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ID0101805200

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 18. Sitzung. Bonn, den 24. und 25. November 1949 449 18.. Sitzung Bonn, 24. und 25. November 1949. Geschäftliche Mitteilungen 449C, 464D, 485C, 527C Interpellation der Abg. Euler, Dr. Preusker, Dr. Becker, Dr. Dr. Nöll von der Nahmer u. Gen. betr. Abschluß der Entnazifizierung (Drucksache Nr. 172) 449D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Personen (Drucksache Nr. 175) . . 449D Dr. Heinemann, Bundesminister des Innern . . . . . . . . . 449D, 467D Strauss (CSU) . . . . . . 451D, 472A B) Dr. Menzel (SPD) . . . 455B, 469A, 471C Gundelach (KPD) 460C Pannenbecker (Z) 461B, 471C Dr. Nowack (FDP) 461D Farke (DP) 464D Donhauser (BP) 465B Dr. Miessner (NR) 466D Mensing (CDU) 467C Dr. Becker (FDP) 468D Dr. Leuchtgens (NR) 470B Kaiser, Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen 471A Unterbrechung der Sitzung . 472B Erklärung der Bundesregierung . . 449D, 472B Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . . 472B, 501A, 510D, 524A Unterbrechung der Sitzung . . 476D Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung 477A Dr. Arndt (SPD) . . . . . 477A, 484C Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 481A Dr. Baade (SPD) 485C Kiesinger (CDU) 491B Gockeln (CDU) 496C Dr. Schäfer (FDP) 497D Loritz (WAV) 502B, 511C Dr. von Merkatz (DP) 502D Dr. Baumgartner (BP) . 505A Fisch (KPD) 506B Frau Wessel (Z) 516C Dr. Richter (NR) . . . . . . . 518A 1 Ollenhauer (SPD) 521B Unterbrechung der Sitzung . . 525C Bausch (CDU) 526A Euler (FDP) 526D Abstimmungen . . . . . . .. . . 526B Nächste Sitzung 527C Die Sitzung wird um 10 Uhr 20 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Dr. Adolf Arndt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im Wesen der Sache eines jeden politischen Aktes liegt es, daß er ein psychologisches Potential ist. Damit hat der Herr Bundeskanzler uns wahrhaftig nichts Neues gesagt, und diese Erkenntnis enthebt uns nicht der Mühe, diesen Akt auf seine politische Bedeutung und seine rechtliche Tragweite zu untersuchen.
    Wären die Abmachungen d e r große Erfolg, und wäre der Beitritt Deutschlands zum Ruhrstatut „nichts als ein psychologischer Akt", warum hat dann der Herr Bundeskanzler sich so gequält, mit advokatorischen Argumenten nachzuweisen, daß es irgendeiner Mitwirkung der gesetzgebenden Körperschaften in keiner Weise bedürfe? Glauben Sie, Herr Dr. Adenauer, daß ein rein psychologischer Akt wirksamer vorgenommen wird, wenn Sie allein ihn vollziehen, statt daß die gesamte frei gewählte Volksvertretung ihn sich zu eigen macht? Das sind nicht die Gründe, die hinter Ihrer Argumentation stehen, daß es eines Aktes der Volksvertretung nicht bedürfe. In Wahrheit — erlauben Sie mir bitte bei dem Ernst der Stunde dies in aller Trockenheit zu sagen — handelt es sich um nichts anderes als um ein neues Glied in der Kette der Versuche der permanenten Ausschaltung des Parlaments,

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    des Unterfangens, Verfassungskämpfe durch autoritären Handstreich zu gewinnen.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Man kann die Argumentation des Herrn Bundeskanzlers, daß kein gesetzgeberischer Akt notwendig sei, in drei Gründe zusammenfassen; erstens: wir hätten noch gar keine Hoheitsrechte im Sinne des Artikels 24 des Grundgesetzes, und deshalb sei deren Übertragung auch gar nicht möglich und überhaupt nicht vorstellbar; zweitens: die Ermächtigung für die Bundesregierung zum Beitritt zum Ruhrstatut sei ja im Ruhrstatut selbst enthalten, daher sei Artikel 59 auch unanwendbar, denn es handle sich nur um eine Maßnahme im Rahmen bestehenden Besatzungsrechts; drittens: dieser Vertrag, dieses Abkommen, das da auf dem Petersberg geschlossen ist, sei gar kein Vertrag; denn insbesondere der Beitritt zum Ruhrstatut begründe keine neuen Pflichten, er gebe allenfalls ein neues wertvolles Recht.
    Die Bundesregierung nimmt also ihre Zuflucht zum. Besatzungsrecht und behandelt das Besatzungsrecht als eine Art Ermächtigungsgesetz ohne Ermächtigung.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Denn es gibt keine Möglichkeit der Ableitung von l Befugnissen der Bundesregierung aus dem Besatzungsrecht. Die Bundesregierung verkörpert für den Teil der Exekutive eigenständige deutsche Staatsgewalt. Daran möchte ich von vornherein keinerlei Irrtum aufkommen lassen.
    Soeben erst hat der Staatsrechtler in Münster, der Professor Friedrich Klein, sich gerade insoweit mit dem Besatzungsstatut auseinandergesetzt und hat zu diesen Fragen unter Berufung auf den Freiburger Staatsrechtler Greve und auch auf meine Wenigkeit ausgeführt — der Herr Präsident möge mir erlauben, daß ich die entscheidenden Sätze hier dem Hohen Hause zur Kenntnis bringe —:
    Die Besatzungsmächte haben der deutschen verfassunggebenden Gewalt die Möglichkeit gegeben, in dem frei gewordenen Bereich eine eigenständige, von deutschen Organen auszuübende Staatsgewalt zu organisieren. Es ist daher deutsche Staatsgewalt, nicht delegierte Besatzungsgewalt, die von den Bundesorganen wahrgenommen wird. Diese Auffassung entspricht dem Wesen des Besatzungsstatuts als einer Art ideeller oder juristischer Räumung Deutschlands, durch die sich die autoritär von oben ausgeübte Besatzungsgewalt insoweit zurückzieht und der demokratisch von unten wachsenden deutschen Staatsgewalt Raum gibt. Sie wird durch den Wortlaut des Besatzungsstatuts gedeckt, das in Ziffer 1 Satz 2 sagt: „Abgesehen von den in diesem Statut enthaltenen Beschränkungen besitzen der Bund und die ihm angehörenden Länder volle gesetzgebende, vollziehende und richterliche Gewalt gemäß dem Grundgesetz und ihren Verfassungen." Während die von den Bundesorganen wahrzunehmende Gewalt nach dem Frankfurter Dokument Nr. 3 nur delegierte Besatzungsgewalt hätte sein können, ist sie nach dem Besatzungsstatut eigenständige deutsche Staatsgewalt.
    — Soweit der Staatsrechtler Klein.
    Aber nun der Standpunkt des Herrn Bundeskanzlers, das Ruhrstatut ermächtige ja die Bundesregierung zum Beitritt. Artikel 31 sagt allerdings in der schlechten Übersetzung: „sobald eine deutsche Regierung errichtet worden ist, kann sie dem vorliegenden Abkommen durch Unterzeichnung einer Erklärung beitreten". Nun, mit dem Übersetzen hat man manchmal Pech. Auch die Bundesregierung hat mit dem Übersetzen ihres Dokuments, das sie uns heute vorgelegt hat, solches Pech gehabt. Ich hoffe, es wird nicht an allzuvielen Stellen sein; aber eine Stelle ist immerhin bezeichnend. In der deutschen Übersetzung heißt es, daß die Bundesregierung bemüht sein werde, den Aufbau der Regierung freiheitlich zu gestalten. Im französischen Text heißt es „une structure plus libérale" und im Englischen „to liberalise"; also es wird von der Bundesregierung erwartet, daß sie sich bemüht, mehr freiheitlich zu regieren, als sie es bisher getan hat.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    So ist es auch hier bei dieser Obersetzung des Ruhrstatuts. Man kann keinesfalls das Wort „Regierung" mit „Bundesregierung" gleich „Kabinett" übersetzen. Denn „Gouvernment Allemand", „German Government" im Sprachgebrauch ist zwar auch im Ruhrstatut schwankend


    (Dr. Arndt)

    und mag vielleicht an einigen Stellen wirklich nur mit „Kabinett" übersetzt werden können, grundsätzlich aber umschließen die Worte „gouvernment" und „government" auch die Legislative und tun das auch im Ruhrstatut.

    (Zurufe in der Mitte.)

    — Das werde ich Ihnen gleich noch näher darlegen. Sie brauchen zum Beispiel, um die Terminologie zu unterscheiden, sich nur einmal mit der französischen Verfassung vom 13. Oktober 1946 auseinanderzusetzen, wo „Regierung" im Sinne von „Kabinett` als „conseil" bezeichnet wird ; dagegen „gouvernment" ist die Staatsgewalt, so daß auch dort im Artikel 2 gesagt wird: gouvernment du peuple pour le peuple et par le peuple. Das ist der Ausdruck „gouvernment". Ich kann auch hinweisen auf das Schreiben der Kommissare vom 21. September 1949 über -das Inkrafttreten des Besatzungsstatuts. Da ist ja authentisch interpretiert, wann in Deutschland „government" oder „gouvernment" vorhanden ist, nämlich, wie es in dem Schreiben vom 21. September 1949 wörtlich heißt: „Mit der Einberufung der im Grundgesetz vorgesehenen gesetzgebenden Körperschaften und mit der Wahl des Präsidenten und der Wahl und Ernennung des Kanzlers und der Bundesminister ist die Regierung der Bundesrepublik Deutschland errichtet," „German Government is established". Das ist die Definition, wie sie von den Kommissaren selbst in ihrem authentischen Schreiben, mit dem das Inkrafttreten des Besatzungsstatuts begleitet und bekanntgegeben worden ist, gegeben wird. Nicht anders kann es auch im Ruhrstatut ausgelegt werden, zumal Sie im Artikel 15, im Artikel 24 des Ruhrstatuts finden, daß dort ja ausdrücklich von gesetzgeberischen Maßnahmen, von Maßnahmen, die nur durch Gesetz erfolgen, die Rede ist, so daß man also aus diesem Begriff „government" die gesetzgebende Körperschaft niemals ausklammern darf.
    Der Beitritt zum Ruhrstatut erfüllt daher in eindeutiger Weise den Tatbestand des Artikels 24 des Grundgesetzes, in dem es heißt:
    Der Bund kann durch Gesetz Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen
    Dieser Artikel 24 des Grundgesetzes gilt mithin sowohl für das Ruhrstatut als auch für den Europarat, der ja in den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers reichlich zur kurz gekommen ist. Denn wenn man die Ausführungen, die uns heute gemacht worden sind, auf ihre juristische und politische Substanz untersucht, kann man sie doch leider nur so auffassen, daß sich der Herr Bundeskanzler mit der Bundesregierung bedingungslos bereit erklärt hat und daß er bedingungslos den Wunsch geäußert hat, in den Europarat aufgenommen zu werden, und zwar auch dann, wenn es bei der französischen Forderung bleibt oder bleiben sollte, daß das Saarland dort durch den französischen Außenminister oder mit eigenen Stimmen vertreten wird. Ein solcher Eintritt in den Europarat kann aber ebenfalls nur durch Gesetz geschehen; denn nach Artikel 42 c des Londoner Zehn-Mächte-Abkommens vom 5. Mai dieses Jahres wird man am Tage der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde Mitglied des Europarats. Nach dem Artikel 5 b gilt dies auch für assoziierte Mitglieder.
    Man kann auch nicht argumentieren, daß der Eintritt in den Europarat, zu dem die Bundesregierung sich durch dieses Abkommen verpflichtet hat, ja keine Verfügung über die Saar enthalte. Denn hier und heute handelt es sich um mehr als um den Eintritt, weil die Reflexwirkung auf die Saar unter diesen Umständen eine vollendete Tatsache schafft. Eine solche Tatsache verstößt gegen den Vorspruch im Grundgesetz, durch den das deutsche Volk aufgefordert bleibt, die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden, also auch die Einheit! Natürlich dies in allererster Linie seitens der Bundesregierung.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Der Herr Bundeskanzler scheint sehr weit gegangen zu sein und die ausländische Presse besser und früher als uns unterrichtet zu haben; denn ich verweise auf die Bemerkungen in der „New York Times" vom 19. November, daß der Herr Bundeskanzler der Auffassung sei — es muß sich offenbar um offiziöse Gespräche gehandelt haben —, daß der Status der Saar keinen wirklichen Unterschied für Europa mache, wenn die gegenwärtigen Ziele der Westalliierten und der Bundesregierung für die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit, wie sie in den Plänen der OEEC. und des Europarats angedeutet sind, sich entwikkeln würden.

    (Hört! Hört!)

    Diese Ziele des Herrn Bundeskanzlers sind nicht die Ziele der beiden Völker; und daß das, was mein Parteifreund Dr. Schumacher hier vorgetragen hat, mehr den Zielen der beiden Völker entspricht, ist kürzlich erst von dem französischen Staatsmann Leon Blum im „Populaire" vom 19. November bestätigt worden, in dem er sich die tragende Idee, von der hier im Hause die Opposition beseelt ist, zu eigen gemacht hat. Um jedes Mißverständnis noch einmal auszuschließen, wiederhole ich, daß ganz sicherlich für meine sozialdemokratischen Freunde und mich die Verständigung gerade mit Frankreich Herzenssache ist.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Was wir aber wollen, ist die totale Kooperation der Völker, aber nicht nur eine Allianz ihrer herrschenden Klassen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Der Herr Bundeskanzler hat seine heutigen Ausführungen damit eingeleitet, daß er gesagt hat, wir sollten insbesondere nicht vergessen, welch unermeßliches Leid und Elend die nationalsozialistische Gewaltherrschaft — wäre der bessere Ausdruck gewesen, statt „Regierung" — über die Völker der Welt gebracht hat. Meine Damen und Herren, wir vergessen das nicht! Wir vergessen das um so weniger, weil ja auch meine Freunde und ich und weiteste Teile des deutschen Volkes mit zu den Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gehört haben, was auch hierbei nicht vergessen werden darf!

    (Lebhafte Zustimmung bei der SPD.)

    Man sollte uns deshalb nicht Nationalismus vorwerfen, der uns ganz ferne liegt. Was uns beseelt, ist das Gefühl der Gleichwertigkeit, auf dem die sozialistische Internationale und die europäische Arbeiterbewegung von Beginn an seit mehr als einem Jahrhundert beruht.

    (Lebhafter Beifall und Zustimmung bei der SPD.)

    Der Beitritt zum Ruhrstatut kann also nur durch die völkerrechtliche Vertretung des Bundes im Sinne des Artikel 59 Absatz 1 möglich sein, also durch einen Akt des Herrn Bundespräsidenten


    (Dr. Arndt)

    und nur mit der Zustimmung des Bundestags durch Gesetz nach Artikel 59 Absatz 2. Deshalb haben wir dem Hohen Hause den Antrag vorgelegt, der Ihnen als Drucksache vorliegt und auf den ich lediglich verweisen will. Denn es handelt sich keineswegs um einen nur innerstaatlichen Vorgang. Wenn die Westalliierten das Ruhrstatut oder ähnliche Konventionen nicht ratifizieren sollten, so doch deshalb, weil es für sie lediglich Verwaltungsabkommen sind, durch die sie die Art der Ausübung der von ihnen kraft Völkerrechts in Anspruch genommenen Befugnisse regeln. Das sagt ganz eindeutig Artikel 18 des Ruhrstatuts, der von den existing powers, von den pouvoirs actuellement détenus spricht. Die Alliierten regeln also nur intern die Ausübung der Gewalten, der Befugnisse, von denen sie glauben, daß sie sie kraft der Faktizität der Lage durch das Völkerrecht bekommen haben. Dort also sind diese Akte weder rechtsbegründend noch neuverpflichtend. Bei uns dagegen ist es ein konstitutiver rechtsgeschäftlicher Akt, und es liegt genau so, als wenn etwa die Militärgouverneure oder der Kontrollrat früher ein Handelsabkommen für Deutschland mit Schweden abgeschlossen ten. Auch dann hätten die Parlamente der Besatzungsmächte keineswegs dieses Handelsabkommen zu ratifizieren brauchen; aber das hätte die Notwendigkeit für Schweden nicht ausgeschlossen, dort, wenn es nach seinem Staatsrecht geboten ist, diesen Handelsvertrag durch Gesetz zu ratifizieren. Denn die Kommissare sind hier uns gegenüber in dem Fall dieses Abkommens ausländische Macht. Die alliierten Organe haben, wie Klein in seinem eben zitierten Aufsatz sagt, einen Januskopf, indem sie teils deutsche, teils ausländische Staatsgewalt ausüben. Dafür ließe sich eine Fülle von Literatur anführen. Soweit sie aber Kontrolle ausüben oder soweit sie Abkommen mit der Bundesregierung schließen, handeln sie kraft ausländischer Macht. Das ergibt ganz eindeutig die Satzung der Hohen Kommission vom 20. September dieses Jahres, wo es in Artikel I Ziffer 1 heißt, daß diese Kommission zur Ausübung der obersten alliierten Regierungsgewalt in der deutschen Bundesrepublik gebildet wird, der autorité suprême alliée, der allied authority, aber nicht der deutschen, so daß es sich hier um den Umgang und den Abschluß mit ausländischen Mächten handelt.
    Meine Damen und Herren! Ich komme damit zum Kernstück dessen, was der Herr Bundeskanzler uns vorgetragen hat, indem er auszuführen suchte, dieser Vertrag — das blieb immer offen; er sprach einmal vom Gesamtabkommen und einmal nur vom Beitritt zum Ruhrstatut — sei gar kein Vertrag; denn hinsichtlich des Ruhrstatuts bestimme ja Artikel 2: Deutschland „ist" Mitglied. Mithin würden keine neuen Pflichten übernommen oder, wie es in dem Gutachten des Herrn Bundesjustizministers heißt: der Beitritt fügt rechtlich nichts Neues hinzu. Nun, dagegen ist folgendes wohl eindeutig festzustellen.
    Eine solche Auffassung verkennt den fundamentalen Unterschied zwischen einer einseitig oktroyierten Pflicht und einer freiwillig rechtsgeschäftlich übernommenen.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Es ist die klassische Tradition des Völkerrechts, daß man einer Besatzungsmacht Gehorsam, dem Vertragspartner Treue schuldet. In dem Augenblick, in dem wir auch nur durch dieses Abkommen, das uns zum Beitritt verpflichtet — und das
    ist doch der Sinn des Abkommens —, Vertragspartner mit den durch die Hohen Kommissare vertretenen Mächte werden, geht also eine rechtliche Substanzänderung von außerordentlicher Tragweite vor.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Warum, glauben Sie wohl, ist denn der Beitritt vorgesehen? Warum hat man sich nicht damit begnügt, einseitig oktroyiert zu sagen: Deutschland ist Mitglied? Das muß doch einen Sinn haben, daß Deutschland beitreten kann. Und diesen Sinn hat es in der Tat, weil nämlich die Ruhr „behörde", wie sie immer genannt wird, ohne die deutsche Mitarbeit lebensunfähig ist, was sich alsbald erweisen muß, und erst durch die deutsche Mitwirkung — eine freiwillige, eine auf der Treue des Abschlusses beruhende Mitwirkung — virulent werden kann. Das ist eine politische Substanzänderung von ganz unübersehbarer Tragweite.

    (Beifall bei der SPD.)

    Zum Schluß darf ich auch hier noch einmal darauf hinweisen, daß der Beitritt zum Ruhrstatut ja gar nicht isoliert für sich zur Debatte sieht, sondern daß er eine Leistung sein soll, zu der sich der Herr Bundeskanzler kraft Abkommens verpflichtet hat. Das, was hier zu erörtern und zu untersuchen ist, ob es der Ratifizierung durch das Parlament bedarf, ist ja das Gesamtabkommen; denn dieses Abkommen bildet eine Ganzheit und enthält die Beitrittspflicht, wie soeben erst auch der französische Herr Außenminister Schuman in Paris zur gleichen Stunde gesagt hat, der dieses Instrument dahin interpretiert, daß es sich bereits um das deutsche Ersuchen zum Beitritt handelt, das als Gegenleistung für das, was sonst im Abkommen steht, vereinbart ist.
    Nun aber, meine Damen und Herren, stellen Sie sich doch einmal die politische Unmöglichkeit eines Abschlusses vor, durch den man einem Abkommen, einem Statut beitritt, ohne selbst dadurch Signatarmacht zu werden. Der Herr Bundesjustizminister ist gerade auf diesen Punkt in seinem Gutachten eingegangen. Er hat gesagt:
    Insbesondere wird durch den Beitritt keine
    Bindung dahin erzeugt, daß künftige Änderungen des Statuts nur mit Zustimmung
    Deutschlands erfolgen können.
    Das ist ganz außerordentlich! Man verpflichtet sich durch das Abkommen vom Petersberg zum Beitritt zu einem Statut, von dem man weiß, daß man bei diesem Statut nicht Signatarmacht wird und nicht einmal dabei mitzuwirken braucht oder mitwirken darf, wenn dieses Statut geändert wird.
    Zu dieser politischen Unmöglichkeit kommt eine juristische Unglaublichkeit; denn der Herr Bundeskanzler hat gesagt, die Bundesregierung oder Deutschland erwerbe dadurch mehr Rechte, sie habe aber geglaubt, sie könnte von den Bestimmungen des Artikels 59 des Grundgesetzes deshalb Abstand nehmen, weil man nicht auf der Grundlage der Gleichberechtigung, sondern insoweit im Rahmen einer Unterordnung gehandelt habe. In dem Gutachten des Herrn Bundesjustizministers heißt es sehr bemerkenswerterweise: „Ebenso fehlt es an der rechtlichen Gleichordnung der Partner beim Vertragsschluß, die für das Wesen des Vertrags kennzeichnend ist."

    (Lebhafte Rufe von der SPD: Hört! Hört!)

    Meine Damen und Herren, die Argumentation ist
    also folgende: wenn eine Bundesregierung auf


    (Dr. Arndt)

    der Grundlage der Gleichberechtigung verhandelt und abschließt, braucht sie das Parlament; wenn sie es aber an der rechtlichen Gleichordnung fehlen läßt, braucht sie das Parlament nicht.

    (Erneute Rufe von der SPD: Hört! Hört!)

    Ich glaube, daß in diesem Bukett, das man uns da präsentiert hat, ein ganzer Strauß von Unmöglichkeiten ist.
    Ich komme weiterhin zu einem eklatanten Widerspruch, den ich zwischen den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers und dem Gutachten seines Herrn Bundesjustizministers finde. Der Herr Bundeskanzler hat gegen Schluß seiner Ausführungen — etwas emphatisch gefaßt — darauf hingewiesen, daß es sich' hier nahezu um so etwas handle wie um den Frieden, daß eigentlich dem Frieden nur noch — wie sich der Herr Bundeskanzler ausdrückte — technisch-juristische Hemmnisse im Wege stünden. Ich bitte Sie, diese Stelle aus der Rede des Herrn Bundeskanzlers, der, wie ich glaube, in" besonderem Maße der Beifall der Mitte und der Rechten dieses Hohen Hauses gegolten hat, mit einer Ausführung des Herrn Bundesjustizministers in seinem Gutachten zu vergleichen, worin gesagt ist, es würde dadurch - nämlich durch einen gesetzgeberischen Akt - „einer einfachen Erklärung, welche die Bundesregierung im Rahmen des bestehenden Besatzungsrechts nach politischen Zweckmäßigkeitserwägungen abgeben muß, das unangemessene Gewicht eines feierlichen Gesetzes gegeben".

    (Lachen bei der SPD.)

    Ärger kann man sich nicht widersprechen. Der eine sagt: für das, was heute hier geschehen soll und worüber wir hier verhandeln, ist ein Gesetz viel zu feierlich. Und der andere sagt, meine Damen und Herren: in dieser ernsten Stunde hätten wir fast den Frieden, wenn nicht juristisch-technische Hemmnisse entgegenstünden.

    (Zurufe in der Mitte und rechts.)

    — Ich weiß nicht, was Sie mir zurufen; aber ich kann Ihnen eines zurufen: selbst wenn man dieses von Widersprüchen und Unklarheiten strotzende Gutachten des Herrn Bundesjustizministers zugrunde legt, darf man den Satz zitieren: „Er”, nämlich der Beitritt zum Ruhrstatut, „stellt zwar eine in den auswärtigen Beziehungen Deutschlands abzugebende rechtsgeschäftliche, Erklärung dar”.
    Es wäre gut gewesen, wenn sich die Bundesregierung nicht immer auf Artikel 59 Absatz 2 versteift hätte; sie hätte dann nämlich in Artikel 59 Absatz 1 gesehen, daß der Bundespräsident den Bund völkerrechtlich vertritt. Wenn es sich also um die Abgabe einer rechtsgeschäftlichen Erklärung in den auswärtigen Beziehungen Deutschlands handelt, dürfte die Bundesregierung unzuständig und der Herr Bundespräsident das zuständige Organ sein. Und wenn es sich um ein Abkommen handeln würde, in dem man sich zur Abgabe der Erklärung verpflichtet — und in diesem Abkommen stehen ja den Leistungen Gegenleistungen gegenüber —, würde es selbstverständlich der Zustimmung des Parlaments bedürfen.
    Meine Damen und Herren, wenn die Hohen Kommissare Partner akzeptieren, die in solcher Weise mit dem Grundgesetz umgehen, dann erhebt sich die Frage: wie ist das zu vereinbaren mit dem Anspruch, daß die Intervention einer Demokratisierung Deutschlands dienen soll?

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Man wird um so bedenklicher, wenn man in der New York Times vom 17. November liest, daß Mister Sulzberger, der gegenwärtig Europa bereist, ausführt: die Westmächte täten gut daran, der Regierung Adenauer so viele Konzessionen wie notwendig zu machen, damit sie von der Opposition nicht gestürzt werde.

    (Lebhafte Rufe von der SPD: Hört! Hört!) Ich fürchte: die Westalliierten kommen, statt eine europäische Politik zu treiben, dadurch in eine Interessenpolitik hinein, die die Tendenz hat, auch ein autoritäres Regime Adenauer eher zu stützen, als es durch ein demokratisches Regime ablösen zu lassen.


    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Lautes Gelächter bei den Regierungsparteien. — Zuruf in der Mitte: Jetzt brauchen Sie nur noch Adolf zu nennen! — Abg. Dr. Wuermeling: Haben Sie n o c h einen guten Witz?)

    — Ich glaube, daß die Stunde nicht dazu angetan
    ist, soviel Heiterkeit zu zeigen!

    (Zuruf des Abg. Dr. Wuermeling.)

    Ich glaube, daß Ihnen auch nicht so heiter zu Mute ist. Und daß meine Warnungen nicht so ganz unberechtigt sind, mögen Sie daraus ersehen, daß der Herr Vizekanzler die eindeutige Neigung dokumentiert hat, selbst den ERP-Gesetzentwurf durch Verwaltungsakt statt durch das Parlament in Kraft setzen zu lassen, obwohl die Ratifikation in Artikel 15 ausdrücklich vorgeschrieben ist.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Man muß fast befürchten, daß der Herr Bundeskanzler eine Art Winkelried sein will, weil er nämlich selber nicht ganz glaubt, daß sich die deutsche parlamentarische Demokratie sein Vor- haben zu eigen machen könnte. Ja, meine Damen und Herren, es handelt sich hier um eine autoritäre Entscheidung über die Lebensfragen von Millionen

    (lebhafte Zurufe)

    und um die freiwillige Anerkennung eines Akts, der die restliche Großsubstanz der deutschen Wirtschaft einer entscheidenden Einwirkung durch das deutsche Staatsvolk entzieht.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Und es handelt sich darum, daß die territoriale Unversehrtheit Deutschlands mit der an Gewißheit grenzenden Wahrscheinlichkeit einer wesentlichen Einbuße aufs Spiel gesetzt wird.

    (Zurufe in der Mitte: Unerhört! — Unruhe.)

    Was heute hier zur Debatte und zur Abstimmung steht, ist nichts anderes als die Probe dessen, ob das Grundgesetz ein Fetzen Papier ist und ob die Mehrheit ihr Bestreben fortsetzen kann, sich so, wie es schon mehrfach in diesem Hohen Hause geschehen ist, darüber hinwegzusetzen oder ob hier das Grundgesetz geachtet wird.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Wir glaubten, auf dem Wege zu einer parlamentarische Demokratie zu sein, und sehen uns auf dem Wege zu einer Monarchie ohne Konstitution.

    (Lautes Lachen und Zurufe in der Mitte und rechts.)

    — Meine Damen und Herren, ich fürchte, das Lachen wird Ihnen noch vergehen.

    (Sehr wahr! bei der SPD. — Unruhe und Lachen rechts und in der Mitte.)



    (Dr. Arndt)

    Sie dürfen überzeugt sein, daß wir auf dieses Dunkel immer den hellsten Scheinwerfer richten werden, und Sie können überzeugt sein, daß wir dessen eingedenk sind, daß der Herr Bundeskanzler das Grundgesetz, als er hier sein Amt antrat, beschworen hat, und bei Gott, Herr Bundeskanzler, wir werden Sie an diesen Eid zu erinnern wissen!

    (Anhaltender lebhafter Beifall und Händeklatschen links.)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Thomas Dehler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine Damen und Herren! Ich nehme das Wort des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt auf. Ich nehme für mich in Anspruch, daß ich nicht nur heute, nicht nur in dem Amt, das ich jetzt ausfülle, sondern jederzeit mich dem Recht, dem Gesetz und der Verfassung zutiefst verpflichtet habe.

    (Bravo! rechts.)

    Meine bayerischen Freunde wissen es, wie ;ich das getan habe.

    (Lachen bei der KPD.)

    — Das ist kein Grund zum Lachen. Ich habe den Herrn Ministerpräsidenten Dr. Ehard ähnlich wie heute Herr Dr. Arndt an den Eid erinnert, nicht böswillig, sondern auch in einer Situation, in der es darum ging, das Fundament für unsere gemeinsame politische Arbeit zu finden, und ich verarge es dem Herrn Kollegen Arndt in keiner Weise, wenn er in ernstester Art die verfassungsrechtliche Problematik der heutigen Lage aufzeichnet. Die Dinge liegen nicht einfach,

    (Rufe links: Aha!)

    und ich bin ihm dankbar, wenn er darum kämpft, wenn er mit lauteren Mitteln kämpft.
    Er operiert mit einem Gutachten von mir. Ich weiß nicht, was für eine Bewandtnis es damit hat. Ich habe dem Herrn Bundeskanzler, ich will einmal sagen, die Probleme dargestellt, wie ich sie sehe, nicht als ein Gutachten, nicht als etwas Endgültiges und Festes,

    (Rufe links: Aha!)

    sondern als den Versuch, zur Klarheit zu kommen. Ich weiß nicht, woher der Herr Abgeordnete Arndt dieses Gutachten in der Hand hat.

    (Hört! Hört! rechts und in der Mitte.)

    Hier werden fortgesetzt Dinge gestohlen, was einen mit ernster Sorge erfüllt.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Es ist ja nicht der erste Fall,

    (Abg. Dr. Wuermeling: Das ist Ihre Demokratie!)

    daß Dinge, die nicht für andere bestimmt sind,
    plötzlich in der Hand der anderen sich befinden.

    (Sehr richtig! rechts und in der Mitte. Abg. Renner: Die andern sind wir! — Unruhe.)

    Ich weiß es nicht, woher der Herr Kollege Arndt
    jetzt schon die französische und die englische Übersetzung des Abkommens vom 22. November in der Hand hat.

    (Lebhafte Rufe rechts und in der Mitte: Hört! Hört!)

    Das sind merkwürdige Zusammenhänge.
    Ich sage, wir sind bereit, ernstlich diese Frage zu klären und ihr mitnichten irgendwie auszuweichen. Aber wir verwahren uns — und ich glaube,
    ich habe auch das Recht, den Herrn Bundeskanzler N dagegen zu verwahren —, wenn der Herr Kollege Arndt uns vorwirft, wir würden mit advokatorischen Mitteln arbeiten und es gehe uns um einen autoritären Handstreich und was dergleichen Dinge sind. Nein, es geht uns um den ernsten Willen, die Dinge richtig, entsprechend dem Grundgesetz, entsprechend der Verfassung zu behandeln.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Und nicht Parteipolitisch!)

    — Ich glaube, Herr Kollege Wuermeling hat recht; das ist doch das Bittere an dieser Diskussion, die sich entfaltet. Ich sage: die Bedeutung des Rechts ist uns bewußt. Hat der Herr Kollege Arndt wirklich die Tragik dieses Augenblicks erfaßt? Hat er ein Gefühl für den politischen Sinn, hat er ein Empfinden für das, was auf dem Spiele steht?

    (Starker Beifall rechts und in der Mitte.)

    Denkt der Sozialdemokrat Arndt wirklich an den Arbeiter, um dessen Arbeitsstätte es geht?

    (Erneuter lebhafter Beifall rechts und in der Mitte. — Zurufe links.)

    Oder denkt er zunächst nur daran, wie man das Recht benutzen kann, um der Regierung politische Schwierigkeiten zu machen?

    (Sehr gut! rechts.)

    Nun habe ich das Gefühl, die Angriffe des Herrn Arndt gehen in das Leere. Er sagt: autoritärer Handstreich, die Regierung will das Parlament ausschalten! Sie will Dinge, die unter die Zuständigkeit des Parlaments fallen, diesem vorenthalten. Ich glaube, er hat die vom Herrn Bundeskanzler vorgelesene Niederschrift der Abmachungen zwischen ihm und den alliierten Hohen Kommissaren nicht gehört. Auch die Interpretation des französischen Außenministers kann an dem Text dieses Abkommens nichts ändern. Es wird behauptet, mit diesem Abkommen sei schon der Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu dem Ruhrabkommen erklärt. Wie heißt es in Ziffer 2 des Abkommens?
    In der Überzeugung, daß die möglichst enge Mitarbeit Deutschlands zum Wiederaufbau der westeuropäischen Wirtschaft wünschenswert ist, erklärt die Bundesregierung ihre Absicht, der internationalen Ruhrbehörde, in der sie derzeit nur durch einen Beobachter vertreten ist, als Mitglied beizutreten.
    Die Erklärung einer „Absicht" zwischen Beteiligten, die für den Beitritt selbst nicht zuständig sind; denn gegenüber den Hohen Kommissaren kann diese Beitrittserklärung nicht abgegeben werden.

    (Abg. Dr. Greve: Das ist eine Verpflichtung!) — Es ist die Feststellung einer Absicht, Herr Kollege Greve; wo ist von einer Verpflichtung die Rede? Eine Absicht ist zum Ausdruck gekommen. Selbst wenn es richtig wäre, was der Herr Kollege Arndt sagt, daß eine Ratifizierung im Wege der Gesetzgebung durch Bundestag und wohl auch Bundesrat erfolgen müßte, dann wäre das eine cura posterior. Dann müßte das durch einen Gesetzgebungsakt vollzogen werden. Aber der Herr Abgeordnete Dr. Arndt irrt sich grundsätzlich, wenn er sagt, daß dieses Abkommen, in dem lediglich eine Absicht festgelegt werde, schon der Form des Artikel 59 Absatz 2 des Grundgesetzes, also des Vollzuges durch ein Gesetz, bedürfe.

    Nicht anders ist es bei der Frage des Beitritts zum Europarat, wobei ich durchaus die Frage of-


    (Bundesminister Dr. Dehler)

    fenlasse, ob dort nicht das Verfahren nach Artikel 59 erfolgen muß.

    (Abg. Renner: Aha! Das ist schon ein kleines Zugeständnis!)

    - Ich gestehe nichts zu; über die Dinge wollen wir sprechen.
    Wie liegt denn in Wirklichkeit das Problem? Wir wollen einmal die Frage erörtern — wir wollen nicht ausweichen —: Wie ist dieser Beitritt zum Ruhrstatut rechtlich zu qualifizieren? Ist zu diesem Schritt ein gesetzgeberischer Akt erforderlich, oder — das ist die Alternative — handelt es sich lediglich um eine Erklärung der Regierung? Ich bin aus verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichen Gründen der Meinung, daß es der Form des Gesetzes nicht bedarf. Ich möchte meinen, wenn man unbefangen und ohne die Tendenz der angeblich konstruktiven Opposition, grundsätzlich Schwierigkeiten für die Regierung zu machen,

    (Zustimmung in der Mitte und rechts)

    an die Frage herantritt, dann kommt man nicht zu dem Ergebnis des Herrn Kollegen Arndt.
    Was hatten wir im Parlamentarischen Rat vor Augen, als wir diesen Artikel 59. formulierten?

    (Abg. Dr. Schmid: Unter anderem das Ruhrstatut! — Abg. Renner: Sehr gut, Herr Schumacher! Das hat Herr Professor Carlo Schmid selber ausgesprochen.)

    — Nein, was der Artikel 59 erstrebte, war etwas ganz anderes. Es war das Ziel unserer Politik; es war die Vorstellung, daß Deutschland eines Tages den anderen wieder als freier, gleichgeordneter Partner gegenübertritt. Dafür — das ist meine Überzeugung gewesen und ist es auch heute noch — ist dann die feierliche Form des Gesetzes notwendig. Bedarf wirklich eine solche Erklärung, wie sie in Artikel 31 des Ruhrstatuts vorgesehen ist, in welcher eine deutsche Regierung
    — wir wollen das doch nicht vergessen —, die sich unter den Beschränkungen des Besatzungsrechts bewegt und bewegen muß, nichts anderes sieht als eine behelfsmäßige Möglichkeit, die eben das uns aufgezwungene Besatzungsrecht läßt, — bedarf eine solche Erklärung der Form des Gesetzes? Meine Meinung ist, daß die Maßnahme, um die es sich jetzt handelt, in keiner Weise in den Rahmen des Artikel 59 Absatz 2 paßt. Ich bin der Meinung, daß eine Reihe von rechtlichen Gründen dieses Ergebnis durchaus unterstützt. Dazu ist es notwendig, die Dinge nüchtern rechtlich zu werten.
    Die. erste Frage, die ich aufwerfe, lautet: Fällt das, was geschehen soll, was noch nicht geschehen ist, der Beitritt zum Ruhrstatut, in das eigentliche Völkerrecht,

    (Abg. Dr. Schmid: Wohin denn sonst?)

    in das Völkerrecht in der Überlieferung, wie wir es verstehen und wie es nach meiner Überzeugung der Artikel 59 im Auge hat?

    (Abg. Dr. Schmid: Wohin denn sonst?)

    Völkerrecht ist das Recht, das durch die Übereinstimmung koordinierter, souveräner Staaten geschaffen ist. In unserem Fall handelt es sich nicht um Völkerrecht, sondern — das ist eine bittere Feststellung, aber so ist es — um das Besatzungsrecht,

    (Abg. Dr. Schmid: Das ist doch auch Völkerrecht!)

    ein Recht, erwachsen aus der einseitigen Tatsache
    der noch bestehenden Besetzung. Die Besetzung
    ist eine völkerrechtliche Tatsache, aber sie stellt e doch nicht selber Völkerrecht dar.

    (Abg. Dr. Schmid: Aber nein!)

    Das ist das typische droit interméditaire, ein System einseitiger Regelung. Das ist doch das Entscheidende. Völkerrecht, das wir anerkennen, muß unsere Zustimmung haben.

    (Abg. Dr. Schmid: Aber die geben Sie doch!) — Nein, die gebe ich nicht.


    (Abg. Dr. Schmid: Aber die wünschen Sie doch zu geben!)

    Ich sage: jedenfalls ist dieses Besatzungsrecht kein Völkerrecht im Sinne der Bestimmung des Artikel 59 des Grundgesetzes.
    Der erste Einwand ist: es ist kein Völkerrecht. Der zweite Einwand ist: bei dem Beitritt zum Ruhrstatut handelt es sich nicht um einen Staatsakt, sondern um einen ganz spezifischen Regierungsakt. So ist es auch im Ruhrstatut ausgesprochen. Der Artikel 31 spricht von der „deutschen Regierung". Es liegt mir vollkommen fern, Herr Abgeordneter Arndt, aus dem Besatzungsstatut Rechte für unseren Standpunkt herzuleiten. Ich weise den Vorwurf, die Bundesregierung würde ihre Zuflucht zum Besatzungsstatut suchen, nachdrücklich zurück.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Sehr gut!)

    Das ist keine würdige Art der politischen Auseinandersetzung.

    (Zustimmung in der Mitte und rechts.)

    Wir fragen lediglich, was rechtlich richtig ist. Ich diskutiere gern mit Ihnen, Herr Kollege Dr. Schmid. Aber haben Sie es wirklich nötig, uns durch den Herrn Kollegen Arndt in dieser sehr wenig vornehmen Art attackieren zu lassen?
    Ich sage: in Artikel 31 ist von der „deutschen Regierung" die Rede, im Gegensatz zu Artikel 2 des Ruhrstatuts, in dem von „Deutschland" die Rede ist, das Mitglied des Ruhrausschusses ist. Man kann daraus Folgerungen ziehen. Ich tue es nicht zwingend. Aber es ist nach meiner Meinung immerhin ein Indiz dafür, worum es sich handelt. — Das sind nämlich wohlbekannte Begriffe, auf die es hier ankommt, die es nicht nur in unserer Rechtsvorstellung, sondern in der Rechtspraxis aller Völker gibt. Der Unterschied zwischen Staatsabkommen einerseits und Regierungsabkommen andererseits ist in der Praxis aller Staaten geläufig. Die Intergouvernementalabkommen sind solche, die nicht den Weg über das Parlament, über die gesetzgebenden Körperschaften gehen, sondern die von den Regierungen abgeschlossen werden. Typisch ist die Entwicklung dieser Exekutivabkommen gerade in Amerika, dessen Verfassung in dieser Hinsicht besonders strenge Regeln aufstellt und das trotzdem oder vielleicht auch aus der Notwendigkeit der leichteren Behandlung dieser Dinge zu dieser Form der Exekutivabkommen gekommen ist.

    (Zuruf: Sie wollen das nachtragen!)

    Ich bin der Meinung, daß den Verfassern des Ruhrstatuts dieser Unterschied vor Augen stand. Das Ruhrstatut ist derartig mangelhaft redigiert,

    (Zurufe von der SPD und Unruhe)

    daß der Inhalt der Mangelhaftigkeit der Redaktion durchaus entspricht. Sie haben keinen Anlaß, sich besonders darauf zu stützen. Ich bin aber der Meinung, daß der Artikel 31 das Richtige trifft.


    (Bundesminister Dr. Dehler)

    Die staatliche Verpflichtung ist nämlich schon in Artikel 2 des Abkommens ausgedrückt.

    (Abg. Dr. Schmid: Aber Sie sagen doch, das ist kein Völkerrecht, daher kann es doch keine Verpflichtung sein!)

    — Ich habe Ihnen eben dargelegt, daß das auf Grund des Besatzungsrechts eine bittere Tatsache ist.

    (Abg. Dr. Schmid: Aber keine Verpflichtung!)

    — Das ist die Frage, Herr Abgeordneter Schmid. Ich gönne Ihnen den Genuß Ihrer Oppositionshaltung. Es wäre sehr schön, wenn ich vielleicht Ihre Situation teilen

    (Heiterkeit und lebhafter Beifall links)

    und unbeschwert von Verantwortung einen Kampf beginnen könnte, einen Don-QuijoteKampf, Herr Kollege Schmid!

    (Beifall in der Mitte und rechts.)

    Die Regierung steht in einer harten Verantwortung vor dem deutschen Volk

    (Zurufe von der SPD und Unruhe)

    und kann es sich nicht leisten, Abenteuer, auch nicht juristische Abenteuer zu beginnen.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)

    Sie können über unsere Bindung durch das Besatzungsrecht, wenn Sie die Dinge nüchtern betrachten, nicht hinwegkommen. Damit bindet uns auch der Artikel 2 des Ruhrstatuts. Damit ist die Konsequenz, daß wir Mitglied des Ruhrausschusses sind, schon ausgesprochen, ohne unseren Willen, ohne daß wir darauf Einfluß haben.
    Ganz anders der Artikel 31 des Ruhrstatuts. Es ist ein typisches Regierungsabkommen. Im Artikel 31 handelt es sich doch nur darum, daß die Regierung verwaltungsmäßig sich der schon entstandenen Pflichten annimmt. So ist die Sachlage.
    Der Herr Abgeordnete Arndt hat sich über meine Argumentation, daß dieser Beitritt zum Ruhrstatut nach Artikel 31 keinen Vertrag dar- stelle, etwas mokiert. Ich glaube, daß dieses Argument nicht von der Hand gewiesen werden kann. Ein Vertrag ist ein zweiseitiger Akt. Es ist eine etwas nüchterne juristische Erwägung, meine Damen und Herren, die ich Ihnen zumuten muß, um die man aber nicht herumkommt. Ein Vertrag liegt nur vor, wenn ein zweiseitiger Akt gegeben ist, der seine Rechtswirkung durch die beiderseitige Willensübereinstimmung hervorruft. Er kann nur stattfinden zwischen Partnern, die auf dem gleichen Rechtsboden miteinander in Beziehung treten und nur, wenn er beide Partner in gleicher Weise bindet. Ich stelle mir vor, daß der Tag kommen wird, an dem die Unterhändler unseres Staates und anderer Staaten, sagen wir am Quai d'Orsay oder in Downing Street oder im Weißen Haus gleichberechtigt zusammenkommen und frei einen Vertrag schließen. Ich kann in der Szene am Petersberg, wo die Hohen Kommissare mit dem Herrn Bundeskanzler verhandeln, diese gleiche Ebene nicht sehen. Keine der Voraussetzungen, die einen Vertrag ausmachen, ist , im Falle des Beitritts zum Ruhrabkommen gegeben. Es liegt kein zweiseitiger Akt vor, sondern es ist eine einseitige Erklärung, die die deutsche Regierung abgibt. Sie macht damit — das scheint mir das Entscheidende zu sein — lediglich von einer Möglichkeit Gebrauch, die nicht vertraglich vereinbart, sondern die durch Besatzungsrecht einseitig geschaffen ist. Wo will man da von einem Vertrag sprechen?
    Es scheint mir auch für Deutschland bedeutsam — auch hier halte ich meinen Standpunkt trotz der Ausführungen des Herrn Dr. Arndt aufrecht —: diese Erklärung, die die Regierung abzugeben haben wird, erzeugt durch sich selbst keinerlei neue Rechtswirkung. Man braucht nur die Texte genau zu lesen, um zu einem richtigen Ergebnis zu kommen.
    Ich habe schon gesagt: die Verpflichtungen Deutschlands aus dem Ruhrstatut sind unabhängig von Deutschland bereits bindend begründet. Das Ruhrstatut bedarf keiner Anerkennung, keiner Unterzeichnung von deutscher Seite mehr.

    (Abg. Dr. Schmid: Warum der Beitritt?)

    — Ich kann nur sagen: Weil wir von einer Chance, die uns geboten ist, Gebrauch machen. Wenn Sie den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers etwas wohlwollender gelauscht hätten, hätten Sie erkannt, warum wir es tun wollen.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)

    Das Ruhrstatut ist uns durch Artikel 2 auferlegt
    worden. Ich habe — und daran ist
    worden. Ich habe schon gesagt —und daran ist
    nicht zu deuteln —: Wir sind Mitglieder. Das Besatzungsstatut hat überdies zusätzlich noch einmal auch in Artikel 2b diese Tatsache bestätigt. Man kann heroisch, Herr Abgeordneter Schmid, das Besatzungsstatut als nicht bestehend bezeichnen.

    (Zuruf des Abg. Dr. Schmid.)

    Die Regierung muß der Lage realpolitisch Rechnung tragen.

    (Abg. Dr. Schmid: Das ist keine Realpolitik!)

    Ich sage: die Bundesregierung kann durch nichts, durch kein Handeln und durch kein Unterlassen an dieser Rechtslage etwas ändern. Die Erklärung, die sie nach Artikel 31 des Ruhrstatuts abgeben will, vermehrt in keiner Weise die rechtliche Verpflichtung Deutschlands.
    Nun ist es ja aber auch so, daß durch diesen Beitritt nicht einmal zusätzliche Rechte Deutschlands entstehen, wenn man die Dinge genau prüft.

    (Zurufe von der SPD.)

    Das Recht, stimmberechtigte Mitglieder zu entsenden, ist nämlich nicht etwa die Folge

    (wiederholte Zurufe von der SPD)

    - hören Sie einmal zu, damit Sie es verstehen! — des Beitritts. Es ist, richtig gesagt, nicht die Vertragsfolge; denn dadurch, daß wir beitreten, er- halten wir keinen Anspruch darauf, daß wir stimmberechtigte Vertreter entsenden können. Um in den Genuß dieses Rechtes zu kommen, bedarf es vielmehr, wie Artikel 9c des Ruhrstatuts ausdrücklich sagt, wieder einer einseitigen Erklärung der Besatzungsmächte. Also die Folge unseres Beitritts ist nicht automatisch unser Stimmrecht, sondern dazu muß erst wieder eine einseitige Erklärung der Besatzungsmächte erfolgen.
    Ich kann Ihnen, damit es Ihnen klar wird, nur sagen, daß alle Voraussetzungen für die Annahme, in diesem Akt liege ein Vertrag, unrichtig sind.

    (Abg. Dr. Schmid: Das stimmt aber leider nicht!)

    Es fehlt vollkommen an der rechtlichen Gleichordnung der Partner. Die Erklärung, die wir abgeben, ist nicht eine vertragliche Rechtsgestaltung unter gleicher Beteiligung von Partnern. Noch einmal gesagt: Deutschland nimmt nur eine Chance, eine Möglichkeit wahr, die bereits als einseitige Regelung, als Teil des Besatzungsrechtes, vorgesehen ist und die ganz unabhängig von unserem Beitritt ihre Wirksamkeit hat.


    (Bundesminister Dr. Dehler)

    Ich bin der Meinung: keinesfalls hat dieser Beitritt die Wirkung einer gleichmäßig bindenden Regelung. Das könnte man an vielen Einzelheiten dartun.

    (Unruhe bei der SPD.)

    Der Beitritt hat in keiner Weise Vertragscharakter. Er ist vielmehr ein ganz abweichendes Rechtsgebilde, ein Rechtsgebilde der einseitigen Wahrnehmung einer Rechtsmöglichkeit innerhalb einer einseitig durch Besatzungsrecht geschaffenen Regelung. Wir bleiben überall — diese Erkenntnis ist vor allem dem Kollegen Dr. Arndt bei seinen Ausführungen entgangen — im Rahmen des bestehenden, einseitig konstituierten Besatzungsrechts, und alles fügt sich in diesen Rahmen ein.
    Man muß sich diesen eigentümlichen Rechtscharakter des Beitritts einmal klarmachen. Ich darf Ihnen eine Parallele aus einem andern Rechtsgebiet geben. Unser Beitritt ist nicht das, was ein zivilrechtlicher Vertrag, sagen wir, ein Kaufvertrag wäre. Es ist nicht so, daß wir eine Verkaufserklärung abgeben. Wenn man einen Parallelfall aus einem anderen Rechtsgebiet heranziehen will, so muß man sagen: wir stehen nicht dem Manne gleich, der eine Sache verkauft, sondern wir stünden dem Manne gleich, der einer Enteignung unterzogen wird und der nun von der Möglichkeit Gebrauch macht, die Höhe der Entschädigung durch Vereinbarung zu beeinflussen.

    (Widerspruch und Zurufe bei der SPD.)

    So ist die Situation, und aus dieser Vorstellung heraus erkennen Sie die Unmöglichkeit der Annahme, daß es sich hier um einen völkerrechtlichen Vertrag im Sinne des Artikel 59 Absatz 2 handele.

    (Erneute Zurufe von der SPD.)

    Ich weiß nicht, ob meine Erwägung so unrichtig ist, wie sie der Kollege Herr Dr. Arndt hingestellt hat, der gesagt hat, dieser Vorgang sei würdig, ihm diese solenne Form des Artikel 59 Absatz 2 des Grundgesetzes zukommen zu lassen. Ich bin der Meinung, daß das nicht in den Willen und auch gar nicht in die Systematik des Artikel 59 Absatz 2 hineinfällt. Es würde dadurch wirklich einer einfachen Erklärung, die die Bundesregierung im Rahmen des bestehenden Besatzungsrechts nach politischen Zweckmäßigkeitserwägungen abgeben muß, das sehr unangenehme Gewicht eines feierlichen Gesetzesvorganges gegeben werden. Meine Damen und Herren, ich sage noch einmal: Die Bundesregierung hat in keiner Weise die Absicht, dem Gesetzgebungsverfahren Dinge zu entziehen, die ihm verfassungsmäßig zugehören. Im Gegenteil, sie ist gewillt, Wortlaut und Geist des Grundgesetzes peinlichst genau zu beachten. Gerade aus diesem Grunde ist sie doch genötigt, Ihnen die Bedenken, die gegen die Anwendung des Artikel 59 Absatz 2 sprechen, darzulegen.
    Ganz kurz ein Wort zu der Anwendung des Artikel 24 des Grundgesetzes, wonach der Bund gesetzliche Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen nur durch Gesetz übertragen kann! Ich bin der Meinung, daß auch hierüber ernstlich kein Wort zu verlieren ist. Übertragen kann man nur etwas, was der andere noch nicht hat. Ich brauche bloß einen Blick auf Artikel 2 des Ruhrstatuts zu werfen, um zu erkennen, daß die Signatarmächte schon jetzt alle im Ruhrstatut bezeichneten Rechte haben. Also wenn die deutsche Regierung den Weg des Artikel 24 einschlagen wollte, müßte sie die Rechtsverbindlichkeit des Ruhrstatuts und des Besatzungsstatuts überhaupt leugnen, müßte sie mit dem Kopf gegen die Wand rennen. So liegen die Dinge.
    Ich glaube, daß das Verfahren, das die Bundesregierung einschlägt, das richtige ist. Es handelt sich nicht um eine statische Regelung, die durch Gesetz ein- für allemal festgelegt werden könnte und sollte. Das ist auch nicht bei dem Beitritt zum Ruhrstatut gewollt. Es handelt sich um den Teil eines dynamischen Prozesses einer in allseitigem Einverständnis fortschreitenden politischen Entwicklung.

    (Lachen bei der SPD.)

    Dieser Beitritt ist nicht Grundstein eines Gebäudes, sondern er ist Meilenstein eines Weges, an dessen Ende, so hoffen wir, eine Gestaltung der Dinge steht, in der Deutschland ein verantwortungsvoller gleichberechtigter Partner zum Wohl unseres Volkes und Europas ist.

    (Bravorufe und Händeklatschen bei den Regierungsparteien!)