Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im zweiten Teil der Aussprache, die wir diese Nacht hier haben, ist die Frage der Demontage in den Vordergrund der Auseinanersetzungen gerückt. Mein Freund Baade hat in seiner Rede gestern abend, ich glaube, überzeugend, vor dem Hohen Hause nachgewiesen, daB die jetzt erfolgten Beschränkungen der Demontage zu einem großen Teil das Resultat gemeinsamr Anstrengungen aller politischen Kräfte in Deutschland und sehr vieler gutwilliger Kräfte im Ausland gewesen sind.
Ich kann mich darauf beziehen, daß der Sprecher der CDU diese Feststellung unseres sozialdemokratischen Redners ausdrücklich unterstrichen und sich zu eigen gemacht hat.
Ich bedauere es außerordentlich, daß trotz dieser gemeinsamen Feststellung im weiteren Verlauf der Debatte in einer ernsten, sachlichen Auseinandersetzung der Versuch gemacht worden ist, die Erfolge in bezug auf die teilweise Einschränkung der Demontage zu benutzen, um hier die Entscheidung über eine viel weitergehende sachliche Frage der Außenpolitik der Bundesregierung zu verschleiern.
Ich bedaure es außerordentlich, daß der Herr Bundeskanzler durch sein zweimaliges Eingreifen selber an diesem Versuch teilgenommen hat.
Wenn gestern abend der Herr Bundeskanzler hier vor dem Hohen Hause Telegramme von Betriebsleitungen und Belegschaften der Bertiebe verliest, — —
— entschuldigen Sie, zu den Gewerkschaften komme ich auch noch — von Betrieben, die von dem Druck der Sorge wegen der Demontage befreit sind, dann wissen Sie alle miteinander, meine Damen und Herren, daß eine solche menschliche Reaktion selbstverständlich ist.
- Sie werden mir in meiner Feststellung, daß
eine solche Reaktion selbstverständlich ist, doch jedenfalls recht geben.
Es gibt ja auch Telegramme, die nicht an den
Herrn Bundeskanzler gerichtet sind, sondern an
Teile dieses Hauses, die zur gegenwärtigen Regierung in Opposition sethen; weil die Menschen
die heute abend von dem Druck der drohenden Demontage befreit sind, wissen, daß es nicht nur Anstrengungen der Regierung Adenauer gegeben hat, sondern schon vor Monaten, ehe die Regierung bestand, Anstrengungen ganz anderer Kreise.
Ich will Ihnen dafür aus meiner persönlichen Erfahrung ein Beispiel nennen. Ich habe mit großer Freude davon Kenntnis genommen, daß das Werk Gelsenberg-Benzin heute endgültig von der Demontageliste gestrichen worden ist. Die Akte eines einjährigen Kampfes um die Befreiung dieses Werkes von der Demontage liegt nicht im Amt des Herrn Bundeskanzlers, sondern beim Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.
— Meine Damen und Herren, es ist für die Entscheidung, die wir hier zu fällen haben, vielleicht besser, wenn Sie auch einmal eine Argumentation von der anderen Seite und die Feststellung von Tatsachen etwas ruhiger anhören. Die Verantwortung, die Sie heute nacht mit ihrer Abstimmung übernehmen, ist ohnehin groß genug!
— Ich möchte Ihnen nur folgendes sagen: Ich halte es nicht für einen fruchtbaren Beitrag zur Diskussion und Entscheidung über diese Frage, in diesem Augenblick derartige verständliche menschliche Reaktionen zur Unterstützung eines bestimmten politischen Standpunktes zu benutzen.
— Wir werden auch sonst über unsere Aktivität hier im Bundestag vielleicht noch größere Plakate machen, darauf können Sie sich verlassen!
Meine Damen und Herren, ich will in diesem Zusammenhang aber noch etwas anderes sagen.
Ich glaube, wir sollten uns diese Auseinandersetzung nicht so billig machen wie mit der Zitierung derartiger Telegramme, deren menschliche Gesinnung wir alle verstehen.
Wenn wir uns ein objektives Bild von den Auswirkungen der Resultate der Verhandlungen des Herrn Bundeskanzlers über die Demontage machen wollen, dann dürfen wir ihm nicht nur stark Beifall klatschen bei der Verlesung von Telegrammen der Belegschaften und Betriebsleitungen der von der Demontage befreiten Werke, sondern dann sollten wir einen Augenblick auch an die Tausende von Menschen denken, die heute abend die Gewißheit bekommen haben, daß ihre Werke demontiert werden!
Denken Sie zum Beispiel auch an die Tausende von Menschen
im Gebiet von Salzgitter und Watenstedt!
Wissen Sie, was diese Entscheidung der Hohen Kommissare, für die ich den Herrn Bundeskanzler in keiner Weise verantwortlich mache, bedeutet? Daß dort eine fast ausweglose Situation besteht und ein Herd von sozialem Elend und von politischen Gefahren entsteht, wenn wir nicht in der ernstesten Weise auch an diese Situation denken. (Zuruf von der CDU: Deshalb haben wir ja
gekämpft bis zum letzten, um zu erhalten,
was heute noch steht!)
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch ein weiteres Wort sagen. Ich glaube, Sie gehen in Ihrer Begeisterung über diesen Erfolg der Bundesregierung etwas sehr weit,
und ich möchte Ihnen sagen: Es wäre besser, wenn wir heute hier in diesem Hohen Hause eine so ernste Frage mit der sachlichen Nüchternheit behandelten, die sie verdient.
Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß keiner Ihrer Redner auf den Teil des Abkommens vom Petersberg eingegangen ist, der sich mit den Entscheidungen beschäftigt, die die jetzt von der Demontage befreiten Werke hinsichtlich ihrer zukünftigen Arbeitsmöglichkeit betreffen.
Ich möchte Ihnen den Wortlaut noch einmal mitteilen:
Bereits demontierte Einrichtungen werden mit Ausnahme der in Berlin in Frage kommenden Einrichtungen der IARA. zur Verfügung gestellt.
Was heißt das praktisch? Das heißt, daß heute abend zwar die Demontage der August-ThyssenHütte zum Beispiel eingestellt ist, soweit sie bis heute abend um 5 Uhr nicht durchgeführt ist. Sehen Sie sich einmal den Stand dieses Werkes heute abend um 5 Uhr an! Überlegen Sie einmal, welchen weiten Weg wir zu gehen haben, um dieses Werk wieder in Gang zu setzen, zu produzieren und die Menschen zu beschäftigen!
Das ist aber gar nicht das einzige, was in dieser Vereinbarung festgelegt ist. Es steht auch darin:
Durch die vorstehenden Änderungen der Reparationsliste werden die bestehenden Produktionsverbote und -beschränkungen für bestimmte Erzeugnisse nicht berührt.
Demontierte Werke dürfen nur mit Genehmigung des Militärischen Sicherheitsamtes wieder aufgebaut oder wieder eingerichtet werden. Werke, bei denen die Demontage eingestellt ist, unterstehen einer geeigneten Kontrolle, um sicherzustellen, daß die Begrenzung der Stahlerzeugung nicht überschritten wird.
Das ist auch ein Bestandteil der Abmachungen des Herrn Bundeskanzlers über die Beschränkung der Demontagen.
— Meine Damen und Herren, ich habe das Gefühl, daß ich viel sachlicher spreche, als Sie reagieren.
Ich möchte noch eingehen auf die Bemerkung, die der Herr Bundeskanzler über die Stellungnahme der Gewerkschaften heute abend hier gemacht hat. Meine Damen und Herren, ich nehme an, daß Sie das Gefühl haben, Sie befinden sich da in einer sehr starken Position, und deshalb können Sie meine Bemerkungen ruhig anhören.
Erstens einmal möchte ich die Informationen, die der Herr Bundeskanzler inzwischen über den Hintergrund dieser Mitteilung eingezogen hat, in einigen Punkten ergänzen.