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ID0101800600

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    Deutscher Bundestag — 18. Sitzung. Bonn, den 24. und 25. November 1949 449 18.. Sitzung Bonn, 24. und 25. November 1949. Geschäftliche Mitteilungen 449C, 464D, 485C, 527C Interpellation der Abg. Euler, Dr. Preusker, Dr. Becker, Dr. Dr. Nöll von der Nahmer u. Gen. betr. Abschluß der Entnazifizierung (Drucksache Nr. 172) 449D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Personen (Drucksache Nr. 175) . . 449D Dr. Heinemann, Bundesminister des Innern . . . . . . . . . 449D, 467D Strauss (CSU) . . . . . . 451D, 472A B) Dr. Menzel (SPD) . . . 455B, 469A, 471C Gundelach (KPD) 460C Pannenbecker (Z) 461B, 471C Dr. Nowack (FDP) 461D Farke (DP) 464D Donhauser (BP) 465B Dr. Miessner (NR) 466D Mensing (CDU) 467C Dr. Becker (FDP) 468D Dr. Leuchtgens (NR) 470B Kaiser, Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen 471A Unterbrechung der Sitzung . 472B Erklärung der Bundesregierung . . 449D, 472B Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . . 472B, 501A, 510D, 524A Unterbrechung der Sitzung . . 476D Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung 477A Dr. Arndt (SPD) . . . . . 477A, 484C Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 481A Dr. Baade (SPD) 485C Kiesinger (CDU) 491B Gockeln (CDU) 496C Dr. Schäfer (FDP) 497D Loritz (WAV) 502B, 511C Dr. von Merkatz (DP) 502D Dr. Baumgartner (BP) . 505A Fisch (KPD) 506B Frau Wessel (Z) 516C Dr. Richter (NR) . . . . . . . 518A 1 Ollenhauer (SPD) 521B Unterbrechung der Sitzung . . 525C Bausch (CDU) 526A Euler (FDP) 526D Abstimmungen . . . . . . .. . . 526B Nächste Sitzung 527C Die Sitzung wird um 10 Uhr 20 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
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    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach Artikel 33 Absatz 5 des Grundgesetzes ist das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln. Dazu kommt die Bestimmung des Artikels 73 des Grundgesetzes, wonach das Gesetzgebungsrecht dem Bund hinsichtlich der dem Bund unmittelbar unterstehenden Beamten ausschließlich zusteht; ferner steht ihm aber auch das Recht der Rahmengesetzgebung hinsichtlich des Beamtenrechts in den Ländern und Gemeinden zu.
    Im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland haben wir zurzeit ein dreigeteiltes Beamtenrecht. Wir haben in den Ländern der amerikanischen


    (Strauss)

    Zone die nach dem Zusammenbruch neu erlassenen Beamtengesetze. In den Ländern der englischen und der französischen Zone haben wir im allgemeinen noch das Deutsche Beamtengesetz von 1937, das in diesen Ländern von den Zusätzen befreit worden ist, die diesem Gesetz im Jahre 1937 im nationalsozialistischen Sinne auferlegt worden sind. Wir haben drittens das Militärregierungsgesetz Nr. 15, das für die Beamten und Arbeiter der Zweizonenverwaltung von Frankfurt gültig war.
    Ohne Zweifel ist die Neuregelung des Rechtsverhältnisses der Angehörigen des öffentlichen Dienstes im Bundesgebiet eine dringende Aufgabe. Das ergibt sich schon allein daraus, daß ja nicht nur der organisatorische, sondern auch der personelle Aufbau der Ministerien im Laufe der nächsten Monate zum Zwecke der Herstellung ihrer Arbeitsfähigkeit durchgeführt werden muß. Auf der anderen Seite wird aber ein Gesetzentwurf, der die endgültige Regelung der Rechtsverhältnisse der Angehörigen des öffentlichen Dienstes behandeln soll und sich zugleich als Rahmengesetz auch mit den Richtlinien für die Gesetzgebung in den Ländern für die Länder- und Gemeindebeamten zu befassen hat, eine umfangreiche Diskussion genereller Art auslösen. Bei dem Entwurf dieses endgültigen Gesetzes wird eine Fülle von Problemen zur Sprache kommen, die sich nun einmal im Zusammenhang mit der Frage der Regelung der Rechtsverhältnisse des öffentlichen Dienstes und im besonderen auch aus der Stellung und dem Verhalten des Beamtentums im Dritten Reich ergeben, wobei man sich aber davor hüten soll, eine Schwarz-Weiß-Malerei zu betreiben. Diese Fülle von Problemen ergibt sich weiterhin aus der Art und Weise, wie der Staat im Laufe der letzten vier Jahre, also in der Zeit nach dem Zusammenbruch, gegenüber dem steuerzahlenden, hilfesuchenden und oft antragstellenden Staatsbürger in Erscheinung getreten ist. In der öffentlichen Diskussion und in der generellen Aussprache wird hier im besonderen auch das Verhältnis zwischen dem Bürokraten und dem Beamten geklärt werden müssen.

    (Abg. Hilbert: Sehr richtig!)

    Es wird dafür gesorgt werden müssen, daß der Staat, der dem einzelnen Bürger ja meistens und in erster Linie in der Gestalt des Beamten entgegentritt, in dieser seiner Vertretung durch den Beamten gegenüber dem Staatsbürger wiederum als das erscheint, was er sein soll, und daß auch im besonderen der Staatsbürger im Staat wieder das sehen kann, was er in ihm sehen soll, nicht mehr und nicht weniger. In dieser Hinsicht müssen wohl viele Schlacken aus der Zeit nicht nur der letzten vier Jahre, sondern auch der diesen letzten vier Jahren vorhergegangenen zwölf Jahre und darüber hinaus manche Erscheinungen aus der vorhergegangenen Zeit in einer neuen Beamtengesetzgebung beseitigt werden.

    (Abg. Hilbert: Sehr richtig!)

    Ich glaube aber, daß es verfehlt wäre, die generelle Diskussion darüber schon heute bei der Diskussion des vorliegenden Gesetzentwurfes einzuleiten, so verlockend das bei der Regelung dieser Materie auch sein mag.
    Wenn wir das uns hier vorliegende Gesetz im engeren Rahmen betrachten, so dürfen wir bei der Diskussion doch einige Grundsätze nicht. übersehen, die in diesem Entwurf niedergelegt sind. Wir lassen vor allen Dingen keinen Zweifel
    darüber, daß wir von unserer Fraktion aus nach wie vor daran festhalten: der Beamte steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis zum Staat. Ansätze dahin, den Beamten zu einer Art Tarifvertragspartner als Arbeitnehmer gegenüber dem andern Tarifvertragspartner, dem Staat, als Arbeitgeber zu machen, müssen wir ablehnen, und zwar nicht deswegen, weil der Beamte besondere Vorrechte gegenüber den anderen Staatsbürgern genießen soll. Die Beamten sind ja im Laufe der Jahre gerade in Gefahr gekommen, eine Art Kaste zu bilden, was den Vorwurf der Bürokratie, den Vorwurf, daß die Beamten meistenteils Bürokraten sind, begründet hat. Wir sind aus grundsätzlichen Erwägungen dagegen. Der Beamte muß eng mit dem Volk verbunden sein. Er muß in der Art und Weise, wie er sich dem einzelnen Bürger gegenüber verhält, beweisen, daß er wirklich mit dem Volke verbunden ist und daß er nicht eine Art Sonderrecht, womöglich noch hinter einem Schalter und im Kommandoton, für sich beansprucht. Der Beamte hat auch kein Recht darauf, für sich in Anspruch zu nehmen, hinter einem Glasfenster zu sitzen, um von dort aus die übrige Welt von einer sicheren Warte zu sehen. Alle diese Rechte wollen wir dem Beamten nicht etwa durch diese Art der Gesetzgebung geben. Wir müssen aber nach wie vor daran festhalten, daß der Beamte in einem besonderen Treueverhältnis gegenüber dem Staat, in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis steht und daß daraus für ihn sich nicht nur Rechte, sondern in erster Linie Pflichten ergeben, die sich für einen Beamten, der in einem privatrechtlichen Verhältnis zum Staat steht, nicht ergeben würden; denn darunter würden der Staat und das Volk — und das Volk ist hier wichtiger als der Staat — in erster Linie leiden.
    Ferner ist nach dem Grundgesetz dafür Sorge zu tragen, daß bei den obersten Bundesbehörden Beamte aus allen Ländern in angemessener Weise verwendet und die bei den übrigen Bundesbehörden in den Ländern beschäftigten Personen aus diesen Ländern genommen werden.
    Wenn wir uns überlegen, welchen Umfang das vorliegende Gesetz hat, das heißt auf welchen Personenkreis es sich erstreckt — denn nur, wenn wir übersehen, welcher Personenkreis von diesem Gesetz betroffen wird, können wir die quantitativen Auswirkungen dieses Gesetzes ermessen —, so müssen wir uns vor Augen halten, daß es sich hier erstens um das Personal der Bundesministerien handelt, zweitens um das Personal der Obersten Bundesbehörden: Patentamt, Statistisches Amt, drittens um alle bei dem Obersten Bundesgericht und den oberen Bundesgerichten beschäftigten Personen, viertens um das Personal, das bei den bundeseigenen Verwaltungen mit eigenem Verwaltungsunterbau beschäftigt ist, wie Auswärtiger Dienst, Finanzverwaltung, Bundeseisenbahn, Bundespost, Verwaltung der Bundeswasserstraßen und der Schiffahrt, und fünftens um bundesunmittelbare Anstalten, die entweder in der Errichtung begriffen oder noch zu errichten sind, wie die Bundesanstalt für Angestelltenversicherung oder die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung.
    Es wird kein Zweifel darüber bestehen, daß im Bundesdienst die höchstqualifizierten Beamten beschäftigt sein müssen, daß im Bundesdienst in erster Linie in größerem Maße, als es für Länder und Gemeinden gilt, hochqualifizierte Fachleute


    (Strauss)

    1 beschäftigt werden müssen; denn wenn schon in den Bundesinstanzen eine Fülle von Kompetenzen, eine Fülle von Rechten sich vereinigt, kann auch das Parlament und auf der andern Seite der Steuerzahler verlangen, daß im Bundesdienst ohne Rücksicht auf manche begreifliche Forderungen, die erhoben werden, in erster Linie höchstqualifizierte Fachleute angestellt werden.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Was nun die Grundlage für dieses vor uns liegende Übergangsgesetz angeht, so haben wir gehört und aus der Unterlage gelesen, daß es sich im wesentlichen noch auf das Deutsche Beamtengesetz von 1937 stützt. Herr Bundesminister Dr. Heinemann hat schon erwähnt, daß allein die Jahreszahl 1937 eine Angriffsmöglichkeit für eine in diesem Falle allerdings vielleicht propagandistische Kritik bieten kann. Wir sollten uns hüten, bei den Gesetzen, die im Laufe der Jahre 1933 bis 1945 erlassen worden sind, allein auf die Jahreszahl zu schauen. Wir erweisen nämlich damit denen, die die Zustände von damals heute noch verteidigen wollen, eher einen Gefallen, ais daß wir ihnen damit Abbruch tun.

    (Lachen bei der KPD.)

    Wir sollten bei den Gesetzen von 1933 bis 1945 auf das sehen, was in ihnen wirklich an gesetzgeberischem Wert enthalten ist, und darauf sehen, was ihnen als NS-Verbrämung beigefügt und aufgezwungen worden ist.
    Dieses Beamtengesetz stützt sich in der Hauptsache, wie erwähnt, auf das Deutsche Beamtengesetz des Jahres 1937, das sich ja in den meisten Ländern noch in Anwendung befindet. Allerdings sind einzelne Bestimmungen aus dem Frankfurter Gesetz, aus dem bizonalen Gesetz Nr. 15, in dieses Beamtengesetz übernommen worden. Im besonderen war es wohl notwendig, eine Bestimmung aufzunehmen, die auch schon in der Länderpraxis durchweg Usus geworden ist, nämlich den sogenannten Außenseitern die Möglichkeit zu geben, im Behördendienst beschäftigt zu werden. Das Wort „Außenseiter" soll in diesem Zusammenhang nicht mißverstanden werden. Dieses Wort ist vielleicht vom Standpunkt desjenigen geprägt worden, der aus der Beamtenlaufbahn herausgewachsen ist und die übliche Beamtenlaufbahn eingeschlagen hat. Der Staat muß aber Wert darauf legen, daß den Persönlichkeiten, die sich in ihrem Beruf in der Wirtschaft, im praktischen Leben Erfahrungen, Kenntnisse gesammelt und dort Charakter und Haltung gezeigt haben — auch das letztere sei nicht zu übersehen —, die Möglichkeit gegeben wird, in den Behördendienst einzutreten. Der Blickpunkt, von dem aus allerdings dieser sogenannte Außenseiterparagraph gesehen werden muß, ist nicht der des einzelnen, der eine Versorgung im öffentlichen Dienst haben will, sondern der Blickpunkt muß von der Allgemeinheit, vom Staate aus sein, der Wert darauf legt, einzelne bisher nicht im Behördendienst stehende, durch Beruf und Lebenserfahrung bewährte und hochgeeignete Personen in den Staatsdienst zu ziehen und dadurch die Erfahrungen und die Arbeitsfähigkeit der Behörde zu bereichern.

    (Sehr gut! bei der CDU.)

    Ebenso ist etwas, was im Beamtengesetz von 193T natürlich bewußt unterdrückt worden ist, in dieses Gesetz aufgenommen worden, was ein Element eines jeden demokratischen Beamtengesetzes in Zukunft zu sein hat: das ist die Verantwortung des Beamten für Handlungen, die gegen Verfassung oder Gesetz verstoßen. Es wird nach diesem Gesetz nicht, wie es im alten Beamtengesetz möglich war, irgendeinem Beamten möglich sein, sich noch auf einen Befehl oder eine Anordnung zu berufen, die er ausgeführt habe, ohne nach Recht und Unrecht zu fragen, sich lediglich auf den Befehl der vorgesetzten Dienststelle berufend. Wir wissen aus bitterer Erfahrung sehr genau, welches Unheil, welches Leid und welche Katastrophe gerade die Berufung auf den Befehl eines Vorgesetzten — nämlich die Vermeidung der Verantwortung — bei uns angerichtet hat. Letzten Endes ist das eine der Wurzeln des gesamten Übels, einer der Ansätze zu unserm Zusammenbruch überhaupt gewesen.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Hier muß bei einem Beamtengesetz der Hebel angesetzt und dem Beamten die Verantwortung für die Gesetzmäßigkeit seiner Handlungen aufgezwungen werden. Daher ist auch in diesem Übergangsgesetz mit besonderer Betonung die Verantwortlichkeit des Beamten ohne Rücksicht auf die Anordnungen, die er erhalten hat, im Hinblick auf die Gesetzmäßigkeit seiner Handlungen ganz genau festgelegt.
    Das neue Gesetz enthält natürlich nicht alle Einzelheiten, die ein Beamtengesetz zu enthalten hat. Es ist mehr oder minder ein Mantelgesetz für die seit dem Jahre 1937 eingetretene beamtenrechtliche Entwicklung, um für eine Übergangszeit eine klare Rechtsgrundlage zu gewinnen.
    Allerdings wäre bei den Punkten, die man sich bei diesem Gesetz noch einmal überlegen muß, die bisher noch nicht aufgeführt sind, noch einiges anzufügen. Der Herr Bundesminister Heinemann hat vorhin schon auf den sogenannten TrottelParagraphen hingewiesen. Ich glaube, man wird sich in dem Ausschuß, dem dieses Gesetz ja wohl überwiesen wird, doch ernstlich überlegen müssen, ob es nicht zweckmäßig ist, schon jetzt in diesem Gesetz — gerade jetzt, da es darauf ankommt, nur fähige Beamte einzustellen und nur fähige Beamte zu fördern — eine Bestimmung vorzusehen, daß unfähige Beamte, die den Notwendigkeiten und Leistungen, die ihre Aufgaben erfordern, nicht entsprechen, in ihrer Gehaltsstufe oder auch in ihrer Laufbahn zurückgestuft und notfalls auch in den Warte- bzw. Ruhestand versetzt werden können. Allerdings darf — und darin unterscheiden wir uns von dem Frankfurter Entwurf wesentlich — diese Maßnahme nicht auf Anordnung einer Dienstbehörde, sei es der obersten Dienstbehörde, und schon gar nicht des Personalamts erfolgen. Eine solche Maßnahme, die tief auch in das Recht des Beamten eingreift, kann nur durch eine richterliche Instanz mit Beschwerdemöglichkeit über ihn verhängt werden.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Ich glaube, es besteht kein Zweifel darüber, daß das Frankfurter Gesetz für die Bundesregierung als vorläufige oder endgültige Rechtsgrundlage trotz des Beschlusses — es handelt sich ja nicht um ein Gesetz — der Hohen Kommissare nicht in Frage kommt. Dieses Gesetz ist seinerzeit in besonderem Maße auf die Interessen der Zweizonenverwaltung abgestimmt worden und auch auf eine Art und Weise entstanden, die seinerzeit für die Zweizonenverwaltung, um es ganz offen zu sagen, doch nur zu typisch war. Wir haben uns damals im Wirtschaftsrat immer überlegt, warum ausgerechnet dem Wirtschaftsrat die Auf-


    (Strauss)

    gabe der Schaffung eines Beamtengesetzes obliegt, während ihm zur gleichen Zeit die Schaffung eines Gesetzes über die Gewerbefreiheit aus formalen oder verfassungsrechtlichen Gründen untersagt worden ist. Im übrigen waren damals die Arbeiten des Wirtschaftsrats so weit gediehen, daß der deutsche Entwurf des Gesetzes zwei Tage vor der Verabschiedung im Plenum des Wirtschaftsrats in der zweiten und dritten Lesung stand. Sie sollte an einem Donnerstag erfolgen, aber am Dienstag vorher wurde das Militärregierungsgesetz, das große Teile des deutschen Gesetzentwurfs enthielt, auf den Tisch des Hauses gelegt.
    Wenn in Artikel 33 des Grundgesetzes festgelegt ist, daß das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln ist, so müssen wir gerade im Hinblick auf diese Bestimmung der Verfassung wohl erwähnen, daß das sogenannte Frankfurter Gesetz sich in großen Teilen außerhalb der seit 1937 entwickelten Rechtsgrundlagen hält. Ohne Zweifel bedarf unser Beamtenrecht im Hinblick auf eine Reihe von Notwendigkeiten und Gesichtspunkten einer Reform und einer Modernisierung. Wir müssen aber davor warnen, mit der bisherigen Entwicklung abrupt zu brechen und an ihrer Stelle etwas absolut Neues zu schaffen. Etwas Gutes kann nur herauskommen, wenn die notwendigen Neuerungen sich in einer sinnvollen Weise mit dem verbinden, was sich in der Vergangenheit bewährt hat.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Jeder andere Weg, der beschritten wird, wird auf der einen Seite zur Reaktion und auf der andern Seite zu Neuerungen führen, die nicht das erreichen werden, was man durch eine gesunde, aufbauende Reform erreichen kann.
    Der Herr Bundesminister Heinemann hat die Frage des Personalamts erwähnt. Es besteht, glaube ich, kein Zweifel darüber, daß die Diskussion um das Personalamt sehr, sehr umfangreich sein wird. Sie wird eines Tages aufgenommen werden müssen. Es war der Wunsch der Militärregierungen, in den Ländern, vor allem in der amerikanischen Zone, ein Personalamt zu errichten. Das Personalamt ist im Frankfurter Wirtschaftsrat durch ein eigenes Gesetz verankert worden. In dem Militärregierungsgesetz Nr. 15 ist das Personalamt mit sehr umfangreichen Kompetenzen festgelegt worden. Wenn aber die Frage des Personalamts in Verbindung mit dem gegenwärtigen Gesetz geregelt werden sollte, würde mit diesem Gesetz nicht das erreicht werden, was erreicht werden soll, nämlich rasch eine Rechtsgrundlage zu gewinnen. Denn die Behandlung der Frage des Personalamts, das für uns manches Neue, manches Gute, aber auch Manches enthält, was uns bedenklich erscheint, würde eine verhältnismäßig lange Zeit erfordern. Wenn man nicht ein ausgezeichneter Kenner der Materie ist, kann man sich heute nicht von vornherein für oder gegen das Personalamt entscheiden. Man kann wohl auf der einen Seite für das Personalamt anführen, daß es eine gewisse Koordinierungspflicht hat, daß vielleicht sogar der Artikel 36 des Grundgesetzes, wonach Beamte aus den Ländern in angemessener Weise im Bundesdienst zu verwenden sind, ohne ein Personalamt nur schwer verwirklicht werden kann, daß der Austausch hochqualifizierter Beamter innerhalb der Ministerien, daß die richtige Weiterleitung von Bewerbungsgesuchen gut geeigneter Leute ohne ein Personalamt auf Schwierigkeiten stößt. Das ist richtig. Auf der anderen Seite wollen wir uns aber keinem Zweifel darüber hingeben, daß das Personalamt auf keinen Fall eine außerhalb der politischen Verantwortung, nicht unter parlamentarischer Kontrolle stehende, scheinrichterliche Behörde sein darf.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Etwas Ähnliches ist in dem Frankfurter Gesetz Nr. 15 doch wohl aus dem Personalamt geworden. Das ist für uns eines der bemerkenswertesten Beispiele dafür, daß der Versuch der Demokratisierung einer bestimmten Aufgabe auch zu einer Diktaturisierung derselben führen kann. Denn was soll man von einem Personalamt halten, dessen Leiter oder Beauftragter des Leiters das Recht erhält, in einem Gesetz die Entscheidung eines Ministers, der unter politischer Verantwortung steht, wieder umzustoßen? Was soll man davon halten, daß über die letzte Entscheidung der obersten Dienstbehörde hinaus das Personalamt Beschwerdeinstanz geworden ist und daß in diesem bizonalen Gesetz Nr. 15 nicht einmal die Einrichtung von Dienststrafkammern festgelegt ist, also festgelegt ist, daß auch über die Entscheidungen des Personalamts hinaus eine richterliche Überprüfung und eine richterliche Entscheidung erfolgen kann?
    Wir haben gegen ein solches Personalamt eine Reihe von Bedenken. Wir haben erstens Bedenken dagegen, daß es schon in seinem Umfang praktisch eine Art Überministerium geworden ist, weil es damals Zuständigkeiten erhalten hat, die auch politische Verantwortung in sich bergen. Und wer politische Verantwortung hat, muß auch politisch zur Verantwortung gezogen werden können. Wenn dieser Grundsatz nicht eingehalten wird, würde gerade gegen eines der Hauptelemente der demokratischen Ordnung verstoßen werden.
    Zwei Fragen sind in diesem Gesetz nicht angeschnitten worden. Vielleicht kann die eine von beiden bis zu einer endgültigen Regelung aufgeschoben werden. Das ist die Frage der politischen Tätigkeit der Beamten, insbesondere die Einschränkung der passiven Wählbarkeit. Im Frankfurter Beamtengesetz war den Beamten die politische Tätigkeit im Sinne einer bestimmten parteilichen Richtung rundweg untersagt. Das passive Wahlrecht setzte praktisch das Aufgeben der Beamteneigenschaft voraus. Im Grundgesetz ist vorgesehen, daß das passive Wahlrecht eingeschränkt werden kann. Es wird aus praktischen Gründen, glaube ich, kaum erforderlich sein, darüber jetzt eine Bestimmung einzufügen. Die endgültige Regelung der Frage muß aber sorgfältig überlegt werden, damit die Beseitigung von Mißständen nicht dazu führt, daß das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird.
    Ein weiterer Punkt, der in dieses Gesetz aufgenommen werden sollte und der Prüfung bedarf, ist die Frage der Aussage des Beamten vor Gericht. Wenn ich mich recht erinnere, kann nach dem Deutschen Beamtengesetz von 1937 ein Beamter in einem Gerichtsverfahren, in dem er als Zeuge geladen wird, nur dann über Vorgänge dienstlicher Art aussagen, wenn das Gericht von seinem Vorgesetzten die Erlaubnis dazu eingeholt hat, daß der Beamte als Zeuge vernommen wird und Aussagen über Vorgänge innerhalb seiner Behörde macht. Ich glaube, daß die Geheimhaltung von vielleicht strafrechtlich verfolgbaren Angelegenheiten innerhalb der Behörde nicht auf diese Weise der Entscheidung eines Vorgesetzten überlassen werden kann. Man kann wohl, wie es im


    (Strauss)

    bayerischen Beamtengesetz und im Frankfurter Beamtengesetz geschehen ist, eine Einschränkung der Auskunftspflicht des Beamten vor Gericht einführen, etwa derart, daß die Dienstbehörde bei Gericht beantragen kann, die Auskunftspflicht einzuschränken, und daß dann das Gericht über die Einschränkung entscheidet. Diese Frage müßte im Ausschuß auf jeden Fall noch eingehend geprüft werden.
    In diesem Übergangsgesetz ist im Gegensatz zum Frankfurter Gesetz und das scheint wohl die Wiederaufnahme eines guten und richtigen Brauchs zu sein — nicht allein ein Gelöbnis des Beamten verlangt worden, sondern es ist von ihm ein Dienst-und Treueid auf die Einhaltung der Verfassung und der Gesetze und auf die Erfüllung der Dienstpflicht verlangt worden. Wenn der Bundesrat auf der andern Seite zusätzlich fordert, daß die im Gesetz enthaltene Bestimmung über die demokratische Haltung des Beamten noch durch eine stärkere Verpflichtung ersetzt wird, so kann man hier allerdings geteilter Meinung sein. Entweder wird die Bestimmung ernst genommen; dann müßte sie eigentlich im Sinne einer politischen Aktivierung des Beamten ausgelegt werden. Oder sie wird nicht ernst genommen; dann bedeutet sie eine bloße Deklamation. Eine solche Deklamation haben wir nicht nötig. Wir sind überzeugt, daß wir mit der entsprechenden Bestimmung in diesem Gesetzentwurf durchaus auskommen.
    Es ist nicht möglich, sich in der ersten Lesung abschließend über alle Einzelheiten dieser Problematik zu verbreiten. Wir wollen uns darüber klar sein, daß es jetzt notwendig ist, rasch eine Rechtsgrundlage zu gewinnen, um den personellen Aufbau der Ministerien durchführen zu können, und daß wir jetzt in dieser kurzen Zeit nicht ein neues Beamtengesetz schaffen können. Es bedarf gerade für dieses Gesetz sorgfältiger Überlegungen, um das, was notwendig ist und sich bewährt hat, aus der Vergangenheit zu übernehmen, und das, was erneuert werden muß, mit einzufügen. Alle diese grundsätzlichen Fragen, die sich nun einmal mit den Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst verbinden, müssen auch hier im Bundestag einmal eingehend diskutiert werden.
    Jetzt handelt es sich darum, unserer Regierung ein Werkzeug in die Hand zu geben, mit dem sie zuverlässige, demokratisch einwandfreie und fachlich gut qualifizierte Beamte einstellen kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordneten Dr. Menzel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Walter Menzel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Damen und Herren! Die Begründung, die der Herr Innenminister des Bundes diesem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf gegeben hat, ist in doppelter Weise sehr interessant. Einmal ist interessant, mit welcher Ängstlichkeit der Herr Innenminister des Bundes an den politischen Fragen, die ein solches Beamtengesetz beinhaltet, vorbeigegangen ist,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    und ferner ist die Begründung interessant, die er gegeben hat, um uns die Eilbedürftigkeit klarzumachen, weshalb der Bund schon jetzt ein Beamtengesetz braucht.
    Die Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers enthielt eine solche Fülle von Zusagen auf
    dem sozialen Gebiet, sie hat uns die wirtschaftlichen und sozialen Nöte des Volkes so geschildert, daß wir Sozialdemokraten angenommen hatten, die Bundesregierung würde es als ihre vordringlichste Aufgabe ansehen, uns als eines der ersten Gesetze ein Gesetz über den Wohnungsbau oder über die Hebung der sozialen und wirtschaftlichen Lage der verarmten Massen vorzulegen oder zum mindesten einmal die Kraft und den Mut finden, eine Verordnung nach Artikel 119 des Grundgesetzes zu
    erlassen, um die gerechte Verteilung der Vertriebenen durchzuführen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Aber nach zwei Monaten Regierungszeit stehen wir jetzt vor der Tatsache, daß dieser kreißende Berg nur ein armseliges Mäuslein geboren hat, daß trotz all der wirtschaftlichen Nöte und trotz der noch steigenden Not draußen nichts anderes herausgekommen ist als ein zum mindesten doch recht dürftiges vorläufiges Beamtengesetz.

    (Lachen in der Mitte und rechts.)

    Meine Damen und Herren! Etwas voreilig, politisch nicht sehr glücklich und juristisch falsch beraten hatte die Bundesregierung schon vor einigen Wochen erklärt, daß das Gesetz Nr. 15 allein schon durch die Tatsache außer Kraft gesetzt sei, daß sich die Bundesregierung entschlossen habe, ein neues Gesetz vorzulegen. Auch bis zur Bundesregierung sollte es sich herumgesprochen haben, daß durch einen Kabinettsbeschluß, ein neues Gesetz vorzulegen, nicht ein bereits bestehendes außer Kraft gesetzt wird.

    (Sehr gut! links.)

    Aber im Laufe der Verhandlungen innerhalb der Bundesregierung, im Bundesrat und mit den Hohen Kommissaren war es die Bundesregierung selbst, die durch ihren amtlichen Sprecher mitteilen ließ, daß auch nach ihrer Auffassung dieses von ihr heute wieder plötzlich als ungültig hingestellte Gesetz doch Gültigkeit auch für den Bund, auch für die französische Zone und für die Bundesbeamten habe. Das kann nach dem Besatzungsstatut, nach dem Gesetz Nr. 25, nach den Artikeln 123 und 124 des Grundgesetzes auch gar nicht anders sein, sofern man gewillt ist, die Verfassung zu achten.
    Man mag über das Gesetz Nr. 15 denken, wie man will. Auch wir sind durchaus der Auffassung, daß es erheblicher Abänderungen bedarf, daß es allein nicht die geeignete Grundlage sein kann, um einen neuen Beamtentyp in Deutschland zu schaffen. Aber das ist noch längst kein genügender Grund dafür, um die Beamten und Angestellten wieder in die Zwangsjacke des Hitlergesetzes vom Jahre 1937 zu stecken. Meine Damen und Herren! Es ist ja nicht nur so, daß die Hohen Kommissare die Ausdehnung des Gesetzes Nr. 15 auf die Beamten des Bundes ausdrücklich verfügt haben, sondern es heißt in der Anordnung der Hohen Kommissare vom 12. September 1949 — ich darf mit Erlaubnis des Präsidenten den entscheidenden Satz verlesen —, „daß die Hohen Kommissare ferner beschlossen, daß das Militärregierungsgesetz Nr. 15 betreffend die Funktionen und Organisationen der bizonalen Beamten auf die Bundesbeamten anzuwenden sei";

    (Abg. Strauss: Weiterlesen!)

    und die Bundesregierung hat durch ihren offiziellen Pressedienst dann am 17. Oktober ausdrücklich erklärt, die Militärgouverneure hätten als


    (Dr. Menzel)

    eine ihrer letzten Amtshandlungen das für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet erlassene Beamtengesetz Nr. 15 auf die Bundesbeamten ausgedehnt. Es ist nicht so, wie der Innenminister des Bundes erklärt, daß es sich nur um eine einfache Mitteilung der Besatzungsmacht gehandelt habe, sondern es handelt sich hier um eine amtliche Verlautbarung der Hohen Kommissare.
    Schließlich hat die Bundesregierung, um gar keinen Zweifel über die Rechtslage aufkommen zu lassen, über den Rundfunk am 28. Oktober verbreiten lassen, die Bundesregierung sei auf Grund einer Intervention der Hohen Kommissare übereingekommen, das alliierte Beamtengesetz so lange in Kraft zu lassen, bis das neue deutsche Gesetz vom Bundestag angenommen und von den Alliierten gebilligt worden sei. Also eine durchaus richtige Würdigung der klaren Rechtslage.
    Und nun sagt der Herr Innenminister, daß ohne dieses vorläufige Gesetz die Bundesregierung nicht arbeitsfähig werden könnte. Das ist uns nicht verständlich. Die Bundesregierung findet auf Grund der in Frankfurt am Main beschlossenen Gesetze eine fertige Verwaltungsapparatur vor, um eine tatkräftige Beamtenpolitik machen und an eine Besetzung der Beamtenstellen gehen zu können. Aber das, was der Herr Innenminister und der Kollege Strauss hier zum Personalamt ausgeführt haben, beweist ja, warum er nicht an diese Dinge heran will. W i r halten es für notwendig, daß durch ein solches Personalamt die Garantie dafür geschaffen wird, daß die Besetzung der wichtigsten Stellen gerade bei einer Regierung, die sich doch nur auf eine sehr bescheidene Mehrheit in diesem Parlament stützen kann, nicht nur nach einseitigen parteipolitischen Gesichtspunkten oder auf Grund sonstiger Beziehungen erfolgt.

    (Lachen rechts und in der Mitte und Zuruf: Ausgerechnet Sie!)

    — Ich glaube schon, daß Ihnen das recht unbequem ist.

    (Erneutes Lachen.)

    Das vorhandene Amt könnte sofort arbeiten.
    Es war nicht uninteressant, daß der Herr Innenminister des Bundes neben den Argumenten gegen das Personalamt zum Schluß bemerkte, daß auch sonstige Gründe dagegen sprächen. Nun, meine Damen und Herren, warum so verschämt mit der Angabe dieser Gründe? Ich glaube, daß sich dahinter die Angst versteckt, daß der jetzige Leiter des Personalamts ein Mann ist, der nicht das Mitgliedsbuch einer der Regierungsparteien in der Tasche hat.

    (Zurufe rechts: Es fehlt noch einiges andere! — Welches Mitgliedsbuch hat er denn?)

    — Ich würde Ihnen empfehlen, den Herrn Bundesminister zu fragen, warum er diesen Mann nicht beschäftigen will. Dann wird er wahrscheinlich das Mitgliedsbuch nennen.

    (Zuruf rechts: Warum so schamhaft? Wissen Sie es nicht?)

    — Sicher, das weiß ich.
    Meine Damen und Herren ! Wie es nicht anders zu erwarten war, hat dieser Gesetzentwurf einen sehr schlechten Start gehabt, und zwar zunächst einmal im Bundesrat. Die Bedenken des Bundesrats sind Ihnen in der Drucksache mitgeteilt worden. Aber Sie wissen auch, wie stark die Bedenken und die Kämpfe im Bundesrat waren. Der Bundesrat hatte es sogar für erforderlich gehalten, wegen dieser Gesetzesvorlage eine geheime Sitzung abzuhalten, um erst einmal die gegenüberstehenden Meinungen zu klären und sich dann in der öffentlichen Sitzung jeder sachlichen Diskussion über diese wichtige Frage zu enthalten und einfach die Länder abstimmen zu lassen. Dabei passierte es, daß die Stimmen eines Landes anders abgegeben wurden, als der Kabinettsbeschluß gelautet hatte.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Aber das Gesetz hat nicht nur beim Bundesrat einiges Kopfschütteln erregt, es hat vor allem — und das scheint uns wichtig und müßte auch dem Parlament wichtig erscheinen — bei den gesamten Beamtengewerkschaften einen erheblichen Protest ausgelöst. Das war nicht nur die Gewerkschaft der öffentlichen Dienste in Stuttgart. Dem Protest dieser Gewerkschaft haben sich später die großen Gewerkschaftsverbände der Eisenbahn, der Post, die Gewerkschaften für Erziehung und Wissenschaft, für Land- und Forstwirtschaft angeschlossen. Auch der Städtetag hat sich in einer Entschließung seines Beamtenausschusses sehr energisch gegen dieses Gesetz gewehrt, und da werden Sie wirklich nicht sagen können, daß es sich um ein sozialdemokratisches Komitee handle.
    Ein wie gutes politisches Fingerspitzengefühl die Gewerkschaften hinsichtlich der Bedenken gegen diese Vorlage gehabt haben, geht aus einer Kundgebung hervor, die, soviel ich weiß, auch den übrigen Mitgliedern dieses Hohen Hauses zugegangen ist, worin es unter anderem heißt:
    Die beabsichtigte Wiederinkraftsetzung des Deutschen Beamtengesetzes ist kein mutiger Schritt vorwärts; es ist eine Konzession an den Einfluß solcher Kräfte, die aus Bequemlichkeit oder Energielosigkeit den Weg aus der Vergangenheit nicht in die Gegenwart, noch weniger aber in die Zukunft zu finden vermögen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Dieser Begründung kann man sich durchaus anschließen, besonders dann, wenn man einen kurzen Blick auf die politische Entwicklung des Beamtenbegriffs in Deutschland und vornehmlich in Preußen zurückwirft.
    Das preußisch-deutsche Beamtentum ist im wesentlichen aus zwei Wurzeln gewachsen, einmal aus dem dynastischen Prinzip verbunden mit dem Anspruch auf unbedingten Gehorsam des Staatsdieners, ohne jede Verbindung zum Volke, und zwar einem unbedingten Gehorsam des Staatsdieners gegenüber dem Monarchen. Weil die Monarchien in Deutschland mit dem Aufbau des Militarismus verbunden waren, mußten die Landesherren eine zuverlässige Versorgung ihrer im Wehrdienst tätigen Männer schaffen. Das Prinzip der Militärversorgungsscheine wurde daher bei uns in Deutschland, im Gegensatz zu anderen Ländern, leider die eigentliche Grundlage unseres Beamtentums.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Damit entstand die sehr unglückselige Einteilung in untere, mittlere und höhere Beamte, und zugleich entstand damit der Kastengeist der Beamten, unter dem das deutsche Volk seit je so sehr gelitten hat.
    Die Grundlagen des militaristischen Staates sind vernichtet, und mit dem Wegfall dieser Grundlage muß auch jener alte Beamtentyp wegfallen. Verkennen Sie auch das eine nicht: in dem gleichen Maße, in dem die Wandlung des alten Obrigkeitsstaates über den Rechtsstaat zum modernen sozialen und Wirtschaftsstaat vor sich ging, entstand


    (Dr. Menzel)

    die von vielen nicht erkannte Notwendigkeit, einen neuen Beamtentyp in diese Entwicklung einzubauen. Der Staat konnte im vorigen und zu Anfang dieses Jahrhunderts mit diesem Tempo der modernen Entwicklung nicht Schritt halten. Er kam dadurch • in eine Isolierung gegenüber den Grundelementen der Bevölkerung, und es war gar kein Wunder, daß unter dieser Isolierung des Staates, unter dieser leider vorhandenen Trennung von Staat und Staatsbürger auch das Ansehen des Beamten leiden mußte.
    Das änderte sich auch 1918 nach dem Wegfall der Monarchie nicht. Wir haben es alle selbst bitter empfunden und erleben müssen, daß das damalige Beamtentum den neuen Weg nicht sah und in der Weimarer Verfassung zum großen Teil nicht zum Schrittmacher der Demokratie, sondern zum Hemmschuh der Weimarer Republik wurde. In dem gleichen Maße, in dem ein großer Teil der leitenden Beamten nach 1918 an den Ideen der Monarchie und des Absolutismus festhielten, waren sie dann 1933 bereit, zur NSDAP überzugehen.
    Aus dieser Entwicklung können wir die Bedeutung des Beamtengesetzes erkennen, und an dieser Bedeutung geht der Entwurf völlig vorbei. Er ist in seinem materiellen Inhalt unmöglich, und wir sind auch der Meinung, daß die Formulierungen dieses Entwurfs zum Teil recht oberflächlich sind. Zunächst haben wir Bedenken, der in § 6 des Entwurfs geforderten Ermächtigung an die Bundesregierung zuzustimmen. Die Bundesregierung glaubt, es sei möglich, ein so wichtiges Gesetz wie das Beamtengesetz von 1937 dadurch modernisieren zu können, daß man an den meisten Stellen das Wort „Nationalsozialismus" einfach mit dem Worte „Demokratie" auswechselt. Gegen eine solche „Entnazifizierung" von Gesetzen

    (Heiterkeit)

    wehren wir uns! Wir haben schon genug gehabt an der Entnazifizierung der einzelnen früheren Beamten. Wenn wir auch bei den Gesetzen jetzt anfangen, Kategorien zu schaffen, dann würde dieses Gesetz nach unserer Auffassung in die Kategorie I, nämlich der Hauptschuldigen gehören;

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    denn es war die Grundlage für den Anspruch auf unbedingten und blinden Gehorsam der Staatsdiener gegenüber Adolf Hitler. Mein Herr Vorredner hat sehr richtig darauf hingewiesen, daß in dieser Grundlage des blinden Gehorsams mit ein übler Kern des Dritten Reiches gelegen hat. Wenn aber die Bundesregierung glaubt, dieses Gesetz, wie sie es hier tut, in die Kategorie V bringen zu können, und meint, daß man bloß einige Worte zu streichen brauche, dann fürchten wir, daß es nächstens noch unter eine Amnestie fällt und daß es dann vielleicht noch in seinem alten Wortlaut angewendet wird.

    (Bravorufe bei der SPD und Zuruf: Ausgezeichnet!)

    Wir sind auch der Meinung, daß es nicht möglich ist, so wichtige Gesetze nur dadurch zu entnazifizieren, daß man einfach einige Hauptwörter ändert.

    (Sehr richtig! links.)

    Denn das, was der Nationalsozialismus im Beamtentum sah, und das, was wir in ihm sehen sollten, sind zwei so verschiedene Elemente wie Feuer und Wasser, und diesen Gegensatz kann man nicht durch die formale Änderung einiger Paragraphen aus der Welt schaffen.

    (Sehr richtig! links.)

    Wir laufen auch Gefahr, daß wir unsere Beamten in dem neuen . Staat in die recht gefährliche Nähe einer beamtenpolitischen Gedankenwelt bringen, aus der sie durch eine glimpfliche Entnazifizierung gerade entronnen sind.
    Nun, meine Damen und Herren, was ist denn bei dieser Eile, von der die Bundesregierung spricht, herausgekommen? Die Bundesregierung soll nach § 6 die Ermächtigung erhalten, das alte Reichsbeamtengesetz von 1937 zu überholen. Sie hat diesen Versuch bereits unternommen und hat einen Entwurf ausgearbeitet, der zeigt, wie sie sich dieses Ergebnis denkt. Und wie sieht es aus? Wenn Sie sich diese Vorlage näher ansehen, werden Sie unsere Bedenken gegen eine Ermächtigung für die Regierung teilen. Es heißt zwar in § 2 des Gesetzentwurfes, daß in Durchführung des Grundgesetzes Frauen und die Angehörigen aller Rassen und Berufe gleichgestellt sind. Aber in jener ersten Überarbeitung durch die Bundesregierung finden Sie die fröhliche Wiedergeburt der §§ 28 und 63 des Reichsbeamtengesetzes von 1937, die da besagen, daß Frauen erst mit 35, Männer aber schon mit 27 Jahren Beamte werden dürfen, und Sie finden auch jene Bestimmung wieder, daß die Frauen-Beamten entlassen werden müssen, wenn ihre Versorgung anderweitig sichergestellt ist. Nun, daß das dem Grundgesetz ganz offenbar widerspricht, wird ja auch dem Herrn Bundesinnenminister klar sein. Aber warum will man es erst auf eine Entscheidung des Verfassungsgerichts ankommen lassen, um sich bescheinigen zu lassen, daß diese Bestimmungen des Gesetzes verfassungswidrig sind?
    Aber es gibt in der überarbeiteten Vorlage noch einige andere Bestimmungen, die sehr interessant sind. Sie finden da wieder die Vorschrift, daß der Herr Bundespräsident — der Paragraph ist also überarbeitet worden, und nun heißt es statt „Führer und Reichskanzler" lediglich „Bundespräsident" — ermächtigt sei, nicht nur die Beamten des Bundes, sondern auch die Regierungspräsidenten, Oberbürgermeister, Landräte und Polizeipräsidenten jederzeit in den Wartestand zu versetzen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ferner findet sich da die Bestimmung, daß dieses Gesetz auch auf die Polizeibeamten der Länder Anwendung zu finden habe.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Nun weiß ich, daß der Herr Bundesinnenminister erklären wird, das seien einige Flüchtigkeiten. Aber, meine Damen und Herren, ist es wirklich verantwortlich gehandelt, die doch in diesem Hohen Hause immer so stark betonten föderalistischen Interessen

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    zu übersehen und sich mit Flüchtigkeiten zu entschuldigen? Wenn man schon einen Paragraphen ändert — und die Paragraphen, die ich zitiert habe, sind geändert worden —, dann wäre es doch viel leichter gewesen, denselben Bleistift zu benutzen, um den ganzen Paragraphen


    (Dr. Menzel)

    zu streichen, nicht aber, ihn in einer neuen Fassung wieder erstehen zu lassen.
    Meine Damen und Herren! Wir alle wissen auch, daß 1937 an eine gewerkschaftliche Betätigung der Beamten deshalb nicht gedacht werden konnte, weil sie unzulässig war. Hätte es da für die Bundesregierung nicht nahegelegen, in dieses Gesetz etwas über das Recht zur gewerkschaftlichen Betätigung aufzunehmen? Natürlich werden Sie sagen, dieses Recht sei im Grundgesetz garantiert, und das Kontrollratsgesetz Nr. 22 gewähre dem Beamten jenes Recht. Aber nach der jahrelangen Unterdrückung jeder gewerkschaftlichen Betätigungsfreiheit der Beamten wäre es doch notwendig gewesen, als ein politisches Programm dieser Bundesregierung zu erkennen zu geben, daß sie für die gewerkschaftliche Koalitionsfreiheit der Beamten sei. Aber vielleicht hängt das mit der Tatsache zusammen, daß der Herr Bundeskanzler in seiner damaligen Regierungserklärung die Gewerkschaften leider überhaupt nicht erwähnt hat.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Dabei hätte es doch nahegelegen, sich schon vorher, ehe man dieses Gesetz weiterleitete, mit den Gewerkschaften zu beraten. Man komme uns nicht damit, es sei keine Zeit gewesen. Das Gesetz ist, ich glaube, drei oder vier Wochen im Kabinett beraten worden. Da hätte sich weiß Gott ein Vor- oder Nachmittag finden lassen, um diese Fragen mit den Gewerkschaften zu beraten. Die Gewerkschaften hätten dann mit Recht darauf hinweisen können, welchen gefährlichen Weg wir wieder gehen, wenn wir die alte Klassifizierung des Gesetzes von 1937 erneut einführen.
    Der Herr Bundesinnenminister hat hier bei der Unterscheidung zwischen Beamten und Angestellten auch wieder auf die alte Formel hingewiesen — und er entleiht sie dem Gesetz von 1937 —, daß Beamter nur sein solle, wer Hoheitsfunktionen erfülle. Nun, meine Damen und Herren, wer die Praxis des Beamtenrechts und wer die Verwaltung kennt, weiß, daß es bei der Vielseitigkeit der heutigen Verwaltungsmaschinerie und bei der Fülle der Aufgaben, die der öffentlichen Verwaltung heute obliegen, gar nicht möglich ist, zwischen reinen Hoheitsaufgaben und Nichthoheitsaufgaben so exakt zu scheiden. Daher hat sich keine der Verwaltungen — sei es vor 1914, sei es vor 1933, sei es auf Grund des Gesetzes von 1937 — an diese Unterscheidung gehalten, weil man sich einfach nicht daran halten konnte. Wir fürchten auch, daß eine solche Unterscheidung sich unsozial auswirken und dazu führen muß, daß nur eine kleine Anzahl der höheren Beamten in den Genuß beamtenrechtlicher Vorteile kommen wird, die Masse der unteren und mittleren Beamten aber nicht.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Wir sind daher der Auffassung, daß es ' auch im
    Interesse des Staates nur darauf ankommt, ob eine
    Tätigkeit, die jemandem übertragen wird, von
    Dauer ist, und daß derjenige, der diese Stelle aus-
    füllt, unter den gleichen sozialen und unter den
    gleichen rechtlichen Bedingungen arbeiten soll wie
    sein Kollege. Wir würden in dieser Einheit von
    Beamten und Angestellten — wobei ich hier unter
    Beamten zunächst noch den alten Typ verstehe —
    einen entscheidenden Fortschritt für die Entwicklung unseres künftigen Beamtenrechts sehen. Wir sind darüber hinaus — gerade wenn wir diese Einheit bejahen — der Auffassung, daß die Einstellung und die Beförderung innerhalb des Staatsdienstes nicht auf einem Laufbahnanspruch, auf einem Karrierenanspruch basieren sollte. Wir sind der Meinung, daß es hier entscheidend auf die fachliche und sachliche Leistung sowie die charakterliche Haltung des Betreffenden ankommen sollte. Uns macht daher jene Vorschrift des Gesetzentwurfes sehr stutzig, in der es heißt, es können „auch" diejenigen, die nicht die Laufbahn des Beamten durchgemacht haben, eingestellt werden. Dieses „auch" ist sehr verdächtig. Es klingt wie eine Art Gnadenbrot. Dabei wissen wir genau, meine Damen und Herren, daß gerade jene Männer und Frauen, die nicht durch die „Ochsentour" gegangen sind, sondern sich draußen im wirtschaftlichen, im politischen, im gewerkschaftlichen ' Leben bewährt haben, meistens die besten Vertreter der Interessen des Staates geworden sind.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir sollten daher verlangen, daß sie „bevorzugt", nicht „auch" einzustellen sind.
    Damit hängt natürlich, wenn wir den Karriereanspruch künftig verneinen, auch die Notwendigkeit zusammen, alle Stellen im Staate auszuschreiben.

    (Aha! bei der CDU.)

    Es ist nicht richtig, den Nachwuchs nur aus dem engeren Kreise zu nehmen, den der jeweilige Dienstherr gerade kennt. Nach den auf Grund einer Ausschreibung eingehenden Bewerbungen hat der Dienstherr die Möglichkeit, den Richtigen auszuwählen. In diesem Zusammenhange freue ich mich, daß auch mein Herr Vorredner sich grundsätzlich für den sogenannten Trottel-Paragraphen einsetzt. Wir sind aber der Meinung, daß es, um der ganzen beamtenpolitischen Entwicklung eine bestimmte Richtung zu geben, erforderlich wäre, diese Vorschrift schon jetzt aufzunehmen.
    Es ist mir aufgefallen, daß der Herr Bundesminister einen wesentlichen Teil der amtlichen und uns gedruckt vorliegenden Begründung heute nicht erwähnt hat, und zwar jenen Teil der Begründung, aus dem sich ergibt, wozu die Bundesregierung ermächtigt werden soll. Das ist völlig offen gelassen worden. Dazu gehört z. B., meine Damen und Herren, daß mit der Annahme dieses Gesetzes nicht nur alle besoldungs- und versorgungsrechtlichen Bestimmungen, alle Durchführungserlasse usw. des Dritten Reiches in Kraft treten sollen, sondern daß auch das bei den Beamten so berüchtigte Dienststrafgesetz Adolf Hitlers von 1938 in Kraft treten soll.

    (Hört! Hört! links.)

    Die schriftliche Begründung läßt das an einer Stelle nur sehr verschämt erkennen. Aber was steckt denn dahinter, meine Damen und Herren? Während wir in Preußen schon vor 1933 ein verhältnismäßig modernes Beamtendienststrafrecht hatten, wurde die Rechtslage durch das Gesetz von 1937 hinter die des Jahres 1851 zurückgeworfen. Damals, das heißt 1937, wurden nicht nur jene den Beamten so ungünstigen Bestimmungen geschaffen, wonach zu einem Schuldspruch eine einfache Mehrheit des Richterkollegiums genüge. Damals wurden auch die Verjährungsvorschriften gestrichen, und das gesamte Dienststrafverfahren wurde zu einem Geheimverfahren hinter verschlossenen Türen gemacht; kein Beamter hatte die Möglichkeit, seine


    (Dr. Menzel)

    Rechte in aller Öffentlichkeit zu verteidigen. Die Rechtlosigkeit, unter die die Beamten damals gestellt wurden, ging sogar so weit, daß ihnen eine Verteidigung erst im Hauptverfahren zustand und kein Verteidiger das Recht hatte, in dem einleitenden Verfahren die Rechte des Beamten wahrzunehmen.
    Diese Verletzung der primitivsten Rechte eines jeden Angeschuldigten will die Bundesregierung heute wieder dulden. Ich bin der Meinung, daß das eine sehr erhebliche, eine sehr schwerwiegende Verletzung der Fürsorgepflicht des Staates gegen- über den Beamten ist. Wenn hier immer wieder von der Treuepflicht des Beamten gegenüber dem Staat, die auch wir anerkennen, gesprochen wird, so steht dieser Treuepflicht gegenüber auch eine Fürsorgepflicht des Staates. Diese Fürsorgepflicht wird aufs gröblichste verletzt, wenn Sie dieses Geheimverfahren, diese Rechtlosstellung der Beamten im Hitlerschen Dienststrafgesetz wieder einführen wollen.
    So macht diese Vorlage den Versuch der Wiederherstellung zumindest der rechtlichen Grundlagen eines sehr rückständigen Beamten- und Dienststrafrechtes, das den Geist der Mitte des vorigen Jahrhunderts, das heißt den Geist der preußischen Reaktion atmet. Welche Gefahren hier vorliegen, ergibt sich wohl aus der befremdenden, aber auch geradezu beängstigenden Tatsache des Wiedererwachens der Korporationen an den einzelnen Universitäten.

    (Lachen und Zurufe in der Mitte.)

    — Herr Abgeordneter Dr. Müller, ich werde Ihnen gleich einige Zeilen vorlesen, und wenn Sie dann noch lachen, ist Ihnen allerdings nicht zu helfen. (Zuruf rechts: Manche begreifen's nie!)

    In der Göttinger Universitätszeitung vom Oktober dieses Jahres finden Sie einen Artikel, der von einem Herrn Grüninger, Oberregierungsrat, zur Zeit a. D., unterschrieben ist. Er trägt die Überschrift: „Die Korporationsdebatte". Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten möchte ich einige Zeilen daraus verlesen:
    Mir war es etwa für die Wahl der Mitarbeiter in meinem Wirkungskreis sehr wesentlich, in meinen Bundesbrüdern Persönlichkeiten zu wissen, denen ich mich in Idealen und Zielen verbunden fühle und denen ich deswegen bedenkenlos auch verantwortungsvolle Auf gaben übertragen konnte. Wieviel befriedigender ist doch die Auslese nach einem solchen Persönlichkeitsprinzip gegenüber der schematischen Anwendung fachlicher Prüfungsergebnisse und -zeugnisse.

    (Hört! Hört!)

    Auch mir war in der Zeit meiner eigenen beruflichen Entwicklung die Förderung durch wohlwollende ältere Bundesbrüder eine wertvolle Stütze.

    (Zuruf von der SPD: Vielleicht ist er schon wieder Beamter! — Gegenrufe aus der Mitte.)

    — Das hat wohl mit dem Beamtengesetz etwas zu tun, weil wir den Geist, der hier aus diesen Zeilen spricht, nicht wieder haben wollen. Wir wollen nicht, daß er in unserer-Beamtenpolitik und Gesetzgebung wieder eine Heimstätte findet.
    Es heißt dann weiter wie folgt:
    Der zweite Grundzug, die Erziehung zur unbedingten Ehrenhaftigkeit in allen Lebenslagen,
    ist ein anderer Ausdruck für den Anspruch des Akademikers als Elitepersönlichkeit. Es ist nun ein gesellschaftliches und berechtigtes Phänomen, daß solche Führerschichten bestrebt sind, durch die Wahl besonderer Moral- und Ehrenkodizes, besonderer Umgangsformen und auch Abzeichen sich von der übrigen Volksmasse abzugrenzen.

    (Heiterkeit links.)

    Die Kneipe, der Komment, das Fechten usw. sind unwesentlich, aber — wie die Liturgie der katholischen Kirche --- eine historisch gewordene Form, an deren Wert wir nicht zweifeln dürfen.
    Sehen Sie, meine Damen und Herren, diese Kreise und diesen Geist des Beamtenrechts wollen wir nicht mehr.

    (Heiterkeit und Zurufe in der Mitte und rechts: Wir auch nicht! Darüber sind wir uns ganz einig!)

    — Da sind wir einig?

    (Abg Strauss: Da gibt es gar keine Meinungsverschiedenheiten!)

    — Es freut mich, daß wir in diesem strittigen Punkt jetzt einig sind. Immerhin findet der Geist, der hier in Erscheinung tritt, seinen Niederschlag in einem „Schutzbund für ehemalige Pg-Beamte" in Frankfurt am Main, der wahrscheinlich die Grundlage mancher Anträge in diesem Hohen Hause sein wird. Diese Schutzvereinigung fordert ja sogar, daß die innerhalb eines NSDAP-Amtes zugebrachten Tätigkeitszeiten auf das Besoldungsdienstalter auch im neuen demokratischen Staate angerechnet werden sollen.

    (Hört! Hört! und Heiterkeit.)

    In diesem Zusammenhang noch ein Wort zu dem, was nach unserer Auffassung schon jetzt als Praxis der Beamtenpolitik im Bund in Erscheinung tritt. Wir wissen alle, wie wenig zugänglich die Besatzungsmächte häufig in der Beamtenpolitik von Dienststellen, die allein der Kontrolle der Besatzungsmächte unterstanden, waren und wie wenig man deutschen Anregungen und Hinweisen gefolgt ist. Wir wissen, daß es leider Gottes gar nicht so wenige Dienststellen gab, die heute in deutsche Hoheit übergeführt wurden, die nicht nur zu 90 oder 95 Prozent, sondern zu 100 Prozent mit ehemaligen Pgs besetzt worden sind. Aber diese Erbschaft, die nun einmal gegeben ist und mit der wir fertig werden müssen, gibt noch keinen Anspruch, nun auch innerhalb des Bundes eine gleiche Politik fortzusetzen. Unsere Skepsis gegen diesen Beamtenrechtsentwurf wird gerade durch das gestärkt, was wir seit einiger Zeit auf diesem Gebiete erleben.
    Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung einige sehr erfreuliche und sehr mutige Worte zur Judenfrage gefunden. Als er diese Erklärung abgab, fiel uns allerdings auf, daß er dabei nicht den Beifall seiner Regierungsparteien hatte.

    (Na! Na! in der Mitte.)

    Aber, meine Damen und Herren, wir werden sehr skeptisch, wenn wir beim Herrn Bundeskanzler einen Mann finden, der trotz seiner Kommentierung der Rassegesetze von Nürnberg 1935 und trotz seiner Mitautorschaft an jenem Gesetz heute zu


    (Dr. Menzel)

    einer entscheidenden Funktion beim Herrn Bundeskanzler berufen werden soll.

    (Hört! Hört! und Unruhe bei der SPD.)

    Die Beteuerung, gute auswärtige Beziehungen zu erstreben, setzt ferner voraus, daß man dem Ausland durch die Personalpolitik keine berechtigten Einwände gibt, die Echtheit des Bekenntnisses zu Europa zu bezweifeln. Aber das würde geschehen, wenn in einem der entscheidenden Ministerien ein Mann sitzt, der wegen einer Fragebogenfälschung über seine Betätigung im Ausland vorbestraft ist.

    (Hört! Hört! bei der SPD. — Zuruf links: Name? — Gegenruf rechts: Wieviel Vorbestrafte haben Sie in Nordrhein-Westfalen?)

    — Dazu gehört der Herr!

    (Beifall bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich deshalb etwas aus dem Nähkörbchen plaudern, weil auch innerhalb der Regierungsparteien diese Frage, wie man Personalpolitik macht, heftig umstritten ist.

    (Zuruf in der Mitte: Paßt das „Nähkörbchen" auch für das Hohe Haus?)

    — O ja!
    Unter dem 19. Oktober hat der Herr Bundeskanzler von einer der Fraktionen, die dieser Regierung angehören, einen Brief bekommen:
    Falls im Innenministerium noch ein freier Posten zu besetzen ist, erwartet die Fraktion, daß ihre Vorschläge entsprechend berücksichtigt werden, und zwar in zahlenmäßigem Umfange wie vereinbart.

    (Hört! Hört! links.)

    Wir bestehen darauf, daß beim Arbeitsministerium als Staatssekretär Herr . . . vorgesehen wird. Außerdem ist ein koordinierendes Ernährungsdezernat zu schaffen und ebenfalls von uns zu besetzen.

    (Erneute Rufe: Hört! Hört!)

    Jetzt ist es uns nicht mehr verwunderlich, daß die Rechte dieses Hohen Hauses protestierte, als mein Freund Dr. Schumacher in seiner Erwiderung zur Regierungserklärung forderte, daß auch in der Beamtenpolitik die verfassungstreuen Parteien gleichberechtigt berücksichtigt werden sollten.

    (Erregte Zurufe in der Mitte und rechts. — Gegenrufe bei der SPD. — Zuruf rechts: Erzählen Sie keine Märchen!)

    Wir führen das nicht wegen dieses oder jenes einzelnen Mannes oder wegen dieses oder jenes einzelnen Postens an, sondern weil diese Vorgänge uns für den Weg, den die Bundesregierung auf einem so wichtigen Gebiete gehen will, symptomatisch zu sein scheinen; denn es handelt sich nicht nur um die Frage einiger Personen, sondern um eine grundsätzliche politische Entscheidung der Bundesregierung. Seien wir uns darüber klar, daß das Ausland sehr aufmerksam darauf achten wird, ob jene Geister zurückgerufen werden, die bereits einmal Schrittmacher des Dritten Reiches oder später seine getreuen Helfer gewesen sind.
    Meine Damen und Herren! Das, was die Bundesregierung uns hier vorlegt, beweist, daß sie nicht gewillt ist, irgend etwas Modernes zu schaffen, daß sie an der Entwicklung des Staates im letzten Jahrhundert einfach achtlos vorbeigehen will, und wenn der Herr Innenminister des Bundes erklärt, daß das alles nur provisorisch sei, dann erinnere ich an die fatale Tatsache, daß die meisten Provisorien nach 1945 Neigung zu endgültiger Gestaltung ge-
    zeigt haben. Wenn es aber einer eiligen provisorischen Lösung bedarf, dann kann ich nur wiederholen: Bleiben Sie bei der jetzigen Rechtsgrundlage!
    Wir aber von der Sozialdemokratischen Partei, meine Damen und Herren, lehnen es ab, die Beamten wieder in eine politisch so unwürdige und rechtlich so ungeklärte Situation zu bringen, wie sie der vorliegende Entwurf mit sich bringt. Die Demokratisierung der Verwaltung setzt eine Demokratisierung des gesamten Beamtenrechts voraus. So, wie der Beamte ist, wird auch der Staat sein. Der Staat wird in erster Linie durch seine Beamten und Angestellten wirksam, und er tritt in der Person der Beamten und Angestellten dem einzelnen Staatsbürger in seiner großen Machtvollkommenheit gegenüber. Wir von der Sozialdemokratie sagen zu den sittlichen, zu den moralischen Grundsätzen eines an den Staat gebundenen Beamtentums ja; aber, meine Damen und Herren, wir fordern auch um der Beamten willen, daß die Klassenunterschiede beseitigt werden und daß dieses Beamtenrecht eingebettet wird in die politische Gesamtsituation unseres Volkes, in seine Nöte, in seine Wünsche in dieser schweren Zeit und auch in seine berechtigten Hoffnungen auf die Zukunft.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)