Meine Damen und Herren! Die Begründung, die der Herr Innenminister des Bundes diesem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf gegeben hat, ist in doppelter Weise sehr interessant. Einmal ist interessant, mit welcher Ängstlichkeit der Herr Innenminister des Bundes an den politischen Fragen, die ein solches Beamtengesetz beinhaltet, vorbeigegangen ist,
und ferner ist die Begründung interessant, die er gegeben hat, um uns die Eilbedürftigkeit klarzumachen, weshalb der Bund schon jetzt ein Beamtengesetz braucht.
Die Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers enthielt eine solche Fülle von Zusagen auf
dem sozialen Gebiet, sie hat uns die wirtschaftlichen und sozialen Nöte des Volkes so geschildert, daß wir Sozialdemokraten angenommen hatten, die Bundesregierung würde es als ihre vordringlichste Aufgabe ansehen, uns als eines der ersten Gesetze ein Gesetz über den Wohnungsbau oder über die Hebung der sozialen und wirtschaftlichen Lage der verarmten Massen vorzulegen oder zum mindesten einmal die Kraft und den Mut finden, eine Verordnung nach Artikel 119 des Grundgesetzes zu
erlassen, um die gerechte Verteilung der Vertriebenen durchzuführen.
Aber nach zwei Monaten Regierungszeit stehen wir jetzt vor der Tatsache, daß dieser kreißende Berg nur ein armseliges Mäuslein geboren hat, daß trotz all der wirtschaftlichen Nöte und trotz der noch steigenden Not draußen nichts anderes herausgekommen ist als ein zum mindesten doch recht dürftiges vorläufiges Beamtengesetz.
Meine Damen und Herren! Etwas voreilig, politisch nicht sehr glücklich und juristisch falsch beraten hatte die Bundesregierung schon vor einigen Wochen erklärt, daß das Gesetz Nr. 15 allein schon durch die Tatsache außer Kraft gesetzt sei, daß sich die Bundesregierung entschlossen habe, ein neues Gesetz vorzulegen. Auch bis zur Bundesregierung sollte es sich herumgesprochen haben, daß durch einen Kabinettsbeschluß, ein neues Gesetz vorzulegen, nicht ein bereits bestehendes außer Kraft gesetzt wird.
Aber im Laufe der Verhandlungen innerhalb der Bundesregierung, im Bundesrat und mit den Hohen Kommissaren war es die Bundesregierung selbst, die durch ihren amtlichen Sprecher mitteilen ließ, daß auch nach ihrer Auffassung dieses von ihr heute wieder plötzlich als ungültig hingestellte Gesetz doch Gültigkeit auch für den Bund, auch für die französische Zone und für die Bundesbeamten habe. Das kann nach dem Besatzungsstatut, nach dem Gesetz Nr. 25, nach den Artikeln 123 und 124 des Grundgesetzes auch gar nicht anders sein, sofern man gewillt ist, die Verfassung zu achten.
Man mag über das Gesetz Nr. 15 denken, wie man will. Auch wir sind durchaus der Auffassung, daß es erheblicher Abänderungen bedarf, daß es allein nicht die geeignete Grundlage sein kann, um einen neuen Beamtentyp in Deutschland zu schaffen. Aber das ist noch längst kein genügender Grund dafür, um die Beamten und Angestellten wieder in die Zwangsjacke des Hitlergesetzes vom Jahre 1937 zu stecken. Meine Damen und Herren! Es ist ja nicht nur so, daß die Hohen Kommissare die Ausdehnung des Gesetzes Nr. 15 auf die Beamten des Bundes ausdrücklich verfügt haben, sondern es heißt in der Anordnung der Hohen Kommissare vom 12. September 1949 — ich darf mit Erlaubnis des Präsidenten den entscheidenden Satz verlesen —, „daß die Hohen Kommissare ferner beschlossen, daß das Militärregierungsgesetz Nr. 15 betreffend die Funktionen und Organisationen der bizonalen Beamten auf die Bundesbeamten anzuwenden sei";
und die Bundesregierung hat durch ihren offiziellen Pressedienst dann am 17. Oktober ausdrücklich erklärt, die Militärgouverneure hätten als
eine ihrer letzten Amtshandlungen das für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet erlassene Beamtengesetz Nr. 15 auf die Bundesbeamten ausgedehnt. Es ist nicht so, wie der Innenminister des Bundes erklärt, daß es sich nur um eine einfache Mitteilung der Besatzungsmacht gehandelt habe, sondern es handelt sich hier um eine amtliche Verlautbarung der Hohen Kommissare.
Schließlich hat die Bundesregierung, um gar keinen Zweifel über die Rechtslage aufkommen zu lassen, über den Rundfunk am 28. Oktober verbreiten lassen, die Bundesregierung sei auf Grund einer Intervention der Hohen Kommissare übereingekommen, das alliierte Beamtengesetz so lange in Kraft zu lassen, bis das neue deutsche Gesetz vom Bundestag angenommen und von den Alliierten gebilligt worden sei. Also eine durchaus richtige Würdigung der klaren Rechtslage.
Und nun sagt der Herr Innenminister, daß ohne dieses vorläufige Gesetz die Bundesregierung nicht arbeitsfähig werden könnte. Das ist uns nicht verständlich. Die Bundesregierung findet auf Grund der in Frankfurt am Main beschlossenen Gesetze eine fertige Verwaltungsapparatur vor, um eine tatkräftige Beamtenpolitik machen und an eine Besetzung der Beamtenstellen gehen zu können. Aber das, was der Herr Innenminister und der Kollege Strauss hier zum Personalamt ausgeführt haben, beweist ja, warum er nicht an diese Dinge heran will. W i r halten es für notwendig, daß durch ein solches Personalamt die Garantie dafür geschaffen wird, daß die Besetzung der wichtigsten Stellen gerade bei einer Regierung, die sich doch nur auf eine sehr bescheidene Mehrheit in diesem Parlament stützen kann, nicht nur nach einseitigen parteipolitischen Gesichtspunkten oder auf Grund sonstiger Beziehungen erfolgt.
— Ich glaube schon, daß Ihnen das recht unbequem ist.
Das vorhandene Amt könnte sofort arbeiten.
Es war nicht uninteressant, daß der Herr Innenminister des Bundes neben den Argumenten gegen das Personalamt zum Schluß bemerkte, daß auch sonstige Gründe dagegen sprächen. Nun, meine Damen und Herren, warum so verschämt mit der Angabe dieser Gründe? Ich glaube, daß sich dahinter die Angst versteckt, daß der jetzige Leiter des Personalamts ein Mann ist, der nicht das Mitgliedsbuch einer der Regierungsparteien in der Tasche hat.
— Ich würde Ihnen empfehlen, den Herrn Bundesminister zu fragen, warum er diesen Mann nicht beschäftigen will. Dann wird er wahrscheinlich das Mitgliedsbuch nennen.
— Sicher, das weiß ich.
Meine Damen und Herren ! Wie es nicht anders zu erwarten war, hat dieser Gesetzentwurf einen sehr schlechten Start gehabt, und zwar zunächst einmal im Bundesrat. Die Bedenken des Bundesrats sind Ihnen in der Drucksache mitgeteilt worden. Aber Sie wissen auch, wie stark die Bedenken und die Kämpfe im Bundesrat waren. Der Bundesrat hatte es sogar für erforderlich gehalten, wegen dieser Gesetzesvorlage eine geheime Sitzung abzuhalten, um erst einmal die gegenüberstehenden Meinungen zu klären und sich dann in der öffentlichen Sitzung jeder sachlichen Diskussion über diese wichtige Frage zu enthalten und einfach die Länder abstimmen zu lassen. Dabei passierte es, daß die Stimmen eines Landes anders abgegeben wurden, als der Kabinettsbeschluß gelautet hatte.
Aber das Gesetz hat nicht nur beim Bundesrat einiges Kopfschütteln erregt, es hat vor allem — und das scheint uns wichtig und müßte auch dem Parlament wichtig erscheinen — bei den gesamten Beamtengewerkschaften einen erheblichen Protest ausgelöst. Das war nicht nur die Gewerkschaft der öffentlichen Dienste in Stuttgart. Dem Protest dieser Gewerkschaft haben sich später die großen Gewerkschaftsverbände der Eisenbahn, der Post, die Gewerkschaften für Erziehung und Wissenschaft, für Land- und Forstwirtschaft angeschlossen. Auch der Städtetag hat sich in einer Entschließung seines Beamtenausschusses sehr energisch gegen dieses Gesetz gewehrt, und da werden Sie wirklich nicht sagen können, daß es sich um ein sozialdemokratisches Komitee handle.
Ein wie gutes politisches Fingerspitzengefühl die Gewerkschaften hinsichtlich der Bedenken gegen diese Vorlage gehabt haben, geht aus einer Kundgebung hervor, die, soviel ich weiß, auch den übrigen Mitgliedern dieses Hohen Hauses zugegangen ist, worin es unter anderem heißt:
Die beabsichtigte Wiederinkraftsetzung des Deutschen Beamtengesetzes ist kein mutiger Schritt vorwärts; es ist eine Konzession an den Einfluß solcher Kräfte, die aus Bequemlichkeit oder Energielosigkeit den Weg aus der Vergangenheit nicht in die Gegenwart, noch weniger aber in die Zukunft zu finden vermögen.
Dieser Begründung kann man sich durchaus anschließen, besonders dann, wenn man einen kurzen Blick auf die politische Entwicklung des Beamtenbegriffs in Deutschland und vornehmlich in Preußen zurückwirft.
Das preußisch-deutsche Beamtentum ist im wesentlichen aus zwei Wurzeln gewachsen, einmal aus dem dynastischen Prinzip verbunden mit dem Anspruch auf unbedingten Gehorsam des Staatsdieners, ohne jede Verbindung zum Volke, und zwar einem unbedingten Gehorsam des Staatsdieners gegenüber dem Monarchen. Weil die Monarchien in Deutschland mit dem Aufbau des Militarismus verbunden waren, mußten die Landesherren eine zuverlässige Versorgung ihrer im Wehrdienst tätigen Männer schaffen. Das Prinzip der Militärversorgungsscheine wurde daher bei uns in Deutschland, im Gegensatz zu anderen Ländern, leider die eigentliche Grundlage unseres Beamtentums.
Damit entstand die sehr unglückselige Einteilung in untere, mittlere und höhere Beamte, und zugleich entstand damit der Kastengeist der Beamten, unter dem das deutsche Volk seit je so sehr gelitten hat.
Die Grundlagen des militaristischen Staates sind vernichtet, und mit dem Wegfall dieser Grundlage muß auch jener alte Beamtentyp wegfallen. Verkennen Sie auch das eine nicht: in dem gleichen Maße, in dem die Wandlung des alten Obrigkeitsstaates über den Rechtsstaat zum modernen sozialen und Wirtschaftsstaat vor sich ging, entstand
die von vielen nicht erkannte Notwendigkeit, einen neuen Beamtentyp in diese Entwicklung einzubauen. Der Staat konnte im vorigen und zu Anfang dieses Jahrhunderts mit diesem Tempo der modernen Entwicklung nicht Schritt halten. Er kam dadurch • in eine Isolierung gegenüber den Grundelementen der Bevölkerung, und es war gar kein Wunder, daß unter dieser Isolierung des Staates, unter dieser leider vorhandenen Trennung von Staat und Staatsbürger auch das Ansehen des Beamten leiden mußte.
Das änderte sich auch 1918 nach dem Wegfall der Monarchie nicht. Wir haben es alle selbst bitter empfunden und erleben müssen, daß das damalige Beamtentum den neuen Weg nicht sah und in der Weimarer Verfassung zum großen Teil nicht zum Schrittmacher der Demokratie, sondern zum Hemmschuh der Weimarer Republik wurde. In dem gleichen Maße, in dem ein großer Teil der leitenden Beamten nach 1918 an den Ideen der Monarchie und des Absolutismus festhielten, waren sie dann 1933 bereit, zur NSDAP überzugehen.
Aus dieser Entwicklung können wir die Bedeutung des Beamtengesetzes erkennen, und an dieser Bedeutung geht der Entwurf völlig vorbei. Er ist in seinem materiellen Inhalt unmöglich, und wir sind auch der Meinung, daß die Formulierungen dieses Entwurfs zum Teil recht oberflächlich sind. Zunächst haben wir Bedenken, der in § 6 des Entwurfs geforderten Ermächtigung an die Bundesregierung zuzustimmen. Die Bundesregierung glaubt, es sei möglich, ein so wichtiges Gesetz wie das Beamtengesetz von 1937 dadurch modernisieren zu können, daß man an den meisten Stellen das Wort „Nationalsozialismus" einfach mit dem Worte „Demokratie" auswechselt. Gegen eine solche „Entnazifizierung" von Gesetzen
wehren wir uns! Wir haben schon genug gehabt an der Entnazifizierung der einzelnen früheren Beamten. Wenn wir auch bei den Gesetzen jetzt anfangen, Kategorien zu schaffen, dann würde dieses Gesetz nach unserer Auffassung in die Kategorie I, nämlich der Hauptschuldigen gehören;
denn es war die Grundlage für den Anspruch auf unbedingten und blinden Gehorsam der Staatsdiener gegenüber Adolf Hitler. Mein Herr Vorredner hat sehr richtig darauf hingewiesen, daß in dieser Grundlage des blinden Gehorsams mit ein übler Kern des Dritten Reiches gelegen hat. Wenn aber die Bundesregierung glaubt, dieses Gesetz, wie sie es hier tut, in die Kategorie V bringen zu können, und meint, daß man bloß einige Worte zu streichen brauche, dann fürchten wir, daß es nächstens noch unter eine Amnestie fällt und daß es dann vielleicht noch in seinem alten Wortlaut angewendet wird.
Wir sind auch der Meinung, daß es nicht möglich ist, so wichtige Gesetze nur dadurch zu entnazifizieren, daß man einfach einige Hauptwörter ändert.
Denn das, was der Nationalsozialismus im Beamtentum sah, und das, was wir in ihm sehen sollten, sind zwei so verschiedene Elemente wie Feuer und Wasser, und diesen Gegensatz kann man nicht durch die formale Änderung einiger Paragraphen aus der Welt schaffen.
Wir laufen auch Gefahr, daß wir unsere Beamten in dem neuen . Staat in die recht gefährliche Nähe einer beamtenpolitischen Gedankenwelt bringen, aus der sie durch eine glimpfliche Entnazifizierung gerade entronnen sind.
Nun, meine Damen und Herren, was ist denn bei dieser Eile, von der die Bundesregierung spricht, herausgekommen? Die Bundesregierung soll nach § 6 die Ermächtigung erhalten, das alte Reichsbeamtengesetz von 1937 zu überholen. Sie hat diesen Versuch bereits unternommen und hat einen Entwurf ausgearbeitet, der zeigt, wie sie sich dieses Ergebnis denkt. Und wie sieht es aus? Wenn Sie sich diese Vorlage näher ansehen, werden Sie unsere Bedenken gegen eine Ermächtigung für die Regierung teilen. Es heißt zwar in § 2 des Gesetzentwurfes, daß in Durchführung des Grundgesetzes Frauen und die Angehörigen aller Rassen und Berufe gleichgestellt sind. Aber in jener ersten Überarbeitung durch die Bundesregierung finden Sie die fröhliche Wiedergeburt der §§ 28 und 63 des Reichsbeamtengesetzes von 1937, die da besagen, daß Frauen erst mit 35, Männer aber schon mit 27 Jahren Beamte werden dürfen, und Sie finden auch jene Bestimmung wieder, daß die Frauen-Beamten entlassen werden müssen, wenn ihre Versorgung anderweitig sichergestellt ist. Nun, daß das dem Grundgesetz ganz offenbar widerspricht, wird ja auch dem Herrn Bundesinnenminister klar sein. Aber warum will man es erst auf eine Entscheidung des Verfassungsgerichts ankommen lassen, um sich bescheinigen zu lassen, daß diese Bestimmungen des Gesetzes verfassungswidrig sind?
Aber es gibt in der überarbeiteten Vorlage noch einige andere Bestimmungen, die sehr interessant sind. Sie finden da wieder die Vorschrift, daß der Herr Bundespräsident — der Paragraph ist also überarbeitet worden, und nun heißt es statt „Führer und Reichskanzler" lediglich „Bundespräsident" — ermächtigt sei, nicht nur die Beamten des Bundes, sondern auch die Regierungspräsidenten, Oberbürgermeister, Landräte und Polizeipräsidenten jederzeit in den Wartestand zu versetzen.
Ferner findet sich da die Bestimmung, daß dieses Gesetz auch auf die Polizeibeamten der Länder Anwendung zu finden habe.
Nun weiß ich, daß der Herr Bundesinnenminister erklären wird, das seien einige Flüchtigkeiten. Aber, meine Damen und Herren, ist es wirklich verantwortlich gehandelt, die doch in diesem Hohen Hause immer so stark betonten föderalistischen Interessen
zu übersehen und sich mit Flüchtigkeiten zu entschuldigen? Wenn man schon einen Paragraphen ändert — und die Paragraphen, die ich zitiert habe, sind geändert worden —, dann wäre es doch viel leichter gewesen, denselben Bleistift zu benutzen, um den ganzen Paragraphen
zu streichen, nicht aber, ihn in einer neuen Fassung wieder erstehen zu lassen.
Meine Damen und Herren! Wir alle wissen auch, daß 1937 an eine gewerkschaftliche Betätigung der Beamten deshalb nicht gedacht werden konnte, weil sie unzulässig war. Hätte es da für die Bundesregierung nicht nahegelegen, in dieses Gesetz etwas über das Recht zur gewerkschaftlichen Betätigung aufzunehmen? Natürlich werden Sie sagen, dieses Recht sei im Grundgesetz garantiert, und das Kontrollratsgesetz Nr. 22 gewähre dem Beamten jenes Recht. Aber nach der jahrelangen Unterdrückung jeder gewerkschaftlichen Betätigungsfreiheit der Beamten wäre es doch notwendig gewesen, als ein politisches Programm dieser Bundesregierung zu erkennen zu geben, daß sie für die gewerkschaftliche Koalitionsfreiheit der Beamten sei. Aber vielleicht hängt das mit der Tatsache zusammen, daß der Herr Bundeskanzler in seiner damaligen Regierungserklärung die Gewerkschaften leider überhaupt nicht erwähnt hat.
Dabei hätte es doch nahegelegen, sich schon vorher, ehe man dieses Gesetz weiterleitete, mit den Gewerkschaften zu beraten. Man komme uns nicht damit, es sei keine Zeit gewesen. Das Gesetz ist, ich glaube, drei oder vier Wochen im Kabinett beraten worden. Da hätte sich weiß Gott ein Vor- oder Nachmittag finden lassen, um diese Fragen mit den Gewerkschaften zu beraten. Die Gewerkschaften hätten dann mit Recht darauf hinweisen können, welchen gefährlichen Weg wir wieder gehen, wenn wir die alte Klassifizierung des Gesetzes von 1937 erneut einführen.
Der Herr Bundesinnenminister hat hier bei der Unterscheidung zwischen Beamten und Angestellten auch wieder auf die alte Formel hingewiesen — und er entleiht sie dem Gesetz von 1937 —, daß Beamter nur sein solle, wer Hoheitsfunktionen erfülle. Nun, meine Damen und Herren, wer die Praxis des Beamtenrechts und wer die Verwaltung kennt, weiß, daß es bei der Vielseitigkeit der heutigen Verwaltungsmaschinerie und bei der Fülle der Aufgaben, die der öffentlichen Verwaltung heute obliegen, gar nicht möglich ist, zwischen reinen Hoheitsaufgaben und Nichthoheitsaufgaben so exakt zu scheiden. Daher hat sich keine der Verwaltungen — sei es vor 1914, sei es vor 1933, sei es auf Grund des Gesetzes von 1937 — an diese Unterscheidung gehalten, weil man sich einfach nicht daran halten konnte. Wir fürchten auch, daß eine solche Unterscheidung sich unsozial auswirken und dazu führen muß, daß nur eine kleine Anzahl der höheren Beamten in den Genuß beamtenrechtlicher Vorteile kommen wird, die Masse der unteren und mittleren Beamten aber nicht.
Wir sind daher der Auffassung, daß es ' auch im
Interesse des Staates nur darauf ankommt, ob eine
Tätigkeit, die jemandem übertragen wird, von
Dauer ist, und daß derjenige, der diese Stelle aus-
füllt, unter den gleichen sozialen und unter den
gleichen rechtlichen Bedingungen arbeiten soll wie
sein Kollege. Wir würden in dieser Einheit von
Beamten und Angestellten — wobei ich hier unter
Beamten zunächst noch den alten Typ verstehe —
einen entscheidenden Fortschritt für die Entwicklung unseres künftigen Beamtenrechts sehen. Wir sind darüber hinaus — gerade wenn wir diese Einheit bejahen — der Auffassung, daß die Einstellung und die Beförderung innerhalb des Staatsdienstes nicht auf einem Laufbahnanspruch, auf einem Karrierenanspruch basieren sollte. Wir sind der Meinung, daß es hier entscheidend auf die fachliche und sachliche Leistung sowie die charakterliche Haltung des Betreffenden ankommen sollte. Uns macht daher jene Vorschrift des Gesetzentwurfes sehr stutzig, in der es heißt, es können „auch" diejenigen, die nicht die Laufbahn des Beamten durchgemacht haben, eingestellt werden. Dieses „auch" ist sehr verdächtig. Es klingt wie eine Art Gnadenbrot. Dabei wissen wir genau, meine Damen und Herren, daß gerade jene Männer und Frauen, die nicht durch die „Ochsentour" gegangen sind, sondern sich draußen im wirtschaftlichen, im politischen, im gewerkschaftlichen ' Leben bewährt haben, meistens die besten Vertreter der Interessen des Staates geworden sind.
Wir sollten daher verlangen, daß sie „bevorzugt", nicht „auch" einzustellen sind.
Damit hängt natürlich, wenn wir den Karriereanspruch künftig verneinen, auch die Notwendigkeit zusammen, alle Stellen im Staate auszuschreiben.
Es ist nicht richtig, den Nachwuchs nur aus dem engeren Kreise zu nehmen, den der jeweilige Dienstherr gerade kennt. Nach den auf Grund einer Ausschreibung eingehenden Bewerbungen hat der Dienstherr die Möglichkeit, den Richtigen auszuwählen. In diesem Zusammenhange freue ich mich, daß auch mein Herr Vorredner sich grundsätzlich für den sogenannten Trottel-Paragraphen einsetzt. Wir sind aber der Meinung, daß es, um der ganzen beamtenpolitischen Entwicklung eine bestimmte Richtung zu geben, erforderlich wäre, diese Vorschrift schon jetzt aufzunehmen.
Es ist mir aufgefallen, daß der Herr Bundesminister einen wesentlichen Teil der amtlichen und uns gedruckt vorliegenden Begründung heute nicht erwähnt hat, und zwar jenen Teil der Begründung, aus dem sich ergibt, wozu die Bundesregierung ermächtigt werden soll. Das ist völlig offen gelassen worden. Dazu gehört z. B., meine Damen und Herren, daß mit der Annahme dieses Gesetzes nicht nur alle besoldungs- und versorgungsrechtlichen Bestimmungen, alle Durchführungserlasse usw. des Dritten Reiches in Kraft treten sollen, sondern daß auch das bei den Beamten so berüchtigte Dienststrafgesetz Adolf Hitlers von 1938 in Kraft treten soll.
Die schriftliche Begründung läßt das an einer Stelle nur sehr verschämt erkennen. Aber was steckt denn dahinter, meine Damen und Herren? Während wir in Preußen schon vor 1933 ein verhältnismäßig modernes Beamtendienststrafrecht hatten, wurde die Rechtslage durch das Gesetz von 1937 hinter die des Jahres 1851 zurückgeworfen. Damals, das heißt 1937, wurden nicht nur jene den Beamten so ungünstigen Bestimmungen geschaffen, wonach zu einem Schuldspruch eine einfache Mehrheit des Richterkollegiums genüge. Damals wurden auch die Verjährungsvorschriften gestrichen, und das gesamte Dienststrafverfahren wurde zu einem Geheimverfahren hinter verschlossenen Türen gemacht; kein Beamter hatte die Möglichkeit, seine
Rechte in aller Öffentlichkeit zu verteidigen. Die Rechtlosigkeit, unter die die Beamten damals gestellt wurden, ging sogar so weit, daß ihnen eine Verteidigung erst im Hauptverfahren zustand und kein Verteidiger das Recht hatte, in dem einleitenden Verfahren die Rechte des Beamten wahrzunehmen.
Diese Verletzung der primitivsten Rechte eines jeden Angeschuldigten will die Bundesregierung heute wieder dulden. Ich bin der Meinung, daß das eine sehr erhebliche, eine sehr schwerwiegende Verletzung der Fürsorgepflicht des Staates gegen- über den Beamten ist. Wenn hier immer wieder von der Treuepflicht des Beamten gegenüber dem Staat, die auch wir anerkennen, gesprochen wird, so steht dieser Treuepflicht gegenüber auch eine Fürsorgepflicht des Staates. Diese Fürsorgepflicht wird aufs gröblichste verletzt, wenn Sie dieses Geheimverfahren, diese Rechtlosstellung der Beamten im Hitlerschen Dienststrafgesetz wieder einführen wollen.
So macht diese Vorlage den Versuch der Wiederherstellung zumindest der rechtlichen Grundlagen eines sehr rückständigen Beamten- und Dienststrafrechtes, das den Geist der Mitte des vorigen Jahrhunderts, das heißt den Geist der preußischen Reaktion atmet. Welche Gefahren hier vorliegen, ergibt sich wohl aus der befremdenden, aber auch geradezu beängstigenden Tatsache des Wiedererwachens der Korporationen an den einzelnen Universitäten.
— Herr Abgeordneter Dr. Müller, ich werde Ihnen gleich einige Zeilen vorlesen, und wenn Sie dann noch lachen, ist Ihnen allerdings nicht zu helfen.
In der Göttinger Universitätszeitung vom Oktober dieses Jahres finden Sie einen Artikel, der von einem Herrn Grüninger, Oberregierungsrat, zur Zeit a. D., unterschrieben ist. Er trägt die Überschrift: „Die Korporationsdebatte". Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten möchte ich einige Zeilen daraus verlesen:
Mir war es etwa für die Wahl der Mitarbeiter in meinem Wirkungskreis sehr wesentlich, in meinen Bundesbrüdern Persönlichkeiten zu wissen, denen ich mich in Idealen und Zielen verbunden fühle und denen ich deswegen bedenkenlos auch verantwortungsvolle Auf gaben übertragen konnte. Wieviel befriedigender ist doch die Auslese nach einem solchen Persönlichkeitsprinzip gegenüber der schematischen Anwendung fachlicher Prüfungsergebnisse und -zeugnisse.
Auch mir war in der Zeit meiner eigenen beruflichen Entwicklung die Förderung durch wohlwollende ältere Bundesbrüder eine wertvolle Stütze.
— Das hat wohl mit dem Beamtengesetz etwas zu tun, weil wir den Geist, der hier aus diesen Zeilen spricht, nicht wieder haben wollen. Wir wollen nicht, daß er in unserer-Beamtenpolitik und Gesetzgebung wieder eine Heimstätte findet.
Es heißt dann weiter wie folgt:
Der zweite Grundzug, die Erziehung zur unbedingten Ehrenhaftigkeit in allen Lebenslagen,
ist ein anderer Ausdruck für den Anspruch des Akademikers als Elitepersönlichkeit. Es ist nun ein gesellschaftliches und berechtigtes Phänomen, daß solche Führerschichten bestrebt sind, durch die Wahl besonderer Moral- und Ehrenkodizes, besonderer Umgangsformen und auch Abzeichen sich von der übrigen Volksmasse abzugrenzen.
Die Kneipe, der Komment, das Fechten usw. sind unwesentlich, aber — wie die Liturgie der katholischen Kirche --- eine historisch gewordene Form, an deren Wert wir nicht zweifeln dürfen.
Sehen Sie, meine Damen und Herren, diese Kreise und diesen Geist des Beamtenrechts wollen wir nicht mehr.
— Da sind wir einig?
— Es freut mich, daß wir in diesem strittigen Punkt jetzt einig sind. Immerhin findet der Geist, der hier in Erscheinung tritt, seinen Niederschlag in einem „Schutzbund für ehemalige Pg-Beamte" in Frankfurt am Main, der wahrscheinlich die Grundlage mancher Anträge in diesem Hohen Hause sein wird. Diese Schutzvereinigung fordert ja sogar, daß die innerhalb eines NSDAP-Amtes zugebrachten Tätigkeitszeiten auf das Besoldungsdienstalter auch im neuen demokratischen Staate angerechnet werden sollen.
In diesem Zusammenhang noch ein Wort zu dem, was nach unserer Auffassung schon jetzt als Praxis der Beamtenpolitik im Bund in Erscheinung tritt. Wir wissen alle, wie wenig zugänglich die Besatzungsmächte häufig in der Beamtenpolitik von Dienststellen, die allein der Kontrolle der Besatzungsmächte unterstanden, waren und wie wenig man deutschen Anregungen und Hinweisen gefolgt ist. Wir wissen, daß es leider Gottes gar nicht so wenige Dienststellen gab, die heute in deutsche Hoheit übergeführt wurden, die nicht nur zu 90 oder 95 Prozent, sondern zu 100 Prozent mit ehemaligen Pgs besetzt worden sind. Aber diese Erbschaft, die nun einmal gegeben ist und mit der wir fertig werden müssen, gibt noch keinen Anspruch, nun auch innerhalb des Bundes eine gleiche Politik fortzusetzen. Unsere Skepsis gegen diesen Beamtenrechtsentwurf wird gerade durch das gestärkt, was wir seit einiger Zeit auf diesem Gebiete erleben.
Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung einige sehr erfreuliche und sehr mutige Worte zur Judenfrage gefunden. Als er diese Erklärung abgab, fiel uns allerdings auf, daß er dabei nicht den Beifall seiner Regierungsparteien hatte.
Aber, meine Damen und Herren, wir werden sehr skeptisch, wenn wir beim Herrn Bundeskanzler einen Mann finden, der trotz seiner Kommentierung der Rassegesetze von Nürnberg 1935 und trotz seiner Mitautorschaft an jenem Gesetz heute zu
einer entscheidenden Funktion beim Herrn Bundeskanzler berufen werden soll.
Die Beteuerung, gute auswärtige Beziehungen zu erstreben, setzt ferner voraus, daß man dem Ausland durch die Personalpolitik keine berechtigten Einwände gibt, die Echtheit des Bekenntnisses zu Europa zu bezweifeln. Aber das würde geschehen, wenn in einem der entscheidenden Ministerien ein Mann sitzt, der wegen einer Fragebogenfälschung über seine Betätigung im Ausland vorbestraft ist.
— Dazu gehört der Herr!
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich deshalb etwas aus dem Nähkörbchen plaudern, weil auch innerhalb der Regierungsparteien diese Frage, wie man Personalpolitik macht, heftig umstritten ist.
— O ja!
Unter dem 19. Oktober hat der Herr Bundeskanzler von einer der Fraktionen, die dieser Regierung angehören, einen Brief bekommen:
Falls im Innenministerium noch ein freier Posten zu besetzen ist, erwartet die Fraktion, daß ihre Vorschläge entsprechend berücksichtigt werden, und zwar in zahlenmäßigem Umfange wie vereinbart.
Wir bestehen darauf, daß beim Arbeitsministerium als Staatssekretär Herr . . . vorgesehen wird. Außerdem ist ein koordinierendes Ernährungsdezernat zu schaffen und ebenfalls von uns zu besetzen.
Jetzt ist es uns nicht mehr verwunderlich, daß die Rechte dieses Hohen Hauses protestierte, als mein Freund Dr. Schumacher in seiner Erwiderung zur Regierungserklärung forderte, daß auch in der Beamtenpolitik die verfassungstreuen Parteien gleichberechtigt berücksichtigt werden sollten.
Wir führen das nicht wegen dieses oder jenes einzelnen Mannes oder wegen dieses oder jenes einzelnen Postens an, sondern weil diese Vorgänge uns für den Weg, den die Bundesregierung auf einem so wichtigen Gebiete gehen will, symptomatisch zu sein scheinen; denn es handelt sich nicht nur um die Frage einiger Personen, sondern um eine grundsätzliche politische Entscheidung der Bundesregierung. Seien wir uns darüber klar, daß das Ausland sehr aufmerksam darauf achten wird, ob jene Geister zurückgerufen werden, die bereits einmal Schrittmacher des Dritten Reiches oder später seine getreuen Helfer gewesen sind.
Meine Damen und Herren! Das, was die Bundesregierung uns hier vorlegt, beweist, daß sie nicht gewillt ist, irgend etwas Modernes zu schaffen, daß sie an der Entwicklung des Staates im letzten Jahrhundert einfach achtlos vorbeigehen will, und wenn der Herr Innenminister des Bundes erklärt, daß das alles nur provisorisch sei, dann erinnere ich an die fatale Tatsache, daß die meisten Provisorien nach 1945 Neigung zu endgültiger Gestaltung ge-
zeigt haben. Wenn es aber einer eiligen provisorischen Lösung bedarf, dann kann ich nur wiederholen: Bleiben Sie bei der jetzigen Rechtsgrundlage!
Wir aber von der Sozialdemokratischen Partei, meine Damen und Herren, lehnen es ab, die Beamten wieder in eine politisch so unwürdige und rechtlich so ungeklärte Situation zu bringen, wie sie der vorliegende Entwurf mit sich bringt. Die Demokratisierung der Verwaltung setzt eine Demokratisierung des gesamten Beamtenrechts voraus. So, wie der Beamte ist, wird auch der Staat sein. Der Staat wird in erster Linie durch seine Beamten und Angestellten wirksam, und er tritt in der Person der Beamten und Angestellten dem einzelnen Staatsbürger in seiner großen Machtvollkommenheit gegenüber. Wir von der Sozialdemokratie sagen zu den sittlichen, zu den moralischen Grundsätzen eines an den Staat gebundenen Beamtentums ja; aber, meine Damen und Herren, wir fordern auch um der Beamten willen, daß die Klassenunterschiede beseitigt werden und daß dieses Beamtenrecht eingebettet wird in die politische Gesamtsituation unseres Volkes, in seine Nöte, in seine Wünsche in dieser schweren Zeit und auch in seine berechtigten Hoffnungen auf die Zukunft.