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ID0101805000

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    Deutscher Bundestag — 18. Sitzung. Bonn, den 24. und 25. November 1949 449 18.. Sitzung Bonn, 24. und 25. November 1949. Geschäftliche Mitteilungen 449C, 464D, 485C, 527C Interpellation der Abg. Euler, Dr. Preusker, Dr. Becker, Dr. Dr. Nöll von der Nahmer u. Gen. betr. Abschluß der Entnazifizierung (Drucksache Nr. 172) 449D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Personen (Drucksache Nr. 175) . . 449D Dr. Heinemann, Bundesminister des Innern . . . . . . . . . 449D, 467D Strauss (CSU) . . . . . . 451D, 472A B) Dr. Menzel (SPD) . . . 455B, 469A, 471C Gundelach (KPD) 460C Pannenbecker (Z) 461B, 471C Dr. Nowack (FDP) 461D Farke (DP) 464D Donhauser (BP) 465B Dr. Miessner (NR) 466D Mensing (CDU) 467C Dr. Becker (FDP) 468D Dr. Leuchtgens (NR) 470B Kaiser, Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen 471A Unterbrechung der Sitzung . 472B Erklärung der Bundesregierung . . 449D, 472B Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . . 472B, 501A, 510D, 524A Unterbrechung der Sitzung . . 476D Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung 477A Dr. Arndt (SPD) . . . . . 477A, 484C Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 481A Dr. Baade (SPD) 485C Kiesinger (CDU) 491B Gockeln (CDU) 496C Dr. Schäfer (FDP) 497D Loritz (WAV) 502B, 511C Dr. von Merkatz (DP) 502D Dr. Baumgartner (BP) . 505A Fisch (KPD) 506B Frau Wessel (Z) 516C Dr. Richter (NR) . . . . . . . 518A 1 Ollenhauer (SPD) 521B Unterbrechung der Sitzung . . 525C Bausch (CDU) 526A Euler (FDP) 526D Abstimmungen . . . . . . .. . . 526B Nächste Sitzung 527C Die Sitzung wird um 10 Uhr 20 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Dr. Erich Köhler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und Herren, Sie haben die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers gehört. Es ist interfraktionell vereinbart worden, jetzt die Sitzung auf zweieinhalb Stunden zu unterbrechen. Es ist, wie ich eben sehe, 6 Uhr. Ich frage das Haus, ob es damit einverstanden ist, daß wir bereits um 8 Uhr wieder zusammentreten.

    (Zurufe in der Mitte: Um 1/29 Uhr; zweieinhalb Stunden sind vereinbart!)

    — Dann treten wir also um 8 Uhr 30 wieder zusammen.

    (Widerspruch links.)

    — Es erhebt sich Widerspruch. Meine Damen und Herren, dann muß ich darüber abstimmen lassen, wenn wir uns nicht verständigen können. Wie wäre es, wenn wir uns auf 8 Uhr 15 verständigen würden?

    (Widerspruch in der Mitte.)

    — Dann muß ich abstimmen lassen. Der weitergehende Antrag ist der für 8 Uhr 30. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Wer für 8 Uhr ist, ;den bitte ich, jetzt die Hand zu erheben. — Das letztere scheint mir die Mehrheit zu sein. Dann berufe ich auf heute abend 8 Uhr erneut die 18. Plenarsitzung des Bundestags ein, die ich hiermit unterbreche.

    (Unterbrechung der Sitzung: 17 Uhr 56 Minuten.)


    Die Sitzung wird um 20 Uhr 43 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler wieder eröffnet.


Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Ich eröffne erneut die heute abend um 6 Uhr unterbrochene 18. Sitzung des Deutschen Bundestags. Der einzige Punkt unserer Tagesordnung ist die
Aussprache über die Regierungserklärung.
Ich eröffne hiermit die Aussprache und erteile als erstem Redner Herrn Abgeordneten Dr. Arndt das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Adolf Arndt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im Wesen der Sache eines jeden politischen Aktes liegt es, daß er ein psychologisches Potential ist. Damit hat der Herr Bundeskanzler uns wahrhaftig nichts Neues gesagt, und diese Erkenntnis enthebt uns nicht der Mühe, diesen Akt auf seine politische Bedeutung und seine rechtliche Tragweite zu untersuchen.
    Wären die Abmachungen d e r große Erfolg, und wäre der Beitritt Deutschlands zum Ruhrstatut „nichts als ein psychologischer Akt", warum hat dann der Herr Bundeskanzler sich so gequält, mit advokatorischen Argumenten nachzuweisen, daß es irgendeiner Mitwirkung der gesetzgebenden Körperschaften in keiner Weise bedürfe? Glauben Sie, Herr Dr. Adenauer, daß ein rein psychologischer Akt wirksamer vorgenommen wird, wenn Sie allein ihn vollziehen, statt daß die gesamte frei gewählte Volksvertretung ihn sich zu eigen macht? Das sind nicht die Gründe, die hinter Ihrer Argumentation stehen, daß es eines Aktes der Volksvertretung nicht bedürfe. In Wahrheit — erlauben Sie mir bitte bei dem Ernst der Stunde dies in aller Trockenheit zu sagen — handelt es sich um nichts anderes als um ein neues Glied in der Kette der Versuche der permanenten Ausschaltung des Parlaments,

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    des Unterfangens, Verfassungskämpfe durch autoritären Handstreich zu gewinnen.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Man kann die Argumentation des Herrn Bundeskanzlers, daß kein gesetzgeberischer Akt notwendig sei, in drei Gründe zusammenfassen; erstens: wir hätten noch gar keine Hoheitsrechte im Sinne des Artikels 24 des Grundgesetzes, und deshalb sei deren Übertragung auch gar nicht möglich und überhaupt nicht vorstellbar; zweitens: die Ermächtigung für die Bundesregierung zum Beitritt zum Ruhrstatut sei ja im Ruhrstatut selbst enthalten, daher sei Artikel 59 auch unanwendbar, denn es handle sich nur um eine Maßnahme im Rahmen bestehenden Besatzungsrechts; drittens: dieser Vertrag, dieses Abkommen, das da auf dem Petersberg geschlossen ist, sei gar kein Vertrag; denn insbesondere der Beitritt zum Ruhrstatut begründe keine neuen Pflichten, er gebe allenfalls ein neues wertvolles Recht.
    Die Bundesregierung nimmt also ihre Zuflucht zum. Besatzungsrecht und behandelt das Besatzungsrecht als eine Art Ermächtigungsgesetz ohne Ermächtigung.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Denn es gibt keine Möglichkeit der Ableitung von l Befugnissen der Bundesregierung aus dem Besatzungsrecht. Die Bundesregierung verkörpert für den Teil der Exekutive eigenständige deutsche Staatsgewalt. Daran möchte ich von vornherein keinerlei Irrtum aufkommen lassen.
    Soeben erst hat der Staatsrechtler in Münster, der Professor Friedrich Klein, sich gerade insoweit mit dem Besatzungsstatut auseinandergesetzt und hat zu diesen Fragen unter Berufung auf den Freiburger Staatsrechtler Greve und auch auf meine Wenigkeit ausgeführt — der Herr Präsident möge mir erlauben, daß ich die entscheidenden Sätze hier dem Hohen Hause zur Kenntnis bringe —:
    Die Besatzungsmächte haben der deutschen verfassunggebenden Gewalt die Möglichkeit gegeben, in dem frei gewordenen Bereich eine eigenständige, von deutschen Organen auszuübende Staatsgewalt zu organisieren. Es ist daher deutsche Staatsgewalt, nicht delegierte Besatzungsgewalt, die von den Bundesorganen wahrgenommen wird. Diese Auffassung entspricht dem Wesen des Besatzungsstatuts als einer Art ideeller oder juristischer Räumung Deutschlands, durch die sich die autoritär von oben ausgeübte Besatzungsgewalt insoweit zurückzieht und der demokratisch von unten wachsenden deutschen Staatsgewalt Raum gibt. Sie wird durch den Wortlaut des Besatzungsstatuts gedeckt, das in Ziffer 1 Satz 2 sagt: „Abgesehen von den in diesem Statut enthaltenen Beschränkungen besitzen der Bund und die ihm angehörenden Länder volle gesetzgebende, vollziehende und richterliche Gewalt gemäß dem Grundgesetz und ihren Verfassungen." Während die von den Bundesorganen wahrzunehmende Gewalt nach dem Frankfurter Dokument Nr. 3 nur delegierte Besatzungsgewalt hätte sein können, ist sie nach dem Besatzungsstatut eigenständige deutsche Staatsgewalt.
    — Soweit der Staatsrechtler Klein.
    Aber nun der Standpunkt des Herrn Bundeskanzlers, das Ruhrstatut ermächtige ja die Bundesregierung zum Beitritt. Artikel 31 sagt allerdings in der schlechten Übersetzung: „sobald eine deutsche Regierung errichtet worden ist, kann sie dem vorliegenden Abkommen durch Unterzeichnung einer Erklärung beitreten". Nun, mit dem Übersetzen hat man manchmal Pech. Auch die Bundesregierung hat mit dem Übersetzen ihres Dokuments, das sie uns heute vorgelegt hat, solches Pech gehabt. Ich hoffe, es wird nicht an allzuvielen Stellen sein; aber eine Stelle ist immerhin bezeichnend. In der deutschen Übersetzung heißt es, daß die Bundesregierung bemüht sein werde, den Aufbau der Regierung freiheitlich zu gestalten. Im französischen Text heißt es „une structure plus libérale" und im Englischen „to liberalise"; also es wird von der Bundesregierung erwartet, daß sie sich bemüht, mehr freiheitlich zu regieren, als sie es bisher getan hat.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    So ist es auch hier bei dieser Obersetzung des Ruhrstatuts. Man kann keinesfalls das Wort „Regierung" mit „Bundesregierung" gleich „Kabinett" übersetzen. Denn „Gouvernment Allemand", „German Government" im Sprachgebrauch ist zwar auch im Ruhrstatut schwankend


    (Dr. Arndt)

    und mag vielleicht an einigen Stellen wirklich nur mit „Kabinett" übersetzt werden können, grundsätzlich aber umschließen die Worte „gouvernment" und „government" auch die Legislative und tun das auch im Ruhrstatut.

    (Zurufe in der Mitte.)

    — Das werde ich Ihnen gleich noch näher darlegen. Sie brauchen zum Beispiel, um die Terminologie zu unterscheiden, sich nur einmal mit der französischen Verfassung vom 13. Oktober 1946 auseinanderzusetzen, wo „Regierung" im Sinne von „Kabinett` als „conseil" bezeichnet wird ; dagegen „gouvernment" ist die Staatsgewalt, so daß auch dort im Artikel 2 gesagt wird: gouvernment du peuple pour le peuple et par le peuple. Das ist der Ausdruck „gouvernment". Ich kann auch hinweisen auf das Schreiben der Kommissare vom 21. September 1949 über -das Inkrafttreten des Besatzungsstatuts. Da ist ja authentisch interpretiert, wann in Deutschland „government" oder „gouvernment" vorhanden ist, nämlich, wie es in dem Schreiben vom 21. September 1949 wörtlich heißt: „Mit der Einberufung der im Grundgesetz vorgesehenen gesetzgebenden Körperschaften und mit der Wahl des Präsidenten und der Wahl und Ernennung des Kanzlers und der Bundesminister ist die Regierung der Bundesrepublik Deutschland errichtet," „German Government is established". Das ist die Definition, wie sie von den Kommissaren selbst in ihrem authentischen Schreiben, mit dem das Inkrafttreten des Besatzungsstatuts begleitet und bekanntgegeben worden ist, gegeben wird. Nicht anders kann es auch im Ruhrstatut ausgelegt werden, zumal Sie im Artikel 15, im Artikel 24 des Ruhrstatuts finden, daß dort ja ausdrücklich von gesetzgeberischen Maßnahmen, von Maßnahmen, die nur durch Gesetz erfolgen, die Rede ist, so daß man also aus diesem Begriff „government" die gesetzgebende Körperschaft niemals ausklammern darf.
    Der Beitritt zum Ruhrstatut erfüllt daher in eindeutiger Weise den Tatbestand des Artikels 24 des Grundgesetzes, in dem es heißt:
    Der Bund kann durch Gesetz Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen
    Dieser Artikel 24 des Grundgesetzes gilt mithin sowohl für das Ruhrstatut als auch für den Europarat, der ja in den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers reichlich zur kurz gekommen ist. Denn wenn man die Ausführungen, die uns heute gemacht worden sind, auf ihre juristische und politische Substanz untersucht, kann man sie doch leider nur so auffassen, daß sich der Herr Bundeskanzler mit der Bundesregierung bedingungslos bereit erklärt hat und daß er bedingungslos den Wunsch geäußert hat, in den Europarat aufgenommen zu werden, und zwar auch dann, wenn es bei der französischen Forderung bleibt oder bleiben sollte, daß das Saarland dort durch den französischen Außenminister oder mit eigenen Stimmen vertreten wird. Ein solcher Eintritt in den Europarat kann aber ebenfalls nur durch Gesetz geschehen; denn nach Artikel 42 c des Londoner Zehn-Mächte-Abkommens vom 5. Mai dieses Jahres wird man am Tage der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde Mitglied des Europarats. Nach dem Artikel 5 b gilt dies auch für assoziierte Mitglieder.
    Man kann auch nicht argumentieren, daß der Eintritt in den Europarat, zu dem die Bundesregierung sich durch dieses Abkommen verpflichtet hat, ja keine Verfügung über die Saar enthalte. Denn hier und heute handelt es sich um mehr als um den Eintritt, weil die Reflexwirkung auf die Saar unter diesen Umständen eine vollendete Tatsache schafft. Eine solche Tatsache verstößt gegen den Vorspruch im Grundgesetz, durch den das deutsche Volk aufgefordert bleibt, die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden, also auch die Einheit! Natürlich dies in allererster Linie seitens der Bundesregierung.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Der Herr Bundeskanzler scheint sehr weit gegangen zu sein und die ausländische Presse besser und früher als uns unterrichtet zu haben; denn ich verweise auf die Bemerkungen in der „New York Times" vom 19. November, daß der Herr Bundeskanzler der Auffassung sei — es muß sich offenbar um offiziöse Gespräche gehandelt haben —, daß der Status der Saar keinen wirklichen Unterschied für Europa mache, wenn die gegenwärtigen Ziele der Westalliierten und der Bundesregierung für die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit, wie sie in den Plänen der OEEC. und des Europarats angedeutet sind, sich entwikkeln würden.

    (Hört! Hört!)

    Diese Ziele des Herrn Bundeskanzlers sind nicht die Ziele der beiden Völker; und daß das, was mein Parteifreund Dr. Schumacher hier vorgetragen hat, mehr den Zielen der beiden Völker entspricht, ist kürzlich erst von dem französischen Staatsmann Leon Blum im „Populaire" vom 19. November bestätigt worden, in dem er sich die tragende Idee, von der hier im Hause die Opposition beseelt ist, zu eigen gemacht hat. Um jedes Mißverständnis noch einmal auszuschließen, wiederhole ich, daß ganz sicherlich für meine sozialdemokratischen Freunde und mich die Verständigung gerade mit Frankreich Herzenssache ist.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Was wir aber wollen, ist die totale Kooperation der Völker, aber nicht nur eine Allianz ihrer herrschenden Klassen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Der Herr Bundeskanzler hat seine heutigen Ausführungen damit eingeleitet, daß er gesagt hat, wir sollten insbesondere nicht vergessen, welch unermeßliches Leid und Elend die nationalsozialistische Gewaltherrschaft — wäre der bessere Ausdruck gewesen, statt „Regierung" — über die Völker der Welt gebracht hat. Meine Damen und Herren, wir vergessen das nicht! Wir vergessen das um so weniger, weil ja auch meine Freunde und ich und weiteste Teile des deutschen Volkes mit zu den Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gehört haben, was auch hierbei nicht vergessen werden darf!

    (Lebhafte Zustimmung bei der SPD.)

    Man sollte uns deshalb nicht Nationalismus vorwerfen, der uns ganz ferne liegt. Was uns beseelt, ist das Gefühl der Gleichwertigkeit, auf dem die sozialistische Internationale und die europäische Arbeiterbewegung von Beginn an seit mehr als einem Jahrhundert beruht.

    (Lebhafter Beifall und Zustimmung bei der SPD.)

    Der Beitritt zum Ruhrstatut kann also nur durch die völkerrechtliche Vertretung des Bundes im Sinne des Artikel 59 Absatz 1 möglich sein, also durch einen Akt des Herrn Bundespräsidenten


    (Dr. Arndt)

    und nur mit der Zustimmung des Bundestags durch Gesetz nach Artikel 59 Absatz 2. Deshalb haben wir dem Hohen Hause den Antrag vorgelegt, der Ihnen als Drucksache vorliegt und auf den ich lediglich verweisen will. Denn es handelt sich keineswegs um einen nur innerstaatlichen Vorgang. Wenn die Westalliierten das Ruhrstatut oder ähnliche Konventionen nicht ratifizieren sollten, so doch deshalb, weil es für sie lediglich Verwaltungsabkommen sind, durch die sie die Art der Ausübung der von ihnen kraft Völkerrechts in Anspruch genommenen Befugnisse regeln. Das sagt ganz eindeutig Artikel 18 des Ruhrstatuts, der von den existing powers, von den pouvoirs actuellement détenus spricht. Die Alliierten regeln also nur intern die Ausübung der Gewalten, der Befugnisse, von denen sie glauben, daß sie sie kraft der Faktizität der Lage durch das Völkerrecht bekommen haben. Dort also sind diese Akte weder rechtsbegründend noch neuverpflichtend. Bei uns dagegen ist es ein konstitutiver rechtsgeschäftlicher Akt, und es liegt genau so, als wenn etwa die Militärgouverneure oder der Kontrollrat früher ein Handelsabkommen für Deutschland mit Schweden abgeschlossen ten. Auch dann hätten die Parlamente der Besatzungsmächte keineswegs dieses Handelsabkommen zu ratifizieren brauchen; aber das hätte die Notwendigkeit für Schweden nicht ausgeschlossen, dort, wenn es nach seinem Staatsrecht geboten ist, diesen Handelsvertrag durch Gesetz zu ratifizieren. Denn die Kommissare sind hier uns gegenüber in dem Fall dieses Abkommens ausländische Macht. Die alliierten Organe haben, wie Klein in seinem eben zitierten Aufsatz sagt, einen Januskopf, indem sie teils deutsche, teils ausländische Staatsgewalt ausüben. Dafür ließe sich eine Fülle von Literatur anführen. Soweit sie aber Kontrolle ausüben oder soweit sie Abkommen mit der Bundesregierung schließen, handeln sie kraft ausländischer Macht. Das ergibt ganz eindeutig die Satzung der Hohen Kommission vom 20. September dieses Jahres, wo es in Artikel I Ziffer 1 heißt, daß diese Kommission zur Ausübung der obersten alliierten Regierungsgewalt in der deutschen Bundesrepublik gebildet wird, der autorité suprême alliée, der allied authority, aber nicht der deutschen, so daß es sich hier um den Umgang und den Abschluß mit ausländischen Mächten handelt.
    Meine Damen und Herren! Ich komme damit zum Kernstück dessen, was der Herr Bundeskanzler uns vorgetragen hat, indem er auszuführen suchte, dieser Vertrag — das blieb immer offen; er sprach einmal vom Gesamtabkommen und einmal nur vom Beitritt zum Ruhrstatut — sei gar kein Vertrag; denn hinsichtlich des Ruhrstatuts bestimme ja Artikel 2: Deutschland „ist" Mitglied. Mithin würden keine neuen Pflichten übernommen oder, wie es in dem Gutachten des Herrn Bundesjustizministers heißt: der Beitritt fügt rechtlich nichts Neues hinzu. Nun, dagegen ist folgendes wohl eindeutig festzustellen.
    Eine solche Auffassung verkennt den fundamentalen Unterschied zwischen einer einseitig oktroyierten Pflicht und einer freiwillig rechtsgeschäftlich übernommenen.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Es ist die klassische Tradition des Völkerrechts, daß man einer Besatzungsmacht Gehorsam, dem Vertragspartner Treue schuldet. In dem Augenblick, in dem wir auch nur durch dieses Abkommen, das uns zum Beitritt verpflichtet — und das
    ist doch der Sinn des Abkommens —, Vertragspartner mit den durch die Hohen Kommissare vertretenen Mächte werden, geht also eine rechtliche Substanzänderung von außerordentlicher Tragweite vor.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Warum, glauben Sie wohl, ist denn der Beitritt vorgesehen? Warum hat man sich nicht damit begnügt, einseitig oktroyiert zu sagen: Deutschland ist Mitglied? Das muß doch einen Sinn haben, daß Deutschland beitreten kann. Und diesen Sinn hat es in der Tat, weil nämlich die Ruhr „behörde", wie sie immer genannt wird, ohne die deutsche Mitarbeit lebensunfähig ist, was sich alsbald erweisen muß, und erst durch die deutsche Mitwirkung — eine freiwillige, eine auf der Treue des Abschlusses beruhende Mitwirkung — virulent werden kann. Das ist eine politische Substanzänderung von ganz unübersehbarer Tragweite.

    (Beifall bei der SPD.)

    Zum Schluß darf ich auch hier noch einmal darauf hinweisen, daß der Beitritt zum Ruhrstatut ja gar nicht isoliert für sich zur Debatte sieht, sondern daß er eine Leistung sein soll, zu der sich der Herr Bundeskanzler kraft Abkommens verpflichtet hat. Das, was hier zu erörtern und zu untersuchen ist, ob es der Ratifizierung durch das Parlament bedarf, ist ja das Gesamtabkommen; denn dieses Abkommen bildet eine Ganzheit und enthält die Beitrittspflicht, wie soeben erst auch der französische Herr Außenminister Schuman in Paris zur gleichen Stunde gesagt hat, der dieses Instrument dahin interpretiert, daß es sich bereits um das deutsche Ersuchen zum Beitritt handelt, das als Gegenleistung für das, was sonst im Abkommen steht, vereinbart ist.
    Nun aber, meine Damen und Herren, stellen Sie sich doch einmal die politische Unmöglichkeit eines Abschlusses vor, durch den man einem Abkommen, einem Statut beitritt, ohne selbst dadurch Signatarmacht zu werden. Der Herr Bundesjustizminister ist gerade auf diesen Punkt in seinem Gutachten eingegangen. Er hat gesagt:
    Insbesondere wird durch den Beitritt keine
    Bindung dahin erzeugt, daß künftige Änderungen des Statuts nur mit Zustimmung
    Deutschlands erfolgen können.
    Das ist ganz außerordentlich! Man verpflichtet sich durch das Abkommen vom Petersberg zum Beitritt zu einem Statut, von dem man weiß, daß man bei diesem Statut nicht Signatarmacht wird und nicht einmal dabei mitzuwirken braucht oder mitwirken darf, wenn dieses Statut geändert wird.
    Zu dieser politischen Unmöglichkeit kommt eine juristische Unglaublichkeit; denn der Herr Bundeskanzler hat gesagt, die Bundesregierung oder Deutschland erwerbe dadurch mehr Rechte, sie habe aber geglaubt, sie könnte von den Bestimmungen des Artikels 59 des Grundgesetzes deshalb Abstand nehmen, weil man nicht auf der Grundlage der Gleichberechtigung, sondern insoweit im Rahmen einer Unterordnung gehandelt habe. In dem Gutachten des Herrn Bundesjustizministers heißt es sehr bemerkenswerterweise: „Ebenso fehlt es an der rechtlichen Gleichordnung der Partner beim Vertragsschluß, die für das Wesen des Vertrags kennzeichnend ist."

    (Lebhafte Rufe von der SPD: Hört! Hört!)

    Meine Damen und Herren, die Argumentation ist
    also folgende: wenn eine Bundesregierung auf


    (Dr. Arndt)

    der Grundlage der Gleichberechtigung verhandelt und abschließt, braucht sie das Parlament; wenn sie es aber an der rechtlichen Gleichordnung fehlen läßt, braucht sie das Parlament nicht.

    (Erneute Rufe von der SPD: Hört! Hört!)

    Ich glaube, daß in diesem Bukett, das man uns da präsentiert hat, ein ganzer Strauß von Unmöglichkeiten ist.
    Ich komme weiterhin zu einem eklatanten Widerspruch, den ich zwischen den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers und dem Gutachten seines Herrn Bundesjustizministers finde. Der Herr Bundeskanzler hat gegen Schluß seiner Ausführungen — etwas emphatisch gefaßt — darauf hingewiesen, daß es sich' hier nahezu um so etwas handle wie um den Frieden, daß eigentlich dem Frieden nur noch — wie sich der Herr Bundeskanzler ausdrückte — technisch-juristische Hemmnisse im Wege stünden. Ich bitte Sie, diese Stelle aus der Rede des Herrn Bundeskanzlers, der, wie ich glaube, in" besonderem Maße der Beifall der Mitte und der Rechten dieses Hohen Hauses gegolten hat, mit einer Ausführung des Herrn Bundesjustizministers in seinem Gutachten zu vergleichen, worin gesagt ist, es würde dadurch - nämlich durch einen gesetzgeberischen Akt - „einer einfachen Erklärung, welche die Bundesregierung im Rahmen des bestehenden Besatzungsrechts nach politischen Zweckmäßigkeitserwägungen abgeben muß, das unangemessene Gewicht eines feierlichen Gesetzes gegeben".

    (Lachen bei der SPD.)

    Ärger kann man sich nicht widersprechen. Der eine sagt: für das, was heute hier geschehen soll und worüber wir hier verhandeln, ist ein Gesetz viel zu feierlich. Und der andere sagt, meine Damen und Herren: in dieser ernsten Stunde hätten wir fast den Frieden, wenn nicht juristisch-technische Hemmnisse entgegenstünden.

    (Zurufe in der Mitte und rechts.)

    — Ich weiß nicht, was Sie mir zurufen; aber ich kann Ihnen eines zurufen: selbst wenn man dieses von Widersprüchen und Unklarheiten strotzende Gutachten des Herrn Bundesjustizministers zugrunde legt, darf man den Satz zitieren: „Er”, nämlich der Beitritt zum Ruhrstatut, „stellt zwar eine in den auswärtigen Beziehungen Deutschlands abzugebende rechtsgeschäftliche, Erklärung dar”.
    Es wäre gut gewesen, wenn sich die Bundesregierung nicht immer auf Artikel 59 Absatz 2 versteift hätte; sie hätte dann nämlich in Artikel 59 Absatz 1 gesehen, daß der Bundespräsident den Bund völkerrechtlich vertritt. Wenn es sich also um die Abgabe einer rechtsgeschäftlichen Erklärung in den auswärtigen Beziehungen Deutschlands handelt, dürfte die Bundesregierung unzuständig und der Herr Bundespräsident das zuständige Organ sein. Und wenn es sich um ein Abkommen handeln würde, in dem man sich zur Abgabe der Erklärung verpflichtet — und in diesem Abkommen stehen ja den Leistungen Gegenleistungen gegenüber —, würde es selbstverständlich der Zustimmung des Parlaments bedürfen.
    Meine Damen und Herren, wenn die Hohen Kommissare Partner akzeptieren, die in solcher Weise mit dem Grundgesetz umgehen, dann erhebt sich die Frage: wie ist das zu vereinbaren mit dem Anspruch, daß die Intervention einer Demokratisierung Deutschlands dienen soll?

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Man wird um so bedenklicher, wenn man in der New York Times vom 17. November liest, daß Mister Sulzberger, der gegenwärtig Europa bereist, ausführt: die Westmächte täten gut daran, der Regierung Adenauer so viele Konzessionen wie notwendig zu machen, damit sie von der Opposition nicht gestürzt werde.

    (Lebhafte Rufe von der SPD: Hört! Hört!) Ich fürchte: die Westalliierten kommen, statt eine europäische Politik zu treiben, dadurch in eine Interessenpolitik hinein, die die Tendenz hat, auch ein autoritäres Regime Adenauer eher zu stützen, als es durch ein demokratisches Regime ablösen zu lassen.


    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Lautes Gelächter bei den Regierungsparteien. — Zuruf in der Mitte: Jetzt brauchen Sie nur noch Adolf zu nennen! — Abg. Dr. Wuermeling: Haben Sie n o c h einen guten Witz?)

    — Ich glaube, daß die Stunde nicht dazu angetan
    ist, soviel Heiterkeit zu zeigen!

    (Zuruf des Abg. Dr. Wuermeling.)

    Ich glaube, daß Ihnen auch nicht so heiter zu Mute ist. Und daß meine Warnungen nicht so ganz unberechtigt sind, mögen Sie daraus ersehen, daß der Herr Vizekanzler die eindeutige Neigung dokumentiert hat, selbst den ERP-Gesetzentwurf durch Verwaltungsakt statt durch das Parlament in Kraft setzen zu lassen, obwohl die Ratifikation in Artikel 15 ausdrücklich vorgeschrieben ist.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Man muß fast befürchten, daß der Herr Bundeskanzler eine Art Winkelried sein will, weil er nämlich selber nicht ganz glaubt, daß sich die deutsche parlamentarische Demokratie sein Vor- haben zu eigen machen könnte. Ja, meine Damen und Herren, es handelt sich hier um eine autoritäre Entscheidung über die Lebensfragen von Millionen

    (lebhafte Zurufe)

    und um die freiwillige Anerkennung eines Akts, der die restliche Großsubstanz der deutschen Wirtschaft einer entscheidenden Einwirkung durch das deutsche Staatsvolk entzieht.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Und es handelt sich darum, daß die territoriale Unversehrtheit Deutschlands mit der an Gewißheit grenzenden Wahrscheinlichkeit einer wesentlichen Einbuße aufs Spiel gesetzt wird.

    (Zurufe in der Mitte: Unerhört! — Unruhe.)

    Was heute hier zur Debatte und zur Abstimmung steht, ist nichts anderes als die Probe dessen, ob das Grundgesetz ein Fetzen Papier ist und ob die Mehrheit ihr Bestreben fortsetzen kann, sich so, wie es schon mehrfach in diesem Hohen Hause geschehen ist, darüber hinwegzusetzen oder ob hier das Grundgesetz geachtet wird.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Wir glaubten, auf dem Wege zu einer parlamentarische Demokratie zu sein, und sehen uns auf dem Wege zu einer Monarchie ohne Konstitution.

    (Lautes Lachen und Zurufe in der Mitte und rechts.)

    — Meine Damen und Herren, ich fürchte, das Lachen wird Ihnen noch vergehen.

    (Sehr wahr! bei der SPD. — Unruhe und Lachen rechts und in der Mitte.)



    (Dr. Arndt)

    Sie dürfen überzeugt sein, daß wir auf dieses Dunkel immer den hellsten Scheinwerfer richten werden, und Sie können überzeugt sein, daß wir dessen eingedenk sind, daß der Herr Bundeskanzler das Grundgesetz, als er hier sein Amt antrat, beschworen hat, und bei Gott, Herr Bundeskanzler, wir werden Sie an diesen Eid zu erinnern wissen!

    (Anhaltender lebhafter Beifall und Händeklatschen links.)