Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe im Auftrage meiner politischen Freunde zu erklären, daß wir mit dem Grundgedanken und dem Grundsätzlichen des in dem Regierungsentwurf niedergelegten Verfahrens einverstanden sind.
In einigen Punkten aber haben wir Bedenken. Ehe ich sie im einzelnen anmelde, erlauben Sie mir, daß ich einige Bemerkungen zum Verlauf der Debatte mache. Ich habe heute mit Bedauern festgestellt, daß niemand, weder der Herr Bundesminister des Innern noch sonst jemand hier im
Hause ein Wort des Dankes gefunden hat für die vielen Tausende und Zehntausende kleiner Beamter, die in den unglückseligen Jahren von 1945 bis 1948 unbestechlich geblieben sind, die trotz eines unglaublichen Hungerlohns ihre Arbeit pflichtgetreu getan haben. Niemand hat diesen Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienste ein Wort des Dankes und der Anerkennung gegesagt! Erinnern Sie sich doch, meine Damen und Herren, an diese Zeiten vor der Währungsreform, als jeder kleine Beamte und Angestellte, der für einen Hungerlohn von 200 Mark, 250 oder knapp 300 Mark seinen Dienst tat und seine Pflicht erfüllte, ausgelacht worden ist von jedem sogenannten Geschäftsmann oder was sich so nannte, der in der Lage war, in einem Bruchteil der Arbeitszeit eines Beamten oder Angestellten ein Vielfaches dessen zu verdienen.
Wir sollten uns davor hüten, immer gleich ganze Gruppen unseres Volkes zu bezichtigen. Wir neigen überhaupt dazu, Kollektivurteile im eigenen Hause und im eigenen Volke zu fällen und Sündenböcke für alle unsere nationalen Fehler herauszusuchen. In weiten 'feilen unseres Volkes herrscht die Auffassung, als ob man heute, nachdem es die Juden oder andere nicht mehr gut sein können, nun die Beamten als Sündenböcke in die Wüste schicken könnte.
Sicherlich hat die gesamte Beamtenschaft ihre Fehler wie wir alle, und einer der hervorstechendsten Fehler ist ihr Standesdünkel. . Aber das ist durchaus nicht nur ein Fehler der deutschen Beamtenschaft. Der Standesdünkel soll etwas sein, was uns Deutschen insgesamt anhaftet. Es soll beispielsweise Abgeordnete hier im Hause geben, die sich sehr gern mit diesem Prädikat „Abgeordneter" angesprochen hören. Es soll auch Abgeordnete geben, die beispielsweise, auch wenn sie es nicht besonders eilig haben, an der Rheinfähre um jeden Preis auf ihrem Vorfahrtsrecht bestehen, damit ja der Untertan merkt, wo oben und unten ist.
Ich möchte also empfehlen, daß wir uns in Zukunft überhaupt davor hüten, gleichgültig, von welcher Partei wir kommen, samt und sonders Kollektivbezichtigungen gegen eine Landsmannschaft, einen Stand oder eine Partei auszusprechen,
— Jawohl, meine Damen und Herren! Ich möchte gerade in diesem Zusammenhang dem Herrn Vorredner von der SPD, Herrn Abgeordneten Menzel
— oder muß ich vielleicht sagen: dem Herrn Minister Menzel? —,
etwas entgegenhalten. Wenn Sie mit Recht einige Auswüchse beispielsweise bei den deutschen Korporationen gegeißelt haben — ich komme bei Gott nicht in den Verdacht, ein Verteidiger des deutschen Korporationswesens von Anno dazumal zu sein, denn ich bin kein Akademiker —, dann möchte ich Ihnen, Herr Abgeordneter Menzel, in diesem Zusammenhang aber doch sagen: die Sucht, seinen näherstehenden Organisationsmitgliedern Vorteile zu verschaffen, Posten zu verschaffen, ist auch nicht ein besonderes Kriterium unserer gewesenen Korporationen.
Ich glaube, die erfolgreichste und mächtigste Korporation auf diesem Gebiet ist die deutsche Sozialdemokratie,
die bis zum heutigen Tage auch nicht besonders erfolgreich gegen das durchaus begreifliche menschliche Bestreben, seinen engeren Freunden Vorteile zu verschaffen, angekämpft hat.
Meine Damen und Herren! Es scheint mir heute aber doch besonders wesentlich zu sein, noch auf den Vorschlag des Bundesrats hinzuweisen, den § 3 abzuändern. Wir unterstützen auch da die Regierung in vollem Umfange, denn es erscheint uns sehr gefährlich, den deutschen Beamten in diesem Zusammenhang auf eine Verfassung festzulegen, die er zwar getreulich zu erfüllen hat, die aber trotzdem in vielen entscheidenden Punkten durchaus reformbedürftig ist.
Gerade dann, wenn Sie erwarten, meine Damen und Herren, daß das künftige deutsche Beamtengeschlecht Verantwortung trägt und eigene Entschlüsse fassen kann und fassen soll, dürfen Sie ihm auf politischem Gebiet nicht solche einschneidenden Fesseln anlegen, die mit Demokratie, nebenbei bemerkt, überhaupt nichts mehr zu tun haben.
Meine Damen und Herren! Wir haben schon bei den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Dr. Schumacher anläßlich der Regierungserklärung gehört, daß der Anspruch angemeldet worden ist, die politischen Parteien bei der Besetzung künftiger Beamtenposten paritätisch zu beteiligen.
Wenn ich die Verfassung richtig verstanden habe, kennt sie nur e i n Ordnungsprinzip, das Anspruch auf paritätische Berücksichtigung hat, nämlich die Landsmannschaften.
Ich bitte Sie, sich die Verfassung daraufhin einmal anzusehen. Wir hätten auch erwartet, daß der Herr Bundesminister des Innern in seinen Ausführungen, wenn schon nicht im Gesetzentwurf selbst, einige Hinweise bringt, die diesem Prinzip, das im Grundgesetz verankert ist, gerecht werden.
Wenn wir so weitermachen, werden wir es erleben, daß auf allen Gebieten paritätische Forderungen angemeldet werden, daß morgen nicht nur die politischen Parteien ihre Paritäten zur Beteiligung an der Futterkrippe fordern, sondern daß übermorgen alle möglichen anderen Organisationen kommen, vielleicht die Religionsgemeinschaften und am Tag darauf die Glatzköpfigen oder die Rothaarigen.
Meine Damen und Herren, entweder bekommen wir wieder ein sauberes, unbestechliches Berufsbeamtentum, das nicht nach Parteien gruppiert ist, oder wir bekommen überhaupt keine saubere Staatsverwaltung mehr.
Wir sind uns jedenfalls darüber klar, daß dem Herrn Bundesminister des Innern eine ganz große Aufgabe und eine große Veranwortung erwächst. Herr Bundesminister! Sie wissen ebenso wie wir alle im Hause, daß die Bürokratie der Verwaltung, insbesondere aber die ehemalige Reichsbürokratie und somit die heutige Bundesbürokratie, sich nicht gerade übermäßiger Beliebtheit im Volke erfreuen. Sie haben durch eine geschickte Auswahl der Männer, die uns in Zukunft verwalten sollen, die Möglichkeit, dafür zu sorgen, daß eine organische Verbindung zwischen Volk und Beamtentum zustande kommt. Das setzt aber voraus, Herr Bundesminister, daß auf jeden Fall das natürlichste und nach dem Wortlaut des Grundgesetzes einzig mögliche Ordnungsprinzip, nämlich das landsmannschaftliche, gewahrt wird. Wenn sich die Bundesregierung als so instinktlos erweisen sollte, irgendwo in eine ausgesprochen bäuerliche Gegend, meinetwegen Südbayerns, Menschen zu schicken, die nach ihrer Bildung, ihrem Herkom- men und ihrer ganzen Mentalität dort einfach hinpassen wie die Faust aufs Auge, dann dürfte sic sich nicht wundern, wenn man eine solche Verwaltung als landfremd, unter Umständen sogar als eine Zwingherrschaft ansieht.
Meine Damen und Herren! Es wird wohl niemals möglich sein, durch Vorschriften oder gar durch Gesetzesparagraphen diese Dinge befriedigend bis ins einzelne zu lösen. Wir müssen von der Bundesregierung erwarten können, daß sie beim Aufbau der kommenden Bundesverwaltung soviel Fingerspitzengefühl und soviel Instinkt entwickelt, daß diese Dinge, wie wir sie vor allem im gesamten Verlauf der nationalsozialistischen Verwaltungsherrschaft erlebt haben, sich nicht wiederholen. — Das, glaube ich, mußte zur Ergänzung der heutigen Debatte gesagt werden.