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    Deutscher Bundestag — 18. Sitzung. Bonn, den 24. und 25. November 1949 449 18.. Sitzung Bonn, 24. und 25. November 1949. Geschäftliche Mitteilungen 449C, 464D, 485C, 527C Interpellation der Abg. Euler, Dr. Preusker, Dr. Becker, Dr. Dr. Nöll von der Nahmer u. Gen. betr. Abschluß der Entnazifizierung (Drucksache Nr. 172) 449D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Personen (Drucksache Nr. 175) . . 449D Dr. Heinemann, Bundesminister des Innern . . . . . . . . . 449D, 467D Strauss (CSU) . . . . . . 451D, 472A B) Dr. Menzel (SPD) . . . 455B, 469A, 471C Gundelach (KPD) 460C Pannenbecker (Z) 461B, 471C Dr. Nowack (FDP) 461D Farke (DP) 464D Donhauser (BP) 465B Dr. Miessner (NR) 466D Mensing (CDU) 467C Dr. Becker (FDP) 468D Dr. Leuchtgens (NR) 470B Kaiser, Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen 471A Unterbrechung der Sitzung . 472B Erklärung der Bundesregierung . . 449D, 472B Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . . 472B, 501A, 510D, 524A Unterbrechung der Sitzung . . 476D Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung 477A Dr. Arndt (SPD) . . . . . 477A, 484C Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 481A Dr. Baade (SPD) 485C Kiesinger (CDU) 491B Gockeln (CDU) 496C Dr. Schäfer (FDP) 497D Loritz (WAV) 502B, 511C Dr. von Merkatz (DP) 502D Dr. Baumgartner (BP) . 505A Fisch (KPD) 506B Frau Wessel (Z) 516C Dr. Richter (NR) . . . . . . . 518A 1 Ollenhauer (SPD) 521B Unterbrechung der Sitzung . . 525C Bausch (CDU) 526A Euler (FDP) 526D Abstimmungen . . . . . . .. . . 526B Nächste Sitzung 527C Die Sitzung wird um 10 Uhr 20 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Helene Wessel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Damen und Herren! Ich glaube, auch Außenpolitik sollte mit klugem und nüchternem Verstand und nicht mit Gefühl gemacht werden; denn wenn die Außenpolitik das Schicksal unseres Volkes darstellen soll, muß sie auch von den verschiedensten Seiten aus beurteilt werden können. Wir wissen nicht, ob der Herr Bundeskanzler die Tragweite der Pariser Konferenz und seine Abmachungen mit den Hohen Kommissaren überschätzt. Es scheint uns zum mindesten, daß die Vorteile, die der Herr Kanzler als die großen Erfolge seiner Außenpolitik herausgestellt hat, ebenso im Interesse der Westmächte wie im Interesse der deutschen Bundesrepublik liegen. Aber, meine Damen und Herren, wir dürfen auch nicht in das andere Extrem verfallen, sie im Hinblick darauf zu unterschätzen, daß wir nicht all das erreicht haben, was wir erhofften. Es wird gewiß, wie es der Herr Kanzler gesagt hat, nur Schritt für Schritt vorwärtsgehen angesichts des Scherbenhaufens, den uns das Naziregime hinterlassen hat.
    Es ist in der Politik der Völker aber auch eine Tatsache: Preise, die man zahlt, werden in der Geschichte nach dem Erfolgswert beurteilt, der damit erzielt wird. Darum wird es, wie ich glaube, sowohl den Regierungsparteien als auch den Oppositionsparteien schwer sein, schon heute ex cathedra zu sagen, wie sich der Eintritt Deutschlands in die Ruhrbehörde als Preis für den Demontagestop auswirken wird. Wir fragen uns, ob die vom Herrn Bundeskanzler verlangten und nach unserer Auffassung unbedingt notwendigen Änderungen des Ruhrstatuts auch tatsächlich durchgeführt werden, da wir ja nicht als gleichberechtigte Partner gelten sollen. Für meine politischen Freunde ist es aber von entscheidender Bedeutung — ich muß einmal: bei diesem Punkt auf die Ausführungen hinweisen, die mein Vorredner, der Herr Kollege Loritz gemacht hat; denn es ist schon so, daß die Bestimmungen des Ruhrstatuts nicht allein für die Industrie an der Ruhr maßgebend sind —, ob mit diesem Eintritt in die Ruhrbehörde und in das Ruhrstatut die Bestimmung des Artikels 15 des Grundgesetzes außer Kraft gesetzt wird, wonach Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel zum Zwecke der Vergesellschaftung in Gemeineigentum übergeführt werden können.

    (Zuruf rechts: Hoffentlich!)

    — Es ist sehr interessant, daß Sie diesen Zwischenruf machen: Hoffentlich! Er ist infolgedessen eine


    (Frau Wessel)

    Bestätigung unserer Besorgnisse, die wir nach dieser Richtung hin haben.

    (Sehr gut! und Händeklatschen links.)

    Es ist weiterhin für uns wichtig, und es würde mich interessieren, auch hier einen entsprechenden Zwischenruf zu bekommen, ob mit dem Eintritt in die Ruhrbehörde soziale Verbesserungen und Rechte, wie zum Beispiel das von der CDU beantragte Mitbestimmungsrecht, ebenfalls für die Millionen Arbeiter, die in diesen für die europäische Wirtschaft so wichtigen Industrien ihre Arbeitskraft einsetzen, auf den St. Nimmerleinstag vertagt werden sollen.

    (Sehr gut! links.)

    Meine Damen und Herren, wir wollen die Dinge doch einmal frei von aller Leidenschaft sehen; denn es geht uns doch hier um Anliegen, die nicht nur solche der Opposition sind, sondern ebenso Anliegen, die von den Regierungsparteien sogar als Anträge diesem Hause vorgelegt worden sind.
    Ich darf vielleicht! bei der Frage des Ruhrstatuts noch einen Gedanken anfügen, und ich glaube damit nicht einmal den Gedankengängen so fern zu stehen, die vielleicht vom Herrn Bundeskanzler auch erwogen werden und erwogen werden müssen. Ich darf einmal darauf hinweisen, daß diese Gedanken bereits am 7. Januar bei den Beratungen des Parlamentarischen Rates zur Frage des Ruhrstatuts von mir im Auftrage des Zentrums geäußert worden sind. Wir haben dort die Frage des Ruhrstatuts und der Ruhrbehörde alle miteinander immerhin als eine europäische Frage gesehen. Es ist immer wieder betont worden, daß die Regelung, wie sie im Ruhrstatut vorgenommen wird, nur ein Vorschuß sein dürfe auf eine gesamteuropäische Regelung der Industrien Europas. Wenn man aber schon von Europa spricht, müßte es das Ziel der Bundesregierung sein, gerade zur Vervollständigung und zur Verwirklichung ihres europäischen Gedankens auch den anderen Regierungen nahezulegen, die Frage der Europäisierung der Industrien im Zusammenhang mit der Ruhrbehörde und dem Ruhrstatut zu sehen.
    Was den Eintritt Deutschlands in den Europarat betrifft, so ist gewiß die Frage nicht unwichtig, ob dadurch, daß neben Deutschland die Saar im Europarat sitzt, der jetzige Status des Saargebiets anerkannt wird oder ob — ich darf auch diesen, Gedanken einmal ausprechen — durch unseren Eintritt vielleicht weitergehende Absichten Frankreichs verhindert werden können. Mir scheint, in dieser Frage wird die Haltung Amerikas und Englands von ausschlaggebender Bedeutung für die Zukunft sein müssen. Bei dem jetzigen Zustand Deutschlands und im Hinblick auf das, was der Herr Bundeskanzler sowohl zur Ruhrbehörde und in Verbindung damit zur Aufhebung der Demontage für eine Reihe von Werken dargestellt hat, ist es auch gewiß notwendig, daß man seine Politik an den Realitäten des gegenwärtigen Zustandes und an etwa eintretenden Folgen der Ablehnung orientiert. Ich glaube, auch eine Opposition muß soviel realen Sinn haben, zu übersehen, was die Regierung in einer solchen Frage erreichen konnte und was nicht erreicht worden ist. Und im Interesse all derjenigen Menschen, die durch den Demontagestop jetzt ihre Arbeitsstelle behalten, ist es durchaus begrüßenswert, daß das, was erreicht worden ist, auch gesehen wird. Gewiß ist auf der andern Seite bedauerlich, was nicht erreicht werden konnte: daß auch noch große,
    entscheidende Industrien — ich denke da an das hier schon erwähnte Werk von Watenstedt-Salzgitter — nicht unter den Demontagestop gefallen sind. Es ist aber auch — ich glaube, wir müssen es aussprechen — die Frage zu stellen, ob die Regierung durch ihre Weigerung, dies anzunehmen, weitere Zugeständnisse erreicht hätte oder ob vielleicht Zugestandenes hätte verlorengehen können.
    Der Kanzler hat in seinen Erklärungen das Hindernis herausgestellt, das einer europäischen Konsolidierung bisher entgegenstand, nämlich das Sicherheitsbedürfnis Frankreichs. Aber wir glauben auch hier sagen zu müssen, daß alle Sicherheitsbeteuerungen nichts nützen, wenn Deutschland nicht von einem echten Geist und Willen der Verständigung mit Frankreich erfüllt wäre. Alle Parteien, die bisher gesprochen haben, haben diesen eindeutigen Willen zur Verständigung mit Frankreich ausgesprochen. Wir sind der Überzeugung, der beste Sicherheitsfaktor für Frankreich ist ein Deutschland, das alle Anstrengungen macht, die Folgen des Krieges durch redliche Arbeit im Geiste einer europäischen Verständigung zu überwinden.
    Es ist von meinen Vorrednern — ich muß auch hier noch einmal an die Ausführungen des Herrn Bundesjustizministers erinnern — über den rechtlichen Charakter der uns vorliegenden Abmachungen mit den Hohen Kommissaren das Für und Wider dargelegt worden. Es scheint mir zweckmäßiger zu sein — namentlich in einer so heiklen und wichtigen Frage, in der man doch nicht einer Meinung ist, da beide Seiten immerhin gewichtige Gründe für ihre Stellung anführen —, die Rei-bungs- und Differenzmöglichkeiten, soweit es geht, zu beschränken. Aber unglücklicherweise haben der Herr Bundesjustizminister und auch ein Redner der CDU in ihren Darlegungen das Vorgehen der Bundesregierung so ausgelegt, daß man die Frage nicht von verschiedenen Motiven aus sehen könne, sondern daß man hier ein für allemal ein gutes Recht der Regierung sehe, so vorzugehen, wie es geschehen ist. Gegen eine solche Auffassung muß ich allerdings im Namen meiner politischen Freunde nachdrücklichst Verwahrung einlegen. Und ich glaube es trotz der heutigen Erklärung des Herrn Bundeskanzlers tun zu müssen, daß es in Deutschland keine autoritäre Regierungsführung mehr geben dürfe, weil wir — der Herr Bundeskanzler ist leider nicht da, sonst würde ich es auch ihm sagen — hier so etwas wie eine Ähnlichkeit mit dem ungläubigen Thomas haben, der sehen und nicht glauben wollte. Weil wir in diesen Dingen gerade durch die Ausführungen, die aus den Kreisen der Regierung gekommen sind, und nicht zuletzt durch die Ausführungen des dafür maßgeblichen Bundesjustizministers in unserer Auffassung hinsichtlich des Charakters dieser Abmachungen bedenklich gestimmt worden sind, sehen wir uns veranlaßt, uns bei der Abstimmung der Stimme zu enthalten.
    Ich komme damit zum Schluß; ich möchte Ihre Zeit nicht zu lange in Anspruch nehmen. In seinen einleitenden Ausführungen hat der Herr Bundeskanzler die psychologischen, aber auch die tatsächlichen Voraussetzungen dargelegt, aus denen er in eine Entwicklung hineinkommen wollte, die von vertrauenerweckenden Handlungen erfüllt ist. Ich glaube, dieses Streben des Herrn Bundeskanzlers kann man durchaus unterstützen. Und wenn er aus diesem Streben den Eintritt in die Ruhrbehörde und in den Europa-Rat vollzieht, so möchten wir nur wünschen, daß die Überlegungen, die ich hier vortragen durfte, auch bei dem Herrn


    (Frau Wessel)

    Bundeskanzler einen aufnahmebereiten Boden finden. Denn in diesen Bemühungen befindet er sich in Übereinstimmung vor allem mit der amerikanischen Politik, die zu einer Konsolidierung Europas kommen möchte. Ob aber der Herrr Kanzler das andere Hindernis für eine europäische Konsolidierung, nämlich die sowjetische Stellung in Europa und vor allem in Deutschland, ebenso berücksichtigt wie zum Beispiel England und Amerika, ist meinen politischen Freunden und mir etwas fraglich. Es scheint uns indessen — und gestatten Sie mir, das zum Schluß auch noch auszusprechen —, daß dem Herrn Bundeskanzler der große Wurf in der Außenpolitik, der ihm vielleicht in seinen Konzeptionen vorschweben mag, nur dann gelingen wird, wenn er damit auch eine Lösung des Problems zwischen Ost und West verbindet, die allein die Aussicht hat, von der der Herr Bundeskanzler in seinen Darlegungen ausgegangen ist, nämlich den Frieden der Welt zu sichern, indem in Gesamteuropa und nicht nur in Westeuropa eine echte Solidarität der Völker zustande kommt.

    (Bravorufe beim Zentrum und links.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Richter.

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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Meine Damen und Herren! Es ist nachgerade Übung geworden, daß immer, wenn man dem deutschen Volk eine Belastung auferlegen möchte, die Rede auf das Jahr 1933 kommt und daran entsprechende Bemerkungen geknüpft werden. Ich glaube, man kann ein ganzes Volk niemals für das verantwortlich machen, was an Fehlern durch seine Regierung geschieht. Wenn man dazu neigt, dem deutschen Volk — dem Volk, wohlgemerkt — alle möglichen Vergehen, ja Verbrechen vorzuhalten, dann würde, glaube ich, die Gegenrechnung wahrscheinlich nicht kleiner ausfallen, die wir Deutsche auf Grund der Erfahrungen, die wir vor allem auch in der Nachkriegszeit haben sammeln müssen, aufstellen können. Wir sind nicht so kleinlich, daß wir nun etwa, nachdem das von anderer Seite des öfteren geschieht, den Franzosen Vorhaltungen machen, weil sie einmal .eine französische Revolution oder einen Napoleon hatten, oder daß wir den Engländern ihren Cromwell zum Vorwurf machen. Ich glaube, es genügt vollkommen, von Yalta und Potsdam zu sprechen, die sich erst nach Einstellung der Feindseligkeiten in ihrem ganzen Umfang ausgewirkt haben, in einem Umfang, der leider Gottes bis heute noch nicht in der ganzen Welt die rechte Würdigung erfahren hat.
    Man hat vom Zusammenbruch der Macht gesprochen. Gewiß ist Deutschland in militärischer Hinsicht machtmäßig zusammengebrochen. Aber ich glaube, rein menschenmäßig und auch im Hinblick auf die Bedeutung des deutschen Raumes ist Deutschland auch heute noch eine Macht, die sowohl von den westlichen Alliierten anerkannt werden muß als auch vom Osten anerkannt zu werden scheint, wenn auch der Russe — diese Überzeugung darf ich äußern — im Augenblick noch mit der deutschen Karte ein ausgesprochenes Falschspiel treibt.
    Hier ist die Rede davon gewesen, daß im Ausland ein völliger Meinungsumschwung zu verzeichnen sei. Wir wären sehr erfreut, wenn er wirklich so völlig wäre. So ist es leider noch nicht. Begrüßenswert ist ganz entschieden die Tatsache, daß jene Kräfte im Ausland immer größer werden, immer weiter anwachsen, die einsehen, welche unvernünftige Politik man in den letzten Jahren gegenüber Deutschland getrieben hat, obwohl immer wieder erklärt wird, die Deutschen könnten keine Politik treiben, nur die anderen allein hätten die politische Weisheit scheinbar für sich gepachtet. Aber wenn in der französischen Kammer davon die Rede war — und das war meines Wissens am vorgestrigen Tage —, daß Deutschland 1945 bedauerlicherweise nicht in zahllose Kleinstaaten aufgeteilt worden ist, weil dann die deutsche Frage viel leichter und reibungsloser zu behandeln wäre, und wenn man eine solche Äußerung in einer Zeit vorbringt, von der jeder weiß, daß die Großräume entscheiden, in einer Zeit, in der wir von einem Zusammengehen der europäischen Länder sprechen, dann muß ich doch feststellen, daß dieser Rückfall in das Jahr 1648 nicht gerade von politischer Klugheit spricht.
    Was das Sicherheitsbedürfnis gewisser Länder anlangt, so muß ich hier das eine ganz offen sagen: Wenn gewisse durchaus nicht gering gerüstete Mächte immer wieder hysterisch nach Sicherheit gegenüber einem Deutschland schreien, das bis zum letzten abgerüstet ist, in dem ja kaum noch jemand ein größeres Taschenmesser zu besitzen wagt, dann ist das lächerlich und verständnislos gegenüber der wirklichen Bedrohung, der ja nicht nur wir Deutsche gegenüberstehen, sondern die die ganze Welt zu verschlingen droht, nämlich der Gefahr aus dem Osten.

    (Zuruf.)

    Wir wissen doch ganz genau, wie dieses Rußland heute arbeitet, um alle Kräfte gegen diejenigen zu mobilisieren, die für Demokratie, für Frieden und für die Freiheit der Persönlichkeit, für die Freiheit der Völker eintreten.

    (Zuruf von der KPD: Das sagen Sie!)

    — Ja, wir haben es selbst im Osten drüben, in der Sowjetzone, als Musterbeispiel und können es da studieren. Es wird dort drüben, im Zeichen des 'Friedens selbstverständlich, eine sogenannte Ostpolizei aufgebaut, die in Wirklichkeit nichts anderes ist als eine bewaffnete Armee, eine Hilfsarmee der Weltrevolution, um die friedliebenden Mächte des Westens zu überfallen.
    Und dann muß man sehen, wie oftmals verständnislos der Westen dieser Gefahr gegenübersteht, hier im Westen, wo nicht einmal den Jägern Gewehre zugestanden werden, damit sie die Wildschweine abschießen können, die so entsetzlichen Schaden anrichten. In dieser Beziehung hat der Westen meiner Überzeugung nach noch einige Erfahrungen zu sammeln und vor allem auch einige Erkenntnisse zur Tat werden zu lassen.

    (Zuruf links.)

    Was das gegenseitige Vertrauen anlangt, so ist es meiner Überzeugung nach notwendig, uns nicht nur zuzugestehen, daß Deutschland an all den internationalen Organisationen teilnehmen kann, in denen deutsche Sachkenntnis und Mitarbeit zum allgemeinen Wohlsein beitragen können — —

    (Zuruf von der KPD: Deutsche Marschierer müssen auch da sein!)

    — Ach, Herr Kollege, Sie marschieren doch im Osten schon lange; die brauchen wir hüben nicht, drüben sind sie da.
    Ich möchte hoffen, daß diese Mitarbeit Deutschlands sich nicht nur auf kulturelle oder Wohlfahrtsdinge beschränkt oder auf der anderen Seite etwa erwünscht ist, um die Kenntnisse deutscher


    (Dr. Richter)

    Atomforschung und ähnliches für ganz gewisse Zwecke auszuwerten, sondern daß tatsächlich Deutschland in allen Organisationen, die dem Wohl der Menschheit dienen, mitarbeiten darf.

    (Zurufe von der KPD.)

    Der Herr Bundeskanzler sprach hier von der Bereitschaft Deutschlands, am Europarat teilzunehmen. Wir sehen darin im Augenblick 'doch noch eine gewisse Gefahr, solange wir nicht alle jene Rechte haben, die einem souveränen Staat zustehen. Ich darf hier sagen, daß wir die Regierung in ihrem Kampf um die ihr zustehenden Rechte im Interesse Deutschlands jederzeit unterstützen werden.

    (Bravo! in der Mitte.)

    Wir brauchen aber dazu das eine, daß Belastungen, die auch die Regierung in ihrer ganzen Arbeit immer wieder hemmen und hindern müssen, über kurz oder lang fallen. Dazu gehört vor allem das Besatzungsstatut, von dem ich glaube, daß es in mancher Hinsicht bestimmt bedrückender ist als manches Kolonialstatut. Es hat in gewisser Hinsicht die Teilung Deutschlands sanktioniert, gegen die wir uns mit allen Mitteln wenden. Wir sind überzeugt, daß Deutschland im Europarat nur nach vorbehaltloser Aufhebung der bedingungslosen Kapitualiton, nach Beendigung der Besetzung und nach Schluß des Besatzungsstatuts einen Platz als freies Volk unter freien Völkern finden kann. Wir wissen, daß der Kanzler einmal Worte zur bedingungslosen Kapitulation gefunden hat, die wir nicht nur hundertprozentig unterschreiben, sondern die seinerzeit deswegen ein großes Aufsehen in der ganzen Welt erregten, weil hier Herr Dr. Adenauer einmal den Nagel auf den Kopf getroffen hat.
    Was das Ruhrstatut anlangt, so sage ich ganz offen: wir lehnen es ab. Denn es ist eine ganz einseitige Belastung, die hier Deutschland zugemutet wird. Würde man daraus die Internationalisierung aller europäischen Industriegebiete abzuleiten haben,

    (Abg. Kuntscher: Das soll der Anfang sein!)

    — ja, das soll der Anfang sein, und wir hoffen, daß dann die Folgen nicht so lange auf sich warten lassen —, dann könnte man, wie gesagt, dem Ruhrstatut zustimmen. Solange es aber eine einseitige Belastung Deutschlands ist, haben wir unsere Bedenken, zumal die Ruhrbehörde sehr entscheidende Rechte in sozial- und wirtschaftspolitischer Hinsicht hat. Wir wollen nur hoffen, daß die drei deutschen Stimmen, die in der Ruhrbehörde vertreten sind, sich so durchsetzen, daß die deutschen Rechte auch gewahrt werden. Wir wünschen keine neuen Verpflichtungen, glauben allerdings, daß die Anerkennung des Ruhrstatuts auch gewisse Verpflichtungen mit sich bringt. Wir möchten nicht, daß aus dem Ruhrstatut ein zweites Versailles wird. Wir wissen, daß seinerzeit die Unterschrift von Versailles nicht nur von der Rechten, sondern auch von gewissen Kreisen der Linken abgelehnt worden ist,

    (Zuruf von der KPD: Jetzt hat er das Stichwort!)

    aus der ganz klaren Erkenntnis heraus, daß Versailles eine Belastung für das deutsche Volk bedeutet, die auf die Dauer unerträglich sein muß.

    (Zuruf von der KPD: Hitler auch!)

    — Sie kennen ihn vielleicht besser als ich! (Zuruf von der KPD: Ja, Sie haben das Mitgliedsbuch in der Tasche!)

    — Herr Renner, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir das Mitgliedsbuch zeigen wollten.

    (Wiederholte Zurufe von der KPD.) Solange Sie das nicht können, Herr Renner, muß ich feststellen, daß Sie eine Behauptung aufgestellt haben, die zu beweisen Ihnen nicht leicht sein wird.


    (Abg. Renner: Das haben die Russen verbrannt!)

    — Ich habe damit nichts zu tun gehabt; ich habe keins zu verbrennen gehabt.
    Was die Entmilitarisierung anlangt, die hier in dem Abschnitt 3 erwähnt wird, so möchte ich eines sehr klar herausgestellt haben. Wir wissen ganz genau, daß Rüstungsausgaben grundsätzlich Ausgaben sind, die den Völkern nicht dienen. Man könnte mit diesem Geld ganz andere Dinge schaffen. Allerdings wird sich diese Erkenntnis wahrscheinlich heute und morgen in der Welt nicht durchsetzen können. Eines möchten wir aber auf jeden Fall vermieden wissen, was in der „Rheinischen Post" vom Donnerstag, dem 24. 11. 1949, angekündigt worden ist. Es gibt nämlich gewisse Kreise im Westen, die — genau so, wie man es im Osten macht, wo man in der Form der Ostpolizei schon wieder neues Kanonenfutter gegen den Westen organisiert - sich solche Gedanken schon gemacht haben. Es steht in der erwähnten Zeitung:
    Nach der „Neuen Zürcher Zeitung" gibt es auch in London einflußreiche Gruppen, die eine von den Westmächten scharf kontrollierte teilweise deutsche Rüstung befürworten. Ihr Argument gehe dahin, daß Westeuropa aus eigener Kraft nicht imstande sei, die für die Verteidigung der Rheinlinie notwendigen Divisionen auf die Beine zu stellen.
    Ich muß von meinem Standpunkt und dem meiner Freunde aus sagen, daß wir keine Lust haben, weder für den Osten noch für den Westen die Kastanien aus dem Feuer zu holen.

    (Sehr gut! bei der NR.)

    Wir wollen eine deutsche Politik treiben, und wir haben kein Interesse daran, uns an den Streitereien der Großen in irgendeiner Form, vor allem nicht in der militärischen Form, zu beteiligen.
    Wenn hier die Rede davon ist, daß man die Rheinlinie als die Verteidigungslinie ansieht, daß man also das übrige Gebiet preisgibt, um es dann eines Tages wieder „befreien" zu wollen, so glaube ich, es gäbe nicht mehr viel, was man noch befreien könnte, wenn der Russe einmal in seiner alten, bestialischen Weise durch dieses Gebiet gezogen ist.

    (Zustimmung bei der NR. —Widerspruch und Zuruf bei der KPD: Provokateur!)

    — Das habe ich schon einmal gehört.
    Was die Zusammenarbeit mit dem Sicherheitsamt anlangt, so möchte ich den Herrn Bundeskanzler darum bitten, alles zu tun, damit die Gedanken, wie sie die „Neue Zürcher Zeitung" gebracht hat, nicht Wirklichkeit werden.
    Ein weiterer Punkt ist folgender. Man redet von der Menschlichkeit. Man spricht davon, daß die Bundesregierung, die, im Gegensatz zu ihren (zur KPD) Genossen Pieck und Grotewohl da drüben, aus freien demokratischen Wahlen hervorgegangen ist, Ihren Entschluß bekräftigt hat, den Grundsätzen der Freiheit, Toleranz und Menschlichkeit, die die besten europäischen Nationen miteinander verbinden, rückhaltlos Achtung zu verschaffen. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf etwas hinweisen und den


    (Dr. Richter)

    Herrn Bundeskanzler bitten, sich dieser Sache ganz besonders anzunehmen. Es gibt heute noch zahllose Kriegsgefangene, die gegen jedes Völkerrecht in Gefangenschaft gehalten werden.

    (Sehr richtig! bei der NR.)

    Der französische Völkerrechtsprofessor de Vavre hat das in die Worte gefaßt, daß die Festhaltung dieser deutschen Kriegsgefangenen, die man jederzeit anklagen und wegen angeblicher Kriegsverbrechen verurteilen könne, eine Art „legalen Völkermords" darstelle. Gegen diesen „legalen Völkermord" wenden wir uns ganz entschieden.
    Es ist die Rede davon gewesen, daß das, was der Kanzler erreicht hat, auch anerkannt werden sollte. Das tun wir. Ich habe schon einmal erklärt, daß man die Regierung nach ihren Taten beurteilen solle. Wir üben Kritik. Das ist das Recht der Opposition. Aber auf der anderen Seite kritisieren wir nicht nur, sondern anerkennen auch die Tatsache, daß Deutschland jetzt endlich wieder in größerem Maße zum Schiffsbau zugelassen worden ist. Wir bitten allerdings um eines gleich von vornherein, nämlich darum, alle Absichten, Deutschland in dieser Richtung wieder zu drosseln, zu verhindern. In der gleichen Nummer der „Rheinischen Post" ist nämlich eine Mitteilung veröffentlicht worden, die folgendermaßen lautet:
    Gewerkschaftsvertreter aus der britischen Schiffsbau- und Reparatur-Industrie sind bei ihren Unterhausabgeordneten wegen der zunehmenden deutschen Schiffsbaukonkurrenz vorstellig geworden.

    (Hört! Hört! bei der NR.)

    Sie fordern praktisch ein gemeinsames Vorgehen internationaler Gewerkschaftsorganisationen gegen den deutschen Schiffsbau.

    (Zuruf von der KPD: Lesen Sie doch weiter!) — Sie können es ja selbst durchlesen!

    Wenn man vorhin so viel von der Bedeutung der internationalen Beziehungen gewisser Kreise, gerade der Arbeiterschaft, sprach, so stehe ich auf dem Standpunkt, daß denen, die sich immer ganz zu Unrecht einbilden, allein die Arbeiterschaft zu vertreten, die Aufgabe haben, sich jetzt in ganz besonderem Maße für die Belange der deutschen Arbeiterschaft, auch der feiernden deutschen Seeleute, einzusetzen, damit sie endlich wieder zu Arbeit und Brot kommen und nicht durch irgendwelche egoistischen Machenschaften um das gebracht werden, was wir ihnen vielleicht in absehbarer Zeit geben können.

    (Zustimmung bei der NR. — Widerspruch bei der KPD.)

    Um eines möchten wir den Bundeskanzler in diesem Zusammenhang noch bitten. Man hat Japan eine Walfangflotte zugestanden. Man sollte die Schaffung einer Walfangflotte endlich auch Deutschland zugestehen.

    (Sehr gut! bei der NR)

    damit dieses Deutschland in seiner Wirtschaft wesentlich entlastet werden kann.
    Es ist auch ohne Zweifel, das muß zugegeben werden, ein Erfolg, daß der Demontagestop gekommen ist. Allerdings macht uns eine Stelle, die Fußnote auf Seite 6, stutzig: „mit Ausnahme bestimmter Einrichtungen für Forschungszwecke, die unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit Bedeutung besitzen". Hoffentlich versteht man dann nicht wieder in dieser Richtung unter „Sicherheit" Dinge, die nun tatsächlich zum friedlichen Dasein des deutschen Volkes lebensnotwendig sind, wie man bedauerlicherweise in der Vergangenheit im Zuge der völkerrechtswidrigen Reparationen Deutschland Dinge entnommen hat — ich sage „entnommen"; man könnte auch einen anderen Ausdruck wählen —, die mit Krieg, Kriegführung und Rüstung und all diesen Dingen absolut nichts zu tun hatten.
    Der Wiederaufbau der demontierten Industrie hängt nach Punkt d auf Seite 7 von der Zustimmung des militärischen Sicherheitsamtes ab. Wir hoffen und wünschen nur, daß es dem Kanzler gelingt, das militärische Sicherheitsamt davon zu überzeugen, daß ein Wiederaufbau der demontierten Industrie in einem ganz großen Umfange durchgeführt werden muß. Es kommt alles darauf an, daß man uns nun nicht dauernd Hemmungen bereitet, Schwierigkeiten in den Weg legt und das dann noch mit Sicherheitsbefürchtungen begründet. Man könnte auf diese Tour nämlich jeden Wiederaufbau der deutschen demontierten Industrie verhindern. Wir bitten darum, daß deutlich und in .aller Offenheit jeder Versuch in dieser Richtung mit allen Mitteln zurückgewiesen und schärfstens gebrandmarkt wird.
    Wenn nun die Alliierten bedauerlicherweise Watenstedt-Salzgitter nicht aus der Demontageliste herausgenommen haben, sondern nur erklärt haben, man wolle alles tun, um es wieder aufzubauen, so fragen wir: Glaubt man im Ernst, daß man aus den Werken von Watenstedt-Salzgitter meinetwegen eine Spielzeugindustrie nennenswerten Umfangs machen könnte? Ich glaube, dort ist dann nicht mehr allzu viel zu erreichen, und die Not, vor der wir auch die Alliierten immer wieder gewarnt haben, dürfte dann dort zu einer unabänderlichen Tatsache geworden sein.
    Die Russen haben in dieser Richtung weniger Hemmungen als die Westalliierten, das muß man zugeben, allerdings aus anderen Gründen. Es wird Zeit, daß die Westalliierten eines begreifen: wenn auch die Zugeständnisse auf der anderen Seite rein papierner Natur sind, so sollte man doch unsere Regierung, die Regierung der Bundesrepublik, mit allen Rechten ausstatten, damit nicht etwa von einer anderen Seite her eine verlogene Propaganda gegen die Bundesrepublik Deutschland betrieben werden kann, von einer Seite, die es meisterhaft versteht, immer nur propagandistische Schaumschlägerei zu betreiben, hinter der dann, wie wir alle ja wissen, nichts steckt.

    (Sehr richtig! rechts. — Zurufe links.)

    Wir verlangen deshalb von den Alliierten, daß sie endlich die Regierung zu einer Regierung eines wahrhaft souveränen Staates machen, der man keine weiteren Schwierigkeiten in den Weg legt und der man keine Hemmungen bereitet. Wir verlangen Gleichberechtigung, genau so, wie sie die anderen Völker mit Recht für sich beanspruchen. Man muß allmählich begreifen, daß ohne Deutschland eine Rettung Europas gar nicht mehr möglich ist. Ich glaube, die anderen merken das auch allmählich; sie sind keine Blitzmerker, das weiß ich, aber so allmählich spricht sich das ja in Europa herum. Nur mit Deutschland ist die Rettung Europas durchzuführen; denn das Land, das im Herzen dieses Kontinents liegt, hat schon auf Grund


    (Dr. Richter)

    seiner geographischen Lage eine ganz besondere Bedeutung und eine entscheidende Stellung. Ob man das zugibt oder nicht, man ändert nichts an der Tatsache.
    Von allen Möglichkeiten der Genugtuung ist Rache die kostspieligste und langwierigste. Die verderblichste Politik ist die der Vergeltung. Unsere zukünftige Politik sollte es sein, die Versprechen und Schrecken der Vergangenheit zu vergessen und um unserer Rettung willen in die Zukunft zu blicken. Ohne die aktive und loyale Unterstützung der Deutschen kann es in Europa keine Wiedergesundung geben.
    Diese Worte, meine Damen und Herren, hat ein britischer Staatsmann gesprochen, nämlich Winston Churchill, und sie sollten eine Mahnung sein an die Welt, alles zu tun, um Deutschland zu unterstützen, nicht nur, um unser Land selbst wieder gesund 'zu machen, sondern um damit gleichzeitig auch Europa zur Gesundung zu bringen.
    Wir werden, das möchte ich hier gesagt haben, die Regierung stets unterstützen, wenn es um die Einheit, um die Freiheit und um die Gleichberechtigung Deutschlands, wenn es um das Leben der deutschen Menschen geht. Wenn wir Kritik üben, dann üben wir sie nur, um auf Schwierigkeiten oder auf Gefahren aufmerksam zu machen. Aber wir sind uns über unsere Pflicht als gewählte Vertreter des deutschen Volkes klar, nämlich eine Politik zu treiben, die letzten Endes in so entscheidenden Fragen, wie sie heute zur Debatte stehen, in den Belangen der Außenpolitik nur eines kennt: deutsche Politik!

    (Lebhafter Beifall rechts und in der Mitte.)