Rede von
Dr.
Herwart
Miessner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren! Wir sind etwas überrascht, daß die Debatte zu dem vorläufigen Gesetz hier schon einen solchen Grundsatzcharakter angenommen hat. An sich hatten wir nicht beabsichtigt, dazu zu sprechen. Nachdem aber nun von den anderen Parteien grundsätzliche Ausführungen gemacht worden sind, möchten wir einige Punkte hervorheben, die uns für das Berufsbeamtentum wesentlich erscheinen.
Wir sind mit der vorläufigen Regelung insofern einverstanden, als hier auf die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums Bezug genommen wird. Ein Hauptgrundsatz des Berufsbeamtentums muß das Leistungsprinzip sein. Dieses Leistungsprinzip möchten wir in allererster Linie fordern und damit jegliches Parteibuchbeamtentum ablehnen. Wenn Sie einmal ins Leben sehen und zum Beispiel einen Landrat betrachten, der ein Berufsbeamter ist, dann ist es ziemlich gleichgültig, ob der Mann von Partei wegen SPD- oder FDP- oder CDU-Mann ist; bei ihm wird dann erfahrungsgemäß seine fachliche Aufgabe und sein fachliches Wissen so im Vordergrunde stehen, daß dieses überwiegt und er sachliche Arbeit leistet. Ich selber bin bis zur Bundestagswahl Berufsbeamter gewesen und kann Ihnen hier aus meiner eigenen Sicht diese praktische Erfahrung sagen. Wenn man
also das Leistungsprinzip voranstellt — was wir fordern —, dann gibt es von allein keine Parteibuchbeamten mehr.
Mein Herr Vorredner hat den Beamten ein gutes Wort zukommen lassen wollen, indem er darauf hinwies, daß sie bei schlechter Bezahlung in der Reichsmarkzeit während der letzten Jahre nach dem Kriege ihre Pflicht getan haben. Ich möchte das noch dahin ergänzen, daß sie nicht nur für schlechtes Geld ihre Arbeit geleistet haben, sondern daß sie sich auch als völlig unbestechlich erwiesen haben. Mir persönlich ist kein Fall von Richterbestechung bekannt, und auch bei der Finanzverwaltung gibt es nur ganz geringe Fälle von Bestechung, obwohl doch diese Verwaltung, die dauernd mit Geld umzugehen hat, wahrhaftig leicht in die Lage gekommen wäre, hier vom Wege abzuweichen.
Ich möchte aber der Öffentlichkeit doch eines sagen: daß man nämlich die Berufsbeamten nicht mit denjenigen Kräften verwechseln darf, die nach 1945 vom Volk als sogenannte „Beamte" in den Wirtschafts-. in den Wohnungs- oder in den Kraft Fahrzeugämtern saßen. Diese waren keine Berufsbeamten. Das wird ja leider von der Öffentlichkeit immer wieder verwechselt und fälschlicherweise als belastend für das Berufsbeamtentum angeführt, indem man dann in Bausch und Bogen sagt: Seht, wie sie sich benehmen. In Wirlichkeit ist aber gerade diese Zeit ein klassischer Beweis dafür, wie notwendig es ist, für wirkliche Staatsaufgaben, sagen wir, für hoheitliche Funktionen, nur Berufsbeamte zu nehmen. Nicht erforderlich ist es, in einem städtischen Wasserwerk oder in einer städtischen Sparkasse Beamte einzusetzen; da macht es der Ingenieur bzw der Kaufmann besser. Aber hoheitliche Aufgaben müssen von Berufsbeamten wahrgenommen werden. Hier hat sich das eigentliche Berufsbeamtentum ganz tadellos bewährt. Man sollte daher an den Grundsätzen des Berufsbeamtentum nicht ohne Not rütteln.
Ich möchte nur noch zu einem Punkt kommen, nämlich zu der Frage der Disziplinargerichtsbarkeit. Das ist eine Sache, die den Nicht-Beamten weniger geläufig ist. Man will heute die Disziplinargerichtsbarkeit doch mehr oder weniger in den Hintergrund drängen und sie durch die Allgewalt des Personalamts ersetzen. Wir von der Nationalen Rechten lehnen das auf das entschiedenste ab, weil man mit der Beseitigung der Disziplinargerichtsbarkeit das Berufsbeamtentum aus den Fugen hebt. Nur wenn der Beamte, der ja ständig unter Vorgesetzten lebt, das sichere Gefühl hat, nicht auf Gedeih und Verderb seiner Vorgesetztenskala unterworfen zu sein, sondern die Möglichkeit zu haben, irgendwelche Vorwürfe durch eine Gerichtsinstanz — das ist nämlich das Disziplinargericht — nachprüfen zu lassen, nur dann ist und bleibt der Beamte innerlich der freie Mensch, der dem Gesetz unterworfen ist und der gerade und aufrecht handeln kann. Nimmt man ihm daher diese Möglichkeit, so muß der Beamte zwangsläufig zu einem Kriechertyp *der etwas dergleichen werden. Es ist uns auch aus einem andern Grunde unverständlich, wieso man von links die Disziplinargerichtsbarkeit angreift. Gerade nach 1945 ist doch durch Überwindung der Diktaturmethoden der Schrei nach demokratischen Einrichtungen wie z. B. unabhängigen Verwaltungsgerichten aufgekommen. Verwaltungsgerichtsbarkeit haben sämtliche Parteien, die hier sitzen, gefordert. Wenn man es aber für erforderlich hält, für Dinge, bei denen es sich meistens nur darum dreht, ob der Staatsbürger diese oder jene Geld- oder Sachleistung zu erbringen hat, eine Gerichtsbarkeit zu schaffen, um wieviel mehr sollte man dann für den Beamten, wenn es für ihn um Existenzfragen geht, eine gerichtliche Nachprüfung für richtig halten. Es ist uns daher völlig unverständlich, daß man nach 1945, da alles von Demokratie redet, ausgerechnet gegen die doch bestimmt demokratische Einrichtung einer unabhängigen Disziplinargerichtsbarkeit verstoßen will.
Auf weitere Punkte möchte ich nicht zu sprechen kommen. Ich nehme an, daß diese in einer späteren Generaldebatte zur Sprache kommen werden.