Ich habe damit die Äußerung über die Dekadenz der französischen Demokratie und denjenigen, der sie getan hat, gemeint.
Wir erinnern uns noch, daß man vor nicht allzu langer Zeit nach der Richtung Osten erklärt hat, dort herrsche die asiatische Diktatur, während man nach der Richtung Westen erklärt hat, dort herrsche eine dekadente Demokratie.
Wenn der Pressechef der Regierung keine originelleren Ideen aufzutischen hat als jene, die wir
aus dem Leierkasten der Nazi-Ideologie kennen,
dann brauchen wir nicht lange zu fragen, welche Richtung die vom Bundeskanzler gesteuerte Politik annimmt.
Aber was ist die Methode, die der Herr Bundeskanzler in deutlicher Distanzierung von jenen anderen, „dekadenten" Methoden anzuwenden beliebt? Er pocht auf unbeschränkte Vollmachten, die ihm zu solchen Handlungen von niemand erteilt worden sind, am allerwenigsten aber vom deutschen Volke. Er stellt das Parlament vor vollendete Tatsachen. Er gibt unter Ausschluß der Öffentlichkeit Vorschläge an die Hohen Kommissare in der Absicht, daß sie die Grundlage für kommende entscheidende Abmachungen bieten sollten. Er legt diesen Vorschlägen das Memorandum eines privaten großkapitalistischen Konzerns bei und gibt ihm damit einen amtlichen Charakter. Ich glaube, es ist hier die Frage angebracht, in welcher Eigenschaft der Herr Bundeskanzler gehandelt hat, ob als Chef einer Regierung oder als Prokurist einer Privatfirma.
Der Herr Bundeskanzler hielt es für angebracht,
zwei Tage später erst mit einem Bericht vor das
Haus zu treten, zwei Tage, nachdem er weitgehende
Verpflichtungen angenommen und seine Unterschrift unter sie gesetzt hat. In dem Dokument, das
uns heute vorgelegt worden ist und das die Abmachungen vom Petersberg wiedergibt, heißt es
unter Punkt 5: „Die Bundesregierung ist fest entschlossen, das Wiederaufleben totalitärer Bestrebungen welcher Art auch immer zu verhindern."
Mir scheint aber, daß sie dieses Gelöbnis schon am
ersten Tage, wo es ausgesprochen worden ist, gebrochen hat und daß sie unter westalliierter Anleitung und Ermunterung gerade auf die bevorzugte Anwendung solcher totalitären Methoden
hinsteuert. Meine Damen und Herren, ich glaube
aber, daß der Herr Bundeskanzler mit diesem Verfahren eine Rechnung ohne das Volk gemacht hat.
Die Stimme des Volkes hat sich bereits erhoben, nicht nur in jenen Dankesbezeugungen, die heute so schnell zur Vorlesung gebracht wurden, sondern auch in jenen Streiks in Reisholz, in Düsseldorf und in anderen Orten, die sich gegen den Ausverkauf der deutschen Industrie durch solche Leute richten, die vorgeben, im Interesse des Volkes zu handeln, in Wirklichkeit aber ihre Hand dazu bieten, daß Deutschland in den Status einer Kolonie degradiert wird.
Für eine solche Handlungsweise wird eines Tages Rechenschaft verlangt werden.
Was ist eigentlich auf dem Petersberg unterschrieben worden? In welche Form hat man die Dinge gekleidet? Das Dokument ist als „Abmachungen" betitelt. Die Bezeichnung als „Abmachungen" scheint aber dem wirklichen Sachverhalt zu widersprechen und eine bloße Zweckgestaltung zu sein. Die Besatzungsmächte konnten nicht an den Ereignissen vorübergehen, die sich vor wenigen Wochen in Berlin abgespielt haben; sie konnten nicht die Tatsache ignorieren, daß der provisorischen Regierung der Deutschen Demokratischen Republik Souveränitätsrechte eingeräumt worden sind. Deswegen wählt man den Schein einer Parität, deswegen spricht man von „Abmachungen", und darum läßt man Herrn Adenauer als scheinbar Gleichberechtigten seine Unterschrift neben die Unterschriften der alliierten Kommissare setzen.
Der Herr Bundeskanzler sprach aber nicht nur von der amtlichen Formulierung der „Abmachungen", sondern gebrauchte den Begriff eines „Abkommens". Wenn es sich aber um ein Abkommen handelt, dann gilt hier die Bestimmung des Artikel 59 des Grundgesetzes, in dem die Zustimmung oder Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften verlangt wird. Dem hat man hier nicht Rechnung getragen. Es ist bewußt, es ist absichtlich nicht geschehen, und deswegen handelt es sich hier um einen Bruch der Verfassung.