage hinein haben wir Zeugnisse dafür, daß wir nicht berechtigt sind, von Schuldigen oder von leichtfertigen Eroberern zu sprechen. Ich meine: die Diskussion, die der Größe dieser Stunde gemäß sich auch mit dem materiellen Inhalt dieses Abkommens und nicht nur mit der Frage von Verfahrens- und Verfassungsmängeln befassen sollte, wird gerade in den Kreisen Verständnis finden, die heute abend mit dem Gefühl ihre Arbeitsstätte verlassen, daß sie einen Schritt weitergekommen sind. Gegenüber dem Nichts, vor dem wir oft standen, Herr Professor Baade, ist es keine traurige Enttäuschung, gegenüber dem, was noch vor uns steht, ist es nicht die letzte Erfüllung. Aber wer in diesem Hause — ob von denen oder jenen — kann je die Garantie übernehmen, daß er von dieser so geschwächten und unklaren Grundlage unseres Volkes und seiner Politik aus jemals das im ersten und zweiten Schritt erreichen wird, was ein letztes und endgültiges Ziel ist?
Sie haben eben gehört, daß die Arbeiter unserer Fabriken sich in Freude versammelt haben. Es ist für jeden, der mehr als einmal unter ihnen stehen mußte, angesichts ihrer Sorge das selbstverständlichste, aber es sollte auch das befriedigendste Gefühl für dieses Haus sein.
Sie wollen doch nicht, daß eines schönen Tages gesagt würde, die Verteidigung ihrer Arbeitsplätze, die Eroberung ihrer Freiheit, der Schutz ihrer Betriebsstätten und ihrer Zukunft muß ausgerechnet jenen vorbehalten werden, die sie politisch als Gegner oder als soziale Reaktionäre bezeichnen.
— Herr Renner, das könnte parteipolitisch unerwünschte Folgen haben. — Ich glaube, im tiefsten ist auch dieses Haus bereit, das anzuerkennen. Der Mißbilligungsantrag, der uns vorliegt, kritisiert lediglich verfahrensmäßige Dinge und bemängelt verfassungsrechtliche Tatsachen. Es heißt: „Der Bundestag erwartet, daß die Bundesregierung diese Zustimmung einholt."
Ich glaube also, feststellen zu können, daß der materielle Inhalt der Abmachungen nicht umstritten ist,
daß der Inhalt der Abmachungen, die die Bundesregierung heute dem Hohen Hause unterbreitet, in seinem materiellen und damit echten politischen Inhalt doch bereits die innerliche Zustimmung aller gefunden hat.
Jede Regierung, die hier sitzt, ist eine Regierung des Volkes, mag sie in diesem Hauie von zwei, drei oder vier Parteien getragen werden. Wenn sie aber für das Volk einen Erfolg errungen hat, sollte dieses Haus als Vertretung des Volkes dem innersten Bewußtsein selbst gerecht werden und das auch zum Ausdruck bringen.
Ich habe die Hoffnung, daß trotz des uns vorgelegten Mißbilligungs-Antrags der Weg dafür durchaus offen bleibt.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schäfer.
Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Baade hat versucht, so etwas wie einen Wetterbericht zu unseren heutigen Auseinandersetzungen zu geben. Er hat da zwischen gedämpfter Freude, einem gedämpften Mißtrauen und einem Bedauern darüber geschwankt, daß in der Auseinandersetzung über die außenpolitischen Dinge, die mit dem uns vorgelegten Abkommen in Deutschland in Gang gebracht worden ist, Spannungen entstanden sind. Ich will mich nun nicht in diese — wie soll ich sagen? — gastronomisch gewürzten Vorstellungen über das politische Klima verlieren. Ich weiß auch nicht, ob man mit Superlativen der Lage gerecht wird, wenn man immer so leicht mit dem Wort „historisch" operiert. Was im Grunde genommen ein historisches Geschehen ist, das, meine Damen und Herren, zeigt sich erst hinterher. Aber gerade weil ich so illusionslos an die Betrachtung des Abkommens und an die außenpolitische Entscheidung herangehe, die hier zum Gegenstand der Erörterungen gemacht worden ist, meine ich um so mehr, daß die Herren, die im Namen der Opposition gesprochen haben, der Tragweite der Lage eigentlich nicht ganz gerecht geworden sind.
Der eine ihrer Sprecher hat es sich nach meiner Meinung politisch sehr bequem gemacht. Dafür hat er seine Beweisführung gedanklich sehr mühsam
gemacht, indem er die Unstimmigkeiten, Verworrenheiten und Zwiespältigkeiten der staatsrechtlichen und völkerrechtlichen Situation, in der sich dieses eigentümliche Staatswesen unter den eigentümlichen Bedingungen des Besatzungsstatuts nach der Besonderheit eines so ungewöhnlich verlorenen Krieges befindet, dazu benutzt hat, eine bestimmte außenpolitische Konzeption, die von dem Herrn Bundeskanzler dargelegt worden ist, zu verurteilen. Ja, meine Damen und Herren, so kann man doch nicht Politik machen! Ich glaube, es wird in den nächsten Jahren keine Regierung geben, möge sie aus einer Gruppe dieses Hauses kommen, wo sie sein mag, die an diesen Schwierigkeiten und an diesen Möglichkeiten der Auseinandersetzung vorbeikommt.
Ich glaube weiter, man sollte — so ernsthaft und notwendig es ist, in diese verworrene Begriffswelt Klarheit hineinzubringen und allmählich zu fein geschliffenen Sätzen zu gelangen, mit denen man der Zwiespältigkeit der Zusammenhänge Herr wird - doch darauf verzichten, etwas, was im Grunde genommen unsere gemeinsame Aufgabe ist, nicht als Vorwand benutzen, um aus innenpolitischen Motiven eine Außenpolitik der Regierung zu verdammen und zu verdonnern.
Der zweite Sprecher der SPD-Fraktion hat sehr lange und sehr ergiebig von dem langwierigen Kampf um die Demontagen gesprochen.
- Nein, das war uns keineswegs unangenehm; denn wir haben ja alle zusammen in irgendeiner Form an diesen Dingen und Auseinandersetzungen Anteil gehabt,
und jeder von uns, ganz gleich, auf welcher Seite des Hauses jemand stehen mag, und ganz gleich, ob diesseits oder jenseits unserer Grenzen jemand auf diesem Gebiete für eine vernünftige Betrachtungsweise und für die Beseitigung eines Hemmnisses zwischen den Völkern und zwischen den verbindenden Kräften, die da wirksam werden müssen, gewirkt hat, — er verdient unsern Dank und unsere Anerkennung.
Aber, meine Damen und Herren, wenn man schon die Mühsal dieses Kampfes schildert und wenn man alle rühmt, die auf diesem Gebiet gewirkt haben, warum soll man dann ausgerechnet denjenigen herabsetzen und dessen Leistungen mißbilligen, der nun in dieser Kette der Auseinandersetzungen und Kämpfe einen Schlußstein gesetzt hat?
Ich glaube, meine Damen und Herren, daß diese Befangenheit der Betrachtung — so will ich mich einmal sanft ausdrücken — im Grunde genommen darauf beruht, daß man die Verschiedenartigkeit von Innen- und Außenpolitik zu wenig berücksichtigt. Der Inhalt der innenpolitischen Auseinandersetzung besteht nämlich darin, in einem Staatswesen, das durch ein bestimmtes staatliches Gewaltenzentrum, von einer Spitze geleitet und gelenkt werden kann, den Einfluß auf die Spitze zu gewinnen, um von dort aus den ganzen Umkreis des staatlichen Lebens in einem bestimmten Sinne beeinflussen oder beeindrucken zu können. Die Außenpolitik kennt keine derartige Spitze über den Völkern und Mächten, von der aus man die
Geschicke der Völker dirigieren könnte, sondern das Verhalten der Völker zueinander und die Stellung des eigenen Volkes zwischen den Völkern beruht auf dem Verhältnis der anziehenden und abstoßenden Kräfte zwischen den Völkern und Mächten. Infolgedessen reden wir in der Außenpolitik immer wieder von einer Konstellation. Wir wenden also gewissermaßen die Vorstellung eines Sternbildes an, das ja durch die anziehenden und abstoßenden Kräfte zwischen den einzelnen Himmelskörpern des Sternbildes geformt wird und innerhalb dessen auch die innere Situation, das Klima, die Lage des einzelnen Gestirns von der Wirkung der anziehenden und abstoßenden Kräfte bestimmt ist. So gesehen bedeutet Außenpolitik etwas grundsätzlich anderes als Innenpolitik, weil sie zum Ziel haben muß, die Konstellation, nämlich das Verhältnis der anziehenden und abstoßenden Kräfte im Sinne des eigenen Volkes und im Sinne des Zusammenwirkens verschiedener Völker zu beeindrucken und zu beeinflussen.
Wenn Sie davon ausgehen, meine Damen und Herren, müßte der Streit um eine außenpolitische Konzeption ganz anders aussehen als im bisherigen Verlauf dieser Debatte. Man hätte dann die Auseinandersetzung um die Frage führen müssen: soll man nun mit diesen oder jenen Mächten anziehende, zentripetale Kräfte lebendig machen; sollen wir uns aus der Isoliertheit lösen und in eine neue europäische Konstellation hineingehen? Die zweite Frage, die dann zur Erörterung steht, ist die: wie machen wir das? Und dann stellen wir fest: die Erweckung anziehender und abstoßender Kräfte zwischen den Völkern beruht ja zumindest auf dem Versuch und der Absicht, das Verbindende unter den Völkern lebendig zu machen, mit den verschiedensten Kräften in den verschiedenen Völkern Fühlung zu gewinnen. Das, was uns als außenpolitischer Willensausdruck eines Volkes entgegentritt, ist nicht der Meinungsausdruck irgendeiner Person oder irgendeiner Regierung, sondern ist eine Resultante aus einer Fülle von Kräften und Kreisen, die gegeneinander und miteinander gerungen haben, damit eine bestimmte außenpolitische Tendenz in Erscheinung tritt. Sehen Sie, das sind Zusammenhänge, die ungeheuerlich schwer zu berechnen sind. So ist eine Außenpolitik ohne ein hohes Maß von Intuition in der Abschätzung von psychologischen Elementen und Kräften überhaupt nicht denkbar. Eine Außenpolitik ist so niemals etwas, was allein als mechanische Apparatur beschlossen, diskutiert und ausgelöst werden kann, sondern Außenpolitik ist zunächst bis zu einem gewissen Grade Handlung und Haltung aus der Intuition, aus Ahnung und Empfindung, die aber durch eine starke ratio gehemmt und gebremst sind, aus der Vorstellungskraft einer Persönlichkeit entwickelt werden kann.
Das hat gar nichts zu tun mit einer autoritären Regierungsweise oder etwa mit der Anerkennung neuer Führerideologien, sondern das bedeutet einfach nichts anderes als die Tatsache, daß die Demokratie nicht nur darin besteht, daß jeder oder alle über jedes reden. Demokratie bedeutet, daß man eine gute Funktionenteilung macht. Im Gegensatz zur Geschwätzdemokratie besteht eine Leistungsdemokratie darin, Vertrauenspersonen zu beauftragen, etwas Positives zu beginnen.
Wenn man mit solcher Wertung an die Dinge herangeht, erkennt man, daß man sich die außenpolitische Auseinandersetzung doch nicht so bequem machen darf, wie es vorhin geschehen ist. Es bedarf doch stärkeren Nachdenkens, um aus dem verwickelten Wesen der Außenpolitik Methoden abzuleiten und zu begründen und über sie zu entscheidender Betrachtung zu gelangen. Ich will damit gar nicht sagen, daß nun jede außenpolitische Angelegenheit unbedingt in der Art und Weise erledigt werden muß, wie das im vorliegenden Falle geschehen ist. Nicht zur Regel werden sollte die ganz überhetzte und überstürzte Art, in der unsere ganzen Arbeiten in diesem Hause oder in den Ausschüssen in dieser oder in anderen Fragen erledigt worden sind. Aber ich finde eigentlich, daß die Herren von der Opposition gar keinen Grund haben, sich in diesem Falle zu beklagen; denn sie sind es ja gewesen, die uns zweimal, nämlich vorige Woche und nun heute wieder veranlaßt haben, in einer überstürzten Weise in eine Aussprache einzutreten, anstatt uns zum Beispiel die Möglichkeit zu geben, die Einzelheiten sehr viel gründlicher. als es diesmal mög hen gewesen ist, in den Fraktionen und eventuell in den Ausschüssen in Einzelprüfungen zu untersuchen und zu beraten, um dann in der nächsten Woche in diese öffentliche Auseinandersetzung mit noch gründlicher gereiftem Urteil hineinzugehen.
Man kann nicht auf der einen Seite den Vorwurf eines autoritären Wirkens erheben, wenn man auf der anderen Seite selber geneigt ist, immer wieder den Wunsch nach einer überhasteten Art der Behandlung der politischen Kernfragen zum Ausdruck zu bringen.
— Es handelt sich nicht um das Flicken von Rissen, sondern es handelt sich um die Vertiefung der Auffassungen. Unter der überhasteten Art der Auseinandersetzung leidet die Gründlichkeit wesentlich. Wenn Sie die Aussprache von heute abend betrachten, werden Sie feststellen können, daß mit wenigen Ausnahmen die Betrachtungen sehr oft an der Oberfläche hängengeblieben sind und auf die eigentliche Tragweite der außenpolitischen Zielsetzung in politischer und geschichtlicher Hinsicht weniger eingegangen worden ist.
Meine Damen und Herren, ich will darum an die Sprecher der Opposition mit ein paar Gegenfragen herantreten. Sie haben sich nämlich nicht darüber geäußert, was denn nun anderes an die Stelle des bisher Getanen treten sollte. Man hat eingewendet: dies ist nicht richtig, und jenes paßt uns nicht. Aber über andere Möglichkeiten haben wir nichts gehört. Der eine der Herren Redner hat gesagt, er wünsche die totale Kooperation der Völker, denn diese halte er für besser. Ich glaube, wir sind alle der Meinung, daß sie erstrebenswert ist, nur meine ich, daß wir diese totale Kooperation nicht mit der Deklamation in diesem Hause, sondern durch eine langsame, mühsame und schrittweise außenpolitische Arbeit erreichen können.
Ein Redner hat die Hoffnung und Meinung ausgesprochen, daß die internationale Arbeiterbewegung ganz besonders für die Erreichung dieser Dinge geeignet wäre. Ich habe mich einmal in jungen Jahren sehr intensiv mit der Historie der
Arbeiterbewegung beschäftigt. Ich hin der letzte, der das Maß an Hingabe, an Opferbereitschaft, an Mut nicht anerkennt, das durch die ganze, jetzt ein Jahrhundert dauernde Arbeiterbewegung in allen Ländern der Welt hindurchgegangen ist. Aber ich kann auch nicht übersehen, daß das, was seit einem Jahrhundert auf diesem Gebiet verkündet wird, in der Wirklichkeit wenig Garantien dafür zeigt, daß auf diesem Wege eine bessere und raschere Lösung dringlichster außenpolitischer Fragen gebracht werden könnte, als sie heute in dem Abkommen, das wir vorliegen haben, dargeboten wird.
Ich muß da sagen, da komme ich nicht mit.
Aber etwas Weiteres. Wollen wir uns doch einmal nach all dem, was eingewandt worden ist, die Frage stellen: Was wäre, wenn? wenn dieses Abkommen nun nicht käme? Bitte, beantworten Sie die Frage! Wollten Sie bestreiten, daß zunächst die allgemeinen ethischen Gedanken oder,
wir wollen sagen, die politisch-moralischen Gesichtspunkte, die in der Präambel und am Schluß dieses Abkommens genannt sind, nicht etwas Wesentliches bedeuten? Ich habe es jedenfalls angesichts seiner hemmenden Rückwirkung auf das deutsche Volk bei der Vertiefung und Verwurzelung des demokratischen Bewußtseins immer als besonders tragisch und schmerzlich in unserem Volk empfunden, daß die Siegermächte ihre Doktrin sich sehr bequem machten, indem sie den Unterschied zwischen Gut und Böse dem Verhältnis Sieger und Besiegte gleichsetzten. Diese Gleichung, meine Damen und Herren, ist durch dieses Abkommen aufgehoben, sie existiert nicht mehr.
Zu Recht hat sie überhaupt nie bestanden; aber nun hat sie ihre formelle Erledigung gefunden.
Zum zweiten aber einige Fragen. Wollen Sie zum Beispiel darauf verzichten, die Teilnahme an internationalen Organisationen zu vollziehen? dem Europarat beizutreten, den internationalen Organisationen, die auf wichtigen Gebieten Dinge tun, von denen gerade das Schicksal deutscher Menschen in weitgehendem Maße abhängt? Wollen wir darauf verzichten, die Möglichkeit zu haben, nun zu Handels- und konsularischen Vertretungen zu gelangen? Dinge, die für ungeheuer viel Menschen, nicht etwa nur für den Außenhandel, sondern für viele Menschen, die irgendwelche ausländischen Interessen wahrzunehmen oder irgendwelche Beziehungen mit dem Ausland zu pflegen haben, die für das Schicksal von Deutschen im Ausland von außerordentlicher Tragweite sind. Ist das so ohne weiteres beiseitezuschieben und gering zu schätzen?
Weiterhin der Beitritt zur Ruhrbehörde. Da ist vorhin gesagt worden, daß durch den deutschen Beitritt diese Ruhrbehörde erst virulent werden würde. Ich weiß nicht, ich habe aus ihrem Statut entnommen, daß sie durchaus funktionsfähig ist auch ohne das Vorhandensein Deutscher; bloß daß, wenn Deutsche nicht darin vorhanden sind, die Gefahr besteht, daß die Virulenz einseitig von wirtschaftlichen Kräften und wirtschaftlichen Interessen und unter Gesichtspunkten bewirkt wird, denen von deutscher Seite überhaupt nicht innerhalb der Institution mit dem nötigen Einfluß entgegengetreten werden kann. Ich bin der letzte,
der dies Institut der Ruhrbehörde zu verteidigen geneigt ist. Sie widerspricht in ihrer Anlage allem, was mir als ein entscheidendes Element meiner politischen Weltanschauung gilt; denn sie ist ein Element, das die freie Bewegung von Menschen, Gütern und Gedanken in aller Welt behindert. Ich habe in der Auseinandersetzung, die wir im Parlamentarischen Rat gehabt haben, diese Ruhrbehörde als eine Zitadelle der Zwangswirtschaft bezeichnet. Aber es steht nicht zur Entscheidung, ob wir dieses Institut schaffen sollen oder nicht, oder ob wir es in unserm Gebiet wirksam machen sollen oder nicht, sondern es handelt sich lediglich um die Entscheidung, ob Deutsche in dem Institut mitwirken sollen oder nicht, und das ist allerdings eine Zweckmäßigkeitsfrage. Mir will scheinen, daß die Mitwirkung von Deutschen in dieser Institution besser, immerhin aussichtsreicher für uns zu sein vermag als die Vertretung der deutschen Interessen durch irgendeinen Beauftragten der Besatzungsmächte oder durch die bloße Anwesenheit eines deutschen Beobachters.
Da wir hier realistisch denken, wollen wir auch nicht vergessen: bei der Erwägung und Würdigung der Möglichkeiten, die das Abkommen gibt, wäre es völlig falsch, in ihm die Verwirklichung aller berechtigten Erwartungen zu sehen und sich etwa einzubilden, daß wir nun auf allen Gebieten unserer internationalen Beziehungen damit sofort eine allumfassende und durchgreifende Erleichterung erhalten. Wir sind durchaus der Meinung, daß ein gewisses Wagnis in diesem Entschluß des Bundeskanzlers liegt. Aber wir sind auch der Meinung, daß es aus dieser verfahrenen, bedrückten und beengten Situation, in die das fürchterliche Kriegsgeschehen und die Gewaltherrschaft der Vergangenheit unser deutsches Volk hineinmanövriert haben, nur einen Ausweg gibt: wenn auch auf dem Gebiet der Außenpolitik eine rege Initiative entwickelt wird. Und ich stehe nicht an zu erklären, daß wir dem Kanzler für die entwickelte Initiative durchaus Dank wissen.
Ich frage mich dann weiter: Wollen Sie wirklich die ganzen Erleichterungen, die auf dem Gebiete der Demontage durch den eingeleiteten und heute einsetzenden Demontagestop eingetreten sind, einfach beiseiteschieben, bloß weil vielleicht der Schlußstein in der Kette der allzu langsamen Entwicklung nun durch eine Persönlichkeit gesetzt worden ist, die parteipolitisch dem einen oder andern nicht genehm ist? Es kann doch niemals der Sinn einer außenpolitischen Betrachtung sein, zu sagen: Ich stimme einer Außenpolitik nur dann zu, wenn ihr Repräsentant mir paßt. Ich muß auch einer außenpolitischen Entscheidung zustimmen, wenn mir die Person nicht paßt, aber wenn der Betreffende die Sache richtig macht.
Oder denken Sie etwa an den Schiffsbau! Meinen Sie, es ist für viele Menschen, die im Schiffsbau beschäftigt sind, gleichgültig, ob dieses Abkommen zustande kommt oder nicht? Wollen Sie wirklich auf die Möglichkeit verzichten, für viele Menschen Arbeit und Brot zu schaffen und gewisse deutsche Techniken wieder zu entwickeln? Wollen Sie wirklich auf die Möglichkeit verzichten, gewisse Exporte wieder zu beginnen und damit zugleich Devisen zu verdienen oder zu sparen?
Wollen Sie diese Möglichkeit nur deshalb ausschließen, weil Ihnen gewisse Formen der Auseinandersetzung, gewisse Methoden beim Zustandekommen des Abkommens nicht gefallen oder weil Sie die artistische Freude daran haben, in dem ganzen Rankengewirr, in dem Dschungel der staatsrechtlichen und völkerrechtlichen Problematik, die uns eine unheilvolle Vergangenheit hinterlassen hat, herumzuklettern?
Bemerkenswert gilt uns auch der Hinweis auf die Möglichkeit, den Kriegszustand zu beenden. Ist das alles so gering zu schätzen? Gewiß, es ist nicht ein Friedenszustand in dem Abkommen ausgesprochen. Aber der Weg zu einer Friedensordnung ist doch immerhin ermöglicht. Ich weiß nicht, ob man die Sätze so gering schätzen sollte, die am Schluß dieses Abkommens stehen und in denen gesagt ist, daß die Hohen Kommissare und der Bundeskanzler diese Niederschrift unterzeichnet haben in der gemeinsamen Entschlossenheit, die in der Präambel aufgestellten Absichten zu verwirklichen, und in der Hoffnung, daß ihre Abmachungen einen bedeutsamen Beitrag zur Einordnung Deutschlands in eine friedliche und dauerhafte Gemeinschaft der europäischen Nationen darstellen. Es ist wohl kaum jemand in diesem Hause, der sich zu diesem Ziel nicht bekennen möchte. Sollte man sich nicht einen Stoß geben können, angesichts dieser wichtigen Erklärung, die zum ersten Male durch ein gemeinschaftliches Abkommen zwischen den Vertretern dreier Besatzungsmächte und dem Repräsentanten der deutschen Regierung zustande gekommen ist, über all die kleinlichen Vorstellungen der innenpolitischen Eifersucht hinwegzugehen und hier ein gemeinsames Bekenntnis dieses Bundestags zu dem europäischen Frieden, zu der größeren Gemeinschaft der Völker auszusprechen und anzuerkennen, daß schließlich auf diesem Gebiet ein Beginn erreicht ist, der vor Monaten noch gar nicht möglich erschien? Wir sind doch alle an diesen neuen Staat mit Zweifeln herangegangen, und wir haben seine Möglichkeiten nicht zu hoch eingeschätzt. Aber ich glaube, es ist ein Element, das geeignet wäre, den Sinn und den Wert der Bundesrepublik in dem Bewußtsein weiter Schichten der Bevölkerung zu verwurzeln, wenn sie erkennt, daß hier auf außenpolitischem Gebiet in der Auseinandersetzung mit den Besatzungsmächten ein erster Schritt vorwärts getan ist. Daß weitere Schritte folgen müssen, daß wir nicht am Ende der Entwicklung sind, darüber kann nirgendwo ein Zweifel bestehen.
Unendlich viel ließe sich über das sagen, was über das bisher Erreichte hinaus nützlich und wünschenswert wäre. Ich glaube aber, in dieser mitternächtigen Stunde sind Sie durchaus mit mir einig, wenn ich das heutige Abkommen nicht dadurch verlängere, daß ich lauter Vorschläge und Forderungen anmelde, die als Ergänzungs- und Erweiterungsmöglichkeiten wünschenswert wären.
Ich weiß, es besteht bei den Parteien, die an dem Kabinett beteiligt sind, weitgehend Übereinstimmung darüber, daß sie sich auf den Boden dieses Abkommens stellen, dieses Abkommen bejahen und seine Notwendigkeit anerkennen. Aus diesem Grunde kann ich für meine Fraktion erklären, daß wir von der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers nicht nur Kenntnis genommen haben, sondern der Zielsetzung der Bundesregierung auf diesem Gebiet in vollem Umfange zustimmen.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Meine Damen und Herren! Mit Rücksicht auf die vorgerückte Zeit will ich mich auf möglichst wenige Worte beschränken.
Ich möchte zunächst gegenüber Herrn Professor Baade feststellen, das Oppau nicht demontiert wird, sondern 40 Prozent von Oppau.
Ich möchte weiter feststellen, daß in dem Abkommen die Stahlquote nicht neu festgesetzt wird. Es wird vielmehr lediglich gesagt, daß sich durch die Absetzung der Demontage an der Festsetzung der Stahlquote nichts ändert. Das ist ein großer Unterschied.
Ich möchte ferner die Herren, die mich so kritisiert haben, fragen, ob sie sich darüber klar sind, daß, wenn nicht gehandelt worden wäre — und daß in dem Handeln wie in jedem Handeln eine gewisse Gefahr liegt, darüber war ich mir vollständig klar —, in spätestens drei Monaten die Demontagefrage erledigt worden wäre, weil dann nichts mehr dagewesen wäre.
Wenn der Herr Kollege Baade meine Ausführungen aus dem Landtag von Nordrhein-Westfalen zitiert hat, so bitte ich ihn, auch zu zitieren, was ich im Dezember des vergangenen Jahres zu dem Ruhrabkommen gesagt habe. Ich habe damals gesagt: „Auf den Geist, mit dem das Ruhrabkommen ausgeführt wird, wird es ankommen."
Ich hoffe, daß wir dafür sorgen können, daß es mit dem richtigen Geist ausgeführt wird. Herr Kollege Baade hat ferner gesagt: Wenn die Ruhrbehörde nur aus Arbeitnehmern bestünde, dann würde er den Beitritt Deutschlands zu der Ruhrbehörde zugestehen.
— Es wurde soeben von diesem Platz aus gesagt. Ich dachte, ich hätte nicht zugehört.
Aber, meine Damen und Herren, es bleibt ja bestehen, daß mir der Vorwurf gemacht worden ist, ich hätte einen zu teuren Preis durch Zugeständnisse bezahlt. Ich stelle fest : es ist ein einziges Zugeständnis gemacht worden, indem erklärt worden ist: Wir sind bereit, mit dem Sicherheitsamt zusammenzuarbeiten. Also genau das, was auch die Herren von der Opposition erklärt haben. Es ist weiter erklärt worden, daß wir entschlossen sind, die deutschen Stimmen in der Ruhrbehörde wahrzunehmen, damit die Ruhrbehörde im richtigen Geiste arbeitet.
Nun kann ich doch nicht umhin, Ihnen, meine Damen und Herren, Mitteilung von einer Depesche zu machen, die ich soeben bekommen habe. Sie werden aus dieser Depesche ersehen, daß es, Gott sei Dank, auch in Deutschland noch große und einflußreiche Organisationen gibt, die anders denken als die Vertreter der Opposition. Ich erhalte soeben folgendes Telegramm aus Düsseldorf, und zwar eine Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes zum deutsch-alliierten Abkommen.
In dem soeben veröffentlichten deutsch-alliierten Protokoll sei ein ernsthaftes Bemühen der Alliierten zu erkennen, den deutschen Bedürfnissen entgegenzukommen, heißt es in
einer ersten Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes.
Eine Reihe von Problemen bleibe jedoch leider nach wie vor bestehen. Es würde deshalb die vornehmste Aufgabe aller berufenen Stellen sein müssen, den arbeitenden Menschen, die weiterhin durch die Demontage bedroht seien, die Sorge um ihre Existenz zu nehmen.
— Einen Augenblick! Es fragt sich, ob Sie gleich auch noch „Sehr richtig!" sagen. Die Hauptsache kommt nämlich.
Obwohl das deutsch-alliierte Abkommen nicht in allen Teilen befriedige, sei nach Ansicht der Gewerkschaften eine Mitarbeit der Bundesregierung in der internationalen Ruhrbehörde richtig.
— Ich werde Ihnen den Satz nochmals vorlesen.
Obwohl das deutsch-alliierte Abkommen nicht in allen Teilen befriedige, sei nach Ansicht der Gewerkschaften eine Mitarbeit der Bundesregierung in der internationalen Ruhrbehörde richtig. Dies vor allem, weil es scheine, als seien die Befürchtungen in bezug auf Artikel 31 des Ruhrstatuts gegenstandslos geworden. An den Beitritt der Bundesregierung knüpften die Gewerkschaften die Erwartung, daß in der Folge die Schwerindustrie Europas in den Arbeitsbereich der Ruhrbehörde einbezogen werde.
Dieses Telegramm ist eine Meldung der „United Press" aus Düsseldorf.
— Ich weiß nicht, warum man sich da so ereifert.
Ich habe Ihnen ein Telegramm der „United Press" vorgelesen.
— Ich habe das Telegramm wörtlich vorgelesen, Herr Dr. Schumacher.
Herr Abgeordneter Dr. Schumacher, darf ich einmal folgendes feststellen: Nach meiner Erinnerung hat der Herr Bundeskanzler gesagt, er hätte folgendes Telegramm bekommen.
Von wem, hat er nicht gesagt.
Ich bitte, den Herrn Bundeskanzler weitersprechen zu lassen.
Meine Damen und Herren! Ich stelle nochmals fest, daß dieses Telegramm von der „United Press" allgemein verbreitet worden ist.
Ich möchte den Herrn Kollegen Schumacher bitten, sich nicht an mich zu wenden, sondern an Herrn Dr. Böckler.
Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Loritz hat ums Wort zur Geschäftsordnung gebeten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich zur Geschäftsordnung gemeldet. Nachdem die mitternächtige Stunde bereits überschritten ist, stellen wir den Antrag, die Debatte auf morgen früh zu vertagen.
— Ganz richtig! Und zwar stellen wir diesen Antrag aus dem Grunde, weil es nicht angeht, daß jetzt um Mitternacht oder um 1 Uhr, 2 Uhr, 3 Uhr
die Vertreter der kleineren Fraktionen gezwungen werden, zu Wort zu kommen. Diese haben genau so wie die anderen das Recht, zu sprechen, und sie haben vielleicht noch manches zu sagen, was zu dieser Debatte gesagt werden muß. Wir sitzen heute seit 10 Uhr in diesem Hause beisammen!
— Ganz richtig: Sie auch! — Aber es gibt schließlich auch einmal eine Grenze der Aufnahmefähigkeit. Wir wehren uns dagegen, daß die Debatte jetzt, wie man so sagt, durchgepeitscht werden soll. Ich glaube, es ist noch manches zu sagen, und man kann dem Hohen Hause nicht zumuten, um 1 Uhr, 2 Uhr oder 3 Uhr in der Frühe beisammen zu sein.
— Wenn in einem Zwischenruf von Nachtsitzung gesprochen wurde, Herr Kollege, so mache ich Sie darauf aufmerksam — weil Sie gerade vom französischen Parlament sprechen —, daß dort, wo solche Nachtsitzungen angesetzt werden, dann auch
die Sitzungen abends um 7 Uhr oder um 8 Uhr beginnen, aber nicht in der Frühe um 10 Uhr! Wie stellen deswegen zur Geschäftsordnung den Antrag — und ich bitte den Herrn Präsidenten, darüber abstimmen zu lassen —, die Sitzung zu vertagen und sie heute früh um 9 Uhr oder 10 Uhr oder zu einem sonstigen Zeitpunkt wieder aufzunehmen.
Meine Damen und Herren! Sie haben den Antrag des Herrn Abgeordneten Loritz zur Geschäftsordnung gehört, die Sitzung abzubrechen und auf heute früh — den Zeitpunkt hat er allerdings offengelassen — zu vertagen. Wird zu diesem Antrag zur Geschäftsordnung das Wort gewünscht? — Ich stelle fest, daß das nicht der Fall ist. Dann lasse ich über den Antrag abstimmen.
Wer für den Antrag des Herrn Abgeordneten Loritz ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Meine Damen und Herren, ich muß auszählen lassen; ich bitte, die Hände hochzuhalten. — Ich bitte um die Gegenprobe. —
Meine Damen und Herren! Ich habe soeben festgestellt: für den Antrag sind 135 Abgeordnete gewesen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Gegenprobe die Mehrheit erweist. Ich stelle das fest und stelle weiterhin fest, daß der Antrag des Herrn Abgeordneten Loritz damit abgelehnt worden ist.
Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist keine dankbare Aufgabe. in dieser mitternächtigen Stunde, nachdem die wesentlichen Dinge bereits gesagt worden sind, noch zu einigen Fragen Stellung zu nehmen. Ich möchte meine Ausführungen nicht mit einer langatmigen Polemik gegenüber der Art und Weise belasten, mit der von der Opposition in dieser ernsten Stunde und Angelegenheit der Kampf geführt worden ist. Die Opposition hat eine bemerkenswerte Verärgerung an den Tag gelegt, und mir ist bisher noch nicht erkennbar geworden, welches denn ihre Konzeption sei und was sie nun eigentlich will.
Die beiden Redner der Opposition haben eine politische, rechtliche und wirtschaftliche Würdigung des Tatbestandes versucht. Ich habe den lebhaften Eindruck. daß insbesondere bei der rechtlichen Würdigung dieses Tatbestandes von einer vollkommen falschen Konzeption ausgegangen worden ist.
Man hatte bei den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt den Eindruck, daß wir uns hier in dem Gedankenspiel eines völkerrechtlichen Seminars befunden haben.
Dazu ist dieser Gegenstand aber nicht geeignet; denn es geht ganz einfach darum, ob einige Schornsteine mehr in Deutschland rauchen,
ob einige Hunderttausend Familien vor dem entsetzlichsten Elend, vor der Arbeitslosigkeit, bewahrt werden oder nicht.
Meine Damen und Herren! Wir haben uns durch ein uferloses Schrifttum in den letzten 3 Jahren daran gewöhnt, Dinge der Politik und Dinge des deutschen Schicksals mit einer literarischen Intellektualität zu betrachten, die einen ekeln kann.
Ich habe hier festzustellen: der Opposition ist offenbar noch nicht klar geworden, daß Deutschland, daß das Deutsche Reich untergegangen ist durch eine debellatio, das heißt vollkommene Besiegung.
Es geht jetzt um den Weg zurück, einfach darum, diesen deutschen Menschen das Leben zu erhalten.
— Darum geht es!
— Es mag sein, daß meine Gedanken Plagiat sind. Es ist vielleicht auch etwas viel verlangt, wenn
man zu diesen ernsten Dingen, bei denen es bloß ernste und einfache Gedanken geben kann, Gedanken vorbringt, die vielleicht allen geläufig sind. Es wäre mir eine Ehre, wenn ich so sprechen könnte!
Gehen wir doch einmal nüchtern aus von dem, was da geschehen ist. — Die Bundesregierung unter Führung des Bundeskanzlers hat begonnen, einen politischen Weg zu gehen, den man vielleicht einfach mit dem Kennwort „Verständigung" be- zeichnen kann. Das ist ein außerordentlicher Fortschritt gegenüber einer Situation, wie sie im Jahre 1945 über das deutsche Volk gekommen war. Wenn Sie die Verlautbarungen, die Präambel etwa der Potsdamer Erklärung lesen, wenn Sie den Geist all dieser Instrumente erkennen, die kraft des Rechtes des Siegers, kraft Kriegsrecht über uns verhängt worden sind, dann müssen Sie mir zugeben: als vernünftig und nüchtern denkender Mensch kann man das Bemühen, auf dem Wege der Verständigung fortzuschreiten, auf dem Wege der Verständigung Millionen deutschen Menschen wieder die Luft zum Atmen zu verschaffen, nur als verdienstvoll, als die einzig mögliche Tat bezeichnen.
Wie man angesichts dieser Aufgabe, dieser Notwendigkeit, dazu übergehen kann, in einer überaus, ich möchte fast sagen, rabulistisch-juristisch scharfsinnigen Weise ein Gebäude von gespenstischen Normen aufzubauen und in diesem gespenstischen Gedankennetz ,eine vernünftige, simple und klare Tat einfangen zu wollen, um sie in ihrer Wirkung zu zerstören, ist mir vollkommen unerfindlich.
Was ist denn unsere Aufgabe hier? Wir sollen dem Ausland ein klares Bild geben, wie wir zur Politik unserer Regierung stehen. Wenn man die Ausführungen der Opposition, die juristischen Darlegungen des Herrn Abgeordneten Arndt, dessen fachlichen Scharfsinn ich persönlich außerordentlich hochschätze, und die Darlegungen von Herrn Professor Baade miteinander vergleicht, so muß man zu dem Ergebnis kommen, daß sie in sich widerspruchsvoll waren. Während der Jurist eine ganze Reihe von Gedankenfäden kreuz und quer durch diese Landkarte gezogen hat, ein Netz von Schlingen, von Fallstricken, um den Fuß der Regierung zum Stolpern zu bringen, hat Herr Professor Baade, der Wirtschaftswissenschaftler, den unendlich mühsamen Weg aufgezeigt, auf dem das eine der Probleme, nämlich die Demontage, angefaßt werden mußte. Dort ist es dem Herrn Bundeskanzler und der Bundesregierung gelungen, ein Ergebnis 'zu erzielen, gewiß, ein Ergebnis, das auch auf der Arbeit anderer beruht hat. Ich habe aber kein Wort des Herrn Bundeskanzlers oder der Regierung gehört, daß die verdienstvolle, die wirkliche Arbeit an diesem Problem nicht anerkannt worden wäre.
Aus dem Gesamtgefüge des Vortrags der Opposition selbst läßt sich jedenfalls ein Bild der oppositionellen Meinung kaum ermitteln.
Wenn man nun dieser Kritik gegenüber zu dem positiven Vorbringen übergehen will, dann muß man doch eines feststellen, und ich möchte diese Feststellung als Replik gegenüber dem Vorwurf der Opposition zum Ausdruck bringen, in dem Verfahren der Bundesregierung sei eine Verfassungsverletzung, nämlich der Artikel 24 und 59 des Grundgesetzes zu sehen. Ich glaube, dieser Vorwurf verkennt vollkommen die juristische Tragweite des Instruments der Punktationen des Herrn Bundeskanzlers mit den Oberkommissaren, die hier zur Diskussion stehen. Wir müssen immerhin davon ausgehen, daß mit den Ereignissen von 1945, mit der ganzen Art der Kriegführung, die wir hinter uns haben, mit dem Verfahren der Behandlung Deutschlands nach der debellatio, nach der vollkommenen Besiegung, tatsächlich sich ein Vorgang vollzogen hat, den man weitgehend - ich will den Ausdruck nicht übertreiben — als einen Zusammenbruch des überkommenen Völkerrechts leider qualifizieren muß. Und nun ist es die Aufgabe, die sehr mühselige Aufgabe, auf dem Wege der Verständigung wieder zu Normen und zu Verhaltensweisen zu kommen, die den Aufbau eines neuen Völkerrechts beinhalten. Denn das, was mit Deutschland nach 1945 geschehen ist, hat im bisherigen Völkerrecht keinen Vorgang, und alle Versuche rechtstheoretischer Deutung der faktischen Vorgänge sind bisher gescheitert. Ich möchte die Fachkenner aus der Opposition fragen, ob sie wirklich mit ehrlichem Gewissen sagen können, daß das, was sie vertreten, nach völkerrechtlichen Normen rechtens ist, ob sie die gegenwärtig geltenden völkerrechtlichen Normen wirklich kennen. Ich möchte von mir persönlich behaupten, daß die Vorgänge so, wie sie seit 1945 über unsere zivilisierte Welt hereingebrochen sind, eine wirkliche normative Deutung bisher noch nicht haben finden können. Ich glaube, daß diese grundsätzliche Erkenntnis wichtig ist, um überhaupt zu einer völkerrechtlichen Wertung in der Gegenwart zu kommen, um überhaupt auf diesem Gebiet richtig operieren zu können.
Die Bundesregierung hat das in einem solchen Zeitpunkt einzig Mögliche getan. Sie hat die Fakten genommen so, wie sie sind, und Stein für Stein auf diese Fakten gesetzt. Dazu hat sie unsere vollste Billigung. Es ist nicht unsere Aufgabe, jetzt rechtstheoretisch zu fragen: was bedeutet dies oder jenes, welche Konsequenz hat es oder welche Konsequenz hat es nicht? Jede Äußerung auf diesem Gebiet fängt uns in
irgendeine Gedankenschlinge und ist, wie der Spanier sagt, in der Regel contra producente, gegen den, der es hervorgebracht hat. Wir sollten uns gewöhnen — und ich sage das im vollen Bewußtsein des rechtlichen Gewissens als ein Jurist, der die Aufgabe des Rechtes und der Wahrung des Rechtes überaus ernstzunehmen bemüht ist —, uns darüber klar zu werden, daß uns gerade aus dieser Gesinnung heraus die Bescheidenheit geziemt, nun nicht irgendwelche Vorstellungen zu erdenken und zu suchen, die gegenüber der Tatsächlichkeit gar nicht standhalten. Die Zeit, in der die Normen wieder gefunden sind, ist noch nicht gekommen. Ein Hugo Grotius dieser Zeit ist noch nicht geboren, ist noch nicht da, und vielleicht wird erst einmal die Nachwelt, dann nämlich, wenn das System der Zusammenarbeit unter den europäischen Völkern steht, wirklich juristisch werten und erkennen können, was hier geschieht.
Es ist daher närrisch und im deutschen Interesse auch sehr unklug, nun den Versuch zu unternehmen, hier juristische Gedankengebäude aufzuführen und gar die Normen des Grundgesetzes in Anspruch zu nehmen, die Artikel 24 und 59, um damit eine Legitimitätsgrundlage für einen dynamisch sehr viel bescheideneren Vorgang zu schaffen, als er in diesen beiden Verfassungsartikeln vorgesehen ist. Diese Artikel beziehen sich auf die Vertragsschließung zwischen souveränen Staaten, während das, was hier geschehen ist, erst der bescheidene Schritt vorwärts sein will, um zu jenem uns und der Opposition gewiß gemeinsamen Ziel vorzustoßen, dem Ziel, zur Freiheit und zur Gleichberechtigung zu kommen. Aber an der Schwelle dieses Ziels steht die Verständigung, und der Weg der Verständigung ist realistisch und nüchtern zu beschreiten, indem man die Dinge einmal so nimmt, wie sie sind.
Die Bundesregierung hat das deutsche Volk in nichts gebunden, denn das ist doch das Wesen der debellatio, der Kapitulationsbesetzung von 1945, daß kraft des Rechtes, des Kriegsrechtes, die oberste Gewalt über Deutschland an die Siegermächte gelangt ist, daß kraft dieser von ihnen behaupteten obersten Gewalt, gegenüber der vom deutschen Volk eine Verzichtleistung des Widerstandes erfolgt ist, uns die Instrumente unseres Daseins auferlegt worden sind. Wenn nun die Bundesregierung Teile der uns genommenen Hoheitsrechte zurückgewinnt und wieder an sich nimmt, so kann man hier doch nicht von irgendeinem Preisgeben, von irgendeiner Bindung oder von irgendeinem Beitritt zu einem Abkommen sprechen, sondern es ist tatsächlich seinem ganzen Wesen nach ein exekutiver Akt, ein ganz bescheidener Akt, etwas wieder an sich zu nehmen, was aus dem beschlagnahmten Inbegriff der deutschen Hoheitsrechte nun wieder in die deutsche Hand gelegt wird.
Aber dieses Legen in eine deutsche Hand bedeutet noch ein Stückchen mehr. Will diese deutsche Hand das Hoheitsrecht festhalten? Die Welt hat sich grundlegend gewandelt, seitdem die Theorien geschaffen worden sind, von denen der Herr Kollege Arndt ausgegangen ist. Kann die deutsche Hand dieses Hoheitsrecht auch festhalten, und ist es so in diese deutsche Hand gelegt worden, daß es in ihr ein wirksames Instrument bleibt? Dazu ist das Vertrauen nötig, und dieses Vertrauen zu gewinnen ist eine langsame, geduldige, mühselige Arbeit. Daher hieße es das Pferd vom Schwanze aufzäumen, wenn man hier mit dem Verfassungsbedenken der Artikel 24 und 59 des Grundgesetzes operieren wollte. — Dies zur Kritik der einen Seite.
Ich möchte es mir mit Rücksicht auf die vorgeschrittene Stunde schenken, zu dem eigentlichen Gegenstand dieser Punktation eine Analyse zu geben. Immerhin, auf eines muß doch hingewiesen werden, und das ist das Entscheidende: man sollte die Demontagefrage gar nicht so sehr in den Vordergrund stellen. Denn hier steht ganz erheblich mehr drin als nur die Demontagefrage. Das ist heute abend hier fast gar nicht erwähnt worden. Wenn hier in der Präambel von dem Wunsch und der Entschlossenheit beider Parteien, ihre Beziehungen auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens fortschreitend zu entwickeln, die Rede ist, dann ist dies ein außerordentlicher Fortschritt. Die Bundesrepublik soll als friedliebendes Mitglied in die europäische Gemeinschaft eingegliedert werden und am Schluß des Dokuments findet sich derselbe Gedanke nochmals angedeutet:
Die Hohen Kommissare und der Bundeskanzler haben diese Niederschrift unterzeichnet in der gemeinsamen Entschlossenheit, die in der Präambel aufgestellte Absicht zu verwirklichen, beide
— das ist ein unerhörter Fortschritt —
in der Entschlossenheit, dieses Ziel zu verwirklichen, und in der Hoffnung, daß ihre Abmachung einen bedeutsamen Beitrag zur Einordnung Deutschlands in eine friedliche und dauerhafte Gemeinschaft der europäischen Nationen darstellt.
Wenn Sie demgegenüber die Texte des Potsdamer Abkommens, den Urteilsspruch gegen die IGFarben-Industrie, die Urteilssprüche von Nürnberg, das Jalta-Abkommen, die Direktive 24 und so viele Gesetze in ihren Präambeln lesen, dann werden Sie wohl schon merken, daß das hier ein Fortschritt ist. Es wäre närrisch, diesen Kernpunkt des Fortschritts, diese Basis einer langsamen Wiedergesundung in der Mitte Europas nun wegzufaseln mit einem Netz von Argumenten, die in einem juristischen Seminar ganz amüsant sein könnten, aber hier in diesem Hause weit an der Sache der politischen Aufgabe vorbeigehen müssen.
Ich darf meinen Darlegungen noch ein Anliegen, ein niedersächsisches Anliegen hinzufügen: Watenstedt-Salzgitter. Mit besonderer Befriedigung durften wir von der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers Kenntnis nehmen, daß die Möglichkeit oder jedenfalls die feste Bereitschaft vorhanden ist, das Siedlungsgebiet von Watenstedt-Salzgitter lebensfähig zu erhalten. Diese Zusage, die Notwendigkeit, diese Menschen in dem Grenzgebiet zu erhalten, liegt auf der Hand.. Es ist ein Grenzgebiet; eine Verzweiflung und Radikalisierung in diesem Gebiet wäre außerordentlich nachteilig. Wir nehmen es als einen Hoffnungsschimmer und notieren die feste Bereitschaft, daß hier bei der Art der nun schon fast ganz vollzogenen Demontage doch die Produktionsstätten so weit erhalten bleiben, daß die Möglichkeit des Aufbaues einer neuen und anders gearteten Industrie in diesem Gebiet besteht.
— Daher, daß die Bundesregierung ihren festen Willen zum Ausdruck gebracht hat, diese Menschen in Watenstedt-Salzgitter nicht verkommen zu lassen. Das muß hier festgestellt, und zwar deutlich festgestellt werden, damit nicht mit dem Elend und der Verzweiflung dieser Menschen Mißbrauch getrieben werde.
Wir hoffen auch auf die Hilfsbereitschaft -- ich spreche hier etwas niedersächsisch — des Landes Nordrhein-Westfalen, das auch sehr große Opfer hat bringen müssen, das aber im Verhältnis zu Niedersachsen, dem diese Industrie nun verloren geht, besser weggekommen ist. Ich glaube, daß gerade das Wesen der bündischen Zusammenarbeit, des neuen deutschen Föderalismus im Kern das sein muß: die Hilfsbereitschaft der Länder untereinander und das Verständnis für die Notwendigkeiten der einzelnen Länder. Nur so kann eine bündische Zusammenarbeit wirksam gestaltet werden.
Ich möchte meine Ausführungen damit schließen und im Auftrag meiner Fraktion folgende Erklärung abgeben, die inhaltlich mit den bisher abgegebenen Erklärungen der Regierungkoalitionsfraktionen übereinstimmt:
Die Fraktion der Deutschen Partei hat mit Befriedigung von der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers Kenntnis genommen und stimmt der Zielsetzung der Bundesregierung zu.
Die überwiegende Mehrheit dieses Hauses und gerade Sie von der Linken haben uns von der Bayernpartei wiederholt in ganz Deutschland den schweren Vorwurf gemacht, wir seien nicht deutsch, wir dächten nicht deutsch und wir hätten kein Verständnis für die deutsche Einigkeit, ja wir würden von der Bayernpartei aus die deutsche Einigkeit stören. Heute ist die Stunde, in der wir beweisen, daß wir deutsch denken und die deutsche Einigkeit herstellen wollen.
Meine Damen und Herren, Sie haben heute vor dem deutschen Volk und vor der ganzen Welt in kläglicher Weise den Beweis erbracht, daß nicht das stolze Eigenbewußtsein unserer deutschen Länder die deutsche Einigkeit gefährdet, sondern daß Sie die deutsche Einigkeit durch einen Parteiegoismus gefährden, indem Sie in einer außenpolitischen Situation innerpolitische Zusammenhänge heraufbeschwören.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Fisch.
Meine Damen und Herren! Vor zwei Tagen bezeichnete der Pressechef des Herrn Bundeskanzlers die Tatsache als ein Zeichen der Dekadenz der Demokratie, daß der französische Außenminister es für nötig hielt, mitten in den Verhandlungen der Pariser Konferenz sein Kabinett zu befragen, welche Haltung er beim Abschluß der Beratungen einzunehmen habe. Man kann sagen, daß eine solche Äußerung den Geist widerspiegelt, der in diesem Bundeshause herrscht und der von dern Herrn Bundeskanzler selbst dirigiert wird. Man kann sagen, daß der alte Geist eines Goebbels wieder auferstanden ist.
Herr Abgeordneter Fisch, darf ich Sie fragen, mit wem Sie den Vergleich in bezug auf Goebbels anstellen?
Ich habe damit die Äußerung über die Dekadenz der französischen Demokratie und denjenigen, der sie getan hat, gemeint.
Wir erinnern uns noch, daß man vor nicht allzu langer Zeit nach der Richtung Osten erklärt hat, dort herrsche die asiatische Diktatur, während man nach der Richtung Westen erklärt hat, dort herrsche eine dekadente Demokratie.
Wenn der Pressechef der Regierung keine originelleren Ideen aufzutischen hat als jene, die wir
aus dem Leierkasten der Nazi-Ideologie kennen,
dann brauchen wir nicht lange zu fragen, welche Richtung die vom Bundeskanzler gesteuerte Politik annimmt.
Aber was ist die Methode, die der Herr Bundeskanzler in deutlicher Distanzierung von jenen anderen, „dekadenten" Methoden anzuwenden beliebt? Er pocht auf unbeschränkte Vollmachten, die ihm zu solchen Handlungen von niemand erteilt worden sind, am allerwenigsten aber vom deutschen Volke. Er stellt das Parlament vor vollendete Tatsachen. Er gibt unter Ausschluß der Öffentlichkeit Vorschläge an die Hohen Kommissare in der Absicht, daß sie die Grundlage für kommende entscheidende Abmachungen bieten sollten. Er legt diesen Vorschlägen das Memorandum eines privaten großkapitalistischen Konzerns bei und gibt ihm damit einen amtlichen Charakter. Ich glaube, es ist hier die Frage angebracht, in welcher Eigenschaft der Herr Bundeskanzler gehandelt hat, ob als Chef einer Regierung oder als Prokurist einer Privatfirma.
Der Herr Bundeskanzler hielt es für angebracht,
zwei Tage später erst mit einem Bericht vor das
Haus zu treten, zwei Tage, nachdem er weitgehende
Verpflichtungen angenommen und seine Unterschrift unter sie gesetzt hat. In dem Dokument, das
uns heute vorgelegt worden ist und das die Abmachungen vom Petersberg wiedergibt, heißt es
unter Punkt 5: „Die Bundesregierung ist fest entschlossen, das Wiederaufleben totalitärer Bestrebungen welcher Art auch immer zu verhindern."
Mir scheint aber, daß sie dieses Gelöbnis schon am
ersten Tage, wo es ausgesprochen worden ist, gebrochen hat und daß sie unter westalliierter Anleitung und Ermunterung gerade auf die bevorzugte Anwendung solcher totalitären Methoden
hinsteuert. Meine Damen und Herren, ich glaube
aber, daß der Herr Bundeskanzler mit diesem Verfahren eine Rechnung ohne das Volk gemacht hat.
Die Stimme des Volkes hat sich bereits erhoben, nicht nur in jenen Dankesbezeugungen, die heute so schnell zur Vorlesung gebracht wurden, sondern auch in jenen Streiks in Reisholz, in Düsseldorf und in anderen Orten, die sich gegen den Ausverkauf der deutschen Industrie durch solche Leute richten, die vorgeben, im Interesse des Volkes zu handeln, in Wirklichkeit aber ihre Hand dazu bieten, daß Deutschland in den Status einer Kolonie degradiert wird.
Für eine solche Handlungsweise wird eines Tages Rechenschaft verlangt werden.
Was ist eigentlich auf dem Petersberg unterschrieben worden? In welche Form hat man die Dinge gekleidet? Das Dokument ist als „Abmachungen" betitelt. Die Bezeichnung als „Abmachungen" scheint aber dem wirklichen Sachverhalt zu widersprechen und eine bloße Zweckgestaltung zu sein. Die Besatzungsmächte konnten nicht an den Ereignissen vorübergehen, die sich vor wenigen Wochen in Berlin abgespielt haben; sie konnten nicht die Tatsache ignorieren, daß der provisorischen Regierung der Deutschen Demokratischen Republik Souveränitätsrechte eingeräumt worden sind. Deswegen wählt man den Schein einer Parität, deswegen spricht man von „Abmachungen", und darum läßt man Herrn Adenauer als scheinbar Gleichberechtigten seine Unterschrift neben die Unterschriften der alliierten Kommissare setzen.
Der Herr Bundeskanzler sprach aber nicht nur von der amtlichen Formulierung der „Abmachungen", sondern gebrauchte den Begriff eines „Abkommens". Wenn es sich aber um ein Abkommen handelt, dann gilt hier die Bestimmung des Artikel 59 des Grundgesetzes, in dem die Zustimmung oder Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften verlangt wird. Dem hat man hier nicht Rechnung getragen. Es ist bewußt, es ist absichtlich nicht geschehen, und deswegen handelt es sich hier um einen Bruch der Verfassung.
Herr Abgeordneter Fisch, ich bitte Sie, sich der Tragweite Ihrer Bemerkung bewußt zu werden, wenn Sie der Regierung einen Verfassungsbruch vorwerfen.
Ich bin mir der Bedeutung meiner Bemerkung bewußt.
Ich weise Ihre Bemerkung zurück. Eine derartige Bemerkung ist im Hause bisher überhaupt noch nicht gefallen.
Vielleicht hatten einige Kollegen das gleiche Wort im Sinn, es aber mit Rücksicht auf die Geschäftsordnung nicht gewagt, das Wort auszusprechen.
Eine bedeutende süddeutsche Zeitung unterwarf dieses seltsame Verfahren einer Betrachtung und schreibt dazu, es werde im wesentlichen von der Auffassung der drei alliierten Verhandlungspartner abhängen, ob auf eine nachträgliche Bekräftigung der Vereinbarungen durch den Bundestag Wert gelegt werde. Ich möchte deshalb an den Herrn Bundeskanzler die Frage richten, ob seine alliierten Verhandlungspartner Wünsche in dieser Frage geäußert haben und ob das hier angewendete Verfahren auf einem Befehl der Hohen Kommissare beruht, oder ob es der Herr Bundeskanzler freiwillig angewandt hat.
Es handelt sich weder um Abmachungen noch um ein Abkommen, sondern nach Form und Inhalt um ein klares Diktat.
Muß es nicht geradezu lächerlich wirken,
wenn angesichts eines solchen Tatbestandes von der Gleichberechtigung der Partner gesprochen wird, die dadurch bewiesen werde, daß die deutsche Sprache gleichberechtigt verwandt worden ist und der deutsche und der britische und der französische Text als gleich maßgebend gelten?
Herr Abgeordneter Fisch, ich mache Sie darauf aufmerksam: wenn Sie weiter solche Ausdrücke wie „lächerlich" gebrauchen, werde ich von den mir zustehenden Maßnahmen Gebrauch machen.
Ich habe nur gefragt, ob es nicht lächerlich wirke und überlasse Ihnen gern, die Antwort darauf zu geben.
Herr Abgeordneter Fisch, das ist eine rhetorische Diktion.
Meine Damen und Herren, das deutsche Volk hat ein Recht darauf, daß die Karten offen auf den Tisch gelegt werden. Meine Fraktion verlangt deswegen die unverzügliche Veröffentlichung des genauen Wortlauts der Noten, die der Herr Bundeskanzler am 1. und am 7. November an die Hohe Kommission gesandt hat. Meine Fraktion verlangt zweitens die Veröffentlichung des Textes jenes Memorandums der Vereinigten Stahlwerke, dem der Herr Bundeskanzler durch die Absendung an die Hohen Kommissare einen amtlichen Charakter erteilt hat. Drittens verlangt meine Fraktion, das Ersuchen an die Hohe Kommission und insbesondere an den amerikanischen Hohen Kommissar zu richten, daß der genaue Wortlaut jener Andeutungen und Erklärungen veröffentlicht werde, die gewisse amerikanische Militärs und Zivilisten vor einigen Tagen in Bonn über die notwendige Errichtung einer
deutschen Armee gemacht haben,
jener Erklärungen, die von dem Präsidenten der Vereinigten Staaten weder zurückgewiesen noch auch nur dementiert worden sind. Ich erlaube mir, dem Herrn Präsidenten einen entsprechenden formellen Antrag zu überreichen, in dem diese Forderungen meiner Fraktion niedergelegt sind.
Die „Erfolge", von denen der Herr Bundeskanzler sprach, werden sich bei näherem Zusehen als eine böse Sache entpuppen. Gewiß, es stimmt, das Tausende von Arbeitern, denen jetzt für den Augenblick die restlose Demontage ihrer Werke erspart worden ist, sich gestern abend gefreut haben oder heute noch freuen.
Es wird aber, meine Damen und Herren, eine kurze Freude sein. Den Vergleich mit der Weihnachtsfreude, der hier angestellt wurde, möchte ich erweitern und sagen: nach den Feiern an Weihnachten kommen gewöhnlich die Rechnungen nach Sylvester.
Ich möchte heute noch keine Prophezeiungen über jene Rechnungen machen, die uns dann präsentiert werden und die eingelöst werden müssen.
Man spricht von der Teilnahme an internationalen Organisationen. Sind bei diesen internationalen Organisationen nicht auch die OEEC, der Atlantikpakt und der Europarat gemeint? Handelt es sich bei diesen Institutionen nicht ebenso um Systeme, die, um mit den Worten des Herrn Bundeskanzlers zu sprechen, bereits bestehen, auf deren Zweck und Inhalt wir keinerlei Einfluß nehmen können, sondern denen sich der Herr Bundeskanzler einfach anschließen möchte? Das bedeutet eine Unterwerfung unter den Inhalt und die Absichten dieser westlichen internationalen Organisationen und damit die Verstrickung des deutschen Volkes in alle die kriegerischen und imperialistischen Pläne, aus denen diese Institutionen entstanden sind.
Es wurde von konsularischen und Handelsvertretungen gesprochen. Aber es heißt im Text der sogenannten „Abmachungen", es gehe hier um Beziehungen zu Ländern, „mit denen derartige Be-
ziehungen als vorteilhaft erscheinen". Ich möchte fragen, w e m vorteilhaft erscheinen?
Herrn McCloy, den amerikanischen Trustherren oder dem deutschen Volk? Ich habe nichts davon gehört, daß mit dieser großzügigen Erlaubnis die Aufhebung der Handelsschranken für die westdeutsche Bundesrepublik verbunden ist. Ich habe nichts davon gehört, daß damit die Anerkennung der deutschen Souveränitätsrechte verbunden ist oder die Freiheit, mit allen Ländern auch im Osten Handels- und politische Verträge abzuschließen.
Es wurde von dem großen '„Erfolg" gesprochen, den die Lockerung der Vorschriften in bezug auf den Schiffsbau bedeute. Ich glaube, in Hamburg wird dem Herrn Bundeskanzler jeder Reeder darauf Antwort geben können, daß Schiffe im Bereich der genannten Tonnage kaum mehr als Schrottwert besitzen und daß sie in der internationalen Konkurrenz nicht bestehen können.
Gerade darum ist diese Vorschrift einer der krassesten Ausdrücke der Konkurrenzinteressen der britischen und amerikanischen Schiffahrtsgesellschaften "und Schiffsbaukonzerne.
Wenn schließlich von der Dekartellisierung gesprochen wird — Herr Bundeskanzler, halten Sie es mit der Verpflichtung zur Dekartellisierung für vereinbar, wenn gerade in diesen Tagen einer der größten Konzerne, die Vereinigten Stahlwerke, erklären läßt, daß er gedenkt, sein Aktienkapital um 300 Millionen DM zu erhöhen?
Schließlich zur Frage der Demontage! Ich weiß nicht, ob die vorhin vom Herrn Bundeskanzler verlesene Nachricht einer amerikanischen Agentur den Sachverhalt wiedergibt. Mag es sein, wie es will, mag es eine jener berühmten Fälschungen sein, die schon so oft an kritischen Punkten der Geschichte ganz zufällig ins Haus flatterten, oder mag es auf Tatsache beruhen, daß der Vorsitzende des DGB eine dem Sinn nach so lautende Erklärung abgegeben hat, das eine steht im einen und im andern Falle fest: daß diese Meinung nicht entspricht der Meinung der über 5 Millionen gewerkschaftlich organisierten Arbeiter, Angestellten und Beamten.
Es sind in dem Dokument, das uns vorgelegt wird, einige Betriebe aufgeführt; aber mir scheinen einige wesentliche Punkte vom Herrn Bundeskanzler nicht erwähnt zu sein. Die lebenswichtigsten Anlagen dieser Betriebe sind bereits weggeholt, zerstört und sollen nicht mehr zurückkommen. Die wichtigsten Anlagen sind bereits herausgenommen oder, wo man auf besonders wichtige Objekte Wert legt, wie bei der synthetischen Ammoniakherstellung, bei der Methanolproduktion in Ludwigshafen und Oppau, sind sie ausdrücklich vom Demontagestop ausgenommen. Ist es vielleicht ein Zufall, daß mit Ausnahme der beiden Betriebe Oppau und Borsig-Berlin sämtliche von der Demontageliste gestrichenen Betriebe im Bereich der Ruhrbehörde liegen?
Kommt hier nicht zum Ausdruck, welche Absichten das amerikanische Großkapital mit jenen Betrieben hat, die es so großzügigerweise auf einmal hier im Lande belassen will?
Das Wesentliche an dieser Regelung ist: man hat einen Schritt zurückgehen müssen, gewiß, aber darum in erster Linie, weil man den Druck des Volkes gespürt hat,
weil man plötzlich Angst bekommen hat vor den
Streiks der Arbeiter, vor den Weigerungen der De-
montagefirmen, vor der Erbitterung der Kaufleute
und kleinen Unternehmer. Darum in erster Linie
die Zugeständnisse, die der Herr Bundeskanzler
heute seinen eigenen Verdiensten zubuchen möchte.
Schließlich: ein gewisses amerikanisches Kapital ist daran interessiert, daß bestimmte Betriebe im Westen Deutschlands stehenbleiben, und wir werden bald erleben, wie sich das Interesse des anlagehungrigen ausländischen Investionskapitals gerade auf diese Objekte konzentrieren wird, die man jetzt hat stehenlassen.
Und als letztes: man denkt, daß diese Betriebe in dem großen Plan der Remilitarisierung Westdeutschlands auch noch eine Rolle spielen könnten. Darum will man Watenstedt-Salzgitter demontieren. Das ist eine strategische Demontage,
weil man glaubt, daß ein Betrieb, der gar zu nahe an der Zonengrenze liegt und dazu noch nicht der Ruhrbehörde unterstellt ist, für die amerikanischen Monopolisten ohne Interesse ist.
Meine Damen und Herren! Die Arbeiter werden sich mit den jetzigen Resultaten nicht zufrieden geben. Sie werden den Widerstand fortsetzen, nicht nur um der Erhaltung ihres Arbeitsplatzes willen, sondern auch gegen das Eindringen des fremden Kapitals, weil sie wissen, daß mit diesem Eindringen das Diktat über die Löhne, das Diktat über eine schonungslose Rationalisierung auf Kosten der Lebenshaltung und der Gesundheit der arbeitenden Menschen verbunden ist, und weil sie wissen, daß sie mit der Zustimmung zu einer solchen Regelung eine Zukunft im Kulidasein unterschreiben würden.
Der Herr Bundeskanzler hat es verstanden, seine Gegenleistungen in ein sonderbares Licht zu stellen. Ich möchte mich nicht auf jene juristischen Sophistereien einlassen, ob nun die Bereitschaft zum Beitritt zum Ruhrstatut etwas anderes sei als der bereits vollzogene Beitritt. Mir scheint die vollzogene Unterschrift des Herrn Bundeskanzlers vom 22. November der entscheidende Tatbestand zu sein. Durch diese Unterschrift wird der wesentlichste Teil unserer Wirtschaft aus dem deutschen Wirtschaftskörper herausgerissen. Durch diese Unterschrift wird ein Freipaß ausgestellt
für jene ausländischen Monopolherren, die die Kontrolle über Stahl, Eisen und Kohle auszuüben wünschen
und gleichzeitig das Diktat über die Preis- und Handelsbedingungen nicht nur dieser Produktionszweige, sondern aller anderen Produktionszweige führen wollen, die von ihnen abhängen.
Der Herr Bundeskanzler hatte einmal eine Vorstellung davon, was dieses Ruhrstatut bedeutet. Ich
kann mich auch durch seine heutige Erklärung nicht vom Gegenteil überzeugen lassen, weil er damals, als er die Rede im Landtag von Nordrhein-Westfalen hielt, auf den guten Geist bei der Durchführung dieses Abkommens gehofft hat. Herr Bundeskanzler, wenn man einmal gesagt hat, es handle sich um eine „wirtschaftliche Annexion — und solche wirtschaftlichen Annexionen sind unendlich viel schlimmer als politische Annexionen —", dann weiß man, daß hier Fakten geschaffen werden, bei deren Durchführung es nicht darauf ankommt, ob irgendeiner noch den Weihrauch dazu spendet. Herr Bundeskanzler, Sie haben damals, als Sie noch ein einfacher Abgeordneter waren, erklärt: dieses Londoner Abkommen ist auch völkerrechtlich völlig unmöglich.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
„Das ist unmöglich und untragbar; ein solches Abkommen widerspricht jedem natürlichen Recht." Heute erklären Sie: Es ist eine nationale Tat, daß ich dieses Abkommen unterschrieben habe. Was soll es bedeuten, wenn Sie sagen: Die Verpflichtungen des Ruhrstatuts bestehen schon lange!? Aber, Herr Bundeskanzler, durch Ihre Beitrittserklärung haben Sie besiegelt, daß Sie bereit sind, die bestehenden Verpflichtungen zu erfüllen. Sie haben erklärt, wir seien durch die Unterzeichnung nicht zu Vertragspartnern geworden. Aber Sie haben nicht hinzugefügt, daß dies für uns nichts anderes bedeutet, als daß wir lediglich zur Durchführung jenes unerträglichen Abkommens verurteilt werden. Sie haben erklärt, es sei nicht richtig, daß Souveränitätsrechte preisgegeben werden. Nein, Sie haben keine erhalten, aber Sie haben freiwillig darauf verzichtet, den Kampf um die Wiedergewinnung der Souveränitätsrechte anzutreten. Herr Bundeskanzler, Sie haben selber erklärt, auch in bezug auf eventuelle Änderungen des Ruhrstatuts bestehe nicht einmal die Verpflichtung, die deutschen Vertreter zu hören, sondern allein die Signatarmächte besäßen das Recht, über eventuelle Änderungsvorschläge zu beschließen. Sie haben in der letzten Sitzung dieses Hauses in der vergangenen Woche erklärt: „Keine Macht der Welt kann das Ruhrstatut aus der Welt schaffen." Jawohl, Herr Bundeskanzler, es gibt eine Macht, die das Ruhrstatut aus der Welt schaffen könnte, nämlich das Nein des ganzen Volkes
und das Nein einer Regierung, die sich niemand
anderem verpflichtet fühlt als dem eigenen Volk.
Sie haben andere Zugeständnisse gemacht, über die wenig gesprochen wurde. Sagen Sie uns, Herr Bundeskanzler, ob es nicht vielleicht irgendwelche Geheimabmachungen, über die nichts verlautbart worden ist, betreffend die Remilitarisierung und die Aufstellung einer neuen deutschen Armee gibt! Vor wenigen Tagen hat in Mehldorf eine Konferenz von ehemaligen Generalen getagt, und ich glaube, es lohnt sich, zu verlesen, was einer der Organisatoren, Herr General Bruns, bei dieser Gelegenheit erklärt hat:
Die Remilitarisierung behandeln wir nicht offiziell, aber wo der Topf kocht, im Osten oder Westen, da gießen wir auf. Wir bekommen Bescheid von der Regierung und werden unsere Maßnahmen treffen. Wir sorgen für Sicherheitsvorkehrungen und warten auf Informationen. Für uns gibt es den amtlichen Weg, und das ist Bonn.
Vielleicht wird der Herr Bundeskanzler die Möglichkeit finden, darauf zu antworten, ob die Erklärung des Generals Bruns auf Richtigkeit beruht.
Meine Damen und Herren! Die Gegenleistungen, die vom Herrn Bundeskanzler gegeben worden sind, bedeuten weiterhin die Verpflichtung gegenüber den westlichen Kommissaren zur Aufrechterhaltung der Spaltung Deutschlands und schließlich die Verpflichtung der einseitigen bedingungslosen Bindung an die Krisenwirtschaft des Westens, an die Kriegspläne der westlichen Rüstungsindustrie und ihre politischen Agenten. Sie bedeuten schließlich die vollständige Unterwerfung unter das amerikanische Monopolkapital.
Herr Bundeskanzler, mich wundert es, daß Sie nichts über das Schicksal Ihres Sondermemorandums, das im Stahlhaus in Düsseldorf aufgesetzt worden ist, gesagt haben. Wir hätten gerne darüber gehört, wie es auf dem Petersberg oder in Paris aufgenommen wurde. Ich sage ganz offen: meine Fraktion befürchtet, daß Sie uns hier etwas noch nicht gesagt haben, was besprochen worden ist und was bis zu einem gewissen Grade auch bereits aktionsfähig gemacht wurde.
Diese Gegenleistungen, diese entscheidende Preisgabe wesentlicher deutscher Interessen ist der Kern der Sache der sogenannten Abmachungen vom Petersberg. Es wird Ihnen, Herr Bundeskanzler, nicht gelingen, diese wesentlichen Tatbestände zu verheimlichen und sie hinter der Vorführung von Scheinerfolgen zu verstecken, mit deren Hilfe das deutsche Volk über die düsteren Perspektiven jetzt getäuscht werden soll, die ihm durch Ihre Abmachungen bevorstehen. Es wird aber der Tag kommen, an dem man diese Abmachungen anders behandeln wird und an dem diese Abmachungen nichts anderes sein werden als ein wertloses Stück Papier. Sie treiben eine Politik, die unvermeidlich in das Abenteuer hineinsteuern muß, Sie unterstützen die Verschwörung der internationalen Schwerindustrie, Sie unterstützen die Wiederaufrüstung Westdeutschlands.
Wir erinnern uns, Herr Bundeskanzler, an die letzte Sitzung. Hier sprach ein Vertreter der Nationalen Rechten und erklärte: Wir wollen nicht mehr nach Westen marschieren! Vom Osten schwieg er sich aus.
Wir haben alle sehr gut verstanden, wohin diese Leute erneut marschieren wollen, und wir haben es genau vernommen, Herr Bundeskanzler, daß Sie diese Rede des Abgeordneten von Thadden als „ganz vernünftig" bezeichnet haben.
Auf der Tagung der Generäle führte man die Methode des Säbelrasselns vor. Man sagte, „der Atomkrieg könne einen echten Soldaten nicht einschüchtern". Herr Bruns meinte: Wir sagen auch
zum Atomkrieg mit Bismarck: „Wir Deutsche fürchten Gott, sonst nichts auf dieser Welt!" Meine Damen und Herren! Wer so mit dem Leben von Millionen junger Menschen sein Spiel treibt, begeht ein Verbrechen an der Menschheit, und wer sich nicht klar und deutlich von diesen Elementen distanziert, macht sich — ob gewollt oder nicht gewollt — daran mitschuldig. Wir erklären offen, daß wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln, mit ganzer Energie, ohne Rücksicht und mit dem ganzen Volk gegen alle Bestrebungen und Tendenzen der Militarisierung kämpfen werden.
Wir sind glücklich, daß uns dieser Tage eine, Botschaft aus dem Osten erreicht hat.
Sie haben allen Grund, etwas anderes zu tun, als zu lachen. — In dieser Botschaft, die vom Vorsitzenden des Ministerrats der Sowjetunion, Stalin, unterzeichnet ist,
heißt es:
Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Existenz eines friedliebenden demokratischen Deutschlands neben dem Bestehen der friedliebenden Sowjetunion
die Möglichkeit neuer Kriege in Europa ausschließt, dem Blutvergießen ein Ende macht und die Knechtung der europäischen Länder durch die Weltimperialisten unmöglich macht.
Meine Damen und Herren, wer sich dieser Politik des Friedens widersetzt, handelt nicht nur töricht, weil er die offensichtlich eingetretene Änderung des Kräfteverhältnisses in der Welt nicht achtet, sondern er handelt auch zu Lasten des Volkes. Er handelt so, daß die breiten Massen der Schaffenden die Auswirkungen einer solchen abenteuerlichen Politik zu tragen haben werden durch das Wachsen der Arbeitslosigkeit, indem sich die Schleusen für amerikanische Überschußwaren öffnen, die deutsche Industrie nicht mehr konkurrenzfähig bleiben kann und die Kaufkraft der Massen weiter gemindert wird, weil die Mittel für den Einkauf von Bedarfsgütern den breiten Massen nicht mehr zur Verfügung stehen und weil letzten Endes nach wie vor die Drosselung unserem Export auferlegt ist. Die Senkung des Reallohnes wird die nächste Etappe sein, wenn das Volk sich nicht zur Wehr setzt. Die Einschränkung der sozialen Leistung auf allen Gebieten erleben wir bereits im Gefolge der Defizitstruktur von immer weiteren Landes- und Gemeindehaushalten. Wir erleben die Einschränkung der Mittel, die für den sozialen Wohnungsbau vorgesehen waren. Und alles zusammen gipfelt in der großen übermächtigen Gefahr für unser Volk, das Leben von Millionen junger Menschen preiszugeben dann, wenn wir leichtfertig in einen neuen Krieg hineingezogen würden, in dem Deutschland nichts anderes sein könnte als Kriegsschauplatz und am Ende ein Leichen- und Trümmerfeld.
Wir sind der Meinung, daß es einer solchen Politik des Abenteuers gegenüber einen anderen Weg gibt, den Weg der Schaffung einer nationalen Front aller Deutschen, die die Einheit und Unabhängigkeit des Vaterlandes wünschen.
Wir sind der Ansicht, daß wir über die ersten
sich anbahnenden Gespräche über die Zonen-
grenzen hinweg weiter fortschreiten müssen zum gemeinsamen Handeln im Osten und im Westen bis zur schließlichen Schaffung einer gesamtdeutschen Regierung. Wir sind der Meinung, daß Schluß zu machen ist
mit der von ausländischen Kriegsinteressenten inszenierten. Aufeinanderhetzung eines Teiles unseres Volkes gegen den anderen. Es muß der Weg geöffnet werden zur wirtschaftlichen Gesundung, und dieser Weg führt nicht über Washington, sondern über Berlin. Es ist der Weg zum freien Warenaustausch, zur Wiederherstellung einer einheitlichen Währung in ganz Deutschland, zur Wiederherstellung des einheitlich gewachsenen deutschen Wirtschaftskörpers.
Dieser Weg wird schließlich führen nicht bloß zum Schutz, sondern auch zur Entwicklung und Förderung der deutschen Industrie, zum Schutze aller Produktionszweige in der Industrie und Landwirtschaft, die in weit größerem Maße aus eigenen Kräften zur Versorgung unseres Volkes beitragen können.
Wir haben Schluß zu machen
mit der Politik der „offenen Tür", die es den amerikanischen Konzernen erlaubt, bei uns in Deutschland Waren abzusetzen, die sie in Afrika und in anderen Kolonialgebieten nicht mehr loswerden.
Wir brauchen eine klare Absage an das System des Atlantikpaktes, das uns nichts anderes bringen wird als die Vergeudung der nationalen Güter unseres Volkes zu unproduktiven und letzten Endes tödlichen Zwecken. Heute gilt es, den Kampf um den Lohn und den Arbeitsplatz zu führen, die mehr als je durch die Vereinbarungen und Abmachungen gefährdet sind, die der Herr Bundeskanzler am 22. November auf dem Petersberg unterschrieben hat. Heute bereits hat die Metallarbeiterschaft in Dortmund eine erste Antwort in einem einstündigen allgemeinen Proteststreik gegen die Politik der Überfremdung und Auslieferung deutscher Wirtschaftsgüter an das ausländische Monopolkapital erteilt.
Das ist die Stimme des Volkes.
Das Volk weiß, daß mit dieser ungeheuerlichen Gefahr der Auslieferung an das Ruhrstatut verbunden sind weitere Verelendung, unermeßliches Leid, Arbeitslosigkeit und ein freudloses Dasein auf unabsehbare Zeit. Darum wehrt es sich mit Recht, und die Geschichte wird ihr Urteil fällen über alle jene, die es heute wagen sollten, sich dem Willen des Volkes zu widersetzen.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Fisch hat eigentlich sehr beleidigende Insinuationen mir gegenüber ausgesprochen
Aber ich nehme ihm das deshalb nicht übel, weil er sich ja in einer gewissen Notlage befindet.
Sie wissen ja, daß er sich schuldig bekannt hat, unzulässige objektivistische Gegenüberstellungen und unmarxistische, den Beschlüssen der Partei widersprechende Argumente veröffentlicht und damit einen ernsten politischen Fehler begangen zu haben.
Das Sekretariat des Parteivorstandes der KPD in Frankfurt teilte mit, es erwarte, daß Genosse Fisch die Lehren aus seinem Fehler zieht.
Wir wollen deswegen nicht weiter darüber sprechen.
Aber, meine Damen und Herren, als ich Ihnen
eben das Telegramm der United Preß mitteilte ist
die Echtheit dieses Telegramms bezweifelt worden.
— Herr Präsident, wollen Sie mir vielleicht Ruhe verschaffen!
Meine Damen und Herren, die Zwischenrufe verlängern nur die Sitzung. Ich bitte um Ruhe!
Meine Damen und Herren! Ich fahre fort. Es ist eben bezweifelt worden, daß vom Deutschen Gewerkschaftsbund diese Mitteilung an die Presse gegangen sei. Ich habe in der Zwischenzeit durch Rückfrage festgestellt, daß die Mitteilung der United Press so vom Gewerkschaftsbund an die Presse gegeben worden ist.
Ich kann Ihnen weiter mitteilen, daß auch die UGO in Berlin der Presse folgendes mitgeteilt hat:
Der Bundesvorstand der Berliner UGO bezeichnet den allierten Beschluß der Einstellung der Borsig-Demontage als einen Durchbruch vernünftiger Politik gegenüber der im
Freiheitskampf stehenden Berliner Bevölkerung.
Ich habe ferner verschiedene Telegramme bekommen von Leitungen und Belegschaften derjenigen Unternehmungen, die von der Demontage befreit sind. Ich glaube, ich muß auch das der Öffentlichkeit mitteilen.
Direktion und Belegschaft möchten Ihnen hierdurch den wärmsten Dank für Ihre erfolgreichen Bemühungen um Erhaltung unseres Fischer-Tropsch-Werkes aussprechen.
Gewerkschaft Viktor Castrop-Rauxel.
Belegschaft und Werksleitung sprechen K Ihnen aus freudigem Herzen ihren Dank dafür aus, daß für unser Werk die Möglichkeit der Weiterarbeit geschaffen ist. Im Auftrage: Belegschaft der Krupp-Treibstoff-Werke GmbH, Name des Betriebsrats.
Die Werksleitung und der Betriebsrat der Gelsenberg-Benzin-AG sprechen dem Herrn Bundeskanzler für die Erhaltung ihres Werkes ihren tiefgefühlten Dank aus, wodurch die Wiederaufnahme der Produktion und die Arbeitsplätze für mehrere tausend Arbeiter und Angestellte sichergestellt werden.
Werksleitung und Betriebsvertretung der August-Thyssen-Hütte in Hamborn danken herzlichst für die Rettungstat, die größte Begeisterung ausgelöst hat.
Hüttendirektor Dr. Herzog, Betriebsratsvorsitzender Meier.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Loritz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor unseren Ausführungen zum Ruhrstatut selbst möchten wir eines betonen:
Wir glauben, 90 Prozent unseres Volkes und der allergrößte Teil unserer Abgeordneten hier sind in einem einig, darin nämlich, daß wir unter allen a Umständen alles tun müssen, was zu einer Überbrückung der unseligen Kluft führen kann, die durch die Schuld Hitlers und seiner Trabanten aufgerissen worden ist zwischen den westlichen Völkern, die ein und derselben Kultur angehören und die zusammenstehen müssen angesichts der unendlich großen, drohenden Gefahr, die von Osten her uns alle gleichmäßig bedrängt.
Ich glaube, wir alle hier sind einig, daß die westlichen Völker zusammengehören, verbunden durch eine jahrtausendealte gemeinsame Kultur. — Das möchten wir vorausschicken.
Deswegen freuen wir von der WAV-Fraktion uns von ganzem Herzen, wenn irgend jemand, heiße er Adenauer oder wie auch immer, sich bemüht, hier die Bande, die — nicht durch unsere Schuld - zerrissen worden sind, wieder anzuknüpfen, wenn er sich bemüht, alles zu tun, um zu einer Einigung mit Frankreich, mit England und mit all denen zu kommen, die uns nun einmal als Mitteilhaber der westlichen Kultur nahestehen trotz allem, was in der Vergangenheit geschehen ist.
Aber — —
— Ja, leider haben wir ein Aber zu dem ganzen Problem,
und das Aber bezieht sich darauf, daß hier leider
durch das Vorgehen des Herrn Bundeskanzlers das
entwertet worden ist, was sonst vielleicht die Zustimmung der breitesten Schichten der Bevölkerung und einer überwiegenden Mehrheit in diesem Hause gefunden hätte. Das taktische Vorgehen des Herrn Bundeskanzlers ist es, das uns gar nicht gefallen hat.
— Nein, Herr Kollege, das ist uns ganz gleich. Ob wir, die kleine Fraktion der WAV, dabei sind oder nicht, ist nicht das Entscheidende. Das Entscheidende ist, daß wenigstens die großen Fraktionen in diesem Parlament alle miteinander hätten gefragt werden sollen, daß man sich bemüht hätte, hier eine gemeinsame Linie zu finden,
weil man nämlich, meine sehr verehrten Herren von der Rechten, eine Außenpolitik in der heutigen furchtbaren Notlage unseres Volkes nicht machen kann mit 51 Prozent der Abgeordneten. Damit können "Sie vielleicht — vielleicht, sage ich — eine Innenpolitik riskieren, aber nicht in den entscheidenden Lebensfragen der Nation vorgehen! Das war der Fehler von Anfang an.
Wir haben das letzte Mal hier schon von diesem Platz darüber gesprochen. Wir haben es bedauert; wir haben den Bundeskanzler gewarnt, so fortzuschreiten. Wir haben ihn gebeten, er solle wenigstens im letzten Moment hier noch die größeren Parteien zusammenbringen und rechtzeitig hier einen gemeinsamen Nenner für seine Außenpolitik zu finden versuchen. Daß er das nicht getan hat, ist ein großer Fehler und entwertet seine Aktion.
Das kann uns außenpolitisch sehr viel schaden,
und es wäre weiß Gott unsere Aufgabe gewesen, dem Auslande gegenüber gerade in außenpolitischen Fragen zu sagen: 80 oder 90 Prozent der Abgeordneten dieses Hauses und der hinter ihnen stehenden Wählermassen sind einverstanden mit dem, was Adenauer den Westmächten vorgeschlagen und was er unterzeichnet hat.
Meine Damen und Herren! Wir begrüßen es von ganzem Herzen, daß immerhin etwas erreicht worden ist bezüglich einiger Dutzende von wichtigen Fabriken. Aber
wir glauben, daß es nicht genügt,
hier einige Telegramme zur Verlesung zu bringen. Die betreffenden Werke sind natürlich heute freudig bewegt darüber, daß sie von der Demontage ausgenommen worden sind. Andere Werke sind aber leider nicht davon ausgenommen worden.
Und noch etwas: Die Bevölkerung weiß auch noch nicht, jedenfalls weiß es der weitaus größte Teil der Bevölkerung nicht, was im Ruhrstatut drinsteht.
— Das weiß die Bevölkerung nicht, Herr Zwischenrufer; keineswegs, denn sonst würde sie sich zu einigen Bestimmungen des Ruhrstatuts sehr skeptisch eingestellt haben. „Ruhrstatut" sagen Sie, aber. es dreht sich ja gar nicht bloß um die Ruhr. Dieses Statut müßte ganz anders heißen. Es heißt hier im Ruhrstatut — ich habe den Text vor mir —, daß auch über diejenigen Kohlenlieferungen, Stahllieferungen usw., die gar nicht aus dem Ruhrgebiet
stammen, die Ruhrbehörde das Verfügungsrecht hat. Das steht ausdrücklich hier drinnen. Es steht hier ausdrücklich, daß die Ruhrbehörde sich einmischen kann und einmischen darf nicht etwa bloß in die Frachtsätze im Ruhrgebiet, in die dortigen Kohleförderungsziffern usw., sondern daß sie sich auch einmischen kann in alles, was in ganz Deutschland irgendwie mit Kohle, Koks, Eisen und Stahl zusammenhängt.
Fragen des Transports zwischen Nürnberg und München können von der Ruhrbehörde geregelt werden, Sozialprobleme aller Art in ganz Deutschland können von der Ruhrbehörde geregelt werden, und zwar auf Grund der klaren Bestimmungen dieses Statuts.
— Lesen Sie doch bitte mal, Herr Zwischenrufer, den Artikel 14 Ziffer 3b:
Durch die Exportzuteilungen der Ruhrbehörde sollen die Mindestmengen von Kohlen, Koks, Fertig- und Halbfertigstahl aus dem Ruhrgebiet für Exportzwecke festgelegt werden. Die Ruhrbehörde soll auch Vollmacht erhalten, die Qualitäten oder Typen dieser Güter zu bestimmen.
— Bitte, lesen Sie doch einmal den Artikel 15 durch: „Die Behörde hat das Recht, Transportwesen, Preise, Wirtschaftsmethoden, Quoten, Zölle und andere Regierungsmaßnahmen oder wirtschaftliche Anordnungen zu überprüfen, die von deutschen Behörden" — also von irgendwelchen Behörden, nicht bloß von der Bundesregierung, sondern genau so von einem Landrat in irgendeinem Landkreis irgendwo — „getroffen oder erlaubt wurden und die die Kohle, den Koks oder den Stahl berühren". Lesen Sie das bitte alles!
— Es sind auch positive Dinge drin, sehr verehrter Herr Kollege Bausch, aber diese negativen Dinge scheinen mir schwerwiegend genug zu sein, daß man auch hierüber spricht.
Wir erkennen durchaus an, daß die Herausnahme einer Reihe von Fabriken aus der Demontage einen Fortschritt bedeutet.
Aber wir sollten nicht mit irgendwie gefärbten Brillengläsern an das Problem herangehen. Wir sollten es machen, wie es ein Jurist tun soll: wir sollten das ganze Abkommen durchlesen und uns nicht etwa nach Belieben von den Stellen drücken, die unseres Erachtens eine außerordentlich schwere Belastung nicht etwa bloß für die Ruhrindustrie, sondern für die gesamte deutsche Industrie auch in vielen anderen Fragen darstellen, für die Arbeiter genau so wie für die Mittelständler und, damit indirekt zusammenhängend, für die Bauernschaft in ganz Deutschland.
Wollen Sie bitte einmal Artikel 20 Ziffer 2 durchlesen, demzufolge die Ruhrbehörde in der Lage ist, sich alle Informationen zu verschaffen — nötigenfalls durch Zwang —, die sich auf die Vorräte an Kohle, Koks und Stahl, die Deutschland aus
anderen Quellen als dem Ruhrgebiet zur Verfügung stehen, beziehen.
— Herr Präsident! Wollen Sie bitte dafür sorgen, daß ich hier in Ruhe sprechen kann, wie es in jedem anständigen Parlament Sitte ist! Ich habe gar nichts gegen parlamentarische Zwischenrufe, sie sind überall üblich. Aber bitte, meine Herren von der CDU, sorgen Sie dafür, daß man nicht konstant unterbrochen wird! Sie werden mich trotzdem nicht aus dem Konzept bringen, denn ich lese Ihnen nichts vor wie so viele Ihrer Redner.
Ich lese Ihnen nur den Wortlaut des Ruhrstatuts vor.
Meine Damen und Herren! In unserer Geschäftsordnung sind Sprechchöre noch nicht vorgesehen. Ich möchte daher bitten, den Redner aussprechen zu lassen.
Es liegt uns nur daran, ein sachliches Bild über die Bestimmungen des Ruhrstatuts zu geben. Wir werden dann auch die günstigen Bestimmungen noch zu erwähnen haben.
— Ihre Vorschläge! Sie sind in der Regierung, meine Herren! Sie haben jetzt zu beweisen, was Sie fertigbringen! Wir werden Sie unterstützen, wenn Sie etwas Gutes machen, davon können Sie überzeugt sein.
— Darf ich Sie jetzt bitten, Herr Kollege Strauss, wir haben hier nicht den bayerischen Landtag!
Darf ich Sie jetzt bitten, Herr Kollege Strauss, —
— Herr Präsident, wollen Sie mich bitte gegen die dauernden Unterbrechungen schützen!
Meine Damen und Herren, ich bitte nochmals, den Redner nicht ständig zu unterbrechen, sondern ihn aussprechen zu lassen.
Ich möchte nochmals auf Artikel 20 Absatz 2 Bezug nehmen, nachdem ich den Satz vorhin nicht zu Ende lesen konnte:
Die Ruhrbehörde ist in der Lage, Informationen zu erhalten, nötigenfalls zu verlangen, die sich auf die Vorräte an Kohlen, Koks und Stahl, die Deutschland aus anderen Quellen als dem Ruhrgebiet zur Verfügung stehen, beziehen, oder die Exporte solcher Produkte aus Deutschland betreffen, die aus anderen Quellen als dem Ruhrgebiet stammen.
Meine Herren aus Bayern, der oberbayerische Kohlenbergbau, die Maxhütte bei Burglengenfeld usw. sind genau so durch dieses Abkommen betroffen, das meines Erachtens zu Unrecht Ruhrstatut heißt; es müßte heißen: Statut für die gesamte deutsche Wirtschaft.
— Das interessiert mich gar nicht, was die KPD ruft.
— Nein, ich befinde mich nicht in Gesellschaft der KPD, sondern ich lese objektiv vor, was im Ruhrstatut steht, weil wir das Gefühl haben, daß ein großer Teil von Ihnen das Ruhrstatut noch gar nicht durchgelesen hat.
Diese Ruhrbehörde wird sogar dann noch tätig sein, nachdem die Besatzung aufgehört hat. Wenigstens geht das aus dem Text des Ruhrstatuts klar hervor. Das steht im Ruhrstatut.
Ich weiß genau, man trägt sich mit der Hoffnung, daß eine Abänderung des Ruhrstatuts durch freiwillige Vereinbarung möglich ist. Auch mir ist schon vorgerechnet worden, welche Stimmen hier notfalls vielleicht zur Verfügung stehen würden, um eine Abänderung des Statuts erreichen zu können. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein alter Rechtsgrundsatz heißt: man soll
nichts unterschreiben, von dem man überzeugt ist, daß es schon zu einer Abänderung reif ist; man soll
nur das unterschreiben, wovon man glaubt, daß es wirklich Stabilität haben kann, sonst soll man es nicht unterschreiben!
Ich verstehe sehr wohl den Standpunkt der Westmächte, daß sie — wenigstens einige von ihnen — Sicherheit haben wollen. Wir verstehen den Standpunkt, und wir wollen alles tun, um den Westmächten diese Sicherheit zu geben. Deswegen werden wir von der WAV kein Wort dagegen sagen, daß den Westmächten dafür eine weitestgehende Kontrolle möglich gemacht wird, daß niemals mehr irgendeine deutsche Fabrik Kriegsmaterial irgendwelcher Art produzieren kann. Wir werden mit Begeisterung bei jeder Kontrolle hierüber mitmachen, die durch irgendein internationales Gremium ausgeübt werden soll. Das aber, meine Damen und Herren, müßte doch dem Ausland gegenüber die beste Garantie dafür sein, daß unsere Industrie zu nichts mehr mißbraucht werden kann. Das und eine sauber funktionierende und aus sauberen Personen zusammengesetzte Staatsverwaltung, wo nicht etwa die alten Größen aus der Diplomatenzeit Adolf Hitlers und Ribbentrops, aus dieser Aera Hitlers wieder erscheinen. Das zusammen müßte dem Ausland die Sicherheit geben, die "ihm unserem Dafürhalten nach dieses Ruhrstatut gar nicht geben wird, wenn die anderen eben genannten Voraussetzungen nicht vorhanden sind. Wir wollen alles tun, damit das Ausland aus dem Gefühl herauskommen kann, es sähe sich jemals noch einer Bedrohung von seiten Deutschlands gegenüber. Da werden wir mit Begeisterung mitmachen. Aber bezüglich des Ruhrstatuts glauben wir, daß die Formulierung eine denkbar ungünstige ist, und daß wir von der WAV da nicht mitmachen können.
Wir glauben überhaupt, daß heute der Gedanke an solche Demontagen überholt ist. Das ist ein Gedanke, der durch die Entwicklung überholt worden ist, ich kann mir nicht helfen. Wenn es hier in dem Abkommen, das am 22. November von den Oberkommissaren und dem Herrn Bundeskanzler unterzeichnet worden ist, ausdrücklich heißt, „daß sie ihren Entschluß bekräftigen, den Grundsätzen der Freiheit, Toleranz und Menschlichkeit, die die westeuropäischen Nationen verbinden, rückhaltlos Achtung zu verschaf- fen und sich in ihrem Handeln von diesen Grund-
sätzen leiten zu lassen", dann glauben wir, daß das Problem der Demontagen gerade mit diesen Grundsätzen der Menschlichkeit und der Toleranz nicht mehr vereinbar ist, daß wir etwas ganz anderes suchen müssen, wir Deutschen zusammen mit den alliierten Westmächten, nämlich eine Kontrolle und eine Sicherheit dafür, daß niemals mehr das Gespenst des Krieges auftauchen kann durch die Schuld irgendwelcher deutscher maßgeblicher Leute oder irgendwelcher deutscher Industriebetriebe. Meine Damen und Herren, deswegen glauben wir, daß aus diesem Grunde das Ruhrstatut
— mindestens in der Form, wie es uns hier vorliegt — nicht hätte unterzeichnet werden sollen, sondern daß der Bundeskanzler und die Bundesregierung andere Wege hätten suchen und finden müssen und können, um hier den Alliierten entgegenzukommen.
— Welche? Ich habe sie Ihnen soeben schon genannt, Herr Zwischenrufer: 1. Eine rückhaltlose Überwachung der deutschen Industrie, damit das Industriepotential nur zu einem verwendet werden kann: daß nämlich in ganz Europa — nicht bloß in Deutschland — möglichst viele Arbeiter satt werden können; denn wir alle in Europa sind auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen, und je mehr in jedem Staat produziert wird, um so mehr kommt das bei einer vernünftigen volkswirtschaftlichen Regelung und bei einem vernünftigen Güteraustausch allen zugute. Das war die erste Garantie. — Die zweite, Herr Zwischenrufer, nehmen Sie das bitte recht zur Kenntnis und sorgen Sie dafür, daß bei allen Stellenbesetzungen, die unter dem Patronat der CDU jetzt erfolgen, namentlich hinsichtlich der außenpolitischen Stellen in den Generalkonsulaten usw., die bald eingerichtet werden, nicht mehr diese alte Versagerclique von Diplomaten auftaucht, die schon während der Hitlerzeit ihre vollkommene Unfähigkeit und ihre vollkommene Charakterlosigkeit hundertprozentig unter Beweis gestellt haben. Da genügt es uns nicht etwa, wenn sich gewisse Diplomaten auf ihre Beteiligung am 20. Juli 1944 besonders berufen. Ich möchte überhaupt soweit gehen und sagen: alle „Bekehrungen" solcher Herren nach Stalingrad oder nach dem Zusammenbruch der Westfront interessieren uns gar nicht mehr. Diese „Bekehrungen" glauben wir nicht recht. Wir wollen, daß Leute in diese wichtigen Staatsstellen, die heute draußen dem Ausland gegenüber das deutsche Volk und die deutsche Wirtschaft repräsentieren, hineinkommen, die auch im Jahre 1939, als Hitler auf dem Gipfel seiner Macht stand, nicht etwa für ihn in irgendwelchen Diplomatenstellungen gearbeitet haben, sondern sich mindestens von dieser ganzen Sache distanzierten.
— Ich war noch niemals im Auswärtigen Amt.
— Aber ich hoffe, Herr Kollege, daß Sie möglichst viele solcher Leute finden,
von denen Sie ganz recht jetzt sagten, es habe auch solche im Auswärtigen Amt gegeben, die rechtzeitig gegangen sind,
weil sie sich nicht mit Hitler und seinen Verbrechern identifizieren wollten. Die müssen Sie suchen und die mögen Sie bitte anstellen, ganz egal, welcher Partei sie angehören!
— Dazu brauchen Sie nicht unsere Genehmigung, Herr Kollege; der Zwischenruf ist deplaziert. Zur Anstellung Ihrer Diplomaten sollten Sie etwas ganz anderes nachsuchen, nämlich die Genehmigung unseres Volkes. Fragen Sie das Volk, was die Leute dazu sagen, daß Diplomaten in die obersten Stellen hineinkommen, durch deren Hand zum Beispiel das Telegramm über die beabsichtigte Ermordung dreier französischer Minister gelaufen ist. Fragen Sie das Volk, was das dazu sagt! Kommen Sie nach München, und dasselbe wird in den anderen deutschen Städten, in Köln sicher genauso wie in Hamburg und Hannover, der Fall sein.
Das sollten die Garantien sein. Erstens, eine Staatsverwaltung, die unter gar keinen Umständen mehr mit diesen alten Versagern infiltriert und verseucht ist, und zweitens, daß eine absolut gewährleistete Garantie für die Westmächte von Deutschland gegeben wird, daß niemals mehr irgendeine Fabrik irgendwie für Kriegspotential in Frage kommt. Das ist unser Vorschlag, sehr verehrter Herr Kollege, wie man die Sache hätte entrieren sollen.
— Unterlassen Sie doch solche lächerlichen Zwischenrufe! Ich wünschte nur, daß Sie Bundeskanzler werden!
Darf ich Ihnen eines sagen: Wir glauben, daß das i Ruhrstatut in dieser Form nicht geeignet ist, uns auf dem Weg, den wir doch alle wünschen, weiterzubringen, nämlich auf dem Weg einer möglichst engen Zusammenarbeit mit den Völkern und Regierungen der Westmächte.
Und noch eines: Wir haben heute die Rede des Herrn Bundesjustizministers gehört. Ich muß schon sagen, wenn ein Mann gekommen wäre, um den Standpunkt der Regierung unmöglich zu machen und das ad absurdum zu debattieren, was er gerade beweisen wollte, dann hätte er es nicht anders machen können als der Herr Bundesjustizminister.
Es sind in diesem Hohen Hause doch eine ganze Anzahl von Juristen. Ich glaube, denen hat sich der Magen umgedreht, als sie diese juristischen Ausführungen genossen haben, die uns da präsentiert worden sind. Während der Rede des Herrn Bundesjustizministers kam sogar ein Abgeordneter der CDU zu mir — ein Jurist — und sagte, er habe auch bis daherauf genug. Rein juristisch, nebenbei bemerkt! Das war ein Mann, der sicher die Koalition hundertprozentig unterstützt.
Jedenfalls haben die Juristen heute eine Expektoration seitens des Herrn Bundesjustizministers gehört, von der ich nur sagen kann: ich bin froh, daß
unser alter Staatsrechtslehrer Rothenbücher — der
berühmte Staatsrechtslehrer in Bayern — nicht
mehr lebt. Ich weiß nicht, ob der Herr Bundesjustizminister ihn kennt, er hat ja auch an bayerischen Universitäten studiert. Der Rothenbücher
hätte sonst vielleicht gesagt: „Herr Dr. Dehler, ich
kann Ihnen eines versichern: bei mir wären Sie als
Referendar im Examen nicht durchgekommen!"
Ich glaube, die Ausführungen, die wir da gehört haben, haben das Maß dessen weit überschritten, was juristische Ohren überhaupt noch aufnehmen können. Wir haben hier Äußerungen gehört wie die — ich habe wortwörtlich mitstenographiert —, daß zum Eingehen eines völkerrechtlichen Vertrags eine gleiche Ebene notwendig sei. Eine gemeinsame Ebene der Gleichberechtigung sei nötig, so etwas mußten wir hören. Da kommt kein Jurist und da kommt auch kein Nichtjurist mehr mit. Es ist einfach unfaßlich, wie ein Bundesjustizminister so etwas dem Hohen Hause vortragen kann.
Da würde zum Beispiel überhaupt kein Friedensvertrag möglich sein, da ja dabei keine „gleiche Ebene" vorhanden ist.
Die Ausführungen des Herrn Bundesjustizministers, der zwei Dinge gleichzeitig beweisen wollte, daß nämlich erstens ein Abkommen zustande gekommen ist und daß zweitens trotzdem dieses Abkommen keinen Vertrag darstellt, sind einfach unfaßbar. Wenn er einen zweiseitigen Vertrag zitiert, dann muß ich ihm schon eines sagen: Er hat anscheinend noch gar nichts von einseitigen Rechtsgeschäften und von einseitigen Willensakten gehört, die dann, wenn sie sich mit dem von entgegengesetzter Richtung kommenden Willen eines Anderen treffen, trotzdem zu einem Vertrage werden können, selbst dann, wenn der, der diese Willensmeinung abgibt, gar nicht die Auffassung hat, daß ein zweiseitiger Vertrag überhaupt zustande gekommen ist.
Wir haben heute auch den französischen Text gehört. Der französische Text ist ebenfalls ganz klar. Er ist vielleicht noch klarer als der deutsche Ausdruck: Abmachungen zwischen den alliierten Kommissaren. Es heißt ganz klar: „accord conclu." Es ist ein Vertrag, der zustande gekommen ist, und weiter gar nichts anderes, und wenn man da irgendwie anderer Auffassung sein kann, dann kommen wir Juristen einfach nicht mehr mit.
Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen ausdrücklich noch folgendes zu bedenken geben. Es heißt unter II der Abmachungen vom 22. November nicht nur, wie Herr Justizminister Dehler meinte, ausdrücklich, daß die Bundesregierung „ihre Absicht erklärt, der Internationalen Ruhrbehörde als Mitglied beizutreten", woraus man doch schließen könne, daß nichts anderes erfolgt sei, als daß der Mann, der zuerst Beobachter war, jetzt einfach Mitglied geworden sei. Ich mache vielmehr den Herrn Justizminister Dehler ergebenst auf den gleich daran anschließenden Satz aufmerksam, wo es heißt: „Zwischen beiden Parteien besteht Einverständnis darüber, daß der deutsche Beitritt zum Ruhrabkommen" usw. Hier heißt es ausdrücklich: Beitritt zum Ruhrabkommen, also nicht: Beitritt zur Ruhrbehörde! Bitte, berücksichtigen Sie das! „Beitritt zu einem Abkommen" — ich kann mir nicht helfen, es sind die Grundlagen der Jurisprudenz, die man im ersten und zweiten Semester lernt —,
„Beitritt zu einem Abkommen" heißt nichts anderes, als daß man selbst das Abkommen billigt und als Partner des Abkommens tätig ist. Es gibt freilich Partner verschiedenen Ranges. Der Herr Bundeskanzler Adenauer hat nicht verabsäumt, dar-
auf einzugehen; aber seine Schlußfolgerungen sind hier nicht entscheidend und nicht durchschlagend. Er sagt: Selbstverständlich haben die Signatare ganz andere Rechte; wir sind nichts anderes als ein Mitglied darin! — Ja, aber was bedeutet denn das?
Man kann doch ohne weiteres mit anderen einen Vertrag schließen, in ein Rechtsverhältnis mit anderen eintreten, wobei die einen alle oder fast alle Rechte haben und der andere nur ganz wenige. Es gibt auch eine societas, eine Gesellschaft, die societas leonina, bei der die einen alles und die anderen so gut wie gar nichts an Rechten haben. Hier, meine Damen und Herren, scheint mir ein unheilvolles Mißverständnis innerhalb der Regierung zu bestehen; man scheint sich hier über die Folgen dieser Unterschrift doch nicht ganz klar zu sein.
Wir haben mit großer Befriedigung gehört, daß der Herr Bundeskanzler der Auffassung ist, er habe keinen gegenseitigen Vertrag als Ruhrabkommen unterzeichnet, er habe nicht das Ruhrabkommen in der Form eines zweiseitigen oder mehrseitigen Abkommens unterzeichnet. Wir möchten nur, daß dieses Wort des Herrn Bundeskanzlers in aller Öffentlichkeit besonders unterstrichen wird. Mit der Interpretation durch den Herrn Bundeskanzler allein ist es aber leider nicht getan, und wenn der Wortlaut gegen ihn spricht, dann kann die Interpretation des Bundeskanzlers allein daran noch nichts ändern, genau so wie heute einmal im Laufe der Debatte mit Recht gesagt wurde, die Interpretation durch Außenminister Schumacher
— Verzeihung — Schuman ändere die Situation und die Bestimmungen nicht und könne ihnen keinen anderen Sinn geben.
— Ja, ich bin vielleicht nicht so frisch wie manche der Herren, die gut ausgeruht sind. Ich bin nach all dem, was ich im Gefängnis durchmachen mußte, nicht so frisch, wenn ich von früh 10 Uhr bis nachts um 2 Uhr hier sitze und aufzumerken habe, was gesprochen wird, daß einem dann nicht vielleicht ein lapsus linguae passiert.
Meine Damen und Herren! Genau so wenig wie die Interpretation des Außenministers Schuman irgend etwas abändern kann, wenn es auf Grund des Wortlauts anders im Vertrag steht, genau so wenig kann die Interpretation des Herrn Bundeskanzlers Adenauer irgend etwas abändern, was leider nach unserem Dafürhalten durch den klaren Wortlaut dieses Abkommens vom 22. November festgelegt worden ist. Das ist das Bedauerliche bei der ganzen Sache.
Das Bedauerliche ist nicht, daß der Herr Bundeskanzler eine Initiative in Richtung eines möglichst engen Zusammengehens mit den Westmächten und insbesondere mit Frankreich entfaltet hat . — das wünschen wir alle, wenigstens der allergrößte Teil der Mitglieder dieses Hauses —, sondern das Bedauerliche ist, daß schon einmal bei dem Zustandekommen dieses Abkommens die Volksvertretung so gut wie ausgeschaltet worden ist. Es haben mir CDU-Abgeordnete heute auf ihr Wort erklärt, sie hätten dieses Abkommen auch erst heute nachmittag um 5 Uhr erfahren.
Das ist das erste Unglück, und das zweite Unglück ist, daß man sich hier in einem betonten Optimismus wiegt, der durch die Tatsachen nicht ganz gerechtfertigt erscheint. Ich glaube, weniger Optimismus wäre hier im Interesse der ganzen Regierung besser gewesen. Vielleicht hätte die Regierung mit bestimmten anderen konkreten Vorschlägen, die wir heute schon kurz aufgezeigt haben, bei den Westmächten auf einem anderen Wege dasselbe erreicht.
Wir können heute nur unserer tiefen Besorgnis über den Gang der Dinge Ausdruck geben. Nehmen Sie es mir nicht übel, daß wir diese Besorgnis heute aussprechen. Schon vor zwei Monaten haben wir auf einem ganz anderen Gebiet diese Besorgnis ausgesprochen.
Sie haben damals gelacht. Auch Ihre Fraktionskollegen haben darüber gelacht. Es war bei Gelegenheit der Geldabwertung.
— Jawohl, Herr Kollege Strauss, so ist es. Heute kostet ein Ei in Deutschland schon überall 60 Pfennig. Auf allen Gebieten steigen bereits die Warenpreise. Es wird genau dasselbe kommen, was jetzt in Norwegen der Fall ist. Der norwegische Finanzminister hat erklärt — Sie konnten es in allen Zeitungen nachlesen —, man solle doch nicht so töricht sein und dem Volk vorspiegeln wollen, daß der innere Kaufkraftwert einer abgewerteten Währung erhalten bleiben könnte. Er wird sich von selbst und ganz automatisch nach wenigen Monaten angleichen. Dann werden gerade die arbeitenden Schichten betrogen sein!
— Das ist hier nicht Gegenstand der Debatte, Herr Kollege Strauss. Ich habe es Ihnen damals bereits gesagt.
— Selbstverständlich habe ich es gesagt. Sie haben es natürlich nicht gehört; vielleicht waren Sie gerade draußen.
Herr Abgeordneter, Sie müssen zum Schluß kommen!
— Das habe ich schon berücksichtigt.
Jedenfalls erweisen Sie, Herr Kollege Strauss, dem Ansehen des parlamentarischen Systems und der Demokratie mit diesen ständigen Unterbrechungen keinen Dienst. Wir haben genau so wie Sie das Recht, unsere Meinung zu irgendeinem Problem zu sagen. Wenn Sie uns dieses Recht beschränken wollen, dann nennen Sie das bitte nicht mehr Demokratie, sondern heißen Sie es autoritäres Regime.
Der Herr Bundeskanzler Adenauer hat in diesem Abkommen vom 22. November selbst erklärt: „Sie" — die Bundesregierung — „wird bemüht sein, den Aufbau der Regierung freiheitlich zu gestalten und autoritäre Methoden auszuschalten". Bitte, sorgen Sie dafür, daß autoritäre Methoden in diesem Hause genau so wie bei der Formung der deutschen Außenpolitik ausgeschaltet werden! Sorgen Sie dafür, daß nicht ein einzelner Mann oder nicht ganz wenige Leute über die Lebensfragen der Nation entscheiden! Sorgen Sie,
Herr Bundeskanzler, dafür, daß Sie eine möglichst breite Basis in unserer Bevölkerung und in diesem Hause für Ihre Politik, für die Politik der Zusammenarbeit mit den Westmächten finden, die uns innerlich so nahestehen, und zwar durch eine tausendjährige Verbundenheit durch die europäische Geschichte hindurch so nahestehen! Dann erst, Herr Bundeskanzler, werden wir zu Ihrer Politik das notwendige Vertrauen haben, das Vertrauen in eine Zusammenarbeit zwischen all denen, die es mit unserem Volk gut meinen und die alle zusammenstehen sollten, damit endlich einmal wieder bessere Zeiten für unser armes deutsches Vaterland und für unser armes deutsches Volk kommen, das so riesenhafte Entbehrungen durchgemacht hat und dem wir doch alle helfen wollen!
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Wessel.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, auch Außenpolitik sollte mit klugem und nüchternem Verstand und nicht mit Gefühl gemacht werden; denn wenn die Außenpolitik das Schicksal unseres Volkes darstellen soll, muß sie auch von den verschiedensten Seiten aus beurteilt werden können. Wir wissen nicht, ob der Herr Bundeskanzler die Tragweite der Pariser Konferenz und seine Abmachungen mit den Hohen Kommissaren überschätzt. Es scheint uns zum mindesten, daß die Vorteile, die der Herr Kanzler als die großen Erfolge seiner Außenpolitik herausgestellt hat, ebenso im Interesse der Westmächte wie im Interesse der deutschen Bundesrepublik liegen. Aber, meine Damen und Herren, wir dürfen auch nicht in das andere Extrem verfallen, sie im Hinblick darauf zu unterschätzen, daß wir nicht all das erreicht haben, was wir erhofften. Es wird gewiß, wie es der Herr Kanzler gesagt hat, nur Schritt für Schritt vorwärtsgehen angesichts des Scherbenhaufens, den uns das Naziregime hinterlassen hat.
Es ist in der Politik der Völker aber auch eine Tatsache: Preise, die man zahlt, werden in der Geschichte nach dem Erfolgswert beurteilt, der damit erzielt wird. Darum wird es, wie ich glaube, sowohl den Regierungsparteien als auch den Oppositionsparteien schwer sein, schon heute ex cathedra zu sagen, wie sich der Eintritt Deutschlands in die Ruhrbehörde als Preis für den Demontagestop auswirken wird. Wir fragen uns, ob die vom Herrn Bundeskanzler verlangten und nach unserer Auffassung unbedingt notwendigen Änderungen des Ruhrstatuts auch tatsächlich durchgeführt werden, da wir ja nicht als gleichberechtigte Partner gelten sollen. Für meine politischen Freunde ist es aber von entscheidender Bedeutung — ich muß einmal: bei diesem Punkt auf die Ausführungen hinweisen, die mein Vorredner, der Herr Kollege Loritz gemacht hat; denn es ist schon so, daß die Bestimmungen des Ruhrstatuts nicht allein für die Industrie an der Ruhr maßgebend sind —, ob mit diesem Eintritt in die Ruhrbehörde und in das Ruhrstatut die Bestimmung des Artikels 15 des Grundgesetzes außer Kraft gesetzt wird, wonach Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel zum Zwecke der Vergesellschaftung in Gemeineigentum übergeführt werden können.
— Es ist sehr interessant, daß Sie diesen Zwischenruf machen: Hoffentlich! Er ist infolgedessen eine
Bestätigung unserer Besorgnisse, die wir nach dieser Richtung hin haben.
Es ist weiterhin für uns wichtig, und es würde mich interessieren, auch hier einen entsprechenden Zwischenruf zu bekommen, ob mit dem Eintritt in die Ruhrbehörde soziale Verbesserungen und Rechte, wie zum Beispiel das von der CDU beantragte Mitbestimmungsrecht, ebenfalls für die Millionen Arbeiter, die in diesen für die europäische Wirtschaft so wichtigen Industrien ihre Arbeitskraft einsetzen, auf den St. Nimmerleinstag vertagt werden sollen.
Meine Damen und Herren, wir wollen die Dinge doch einmal frei von aller Leidenschaft sehen; denn es geht uns doch hier um Anliegen, die nicht nur solche der Opposition sind, sondern ebenso Anliegen, die von den Regierungsparteien sogar als Anträge diesem Hause vorgelegt worden sind.
Ich darf vielleicht! bei der Frage des Ruhrstatuts noch einen Gedanken anfügen, und ich glaube damit nicht einmal den Gedankengängen so fern zu stehen, die vielleicht vom Herrn Bundeskanzler auch erwogen werden und erwogen werden müssen. Ich darf einmal darauf hinweisen, daß diese Gedanken bereits am 7. Januar bei den Beratungen des Parlamentarischen Rates zur Frage des Ruhrstatuts von mir im Auftrage des Zentrums geäußert worden sind. Wir haben dort die Frage des Ruhrstatuts und der Ruhrbehörde alle miteinander immerhin als eine europäische Frage gesehen. Es ist immer wieder betont worden, daß die Regelung, wie sie im Ruhrstatut vorgenommen wird, nur ein Vorschuß sein dürfe auf eine gesamteuropäische Regelung der Industrien Europas. Wenn man aber schon von Europa spricht, müßte es das Ziel der Bundesregierung sein, gerade zur Vervollständigung und zur Verwirklichung ihres europäischen Gedankens auch den anderen Regierungen nahezulegen, die Frage der Europäisierung der Industrien im Zusammenhang mit der Ruhrbehörde und dem Ruhrstatut zu sehen.
Was den Eintritt Deutschlands in den Europarat betrifft, so ist gewiß die Frage nicht unwichtig, ob dadurch, daß neben Deutschland die Saar im Europarat sitzt, der jetzige Status des Saargebiets anerkannt wird oder ob — ich darf auch diesen, Gedanken einmal ausprechen — durch unseren Eintritt vielleicht weitergehende Absichten Frankreichs verhindert werden können. Mir scheint, in dieser Frage wird die Haltung Amerikas und Englands von ausschlaggebender Bedeutung für die Zukunft sein müssen. Bei dem jetzigen Zustand Deutschlands und im Hinblick auf das, was der Herr Bundeskanzler sowohl zur Ruhrbehörde und in Verbindung damit zur Aufhebung der Demontage für eine Reihe von Werken dargestellt hat, ist es auch gewiß notwendig, daß man seine Politik an den Realitäten des gegenwärtigen Zustandes und an etwa eintretenden Folgen der Ablehnung orientiert. Ich glaube, auch eine Opposition muß soviel realen Sinn haben, zu übersehen, was die Regierung in einer solchen Frage erreichen konnte und was nicht erreicht worden ist. Und im Interesse all derjenigen Menschen, die durch den Demontagestop jetzt ihre Arbeitsstelle behalten, ist es durchaus begrüßenswert, daß das, was erreicht worden ist, auch gesehen wird. Gewiß ist auf der andern Seite bedauerlich, was nicht erreicht werden konnte: daß auch noch große,
entscheidende Industrien — ich denke da an das hier schon erwähnte Werk von Watenstedt-Salzgitter — nicht unter den Demontagestop gefallen sind. Es ist aber auch — ich glaube, wir müssen es aussprechen — die Frage zu stellen, ob die Regierung durch ihre Weigerung, dies anzunehmen, weitere Zugeständnisse erreicht hätte oder ob vielleicht Zugestandenes hätte verlorengehen können.
Der Kanzler hat in seinen Erklärungen das Hindernis herausgestellt, das einer europäischen Konsolidierung bisher entgegenstand, nämlich das Sicherheitsbedürfnis Frankreichs. Aber wir glauben auch hier sagen zu müssen, daß alle Sicherheitsbeteuerungen nichts nützen, wenn Deutschland nicht von einem echten Geist und Willen der Verständigung mit Frankreich erfüllt wäre. Alle Parteien, die bisher gesprochen haben, haben diesen eindeutigen Willen zur Verständigung mit Frankreich ausgesprochen. Wir sind der Überzeugung, der beste Sicherheitsfaktor für Frankreich ist ein Deutschland, das alle Anstrengungen macht, die Folgen des Krieges durch redliche Arbeit im Geiste einer europäischen Verständigung zu überwinden.
Es ist von meinen Vorrednern — ich muß auch hier noch einmal an die Ausführungen des Herrn Bundesjustizministers erinnern — über den rechtlichen Charakter der uns vorliegenden Abmachungen mit den Hohen Kommissaren das Für und Wider dargelegt worden. Es scheint mir zweckmäßiger zu sein — namentlich in einer so heiklen und wichtigen Frage, in der man doch nicht einer Meinung ist, da beide Seiten immerhin gewichtige Gründe für ihre Stellung anführen —, die Rei-bungs- und Differenzmöglichkeiten, soweit es geht, zu beschränken. Aber unglücklicherweise haben der Herr Bundesjustizminister und auch ein Redner der CDU in ihren Darlegungen das Vorgehen der Bundesregierung so ausgelegt, daß man die Frage nicht von verschiedenen Motiven aus sehen könne, sondern daß man hier ein für allemal ein gutes Recht der Regierung sehe, so vorzugehen, wie es geschehen ist. Gegen eine solche Auffassung muß ich allerdings im Namen meiner politischen Freunde nachdrücklichst Verwahrung einlegen. Und ich glaube es trotz der heutigen Erklärung des Herrn Bundeskanzlers tun zu müssen, daß es in Deutschland keine autoritäre Regierungsführung mehr geben dürfe, weil wir — der Herr Bundeskanzler ist leider nicht da, sonst würde ich es auch ihm sagen — hier so etwas wie eine Ähnlichkeit mit dem ungläubigen Thomas haben, der sehen und nicht glauben wollte. Weil wir in diesen Dingen gerade durch die Ausführungen, die aus den Kreisen der Regierung gekommen sind, und nicht zuletzt durch die Ausführungen des dafür maßgeblichen Bundesjustizministers in unserer Auffassung hinsichtlich des Charakters dieser Abmachungen bedenklich gestimmt worden sind, sehen wir uns veranlaßt, uns bei der Abstimmung der Stimme zu enthalten.
Ich komme damit zum Schluß; ich möchte Ihre Zeit nicht zu lange in Anspruch nehmen. In seinen einleitenden Ausführungen hat der Herr Bundeskanzler die psychologischen, aber auch die tatsächlichen Voraussetzungen dargelegt, aus denen er in eine Entwicklung hineinkommen wollte, die von vertrauenerweckenden Handlungen erfüllt ist. Ich glaube, dieses Streben des Herrn Bundeskanzlers kann man durchaus unterstützen. Und wenn er aus diesem Streben den Eintritt in die Ruhrbehörde und in den Europa-Rat vollzieht, so möchten wir nur wünschen, daß die Überlegungen, die ich hier vortragen durfte, auch bei dem Herrn
Bundeskanzler einen aufnahmebereiten Boden finden. Denn in diesen Bemühungen befindet er sich in Übereinstimmung vor allem mit der amerikanischen Politik, die zu einer Konsolidierung Europas kommen möchte. Ob aber der Herrr Kanzler das andere Hindernis für eine europäische Konsolidierung, nämlich die sowjetische Stellung in Europa und vor allem in Deutschland, ebenso berücksichtigt wie zum Beispiel England und Amerika, ist meinen politischen Freunden und mir etwas fraglich. Es scheint uns indessen — und gestatten Sie mir, das zum Schluß auch noch auszusprechen —, daß dem Herrn Bundeskanzler der große Wurf in der Außenpolitik, der ihm vielleicht in seinen Konzeptionen vorschweben mag, nur dann gelingen wird, wenn er damit auch eine Lösung des Problems zwischen Ost und West verbindet, die allein die Aussicht hat, von der der Herr Bundeskanzler in seinen Darlegungen ausgegangen ist, nämlich den Frieden der Welt zu sichern, indem in Gesamteuropa und nicht nur in Westeuropa eine echte Solidarität der Völker zustande kommt.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Richter.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Es ist nachgerade Übung geworden, daß immer, wenn man dem deutschen Volk eine Belastung auferlegen möchte, die Rede auf das Jahr 1933 kommt und daran entsprechende Bemerkungen geknüpft werden. Ich glaube, man kann ein ganzes Volk niemals für das verantwortlich machen, was an Fehlern durch seine Regierung geschieht. Wenn man dazu neigt, dem deutschen Volk — dem Volk, wohlgemerkt — alle möglichen Vergehen, ja Verbrechen vorzuhalten, dann würde, glaube ich, die Gegenrechnung wahrscheinlich nicht kleiner ausfallen, die wir Deutsche auf Grund der Erfahrungen, die wir vor allem auch in der Nachkriegszeit haben sammeln müssen, aufstellen können. Wir sind nicht so kleinlich, daß wir nun etwa, nachdem das von anderer Seite des öfteren geschieht, den Franzosen Vorhaltungen machen, weil sie einmal .eine französische Revolution oder einen Napoleon hatten, oder daß wir den Engländern ihren Cromwell zum Vorwurf machen. Ich glaube, es genügt vollkommen, von Yalta und Potsdam zu sprechen, die sich erst nach Einstellung der Feindseligkeiten in ihrem ganzen Umfang ausgewirkt haben, in einem Umfang, der leider Gottes bis heute noch nicht in der ganzen Welt die rechte Würdigung erfahren hat.
Man hat vom Zusammenbruch der Macht gesprochen. Gewiß ist Deutschland in militärischer Hinsicht machtmäßig zusammengebrochen. Aber ich glaube, rein menschenmäßig und auch im Hinblick auf die Bedeutung des deutschen Raumes ist Deutschland auch heute noch eine Macht, die sowohl von den westlichen Alliierten anerkannt werden muß als auch vom Osten anerkannt zu werden scheint, wenn auch der Russe — diese Überzeugung darf ich äußern — im Augenblick noch mit der deutschen Karte ein ausgesprochenes Falschspiel treibt.
Hier ist die Rede davon gewesen, daß im Ausland ein völliger Meinungsumschwung zu verzeichnen sei. Wir wären sehr erfreut, wenn er wirklich so völlig wäre. So ist es leider noch nicht. Begrüßenswert ist ganz entschieden die Tatsache, daß jene Kräfte im Ausland immer größer werden, immer weiter anwachsen, die einsehen, welche unvernünftige Politik man in den letzten Jahren gegenüber Deutschland getrieben hat, obwohl immer wieder erklärt wird, die Deutschen könnten keine Politik treiben, nur die anderen allein hätten die politische Weisheit scheinbar für sich gepachtet. Aber wenn in der französischen Kammer davon die Rede war — und das war meines Wissens am vorgestrigen Tage —, daß Deutschland 1945 bedauerlicherweise nicht in zahllose Kleinstaaten aufgeteilt worden ist, weil dann die deutsche Frage viel leichter und reibungsloser zu behandeln wäre, und wenn man eine solche Äußerung in einer Zeit vorbringt, von der jeder weiß, daß die Großräume entscheiden, in einer Zeit, in der wir von einem Zusammengehen der europäischen Länder sprechen, dann muß ich doch feststellen, daß dieser Rückfall in das Jahr 1648 nicht gerade von politischer Klugheit spricht.
Was das Sicherheitsbedürfnis gewisser Länder anlangt, so muß ich hier das eine ganz offen sagen: Wenn gewisse durchaus nicht gering gerüstete Mächte immer wieder hysterisch nach Sicherheit gegenüber einem Deutschland schreien, das bis zum letzten abgerüstet ist, in dem ja kaum noch jemand ein größeres Taschenmesser zu besitzen wagt, dann ist das lächerlich und verständnislos gegenüber der wirklichen Bedrohung, der ja nicht nur wir Deutsche gegenüberstehen, sondern die die ganze Welt zu verschlingen droht, nämlich der Gefahr aus dem Osten.
Wir wissen doch ganz genau, wie dieses Rußland heute arbeitet, um alle Kräfte gegen diejenigen zu mobilisieren, die für Demokratie, für Frieden und für die Freiheit der Persönlichkeit, für die Freiheit der Völker eintreten.
— Ja, wir haben es selbst im Osten drüben, in der Sowjetzone, als Musterbeispiel und können es da studieren. Es wird dort drüben, im Zeichen des 'Friedens selbstverständlich, eine sogenannte Ostpolizei aufgebaut, die in Wirklichkeit nichts anderes ist als eine bewaffnete Armee, eine Hilfsarmee der Weltrevolution, um die friedliebenden Mächte des Westens zu überfallen.
Und dann muß man sehen, wie oftmals verständnislos der Westen dieser Gefahr gegenübersteht, hier im Westen, wo nicht einmal den Jägern Gewehre zugestanden werden, damit sie die Wildschweine abschießen können, die so entsetzlichen Schaden anrichten. In dieser Beziehung hat der Westen meiner Überzeugung nach noch einige Erfahrungen zu sammeln und vor allem auch einige Erkenntnisse zur Tat werden zu lassen.
Was das gegenseitige Vertrauen anlangt, so ist es meiner Überzeugung nach notwendig, uns nicht nur zuzugestehen, daß Deutschland an all den internationalen Organisationen teilnehmen kann, in denen deutsche Sachkenntnis und Mitarbeit zum allgemeinen Wohlsein beitragen können — —
— Ach, Herr Kollege, Sie marschieren doch im Osten schon lange; die brauchen wir hüben nicht, drüben sind sie da.
Ich möchte hoffen, daß diese Mitarbeit Deutschlands sich nicht nur auf kulturelle oder Wohlfahrtsdinge beschränkt oder auf der anderen Seite etwa erwünscht ist, um die Kenntnisse deutscher
Atomforschung und ähnliches für ganz gewisse Zwecke auszuwerten, sondern daß tatsächlich Deutschland in allen Organisationen, die dem Wohl der Menschheit dienen, mitarbeiten darf.
Der Herr Bundeskanzler sprach hier von der Bereitschaft Deutschlands, am Europarat teilzunehmen. Wir sehen darin im Augenblick 'doch noch eine gewisse Gefahr, solange wir nicht alle jene Rechte haben, die einem souveränen Staat zustehen. Ich darf hier sagen, daß wir die Regierung in ihrem Kampf um die ihr zustehenden Rechte im Interesse Deutschlands jederzeit unterstützen werden.
Wir brauchen aber dazu das eine, daß Belastungen, die auch die Regierung in ihrer ganzen Arbeit immer wieder hemmen und hindern müssen, über kurz oder lang fallen. Dazu gehört vor allem das Besatzungsstatut, von dem ich glaube, daß es in mancher Hinsicht bestimmt bedrückender ist als manches Kolonialstatut. Es hat in gewisser Hinsicht die Teilung Deutschlands sanktioniert, gegen die wir uns mit allen Mitteln wenden. Wir sind überzeugt, daß Deutschland im Europarat nur nach vorbehaltloser Aufhebung der bedingungslosen Kapitualiton, nach Beendigung der Besetzung und nach Schluß des Besatzungsstatuts einen Platz als freies Volk unter freien Völkern finden kann. Wir wissen, daß der Kanzler einmal Worte zur bedingungslosen Kapitulation gefunden hat, die wir nicht nur hundertprozentig unterschreiben, sondern die seinerzeit deswegen ein großes Aufsehen in der ganzen Welt erregten, weil hier Herr Dr. Adenauer einmal den Nagel auf den Kopf getroffen hat.
Was das Ruhrstatut anlangt, so sage ich ganz offen: wir lehnen es ab. Denn es ist eine ganz einseitige Belastung, die hier Deutschland zugemutet wird. Würde man daraus die Internationalisierung aller europäischen Industriegebiete abzuleiten haben,
— ja, das soll der Anfang sein, und wir hoffen, daß dann die Folgen nicht so lange auf sich warten lassen —, dann könnte man, wie gesagt, dem Ruhrstatut zustimmen. Solange es aber eine einseitige Belastung Deutschlands ist, haben wir unsere Bedenken, zumal die Ruhrbehörde sehr entscheidende Rechte in sozial- und wirtschaftspolitischer Hinsicht hat. Wir wollen nur hoffen, daß die drei deutschen Stimmen, die in der Ruhrbehörde vertreten sind, sich so durchsetzen, daß die deutschen Rechte auch gewahrt werden. Wir wünschen keine neuen Verpflichtungen, glauben allerdings, daß die Anerkennung des Ruhrstatuts auch gewisse Verpflichtungen mit sich bringt. Wir möchten nicht, daß aus dem Ruhrstatut ein zweites Versailles wird. Wir wissen, daß seinerzeit die Unterschrift von Versailles nicht nur von der Rechten, sondern auch von gewissen Kreisen der Linken abgelehnt worden ist,
aus der ganz klaren Erkenntnis heraus, daß Versailles eine Belastung für das deutsche Volk bedeutet, die auf die Dauer unerträglich sein muß.
— Sie kennen ihn vielleicht besser als ich!
— Herr Renner, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir das Mitgliedsbuch zeigen wollten.
Solange Sie das nicht können, Herr Renner, muß ich feststellen, daß Sie eine Behauptung aufgestellt haben, die zu beweisen Ihnen nicht leicht sein wird.
— Ich habe damit nichts zu tun gehabt; ich habe keins zu verbrennen gehabt.
Was die Entmilitarisierung anlangt, die hier in dem Abschnitt 3 erwähnt wird, so möchte ich eines sehr klar herausgestellt haben. Wir wissen ganz genau, daß Rüstungsausgaben grundsätzlich Ausgaben sind, die den Völkern nicht dienen. Man könnte mit diesem Geld ganz andere Dinge schaffen. Allerdings wird sich diese Erkenntnis wahrscheinlich heute und morgen in der Welt nicht durchsetzen können. Eines möchten wir aber auf jeden Fall vermieden wissen, was in der „Rheinischen Post" vom Donnerstag, dem 24. 11. 1949, angekündigt worden ist. Es gibt nämlich gewisse Kreise im Westen, die — genau so, wie man es im Osten macht, wo man in der Form der Ostpolizei schon wieder neues Kanonenfutter gegen den Westen organisiert - sich solche Gedanken schon gemacht haben. Es steht in der erwähnten Zeitung:
Nach der „Neuen Zürcher Zeitung" gibt es auch in London einflußreiche Gruppen, die eine von den Westmächten scharf kontrollierte teilweise deutsche Rüstung befürworten. Ihr Argument gehe dahin, daß Westeuropa aus eigener Kraft nicht imstande sei, die für die Verteidigung der Rheinlinie notwendigen Divisionen auf die Beine zu stellen.
Ich muß von meinem Standpunkt und dem meiner Freunde aus sagen, daß wir keine Lust haben, weder für den Osten noch für den Westen die Kastanien aus dem Feuer zu holen.
Wir wollen eine deutsche Politik treiben, und wir haben kein Interesse daran, uns an den Streitereien der Großen in irgendeiner Form, vor allem nicht in der militärischen Form, zu beteiligen.
Wenn hier die Rede davon ist, daß man die Rheinlinie als die Verteidigungslinie ansieht, daß man also das übrige Gebiet preisgibt, um es dann eines Tages wieder „befreien" zu wollen, so glaube ich, es gäbe nicht mehr viel, was man noch befreien könnte, wenn der Russe einmal in seiner alten, bestialischen Weise durch dieses Gebiet gezogen ist.
— Das habe ich schon einmal gehört.
Was die Zusammenarbeit mit dem Sicherheitsamt anlangt, so möchte ich den Herrn Bundeskanzler darum bitten, alles zu tun, damit die Gedanken, wie sie die „Neue Zürcher Zeitung" gebracht hat, nicht Wirklichkeit werden.
Ein weiterer Punkt ist folgender. Man redet von der Menschlichkeit. Man spricht davon, daß die Bundesregierung, die, im Gegensatz zu ihren Genossen Pieck und Grotewohl da drüben, aus freien demokratischen Wahlen hervorgegangen ist, Ihren Entschluß bekräftigt hat, den Grundsätzen der Freiheit, Toleranz und Menschlichkeit, die die besten europäischen Nationen miteinander verbinden, rückhaltlos Achtung zu verschaffen. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf etwas hinweisen und den
Herrn Bundeskanzler bitten, sich dieser Sache ganz besonders anzunehmen. Es gibt heute noch zahllose Kriegsgefangene, die gegen jedes Völkerrecht in Gefangenschaft gehalten werden.
Der französische Völkerrechtsprofessor de Vavre hat das in die Worte gefaßt, daß die Festhaltung dieser deutschen Kriegsgefangenen, die man jederzeit anklagen und wegen angeblicher Kriegsverbrechen verurteilen könne, eine Art „legalen Völkermords" darstelle. Gegen diesen „legalen Völkermord" wenden wir uns ganz entschieden.
Es ist die Rede davon gewesen, daß das, was der Kanzler erreicht hat, auch anerkannt werden sollte. Das tun wir. Ich habe schon einmal erklärt, daß man die Regierung nach ihren Taten beurteilen solle. Wir üben Kritik. Das ist das Recht der Opposition. Aber auf der anderen Seite kritisieren wir nicht nur, sondern anerkennen auch die Tatsache, daß Deutschland jetzt endlich wieder in größerem Maße zum Schiffsbau zugelassen worden ist. Wir bitten allerdings um eines gleich von vornherein, nämlich darum, alle Absichten, Deutschland in dieser Richtung wieder zu drosseln, zu verhindern. In der gleichen Nummer der „Rheinischen Post" ist nämlich eine Mitteilung veröffentlicht worden, die folgendermaßen lautet:
Gewerkschaftsvertreter aus der britischen Schiffsbau- und Reparatur-Industrie sind bei ihren Unterhausabgeordneten wegen der zunehmenden deutschen Schiffsbaukonkurrenz vorstellig geworden.
Sie fordern praktisch ein gemeinsames Vorgehen internationaler Gewerkschaftsorganisationen gegen den deutschen Schiffsbau.
— Sie können es ja selbst durchlesen!
Wenn man vorhin so viel von der Bedeutung der internationalen Beziehungen gewisser Kreise, gerade der Arbeiterschaft, sprach, so stehe ich auf dem Standpunkt, daß denen, die sich immer ganz zu Unrecht einbilden, allein die Arbeiterschaft zu vertreten, die Aufgabe haben, sich jetzt in ganz besonderem Maße für die Belange der deutschen Arbeiterschaft, auch der feiernden deutschen Seeleute, einzusetzen, damit sie endlich wieder zu Arbeit und Brot kommen und nicht durch irgendwelche egoistischen Machenschaften um das gebracht werden, was wir ihnen vielleicht in absehbarer Zeit geben können.
Um eines möchten wir den Bundeskanzler in diesem Zusammenhang noch bitten. Man hat Japan eine Walfangflotte zugestanden. Man sollte die Schaffung einer Walfangflotte endlich auch Deutschland zugestehen.
damit dieses Deutschland in seiner Wirtschaft wesentlich entlastet werden kann.
Es ist auch ohne Zweifel, das muß zugegeben werden, ein Erfolg, daß der Demontagestop gekommen ist. Allerdings macht uns eine Stelle, die Fußnote auf Seite 6, stutzig: „mit Ausnahme bestimmter Einrichtungen für Forschungszwecke, die unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit Bedeutung besitzen". Hoffentlich versteht man dann nicht wieder in dieser Richtung unter „Sicherheit" Dinge, die nun tatsächlich zum friedlichen Dasein des deutschen Volkes lebensnotwendig sind, wie man bedauerlicherweise in der Vergangenheit im Zuge der völkerrechtswidrigen Reparationen Deutschland Dinge entnommen hat — ich sage „entnommen"; man könnte auch einen anderen Ausdruck wählen —, die mit Krieg, Kriegführung und Rüstung und all diesen Dingen absolut nichts zu tun hatten.
Der Wiederaufbau der demontierten Industrie hängt nach Punkt d auf Seite 7 von der Zustimmung des militärischen Sicherheitsamtes ab. Wir hoffen und wünschen nur, daß es dem Kanzler gelingt, das militärische Sicherheitsamt davon zu überzeugen, daß ein Wiederaufbau der demontierten Industrie in einem ganz großen Umfange durchgeführt werden muß. Es kommt alles darauf an, daß man uns nun nicht dauernd Hemmungen bereitet, Schwierigkeiten in den Weg legt und das dann noch mit Sicherheitsbefürchtungen begründet. Man könnte auf diese Tour nämlich jeden Wiederaufbau der deutschen demontierten Industrie verhindern. Wir bitten darum, daß deutlich und in .aller Offenheit jeder Versuch in dieser Richtung mit allen Mitteln zurückgewiesen und schärfstens gebrandmarkt wird.
Wenn nun die Alliierten bedauerlicherweise Watenstedt-Salzgitter nicht aus der Demontageliste herausgenommen haben, sondern nur erklärt haben, man wolle alles tun, um es wieder aufzubauen, so fragen wir: Glaubt man im Ernst, daß man aus den Werken von Watenstedt-Salzgitter meinetwegen eine Spielzeugindustrie nennenswerten Umfangs machen könnte? Ich glaube, dort ist dann nicht mehr allzu viel zu erreichen, und die Not, vor der wir auch die Alliierten immer wieder gewarnt haben, dürfte dann dort zu einer unabänderlichen Tatsache geworden sein.
Die Russen haben in dieser Richtung weniger Hemmungen als die Westalliierten, das muß man zugeben, allerdings aus anderen Gründen. Es wird Zeit, daß die Westalliierten eines begreifen: wenn auch die Zugeständnisse auf der anderen Seite rein papierner Natur sind, so sollte man doch unsere Regierung, die Regierung der Bundesrepublik, mit allen Rechten ausstatten, damit nicht etwa von einer anderen Seite her eine verlogene Propaganda gegen die Bundesrepublik Deutschland betrieben werden kann, von einer Seite, die es meisterhaft versteht, immer nur propagandistische Schaumschlägerei zu betreiben, hinter der dann, wie wir alle ja wissen, nichts steckt.
Wir verlangen deshalb von den Alliierten, daß sie endlich die Regierung zu einer Regierung eines wahrhaft souveränen Staates machen, der man keine weiteren Schwierigkeiten in den Weg legt und der man keine Hemmungen bereitet. Wir verlangen Gleichberechtigung, genau so, wie sie die anderen Völker mit Recht für sich beanspruchen. Man muß allmählich begreifen, daß ohne Deutschland eine Rettung Europas gar nicht mehr möglich ist. Ich glaube, die anderen merken das auch allmählich; sie sind keine Blitzmerker, das weiß ich, aber so allmählich spricht sich das ja in Europa herum. Nur mit Deutschland ist die Rettung Europas durchzuführen; denn das Land, das im Herzen dieses Kontinents liegt, hat schon auf Grund
seiner geographischen Lage eine ganz besondere Bedeutung und eine entscheidende Stellung. Ob man das zugibt oder nicht, man ändert nichts an der Tatsache.
Von allen Möglichkeiten der Genugtuung ist Rache die kostspieligste und langwierigste. Die verderblichste Politik ist die der Vergeltung. Unsere zukünftige Politik sollte es sein, die Versprechen und Schrecken der Vergangenheit zu vergessen und um unserer Rettung willen in die Zukunft zu blicken. Ohne die aktive und loyale Unterstützung der Deutschen kann es in Europa keine Wiedergesundung geben.
Diese Worte, meine Damen und Herren, hat ein britischer Staatsmann gesprochen, nämlich Winston Churchill, und sie sollten eine Mahnung sein an die Welt, alles zu tun, um Deutschland zu unterstützen, nicht nur, um unser Land selbst wieder gesund 'zu machen, sondern um damit gleichzeitig auch Europa zur Gesundung zu bringen.
Wir werden, das möchte ich hier gesagt haben, die Regierung stets unterstützen, wenn es um die Einheit, um die Freiheit und um die Gleichberechtigung Deutschlands, wenn es um das Leben der deutschen Menschen geht. Wenn wir Kritik üben, dann üben wir sie nur, um auf Schwierigkeiten oder auf Gefahren aufmerksam zu machen. Aber wir sind uns über unsere Pflicht als gewählte Vertreter des deutschen Volkes klar, nämlich eine Politik zu treiben, die letzten Endes in so entscheidenden Fragen, wie sie heute zur Debatte stehen, in den Belangen der Außenpolitik nur eines kennt: deutsche Politik!
Das Wort hat Herr Abgeordneter Ollenhauer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im zweiten Teil der Aussprache, die wir diese Nacht hier haben, ist die Frage der Demontage in den Vordergrund der Auseinanersetzungen gerückt. Mein Freund Baade hat in seiner Rede gestern abend, ich glaube, überzeugend, vor dem Hohen Hause nachgewiesen, daB die jetzt erfolgten Beschränkungen der Demontage zu einem großen Teil das Resultat gemeinsamr Anstrengungen aller politischen Kräfte in Deutschland und sehr vieler gutwilliger Kräfte im Ausland gewesen sind.
Ich kann mich darauf beziehen, daß der Sprecher der CDU diese Feststellung unseres sozialdemokratischen Redners ausdrücklich unterstrichen und sich zu eigen gemacht hat.
Ich bedauere es außerordentlich, daß trotz dieser gemeinsamen Feststellung im weiteren Verlauf der Debatte in einer ernsten, sachlichen Auseinandersetzung der Versuch gemacht worden ist, die Erfolge in bezug auf die teilweise Einschränkung der Demontage zu benutzen, um hier die Entscheidung über eine viel weitergehende sachliche Frage der Außenpolitik der Bundesregierung zu verschleiern.
Ich bedaure es außerordentlich, daß der Herr Bundeskanzler durch sein zweimaliges Eingreifen selber an diesem Versuch teilgenommen hat.
Wenn gestern abend der Herr Bundeskanzler hier vor dem Hohen Hause Telegramme von Betriebsleitungen und Belegschaften der Bertiebe verliest, — —
— entschuldigen Sie, zu den Gewerkschaften komme ich auch noch — von Betrieben, die von dem Druck der Sorge wegen der Demontage befreit sind, dann wissen Sie alle miteinander, meine Damen und Herren, daß eine solche menschliche Reaktion selbstverständlich ist.
- Sie werden mir in meiner Feststellung, daß
eine solche Reaktion selbstverständlich ist, doch jedenfalls recht geben.
Es gibt ja auch Telegramme, die nicht an den
Herrn Bundeskanzler gerichtet sind, sondern an
Teile dieses Hauses, die zur gegenwärtigen Regierung in Opposition sethen; weil die Menschen
die heute abend von dem Druck der drohenden Demontage befreit sind, wissen, daß es nicht nur Anstrengungen der Regierung Adenauer gegeben hat, sondern schon vor Monaten, ehe die Regierung bestand, Anstrengungen ganz anderer Kreise.
Ich will Ihnen dafür aus meiner persönlichen Erfahrung ein Beispiel nennen. Ich habe mit großer Freude davon Kenntnis genommen, daß das Werk Gelsenberg-Benzin heute endgültig von der Demontageliste gestrichen worden ist. Die Akte eines einjährigen Kampfes um die Befreiung dieses Werkes von der Demontage liegt nicht im Amt des Herrn Bundeskanzlers, sondern beim Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.
— Meine Damen und Herren, es ist für die Entscheidung, die wir hier zu fällen haben, vielleicht besser, wenn Sie auch einmal eine Argumentation von der anderen Seite und die Feststellung von Tatsachen etwas ruhiger anhören. Die Verantwortung, die Sie heute nacht mit ihrer Abstimmung übernehmen, ist ohnehin groß genug!
— Ich möchte Ihnen nur folgendes sagen: Ich halte es nicht für einen fruchtbaren Beitrag zur Diskussion und Entscheidung über diese Frage, in diesem Augenblick derartige verständliche menschliche Reaktionen zur Unterstützung eines bestimmten politischen Standpunktes zu benutzen.
— Wir werden auch sonst über unsere Aktivität hier im Bundestag vielleicht noch größere Plakate machen, darauf können Sie sich verlassen!
Meine Damen und Herren, ich will in diesem Zusammenhang aber noch etwas anderes sagen.
Ich glaube, wir sollten uns diese Auseinandersetzung nicht so billig machen wie mit der Zitierung derartiger Telegramme, deren menschliche Gesinnung wir alle verstehen.
Wenn wir uns ein objektives Bild von den Auswirkungen der Resultate der Verhandlungen des Herrn Bundeskanzlers über die Demontage machen wollen, dann dürfen wir ihm nicht nur stark Beifall klatschen bei der Verlesung von Telegrammen der Belegschaften und Betriebsleitungen der von der Demontage befreiten Werke, sondern dann sollten wir einen Augenblick auch an die Tausende von Menschen denken, die heute abend die Gewißheit bekommen haben, daß ihre Werke demontiert werden!
Denken Sie zum Beispiel auch an die Tausende von Menschen
im Gebiet von Salzgitter und Watenstedt!
Wissen Sie, was diese Entscheidung der Hohen Kommissare, für die ich den Herrn Bundeskanzler in keiner Weise verantwortlich mache, bedeutet? Daß dort eine fast ausweglose Situation besteht und ein Herd von sozialem Elend und von politischen Gefahren entsteht, wenn wir nicht in der ernstesten Weise auch an diese Situation denken. (Zuruf von der CDU: Deshalb haben wir ja
gekämpft bis zum letzten, um zu erhalten,
was heute noch steht!)
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch ein weiteres Wort sagen. Ich glaube, Sie gehen in Ihrer Begeisterung über diesen Erfolg der Bundesregierung etwas sehr weit,
und ich möchte Ihnen sagen: Es wäre besser, wenn wir heute hier in diesem Hohen Hause eine so ernste Frage mit der sachlichen Nüchternheit behandelten, die sie verdient.
Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß keiner Ihrer Redner auf den Teil des Abkommens vom Petersberg eingegangen ist, der sich mit den Entscheidungen beschäftigt, die die jetzt von der Demontage befreiten Werke hinsichtlich ihrer zukünftigen Arbeitsmöglichkeit betreffen.
Ich möchte Ihnen den Wortlaut noch einmal mitteilen:
Bereits demontierte Einrichtungen werden mit Ausnahme der in Berlin in Frage kommenden Einrichtungen der IARA. zur Verfügung gestellt.
Was heißt das praktisch? Das heißt, daß heute abend zwar die Demontage der August-ThyssenHütte zum Beispiel eingestellt ist, soweit sie bis heute abend um 5 Uhr nicht durchgeführt ist. Sehen Sie sich einmal den Stand dieses Werkes heute abend um 5 Uhr an! Überlegen Sie einmal, welchen weiten Weg wir zu gehen haben, um dieses Werk wieder in Gang zu setzen, zu produzieren und die Menschen zu beschäftigen!
Das ist aber gar nicht das einzige, was in dieser Vereinbarung festgelegt ist. Es steht auch darin:
Durch die vorstehenden Änderungen der Reparationsliste werden die bestehenden Produktionsverbote und -beschränkungen für bestimmte Erzeugnisse nicht berührt.
Demontierte Werke dürfen nur mit Genehmigung des Militärischen Sicherheitsamtes wieder aufgebaut oder wieder eingerichtet werden. Werke, bei denen die Demontage eingestellt ist, unterstehen einer geeigneten Kontrolle, um sicherzustellen, daß die Begrenzung der Stahlerzeugung nicht überschritten wird.
Das ist auch ein Bestandteil der Abmachungen des Herrn Bundeskanzlers über die Beschränkung der Demontagen.
— Meine Damen und Herren, ich habe das Gefühl, daß ich viel sachlicher spreche, als Sie reagieren.
Ich möchte noch eingehen auf die Bemerkung, die der Herr Bundeskanzler über die Stellungnahme der Gewerkschaften heute abend hier gemacht hat. Meine Damen und Herren, ich nehme an, daß Sie das Gefühl haben, Sie befinden sich da in einer sehr starken Position, und deshalb können Sie meine Bemerkungen ruhig anhören.
Erstens einmal möchte ich die Informationen, die der Herr Bundeskanzler inzwischen über den Hintergrund dieser Mitteilung eingezogen hat, in einigen Punkten ergänzen.
Ich bitte die Abgeordneten, Platz zu nehmen.
Die Bemerkung des Herrn Bundeskanzlers, daß es sich um ein Telegramm des Deutschen Gewerkschaftsbundes handelt, stimmt nicht. .
— Es steht im Protokoll.
Es gibt kein Telegramm des Deutschen Gewerkschaftsbundes an den Bundeskanzler.
Zweitens: es gibt keine Vorstandssitzung des Deutschen Gewerkschaftsbundes, die heute zu der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers über die Abmachungen auf dem Petersberg Stellung genommen hat. Drittens: es gibt tatsächlich Meldungen der Presseagenturen über persönliche Äußerungen
einzelner Vorstandsmitglieder des Deutschen Gewerkschaftsbundes.
Soweit die Herren in den Gewohnheiten von demokratischen Organisationen bewandert sind, sollten sie wissen, daß darin ein wesentlicher Unterschied besteht. Ich möchte aber weiter darauf aufmerksam machen, daß selbst in diesen Äußerungen einzelner Vorstandsmitglieder des Deutschen Gewerkschaftsbundes ein wesentlicher Satz, der inzwischen ja auch in den Pressemeldungen der Agenturen enthalten ist, hier nicht erwähnt worden ist, nämlich die Mitteilung, daß die Gewerkschaftler, die den Eintritt in die Ruhrbehörde für nützlich halten, dies an eine sehr wesentliche Bedingung geknüpft haben. Diese Bedingung heißt nämlich —
Darf ich einen Augenblick unterbrechen, Herr Abgeordneter! — Darf ich die Herren, die auf beiden Seiten stehen, bitten, ihre Plätze einzunehmen, wie das allgemein hier im Hause üblich ist.
— Es ist hier bisher so üblich gewesen.
Meine Damen und Herren! Ich möchte bitten, daß wir wenigstens in solchen äußeren Dingen die Formen wahren. Ich möchte bitten, daß der Abgeordnete, der zuerst aufgestanden ist, Platz nimmt.
Darf ich den betreffenden Herrn bitten, Platz zu nehmen! Wir wollen doch die einfachsten Formen wahren!
An diese Bemerkung über die Nützlichkeit des Eintritts in die Ruhrbehörde ist eine sehr wesentliche Bedingung geknüpft, nämlich die, daß der Deutsche Gewerkschaftsbund erwartet, daß die Schwerindustrie Europas in den Arbeitsbereich der Ruhrbehörde einbezogen wird.
Wenn schon der Herr Bundeskanzler eine solche Pressemeldung über Äußerungen von Vertretern des Deutschen Gewerkschaftsbundes anzieht, dann hätten wir gewünscht, daß der Herr Bundeskanzler auch einiges über den Inhalt der Denkschrift gesagt hätte, die der Vorstand des Gewerkschaftsbundes dem Herrn Bundeskanzler Anfang dieser Woche überreicht hat.
Wir hätten außerdem gewünscht, daß er darauf aufmerksam gemacht hätte, daß in dem Begleitschreiben zu dieser Denkschrift die Bemerkung enthalten ist, wenn die deutsche Bundesregierung der Ruhrbehörde beitreten sollte, müsse sie eine Garantie dafür schaffen, daß die Arbeiterschaft in dieser Ruhrbehörde vertreten ist.
Außerdem wäre es ja in diesem Zusammenhang! vielleicht ganz nützlich, darauf hinzuweisen, daß der Parteifreund des Herrn Bundeskanzlers, Herr Ministerpräsident Arnold, erst vor wenigen Tagen in einer Rede erklärt hat, daß er die Revision des Ruhrstatuts als eine gewerkschaftliche Großaufgabe ansieht.
Hier kommt es ja gar nicht darauf an, daß wir in diesem Augenblick die Haltung der Gewerkschaften diskutieren, das ist auch gar nicht meine Aufgabe; ich spreche hier nicht als Vertreter der Gewerkschaften. Aber, meine Damen und Herren, wenn Sie die Stellungnahme einer so großen Organisation von Arbeitern, deren Lebensinteresse unmittelbar mit dem Eintritt in die Ruhrbehörde zusammenhängt, hier in die Debatte ziehen, dann dürfen wir wohl vom Herrn Bundeskanzler erwarten, daß er die vorgelegte Auffassung der Gewerkschaften zur Kenntnis des Hohen Hauses bringt.
Und nun, meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß einige Bemerkungen machen.
Ich möchte Ihnen folgendes sagen. Ich glaube, es wäre nicht zweckmäßig, wenn wir diese Debatte mit der Vorstellung abschließen, daß wir hier eine Entscheidung darüber zu fällen haben, ob der Erfolg der Bundesregierung in bezug auf die Einschränkung der Demontagen zu billigen ist oder nicht. Das Abkommen vom Petersberg umfaßt ja nicht nur die Abmachungen über die Beschränkung der Demontage, sondern es umfaßt eine ganze Reihe von Entscheidungen, die weit Tiber den Tag hinaus die wirtschaftliche und politische Aktionsfähigkeit der deutschen Bundesregierung in weitem Umfang bestimmen werden.
Meine Damen und Herren! In diesem Statut, das wir durch den Beitritt der Bundesregierung zur Ruhrbehörde jetzt anerkennen wollen, steht unverändert und ohne ein Wort der Kritik und ohne den Versuch der Abänderung der Artikel 15. Dieser Artikel gibt der Ruhrbehörde die Möglichkeit, das gesamte ökonomische, preis- und lohnpolitische Leben in Deutschland — und nicht nur im Ruhrgebiet! — entscheidend zu beeinflussen.
Wie immer die verfassungsrechtliche und juristische Situation sein möge — mein Freund Arndt hat unseren Standpunkt in dieser Frage wohl eindeutig klargestellt —, es kann keinen Zweifel darüber geben, daß von dem Augenblick ab, in dem wir diese Verpflichtung des Abkommens vom Petersberg eingehen, die Funktionen, die Rechte und die Möglichkeiten der Ruhrbehörde auf der Grundlage des jetzt geltenden Statuts auf der ganzen Linie wirksam werden.
Meine Damen und Herren, vergessen Sie eines nicht: Dieses Ruhrstatut gibt der Ruhrbehörde die Möglichkeit, nicht nur die deutsche Produktion an der Ruhr zu kontrollieren; sie gibt ihr auch die Möglichkeit, die Produktion an der Ruhr nach den Konjunkturbedürfnissen der Länder zu regulieren,
die an der Ruhrbehörde beteiligt sind. Wir wissen noch gar nicht, wie die ökonomische Situation gerade in den Produktionsgebieten von Kohle und Stahl sich in der nächsten Zukunft entwickelt. Es kann sehr gut sein, daß wir in diesem Augenblick
— nach meiner persönlichen Überzeugung in einem Augenblick, in dem die Voraussetzungen, unter denen die Ruhrbehörde und das Ruhrstatut beschlossen wurden, gar nicht mehr bestehen — uns selbst Verpflichtungen auferlegen, die unter Umständen dazu führen können, die Lebensmöglichkeiten der deutschen Menschen, insbesondere der arbeitenden deutschen Menschen an der Ruhr zu beschränken. Auf diesen Gesichtspunkt hinzuweisen, erschien mir nach dem Verlauf der Diskussion in den letzten Stunden dieser Debatte notwendig. Ich glaube, daß es, wenn wir das Für und Wider abwägen, sowohl nach der verfassungsrechtlichen Seite wie nach dem materiellen Inhalt des Abkommens selbst keine Möglichkeit für das Parlament geben kann, diese Aktion, diese Entscheidung und diese Abmachung des Herrn Bundeskanzlers zu billigen.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Meine Damen und Herren! Ich stelle zunächst fest, daß ich die Pressemeldung von UP, die ebenfalls von DPA herausgegangen ist, wörtlich und in vollem Umfange hier verlesen habe
und daß die Meinung des Herrn Kollegen Ollenhauer, ich hätte den wichtigen Satz weggelassen, unzutreffend ist.
Ich habe, nachdem hier die Echtheit dieser Pressemeldung angezweifelt wurde, bei dem Büro des Vorsitzenden des Gewerkschaftsbundes, Herrn Dr. Böckler, anfragen lassen. Ich habe von diesem Büro folgende Auskunft bekommen. Die Sekretärin gab nachfolgenden Text als Verlautbarung des Vorstandes des Deutschen Gewerkschaftsbundes telefonisch durch.
— Nachfolgender Text sei offiziell an die Presse weitergegeben worden; und dann folgt genau der Text, wie die beiden Presseagenturen ihn verbreitet haben.
Nun, meine Damen und Herren, verstehe ich an den Ausführungen der Herren von der sozialdemokratischen Fraktion einiges mit dem besten Willen nicht.
Zunächst bin ich folgender Auffassung. Es ist nicht Aufgabe einer Oppositionspartei, alles unter dem Gesichtspunkt der Opposition zu sehen.
Das halte ich für eine falsche Auffassung.
Ferner : wir alle, glaube ich, hier im Saale, die irgendwie an einer Stelle politisch oder öffentlich tätig gewesen sind, haben uns seit Jahr und Tag um die Einstellung der Demontage bemüht.
Das kann ich von mir behaupten, das kann ich von meiner Partei behaupten, das kann ich von der Bundesregierung erklären.
Alle miteinander haben sich die größte Mühe gegeben und haben jede ihnen zur Verfügung stehende Möglichkeit benutzt, um die Einstellung der Demontage zu erreichen.
Aber nun darf ich an das erinnern, was ich in diesem Saale in der letzten Sitzung gesagt habe. Mir ist doch am 31. Oktober, als wir im Einvernehmen mit den Fraktionen des Hauses einen neuen großen Antrag vorbereitet hatten, von maßgebendster englischer Stelle gesagt worden: Lassen Sie es; es hat keinen Zweck; alle diese Anträge werden ohne weiteres abgelehnt.
Es ist mir dann gesagt worden: Sie können nur etwas erreichen, wenn Sie die ganze Frage unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit betrachten; damit Sie diesem Sicherheitsbedürfnis westeuropäischer Alliierter entgegenkommen, müssen Sie erklären, daß Sie bereit sind, in dem Militärischen Sicherheitsamt mitzuarbeiten, und daß Sie bereit sind, in die Ruhrbehörde einen Vertreter an Stelle eines Beobachters zu entsenden. Meine Damen und Herren, ich verstehe nicht, wodurch sich fortwährend ganz offenbar das Vorstellungsbild der Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion trübt. Es handelt sich doch in keiner Weise darum, daß wir, die Bundesregierung, oder Sie Ihre Zustimmung zur Einrichtung der Ruhrbehörde geben!
Die Herren wissen doch genau, daß die Ruhrbehörde besteht.
Sie wissen genau, daß das Generalsekretariat besteht, und Sie wissen, daß der Apparat schon erheblich über hundert Köpfe stark ist. Das wissen Sie doch alles! Und Sie wissen ganz genau wie jeder Herr im Saale, daß die einzige Frage d i e ist: sollen wir- einen Vertreter entsenden, der die drei deutschen Stimmen abgibt, oder sollen wir die ganze Demontage einfach rücksichtslos bis zum Ende gehen lassen?
Das ist die Frage, um die es sich handelt,
und, meine Damen und Herren, ich stelle fest — ich muß das nach den letzten Reden des Herrn Kollegen Ollenhauer leider feststellen —, daß die sozialdemokratische Fraktion bereit ist, eher die ganze Demontage bis zu Ende gehen zu lassen, - -
Zu dieser Frage muß die Opposition Stellung nehmen
— das ist die Frage, um die es sich handelt, und um keine andere Frage —: Ist sie bereit, einen Vertreter in die Ruhrbehörde zu schicken, oder nicht? Und wenn sie erklärt: nein, — dann weiß sie auf Grund der Erklärungen, die mir der Ge-
neral Robertson abgegeben hat, daß die Demontage bis zu Ende durchgeführt wird.
Herr Abgeordneter Schumacher, — —
Herr Abgeordneter Dr. Schumacher, — —
Herr Abgeordneter Dr. Schumacher, — —
Herr Abgeordneter Dr. Schumacher! Für diese Bezeichnung des Bundeskanzlers als „Bundeskanzler der Alliierten" rufe ich Sie zur Ordnung!
Herr Bundeskanzler, fahren Sie bitte fort!
— Ich habe doch Herrn Abgeordneten Dr. Schumacher zur Ordnung gerufen!
Meine Damen und Herren, — —
- Meine Damen und Herren, ich bitte Sie einen Augenblick um, Ruhe, damit wir diese Angelegenheit abwickeln können!
Es liegt mir der Antrag auf Unterbrechung der Sitzung und auf sofortige Einberufung des Ältestenrats vor angesichts der Schwere der Bezeichnung, die der Herr Abgeordnete Dr. Schumacher gebraucht hat.
— Ich stelle fest, daß die Mehrheit für die Unterbrechung ist. Ich unterbreche die Sitzung und berufe sofort den Ältestenrat ein.
(Unterbrechung der Sitzung: Freitag, den
25. November, 3 Uhr 21 Minuten.)
Die Sitzung wird um 6 Uhr 11 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler wieder aufgenommen.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die vorhin unterbrochene Sitzung wieder. Wir haben uns im Ältestenrat über den Zwischenruf, den der Herr Abgeordnete Dr. Schumacher gegenüber dem Herrn Bundeskanzler mit den Worten „Bundeskanzler der Alliierten" machte, sehr eingehend ausgesprochen. Es sind wiederholte Versuche gemacht worden, den Herrn Abgeordneten Dr. Schumacher zur Zurücknahme dieser dem Herr Bundeskanzler zugefügten
schweren Beleidigung zu bewegen.
— Und damit — das füge ich hinzu — dem Hause, dem Bundestag, und damit der deutschen Bundesrepublik.
Denn der Herr Bundeskanzler ist eine Staatsfigur; davon müssen wir ausgehen.
— Wie ich das mache, Herr Abgeordneter, ist meine Angelegenheit. Ich verbitte mir in der Beziehung ein Korrigieren ein- für allemal!
Meine Damen und Herren, ich habe dann nach Rücksprache mit den Fraktionen als Vermittler den Herren Vertretern der sozialdemokratischen Fraktion folgenden Vorschlag übermittelt: Herr Dr. Schumacher soll diese dem Herrn Bundeskanzler zugefügte schwere Beleidigung in aller Form zurücknehmen, und ich habe dann hinzugefügt — das war etwa 20 Minuten vor 6 nach meiner Uhr, davon gehe ich ausdrücklich aus —, daß danach der Herr Bundeskanzler, wenn diese Entschuldigung erfolgte, im Laufe dieses Tages gern bereit ist, sich mit Herrn Dr. Schumacher zu unterhalten. Ich habe hinzugefügt: um 6 Uhr wird die Plenarsitzung wieder eröffnet. Ich habe inzwischen einen Boten hinaufgeschickt. — Was haben Sie mir mitzuteilen? — Ich höre eben, es ist erklärt worden, die Beratungen seien noch nicht beendet.
— Meine Damen und Herren, gestatten Sie bitte, daß ich, fortfahre. Ich habe ausdrücklich betont, daß die Sitzung um 6 Uhr wieder beginnt, und sehe keine Veranlassung, eine 'weitere etwaige Unterbrechung eintreten zu lassen.
Ich habe in der Aussprache mit den ;Fraktionen festgestellt, daß die überwiegende Mehrheit dieses Hauses in diesem Zwischenruf des Herrn Dr. Schumacher gegenüber dem Herrn Bundeskanzler das Vorliegen des Tatbestandes des § 91 der Geschäfts-
ordnung, nämlich die gröbliche Verletzung der Ordnung erblickt. Ich bedaure, daß die Versuche, Herrn Dr. Schumacher zur Zurücknahme dieses Zwischenrufes zu bewegen, vergeblich geblieben sind.
Ich mache nunmehr von meinem Recht und meiner Verpflichtung gegenüber dem Herrn Bundeskanzler
und gegenüber dem Hause in bezug auf die Durchführung des § 91 der Geschäftsordnung Gebrauch, indem ich, hiermit den Herrn Abgeordneten Dr. Schumacher wegen gröblicher Verletzung der Ordnung für die Zeit von 20 Sitzungstagen von der Teilnahme an den Verhandlungen des Bundestags ausschließe.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bausch.
Angesichts der schweren und harten Kritik, die von verschiedenen Seiten an der Haltung der Regierung geübt wurde, ist es uns ein Bedürfnis, ganz ohne Wenn und Aber hier auszusprechen, daß wir den Männern der Bundesregierung und an der Spitze insbesondere dem Bundeskanzler Dr. Adenauer herzlich dafür danken, daß sie es in der kurzen Zeit ihrer Amtstätigkeit durch ihre schlichten, maßvollen und ehrlichen Methoden verstanden haben, das Vertrauen der Siegermächte zu einer in ihrem Wollen und Handeln redlichen deutschen Bundesregierung zu erwerben
und damit den Weg unseres Volkes in eine neue Zukunft freizumachen.
Wir haben das Bedürfnis, dem Kanzler vor diesem Hohen Hause zu sagen, daß wir ihm auf diesem Wege folgen und daß nach unserer Überzeugung nicht kleine, sondern weite Teile des deutschen Volkes begriffen haben, daß es um Leben, Freiheit und Zukunft unseres Volkes geht.
Wir sind entschlossen, für diese Politk auch vor dem deutschen Volke einzutreten.
Meine Damen und Herren! Ich schließe damit die Aussprache.
Ich habe noch folgende amtliche Mitteilung zu machen. Der Ältestenrat wird auf heute 15 Uhr einberufen.
— Ich habe es absichtlich nicht getan, weil die Angelegenheit nach meiner Auffassung eigentlich damit praktisch erledigt ist.
— Dann stimmen wir ad 1) über den vorliegenden Antrag Nr. 233, Antrag der Fraktion der SPD, ab.
— Wir befinden uns bereits in der Abstimmung.
— Es liegt in meinem Ermessen, ob ich das Wort zur Geschäftsordnung erteile.
— Sie kommen auch noch dran! Wir sind in der Abstimmung. Wer für den Antrag Drucksache Nr. 233 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. —
Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist hiermit abgelehnt.
Es liegt weiter ein Antrag der kommunistischen Fraktion vor, den ich der Ordnung halber verlese:
Der Bundestag wolle beschließen:
Dem Bundeskanzler wird auf Grund der Tatsache, daß er unter Umgehung des Bundestags mit den Hohen Kommissaren die Abmachungen vom 22. November 1949 abgeschlossen und unterfertigt hat, die Mißbilligung ausgesprochen.
Es heißt dann zum Schluß:
Der Bundestag erklärt die von dem Bundeskanzler abgeschlossenen Abmachungen, die den
Interessen des deutschen Volkes widersprechen, für verfassungswidrig und unverbindlich. Diejenigen Damen und Herren, die gegen diesen Antrag sind, bitte ich, die Hand zu erheben.
— Verzeihen Sie bitte! Darüber hat von vornherein Klarheit bestanden, daß über diese Anträge abgestimmt wird. — Ich stelle fest: auch dieser Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist also einstimmig abgelehnt.
Es liegt ein zweiter Antrag der kommunistischen Fraktion folgenden Wortlauts vor:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird beauftragt, die Noten vom 1. und 7. November dieses Jahres an die Hohen Kommissare sowie das diesen Noten beigefügte Memorandum der Vereinigten Stahlwerke dem Bundestag bekanntzugeben.
Wer gegen diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist einstimmig abgelehnt.
Meine Damen und Herren! Damit haben wir alle zur Aussprache gestellten Anträge erledigt. Wird das Wort noch gewünscht? —
Zur Geschäftsordnung hat das Wort der Herr Abgeordnete Euler.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Namens meiner Fraktion bedauere ich den Ausgang dieser Sitzung auf das lebhafteste, habe aber das Bedürfnis, festzustellen, daß eine ganz unbegreifliche Unzulänglichkeit auf seiten der Partei, die jetzt nicht zugegen ist, vorliegt. Der Herr Bundeskanzler ist in seiner Großzügigkeit, in seiner Bereitschaft, zu verzeihen für den
Fall, daß eine angemessene Entschuldigung erfolge, bis zur Grenze des Äußersten gegangen, bis zu einer Grenze, die ich im Interesse der Staatsraison, des Ansehens der jungen Demokratie doch bedenklich fand. Wir haben nach einer ganz außerordentlich schweren Anschuldigung, der schwersten Beleidigung, die dem Herrn Bundeskanzler vor der Weltöffentlichkeit zugefügt werden konnte, nicht das Wort der Entschuldigung gehört, zu dem sich wohl jeder Mensch hätte gedrängt fühlen müssen, der einen Funken von Ritterlichkeit in sich verspürt.
Wir beschließen eine Sitzung, die deswegen in ihrem Ablauf so außerordentlich bedauerlich ist, weil dieses Wort, das im Interesse des politischen und menschlichen Ansehens der Opposition von uns gewünscht wurde, ausgeblieben ist.
Meine Damen und Herren! Darf ich fragen, ob weiter das Wort gewünscht wird? — Ich stelle fest, daß das nicht der Fall ist. Dann ist die Aussprache endgültig geschlossen.
Ich habe noch einige amtliche Mitteilungen zu machen. Die für heute früh angesetzten Sitzungen des Patentrechtsausschusses und des Auswärtigen Ausschusses sind abgesetzt, ebenso die Sitzung des Vorstandes des Bundestags. Die Sitzung des Ältestenrats findet heute nachmittag um 15 Uhr statt.
Ich berufe nach heute im Laufe des Nachmittags erfolgter interfraktioneller Verständigung die nächste, die 19. Sitzung des Deutschen Bundestags auf Donnerstag und Freitag, den 1. und 2. Dezember, ein und schließe hiermit endgültig die 18. Sitzung des Bundestags.