Rede:
ID0101810300

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 6
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. Herr: 1
    5. Abgeordneter: 1
    6. Ollenhauer.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 18. Sitzung. Bonn, den 24. und 25. November 1949 449 18.. Sitzung Bonn, 24. und 25. November 1949. Geschäftliche Mitteilungen 449C, 464D, 485C, 527C Interpellation der Abg. Euler, Dr. Preusker, Dr. Becker, Dr. Dr. Nöll von der Nahmer u. Gen. betr. Abschluß der Entnazifizierung (Drucksache Nr. 172) 449D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Personen (Drucksache Nr. 175) . . 449D Dr. Heinemann, Bundesminister des Innern . . . . . . . . . 449D, 467D Strauss (CSU) . . . . . . 451D, 472A B) Dr. Menzel (SPD) . . . 455B, 469A, 471C Gundelach (KPD) 460C Pannenbecker (Z) 461B, 471C Dr. Nowack (FDP) 461D Farke (DP) 464D Donhauser (BP) 465B Dr. Miessner (NR) 466D Mensing (CDU) 467C Dr. Becker (FDP) 468D Dr. Leuchtgens (NR) 470B Kaiser, Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen 471A Unterbrechung der Sitzung . 472B Erklärung der Bundesregierung . . 449D, 472B Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . . 472B, 501A, 510D, 524A Unterbrechung der Sitzung . . 476D Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung 477A Dr. Arndt (SPD) . . . . . 477A, 484C Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 481A Dr. Baade (SPD) 485C Kiesinger (CDU) 491B Gockeln (CDU) 496C Dr. Schäfer (FDP) 497D Loritz (WAV) 502B, 511C Dr. von Merkatz (DP) 502D Dr. Baumgartner (BP) . 505A Fisch (KPD) 506B Frau Wessel (Z) 516C Dr. Richter (NR) . . . . . . . 518A 1 Ollenhauer (SPD) 521B Unterbrechung der Sitzung . . 525C Bausch (CDU) 526A Euler (FDP) 526D Abstimmungen . . . . . . .. . . 526B Nächste Sitzung 527C Die Sitzung wird um 10 Uhr 20 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
  • folderAnlagen
    Keine Anlage extrahiert.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Meine Damen und Herren! Es ist nachgerade Übung geworden, daß immer, wenn man dem deutschen Volk eine Belastung auferlegen möchte, die Rede auf das Jahr 1933 kommt und daran entsprechende Bemerkungen geknüpft werden. Ich glaube, man kann ein ganzes Volk niemals für das verantwortlich machen, was an Fehlern durch seine Regierung geschieht. Wenn man dazu neigt, dem deutschen Volk — dem Volk, wohlgemerkt — alle möglichen Vergehen, ja Verbrechen vorzuhalten, dann würde, glaube ich, die Gegenrechnung wahrscheinlich nicht kleiner ausfallen, die wir Deutsche auf Grund der Erfahrungen, die wir vor allem auch in der Nachkriegszeit haben sammeln müssen, aufstellen können. Wir sind nicht so kleinlich, daß wir nun etwa, nachdem das von anderer Seite des öfteren geschieht, den Franzosen Vorhaltungen machen, weil sie einmal .eine französische Revolution oder einen Napoleon hatten, oder daß wir den Engländern ihren Cromwell zum Vorwurf machen. Ich glaube, es genügt vollkommen, von Yalta und Potsdam zu sprechen, die sich erst nach Einstellung der Feindseligkeiten in ihrem ganzen Umfang ausgewirkt haben, in einem Umfang, der leider Gottes bis heute noch nicht in der ganzen Welt die rechte Würdigung erfahren hat.
    Man hat vom Zusammenbruch der Macht gesprochen. Gewiß ist Deutschland in militärischer Hinsicht machtmäßig zusammengebrochen. Aber ich glaube, rein menschenmäßig und auch im Hinblick auf die Bedeutung des deutschen Raumes ist Deutschland auch heute noch eine Macht, die sowohl von den westlichen Alliierten anerkannt werden muß als auch vom Osten anerkannt zu werden scheint, wenn auch der Russe — diese Überzeugung darf ich äußern — im Augenblick noch mit der deutschen Karte ein ausgesprochenes Falschspiel treibt.
    Hier ist die Rede davon gewesen, daß im Ausland ein völliger Meinungsumschwung zu verzeichnen sei. Wir wären sehr erfreut, wenn er wirklich so völlig wäre. So ist es leider noch nicht. Begrüßenswert ist ganz entschieden die Tatsache, daß jene Kräfte im Ausland immer größer werden, immer weiter anwachsen, die einsehen, welche unvernünftige Politik man in den letzten Jahren gegenüber Deutschland getrieben hat, obwohl immer wieder erklärt wird, die Deutschen könnten keine Politik treiben, nur die anderen allein hätten die politische Weisheit scheinbar für sich gepachtet. Aber wenn in der französischen Kammer davon die Rede war — und das war meines Wissens am vorgestrigen Tage —, daß Deutschland 1945 bedauerlicherweise nicht in zahllose Kleinstaaten aufgeteilt worden ist, weil dann die deutsche Frage viel leichter und reibungsloser zu behandeln wäre, und wenn man eine solche Äußerung in einer Zeit vorbringt, von der jeder weiß, daß die Großräume entscheiden, in einer Zeit, in der wir von einem Zusammengehen der europäischen Länder sprechen, dann muß ich doch feststellen, daß dieser Rückfall in das Jahr 1648 nicht gerade von politischer Klugheit spricht.
    Was das Sicherheitsbedürfnis gewisser Länder anlangt, so muß ich hier das eine ganz offen sagen: Wenn gewisse durchaus nicht gering gerüstete Mächte immer wieder hysterisch nach Sicherheit gegenüber einem Deutschland schreien, das bis zum letzten abgerüstet ist, in dem ja kaum noch jemand ein größeres Taschenmesser zu besitzen wagt, dann ist das lächerlich und verständnislos gegenüber der wirklichen Bedrohung, der ja nicht nur wir Deutsche gegenüberstehen, sondern die die ganze Welt zu verschlingen droht, nämlich der Gefahr aus dem Osten.

    (Zuruf.)

    Wir wissen doch ganz genau, wie dieses Rußland heute arbeitet, um alle Kräfte gegen diejenigen zu mobilisieren, die für Demokratie, für Frieden und für die Freiheit der Persönlichkeit, für die Freiheit der Völker eintreten.

    (Zuruf von der KPD: Das sagen Sie!)

    — Ja, wir haben es selbst im Osten drüben, in der Sowjetzone, als Musterbeispiel und können es da studieren. Es wird dort drüben, im Zeichen des 'Friedens selbstverständlich, eine sogenannte Ostpolizei aufgebaut, die in Wirklichkeit nichts anderes ist als eine bewaffnete Armee, eine Hilfsarmee der Weltrevolution, um die friedliebenden Mächte des Westens zu überfallen.
    Und dann muß man sehen, wie oftmals verständnislos der Westen dieser Gefahr gegenübersteht, hier im Westen, wo nicht einmal den Jägern Gewehre zugestanden werden, damit sie die Wildschweine abschießen können, die so entsetzlichen Schaden anrichten. In dieser Beziehung hat der Westen meiner Überzeugung nach noch einige Erfahrungen zu sammeln und vor allem auch einige Erkenntnisse zur Tat werden zu lassen.

    (Zuruf links.)

    Was das gegenseitige Vertrauen anlangt, so ist es meiner Überzeugung nach notwendig, uns nicht nur zuzugestehen, daß Deutschland an all den internationalen Organisationen teilnehmen kann, in denen deutsche Sachkenntnis und Mitarbeit zum allgemeinen Wohlsein beitragen können — —

    (Zuruf von der KPD: Deutsche Marschierer müssen auch da sein!)

    — Ach, Herr Kollege, Sie marschieren doch im Osten schon lange; die brauchen wir hüben nicht, drüben sind sie da.
    Ich möchte hoffen, daß diese Mitarbeit Deutschlands sich nicht nur auf kulturelle oder Wohlfahrtsdinge beschränkt oder auf der anderen Seite etwa erwünscht ist, um die Kenntnisse deutscher


    (Dr. Richter)

    Atomforschung und ähnliches für ganz gewisse Zwecke auszuwerten, sondern daß tatsächlich Deutschland in allen Organisationen, die dem Wohl der Menschheit dienen, mitarbeiten darf.

    (Zurufe von der KPD.)

    Der Herr Bundeskanzler sprach hier von der Bereitschaft Deutschlands, am Europarat teilzunehmen. Wir sehen darin im Augenblick 'doch noch eine gewisse Gefahr, solange wir nicht alle jene Rechte haben, die einem souveränen Staat zustehen. Ich darf hier sagen, daß wir die Regierung in ihrem Kampf um die ihr zustehenden Rechte im Interesse Deutschlands jederzeit unterstützen werden.

    (Bravo! in der Mitte.)

    Wir brauchen aber dazu das eine, daß Belastungen, die auch die Regierung in ihrer ganzen Arbeit immer wieder hemmen und hindern müssen, über kurz oder lang fallen. Dazu gehört vor allem das Besatzungsstatut, von dem ich glaube, daß es in mancher Hinsicht bestimmt bedrückender ist als manches Kolonialstatut. Es hat in gewisser Hinsicht die Teilung Deutschlands sanktioniert, gegen die wir uns mit allen Mitteln wenden. Wir sind überzeugt, daß Deutschland im Europarat nur nach vorbehaltloser Aufhebung der bedingungslosen Kapitualiton, nach Beendigung der Besetzung und nach Schluß des Besatzungsstatuts einen Platz als freies Volk unter freien Völkern finden kann. Wir wissen, daß der Kanzler einmal Worte zur bedingungslosen Kapitulation gefunden hat, die wir nicht nur hundertprozentig unterschreiben, sondern die seinerzeit deswegen ein großes Aufsehen in der ganzen Welt erregten, weil hier Herr Dr. Adenauer einmal den Nagel auf den Kopf getroffen hat.
    Was das Ruhrstatut anlangt, so sage ich ganz offen: wir lehnen es ab. Denn es ist eine ganz einseitige Belastung, die hier Deutschland zugemutet wird. Würde man daraus die Internationalisierung aller europäischen Industriegebiete abzuleiten haben,

    (Abg. Kuntscher: Das soll der Anfang sein!)

    — ja, das soll der Anfang sein, und wir hoffen, daß dann die Folgen nicht so lange auf sich warten lassen —, dann könnte man, wie gesagt, dem Ruhrstatut zustimmen. Solange es aber eine einseitige Belastung Deutschlands ist, haben wir unsere Bedenken, zumal die Ruhrbehörde sehr entscheidende Rechte in sozial- und wirtschaftspolitischer Hinsicht hat. Wir wollen nur hoffen, daß die drei deutschen Stimmen, die in der Ruhrbehörde vertreten sind, sich so durchsetzen, daß die deutschen Rechte auch gewahrt werden. Wir wünschen keine neuen Verpflichtungen, glauben allerdings, daß die Anerkennung des Ruhrstatuts auch gewisse Verpflichtungen mit sich bringt. Wir möchten nicht, daß aus dem Ruhrstatut ein zweites Versailles wird. Wir wissen, daß seinerzeit die Unterschrift von Versailles nicht nur von der Rechten, sondern auch von gewissen Kreisen der Linken abgelehnt worden ist,

    (Zuruf von der KPD: Jetzt hat er das Stichwort!)

    aus der ganz klaren Erkenntnis heraus, daß Versailles eine Belastung für das deutsche Volk bedeutet, die auf die Dauer unerträglich sein muß.

    (Zuruf von der KPD: Hitler auch!)

    — Sie kennen ihn vielleicht besser als ich! (Zuruf von der KPD: Ja, Sie haben das Mitgliedsbuch in der Tasche!)

    — Herr Renner, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir das Mitgliedsbuch zeigen wollten.

    (Wiederholte Zurufe von der KPD.) Solange Sie das nicht können, Herr Renner, muß ich feststellen, daß Sie eine Behauptung aufgestellt haben, die zu beweisen Ihnen nicht leicht sein wird.


    (Abg. Renner: Das haben die Russen verbrannt!)

    — Ich habe damit nichts zu tun gehabt; ich habe keins zu verbrennen gehabt.
    Was die Entmilitarisierung anlangt, die hier in dem Abschnitt 3 erwähnt wird, so möchte ich eines sehr klar herausgestellt haben. Wir wissen ganz genau, daß Rüstungsausgaben grundsätzlich Ausgaben sind, die den Völkern nicht dienen. Man könnte mit diesem Geld ganz andere Dinge schaffen. Allerdings wird sich diese Erkenntnis wahrscheinlich heute und morgen in der Welt nicht durchsetzen können. Eines möchten wir aber auf jeden Fall vermieden wissen, was in der „Rheinischen Post" vom Donnerstag, dem 24. 11. 1949, angekündigt worden ist. Es gibt nämlich gewisse Kreise im Westen, die — genau so, wie man es im Osten macht, wo man in der Form der Ostpolizei schon wieder neues Kanonenfutter gegen den Westen organisiert - sich solche Gedanken schon gemacht haben. Es steht in der erwähnten Zeitung:
    Nach der „Neuen Zürcher Zeitung" gibt es auch in London einflußreiche Gruppen, die eine von den Westmächten scharf kontrollierte teilweise deutsche Rüstung befürworten. Ihr Argument gehe dahin, daß Westeuropa aus eigener Kraft nicht imstande sei, die für die Verteidigung der Rheinlinie notwendigen Divisionen auf die Beine zu stellen.
    Ich muß von meinem Standpunkt und dem meiner Freunde aus sagen, daß wir keine Lust haben, weder für den Osten noch für den Westen die Kastanien aus dem Feuer zu holen.

    (Sehr gut! bei der NR.)

    Wir wollen eine deutsche Politik treiben, und wir haben kein Interesse daran, uns an den Streitereien der Großen in irgendeiner Form, vor allem nicht in der militärischen Form, zu beteiligen.
    Wenn hier die Rede davon ist, daß man die Rheinlinie als die Verteidigungslinie ansieht, daß man also das übrige Gebiet preisgibt, um es dann eines Tages wieder „befreien" zu wollen, so glaube ich, es gäbe nicht mehr viel, was man noch befreien könnte, wenn der Russe einmal in seiner alten, bestialischen Weise durch dieses Gebiet gezogen ist.

    (Zustimmung bei der NR. —Widerspruch und Zuruf bei der KPD: Provokateur!)

    — Das habe ich schon einmal gehört.
    Was die Zusammenarbeit mit dem Sicherheitsamt anlangt, so möchte ich den Herrn Bundeskanzler darum bitten, alles zu tun, damit die Gedanken, wie sie die „Neue Zürcher Zeitung" gebracht hat, nicht Wirklichkeit werden.
    Ein weiterer Punkt ist folgender. Man redet von der Menschlichkeit. Man spricht davon, daß die Bundesregierung, die, im Gegensatz zu ihren (zur KPD) Genossen Pieck und Grotewohl da drüben, aus freien demokratischen Wahlen hervorgegangen ist, Ihren Entschluß bekräftigt hat, den Grundsätzen der Freiheit, Toleranz und Menschlichkeit, die die besten europäischen Nationen miteinander verbinden, rückhaltlos Achtung zu verschaffen. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf etwas hinweisen und den


    (Dr. Richter)

    Herrn Bundeskanzler bitten, sich dieser Sache ganz besonders anzunehmen. Es gibt heute noch zahllose Kriegsgefangene, die gegen jedes Völkerrecht in Gefangenschaft gehalten werden.

    (Sehr richtig! bei der NR.)

    Der französische Völkerrechtsprofessor de Vavre hat das in die Worte gefaßt, daß die Festhaltung dieser deutschen Kriegsgefangenen, die man jederzeit anklagen und wegen angeblicher Kriegsverbrechen verurteilen könne, eine Art „legalen Völkermords" darstelle. Gegen diesen „legalen Völkermord" wenden wir uns ganz entschieden.
    Es ist die Rede davon gewesen, daß das, was der Kanzler erreicht hat, auch anerkannt werden sollte. Das tun wir. Ich habe schon einmal erklärt, daß man die Regierung nach ihren Taten beurteilen solle. Wir üben Kritik. Das ist das Recht der Opposition. Aber auf der anderen Seite kritisieren wir nicht nur, sondern anerkennen auch die Tatsache, daß Deutschland jetzt endlich wieder in größerem Maße zum Schiffsbau zugelassen worden ist. Wir bitten allerdings um eines gleich von vornherein, nämlich darum, alle Absichten, Deutschland in dieser Richtung wieder zu drosseln, zu verhindern. In der gleichen Nummer der „Rheinischen Post" ist nämlich eine Mitteilung veröffentlicht worden, die folgendermaßen lautet:
    Gewerkschaftsvertreter aus der britischen Schiffsbau- und Reparatur-Industrie sind bei ihren Unterhausabgeordneten wegen der zunehmenden deutschen Schiffsbaukonkurrenz vorstellig geworden.

    (Hört! Hört! bei der NR.)

    Sie fordern praktisch ein gemeinsames Vorgehen internationaler Gewerkschaftsorganisationen gegen den deutschen Schiffsbau.

    (Zuruf von der KPD: Lesen Sie doch weiter!) — Sie können es ja selbst durchlesen!

    Wenn man vorhin so viel von der Bedeutung der internationalen Beziehungen gewisser Kreise, gerade der Arbeiterschaft, sprach, so stehe ich auf dem Standpunkt, daß denen, die sich immer ganz zu Unrecht einbilden, allein die Arbeiterschaft zu vertreten, die Aufgabe haben, sich jetzt in ganz besonderem Maße für die Belange der deutschen Arbeiterschaft, auch der feiernden deutschen Seeleute, einzusetzen, damit sie endlich wieder zu Arbeit und Brot kommen und nicht durch irgendwelche egoistischen Machenschaften um das gebracht werden, was wir ihnen vielleicht in absehbarer Zeit geben können.

    (Zustimmung bei der NR. — Widerspruch bei der KPD.)

    Um eines möchten wir den Bundeskanzler in diesem Zusammenhang noch bitten. Man hat Japan eine Walfangflotte zugestanden. Man sollte die Schaffung einer Walfangflotte endlich auch Deutschland zugestehen.

    (Sehr gut! bei der NR)

    damit dieses Deutschland in seiner Wirtschaft wesentlich entlastet werden kann.
    Es ist auch ohne Zweifel, das muß zugegeben werden, ein Erfolg, daß der Demontagestop gekommen ist. Allerdings macht uns eine Stelle, die Fußnote auf Seite 6, stutzig: „mit Ausnahme bestimmter Einrichtungen für Forschungszwecke, die unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit Bedeutung besitzen". Hoffentlich versteht man dann nicht wieder in dieser Richtung unter „Sicherheit" Dinge, die nun tatsächlich zum friedlichen Dasein des deutschen Volkes lebensnotwendig sind, wie man bedauerlicherweise in der Vergangenheit im Zuge der völkerrechtswidrigen Reparationen Deutschland Dinge entnommen hat — ich sage „entnommen"; man könnte auch einen anderen Ausdruck wählen —, die mit Krieg, Kriegführung und Rüstung und all diesen Dingen absolut nichts zu tun hatten.
    Der Wiederaufbau der demontierten Industrie hängt nach Punkt d auf Seite 7 von der Zustimmung des militärischen Sicherheitsamtes ab. Wir hoffen und wünschen nur, daß es dem Kanzler gelingt, das militärische Sicherheitsamt davon zu überzeugen, daß ein Wiederaufbau der demontierten Industrie in einem ganz großen Umfange durchgeführt werden muß. Es kommt alles darauf an, daß man uns nun nicht dauernd Hemmungen bereitet, Schwierigkeiten in den Weg legt und das dann noch mit Sicherheitsbefürchtungen begründet. Man könnte auf diese Tour nämlich jeden Wiederaufbau der deutschen demontierten Industrie verhindern. Wir bitten darum, daß deutlich und in .aller Offenheit jeder Versuch in dieser Richtung mit allen Mitteln zurückgewiesen und schärfstens gebrandmarkt wird.
    Wenn nun die Alliierten bedauerlicherweise Watenstedt-Salzgitter nicht aus der Demontageliste herausgenommen haben, sondern nur erklärt haben, man wolle alles tun, um es wieder aufzubauen, so fragen wir: Glaubt man im Ernst, daß man aus den Werken von Watenstedt-Salzgitter meinetwegen eine Spielzeugindustrie nennenswerten Umfangs machen könnte? Ich glaube, dort ist dann nicht mehr allzu viel zu erreichen, und die Not, vor der wir auch die Alliierten immer wieder gewarnt haben, dürfte dann dort zu einer unabänderlichen Tatsache geworden sein.
    Die Russen haben in dieser Richtung weniger Hemmungen als die Westalliierten, das muß man zugeben, allerdings aus anderen Gründen. Es wird Zeit, daß die Westalliierten eines begreifen: wenn auch die Zugeständnisse auf der anderen Seite rein papierner Natur sind, so sollte man doch unsere Regierung, die Regierung der Bundesrepublik, mit allen Rechten ausstatten, damit nicht etwa von einer anderen Seite her eine verlogene Propaganda gegen die Bundesrepublik Deutschland betrieben werden kann, von einer Seite, die es meisterhaft versteht, immer nur propagandistische Schaumschlägerei zu betreiben, hinter der dann, wie wir alle ja wissen, nichts steckt.

    (Sehr richtig! rechts. — Zurufe links.)

    Wir verlangen deshalb von den Alliierten, daß sie endlich die Regierung zu einer Regierung eines wahrhaft souveränen Staates machen, der man keine weiteren Schwierigkeiten in den Weg legt und der man keine Hemmungen bereitet. Wir verlangen Gleichberechtigung, genau so, wie sie die anderen Völker mit Recht für sich beanspruchen. Man muß allmählich begreifen, daß ohne Deutschland eine Rettung Europas gar nicht mehr möglich ist. Ich glaube, die anderen merken das auch allmählich; sie sind keine Blitzmerker, das weiß ich, aber so allmählich spricht sich das ja in Europa herum. Nur mit Deutschland ist die Rettung Europas durchzuführen; denn das Land, das im Herzen dieses Kontinents liegt, hat schon auf Grund


    (Dr. Richter)

    seiner geographischen Lage eine ganz besondere Bedeutung und eine entscheidende Stellung. Ob man das zugibt oder nicht, man ändert nichts an der Tatsache.
    Von allen Möglichkeiten der Genugtuung ist Rache die kostspieligste und langwierigste. Die verderblichste Politik ist die der Vergeltung. Unsere zukünftige Politik sollte es sein, die Versprechen und Schrecken der Vergangenheit zu vergessen und um unserer Rettung willen in die Zukunft zu blicken. Ohne die aktive und loyale Unterstützung der Deutschen kann es in Europa keine Wiedergesundung geben.
    Diese Worte, meine Damen und Herren, hat ein britischer Staatsmann gesprochen, nämlich Winston Churchill, und sie sollten eine Mahnung sein an die Welt, alles zu tun, um Deutschland zu unterstützen, nicht nur, um unser Land selbst wieder gesund 'zu machen, sondern um damit gleichzeitig auch Europa zur Gesundung zu bringen.
    Wir werden, das möchte ich hier gesagt haben, die Regierung stets unterstützen, wenn es um die Einheit, um die Freiheit und um die Gleichberechtigung Deutschlands, wenn es um das Leben der deutschen Menschen geht. Wenn wir Kritik üben, dann üben wir sie nur, um auf Schwierigkeiten oder auf Gefahren aufmerksam zu machen. Aber wir sind uns über unsere Pflicht als gewählte Vertreter des deutschen Volkes klar, nämlich eine Politik zu treiben, die letzten Endes in so entscheidenden Fragen, wie sie heute zur Debatte stehen, in den Belangen der Außenpolitik nur eines kennt: deutsche Politik!

    (Lebhafter Beifall rechts und in der Mitte.)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Ollenhauer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Erich Ollenhauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im zweiten Teil der Aussprache, die wir diese Nacht hier haben, ist die Frage der Demontage in den Vordergrund der Auseinanersetzungen gerückt. Mein Freund Baade hat in seiner Rede gestern abend, ich glaube, überzeugend, vor dem Hohen Hause nachgewiesen, daB die jetzt erfolgten Beschränkungen der Demontage zu einem großen Teil das Resultat gemeinsamr Anstrengungen aller politischen Kräfte in Deutschland und sehr vieler gutwilliger Kräfte im Ausland gewesen sind.

    (Rufe rechts und in der Mitte: Aha!)

    Ich kann mich darauf beziehen, daß der Sprecher der CDU diese Feststellung unseres sozialdemokratischen Redners ausdrücklich unterstrichen und sich zu eigen gemacht hat.
    Ich bedauere es außerordentlich, daß trotz dieser gemeinsamen Feststellung im weiteren Verlauf der Debatte in einer ernsten, sachlichen Auseinandersetzung der Versuch gemacht worden ist, die Erfolge in bezug auf die teilweise Einschränkung der Demontage zu benutzen, um hier die Entscheidung über eine viel weitergehende sachliche Frage der Außenpolitik der Bundesregierung zu verschleiern.

    (Sehr wahr! links.)

    Ich bedaure es außerordentlich, daß der Herr Bundeskanzler durch sein zweimaliges Eingreifen selber an diesem Versuch teilgenommen hat.

    (Sehr wahr! links. — Zuruf von der CDU: War ja wichtig!)

    Wenn gestern abend der Herr Bundeskanzler hier vor dem Hohen Hause Telegramme von Betriebsleitungen und Belegschaften der Bertiebe verliest, — —

    (Zuruf von der CDU: Der Gewerkschaften!) — entschuldigen Sie, zu den Gewerkschaften komme ich auch noch — von Betrieben, die von dem Druck der Sorge wegen der Demontage befreit sind, dann wissen Sie alle miteinander, meine Damen und Herren, daß eine solche menschliche Reaktion selbstverständlich ist.


    (Zuruf von der CDU: Bloß bei Ihnen nicht! Sie würden Plakate anschlagen!)

    - Sie werden mir in meiner Feststellung, daß
    eine solche Reaktion selbstverständlich ist, doch jedenfalls recht geben.

    (Abg. Schütz: Ist es nicht traurig, daß das nicht die gleiche Reaktion bei Ihnen auslöst?)

    Es gibt ja auch Telegramme, die nicht an den
    Herrn Bundeskanzler gerichtet sind, sondern an
    Teile dieses Hauses, die zur gegenwärtigen Regierung in Opposition sethen; weil die Menschen
    die heute abend von dem Druck der drohenden Demontage befreit sind, wissen, daß es nicht nur Anstrengungen der Regierung Adenauer gegeben hat, sondern schon vor Monaten, ehe die Regierung bestand, Anstrengungen ganz anderer Kreise.

    (Händeklatschen bei der SPD. Zurufe von der Mitte und rechts.)

    Ich will Ihnen dafür aus meiner persönlichen Erfahrung ein Beispiel nennen. Ich habe mit großer Freude davon Kenntnis genommen, daß das Werk Gelsenberg-Benzin heute endgültig von der Demontageliste gestrichen worden ist. Die Akte eines einjährigen Kampfes um die Befreiung dieses Werkes von der Demontage liegt nicht im Amt des Herrn Bundeskanzlers, sondern beim Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.

    (Erneutes Händeklatschen bei der SPD. — Lebhafte Zurufe von der CDU: Unerhört! Eine Frechheit ist das! Selbstbeweihräucherung! — Unruhe.)

    — Meine Damen und Herren, es ist für die Entscheidung, die wir hier zu fällen haben, vielleicht besser, wenn Sie auch einmal eine Argumentation von der anderen Seite und die Feststellung von Tatsachen etwas ruhiger anhören. Die Verantwortung, die Sie heute nacht mit ihrer Abstimmung übernehmen, ist ohnehin groß genug!

    (Sehr richtig! links. — Zurufe in der Mitte und rechts. — Abg. Schütz: Nur dafür, daß die Akten, die bei Ihnen liegen, Leben bekommen, Herr Kollege! Damit sie nicht Papier bleiben!)

    — Ich möchte Ihnen nur folgendes sagen: Ich halte es nicht für einen fruchtbaren Beitrag zur Diskussion und Entscheidung über diese Frage, in diesem Augenblick derartige verständliche menschliche Reaktionen zur Unterstützung eines bestimmten politischen Standpunktes zu benutzen.

    (Abg. Schütz: Was haben Sie denn mit den 120 Millionen gemacht? Solche Plakate, Herr Kollege Ollenhauer!)

    — Wir werden auch sonst über unsere Aktivität hier im Bundestag vielleicht noch größere Plakate machen, darauf können Sie sich verlassen!

    (Zuruf von der CDU: Darin sind Sie besonders groß!)

    Meine Damen und Herren, ich will in diesem Zusammenhang aber noch etwas anderes sagen.


    (Ollenhauer)

    Ich glaube, wir sollten uns diese Auseinandersetzung nicht so billig machen wie mit der Zitierung derartiger Telegramme, deren menschliche Gesinnung wir alle verstehen.

    (Zuruf von der CDU: Herr Ollenhauer, machen Sie ruhig Plakate, wir machen Politik!)

    Wenn wir uns ein objektives Bild von den Auswirkungen der Resultate der Verhandlungen des Herrn Bundeskanzlers über die Demontage machen wollen, dann dürfen wir ihm nicht nur stark Beifall klatschen bei der Verlesung von Telegrammen der Belegschaften und Betriebsleitungen der von der Demontage befreiten Werke, sondern dann sollten wir einen Augenblick auch an die Tausende von Menschen denken, die heute abend die Gewißheit bekommen haben, daß ihre Werke demontiert werden!

    (Sehr richtig! links. — Zuruf in der Mitte: Tun wir auch!)

    Denken Sie zum Beispiel auch an die Tausende von Menschen

    (Zuruf von der CDU: Sagen Sie das doch Ihren Freunden in England!)

    im Gebiet von Salzgitter und Watenstedt!

    (Abg. Schütz: Da ist ja bereits demontiert, das andere bleibt erhalten in WatenstedtSalzgitter!)

    Wissen Sie, was diese Entscheidung der Hohen Kommissare, für die ich den Herrn Bundeskanzler in keiner Weise verantwortlich mache, bedeutet? Daß dort eine fast ausweglose Situation besteht und ein Herd von sozialem Elend und von politischen Gefahren entsteht, wenn wir nicht in der ernstesten Weise auch an diese Situation denken. (Zuruf von der CDU: Deshalb haben wir ja
    gekämpft bis zum letzten, um zu erhalten,
    was heute noch steht!)
    Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch ein weiteres Wort sagen. Ich glaube, Sie gehen in Ihrer Begeisterung über diesen Erfolg der Bundesregierung etwas sehr weit,

    (Zuruf von der CDU: Das ist keine Begeisterung, das ist eine nüchterne Tatsache! — Gegenruf links.)

    und ich möchte Ihnen sagen: Es wäre besser, wenn wir heute hier in diesem Hohen Hause eine so ernste Frage mit der sachlichen Nüchternheit behandelten, die sie verdient.

    (Abg. Strauss: Wie ihr sie nicht behandelt habt!)

    Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß keiner Ihrer Redner auf den Teil des Abkommens vom Petersberg eingegangen ist, der sich mit den Entscheidungen beschäftigt, die die jetzt von der Demontage befreiten Werke hinsichtlich ihrer zukünftigen Arbeitsmöglichkeit betreffen.

    (Zuruf von der KPD: Das ist die Frage!)

    Ich möchte Ihnen den Wortlaut noch einmal mitteilen:
    Bereits demontierte Einrichtungen werden mit Ausnahme der in Berlin in Frage kommenden Einrichtungen der IARA. zur Verfügung gestellt.
    Was heißt das praktisch? Das heißt, daß heute abend zwar die Demontage der August-ThyssenHütte zum Beispiel eingestellt ist, soweit sie bis heute abend um 5 Uhr nicht durchgeführt ist. Sehen Sie sich einmal den Stand dieses Werkes heute abend um 5 Uhr an! Überlegen Sie einmal, welchen weiten Weg wir zu gehen haben, um dieses Werk wieder in Gang zu setzen, zu produzieren und die Menschen zu beschäftigen!
    Das ist aber gar nicht das einzige, was in dieser Vereinbarung festgelegt ist. Es steht auch darin:
    Durch die vorstehenden Änderungen der Reparationsliste werden die bestehenden Produktionsverbote und -beschränkungen für bestimmte Erzeugnisse nicht berührt.

    (Hört! Hört! links.)

    Demontierte Werke dürfen nur mit Genehmigung des Militärischen Sicherheitsamtes wieder aufgebaut oder wieder eingerichtet werden. Werke, bei denen die Demontage eingestellt ist, unterstehen einer geeigneten Kontrolle, um sicherzustellen, daß die Begrenzung der Stahlerzeugung (11,1 Millionen Tonnen pro Jahr) nicht überschritten wird.
    Das ist auch ein Bestandteil der Abmachungen des Herrn Bundeskanzlers über die Beschränkung der Demontagen.

    (Große Unruhe in der Mitte und rechts.)

    — Meine Damen und Herren, ich habe das Gefühl, daß ich viel sachlicher spreche, als Sie reagieren.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Zuruf aus der Mitte: Demagogisch sprechen Sie! — Was sagen Ihre Genossen zur selben Stunde in Paris? — Das ist ein schlechter Rückzug, den Sie machen, Herr Ollenhauer!)

    Ich möchte noch eingehen auf die Bemerkung, die der Herr Bundeskanzler über die Stellungnahme der Gewerkschaften heute abend hier gemacht hat. Meine Damen und Herren, ich nehme an, daß Sie das Gefühl haben, Sie befinden sich da in einer sehr starken Position, und deshalb können Sie meine Bemerkungen ruhig anhören.

    (Ständige Unruhe in der Mitte und rechts.)

    Erstens einmal möchte ich die Informationen, die der Herr Bundeskanzler inzwischen über den Hintergrund dieser Mitteilung eingezogen hat, in einigen Punkten ergänzen.

    (Weitere Unruhe.)