„Das ist unmöglich und untragbar; ein solches Abkommen widerspricht jedem natürlichen Recht." Heute erklären Sie: Es ist eine nationale Tat, daß ich dieses Abkommen unterschrieben habe. Was soll es bedeuten, wenn Sie sagen: Die Verpflichtungen des Ruhrstatuts bestehen schon lange!? Aber, Herr Bundeskanzler, durch Ihre Beitrittserklärung haben Sie besiegelt, daß Sie bereit sind, die bestehenden Verpflichtungen zu erfüllen. Sie haben erklärt, wir seien durch die Unterzeichnung nicht zu Vertragspartnern geworden. Aber Sie haben nicht hinzugefügt, daß dies für uns nichts anderes bedeutet, als daß wir lediglich zur Durchführung jenes unerträglichen Abkommens verurteilt werden. Sie haben erklärt, es sei nicht richtig, daß Souveränitätsrechte preisgegeben werden. Nein, Sie haben keine erhalten, aber Sie haben freiwillig darauf verzichtet, den Kampf um die Wiedergewinnung der Souveränitätsrechte anzutreten. Herr Bundeskanzler, Sie haben selber erklärt, auch in bezug auf eventuelle Änderungen des Ruhrstatuts bestehe nicht einmal die Verpflichtung, die deutschen Vertreter zu hören, sondern allein die Signatarmächte besäßen das Recht, über eventuelle Änderungsvorschläge zu beschließen. Sie haben in der letzten Sitzung dieses Hauses in der vergangenen Woche erklärt: „Keine Macht der Welt kann das Ruhrstatut aus der Welt schaffen." Jawohl, Herr Bundeskanzler, es gibt eine Macht, die das Ruhrstatut aus der Welt schaffen könnte, nämlich das Nein des ganzen Volkes
und das Nein einer Regierung, die sich niemand
anderem verpflichtet fühlt als dem eigenen Volk.
Sie haben andere Zugeständnisse gemacht, über die wenig gesprochen wurde. Sagen Sie uns, Herr Bundeskanzler, ob es nicht vielleicht irgendwelche Geheimabmachungen, über die nichts verlautbart worden ist, betreffend die Remilitarisierung und die Aufstellung einer neuen deutschen Armee gibt! Vor wenigen Tagen hat in Mehldorf eine Konferenz von ehemaligen Generalen getagt, und ich glaube, es lohnt sich, zu verlesen, was einer der Organisatoren, Herr General Bruns, bei dieser Gelegenheit erklärt hat:
Die Remilitarisierung behandeln wir nicht offiziell, aber wo der Topf kocht, im Osten oder Westen, da gießen wir auf. Wir bekommen Bescheid von der Regierung und werden unsere Maßnahmen treffen. Wir sorgen für Sicherheitsvorkehrungen und warten auf Informationen. Für uns gibt es den amtlichen Weg, und das ist Bonn.
Vielleicht wird der Herr Bundeskanzler die Möglichkeit finden, darauf zu antworten, ob die Erklärung des Generals Bruns auf Richtigkeit beruht.
Meine Damen und Herren! Die Gegenleistungen, die vom Herrn Bundeskanzler gegeben worden sind, bedeuten weiterhin die Verpflichtung gegenüber den westlichen Kommissaren zur Aufrechterhaltung der Spaltung Deutschlands und schließlich die Verpflichtung der einseitigen bedingungslosen Bindung an die Krisenwirtschaft des Westens, an die Kriegspläne der westlichen Rüstungsindustrie und ihre politischen Agenten. Sie bedeuten schließlich die vollständige Unterwerfung unter das amerikanische Monopolkapital.
Herr Bundeskanzler, mich wundert es, daß Sie nichts über das Schicksal Ihres Sondermemorandums, das im Stahlhaus in Düsseldorf aufgesetzt worden ist, gesagt haben. Wir hätten gerne darüber gehört, wie es auf dem Petersberg oder in Paris aufgenommen wurde. Ich sage ganz offen: meine Fraktion befürchtet, daß Sie uns hier etwas noch nicht gesagt haben, was besprochen worden ist und was bis zu einem gewissen Grade auch bereits aktionsfähig gemacht wurde.
Diese Gegenleistungen, diese entscheidende Preisgabe wesentlicher deutscher Interessen ist der Kern der Sache der sogenannten Abmachungen vom Petersberg. Es wird Ihnen, Herr Bundeskanzler, nicht gelingen, diese wesentlichen Tatbestände zu verheimlichen und sie hinter der Vorführung von Scheinerfolgen zu verstecken, mit deren Hilfe das deutsche Volk über die düsteren Perspektiven jetzt getäuscht werden soll, die ihm durch Ihre Abmachungen bevorstehen. Es wird aber der Tag kommen, an dem man diese Abmachungen anders behandeln wird und an dem diese Abmachungen nichts anderes sein werden als ein wertloses Stück Papier. Sie treiben eine Politik, die unvermeidlich in das Abenteuer hineinsteuern muß, Sie unterstützen die Verschwörung der internationalen Schwerindustrie, Sie unterstützen die Wiederaufrüstung Westdeutschlands.
Wir erinnern uns, Herr Bundeskanzler, an die letzte Sitzung. Hier sprach ein Vertreter der Nationalen Rechten und erklärte: Wir wollen nicht mehr nach Westen marschieren! Vom Osten schwieg er sich aus.
Wir haben alle sehr gut verstanden, wohin diese Leute erneut marschieren wollen, und wir haben es genau vernommen, Herr Bundeskanzler, daß Sie diese Rede des Abgeordneten von Thadden als „ganz vernünftig" bezeichnet haben.
Auf der Tagung der Generäle führte man die Methode des Säbelrasselns vor. Man sagte, „der Atomkrieg könne einen echten Soldaten nicht einschüchtern". Herr Bruns meinte: Wir sagen auch
zum Atomkrieg mit Bismarck: „Wir Deutsche fürchten Gott, sonst nichts auf dieser Welt!" Meine Damen und Herren! Wer so mit dem Leben von Millionen junger Menschen sein Spiel treibt, begeht ein Verbrechen an der Menschheit, und wer sich nicht klar und deutlich von diesen Elementen distanziert, macht sich — ob gewollt oder nicht gewollt — daran mitschuldig. Wir erklären offen, daß wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln, mit ganzer Energie, ohne Rücksicht und mit dem ganzen Volk gegen alle Bestrebungen und Tendenzen der Militarisierung kämpfen werden.
Wir sind glücklich, daß uns dieser Tage eine, Botschaft aus dem Osten erreicht hat.
Sie haben allen Grund, etwas anderes zu tun, als zu lachen. — In dieser Botschaft, die vom Vorsitzenden des Ministerrats der Sowjetunion, Stalin, unterzeichnet ist,
heißt es:
Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Existenz eines friedliebenden demokratischen Deutschlands neben dem Bestehen der friedliebenden Sowjetunion
die Möglichkeit neuer Kriege in Europa ausschließt, dem Blutvergießen ein Ende macht und die Knechtung der europäischen Länder durch die Weltimperialisten unmöglich macht.
Meine Damen und Herren, wer sich dieser Politik des Friedens widersetzt, handelt nicht nur töricht, weil er die offensichtlich eingetretene Änderung des Kräfteverhältnisses in der Welt nicht achtet, sondern er handelt auch zu Lasten des Volkes. Er handelt so, daß die breiten Massen der Schaffenden die Auswirkungen einer solchen abenteuerlichen Politik zu tragen haben werden durch das Wachsen der Arbeitslosigkeit, indem sich die Schleusen für amerikanische Überschußwaren öffnen, die deutsche Industrie nicht mehr konkurrenzfähig bleiben kann und die Kaufkraft der Massen weiter gemindert wird, weil die Mittel für den Einkauf von Bedarfsgütern den breiten Massen nicht mehr zur Verfügung stehen und weil letzten Endes nach wie vor die Drosselung unserem Export auferlegt ist. Die Senkung des Reallohnes wird die nächste Etappe sein, wenn das Volk sich nicht zur Wehr setzt. Die Einschränkung der sozialen Leistung auf allen Gebieten erleben wir bereits im Gefolge der Defizitstruktur von immer weiteren Landes- und Gemeindehaushalten. Wir erleben die Einschränkung der Mittel, die für den sozialen Wohnungsbau vorgesehen waren. Und alles zusammen gipfelt in der großen übermächtigen Gefahr für unser Volk, das Leben von Millionen junger Menschen preiszugeben dann, wenn wir leichtfertig in einen neuen Krieg hineingezogen würden, in dem Deutschland nichts anderes sein könnte als Kriegsschauplatz und am Ende ein Leichen- und Trümmerfeld.
Wir sind der Meinung, daß es einer solchen Politik des Abenteuers gegenüber einen anderen Weg gibt, den Weg der Schaffung einer nationalen Front aller Deutschen, die die Einheit und Unabhängigkeit des Vaterlandes wünschen.
Wir sind der Ansicht, daß wir über die ersten
sich anbahnenden Gespräche über die Zonen-
grenzen hinweg weiter fortschreiten müssen zum gemeinsamen Handeln im Osten und im Westen bis zur schließlichen Schaffung einer gesamtdeutschen Regierung. Wir sind der Meinung, daß Schluß zu machen ist
mit der von ausländischen Kriegsinteressenten inszenierten. Aufeinanderhetzung eines Teiles unseres Volkes gegen den anderen. Es muß der Weg geöffnet werden zur wirtschaftlichen Gesundung, und dieser Weg führt nicht über Washington, sondern über Berlin. Es ist der Weg zum freien Warenaustausch, zur Wiederherstellung einer einheitlichen Währung in ganz Deutschland, zur Wiederherstellung des einheitlich gewachsenen deutschen Wirtschaftskörpers.
Dieser Weg wird schließlich führen nicht bloß zum Schutz, sondern auch zur Entwicklung und Förderung der deutschen Industrie, zum Schutze aller Produktionszweige in der Industrie und Landwirtschaft, die in weit größerem Maße aus eigenen Kräften zur Versorgung unseres Volkes beitragen können.
Wir haben Schluß zu machen
mit der Politik der „offenen Tür", die es den amerikanischen Konzernen erlaubt, bei uns in Deutschland Waren abzusetzen, die sie in Afrika und in anderen Kolonialgebieten nicht mehr loswerden.
Wir brauchen eine klare Absage an das System des Atlantikpaktes, das uns nichts anderes bringen wird als die Vergeudung der nationalen Güter unseres Volkes zu unproduktiven und letzten Endes tödlichen Zwecken. Heute gilt es, den Kampf um den Lohn und den Arbeitsplatz zu führen, die mehr als je durch die Vereinbarungen und Abmachungen gefährdet sind, die der Herr Bundeskanzler am 22. November auf dem Petersberg unterschrieben hat. Heute bereits hat die Metallarbeiterschaft in Dortmund eine erste Antwort in einem einstündigen allgemeinen Proteststreik gegen die Politik der Überfremdung und Auslieferung deutscher Wirtschaftsgüter an das ausländische Monopolkapital erteilt.
Das ist die Stimme des Volkes.
Das Volk weiß, daß mit dieser ungeheuerlichen Gefahr der Auslieferung an das Ruhrstatut verbunden sind weitere Verelendung, unermeßliches Leid, Arbeitslosigkeit und ein freudloses Dasein auf unabsehbare Zeit. Darum wehrt es sich mit Recht, und die Geschichte wird ihr Urteil fällen über alle jene, die es heute wagen sollten, sich dem Willen des Volkes zu widersetzen.