Objektiv! Ich habe nicht gemeint, daß Herr Kollege Menzel eine Lüge gesprochen hat.
— Ich habe Sie leider nicht verstanden, sonst hätte ich Ihnen geantwortet.
Der Herr Minister Menzel hat den Beamten nur als die Verkörperung des dynastischen Prinzips hingestellt. Er hat ihn als einen Fürstendiener hingestellt und hat damit gerade die Tradition des Berufsbeamten auf den Kopf gestellt. Denn der Berufsbeamte ist in seiner modernen Form gerade gegen die Fürstenwillkür entstanden, als der unabhängige Mann, als der Mann, der der Diener der Allgemeinheit sein sollte.
— Das glaube ich nicht nur, sondern das ist eine geschichtliche Tatsache, der Sie sich auch werden beugen müssen. Ich bitte Sie, sich mit den Dingen entsprechend zu befassen. Der Beamte ist der Diener der Allgemeinheit gewesen. Man hat ihm gerade das, was man heute, losgelöst von der geschichtlichen Betrachtungsweise, als ein Vorrecht ansieht, als eine notwendige Stütze gegeben, nämlich die Versorgung für das Leben, indem man ihm die Sorge um das Alter abgenommen hat. Gerade
dadurch hat man ja den Beamten unabhängig gegenüber Gewalten und Mächten machen wollen, die versuchen konnten, auf diesen Wahrer öffentlicher Interessen Einfluß zu. nehmen. Solche Versuche, auf die Beamten Einfluß zu nehmen und sich damit Vorteile über die verfassungsmäßig festgelegten Rechte hinaus zu verschaffen, sind zu allen Zeiten gemacht worden. Das Berufsbeamtentum hat sich diesen Versuchen, ganz gleich, ob sie von seiten des Monarchen, von seiten der Regierung, von seiten der politischen Parteien, von seiten der Interessentenverbände kamen, widersetzt und hat sich intakt und integer gehalten als eine Dienstkörperschaft für die Gesamtheit des Volkes.
— Sehr geehrter Herr Kollege, das hat mit etwas anderem zu tun. Wir können uns aber auch darüber unterhalten, wenn Sie Wert darauf legen.
Das ist der Grundgedanke des deutschen Beamtentums, und an diesem Gedanken wollen wir festhalten. Das ist die Tendenz, die meine Fraktion in der Behandlung aller Beamtenfragen verfolgen wird. An der Grundlage des Beamtentums ist, wie ich schon sagte, zu allen Zeiten gerüttelt worden. Die Regierenden sind nicht immer sehr zufrieden gewesen, wenn sie mit dem Beamtentum notwendigerweise in Konflikt geraten mußten, weil sich der Beamte nur an Recht, Gesetz und Verfassung hielt. Sie können bei Bismarck nachlesen, wie er über seine Landräte und über seine Kreisrichter gegrollt hat, die sich keineswegs den Wünschen ihres obersten Beamten in dem Maße auslieferten, wie er es von ihnen gefordert hat. Gerade aus diesen Kreisen der Beamtenschaft — das wollen wir auch nicht vergessen — sind viele führende Köpfe der Fortschrittspartei hervorgegangen, die eine Vorkämpferin einer modernen Staats- und Lebensgemeinschaft geworden ist.
Ich habe gesagt, der Kampf gegen diese Grundlagen des Beamtentums sei zu allen Zeiten geführt worden. Besonders stark ist er aber nach dem Jahre 1918 geführt worden. Damals haben die Sozialdemokraten alles daran gesetzt, um eine Auflösung und Abschaffung des Berufsbeamtentums herbeizuführen, genau wie heute.
Damals haben sie versucht, dem Beamten klarzumachen, daß das Treueverhältnis eigentlich ein leerer Wahn sei. Man machte es damals wie heute lächerlich. Man versuchte, dem Beamten jene Mär einzureden, die man auch dem Arbeiter und Angestellten erzählte, daß er eigentlich nichts anderes sei als ein Verkäufer seiner eigenen Arbeitskraft. Man wollte den Beamten mit den Angestellten und Arbeitern auf eine Stufe stellen, sie gewerkschaftlich in den marxistisch geführten Organisationen mit den Arbeitern und Angestellten zusammenschließen.
Das ist vielleicht einer der nachhaltigsten Angriffe gegen die Grundlagen des Berufsbeamtentums gewesen, die wir überhaupt erlebt haben. Es ist bedauerlich, daß es so gewesen ist. Denn das hat mit dazu beigetragen, daß gleichzeitig in Verbindung mit Außenseitern, die damals in starkem Maße eindrangen, das Berufsbeamtentum geschwächt wurde. Das geschah gerade in einer Zeit, als der Nationalsozialismus sich auf den Marsch machte, um die Macht von der Weimarer Republik zu übernehmen. Die SPD hat damals verhindert, daß ein neues deutsches Beamtenrecht geschaffen wurde. Das Dritte Reich hat nachher die erarbeite-
ten Unterlagen aufgegriffen, sie mit dem braunen Stuck versehen und das Gesetz von 1937 vorgelegt.
Aber, sehr verehrter Herr Kollege Menzel, es ist nun nicht so gewesen, daß die Beamtenschaft sich nach dem Gesetz mit brauner Farbe gerissen hätte, sondern man muß, wenn man der Wahrheit Rechnung tragen will, wohl feststellen, daß bei der Abfassung dieses Beamtengesetzes damals von seiten der Beamtenschaft alles unternommen wurde, um die viel weitergehenden nationalsozialistischen Tendenzen, die dieses Gesetz erfüllen sollten, zu unterbinden. Denn Ley und Hitler waren genau so Gegner des Beamtentums wie es auch die Sozialisten und Marxisten nach dem Jahr 1918 gewesen sind.
Sie wollten das Berufsbeamtentum abschaffen, sie wollten es uno actu in Gemeinschaft mit den Angestellten und Arbeitern in die DAF überführen, um aus dem Berufsbeamtentum ein willfähriges Werkzeug für ihre Partei zu machen. Sie haben diese Politik im Zusammenhang mit der Machtübernahme begonnen, indem sie jenes fälschlich so genannte „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" erlassen haben. Das Gesetz war nichts anderes als das Aufziehen einer Schleuse, um die braunen Mannschaften in die verhaßten Bürostuben einziehen zu lassen. Diejenigen, die sich noch wenige Tage vorher gegen das Berufsbeamtentum ausgesprochen und sich über die Gewährung von Pensionen empört hatten, setzten sich, als sie in den Amtsstuben kaum angekommen waren, hin, und sahen es als ihre erste Aufgabe an, sich die Höhe ihrer Pension auszurechnen.
Meine Damen und Herren! Man muß die Dinge richtig nennen und richtig sehen. Ich bin der letzte, der bereit ist, den Mitarbeitern des Nationalsozialismus irgendein Lob zu spenden. Wenn man die Dinge nicht agitatorisch, sondern sachlich darstellen will, muß man aber der Wahrheit die Ehre geben. Ley und Hitler haben damals mit dem Gesetz von 1937, das auch in der jetzt vorgelegten gereinigten Fassung bestimmt kein absolut geeignetes Gesetz ist, ihre Ziele nicht durchsetzen können. Ein Jahr später unternahmen sie einen neuen Schlag und haben mit der Anwendung der TOA, mit der dort vollzogenen weitgehenden Gleichstellung von Beamten und Angestellten versucht, ihre Ziele doch noch von einer anderen Seite her zu erreichen.
Meine Damen und Herren! Heute werden nun wieder gleiche Bestrebungen geltend gemacht, und man begründet ihre Notwendigkeit mit der Entwicklung des modernen Staates. Man glaubt, daß es notwendig ist, den Beamten alten Stils zu beseitigen. Er gehört angeblich nicht mehr in die moderne Staatsform hinein. Ich glaube, wir sollten uns sehr genau überlegen, ob es nicht notwendig ist, gerade in der Demokratie und in einer Zeit, in der sich alle möglichen Einflüsse von Parteien, Organisationen und Verbänden so lebhaft bemerkbar machen, an dem staatsbürgerlichen Grundgedanken, an der staatsbürgerlichen Notwendigkeit des Berufsbeamtentums festzuhalten. Diesen Grundgedanken sollten wir nicht aufgehen.
Der Abgeordnete Dr. Menzel hat sich nun mit außerordentlichem Interesse für das Gesetz Nr. 15 eingesetzt. Hier wird uns etwas als der letzte Schrei der Demokratie angeboten, was für uns in Wirklichkeit etwas Wesensfremdes ist, was unvereinbar ist mit der Überlieferung und mit den Grundlagen, auf denen wir unser Berufsbeamtentum aufbauen wollen. Würden wir dem Gesetz Nr. 15 folgen oder ihm auch nur weitgehend ent-
sprechen, würden wir genau das Gegenteil von dem erreichen, was die Öffentlichkeit bei der Regelung dieser Frage von uns erwartet. Anstatt eine Entpolitisierung durchzuführen, würden wir nämlich das Beamtentum der Politik ausliefern. Die Forderung der Entpolitisierung kann nur erfüllt werden, wenn man zu dem ursprünglichen Sinn des Berufsbeamtentums zurückfindet und durch geeignete Sicherungen die parteipolitische Einflußsphäre fernhält. Das staatspolitische Interesse, das bei der Schaffung des Berufsbeamten als eines Staatsdieners ursprünglich maßgebend war, ist heute in noch viel stärkerem Maße für den demokratischen Staat gegeben.
Zum Schluß noch eine andere Überlegung. Wir haben in Deutschland nicht sehr viel Institutionen, die ihre Traditionen bewahrt haben. Aber unsere deutsche Beamtenschaft ist Träger einer Tradition. Eine Tradition, die Gutes in sich birgt, soll man nicht nur um der Tradition willen pflegen, sondern man soll sie weitertragen und entwickeln. Die Tradition unseres deutschen Beamtentums heißt selbstloser Dienst. Das Verdienst krönt sie und nicht d e r Verdienst. Sie heißt unermüdlicher Dienst für Volk und Staat. Sie heißt Objektivität, Rechtlichkeit, Lauterkeit und Sauberkeit. Das sind alles Grundsätze und Faktoren, deren Tradition zu bewahren und fortzuführen wir gerade heute ein außerordentliches Interesse haben. Daher empfehlen wir, daß wir in diesen Fragen an diesen Überlieferungen unseres Berufsbeamtentums festhalten, daß wir festhalten an einer Tradition, die sich für unser Volk früher bewährt hat und die sich auch in Zukunft bewähren wird, wenn wir ihre echte und ursprüngliche Grundlage nicht verlassen.