Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor unseren Ausführungen zum Ruhrstatut selbst möchten wir eines betonen:
Wir glauben, 90 Prozent unseres Volkes und der allergrößte Teil unserer Abgeordneten hier sind in einem einig, darin nämlich, daß wir unter allen a Umständen alles tun müssen, was zu einer Überbrückung der unseligen Kluft führen kann, die durch die Schuld Hitlers und seiner Trabanten aufgerissen worden ist zwischen den westlichen Völkern, die ein und derselben Kultur angehören und die zusammenstehen müssen angesichts der unendlich großen, drohenden Gefahr, die von Osten her uns alle gleichmäßig bedrängt.
Ich glaube, wir alle hier sind einig, daß die westlichen Völker zusammengehören, verbunden durch eine jahrtausendealte gemeinsame Kultur. — Das möchten wir vorausschicken.
Deswegen freuen wir von der WAV-Fraktion uns von ganzem Herzen, wenn irgend jemand, heiße er Adenauer oder wie auch immer, sich bemüht, hier die Bande, die — nicht durch unsere Schuld - zerrissen worden sind, wieder anzuknüpfen, wenn er sich bemüht, alles zu tun, um zu einer Einigung mit Frankreich, mit England und mit all denen zu kommen, die uns nun einmal als Mitteilhaber der westlichen Kultur nahestehen trotz allem, was in der Vergangenheit geschehen ist.
Aber — —
— Ja, leider haben wir ein Aber zu dem ganzen Problem,
und das Aber bezieht sich darauf, daß hier leider
durch das Vorgehen des Herrn Bundeskanzlers das
entwertet worden ist, was sonst vielleicht die Zustimmung der breitesten Schichten der Bevölkerung und einer überwiegenden Mehrheit in diesem Hause gefunden hätte. Das taktische Vorgehen des Herrn Bundeskanzlers ist es, das uns gar nicht gefallen hat.
— Nein, Herr Kollege, das ist uns ganz gleich. Ob wir, die kleine Fraktion der WAV, dabei sind oder nicht, ist nicht das Entscheidende. Das Entscheidende ist, daß wenigstens die großen Fraktionen in diesem Parlament alle miteinander hätten gefragt werden sollen, daß man sich bemüht hätte, hier eine gemeinsame Linie zu finden,
weil man nämlich, meine sehr verehrten Herren von der Rechten, eine Außenpolitik in der heutigen furchtbaren Notlage unseres Volkes nicht machen kann mit 51 Prozent der Abgeordneten. Damit können "Sie vielleicht — vielleicht, sage ich — eine Innenpolitik riskieren, aber nicht in den entscheidenden Lebensfragen der Nation vorgehen! Das war der Fehler von Anfang an.
Wir haben das letzte Mal hier schon von diesem Platz darüber gesprochen. Wir haben es bedauert; wir haben den Bundeskanzler gewarnt, so fortzuschreiten. Wir haben ihn gebeten, er solle wenigstens im letzten Moment hier noch die größeren Parteien zusammenbringen und rechtzeitig hier einen gemeinsamen Nenner für seine Außenpolitik zu finden versuchen. Daß er das nicht getan hat, ist ein großer Fehler und entwertet seine Aktion.
Das kann uns außenpolitisch sehr viel schaden,
und es wäre weiß Gott unsere Aufgabe gewesen, dem Auslande gegenüber gerade in außenpolitischen Fragen zu sagen: 80 oder 90 Prozent der Abgeordneten dieses Hauses und der hinter ihnen stehenden Wählermassen sind einverstanden mit dem, was Adenauer den Westmächten vorgeschlagen und was er unterzeichnet hat.
Meine Damen und Herren! Wir begrüßen es von ganzem Herzen, daß immerhin etwas erreicht worden ist bezüglich einiger Dutzende von wichtigen Fabriken. Aber
wir glauben, daß es nicht genügt,
hier einige Telegramme zur Verlesung zu bringen. Die betreffenden Werke sind natürlich heute freudig bewegt darüber, daß sie von der Demontage ausgenommen worden sind. Andere Werke sind aber leider nicht davon ausgenommen worden.
Und noch etwas: Die Bevölkerung weiß auch noch nicht, jedenfalls weiß es der weitaus größte Teil der Bevölkerung nicht, was im Ruhrstatut drinsteht.
— Das weiß die Bevölkerung nicht, Herr Zwischenrufer; keineswegs, denn sonst würde sie sich zu einigen Bestimmungen des Ruhrstatuts sehr skeptisch eingestellt haben. „Ruhrstatut" sagen Sie, aber. es dreht sich ja gar nicht bloß um die Ruhr. Dieses Statut müßte ganz anders heißen. Es heißt hier im Ruhrstatut — ich habe den Text vor mir —, daß auch über diejenigen Kohlenlieferungen, Stahllieferungen usw., die gar nicht aus dem Ruhrgebiet
stammen, die Ruhrbehörde das Verfügungsrecht hat. Das steht ausdrücklich hier drinnen. Es steht hier ausdrücklich, daß die Ruhrbehörde sich einmischen kann und einmischen darf nicht etwa bloß in die Frachtsätze im Ruhrgebiet, in die dortigen Kohleförderungsziffern usw., sondern daß sie sich auch einmischen kann in alles, was in ganz Deutschland irgendwie mit Kohle, Koks, Eisen und Stahl zusammenhängt.
Fragen des Transports zwischen Nürnberg und München können von der Ruhrbehörde geregelt werden, Sozialprobleme aller Art in ganz Deutschland können von der Ruhrbehörde geregelt werden, und zwar auf Grund der klaren Bestimmungen dieses Statuts.
— Lesen Sie doch bitte mal, Herr Zwischenrufer, den Artikel 14 Ziffer 3b:
Durch die Exportzuteilungen der Ruhrbehörde sollen die Mindestmengen von Kohlen, Koks, Fertig- und Halbfertigstahl aus dem Ruhrgebiet für Exportzwecke festgelegt werden. Die Ruhrbehörde soll auch Vollmacht erhalten, die Qualitäten oder Typen dieser Güter zu bestimmen.
— Bitte, lesen Sie doch einmal den Artikel 15 durch: „Die Behörde hat das Recht, Transportwesen, Preise, Wirtschaftsmethoden, Quoten, Zölle und andere Regierungsmaßnahmen oder wirtschaftliche Anordnungen zu überprüfen, die von deutschen Behörden" — also von irgendwelchen Behörden, nicht bloß von der Bundesregierung, sondern genau so von einem Landrat in irgendeinem Landkreis irgendwo — „getroffen oder erlaubt wurden und die die Kohle, den Koks oder den Stahl berühren". Lesen Sie das bitte alles!
— Es sind auch positive Dinge drin, sehr verehrter Herr Kollege Bausch, aber diese negativen Dinge scheinen mir schwerwiegend genug zu sein, daß man auch hierüber spricht.
Wir erkennen durchaus an, daß die Herausnahme einer Reihe von Fabriken aus der Demontage einen Fortschritt bedeutet.
Aber wir sollten nicht mit irgendwie gefärbten Brillengläsern an das Problem herangehen. Wir sollten es machen, wie es ein Jurist tun soll: wir sollten das ganze Abkommen durchlesen und uns nicht etwa nach Belieben von den Stellen drücken, die unseres Erachtens eine außerordentlich schwere Belastung nicht etwa bloß für die Ruhrindustrie, sondern für die gesamte deutsche Industrie auch in vielen anderen Fragen darstellen, für die Arbeiter genau so wie für die Mittelständler und, damit indirekt zusammenhängend, für die Bauernschaft in ganz Deutschland.
Wollen Sie bitte einmal Artikel 20 Ziffer 2 durchlesen, demzufolge die Ruhrbehörde in der Lage ist, sich alle Informationen zu verschaffen — nötigenfalls durch Zwang —, die sich auf die Vorräte an Kohle, Koks und Stahl, die Deutschland aus
anderen Quellen als dem Ruhrgebiet zur Verfügung stehen, beziehen.
— Herr Präsident! Wollen Sie bitte dafür sorgen, daß ich hier in Ruhe sprechen kann, wie es in jedem anständigen Parlament Sitte ist! Ich habe gar nichts gegen parlamentarische Zwischenrufe, sie sind überall üblich. Aber bitte, meine Herren von der CDU, sorgen Sie dafür, daß man nicht konstant unterbrochen wird! Sie werden mich trotzdem nicht aus dem Konzept bringen, denn ich lese Ihnen nichts vor wie so viele Ihrer Redner.
Ich lese Ihnen nur den Wortlaut des Ruhrstatuts vor.