Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Baade hat versucht, so etwas wie einen Wetterbericht zu unseren heutigen Auseinandersetzungen zu geben. Er hat da zwischen gedämpfter Freude, einem gedämpften Mißtrauen und einem Bedauern darüber geschwankt, daß in der Auseinandersetzung über die außenpolitischen Dinge, die mit dem uns vorgelegten Abkommen in Deutschland in Gang gebracht worden ist, Spannungen entstanden sind. Ich will mich nun nicht in diese — wie soll ich sagen? — gastronomisch gewürzten Vorstellungen über das politische Klima verlieren. Ich weiß auch nicht, ob man mit Superlativen der Lage gerecht wird, wenn man immer so leicht mit dem Wort „historisch" operiert. Was im Grunde genommen ein historisches Geschehen ist, das, meine Damen und Herren, zeigt sich erst hinterher. Aber gerade weil ich so illusionslos an die Betrachtung des Abkommens und an die außenpolitische Entscheidung herangehe, die hier zum Gegenstand der Erörterungen gemacht worden ist, meine ich um so mehr, daß die Herren, die im Namen der Opposition gesprochen haben, der Tragweite der Lage eigentlich nicht ganz gerecht geworden sind.
Der eine ihrer Sprecher hat es sich nach meiner Meinung politisch sehr bequem gemacht. Dafür hat er seine Beweisführung gedanklich sehr mühsam
gemacht, indem er die Unstimmigkeiten, Verworrenheiten und Zwiespältigkeiten der staatsrechtlichen und völkerrechtlichen Situation, in der sich dieses eigentümliche Staatswesen unter den eigentümlichen Bedingungen des Besatzungsstatuts nach der Besonderheit eines so ungewöhnlich verlorenen Krieges befindet, dazu benutzt hat, eine bestimmte außenpolitische Konzeption, die von dem Herrn Bundeskanzler dargelegt worden ist, zu verurteilen. Ja, meine Damen und Herren, so kann man doch nicht Politik machen! Ich glaube, es wird in den nächsten Jahren keine Regierung geben, möge sie aus einer Gruppe dieses Hauses kommen, wo sie sein mag, die an diesen Schwierigkeiten und an diesen Möglichkeiten der Auseinandersetzung vorbeikommt.
Ich glaube weiter, man sollte — so ernsthaft und notwendig es ist, in diese verworrene Begriffswelt Klarheit hineinzubringen und allmählich zu fein geschliffenen Sätzen zu gelangen, mit denen man der Zwiespältigkeit der Zusammenhänge Herr wird - doch darauf verzichten, etwas, was im Grunde genommen unsere gemeinsame Aufgabe ist, nicht als Vorwand benutzen, um aus innenpolitischen Motiven eine Außenpolitik der Regierung zu verdammen und zu verdonnern.
Der zweite Sprecher der SPD-Fraktion hat sehr lange und sehr ergiebig von dem langwierigen Kampf um die Demontagen gesprochen.
- Nein, das war uns keineswegs unangenehm; denn wir haben ja alle zusammen in irgendeiner Form an diesen Dingen und Auseinandersetzungen Anteil gehabt,
und jeder von uns, ganz gleich, auf welcher Seite des Hauses jemand stehen mag, und ganz gleich, ob diesseits oder jenseits unserer Grenzen jemand auf diesem Gebiete für eine vernünftige Betrachtungsweise und für die Beseitigung eines Hemmnisses zwischen den Völkern und zwischen den verbindenden Kräften, die da wirksam werden müssen, gewirkt hat, — er verdient unsern Dank und unsere Anerkennung.
Aber, meine Damen und Herren, wenn man schon die Mühsal dieses Kampfes schildert und wenn man alle rühmt, die auf diesem Gebiet gewirkt haben, warum soll man dann ausgerechnet denjenigen herabsetzen und dessen Leistungen mißbilligen, der nun in dieser Kette der Auseinandersetzungen und Kämpfe einen Schlußstein gesetzt hat?
Ich glaube, meine Damen und Herren, daß diese Befangenheit der Betrachtung — so will ich mich einmal sanft ausdrücken — im Grunde genommen darauf beruht, daß man die Verschiedenartigkeit von Innen- und Außenpolitik zu wenig berücksichtigt. Der Inhalt der innenpolitischen Auseinandersetzung besteht nämlich darin, in einem Staatswesen, das durch ein bestimmtes staatliches Gewaltenzentrum, von einer Spitze geleitet und gelenkt werden kann, den Einfluß auf die Spitze zu gewinnen, um von dort aus den ganzen Umkreis des staatlichen Lebens in einem bestimmten Sinne beeinflussen oder beeindrucken zu können. Die Außenpolitik kennt keine derartige Spitze über den Völkern und Mächten, von der aus man die
Geschicke der Völker dirigieren könnte, sondern das Verhalten der Völker zueinander und die Stellung des eigenen Volkes zwischen den Völkern beruht auf dem Verhältnis der anziehenden und abstoßenden Kräfte zwischen den Völkern und Mächten. Infolgedessen reden wir in der Außenpolitik immer wieder von einer Konstellation. Wir wenden also gewissermaßen die Vorstellung eines Sternbildes an, das ja durch die anziehenden und abstoßenden Kräfte zwischen den einzelnen Himmelskörpern des Sternbildes geformt wird und innerhalb dessen auch die innere Situation, das Klima, die Lage des einzelnen Gestirns von der Wirkung der anziehenden und abstoßenden Kräfte bestimmt ist. So gesehen bedeutet Außenpolitik etwas grundsätzlich anderes als Innenpolitik, weil sie zum Ziel haben muß, die Konstellation, nämlich das Verhältnis der anziehenden und abstoßenden Kräfte im Sinne des eigenen Volkes und im Sinne des Zusammenwirkens verschiedener Völker zu beeindrucken und zu beeinflussen.
Wenn Sie davon ausgehen, meine Damen und Herren, müßte der Streit um eine außenpolitische Konzeption ganz anders aussehen als im bisherigen Verlauf dieser Debatte. Man hätte dann die Auseinandersetzung um die Frage führen müssen: soll man nun mit diesen oder jenen Mächten anziehende, zentripetale Kräfte lebendig machen; sollen wir uns aus der Isoliertheit lösen und in eine neue europäische Konstellation hineingehen? Die zweite Frage, die dann zur Erörterung steht, ist die: wie machen wir das? Und dann stellen wir fest: die Erweckung anziehender und abstoßender Kräfte zwischen den Völkern beruht ja zumindest auf dem Versuch und der Absicht, das Verbindende unter den Völkern lebendig zu machen, mit den verschiedensten Kräften in den verschiedenen Völkern Fühlung zu gewinnen. Das, was uns als außenpolitischer Willensausdruck eines Volkes entgegentritt, ist nicht der Meinungsausdruck irgendeiner Person oder irgendeiner Regierung, sondern ist eine Resultante aus einer Fülle von Kräften und Kreisen, die gegeneinander und miteinander gerungen haben, damit eine bestimmte außenpolitische Tendenz in Erscheinung tritt. Sehen Sie, das sind Zusammenhänge, die ungeheuerlich schwer zu berechnen sind. So ist eine Außenpolitik ohne ein hohes Maß von Intuition in der Abschätzung von psychologischen Elementen und Kräften überhaupt nicht denkbar. Eine Außenpolitik ist so niemals etwas, was allein als mechanische Apparatur beschlossen, diskutiert und ausgelöst werden kann, sondern Außenpolitik ist zunächst bis zu einem gewissen Grade Handlung und Haltung aus der Intuition, aus Ahnung und Empfindung, die aber durch eine starke ratio gehemmt und gebremst sind, aus der Vorstellungskraft einer Persönlichkeit entwickelt werden kann.
Das hat gar nichts zu tun mit einer autoritären Regierungsweise oder etwa mit der Anerkennung neuer Führerideologien, sondern das bedeutet einfach nichts anderes als die Tatsache, daß die Demokratie nicht nur darin besteht, daß jeder oder alle über jedes reden. Demokratie bedeutet, daß man eine gute Funktionenteilung macht. Im Gegensatz zur Geschwätzdemokratie besteht eine Leistungsdemokratie darin, Vertrauenspersonen zu beauftragen, etwas Positives zu beginnen.
Wenn man mit solcher Wertung an die Dinge herangeht, erkennt man, daß man sich die außenpolitische Auseinandersetzung doch nicht so bequem machen darf, wie es vorhin geschehen ist. Es bedarf doch stärkeren Nachdenkens, um aus dem verwickelten Wesen der Außenpolitik Methoden abzuleiten und zu begründen und über sie zu entscheidender Betrachtung zu gelangen. Ich will damit gar nicht sagen, daß nun jede außenpolitische Angelegenheit unbedingt in der Art und Weise erledigt werden muß, wie das im vorliegenden Falle geschehen ist. Nicht zur Regel werden sollte die ganz überhetzte und überstürzte Art, in der unsere ganzen Arbeiten in diesem Hause oder in den Ausschüssen in dieser oder in anderen Fragen erledigt worden sind. Aber ich finde eigentlich, daß die Herren von der Opposition gar keinen Grund haben, sich in diesem Falle zu beklagen; denn sie sind es ja gewesen, die uns zweimal, nämlich vorige Woche und nun heute wieder veranlaßt haben, in einer überstürzten Weise in eine Aussprache einzutreten, anstatt uns zum Beispiel die Möglichkeit zu geben, die Einzelheiten sehr viel gründlicher. als es diesmal mög hen gewesen ist, in den Fraktionen und eventuell in den Ausschüssen in Einzelprüfungen zu untersuchen und zu beraten, um dann in der nächsten Woche in diese öffentliche Auseinandersetzung mit noch gründlicher gereiftem Urteil hineinzugehen.
Man kann nicht auf der einen Seite den Vorwurf eines autoritären Wirkens erheben, wenn man auf der anderen Seite selber geneigt ist, immer wieder den Wunsch nach einer überhasteten Art der Behandlung der politischen Kernfragen zum Ausdruck zu bringen.
— Es handelt sich nicht um das Flicken von Rissen, sondern es handelt sich um die Vertiefung der Auffassungen. Unter der überhasteten Art der Auseinandersetzung leidet die Gründlichkeit wesentlich. Wenn Sie die Aussprache von heute abend betrachten, werden Sie feststellen können, daß mit wenigen Ausnahmen die Betrachtungen sehr oft an der Oberfläche hängengeblieben sind und auf die eigentliche Tragweite der außenpolitischen Zielsetzung in politischer und geschichtlicher Hinsicht weniger eingegangen worden ist.
Meine Damen und Herren, ich will darum an die Sprecher der Opposition mit ein paar Gegenfragen herantreten. Sie haben sich nämlich nicht darüber geäußert, was denn nun anderes an die Stelle des bisher Getanen treten sollte. Man hat eingewendet: dies ist nicht richtig, und jenes paßt uns nicht. Aber über andere Möglichkeiten haben wir nichts gehört. Der eine der Herren Redner hat gesagt, er wünsche die totale Kooperation der Völker, denn diese halte er für besser. Ich glaube, wir sind alle der Meinung, daß sie erstrebenswert ist, nur meine ich, daß wir diese totale Kooperation nicht mit der Deklamation in diesem Hause, sondern durch eine langsame, mühsame und schrittweise außenpolitische Arbeit erreichen können.
Ein Redner hat die Hoffnung und Meinung ausgesprochen, daß die internationale Arbeiterbewegung ganz besonders für die Erreichung dieser Dinge geeignet wäre. Ich habe mich einmal in jungen Jahren sehr intensiv mit der Historie der
Arbeiterbewegung beschäftigt. Ich hin der letzte, der das Maß an Hingabe, an Opferbereitschaft, an Mut nicht anerkennt, das durch die ganze, jetzt ein Jahrhundert dauernde Arbeiterbewegung in allen Ländern der Welt hindurchgegangen ist. Aber ich kann auch nicht übersehen, daß das, was seit einem Jahrhundert auf diesem Gebiet verkündet wird, in der Wirklichkeit wenig Garantien dafür zeigt, daß auf diesem Wege eine bessere und raschere Lösung dringlichster außenpolitischer Fragen gebracht werden könnte, als sie heute in dem Abkommen, das wir vorliegen haben, dargeboten wird.
Ich muß da sagen, da komme ich nicht mit.
Aber etwas Weiteres. Wollen wir uns doch einmal nach all dem, was eingewandt worden ist, die Frage stellen: Was wäre, wenn? wenn dieses Abkommen nun nicht käme? Bitte, beantworten Sie die Frage! Wollten Sie bestreiten, daß zunächst die allgemeinen ethischen Gedanken oder,
wir wollen sagen, die politisch-moralischen Gesichtspunkte, die in der Präambel und am Schluß dieses Abkommens genannt sind, nicht etwas Wesentliches bedeuten? Ich habe es jedenfalls angesichts seiner hemmenden Rückwirkung auf das deutsche Volk bei der Vertiefung und Verwurzelung des demokratischen Bewußtseins immer als besonders tragisch und schmerzlich in unserem Volk empfunden, daß die Siegermächte ihre Doktrin sich sehr bequem machten, indem sie den Unterschied zwischen Gut und Böse dem Verhältnis Sieger und Besiegte gleichsetzten. Diese Gleichung, meine Damen und Herren, ist durch dieses Abkommen aufgehoben, sie existiert nicht mehr.
Zu Recht hat sie überhaupt nie bestanden; aber nun hat sie ihre formelle Erledigung gefunden.
Zum zweiten aber einige Fragen. Wollen Sie zum Beispiel darauf verzichten, die Teilnahme an internationalen Organisationen zu vollziehen? dem Europarat beizutreten, den internationalen Organisationen, die auf wichtigen Gebieten Dinge tun, von denen gerade das Schicksal deutscher Menschen in weitgehendem Maße abhängt? Wollen wir darauf verzichten, die Möglichkeit zu haben, nun zu Handels- und konsularischen Vertretungen zu gelangen? Dinge, die für ungeheuer viel Menschen, nicht etwa nur für den Außenhandel, sondern für viele Menschen, die irgendwelche ausländischen Interessen wahrzunehmen oder irgendwelche Beziehungen mit dem Ausland zu pflegen haben, die für das Schicksal von Deutschen im Ausland von außerordentlicher Tragweite sind. Ist das so ohne weiteres beiseitezuschieben und gering zu schätzen?
Weiterhin der Beitritt zur Ruhrbehörde. Da ist vorhin gesagt worden, daß durch den deutschen Beitritt diese Ruhrbehörde erst virulent werden würde. Ich weiß nicht, ich habe aus ihrem Statut entnommen, daß sie durchaus funktionsfähig ist auch ohne das Vorhandensein Deutscher; bloß daß, wenn Deutsche nicht darin vorhanden sind, die Gefahr besteht, daß die Virulenz einseitig von wirtschaftlichen Kräften und wirtschaftlichen Interessen und unter Gesichtspunkten bewirkt wird, denen von deutscher Seite überhaupt nicht innerhalb der Institution mit dem nötigen Einfluß entgegengetreten werden kann. Ich bin der letzte,
der dies Institut der Ruhrbehörde zu verteidigen geneigt ist. Sie widerspricht in ihrer Anlage allem, was mir als ein entscheidendes Element meiner politischen Weltanschauung gilt; denn sie ist ein Element, das die freie Bewegung von Menschen, Gütern und Gedanken in aller Welt behindert. Ich habe in der Auseinandersetzung, die wir im Parlamentarischen Rat gehabt haben, diese Ruhrbehörde als eine Zitadelle der Zwangswirtschaft bezeichnet. Aber es steht nicht zur Entscheidung, ob wir dieses Institut schaffen sollen oder nicht, oder ob wir es in unserm Gebiet wirksam machen sollen oder nicht, sondern es handelt sich lediglich um die Entscheidung, ob Deutsche in dem Institut mitwirken sollen oder nicht, und das ist allerdings eine Zweckmäßigkeitsfrage. Mir will scheinen, daß die Mitwirkung von Deutschen in dieser Institution besser, immerhin aussichtsreicher für uns zu sein vermag als die Vertretung der deutschen Interessen durch irgendeinen Beauftragten der Besatzungsmächte oder durch die bloße Anwesenheit eines deutschen Beobachters.
Da wir hier realistisch denken, wollen wir auch nicht vergessen: bei der Erwägung und Würdigung der Möglichkeiten, die das Abkommen gibt, wäre es völlig falsch, in ihm die Verwirklichung aller berechtigten Erwartungen zu sehen und sich etwa einzubilden, daß wir nun auf allen Gebieten unserer internationalen Beziehungen damit sofort eine allumfassende und durchgreifende Erleichterung erhalten. Wir sind durchaus der Meinung, daß ein gewisses Wagnis in diesem Entschluß des Bundeskanzlers liegt. Aber wir sind auch der Meinung, daß es aus dieser verfahrenen, bedrückten und beengten Situation, in die das fürchterliche Kriegsgeschehen und die Gewaltherrschaft der Vergangenheit unser deutsches Volk hineinmanövriert haben, nur einen Ausweg gibt: wenn auch auf dem Gebiet der Außenpolitik eine rege Initiative entwickelt wird. Und ich stehe nicht an zu erklären, daß wir dem Kanzler für die entwickelte Initiative durchaus Dank wissen.
Ich frage mich dann weiter: Wollen Sie wirklich die ganzen Erleichterungen, die auf dem Gebiete der Demontage durch den eingeleiteten und heute einsetzenden Demontagestop eingetreten sind, einfach beiseiteschieben, bloß weil vielleicht der Schlußstein in der Kette der allzu langsamen Entwicklung nun durch eine Persönlichkeit gesetzt worden ist, die parteipolitisch dem einen oder andern nicht genehm ist? Es kann doch niemals der Sinn einer außenpolitischen Betrachtung sein, zu sagen: Ich stimme einer Außenpolitik nur dann zu, wenn ihr Repräsentant mir paßt. Ich muß auch einer außenpolitischen Entscheidung zustimmen, wenn mir die Person nicht paßt, aber wenn der Betreffende die Sache richtig macht.
Oder denken Sie etwa an den Schiffsbau! Meinen Sie, es ist für viele Menschen, die im Schiffsbau beschäftigt sind, gleichgültig, ob dieses Abkommen zustande kommt oder nicht? Wollen Sie wirklich auf die Möglichkeit verzichten, für viele Menschen Arbeit und Brot zu schaffen und gewisse deutsche Techniken wieder zu entwickeln? Wollen Sie wirklich auf die Möglichkeit verzichten, gewisse Exporte wieder zu beginnen und damit zugleich Devisen zu verdienen oder zu sparen?
Wollen Sie diese Möglichkeit nur deshalb ausschließen, weil Ihnen gewisse Formen der Auseinandersetzung, gewisse Methoden beim Zustandekommen des Abkommens nicht gefallen oder weil Sie die artistische Freude daran haben, in dem ganzen Rankengewirr, in dem Dschungel der staatsrechtlichen und völkerrechtlichen Problematik, die uns eine unheilvolle Vergangenheit hinterlassen hat, herumzuklettern?
Bemerkenswert gilt uns auch der Hinweis auf die Möglichkeit, den Kriegszustand zu beenden. Ist das alles so gering zu schätzen? Gewiß, es ist nicht ein Friedenszustand in dem Abkommen ausgesprochen. Aber der Weg zu einer Friedensordnung ist doch immerhin ermöglicht. Ich weiß nicht, ob man die Sätze so gering schätzen sollte, die am Schluß dieses Abkommens stehen und in denen gesagt ist, daß die Hohen Kommissare und der Bundeskanzler diese Niederschrift unterzeichnet haben in der gemeinsamen Entschlossenheit, die in der Präambel aufgestellten Absichten zu verwirklichen, und in der Hoffnung, daß ihre Abmachungen einen bedeutsamen Beitrag zur Einordnung Deutschlands in eine friedliche und dauerhafte Gemeinschaft der europäischen Nationen darstellen. Es ist wohl kaum jemand in diesem Hause, der sich zu diesem Ziel nicht bekennen möchte. Sollte man sich nicht einen Stoß geben können, angesichts dieser wichtigen Erklärung, die zum ersten Male durch ein gemeinschaftliches Abkommen zwischen den Vertretern dreier Besatzungsmächte und dem Repräsentanten der deutschen Regierung zustande gekommen ist, über all die kleinlichen Vorstellungen der innenpolitischen Eifersucht hinwegzugehen und hier ein gemeinsames Bekenntnis dieses Bundestags zu dem europäischen Frieden, zu der größeren Gemeinschaft der Völker auszusprechen und anzuerkennen, daß schließlich auf diesem Gebiet ein Beginn erreicht ist, der vor Monaten noch gar nicht möglich erschien? Wir sind doch alle an diesen neuen Staat mit Zweifeln herangegangen, und wir haben seine Möglichkeiten nicht zu hoch eingeschätzt. Aber ich glaube, es ist ein Element, das geeignet wäre, den Sinn und den Wert der Bundesrepublik in dem Bewußtsein weiter Schichten der Bevölkerung zu verwurzeln, wenn sie erkennt, daß hier auf außenpolitischem Gebiet in der Auseinandersetzung mit den Besatzungsmächten ein erster Schritt vorwärts getan ist. Daß weitere Schritte folgen müssen, daß wir nicht am Ende der Entwicklung sind, darüber kann nirgendwo ein Zweifel bestehen.
Unendlich viel ließe sich über das sagen, was über das bisher Erreichte hinaus nützlich und wünschenswert wäre. Ich glaube aber, in dieser mitternächtigen Stunde sind Sie durchaus mit mir einig, wenn ich das heutige Abkommen nicht dadurch verlängere, daß ich lauter Vorschläge und Forderungen anmelde, die als Ergänzungs- und Erweiterungsmöglichkeiten wünschenswert wären.
Ich weiß, es besteht bei den Parteien, die an dem Kabinett beteiligt sind, weitgehend Übereinstimmung darüber, daß sie sich auf den Boden dieses Abkommens stellen, dieses Abkommen bejahen und seine Notwendigkeit anerkennen. Aus diesem Grunde kann ich für meine Fraktion erklären, daß wir von der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers nicht nur Kenntnis genommen haben, sondern der Zielsetzung der Bundesregierung auf diesem Gebiet in vollem Umfange zustimmen.