Rede von
Walter
Fisch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren, das deutsche Volk hat ein Recht darauf, daß die Karten offen auf den Tisch gelegt werden. Meine Fraktion verlangt deswegen die unverzügliche Veröffentlichung des genauen Wortlauts der Noten, die der Herr Bundeskanzler am 1. und am 7. November an die Hohe Kommission gesandt hat. Meine Fraktion verlangt zweitens die Veröffentlichung des Textes jenes Memorandums der Vereinigten Stahlwerke, dem der Herr Bundeskanzler durch die Absendung an die Hohen Kommissare einen amtlichen Charakter erteilt hat. Drittens verlangt meine Fraktion, das Ersuchen an die Hohe Kommission und insbesondere an den amerikanischen Hohen Kommissar zu richten, daß der genaue Wortlaut jener Andeutungen und Erklärungen veröffentlicht werde, die gewisse amerikanische Militärs und Zivilisten vor einigen Tagen in Bonn über die notwendige Errichtung einer
deutschen Armee gemacht haben,
jener Erklärungen, die von dem Präsidenten der Vereinigten Staaten weder zurückgewiesen noch auch nur dementiert worden sind. Ich erlaube mir, dem Herrn Präsidenten einen entsprechenden formellen Antrag zu überreichen, in dem diese Forderungen meiner Fraktion niedergelegt sind.
Die „Erfolge", von denen der Herr Bundeskanzler sprach, werden sich bei näherem Zusehen als eine böse Sache entpuppen. Gewiß, es stimmt, das Tausende von Arbeitern, denen jetzt für den Augenblick die restlose Demontage ihrer Werke erspart worden ist, sich gestern abend gefreut haben oder heute noch freuen.
Es wird aber, meine Damen und Herren, eine kurze Freude sein. Den Vergleich mit der Weihnachtsfreude, der hier angestellt wurde, möchte ich erweitern und sagen: nach den Feiern an Weihnachten kommen gewöhnlich die Rechnungen nach Sylvester.
Ich möchte heute noch keine Prophezeiungen über jene Rechnungen machen, die uns dann präsentiert werden und die eingelöst werden müssen.
Man spricht von der Teilnahme an internationalen Organisationen. Sind bei diesen internationalen Organisationen nicht auch die OEEC, der Atlantikpakt und der Europarat gemeint? Handelt es sich bei diesen Institutionen nicht ebenso um Systeme, die, um mit den Worten des Herrn Bundeskanzlers zu sprechen, bereits bestehen, auf deren Zweck und Inhalt wir keinerlei Einfluß nehmen können, sondern denen sich der Herr Bundeskanzler einfach anschließen möchte? Das bedeutet eine Unterwerfung unter den Inhalt und die Absichten dieser westlichen internationalen Organisationen und damit die Verstrickung des deutschen Volkes in alle die kriegerischen und imperialistischen Pläne, aus denen diese Institutionen entstanden sind.
Es wurde von konsularischen und Handelsvertretungen gesprochen. Aber es heißt im Text der sogenannten „Abmachungen", es gehe hier um Beziehungen zu Ländern, „mit denen derartige Be-
ziehungen als vorteilhaft erscheinen". Ich möchte fragen, w e m vorteilhaft erscheinen?
Herrn McCloy, den amerikanischen Trustherren oder dem deutschen Volk? Ich habe nichts davon gehört, daß mit dieser großzügigen Erlaubnis die Aufhebung der Handelsschranken für die westdeutsche Bundesrepublik verbunden ist. Ich habe nichts davon gehört, daß damit die Anerkennung der deutschen Souveränitätsrechte verbunden ist oder die Freiheit, mit allen Ländern auch im Osten Handels- und politische Verträge abzuschließen.
Es wurde von dem großen '„Erfolg" gesprochen, den die Lockerung der Vorschriften in bezug auf den Schiffsbau bedeute. Ich glaube, in Hamburg wird dem Herrn Bundeskanzler jeder Reeder darauf Antwort geben können, daß Schiffe im Bereich der genannten Tonnage kaum mehr als Schrottwert besitzen und daß sie in der internationalen Konkurrenz nicht bestehen können.
Gerade darum ist diese Vorschrift einer der krassesten Ausdrücke der Konkurrenzinteressen der britischen und amerikanischen Schiffahrtsgesellschaften "und Schiffsbaukonzerne.
Wenn schließlich von der Dekartellisierung gesprochen wird — Herr Bundeskanzler, halten Sie es mit der Verpflichtung zur Dekartellisierung für vereinbar, wenn gerade in diesen Tagen einer der größten Konzerne, die Vereinigten Stahlwerke, erklären läßt, daß er gedenkt, sein Aktienkapital um 300 Millionen DM zu erhöhen?
Schließlich zur Frage der Demontage! Ich weiß nicht, ob die vorhin vom Herrn Bundeskanzler verlesene Nachricht einer amerikanischen Agentur den Sachverhalt wiedergibt. Mag es sein, wie es will, mag es eine jener berühmten Fälschungen sein, die schon so oft an kritischen Punkten der Geschichte ganz zufällig ins Haus flatterten, oder mag es auf Tatsache beruhen, daß der Vorsitzende des DGB eine dem Sinn nach so lautende Erklärung abgegeben hat, das eine steht im einen und im andern Falle fest: daß diese Meinung nicht entspricht der Meinung der über 5 Millionen gewerkschaftlich organisierten Arbeiter, Angestellten und Beamten.
Es sind in dem Dokument, das uns vorgelegt wird, einige Betriebe aufgeführt; aber mir scheinen einige wesentliche Punkte vom Herrn Bundeskanzler nicht erwähnt zu sein. Die lebenswichtigsten Anlagen dieser Betriebe sind bereits weggeholt, zerstört und sollen nicht mehr zurückkommen. Die wichtigsten Anlagen sind bereits herausgenommen oder, wo man auf besonders wichtige Objekte Wert legt, wie bei der synthetischen Ammoniakherstellung, bei der Methanolproduktion in Ludwigshafen und Oppau, sind sie ausdrücklich vom Demontagestop ausgenommen. Ist es vielleicht ein Zufall, daß mit Ausnahme der beiden Betriebe Oppau und Borsig-Berlin sämtliche von der Demontageliste gestrichenen Betriebe im Bereich der Ruhrbehörde liegen?
Kommt hier nicht zum Ausdruck, welche Absichten das amerikanische Großkapital mit jenen Betrieben hat, die es so großzügigerweise auf einmal hier im Lande belassen will?
Das Wesentliche an dieser Regelung ist: man hat einen Schritt zurückgehen müssen, gewiß, aber darum in erster Linie, weil man den Druck des Volkes gespürt hat,
weil man plötzlich Angst bekommen hat vor den
Streiks der Arbeiter, vor den Weigerungen der De-
montagefirmen, vor der Erbitterung der Kaufleute
und kleinen Unternehmer. Darum in erster Linie
die Zugeständnisse, die der Herr Bundeskanzler
heute seinen eigenen Verdiensten zubuchen möchte.
Schließlich: ein gewisses amerikanisches Kapital ist daran interessiert, daß bestimmte Betriebe im Westen Deutschlands stehenbleiben, und wir werden bald erleben, wie sich das Interesse des anlagehungrigen ausländischen Investionskapitals gerade auf diese Objekte konzentrieren wird, die man jetzt hat stehenlassen.
Und als letztes: man denkt, daß diese Betriebe in dem großen Plan der Remilitarisierung Westdeutschlands auch noch eine Rolle spielen könnten. Darum will man Watenstedt-Salzgitter demontieren. Das ist eine strategische Demontage,
weil man glaubt, daß ein Betrieb, der gar zu nahe an der Zonengrenze liegt und dazu noch nicht der Ruhrbehörde unterstellt ist, für die amerikanischen Monopolisten ohne Interesse ist.
Meine Damen und Herren! Die Arbeiter werden sich mit den jetzigen Resultaten nicht zufrieden geben. Sie werden den Widerstand fortsetzen, nicht nur um der Erhaltung ihres Arbeitsplatzes willen, sondern auch gegen das Eindringen des fremden Kapitals, weil sie wissen, daß mit diesem Eindringen das Diktat über die Löhne, das Diktat über eine schonungslose Rationalisierung auf Kosten der Lebenshaltung und der Gesundheit der arbeitenden Menschen verbunden ist, und weil sie wissen, daß sie mit der Zustimmung zu einer solchen Regelung eine Zukunft im Kulidasein unterschreiben würden.
Der Herr Bundeskanzler hat es verstanden, seine Gegenleistungen in ein sonderbares Licht zu stellen. Ich möchte mich nicht auf jene juristischen Sophistereien einlassen, ob nun die Bereitschaft zum Beitritt zum Ruhrstatut etwas anderes sei als der bereits vollzogene Beitritt. Mir scheint die vollzogene Unterschrift des Herrn Bundeskanzlers vom 22. November der entscheidende Tatbestand zu sein. Durch diese Unterschrift wird der wesentlichste Teil unserer Wirtschaft aus dem deutschen Wirtschaftskörper herausgerissen. Durch diese Unterschrift wird ein Freipaß ausgestellt
für jene ausländischen Monopolherren, die die Kontrolle über Stahl, Eisen und Kohle auszuüben wünschen
und gleichzeitig das Diktat über die Preis- und Handelsbedingungen nicht nur dieser Produktionszweige, sondern aller anderen Produktionszweige führen wollen, die von ihnen abhängen.
Der Herr Bundeskanzler hatte einmal eine Vorstellung davon, was dieses Ruhrstatut bedeutet. Ich
kann mich auch durch seine heutige Erklärung nicht vom Gegenteil überzeugen lassen, weil er damals, als er die Rede im Landtag von Nordrhein-Westfalen hielt, auf den guten Geist bei der Durchführung dieses Abkommens gehofft hat. Herr Bundeskanzler, wenn man einmal gesagt hat, es handle sich um eine „wirtschaftliche Annexion — und solche wirtschaftlichen Annexionen sind unendlich viel schlimmer als politische Annexionen —", dann weiß man, daß hier Fakten geschaffen werden, bei deren Durchführung es nicht darauf ankommt, ob irgendeiner noch den Weihrauch dazu spendet. Herr Bundeskanzler, Sie haben damals, als Sie noch ein einfacher Abgeordneter waren, erklärt: dieses Londoner Abkommen ist auch völkerrechtlich völlig unmöglich.