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ID0101809500

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    Deutscher Bundestag — 18. Sitzung. Bonn, den 24. und 25. November 1949 449 18.. Sitzung Bonn, 24. und 25. November 1949. Geschäftliche Mitteilungen 449C, 464D, 485C, 527C Interpellation der Abg. Euler, Dr. Preusker, Dr. Becker, Dr. Dr. Nöll von der Nahmer u. Gen. betr. Abschluß der Entnazifizierung (Drucksache Nr. 172) 449D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Personen (Drucksache Nr. 175) . . 449D Dr. Heinemann, Bundesminister des Innern . . . . . . . . . 449D, 467D Strauss (CSU) . . . . . . 451D, 472A B) Dr. Menzel (SPD) . . . 455B, 469A, 471C Gundelach (KPD) 460C Pannenbecker (Z) 461B, 471C Dr. Nowack (FDP) 461D Farke (DP) 464D Donhauser (BP) 465B Dr. Miessner (NR) 466D Mensing (CDU) 467C Dr. Becker (FDP) 468D Dr. Leuchtgens (NR) 470B Kaiser, Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen 471A Unterbrechung der Sitzung . 472B Erklärung der Bundesregierung . . 449D, 472B Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . . 472B, 501A, 510D, 524A Unterbrechung der Sitzung . . 476D Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung 477A Dr. Arndt (SPD) . . . . . 477A, 484C Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 481A Dr. Baade (SPD) 485C Kiesinger (CDU) 491B Gockeln (CDU) 496C Dr. Schäfer (FDP) 497D Loritz (WAV) 502B, 511C Dr. von Merkatz (DP) 502D Dr. Baumgartner (BP) . 505A Fisch (KPD) 506B Frau Wessel (Z) 516C Dr. Richter (NR) . . . . . . . 518A 1 Ollenhauer (SPD) 521B Unterbrechung der Sitzung . . 525C Bausch (CDU) 526A Euler (FDP) 526D Abstimmungen . . . . . . .. . . 526B Nächste Sitzung 527C Die Sitzung wird um 10 Uhr 20 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Alfred Loritz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (WAV)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (WAV)

    Es liegt uns nur daran, ein sachliches Bild über die Bestimmungen des Ruhrstatuts zu geben. Wir werden dann auch die günstigen Bestimmungen noch zu erwähnen haben.

    (Abg. Bausch: Ihre Vorschläge!)

    — Ihre Vorschläge! Sie sind in der Regierung, meine Herren! Sie haben jetzt zu beweisen, was Sie fertigbringen! Wir werden Sie unterstützen, wenn Sie etwas Gutes machen, davon können Sie überzeugt sein.

    (Abg. Strauss: Haben wir ja gemacht!)

    — Darf ich Sie jetzt bitten, Herr Kollege Strauss, wir haben hier nicht den bayerischen Landtag!

    (Große Heiterkeit und Händeklatschen.)

    Darf ich Sie jetzt bitten, Herr Kollege Strauss, —

    (Abg. Strauss: Dem S i e angehören, aber nicht ich! Habe nie die Ehre gehabt!)

    — Herr Präsident, wollen Sie mich bitte gegen die dauernden Unterbrechungen schützen!

    (Glocke des Präsidenten.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren, ich bitte nochmals, den Redner nicht ständig zu unterbrechen, sondern ihn aussprechen zu lassen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Alfred Loritz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (WAV)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (WAV)

    Ich möchte nochmals auf Artikel 20 Absatz 2 Bezug nehmen, nachdem ich den Satz vorhin nicht zu Ende lesen konnte:
    Die Ruhrbehörde ist in der Lage, Informationen zu erhalten, nötigenfalls zu verlangen, die sich auf die Vorräte an Kohlen, Koks und Stahl, die Deutschland aus anderen Quellen als dem Ruhrgebiet zur Verfügung stehen, beziehen, oder die Exporte solcher Produkte aus Deutschland betreffen, die aus anderen Quellen als dem Ruhrgebiet stammen.
    Meine Herren aus Bayern, der oberbayerische Kohlenbergbau, die Maxhütte bei Burglengenfeld usw. sind genau so durch dieses Abkommen betroffen, das meines Erachtens zu Unrecht Ruhrstatut heißt; es müßte heißen: Statut für die gesamte deutsche Wirtschaft.

    (Sehr gut! bei der KPD. — Zuruf in der Mitte: Herr Loritz, die KPD ruft „Sehr gut"!)

    — Das interessiert mich gar nicht, was die KPD ruft.

    (Zuruf in der Mitte: Sie befinden sich in guter Gesellschaft!)

    — Nein, ich befinde mich nicht in Gesellschaft der KPD, sondern ich lese objektiv vor, was im Ruhrstatut steht, weil wir das Gefühl haben, daß ein großer Teil von Ihnen das Ruhrstatut noch gar nicht durchgelesen hat.

    (Lebhafter Beifall bei der WAV und links.) Diese Ruhrbehörde wird sogar dann noch tätig sein, nachdem die Besatzung aufgehört hat. Wenigstens geht das aus dem Text des Ruhrstatuts klar hervor. Das steht im Ruhrstatut.

    Ich weiß genau, man trägt sich mit der Hoffnung, daß eine Abänderung des Ruhrstatuts durch freiwillige Vereinbarung möglich ist. Auch mir ist schon vorgerechnet worden, welche Stimmen hier notfalls vielleicht zur Verfügung stehen würden, um eine Abänderung des Statuts erreichen zu können. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein alter Rechtsgrundsatz heißt: man soll
    nichts unterschreiben, von dem man überzeugt ist, daß es schon zu einer Abänderung reif ist; man soll
    nur das unterschreiben, wovon man glaubt, daß es wirklich Stabilität haben kann, sonst soll man es nicht unterschreiben!
    Ich verstehe sehr wohl den Standpunkt der Westmächte, daß sie — wenigstens einige von ihnen — Sicherheit haben wollen. Wir verstehen den Standpunkt, und wir wollen alles tun, um den Westmächten diese Sicherheit zu geben. Deswegen werden wir von der WAV kein Wort dagegen sagen, daß den Westmächten dafür eine weitestgehende Kontrolle möglich gemacht wird, daß niemals mehr irgendeine deutsche Fabrik Kriegsmaterial irgendwelcher Art produzieren kann. Wir werden mit Begeisterung bei jeder Kontrolle hierüber mitmachen, die durch irgendein internationales Gremium ausgeübt werden soll. Das aber, meine Damen und Herren, müßte doch dem Ausland gegenüber die beste Garantie dafür sein, daß unsere Industrie zu nichts mehr mißbraucht werden kann. Das und eine sauber funktionierende und aus sauberen Personen zusammengesetzte Staatsverwaltung, wo nicht etwa die alten Größen aus der Diplomatenzeit Adolf Hitlers und Ribbentrops, aus dieser Aera Hitlers wieder erscheinen. Das zusammen müßte dem Ausland die Sicherheit geben, die "ihm unserem Dafürhalten nach dieses Ruhrstatut gar nicht geben wird, wenn die anderen eben genannten Voraussetzungen nicht vorhanden sind. Wir wollen alles tun, damit das Ausland aus dem Gefühl herauskommen kann, es sähe sich jemals noch einer Bedrohung von seiten Deutschlands gegenüber. Da werden wir mit Begeisterung mitmachen. Aber bezüglich des Ruhrstatuts glauben wir, daß die Formulierung eine denkbar ungünstige ist, und daß wir von der WAV da nicht mitmachen können.
    Wir glauben überhaupt, daß heute der Gedanke an solche Demontagen überholt ist. Das ist ein Gedanke, der durch die Entwicklung überholt worden ist, ich kann mir nicht helfen. Wenn es hier in dem Abkommen, das am 22. November von den Oberkommissaren und dem Herrn Bundeskanzler unterzeichnet worden ist, ausdrücklich heißt, „daß sie ihren Entschluß bekräftigen, den Grundsätzen der Freiheit, Toleranz und Menschlichkeit, die die westeuropäischen Nationen verbinden, rückhaltlos Achtung zu verschaf- fen und sich in ihrem Handeln von diesen Grund-


    (Loritz)

    sätzen leiten zu lassen", dann glauben wir, daß das Problem der Demontagen gerade mit diesen Grundsätzen der Menschlichkeit und der Toleranz nicht mehr vereinbar ist, daß wir etwas ganz anderes suchen müssen, wir Deutschen zusammen mit den alliierten Westmächten, nämlich eine Kontrolle und eine Sicherheit dafür, daß niemals mehr das Gespenst des Krieges auftauchen kann durch die Schuld irgendwelcher deutscher maßgeblicher Leute oder irgendwelcher deutscher Industriebetriebe. Meine Damen und Herren, deswegen glauben wir, daß aus diesem Grunde das Ruhrstatut
    — mindestens in der Form, wie es uns hier vorliegt — nicht hätte unterzeichnet werden sollen, sondern daß der Bundeskanzler und die Bundesregierung andere Wege hätten suchen und finden müssen und können, um hier den Alliierten entgegenzukommen.

    (Zuruf aus der Mitte: Welche denn?)

    — Welche? Ich habe sie Ihnen soeben schon genannt, Herr Zwischenrufer: 1. Eine rückhaltlose Überwachung der deutschen Industrie, damit das Industriepotential nur zu einem verwendet werden kann: daß nämlich in ganz Europa — nicht bloß in Deutschland — möglichst viele Arbeiter satt werden können; denn wir alle in Europa sind auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen, und je mehr in jedem Staat produziert wird, um so mehr kommt das bei einer vernünftigen volkswirtschaftlichen Regelung und bei einem vernünftigen Güteraustausch allen zugute. Das war die erste Garantie. — Die zweite, Herr Zwischenrufer, nehmen Sie das bitte recht zur Kenntnis und sorgen Sie dafür, daß bei allen Stellenbesetzungen, die unter dem Patronat der CDU jetzt erfolgen, namentlich hinsichtlich der außenpolitischen Stellen in den Generalkonsulaten usw., die bald eingerichtet werden, nicht mehr diese alte Versagerclique von Diplomaten auftaucht, die schon während der Hitlerzeit ihre vollkommene Unfähigkeit und ihre vollkommene Charakterlosigkeit hundertprozentig unter Beweis gestellt haben. Da genügt es uns nicht etwa, wenn sich gewisse Diplomaten auf ihre Beteiligung am 20. Juli 1944 besonders berufen. Ich möchte überhaupt soweit gehen und sagen: alle „Bekehrungen" solcher Herren nach Stalingrad oder nach dem Zusammenbruch der Westfront interessieren uns gar nicht mehr. Diese „Bekehrungen" glauben wir nicht recht. Wir wollen, daß Leute in diese wichtigen Staatsstellen, die heute draußen dem Ausland gegenüber das deutsche Volk und die deutsche Wirtschaft repräsentieren, hineinkommen, die auch im Jahre 1939, als Hitler auf dem Gipfel seiner Macht stand, nicht etwa für ihn in irgendwelchen Diplomatenstellungen gearbeitet haben, sondern sich mindestens von dieser ganzen Sache distanzierten.

    (Zuruf aus der Mitte: Jedenfalls gab es im alten Auswärtigen Amt noch andere Leute als Sie, Herr Loritz!)

    — Ich war noch niemals im Auswärtigen Amt.

    (Zuruf aus der Mitte: Da wären Sie auch nicht möglich gewesen!)

    — Aber ich hoffe, Herr Kollege, daß Sie möglichst viele solcher Leute finden,

    (Abg. Strauss: Wie Sie!)

    von denen Sie ganz recht jetzt sagten, es habe auch solche im Auswärtigen Amt gegeben, die rechtzeitig gegangen sind,

    (Abg. Strauss: In die Schweiz!)

    weil sie sich nicht mit Hitler und seinen Verbrechern identifizieren wollten. Die müssen Sie suchen und die mögen Sie bitte anstellen, ganz egal, welcher Partei sie angehören!

    (Zuruf aus der Mitte: Wir werden uns das wahrscheinlich auch ohne Ihre Genehmigung erlauben!)

    — Dazu brauchen Sie nicht unsere Genehmigung, Herr Kollege; der Zwischenruf ist deplaziert. Zur Anstellung Ihrer Diplomaten sollten Sie etwas ganz anderes nachsuchen, nämlich die Genehmigung unseres Volkes. Fragen Sie das Volk, was die Leute dazu sagen, daß Diplomaten in die obersten Stellen hineinkommen, durch deren Hand zum Beispiel das Telegramm über die beabsichtigte Ermordung dreier französischer Minister gelaufen ist. Fragen Sie das Volk, was das dazu sagt! Kommen Sie nach München, und dasselbe wird in den anderen deutschen Städten, in Köln sicher genauso wie in Hamburg und Hannover, der Fall sein.
    Das sollten die Garantien sein. Erstens, eine Staatsverwaltung, die unter gar keinen Umständen mehr mit diesen alten Versagern infiltriert und verseucht ist, und zweitens, daß eine absolut gewährleistete Garantie für die Westmächte von Deutschland gegeben wird, daß niemals mehr irgendeine Fabrik irgendwie für Kriegspotential in Frage kommt. Das ist unser Vorschlag, sehr verehrter Herr Kollege, wie man die Sache hätte entrieren sollen.

    (Abg. Hilbert: Sie hätten Bundeskanzler werden sollen!)

    — Unterlassen Sie doch solche lächerlichen Zwischenrufe! Ich wünschte nur, daß Sie Bundeskanzler werden!
    Darf ich Ihnen eines sagen: Wir glauben, daß das i Ruhrstatut in dieser Form nicht geeignet ist, uns auf dem Weg, den wir doch alle wünschen, weiterzubringen, nämlich auf dem Weg einer möglichst engen Zusammenarbeit mit den Völkern und Regierungen der Westmächte.
    Und noch eines: Wir haben heute die Rede des Herrn Bundesjustizministers gehört. Ich muß schon sagen, wenn ein Mann gekommen wäre, um den Standpunkt der Regierung unmöglich zu machen und das ad absurdum zu debattieren, was er gerade beweisen wollte, dann hätte er es nicht anders machen können als der Herr Bundesjustizminister.

    (Heiterkeit und Beifall bei der WAV und links.)

    Es sind in diesem Hohen Hause doch eine ganze Anzahl von Juristen. Ich glaube, denen hat sich der Magen umgedreht, als sie diese juristischen Ausführungen genossen haben, die uns da präsentiert worden sind. Während der Rede des Herrn Bundesjustizministers kam sogar ein Abgeordneter der CDU zu mir — ein Jurist — und sagte, er habe auch bis daherauf genug. Rein juristisch, nebenbei bemerkt! Das war ein Mann, der sicher die Koalition hundertprozentig unterstützt.

    (Zuruf aus der Mitte: Da kam er gerade zu Ihnen, Herr Loritz?)

    Jedenfalls haben die Juristen heute eine Expektoration seitens des Herrn Bundesjustizministers gehört, von der ich nur sagen kann: ich bin froh, daß
    unser alter Staatsrechtslehrer Rothenbücher — der
    berühmte Staatsrechtslehrer in Bayern — nicht
    mehr lebt. Ich weiß nicht, ob der Herr Bundesjustizminister ihn kennt, er hat ja auch an bayerischen Universitäten studiert. Der Rothenbücher
    hätte sonst vielleicht gesagt: „Herr Dr. Dehler, ich


    (Loritz)

    kann Ihnen eines versichern: bei mir wären Sie als
    Referendar im Examen nicht durchgekommen!"

    (Heiterkeit.)

    Ich glaube, die Ausführungen, die wir da gehört haben, haben das Maß dessen weit überschritten, was juristische Ohren überhaupt noch aufnehmen können. Wir haben hier Äußerungen gehört wie die — ich habe wortwörtlich mitstenographiert —, daß zum Eingehen eines völkerrechtlichen Vertrags eine gleiche Ebene notwendig sei. Eine gemeinsame Ebene der Gleichberechtigung sei nötig, so etwas mußten wir hören. Da kommt kein Jurist und da kommt auch kein Nichtjurist mehr mit. Es ist einfach unfaßlich, wie ein Bundesjustizminister so etwas dem Hohen Hause vortragen kann.

    (Heiterkeit.)

    Da würde zum Beispiel überhaupt kein Friedensvertrag möglich sein, da ja dabei keine „gleiche Ebene" vorhanden ist.

    (Unruhe.)

    Die Ausführungen des Herrn Bundesjustizministers, der zwei Dinge gleichzeitig beweisen wollte, daß nämlich erstens ein Abkommen zustande gekommen ist und daß zweitens trotzdem dieses Abkommen keinen Vertrag darstellt, sind einfach unfaßbar. Wenn er einen zweiseitigen Vertrag zitiert, dann muß ich ihm schon eines sagen: Er hat anscheinend noch gar nichts von einseitigen Rechtsgeschäften und von einseitigen Willensakten gehört, die dann, wenn sie sich mit dem von entgegengesetzter Richtung kommenden Willen eines Anderen treffen, trotzdem zu einem Vertrage werden können, selbst dann, wenn der, der diese Willensmeinung abgibt, gar nicht die Auffassung hat, daß ein zweiseitiger Vertrag überhaupt zustande gekommen ist.
    Wir haben heute auch den französischen Text gehört. Der französische Text ist ebenfalls ganz klar. Er ist vielleicht noch klarer als der deutsche Ausdruck: Abmachungen zwischen den alliierten Kommissaren. Es heißt ganz klar: „accord conclu." Es ist ein Vertrag, der zustande gekommen ist, und weiter gar nichts anderes, und wenn man da irgendwie anderer Auffassung sein kann, dann kommen wir Juristen einfach nicht mehr mit.
    Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen ausdrücklich noch folgendes zu bedenken geben. Es heißt unter II der Abmachungen vom 22. November nicht nur, wie Herr Justizminister Dehler meinte, ausdrücklich, daß die Bundesregierung „ihre Absicht erklärt, der Internationalen Ruhrbehörde als Mitglied beizutreten", woraus man doch schließen könne, daß nichts anderes erfolgt sei, als daß der Mann, der zuerst Beobachter war, jetzt einfach Mitglied geworden sei. Ich mache vielmehr den Herrn Justizminister Dehler ergebenst auf den gleich daran anschließenden Satz aufmerksam, wo es heißt: „Zwischen beiden Parteien besteht Einverständnis darüber, daß der deutsche Beitritt zum Ruhrabkommen" usw. Hier heißt es ausdrücklich: Beitritt zum Ruhrabkommen, also nicht: Beitritt zur Ruhrbehörde! Bitte, berücksichtigen Sie das! „Beitritt zu einem Abkommen" — ich kann mir nicht helfen, es sind die Grundlagen der Jurisprudenz, die man im ersten und zweiten Semester lernt —,

    (Heiterkeit)

    „Beitritt zu einem Abkommen" heißt nichts anderes, als daß man selbst das Abkommen billigt und als Partner des Abkommens tätig ist. Es gibt freilich Partner verschiedenen Ranges. Der Herr Bundeskanzler Adenauer hat nicht verabsäumt, dar-
    auf einzugehen; aber seine Schlußfolgerungen sind hier nicht entscheidend und nicht durchschlagend. Er sagt: Selbstverständlich haben die Signatare ganz andere Rechte; wir sind nichts anderes als ein Mitglied darin! — Ja, aber was bedeutet denn das?

    (Zuruf in der Mitte: Daß wir mitreden können!) Man kann doch ohne weiteres mit anderen einen Vertrag schließen, in ein Rechtsverhältnis mit anderen eintreten, wobei die einen alle oder fast alle Rechte haben und der andere nur ganz wenige. Es gibt auch eine societas, eine Gesellschaft, die societas leonina, bei der die einen alles und die anderen so gut wie gar nichts an Rechten haben. Hier, meine Damen und Herren, scheint mir ein unheilvolles Mißverständnis innerhalb der Regierung zu bestehen; man scheint sich hier über die Folgen dieser Unterschrift doch nicht ganz klar zu sein.

    Wir haben mit großer Befriedigung gehört, daß der Herr Bundeskanzler der Auffassung ist, er habe keinen gegenseitigen Vertrag als Ruhrabkommen unterzeichnet, er habe nicht das Ruhrabkommen in der Form eines zweiseitigen oder mehrseitigen Abkommens unterzeichnet. Wir möchten nur, daß dieses Wort des Herrn Bundeskanzlers in aller Öffentlichkeit besonders unterstrichen wird. Mit der Interpretation durch den Herrn Bundeskanzler allein ist es aber leider nicht getan, und wenn der Wortlaut gegen ihn spricht, dann kann die Interpretation des Bundeskanzlers allein daran noch nichts ändern, genau so wie heute einmal im Laufe der Debatte mit Recht gesagt wurde, die Interpretation durch Außenminister Schumacher

    (große Heiterkeit)

    — Verzeihung — Schuman ändere die Situation und die Bestimmungen nicht und könne ihnen keinen anderen Sinn geben.

    (Anhaltende Heiterkeit.)

    — Ja, ich bin vielleicht nicht so frisch wie manche der Herren, die gut ausgeruht sind. Ich bin nach all dem, was ich im Gefängnis durchmachen mußte, nicht so frisch, wenn ich von früh 10 Uhr bis nachts um 2 Uhr hier sitze und aufzumerken habe, was gesprochen wird, daß einem dann nicht vielleicht ein lapsus linguae passiert.
    Meine Damen und Herren! Genau so wenig wie die Interpretation des Außenministers Schuman irgend etwas abändern kann, wenn es auf Grund des Wortlauts anders im Vertrag steht, genau so wenig kann die Interpretation des Herrn Bundeskanzlers Adenauer irgend etwas abändern, was leider nach unserem Dafürhalten durch den klaren Wortlaut dieses Abkommens vom 22. November festgelegt worden ist. Das ist das Bedauerliche bei der ganzen Sache.
    Das Bedauerliche ist nicht, daß der Herr Bundeskanzler eine Initiative in Richtung eines möglichst engen Zusammengehens mit den Westmächten und insbesondere mit Frankreich entfaltet hat . — das wünschen wir alle, wenigstens der allergrößte Teil der Mitglieder dieses Hauses —, sondern das Bedauerliche ist, daß schon einmal bei dem Zustandekommen dieses Abkommens die Volksvertretung so gut wie ausgeschaltet worden ist. Es haben mir CDU-Abgeordnete heute auf ihr Wort erklärt, sie hätten dieses Abkommen auch erst heute nachmittag um 5 Uhr erfahren.

    (Zuruf in der Mitte: Das ist ja selbstverständlich! Es war ja vertraulich!)



    (Loritz)

    Das ist das erste Unglück, und das zweite Unglück ist, daß man sich hier in einem betonten Optimismus wiegt, der durch die Tatsachen nicht ganz gerechtfertigt erscheint. Ich glaube, weniger Optimismus wäre hier im Interesse der ganzen Regierung besser gewesen. Vielleicht hätte die Regierung mit bestimmten anderen konkreten Vorschlägen, die wir heute schon kurz aufgezeigt haben, bei den Westmächten auf einem anderen Wege dasselbe erreicht.
    Wir können heute nur unserer tiefen Besorgnis über den Gang der Dinge Ausdruck geben. Nehmen Sie es mir nicht übel, daß wir diese Besorgnis heute aussprechen. Schon vor zwei Monaten haben wir auf einem ganz anderen Gebiet diese Besorgnis ausgesprochen.

    (Abg. Strauss: Wann war das?)

    Sie haben damals gelacht. Auch Ihre Fraktionskollegen haben darüber gelacht. Es war bei Gelegenheit der Geldabwertung.

    (Abg. Strauss: Sehr richtig!)

    — Jawohl, Herr Kollege Strauss, so ist es. Heute kostet ein Ei in Deutschland schon überall 60 Pfennig. Auf allen Gebieten steigen bereits die Warenpreise. Es wird genau dasselbe kommen, was jetzt in Norwegen der Fall ist. Der norwegische Finanzminister hat erklärt — Sie konnten es in allen Zeitungen nachlesen —, man solle doch nicht so töricht sein und dem Volk vorspiegeln wollen, daß der innere Kaufkraftwert einer abgewerteten Währung erhalten bleiben könnte. Er wird sich von selbst und ganz automatisch nach wenigen Monaten angleichen. Dann werden gerade die arbeitenden Schichten betrogen sein!

    (Abg. Strauss: Und wie wollen Sie exportieren?) — Das ist hier nicht Gegenstand der Debatte, Herr Kollege Strauss. Ich habe es Ihnen damals bereits gesagt.


    (Abg. Strauss: Nein!)

    — Selbstverständlich habe ich es gesagt. Sie haben es natürlich nicht gehört; vielleicht waren Sie gerade draußen.

    (Heiterkeit. — Glocke des Präsidenten.)