Rede von
Dr.
Thomas
Dehler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren! Ich nehme das Wort des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt auf. Ich nehme für mich in Anspruch, daß ich nicht nur heute, nicht nur in dem Amt, das ich jetzt ausfülle, sondern jederzeit mich dem Recht, dem Gesetz und der Verfassung zutiefst verpflichtet habe.
Meine bayerischen Freunde wissen es, wie ;ich das getan habe.
— Das ist kein Grund zum Lachen. Ich habe den Herrn Ministerpräsidenten Dr. Ehard ähnlich wie heute Herr Dr. Arndt an den Eid erinnert, nicht böswillig, sondern auch in einer Situation, in der es darum ging, das Fundament für unsere gemeinsame politische Arbeit zu finden, und ich verarge es dem Herrn Kollegen Arndt in keiner Weise, wenn er in ernstester Art die verfassungsrechtliche Problematik der heutigen Lage aufzeichnet. Die Dinge liegen nicht einfach,
und ich bin ihm dankbar, wenn er darum kämpft, wenn er mit lauteren Mitteln kämpft.
Er operiert mit einem Gutachten von mir. Ich weiß nicht, was für eine Bewandtnis es damit hat. Ich habe dem Herrn Bundeskanzler, ich will einmal sagen, die Probleme dargestellt, wie ich sie sehe, nicht als ein Gutachten, nicht als etwas Endgültiges und Festes,
sondern als den Versuch, zur Klarheit zu kommen. Ich weiß nicht, woher der Herr Abgeordnete Arndt dieses Gutachten in der Hand hat.
Hier werden fortgesetzt Dinge gestohlen, was einen mit ernster Sorge erfüllt.
Es ist ja nicht der erste Fall,
daß Dinge, die nicht für andere bestimmt sind,
plötzlich in der Hand der anderen sich befinden.
Ich weiß es nicht, woher der Herr Kollege Arndt
jetzt schon die französische und die englische Übersetzung des Abkommens vom 22. November in der Hand hat.
Das sind merkwürdige Zusammenhänge.
Ich sage, wir sind bereit, ernstlich diese Frage zu klären und ihr mitnichten irgendwie auszuweichen. Aber wir verwahren uns — und ich glaube,
ich habe auch das Recht, den Herrn Bundeskanzler N dagegen zu verwahren —, wenn der Herr Kollege Arndt uns vorwirft, wir würden mit advokatorischen Mitteln arbeiten und es gehe uns um einen autoritären Handstreich und was dergleichen Dinge sind. Nein, es geht uns um den ernsten Willen, die Dinge richtig, entsprechend dem Grundgesetz, entsprechend der Verfassung zu behandeln.
— Ich glaube, Herr Kollege Wuermeling hat recht; das ist doch das Bittere an dieser Diskussion, die sich entfaltet. Ich sage: die Bedeutung des Rechts ist uns bewußt. Hat der Herr Kollege Arndt wirklich die Tragik dieses Augenblicks erfaßt? Hat er ein Gefühl für den politischen Sinn, hat er ein Empfinden für das, was auf dem Spiele steht?
Denkt der Sozialdemokrat Arndt wirklich an den Arbeiter, um dessen Arbeitsstätte es geht?
Oder denkt er zunächst nur daran, wie man das Recht benutzen kann, um der Regierung politische Schwierigkeiten zu machen?
Nun habe ich das Gefühl, die Angriffe des Herrn Arndt gehen in das Leere. Er sagt: autoritärer Handstreich, die Regierung will das Parlament ausschalten! Sie will Dinge, die unter die Zuständigkeit des Parlaments fallen, diesem vorenthalten. Ich glaube, er hat die vom Herrn Bundeskanzler vorgelesene Niederschrift der Abmachungen zwischen ihm und den alliierten Hohen Kommissaren nicht gehört. Auch die Interpretation des französischen Außenministers kann an dem Text dieses Abkommens nichts ändern. Es wird behauptet, mit diesem Abkommen sei schon der Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu dem Ruhrabkommen erklärt. Wie heißt es in Ziffer 2 des Abkommens?
In der Überzeugung, daß die möglichst enge Mitarbeit Deutschlands zum Wiederaufbau der westeuropäischen Wirtschaft wünschenswert ist, erklärt die Bundesregierung ihre Absicht, der internationalen Ruhrbehörde, in der sie derzeit nur durch einen Beobachter vertreten ist, als Mitglied beizutreten.
Die Erklärung einer „Absicht" zwischen Beteiligten, die für den Beitritt selbst nicht zuständig sind; denn gegenüber den Hohen Kommissaren kann diese Beitrittserklärung nicht abgegeben werden.
— Es ist die Feststellung einer Absicht, Herr Kollege Greve; wo ist von einer Verpflichtung die Rede? Eine Absicht ist zum Ausdruck gekommen. Selbst wenn es richtig wäre, was der Herr Kollege Arndt sagt, daß eine Ratifizierung im Wege der Gesetzgebung durch Bundestag und wohl auch Bundesrat erfolgen müßte, dann wäre das eine cura posterior. Dann müßte das durch einen Gesetzgebungsakt vollzogen werden. Aber der Herr Abgeordnete Dr. Arndt irrt sich grundsätzlich, wenn er sagt, daß dieses Abkommen, in dem lediglich eine Absicht festgelegt werde, schon der Form des Artikel 59 Absatz 2 des Grundgesetzes, also des Vollzuges durch ein Gesetz, bedürfe.
Nicht anders ist es bei der Frage des Beitritts zum Europarat, wobei ich durchaus die Frage of-
fenlasse, ob dort nicht das Verfahren nach Artikel 59 erfolgen muß.
- Ich gestehe nichts zu; über die Dinge wollen wir sprechen.
Wie liegt denn in Wirklichkeit das Problem? Wir wollen einmal die Frage erörtern — wir wollen nicht ausweichen —: Wie ist dieser Beitritt zum Ruhrstatut rechtlich zu qualifizieren? Ist zu diesem Schritt ein gesetzgeberischer Akt erforderlich, oder — das ist die Alternative — handelt es sich lediglich um eine Erklärung der Regierung? Ich bin aus verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichen Gründen der Meinung, daß es der Form des Gesetzes nicht bedarf. Ich möchte meinen, wenn man unbefangen und ohne die Tendenz der angeblich konstruktiven Opposition, grundsätzlich Schwierigkeiten für die Regierung zu machen,
an die Frage herantritt, dann kommt man nicht zu dem Ergebnis des Herrn Kollegen Arndt.
Was hatten wir im Parlamentarischen Rat vor Augen, als wir diesen Artikel 59. formulierten?
— Nein, was der Artikel 59 erstrebte, war etwas ganz anderes. Es war das Ziel unserer Politik; es war die Vorstellung, daß Deutschland eines Tages den anderen wieder als freier, gleichgeordneter Partner gegenübertritt. Dafür — das ist meine Überzeugung gewesen und ist es auch heute noch — ist dann die feierliche Form des Gesetzes notwendig. Bedarf wirklich eine solche Erklärung, wie sie in Artikel 31 des Ruhrstatuts vorgesehen ist, in welcher eine deutsche Regierung
— wir wollen das doch nicht vergessen —, die sich unter den Beschränkungen des Besatzungsrechts bewegt und bewegen muß, nichts anderes sieht als eine behelfsmäßige Möglichkeit, die eben das uns aufgezwungene Besatzungsrecht läßt, — bedarf eine solche Erklärung der Form des Gesetzes? Meine Meinung ist, daß die Maßnahme, um die es sich jetzt handelt, in keiner Weise in den Rahmen des Artikel 59 Absatz 2 paßt. Ich bin der Meinung, daß eine Reihe von rechtlichen Gründen dieses Ergebnis durchaus unterstützt. Dazu ist es notwendig, die Dinge nüchtern rechtlich zu werten.
Die. erste Frage, die ich aufwerfe, lautet: Fällt das, was geschehen soll, was noch nicht geschehen ist, der Beitritt zum Ruhrstatut, in das eigentliche Völkerrecht,
in das Völkerrecht in der Überlieferung, wie wir es verstehen und wie es nach meiner Überzeugung der Artikel 59 im Auge hat?
Völkerrecht ist das Recht, das durch die Übereinstimmung koordinierter, souveräner Staaten geschaffen ist. In unserem Fall handelt es sich nicht um Völkerrecht, sondern — das ist eine bittere Feststellung, aber so ist es — um das Besatzungsrecht,
ein Recht, erwachsen aus der einseitigen Tatsache
der noch bestehenden Besetzung. Die Besetzung
ist eine völkerrechtliche Tatsache, aber sie stellt e doch nicht selber Völkerrecht dar.
Das ist das typische droit interméditaire, ein System einseitiger Regelung. Das ist doch das Entscheidende. Völkerrecht, das wir anerkennen, muß unsere Zustimmung haben.
— Nein, die gebe ich nicht.
Ich sage: jedenfalls ist dieses Besatzungsrecht kein Völkerrecht im Sinne der Bestimmung des Artikel 59 des Grundgesetzes.
Der erste Einwand ist: es ist kein Völkerrecht. Der zweite Einwand ist: bei dem Beitritt zum Ruhrstatut handelt es sich nicht um einen Staatsakt, sondern um einen ganz spezifischen Regierungsakt. So ist es auch im Ruhrstatut ausgesprochen. Der Artikel 31 spricht von der „deutschen Regierung". Es liegt mir vollkommen fern, Herr Abgeordneter Arndt, aus dem Besatzungsstatut Rechte für unseren Standpunkt herzuleiten. Ich weise den Vorwurf, die Bundesregierung würde ihre Zuflucht zum Besatzungsstatut suchen, nachdrücklich zurück.
Das ist keine würdige Art der politischen Auseinandersetzung.
Wir fragen lediglich, was rechtlich richtig ist. Ich diskutiere gern mit Ihnen, Herr Kollege Dr. Schmid. Aber haben Sie es wirklich nötig, uns durch den Herrn Kollegen Arndt in dieser sehr wenig vornehmen Art attackieren zu lassen?
Ich sage: in Artikel 31 ist von der „deutschen Regierung" die Rede, im Gegensatz zu Artikel 2 des Ruhrstatuts, in dem von „Deutschland" die Rede ist, das Mitglied des Ruhrausschusses ist. Man kann daraus Folgerungen ziehen. Ich tue es nicht zwingend. Aber es ist nach meiner Meinung immerhin ein Indiz dafür, worum es sich handelt. — Das sind nämlich wohlbekannte Begriffe, auf die es hier ankommt, die es nicht nur in unserer Rechtsvorstellung, sondern in der Rechtspraxis aller Völker gibt. Der Unterschied zwischen Staatsabkommen einerseits und Regierungsabkommen andererseits ist in der Praxis aller Staaten geläufig. Die Intergouvernementalabkommen sind solche, die nicht den Weg über das Parlament, über die gesetzgebenden Körperschaften gehen, sondern die von den Regierungen abgeschlossen werden. Typisch ist die Entwicklung dieser Exekutivabkommen gerade in Amerika, dessen Verfassung in dieser Hinsicht besonders strenge Regeln aufstellt und das trotzdem oder vielleicht auch aus der Notwendigkeit der leichteren Behandlung dieser Dinge zu dieser Form der Exekutivabkommen gekommen ist.
Ich bin der Meinung, daß den Verfassern des Ruhrstatuts dieser Unterschied vor Augen stand. Das Ruhrstatut ist derartig mangelhaft redigiert,
daß der Inhalt der Mangelhaftigkeit der Redaktion durchaus entspricht. Sie haben keinen Anlaß, sich besonders darauf zu stützen. Ich bin aber der Meinung, daß der Artikel 31 das Richtige trifft.
Die staatliche Verpflichtung ist nämlich schon in Artikel 2 des Abkommens ausgedrückt.
— Ich habe Ihnen eben dargelegt, daß das auf Grund des Besatzungsrechts eine bittere Tatsache ist.
— Das ist die Frage, Herr Abgeordneter Schmid. Ich gönne Ihnen den Genuß Ihrer Oppositionshaltung. Es wäre sehr schön, wenn ich vielleicht Ihre Situation teilen
und unbeschwert von Verantwortung einen Kampf beginnen könnte, einen Don-QuijoteKampf, Herr Kollege Schmid!
Die Regierung steht in einer harten Verantwortung vor dem deutschen Volk
und kann es sich nicht leisten, Abenteuer, auch nicht juristische Abenteuer zu beginnen.
Sie können über unsere Bindung durch das Besatzungsrecht, wenn Sie die Dinge nüchtern betrachten, nicht hinwegkommen. Damit bindet uns auch der Artikel 2 des Ruhrstatuts. Damit ist die Konsequenz, daß wir Mitglied des Ruhrausschusses sind, schon ausgesprochen, ohne unseren Willen, ohne daß wir darauf Einfluß haben.
Ganz anders der Artikel 31 des Ruhrstatuts. Es ist ein typisches Regierungsabkommen. Im Artikel 31 handelt es sich doch nur darum, daß die Regierung verwaltungsmäßig sich der schon entstandenen Pflichten annimmt. So ist die Sachlage.
Der Herr Abgeordnete Arndt hat sich über meine Argumentation, daß dieser Beitritt zum Ruhrstatut nach Artikel 31 keinen Vertrag dar- stelle, etwas mokiert. Ich glaube, daß dieses Argument nicht von der Hand gewiesen werden kann. Ein Vertrag ist ein zweiseitiger Akt. Es ist eine etwas nüchterne juristische Erwägung, meine Damen und Herren, die ich Ihnen zumuten muß, um die man aber nicht herumkommt. Ein Vertrag liegt nur vor, wenn ein zweiseitiger Akt gegeben ist, der seine Rechtswirkung durch die beiderseitige Willensübereinstimmung hervorruft. Er kann nur stattfinden zwischen Partnern, die auf dem gleichen Rechtsboden miteinander in Beziehung treten und nur, wenn er beide Partner in gleicher Weise bindet. Ich stelle mir vor, daß der Tag kommen wird, an dem die Unterhändler unseres Staates und anderer Staaten, sagen wir am Quai d'Orsay oder in Downing Street oder im Weißen Haus gleichberechtigt zusammenkommen und frei einen Vertrag schließen. Ich kann in der Szene am Petersberg, wo die Hohen Kommissare mit dem Herrn Bundeskanzler verhandeln, diese gleiche Ebene nicht sehen. Keine der Voraussetzungen, die einen Vertrag ausmachen, ist , im Falle des Beitritts zum Ruhrabkommen gegeben. Es liegt kein zweiseitiger Akt vor, sondern es ist eine einseitige Erklärung, die die deutsche Regierung abgibt. Sie macht damit — das scheint mir das Entscheidende zu sein — lediglich von einer Möglichkeit Gebrauch, die nicht vertraglich vereinbart, sondern die durch Besatzungsrecht einseitig geschaffen ist. Wo will man da von einem Vertrag sprechen?
Es scheint mir auch für Deutschland bedeutsam — auch hier halte ich meinen Standpunkt trotz der Ausführungen des Herrn Dr. Arndt aufrecht —: diese Erklärung, die die Regierung abzugeben haben wird, erzeugt durch sich selbst keinerlei neue Rechtswirkung. Man braucht nur die Texte genau zu lesen, um zu einem richtigen Ergebnis zu kommen.
Ich habe schon gesagt: die Verpflichtungen Deutschlands aus dem Ruhrstatut sind unabhängig von Deutschland bereits bindend begründet. Das Ruhrstatut bedarf keiner Anerkennung, keiner Unterzeichnung von deutscher Seite mehr.
— Ich kann nur sagen: Weil wir von einer Chance, die uns geboten ist, Gebrauch machen. Wenn Sie den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers etwas wohlwollender gelauscht hätten, hätten Sie erkannt, warum wir es tun wollen.
Das Ruhrstatut ist uns durch Artikel 2 auferlegt
worden. Ich habe — und daran ist
worden. Ich habe schon gesagt —und daran ist
nicht zu deuteln —: Wir sind Mitglieder. Das Besatzungsstatut hat überdies zusätzlich noch einmal auch in Artikel 2b diese Tatsache bestätigt. Man kann heroisch, Herr Abgeordneter Schmid, das Besatzungsstatut als nicht bestehend bezeichnen.
Die Regierung muß der Lage realpolitisch Rechnung tragen.
Ich sage: die Bundesregierung kann durch nichts, durch kein Handeln und durch kein Unterlassen an dieser Rechtslage etwas ändern. Die Erklärung, die sie nach Artikel 31 des Ruhrstatuts abgeben will, vermehrt in keiner Weise die rechtliche Verpflichtung Deutschlands.
Nun ist es ja aber auch so, daß durch diesen Beitritt nicht einmal zusätzliche Rechte Deutschlands entstehen, wenn man die Dinge genau prüft.
Das Recht, stimmberechtigte Mitglieder zu entsenden, ist nämlich nicht etwa die Folge
- hören Sie einmal zu, damit Sie es verstehen! — des Beitritts. Es ist, richtig gesagt, nicht die Vertragsfolge; denn dadurch, daß wir beitreten, er- halten wir keinen Anspruch darauf, daß wir stimmberechtigte Vertreter entsenden können. Um in den Genuß dieses Rechtes zu kommen, bedarf es vielmehr, wie Artikel 9c des Ruhrstatuts ausdrücklich sagt, wieder einer einseitigen Erklärung der Besatzungsmächte. Also die Folge unseres Beitritts ist nicht automatisch unser Stimmrecht, sondern dazu muß erst wieder eine einseitige Erklärung der Besatzungsmächte erfolgen.
Ich kann Ihnen, damit es Ihnen klar wird, nur sagen, daß alle Voraussetzungen für die Annahme, in diesem Akt liege ein Vertrag, unrichtig sind.
Es fehlt vollkommen an der rechtlichen Gleichordnung der Partner. Die Erklärung, die wir abgeben, ist nicht eine vertragliche Rechtsgestaltung unter gleicher Beteiligung von Partnern. Noch einmal gesagt: Deutschland nimmt nur eine Chance, eine Möglichkeit wahr, die bereits als einseitige Regelung, als Teil des Besatzungsrechtes, vorgesehen ist und die ganz unabhängig von unserem Beitritt ihre Wirksamkeit hat.
Ich bin der Meinung: keinesfalls hat dieser Beitritt die Wirkung einer gleichmäßig bindenden Regelung. Das könnte man an vielen Einzelheiten dartun.
Der Beitritt hat in keiner Weise Vertragscharakter. Er ist vielmehr ein ganz abweichendes Rechtsgebilde, ein Rechtsgebilde der einseitigen Wahrnehmung einer Rechtsmöglichkeit innerhalb einer einseitig durch Besatzungsrecht geschaffenen Regelung. Wir bleiben überall — diese Erkenntnis ist vor allem dem Kollegen Dr. Arndt bei seinen Ausführungen entgangen — im Rahmen des bestehenden, einseitig konstituierten Besatzungsrechts, und alles fügt sich in diesen Rahmen ein.
Man muß sich diesen eigentümlichen Rechtscharakter des Beitritts einmal klarmachen. Ich darf Ihnen eine Parallele aus einem andern Rechtsgebiet geben. Unser Beitritt ist nicht das, was ein zivilrechtlicher Vertrag, sagen wir, ein Kaufvertrag wäre. Es ist nicht so, daß wir eine Verkaufserklärung abgeben. Wenn man einen Parallelfall aus einem anderen Rechtsgebiet heranziehen will, so muß man sagen: wir stehen nicht dem Manne gleich, der eine Sache verkauft, sondern wir stünden dem Manne gleich, der einer Enteignung unterzogen wird und der nun von der Möglichkeit Gebrauch macht, die Höhe der Entschädigung durch Vereinbarung zu beeinflussen.
So ist die Situation, und aus dieser Vorstellung heraus erkennen Sie die Unmöglichkeit der Annahme, daß es sich hier um einen völkerrechtlichen Vertrag im Sinne des Artikel 59 Absatz 2 handele.
Ich weiß nicht, ob meine Erwägung so unrichtig ist, wie sie der Kollege Herr Dr. Arndt hingestellt hat, der gesagt hat, dieser Vorgang sei würdig, ihm diese solenne Form des Artikel 59 Absatz 2 des Grundgesetzes zukommen zu lassen. Ich bin der Meinung, daß das nicht in den Willen und auch gar nicht in die Systematik des Artikel 59 Absatz 2 hineinfällt. Es würde dadurch wirklich einer einfachen Erklärung, die die Bundesregierung im Rahmen des bestehenden Besatzungsrechts nach politischen Zweckmäßigkeitserwägungen abgeben muß, das sehr unangenehme Gewicht eines feierlichen Gesetzesvorganges gegeben werden. Meine Damen und Herren, ich sage noch einmal: Die Bundesregierung hat in keiner Weise die Absicht, dem Gesetzgebungsverfahren Dinge zu entziehen, die ihm verfassungsmäßig zugehören. Im Gegenteil, sie ist gewillt, Wortlaut und Geist des Grundgesetzes peinlichst genau zu beachten. Gerade aus diesem Grunde ist sie doch genötigt, Ihnen die Bedenken, die gegen die Anwendung des Artikel 59 Absatz 2 sprechen, darzulegen.
Ganz kurz ein Wort zu der Anwendung des Artikel 24 des Grundgesetzes, wonach der Bund gesetzliche Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen nur durch Gesetz übertragen kann! Ich bin der Meinung, daß auch hierüber ernstlich kein Wort zu verlieren ist. Übertragen kann man nur etwas, was der andere noch nicht hat. Ich brauche bloß einen Blick auf Artikel 2 des Ruhrstatuts zu werfen, um zu erkennen, daß die Signatarmächte schon jetzt alle im Ruhrstatut bezeichneten Rechte haben. Also wenn die deutsche Regierung den Weg des Artikel 24 einschlagen wollte, müßte sie die Rechtsverbindlichkeit des Ruhrstatuts und des Besatzungsstatuts überhaupt leugnen, müßte sie mit dem Kopf gegen die Wand rennen. So liegen die Dinge.
Ich glaube, daß das Verfahren, das die Bundesregierung einschlägt, das richtige ist. Es handelt sich nicht um eine statische Regelung, die durch Gesetz ein- für allemal festgelegt werden könnte und sollte. Das ist auch nicht bei dem Beitritt zum Ruhrstatut gewollt. Es handelt sich um den Teil eines dynamischen Prozesses einer in allseitigem Einverständnis fortschreitenden politischen Entwicklung.
Dieser Beitritt ist nicht Grundstein eines Gebäudes, sondern er ist Meilenstein eines Weges, an dessen Ende, so hoffen wir, eine Gestaltung der Dinge steht, in der Deutschland ein verantwortungsvoller gleichberechtigter Partner zum Wohl unseres Volkes und Europas ist.