Meine Damen und meine Herren! Am 15. November habe ich Ihnen in diesem Hause Bericht erstattet über den Anfang der Verhandlungen mit den Hohen Kommissaren. Ich bin heute in der Lage, Ihnen das I Ergebnis mitzuteilen. Es ist mit den Hohen Kommissaren vereinbart, daß heute um 17 Uhr das Ergebnis der Verhandlungen in Bonn, in Paris, in London und in Washington der Öffentlichkeit übergeben wird. Ich werde Ihnen im Verlauf meiner Ausführungen den Inhalt des Ergebnisses mitteilen, und Sie werden dann den Wortlaut erhalten.
Ehe ich nun dazu übergehe, lassen Sie mich einige Ausführungen über die nach meiner Meinung zu beobachtende Methode unserer Außenpolitik machen! Wir Deutsche auf der einen Seite und die Alliierten auf der anderen Seite sehen naturgemäß den gleichen Tatbestand von zwei verschiedenen Gesichtspunkten aus an. Ich meine: wir Deutsche sollten nicht vergessen, was sich von 1933 bis 1945 abgespielt hat, wir dürfen auch nicht vergessen, welches Unglück durch die nationalsozialistische Regierung über die ganze Welt gekommen ist. Ich meine: wir dürfen weiter nicht vergessen, daß noch heute fast alle Völker der Erde schwer unter den Folgen dieses Krieges zu leiden haben. Endlich glaube ich, daß wir uns bei allem, was wir tun, klar darüber sein müssen, daß wir infolge des totalen Zusammenbruchs ohne Macht sind. Man muß sich deswegen darüber klar sein, daß bei den Verhandlungen, die wir Deutsche mit den Alliierten zu führen haben, um fortschreitend in immer größeren Besitz der staatlichen Macht zu kommen, das psychologische Moment eine sehr große Rolle spielt, daß man aber von vornherein nicht ohne weiteres volles Vertrauen verlangen und erwarten kann. Wir können und dürfen nicht davon ausgehen, daß nun bei den anderen plötzlich ein völliger Stimmungsumschwung gegenüber Deutschland eingetreten ist, daß vielmehr das Vertrauen nur langsam, Stück für Stück, wiedergewonnen werden kann. So unwürdig und falsch es sein- würde, wenn wir eine Politik sklavischer Unterwürfigkeit verfolgen würden, eine dumme, unkluge und aussichtslose Politik wäre es, wenn wir etwa auftrumpfen wollten.
Ich glaube, wir Deutsche müßten uns auch vor der spekulativen Erwägung besonders hüten, daß wir aus einer Uneinigkeit unter den anderen großen Mächten irgendwie Erfolge erzielen könnten. Ich betone nochmals: die Methode der deutschen Außenpolitik muß sein, langsam und stückweise weiterzukommen. Sie muß vor allem auch psychologisch sein und muß versuchen, das Vertrauen wiederzuerwerben, das wir Deutsche durch den Nationalsozialismus leider Gottes im weiten Umfange verloren hatten.
In der Presse ist nach der letzten Bundestagssitzung vieles über Geheimdiplomatie geschrieben worden. Daß diplomatische Verhandlungen nicht öffentlich geführt werden können, ist eine solche Selbstverständlichkeit, meine Damen und Herren, daß man darüber eigentlich keine Worte zu verlieren braucht.
Unter psychologischen Gesichtspunkten muß man auch das Verlangen nach Sicherheit auf der andern Seite betrachten. Das Sicherheitsverlangen hat auch eine psychologische Wurzel. Man kann in gewissem Umfang durch verstandesmäßige Darlegungen ein Gefühl der Unsicherheit gegenüber Deutschland bekämpfen, aber man kann, wie man weder der Liebe noch dem Haß mit Vernunftgründen völlig entgegentreten kann, auch dem Bedürfnis nach Sicherheit mit Vernunftgründen allein nicht entgegentreten. Auch hier, glaube
ich, muß man Schritt für Schritt und psychologisch behutsam weitergehen, um auf dem Wege über Gewinnung des Vertrauens das Sicherheitsbedürfnis auf der anderen Seite zu befriedigen.
Das Abkommen, das auf dem Petersberg abgeschlossen worden ist, ist in englischer, in französischer und in deutscher Sprache niedergelegt worden; der Text in deutscher Sprache ist dem Text in englischer und französischer Sprache gleichwertig, der deutsche Text gilt ebenso wie der französische und der englische Text. Es ist unterschrieben von den Hohen Kommissaren und von mir. Ich darf Ihnen dieses Abkommen jetzt vorlesen und werde bei einigen Stellen einige erklärende Ausführungen dazu machen.
Niederschrift der Abmachungen
zwischen den Alliierten Hohen Kommissaren
und dem deutschen Bundeskanzler.
Auf dem Petersberg, am 22. November 1949.
Im Anschluß an die Konferenz der drei Außenminister in Paris am 9. und 10. November sind die Hohen Kommissare des Vereinigten Königreiches, Frankreichs und der Vereinigten Staaten bevollmächtigt worden, mit dem Bundeskanzler die Noten zu erörtern, die er über eine endgültige Regelung der Demontagefrage an die Hohen Kommissare gerichtet hatte. Die Hohen Kommissare sind darüber hinaus beauftragt worden, mit dem Bundeskanzler weitere Punkte zu prüfen, die in eine Gesamtregelung einbezogen werden können. Entsprechende Verhandlungen fanden am 15., 17. und 22. November auf dem Petersberg statt.
Die Besprechungen waren getragen von dem Wunsch und der Entschlossenheit beider Parteien, ihre Beziehungen auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens fortschreitend zu entwickeln. Zunächst ist es ihr vordringlichstes Ziel, die Bundesrepublik als friedliebendes Mitglied in die europäische Gemeinschaft einzugliedern. Zu diesem Zweck soll die Zusammenarbeit Deutschlands mit den westeuropäischen Ländern auf allen Gebieten durch den Beitritt der Bundesrepublik zu allen in Frage kommenden internationalen Körperschaften und durch den Austausch von Handels- und Konsularvertretungen mit anderen Ländern ausdrücklich gefördert werden. Sowohl die Hohen Kommissare als auch der Bundeskanzler sind der Auffassung, daß Fortschritte auf diesem Wege auf der Wiederherstellung eines echten Sicherheitsgefühls in Westeuropa beruhen müssen; auf dieses Ziel vor allem waren ihre Bemühungen gerichtet. Dabei wurden sie bestärkt durch eine weitgehende Gemeinsamkeit der Anschauungen und Absichten.
Im einzelnen wurde Übereinstimmung in folgenden Punkten erzielt:
I. Die Hohe Kommission und die Bundesregierung sind übereingekommen, die Teilnahme Deutschlands an allen den internationalen Organisationen herbeizuführen, in denen deutsche Sachkenntnis und Mitarbeit zum allgemeinen Wohl beitragen können. Sie bringen ihre Genugtuung über die in dieser Richtung bereits unternommenen verschiedenen Schritte zum Ausdruck, wie die Teilnahme der Bundesrepublik an der Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit, den von bei- I den Seiten ausgesprochenen Wunsch, daß die Bundesrepublik demnächst als assoziiertes Mitglied in den Europarat aufgenommen werden soll, und die beabsichtigte Unterzeichnung eines zweiseitigen Abkommens mit der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Marshallplanhilfe.
II. In der Überzeugung, daß die möglichst enge Mitarbeit Deutschlands zum Wiederaufbau der westeuropäischen Wirtschaft wünschenswert ist, erklärt die Bundesregierung ihre Absicht, der internationalen Ruhrbehörde, in der sie derzeit nur durch einen Beobachter vertreten ist, als Mitglied beizutreten. Zwischen beiden Parteien besteht Einverständnis darüber, daß der deutsche Beitritt zum Ruhrabkommen keinen
besonderen Bedingungen aus Artikel 31
dieses Abkommens unterworfen ist.
Lassen Sie mich hier, meine Damen und Herren, einige Ausführungen einschieben. Es ist gerade über diese Frage außerordentlich viel geredet und geschrieben worden, was nach meiner Auffassung neben der Sache liegt. Ich stelle folgendes fest: Die Ruhrbehörde besteht auf Grund des Londoner Abkommens. Nach Artikel 2 dieses Abkommens ist Deutschland jetzt schon Mitglied der Ruhrbehörde. Es war damals, als das Abkommen geschlossen wurde, außenpolitisch seiner Handlungsfähigkeit völlig beraubt, und es wurde durch die Militärgouverneure bzw. die Alliierten vertreten. Alle in dem Ruhrabkommen festgesetzten Rechte der Ruhrbehörde und Verpflichtungen für Deutschland bestehen jetzt schon. Wir könnten uns diesen Verpflichtungen nur mit Gewalt entziehen, und wir besitzen keine Gewalt.
Deutschland hat in diesem Ruhrabkommen ein, und zwar ein sehr wertvolles Recht erhalten, nämlich ein Stimmrecht in der Ruhrbehörde. Es hat das gleiche Stimmrecht wie die Vereinigten Staaten, wie England und Frankreich, und ebensoviel Stimmen, nämlich drei, wie die Beneluxstaaten zusammen. Es hat drei der fünfzehn Stimmen, die in der Ruhrbehörde abgegeben werden können.
Die Ausübung dieses Stimmrechts ist ihm aber zur Zeit verwehrt.
Die Ausübung dieses Stimmrechts ist nach dem Ruhrabkommen den Alliierten übertragen, bis Deutschland das Recht zur Abgabe dieser Stimmen von den Besatzungsbehörden übertragen wird. Voraussetzung dieser Übertragung ist nach dem Ruhrabkommen — ich zitiere wörtlich —, „daß Deutschland durch Beitritt oder auf andere Weise erklärt, daß es bereit ist, die ihm durch das Ruhrabkommen auferlegten Verpflichtungen zu erfüllen".
In dem Abkommen mit den Hohen Kommissaren erklären wir uns nun — ich habe Ihnen eben den Wortlaut vorgelesen — bereit, der internationalen Ruhrbehörde als Mitglied beizutreten. Wir werden dadurch nicht Vertragspartner; als gleichberechtigte Vertragspartner sind wir den anderen sechs Signatarmächten auch gar nicht erwünscht. Wir gehen dadurch, daß wir diese Erklärung abgeben, keine neue Verpflichtung für
Deutschland ein, denn ich wiederhole nochmals: diese Verpflichtungen bestehen jetzt schon.
Es ist auch nicht richtig, wenn gesagt wird, daß wir durch Entsendung eines Mitgliedes in die Ruhrbehörde Souveränitätsrechte aufgeben. Denn, meine Damen und Herren, wir besitzen diese Souveränitätsrechte überhaupt nicht; sie sind uns genommen durch die bedingungslose Kapitulation und durch das Londoner Abkommen.
Es kann auch nicht die Rede sein von dem Eingehen eines völkerrechtlichen Vertrages. Denn diese Erklärung, wie sie in dem Abkommen enthalten ist, die ich Ihnen eben vorgelesen habe, begründet weder ein Recht noch eine Verpflichtung, sondern diese Erklärung gibt den Alliierten die Möglichkeit, das Hemmnis der Stimmabgabe durch uns zu beseitigen.
Dieses Ruhrabkommen sieht im Artikel 33 die Möglichkeit der Änderung vor, und es regelt das für Änderungen notwendige Verfahren, und zwar soll das Verfahren folgendermaßen sein: Die Ruhrbehörde kann eine Änderung empfehlen; die Signatarmächte haben dann über die Änderung zu beschließen, nicht etwa die Mitglieder der Ruhrbehörde; denn die Ruhrbehörde ist nicht gleich mit den Signatarmächten.
Ich habe, meine Damen und Herren, bei der Verhandlung über diesen Punkt mit den Hohen Kommissaren folgendes erklärt: Das Ruhrabkommen ist im vorigen Jahre abgeschlossen worden; seit dieser Zeit ist eine andere Entwicklung eingetreten, das Ruhrabkommen muß deswegen in einer Reihe von Artikeln geändert werden. Die Deutsche Bundesregierung behält sich vor, wenn sie im Rat stimmberechtigt ist, dort entsprechende Anträge zu stellen. Da aber die letzte Entscheidung bei den Signatarmächten liegt, müssen wir darum bitten, daß Deutschland, das ja auch nach der Entsendung in die Ruhrbehörde nicht zu diesen Signatarmächten, also zu den Vertragspartnern, gehört, ehe die Signatarmächte über die Empfehlung der Ruhrbehörde Beschluß fassen, gehört wird.
Die Hohen Kommissare haben mir darauf geantwortet, daß sie nicht befugt seien, dem zuzustimmen, daß sie aber diesen Vorschlag und Antrag der Deutschen Bundesregierung den Signatarmächten weitergeben würden. Ich bin autorisiert worden, hier im Bundestag diese Erklärung abzugeben, die ich Ihnen eben abgegeben habe. Daraus, meine Damen und Herren, geht völlig klar hervor — ich unterstreiche das nochmals —, daß wir durch die Entsendung eines stimmberechtigten Vertreters in die Ruhrbehörde nicht Vertragspartner des Londoner Abkommens werden. Diese Erklärung unsererseits und diese Entsendung eines Vertreters in die Ruhrbehörde ist ein Akt von psychologischer Bedeutung,
und zwar von psychologischer Bedeutung gegenüber den europäischen Völkern, die uns gegenüber dieses besondere Bedürfnis nach Sicherheit, von dem ich eben gesprochen habe, empfinden.
Ich fahre nunmehr in der Bekanntgabe des Abkommens fort.
III. Die Bundesregierung erklärt ferner ihre feste Entschlossenheit, die Entmilitarisierung des Bundesgebiets aufrechtzuerhalten
und mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln die Neubildung irgendwelcher Streitkräfte zu verhindern. Zu diesem Zweck wird die Bundesregierung mit der Hohen Kommission auf dem Gebiet des Militärischen Sicherheitsamts eng zusammenarbeiten.
IV. Die Hohe Kommission und die Bundesregierung sind übereingekommen, daß die Bundesregierung nunmehr die schrittweise Wiederaufnahme von konsularischen und Handelsbeziehungen mit den Ländern in Angriff nehmen wird, mit denen derartige Beziehungen als vorteilhaft erscheinen.
— Uns erscheinen, nicht den Hohen Kommissaren.
V. Die Bundesregierung, die aus freien demokratischen Wahlen hervorgegangen ist, bekräftigt ihren Entschluß, den Grundsätzen der Freiheit, Toleranz und Menschlichkeit, die die westeuropäischen Nationen verbinden, rückhaltlos Achtung zu verschaffen und sich in ihrem Handeln von diesen Grundsätzen leiten zu lassen. Die Bundesregierung ist fest entschlossen, alle Spuren der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft aus dem deutschen Leben und seinen Einrichtungen auszutilgen und das Wiederaufleben totalitärer Bestrebungen, welcher Art auch immer, zu verhindern.
Sie wird bemüht sein, den Aufbau der Regierung freiheitlich zu gestalten und autoritäre Methoden auszuschalten.
VI. Auf dem Gebiet der Dekartellisierung und zur Beseitigung monopolistischer Tendenzen wird die Bundesregierung gesetzgeberische Maßnahmen treffen, die den von der Hohen Kommission auf Grund des Artikel 2 des Besatzungsstatuts erlassenen Entscheidungen entsprechen.
VII. Die Hohe Kommission hat dem Bundeskanzler die Bestimmungen eines zwischen den drei Mächten getroffenen Abkommens über die Lockerung der dem deutschen Schiffbau derzeit auferlegten Beschränkungen mitgeteilt. Die wesentlichen, jetzt vereinbarten Bestimmungen sehen folgendes vor:
a) Der Bau von Hochseeschiffen mit Ausnahme von solchen Schiffen, die in erster Linie zur Beförderung von Passagieren bestimmt sind, und der Bau von Tankern bis 7200 Tonnen, von Fischereifahrzeugen bis 6500 Tonnen und von Küstenfahrzeugen bis zu 2700 Tonnen mit einer Verkehrsgeschwindigkeit von 12 Knoten kann nunmehr aufgenommen werden. Die Zahl derartiger Schiffsbauten ist nicht beschränkt.
b) Die Bundesregierung kann mit Zustimmung der Hohen Kommission bis zum 31. Dezember 1950 sechs Spezialschiffe ankaufen oder bauen, deren Tonnage und Geschwindigkeit diese Beschränkungen überschreiten. Weitere Einzelheiten über diesen Punkt sind dem Kanzler mitgeteilt worden.
Der Bundeskanzler hat die Frage des
Baues und der Reparatur von Schiffen auf deutschen Werften für Exportzwecke zur Sprache gebracht. Die Hohen Kommissare haben ihn davon unterrichtet, daß diese Frage in dem Sachverständigenausschuß nicht erörtert worden sei und daß sie deshalb nicht in der Lage seien, ihm eine endgültige Entscheidung mitzuteilen. Sie werden indessen deutsche Werften einstweilen zum Bau von Schiffen für Exportzwecke ermächtigen, jedoch unter Beschränkung auf die Typen und Zahlen, die für den Bau von Schiffen für die deutsche Wirtschaft gelten. Die Reparatur ausländischer Schiffe werden sie ohne Einschränkung genehmigen.
Lassen Sie mich dazu einige Ausführungen machen, meine Damen und Herren. Die deutschen Werften und die deutsche Schiffahrt sind nicht etwa nur eine Angelegenheit der Küste, sie sind in eminentem Maße eine allgemeine deutsche An(Sehr richtig!)
Die Werften und die Schiffahrt unterlagen bisher Beschränkungen, die unerträglich waren. Seit vielen Monaten hat in London eine ausländische Sachverständigenkonferenz getagt, die unseren Werften und unserer Schiffahrt Erleichterungen bringen sollte. Dieser Sachverständigenausschuß war zu keinem Ergebnis gekommen. Er ist jetzt durch die Pariser Konferenz dazu gebracht worden, seine Arbeit in der Weise zu Ende zu führen, wie ich es Ihnen eben mitgeteilt habe. Aus den Terminen, die Sie gehört haben — 31. Dezember 1950! —, werden Sie ohne weiteres ersehen, daß in dieser ganzen Frage das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.
Ebenfalls ist das letzte Wort in der Frage des Baues von Schiffen für Exportzwecke noch nicht gesprochen. Verstehen Sie mich recht: damit sind die ausländischen Schiffe gemeint, die auf unseren Werften gebaut werden sollen und durch deren Bau unsere Facharbeiter wieder Arbeit bekommen.
VIII. Die Hohe Kommission hat die Frage der Demontage angesichts der von der Bundesregierung gegebenen Zusicherungen erneut überprüft und folgenden Änderungen des Demontageplans zugestimmt.
Meine Damen und Herren! Es ist nicht etwa so, daß sämtliche Demontagen eingestellt werden. Eine Anzahl von Demontagen geht weiter und wird zu Ende geführt. Das gilt in erster Linie für die Demontagen von Unternehmungen, die für Kriegszwecke geschaffen sind. Sie werden aus dem Wortlaut des Dokuments gleich entnehmen, daß die Demontagen, die schon geschehen sind, nicht wieder rückgängig gemacht werden. Aber aus der Liste der Werke, die nunmehr von der Reparationsliste gestrichen werden, werden Sie ersehen, daß wir einen großen Schritt weitergekommen sind. Unser Wirtschaftsministerium ist der Auffassung, daß hiermit etwa 90 Prozent unserer Wünsche erfüllt werden. Jetzt, in diesem Augenblick, in dem ich zu Ihnen spreche, gehen die Befehle zur Einstellung der Demontage bei den Werken heraus, deren Namen ich Ihnen jetzt mitteile:
Die nachstehend aufgeführten Werke wer- den von der Reparationsliste gestrichen, und die Demontage ihrer Einrichtungen wird sofort eingestellt:
a) Synthetische Treibstoff- und Gummiwerke:
Farbenfabriken Bayer, Leverkusen, Chemische Werke, Hüls,
— Bei diesen Werken sind bestehende Einrichtungen für Forschungszwecke ausgenommen, die unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit Bedeutung besitzen.
Weiter:
Gelsenberg Benzin, Aktiengesellschaft, Gelsenkirchen,
Hydrierwerke Scholven, Aktiengesellschaft, Gelsenkirchen-Buer,
— mit Ausnahme bestimmter Einrichtungen für Forschungszwecke, die unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit Bedeutung besitzen.
Ruhröl G.m.b.H., Bottrop,
Ruhrchemie Aktiengesellschaft, Oberhausen-Holten,
Gewerkschaft Viktor, Castrop-Rauxel, Krupp-Treibstoff-Werke, Wanne-Eickel, Steinkohlenbergwerk Rheinpreußen,
Moers,
Dortmunder Paraffin-Werke, Dortmund, Chemische Werke, Essener Steinkohle, Bergkamen.
b) Stahlwerke
August Thyssen Hütte, DuisburgHamborn,
Hüttenwerke Siegerland Aktiengesellschaft, Charlottenhütte, Niederschelden,
Deutsche Edelstahlwerke, Krefeld, Hüttenwerk Niederrhein, Duisburg, Klöckner-Werke Aktiengesellschaft, Düsseldorf,
Ruhrstahl Aktiengesellschaft, Henrichshütte, Hattingen,
Bochumer Verein Aktiengesellschaft,
Gußstahlwerke, Bochum.
Die Demontage oder der Abbruch solcher Elektroöfen, die für die Aufrechterhaltung des Betriebes dieser Werke nicht notwendig sind, wird weiterhin durchgeführt.
c) Die Demontage in den IG-Farben-Werken Ludwigshafen-Oppau wird eingestellt mit Ausnahme der Einrichtungen für die Herstellung von synthetischem Ammoniak und Methanol, soweit deren Entfernung im Reparationsplan vorgesehen ist.
d) In Berlin wird jegliche Demontage eingestellt, und die Arbeit in den betroffenen Werken wird wieder ermöglicht.
Für Berlin, meine Damen und Herren, ist eine besondere Regelung getroffen worden. Es handelt sich um die Borsig-Werke in Berlin. In den Borsig-Werken in Berlin sind die Maschinen schon demontiert. Während im allgemeinen — Sie werden das gleich hören — das, was demontiert ist, demontiert bleibt, wird in Berlin eine Ausnahme gemacht, und die bereits demontierten Maschinen dürfen wieder in Benutzung genommen werden.
Bereits demontierte Einrichtungen werden, mit Ausnahme der in Berlin in Frage kommenden Einrichtungen, der IARA zur Verfügung gestellt. Durch die vorstehenden Änderungen der Reparationsliste werden die bestehenden Produktionsverbote und -beschränkungen für bestimmte Erzeugnisse nicht berührt. Demontierte Werke dürfen nur mit Genehmigung des Militärischen Sicherheitsamtes wieder aufgebaut oder wieder eingerichtet werden. Werke, bei denen die Demontage eingestellt ist, unterstehen einer geeigneten Kontrolle, um sicherzustellen, daß die Begrenzung der Stahlerzeugung — 11,1 Millionen Tonnen pro Jahr — nicht überschritten wird.
Sehr bedauerlich, meine Damen und Herren, ist,
daß es nicht gelungen ist, Watenstedt-Salzgitter
von der Demontage zu befreien. Es wurde mir
auf meine dahingehenden Vorstellungen und auf
die Schilderung der katastrophalen Lage, die unter
Umständen dort entstehen kann, erwidert, daß das
Stahlwerk bereits zum größten Teil demontiert
sei und daß die übrigen dort vorhandenen Einrichtungen nicht demontiert würden. Man hat mir
seitens der Hohen Kommissare die feste und wiederholte Zusicherung gegeben, daß man von seiten
der Hohen Kommissare die Bundesregierung und
die Landesregierung Niedersachsen auf jede Weise
darin unterstützen würde, in Salzgitter industrielle
Einrichtungen zu treffen, die den Zusammenbruch
dieses Gebietes verhüten.
IX. Die Frage der Beendigung des Kriegszustandes ist erörtert worden. Obwohl die Beendigung des Kriegszustandes im Einklang mit dem Geist dieser Abmachungen stehen würde, bietet doch die Frage erhebliche juristische und praktische Schwierigkeiten, die noch der Prüfung bedürfen.
— Meine Damen und Herren, ich komme auf den Wortlaut dieser Erklärungen in einigen Schlußbemerkungen zurück.
X. Die Hohen Kommissare und der Bundeskanzler haben diese Niederschrift unterzeichnet in der gemeinsamen Entschlossenheit, die in der Präambel aufgestellten Absichten zu verwirklichen, und in der Hoffnung, daß ihre Abmachungen einen bedeutsamen Beitrag zur Einordnung Deutschlands in eine friedliche und dauerhafte Gemeinschaft der europäischen Nationen darstellen.
Lassen Sie mich zum Schluß folgendes ausführen. Nicht alle unsere Wünsche und Anträge sind erfüllt worden. Aber die Gerechtigkeit gebietet es doch festzustellen, daß ein sehr großer Teil unserer Wünsche erfüllt worden ist und daß daher dieses Abkommen für die deutsche Wirtschaft zweifellos einen sehr wertvollen und großen Erfolg darstellt.
Politisch, meine Damen und Herren, ist dieses Abkommen ein sehr großer Erfolg. Zum erstenmal seit dem Zusammenbruch wird unsere Gleichberechtigung offiziell anerkannt, und zum erstenmal werden wir wieder in die internationale Sphäre eintreten. Die ganzen Verhandlungen mit den Hohen Kommissaren verliefen in einem guten Klima, in einer guten Atmosphäre. Irgendein Druck wurde auf uns nicht ausgeübt.
Ich habe eben schon hervorgehoben, daß der englische, der französische und der deutsche Text gleichberechtigt sind.
Lassen Sie mich noch einmal die Worte aus der Präambel und die Worte aus dem Satz wiederholen, der über die Beendigung des Kriegszustandes handelt. In dem Punkt IX heißt es, daß die Beendigung des Kriegszustandes im Einklang mit dem Geist dieser Abmachungen stehen würde -und in dieser Feststellung erblicke ich einen außerordentlich großen Fortschritt für unser Vaterland,
denn hier ist durch die Unterschriften der Vereinigten Staaten, Englands und Frankreichs festgestellt, daß dieses Abkommen mit dem Geist des Friedens übereinstimmt — und daß nur technische und juristische Gründe ein Hindernis dafür bilden, daß dieser Friede geschlossen und der Kriegszustand beendet wird.
Lassen Sie mich auch noch einmal unterstreichen, daß an mehreren Stellen auf Zusammenarbeit im gegenseitigen Vertrauen hingewiesen ist. Es ist wirklich so: wir Deutsche, unser Vaterland kann, nachdem seine ganze Macht zerbrochen ist, nur in gemeinsamer, vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den Westalliierten wieder hochkommen. Auf diesem Wege ist das Abkommen, das ich Ihnen eben verlesen habe, ein großer Fortschritt. Ich glaube, wir dürfen davon überzeugt sein, daß wir auf diesem Wege die Zukunft Deutschlands, daß wir auf diesem Wege auch die Rettung und die Zukunft Westeuropas sichern, das ohne Deutschland nicht gerettet werden kann, und daß wir — und das ist das oberste Ziel, meine Damen und Herren — auf diesem Wege auch den Frieden der Welt sichern.