Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 138. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte um Ihre freundliche Aufmerksamkeit für die Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.
Der Präsident hat für zwei Tage Urlaub erteilt den Abgeordneten Mensing, Horn, Stegner, Dr. Pferdmenges, Fürst zu Oettingen-Wallerstein.
Es , suchen für längere Zeit um Urlaub nach die Abgeordneten Dr. Baade für eine Woche wegen dienstlicher Inanpruchnahme und Dr. Henle für 3 Wochen wegen Krankheit.
Entschuldigt sind die Abgeordneten Mayer , Freiherr von Aretin, Volkholz, Dr. Pünder, Agatz, Harig und Vesper.
Meine Damen und Herren! Ich darf annehmen, daß die über eine Woche hinausgehenden Urlaubsgesuche, deren Voraussetzungen von mir geprüft sind, genehmigt werden. — Das ist der Fall.
Ich begrüße in unserem Kreise den für den verstorbenen Abgeordneten Rüdiger in den Bundestag gewählten Abgeordneten Pfarrer Hans Merten und hoffe, daß er in unserem Kreise eine segensreiche und erfolgreiche Arbeit tun kann.
Das Mitglied der kommunistischen Fraktion des Bundestages Herr Abgeordneter Nuding hat mir mit Schreiben vom 20. April 1951 mitgeteilt, daß er sein Mandat niederlege, da ihm eine schwere Herz-
krankheit bereits seit vielen Monaten eine regelmäßige Ausübung seines Mandats unmöglich mache.
Meine Damen und Herren! Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung:
Dritte Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes über die Neugliederung in den Ländern Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern
Im Ältestenrat ist eine Vereinbarung dahin zustande gekommen, daß die Zeit für die Generalaussprache der dritten Beratung 120 Minuten nicht überschreiten soll. Ich nehme an, daß das Haus diesem Vorschlage zustimmt. — Das ist der Fall.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache der dritten Beratung. Es hat sich, zuerst zum Wort gemeldet Herr Abgeordneter Maier .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Anläßlich der zweiten Lesung des Neugliederungsgesetzes hat Herr Staatspräsident Wohleb im Rahmen seiner Ausführungen erklärt, er habe nicht erfahren, inwiefern die Neugliederung, die den Südweststaat zur Folge haben soll, vernünftiger als die Gliederung der alten Länder sei. Eine solche Frage zu stellen, nachdem in einer mehr als zweieinhalbjährigen Diskussion alle Gründe mündlich und schriftlich immer wieder dargelegt wurden, zeigt, daß man sie gar nicht ernstlich prüfte oder aber, daß man von Anbeginn der Erörterung der Südweststaatfrage auf absolute Negation eingestellt war. Damit aber in der Propaganda nicht wieder festgestellt wird, man sei der von Herrn Wohleb aufgeworfenen Frage ausgewichen, seien noch einmal die wichtigsten Gründe für den Zusammenschluß der Länder kurz dargestellt.
Vernünftig erscheint es uns, wenn statt dreier Regierungen mit ihren Apparaten und statt dreier Parlamente, statt der entsprechenden Zahl von Bundesratsmitgliedern und Ländervertretungen in Bonn für ein Gebiet mit 6 Millionen Einwohnern eine Regierung mit je einem Ministerialapparat für jedes Ministerium, ein Parlament mit ca. 100 Abgeordneten und eine Bonner Vertretung unterhalten werden, schon aus Gründen der Sparsamkeit. Vernünftig erscheint uns auch, wenn sich Wirtschaftsgebiete, die wie in unserem Falle in den südlichen Teilen einen agrarwirtschaftlichen, in den nördlichen Gebietshälften industriellen Charakter haben, zu einem leistungsfähigen wirtschaftlichen Ganzen ergänzen.
Meine Damen und Herren, ich bitte auch die Herren Abgeordneten, die sich von Herrn Abgeordneten Maier nicht überzeugen lassen wollen, doch seiner Rede zuzuhören.
Nicht unvernünftig, will uns scheinen, wäre es auch, wenn durch eine stärkere wirtschaftliche Verflechtung eine Verkehrspolitik ermöglicht würde, die in einzelnen Gebieten längst fällige Erschließungen Wirklichkeit werden ließe und manche augenblicklich noch beklagten Verkehrshindernisse im Nordsüd- und Westostverkehr beseitigen würde. Vernünftig wäre auch, wenn bei der Finanzstärke der württembergbadischen Wirtschaft, anstatt 129 Millionen im Wege des Finanzausgleichs an andere Länder geben zu müssen, diese Summe in einem inneren Finanzausgleich allen Teilen zugute käme. Daß in einem größeren Land auch die Verteilung der dem Südwesten zugedachten Heimatvertriebenen leichter zu regeln und in einer prosperierenden Wirtschaft die Schaffung neuer Arbeitsplätze mit geringerem Einsatz geldlicher Mittel möglich ist, wird niemand bestreiten können. Daß endlich das vereinigte Gebiet auch politisch an Gewicht gewinnt, dürfte je- dem klar sein, der die ganze Frage nicht unter dem Aspekt parteiegoistischer Zielsetzungen beurteilt.
Von der Vernunft geleitet dürfte auch die bei der Volksbefragung in Nordbaden festgestellte Wählermehrheit gewesen sein, als sie ihr Votum auf Grund einer fünfjährigen Erfahrung im Zusammenleben mit den Nordwürttembergern abgegeben hat. Es ist doch eine feststehende Tatsache, daß Stuttgart den Nordbadenern mit der Zubilligung einer eigenen Landesverwaltung mehr Rechte als dem schwäbischen Landesteil zugestanden hat. Fest steht ebenso, daß aus der größeren Steuerkraft Nordwürttembergs Nordbaden für den Wohnungsbau, für den Wiederaufbau des Mannheimer Hafens, zur Deckung seines Defizits große Mittel zugeflossen sind, die es aus eigener Kraft nicht hätte schaffen können. Daß es andererseits in Südbaden, insbesondere seit dem Wegfall der an den Bund übergegangenen Tabaksteuern und Zölle, schwerhielt, Mittel für ähnliche Zwecke auch nur in geringerem Umfang freizumachen, ist eine ebenso unumstößliche Tatsache. Daß außerdem die Zahlungsfähigkeit der badischen Landeshauptkasse bis in den März dieses Jahres hinein nur mittels äußerster Anspannung der Kassenkredite aufrechtzuerhalten gewesen ist, wird Ihnen der badische Finanzminister auf Anfrage bestätigen müssen.
Zusammenfassend darf man wohl sagen, daß es nicht unvernünftig ist, wenn man einen Notstand, der sich in beiden südlichen Ländern abzeichnet, dadurch beseitigt, daß man diese beiden Länder mit "einem finanz- und wirtschaftskräftigerem Partner zusammenschließt.
Weniger vernünftig hingegen scheint uns Südweststaat -Anhängern Südbadens die von Herrn Staatspräsidenten Wohleb betriebene Isolierungspolitik gewesen zu sein. Ist es ihm doch binnen zweieinhalb Jahren gelungen, den ihm freunlich gesonnenen Nachbarn Südwürttemberg aus seiner Vermittlerrolle herauszudrängen, so daß die südbadische Regierung nun in den Tagen der Entscheidung allein steht. Eine aus der Emotion heraus geführte und von Eigenwillen bestimmte Politik kann, wenn sie von einer entsprechenden Propaganda unterstützt wird, zu Augenblickserfolgen führen. Sie wird aber auf die Dauer gesehen einer sachlich vernünftigen Argumentation weichen müssen.
Dieser Eigenwille ist der Antriebsmotor der von Herrn Staatspräsidenten Wohleb in der Frage des Länderzusammenschlusses geübten Politik bis auf den heutigen Tag geblieben. Ausdruck dieses Eigenwillens waren die Schlußworte des badischen Staatspräsidenten anläßlich der zweiten Beratung des Neugliederungsgesetzes, als er in das Plenum rief: „Wir kapitulieren nicht!" Eigenwillig schloß
er schon seine erste Südweststaatrede vor dem Landesausschuß der südbadischen CDU im August 1948 mit den Worten: „Ich will Badener bleiben!" In dieser Konferenz, in der es galt, eine Minderheit von Anhängern des Südweststaats bei der Stange zu halten, hat die südbadische CDU beschlossen, in der Frage des Südweststaats neutral zu bleiben. In einer Erklärung hatte es die Parteileitung den Mitgliedern überlassen, sich in Wort, Schrift und Abstimmung für oder gegen den Südweststaat zu entscheiden. Dieser Beschluß war für Herrn Staatspräsidenten Wohleb ein Freibrief für die Entfaltung einer nicht zu überbietenden Propaganda gegen den Südweststaat, die er nunmehr unter dem abgewandelten Motto führte. „W i r wollen Badener bleiben!" In seinem Eifer vergaß er sogar einen Auftrag seines Landtags, der in einer Entschließung vom 24. September 1948 mit allen Stimmen bei zwei Enthaltungen verlangte, daß die Verhandlungen der drei Regierungschefs mit dem Ziel der Schaffung des Südweststaats auf der Grundlage des Karlsruher Staatsvertragsentwurfs fortgesetzt werden sollten. In diesem Vertragsentwurf waren dank dem Entgegenkommen der Regierungen von Württemberg-Baden und Württemberg -Hohenzollern die vom Lande Baden gestellten Forderungen weitestgehend berücksichtigt worden. In einer am 15. und 16. September 1948 in Bühl tagenden Konferenz waren die drei Länderchefs auch zu einer Verständigung über die Abstimmungsmodalitäten gelangt, und nach einer weiteren Zusammenkunft in Bebenhausen konnte man der Meinung sein, daß einer Lösung des Südweststaatproblems nichts mehr im Wege stehe. Aber man hatte die Rechnung ohne den Herrn Staatspräsidenten Wohleb gemacht. Nach wie vor führte er seinen Propagandafeldzug gegen den Südweststaat weiter. Er be- nützte jeden Staatsakt — es gab deren in Südbaden eine große Zahl, anläßlich der Wiederverleihung von Stadtrechten, bei Vereinsjubiläen oder Schulhauseinweihungen —, um sich in seinen Festansprachen gegen den Südweststaat und für Altbaden einzusetzen. Dabei hatten die Südweststaatanhänger keine Möglichkeit, . gegen die häufig scharfen Formulierungen oder ungerechtfertigt erhobenen Vorwürfe in seinen Reden Stellung zu nehmen. Da der Herr Staatspräsident den staatlichen Propagandaapparat beherrschte und auch den Rundfunk häufiger benützen konnte als seine Widersacher,
— jawohl, es ist so! —, war es ihm gelungen, das badische Wählervolk, besonders auf dem Lande einseitig in Richtung auf die Gegnerschaft zum Südweststaat zu beeinflussen.
Mit der Zeit ist es Herrn Wohleb auch gelungen, die Neutralitätserklärung des Landesparteiausschusses vom August 1948 unwirksam zu machen. Denn seit dem Wahlkampf zum Bundestag ist die Südweststaatfrage mehr und mehr zur Parteifrage geworden.
Die immer lauter werdenden Drohungen gewisser Altbadener Kreise, die badische CDU durch Gründung einer neuen Partei zu sprengen, haben auch die seither in der Ländervereinigungsfrage neutrale Parteileitung immer stärker an die Seite der Altbadener gedrängt. Vor der Volksbefragung im vergangenen Jahre ist es diesen Kreisen sogar gelungen, den Herrn Erzbischof, wenn auch nicht zu einer amtlichen Stellungnahme des Episkopats, so
doch zu einer persönlichen Erklärung für die altbadische Lösung zu veranlassen.
Diese Erklärung des Herrn Erzbischofs, die mit dem Herrn Staatspräsidenten Dr. Gebhard Müller auch viele badische Diözesanen bedauerten, hat mit zu der Mehrheitsentscheidung gegen den Südweststaat beigetragen.
Daß man auch versuchte, auf den Herrn Bundeskanzler einzuwirken, erhellt schon aus der Tatsache, daß zu dem Zeitpunkt, als der Bundestag in der Südweststaatfrage wieder initiativ wurde, regierungsoffiziöse Presseverlautbarungen davon sprachen, die Regelung der Ländervereinigung nach Art. na des Grundgesetzes solle auf einen späteren Zeitpunkt vertagt werden. Um auch die Haltung des Bundesrats zu beeinflussen, erschienen geschickt lancierte Artikel über die Ablehnung des Südweststaates durch Hamburg und Bremen wegen seiner präjudiziellen Bedeutung für innergebietliche Neuordnungsbestrebungen anderer Länder. Erfreulicherweise sind, wie schon der Herr Berichterstatter in der zweiten Lesung betonte, die erhobenen Behauptungen durch eindeutige Erklärungen des Herrn Bundesministers des Innern vor dem Ausschuß für innergebietliche Neuordnung widerlegt worden.
Der uns heute zur dritter Lesung vorliegende Entwurf entspricht im wesentlichen dem von den Abgeordneten Kiesinger, Gengler und Genossen eingebrachten Initiativantrag und ist, wie in der zweiten Lesung berichtet wurde, dem Hohen Hause zur Annahme empfohlen worden. In der Aussprache der zweiten Beratung ist von den Vertretern der Minderheit immer wieder der Vorwurf der Majorisierung Südbadens erhoben worden. Wenn solche Behauptungen auch nicht dadurch wahrer werden, daß sie immer wiederholt werden, so sei den vermeintlich Vergewaltigten doch zu ihrem Trost gesagt: Wenn erst der durch alliierten Beschluß noch suspendierte Art. 29 des Grundgesetzes in Kraft gesetzt sein wird — wir hoffen, daß es bald geschieht —, besteht ja eine gesetzliche Möglichkeit, sich auf Grund dieses Artikels innergebietlich neu zu orientieren.
Eine zweite in der Auseinandersetzung wichtige Frage war die Regelung der Abstimmungsberechtigung. Die Minderheit versuchte, wie es auch die heutigen Anträge wieder zeigen, dem Geburtsprinzip zum Durchbruch zu verhelfen. Ganz abgesehen von den technischen Schwierigkeiten, die seiner Durchführung entgegenstehen, können wir auch aus anderen Gründen der Auffassung der Minderheit nicht beitreten. Wir haben immer den Stand punkt vertreten, daß man die proklamierte Gleichberechtigung der Heimatvertriebenen wo irgend möglich auch praktizieren müsse. Soll der Heimatvertriebene, der sich in einem der Länder des Südwestens niedergelassen hat, soll der Evakuierte mit seiner neuen Heimat verwurzelt werden, dann muß man ihm auch das Recht geben, über die Gestaltung der Zukunft dieser neuen Heimat mitzubestimmen. Je mehr man ihm Gelegenheit zur Mitentscheidung gibt, desto rascher wird in ihm ein echtes Heimatgefühl wach werden. Aus diesem Grunde bejahen wir im Gegensatz zur Minderheit die Abstimmungsberechtigung aller nach den landesgesetzlichen Bestimmungen Wahlberechtigten, die ein Vierteljahr ihren ständigen Wohsitz im Abstimmungsgebiet haben.
Mein Parteifreund Professor Schmid hat schon in der zweiten Lesung unseren Standpunkt zur Einteilung der Wahlbezirke und zur Frage der Auswertung der Stimmen dargelegt. Er hat in seinen Rechtsausführungen auch zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzentwurfs Stellung genommen und sich der Mehrheitsauffassung des Rechtsausschusses angeschlossen. Damit erübrigt es sich, heute noch einmal auf einzelne Teile des Gesetzentwurfes einzugehen.
Ich möchte aber meine Ausführungen nicht abschließen, ohne noch mit einigen Sätzen zu der Rundfunkansprache des Herrn Staatspräsidenten Wohleb vom 12. März 1951 Stellung genommen zu haben. Der Regierungschef des Landes Baden ist in seinen Ausführungen über das Ergebnis der Abschlußberatungen auf die Vorgeschichte des Südweststaates nicht eingegangen; sonst hätte er seinen Hörern sagen müssen, daß die in Art. 118 Satz 1 des Grundgesetzes vorgesehene vertragliche Regelung des Länderzusammenschlusses allein an seinem Widerstand gescheitert ist. Er hätte weiter mitteilen müssen, daß sein Ministerkollege aus dem Nachbarland Württemberg - Hohenzollern, Herr Staatspräsident Dr. Gebhard Müller, mit beispielloser Geduld während zweier Jahre bemüht gewesen ist, eine Verständigung unter den Verhandlungspartnern herbeizuführen. Er hätte auch zugeben müssen, daß eine gleiche Bereitschaft zur Verständigung seinerseits fehlte. Anstatt auch dieser Rundfunkrede die alte Devise voranzustellen: „Ich will Badener bleiben" und daraus die nach seinem seitherigen Verhalten einzig mögliche Schlußfolgerung zu ziehen: „Deshalb lehne ich alles ab, was den Südweststaat herbeiführen könnte", erhob der badische Regierungschef gegen die Bundestagsausschußmehrheit und die beteiligten Regierungen den unqualifizierten Vorwurf — ich zitiere jetzt wörtlich —, „einen Rechtsbruch zur Grundlage des Südweststaates zu machen".
In seinen weiteren Ausführungen bezeichnete der Chef der badischen Regierung die Volksabstimmung über den Südweststaat als eine scheindemokratische Akklamation
nach dem Muster vergangener Auch-Abstimmungen,
wohl ein Hinweis auf in der Nazizeit geübte Methoden. Er kennzeichnete die Abstimmung als undemokratisch und verfassungswidrig; denn er sagte, sie umkleide den Abstimmungsvorgang nur mit einer demokratischen Fassade und hätte dazu noch eine Vergeudung von Steuergeldern zur Folge.
In weiteren Ausführungen zur staatsrechtlichen Seite des Problems wird gegenüber den Befürwortern des Südweststaates der Vorwurf erhoben, sie würden eine die nationalen Interessen verletzende Handlung begehen. Nach Auffassung des Herrn Staatspräsidenten Wohleb würde es nach Annahme des Gesetzes für die Bundesrepublik nicht mehr möglich sein, andere durch die Siegermächte getroffenen Gebietsregelungen grundsätzlich abzulehnen. Sollte dabei etwa auf die Saar und die Oder-Neiße-Linie abgezielt sein? Er unterstellte den Bejahern des Südweststaates die Tendenz, über den Südweststaat zum zentralen Massenstaat. zu gelangen.
Schließlich knüpfte der badische Regierungschef an eine Entschließung des sozialdemokratischen Bezirksparteitages der Pfalz, die die von der Besatzungsmacht gezogenen Landesgrenzen ablehnte, die Folgerung, daß sich bei der Sozialdemokratie die Auffassung nach dem beabsichtigten Zweck richte. Für die den Südweststaat Bejahenden sei die gefährliche Nazitendenz richtungweisend, die schon einmal das deutsche Vaterland zugrunde gerichtet habe: Recht sei, was dem Südweststaat nütze, Unrecht aber, was ihn verhindern könne.
Unter Hinweis auf die dem südbadischen Volk zugefügte Vergewaltigung durch Majorisierung kündigte der Herr Staatspräsident die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts an, das letztinstanzlich entscheiden solle, ob Recht Recht bleiben solle.
Wenn sich der Chef einer deutschen Landesregierung zu solchen Entgleisungen in einer Rundfunkrede hinreißen läßt
— das sind Entgleisungen, Herr Hilbert —,
kämpft er in schwacher Position, und dann muß es um die Stärke seiner Gegenargumente zur Sache schlecht bestellt sein.
Und wenn nun die Gefolgsleute des Herrn Staatspräsidenten Wohleb, zu denen Sie gehören, Herr Hilbert,
mit der Drohung einer Parteispaltung auf Regierung und Regierungsparteien einen Druck ausüben wollen
— im gewöhnlichen Leben nennt man so was Erpressung —,
um ein von der Mehrheit des Hohen Hauses in zweiter Lesung beschlossenes Gesetz noch zu Fall zu bringen, so kennzeichnet ein solches Vorgehen einen Geist, der nur in der Eigenwilligkeit und im Parteiegoismus seine Wurzeln hat.
In diesem Falle wird also das Parteiinteresse über das Volkswohl gestellt.
Das Urteil über eine solche Politik überlassen wir dem Hohen Hause und bei der Volksabstimmung der badischen Wählerschaft.
Für meine Freunde darf ich erklären, daß wir der Gesetzesvorlage in der jetzigen Fassung zustimmen werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kopf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Im Namen des Fortschritts" werde der Südweststaat gebildet, haben wir bei der zweiten Lesung sagen hören. „Im Namen der Restauration" werde die Wiederherstellung der alten Länder erstrebt. Wir sind der Auffassung, daß man mit diesen großen Vereinfachungen sparsam umgehen sollte, auch dann, wenn sie wie künstliche Perlen glänzen, und auch dann, wenn das Pathos der großen Revolution in ihnen nachhallt. Im Zeichen des Fortschritts ist die Welt in ihr tech-
nisches Zeitalter eingetreten. Im Zeichen des Fortschritts hat sie sich die Waffen geschmiedet, durch die die Wunden entstanden sind, die noch nicht vernarbt sind. Wenn auch wir das mit einer Art von Vereinfachungen etikettieren wollten, was wir empfinden, dann müßten wir sagen, daß wir die Bildung des Südweststaates als eine Lösung empfinden, die unorganisch, mechanistisch, rationalistisch und aufklärerisch ist.
— Ich weiß nicht, was Sie, Herr Professor, meinen. Ich glaube, daß die Konzeption des Südweststaates ihren Ursprung einem dreifachen Irrtum verdankt: einem Irrtum des Gefühls, einem Irrtum der Vernunft und einem Irrtum des Kalküls. Einem Irrtum des Gefühls insofern, als ihm der unbegründete Optimismus zugrunde liegt, als ob der größere Raum schlechthin schon die bessere Lebensmöglichkeit gewährte, als ob dem größerem Raum das größere Glück einer größeren Anzahl von Menschen entspräche. Gerade das Land Württemberg, unser Nachbarland, ist ein Gegenbeispiel. Gerade dieses Land, das so viele hervorragende Begabungen auf dem Gebiet der Wirtschaft und des Geistes hervorgebracht hat, lehrt uns, daß die Enge des Raumes die Weite des Blickes nicht ausschließt und daß die räumliche Begrenzung den -Blick über die Grenze durchaus zuläßt.
Der zweite Irrtum aber ist wohl ein Irrtum der Vernunft. Er entspringt dem Denken, daß eine künstliche Konstruktion, das Gebilde des Südweststaates, zweckmäßiger und wünschenswerter sei als die historisch gewachsenen Länder.
Der dritte Irrtum ist ein Irrtum des Kalküls. Es ist die vermeintliche Berechnung, daß die Zusammenlegung von Behörden und Dienststellen allein schon eine Verbilligung mit sich bringe und daß diese Verbilligung den Einsatz wert sei, ein Irrtum, auf den ich nachher noch zurückkommen werde.
Wenn Sie mich nun fragen: Was ist eigentlich der Antrieb dafür, daß wir Badener uns diesem Gedanken des Südweststaates, den wir als eine künstliche Konstruktion empfinden, entgegensetzen? —, dann möchte ich sagen: so wichtig die wirtschaftlichen Argumente auch für uns sind und so wenig sie von uns unterschätzt werden, so kommt unsere Entscheidung zunächst doch aus politischen Quellen. Ich glaube, es kann nicht kürzer und prägnanter als mit den Worten ausgedrückt werden, die vor 30 Jahren, als nach dem ersten Weltkrieg schon einmal der Gedanke des Südweststaates von Württemberg her an uns herangetragen worden ist, ein Badener gesagt hat, ein badischer Konservativer, der zugleich ein badischer Demokrat war, Adam Röder. Er schrieb damals, am 4. April 1919, in der „Süddeutschen Korrespondenz":
Ober den Stammesarten innerhalb des Reiches stehen die gewordenen Staatsgebilde. Diese sind geschichtlich legitimiert. In Baden hat sich zweifellos, trotzdem drei Stämme in ihm wohnen: Alemannen, Franken und Schwaben, dazu noch die Pfälzer als Separat-Franken, ein badisches Staatsgefühl herausgebildet, das alle Stämme als Exponenten ihres politisch gegliederten Daseins ansehen. Der Staat Karl Friedrichs hat sich aus der Kunstschöpfung zu einer natürlichen erhoben.
Es ist darin gesagt worden, daß — gleichgültig, wie die Umstände der Staatswerdung gewesen sind — aus diesem vielleicht durch Zufall ins Leben gerufenen Staat ein wirklicher und ein echter Staat geworden ist und daß sich in diesem Staat auch ein wirkliches Staatsgefühl herausgebildet hat. Diejenigen von Ihnen, die den Vorzug — oder ich möchte sagen: das Glück — hatten, in einem wohlgeordneten, gut verwalteten und räumlich überschaubaren Gliedstaat Deutschlands heranzuwachsen, werden für das Wort „Staatsgefühl" Verständnis haben, das anderen vielleicht dazu dienen könnte, Ärgernis zu nehmen. Wir glauben tatsächlich, daß es nicht nur ein badisches Heimatgefühl, sondern auch ein badisches Staatsgefühl gegeben hat und gibt und daß sich dieses Staatsgefühl zu einem deutschen Staatsgefühl durchaus ausweiten kann und daß die tiefsten Quellen und Wurzeln dieses deutschen Staatsgefühls gerade in den Gefühlen liegen, die uns mit dem engeren Raum verbinden. Das ist wohl die eine Quelle unseres Widerstandes, eines Widerstandes, der nicht, wie es der verehrte Kollege Schmid neulich gesagt hat, mit den berüchtigten Dreschflegeln geführt wird, deren zugreifenden Schlag er bereits befürchtet hat, sondern nur mit der Kraft der Herzen.
Aber es kommt etwas zweites.
— Es kommt etwas zweites hinzu. Wenn Sie die badische Geschichte verfolgen, werden Sie sehen, daß Baden, das als eines der ersten Länder seine Verfassung erhielt, die Pflegestätte der demokratischen Tradition war. Es waren im Zeitpunkt der Nationalversammlung in der Pauls-Kirche, im Zeitpunkt der 48 er Revolution, aber auch in den spä- teren Jahrzehnten führende Demokraten, die von diesem kleinen Lande aus das Gesicht der liberalen Demokratie ganz Deutschlands mitbestimmt haben. In diesem großen Zug der Toten, derjenigen Toten, deren geistige Nachfahren heute im Begriff stehen, das Land Baden zu zerschlagen, standen Rotteck und Welcker; und ich möchte auch Hecker und Struve nicht ausschließen.
— Er war Wahlbadener, soviel ich weiß.
— Er war länger als drei Monate Wahlbadener. — Ich möchte auch nicht die Männer ausschließen, die nach dem ersten Weltkrieg in die Bresche gesprungen sind, nicht Konstantin Fehrenbach und auch nicht Friedrich Ebert. Ich möchte sagen, daß diese demokratische Linie, dieses geistige Erbe, in Baden das Gemeingut aller Parteien und des ganzen Badischen Volkes geworden ist. Es ist ein merkwürdiges Paradoxon, daß ausgerechnet die geistigen Nachfahren dieser Traditionslinie nun im Begriff stehen, das Land zu zerschlagen, das sich während eines vollen Jahrhunderts mit Recht als eine Pflegestätte der Demokratie bezeichnen durfte. So möchte ich Ihnen sagen: der zweite Grund, weshalb wir Baden erhalten wissen wollen, ist der, daß wir es gerade als diese Heimstatt unserer demokratischen Freiheit erhalten wissen möchten.
Es ist von dem Südweststaat gesagt worden: wir müssen einen Block bilden, einen Block vor allem gegen das allzugroße Bayern. Uns verbinden jahrzehntelange freundschaftliche Beziehungen gerade
mit Bayern. Wir sind nicht daran interesisert,
irgendwie an einer Blockbildung mitzuwirken. Wir
sind kein Block, wir sind eine Brücke, die uns vor
allem auch mit dem Westen und dem Südwesten,
mit Frankreich und mit der Schweiz verbindet.
— Sie wissen, daß wir immer eine Brücke zu Württemberg gewesen sind.
Meine Damen und Herren! Baden ist lebensfähig, wenn es aas ganze Baden ist. Wir wollen aas ganze Baden. baden ist wirtschaftlich lebensfahig. Es bildet eine Einheit, die durch den Bogen des Rheins zusammengetaßt ist. Dieses Land ist durch seine Bodenscnaize und seine Fruchtbarkeit besser und auch reicher gestellt als Wurttemberg. Bauen beherbergt, wie die alle wissen, Minerale der verschiedensten Art. Es behei bergt die Wasserkrafte, an deren Ausbau Wurttemberg im Jahre 19z0, als die ersten Maßnahmen getrosten wurden, nicht teilnehmen wollte. Heute, nachdem das badische Volk eine halbe Milliarde Mark aufgewendet hat, um diese Wasserkrafte auszubauen, durfte Wurttemberg allerdings sehr stark daran interessiert sein, an ihnen auch teilzuhaben. Baden hat eine wohl dezentralisierte Wirtschaft. Wir befurchten allerdings — und das darf ich offen hier aussprechen —, daß die Verbindung mit Wurttemberg manche Benachteiligungen fur unsere Wirtschatt bringen kann. Die Wirtschaft ist freizügig. Sie be-dart zu ihrer Entfaltung an sich nicht der Aufhebung der politischen Grenzen. Wohl aber ist zu befurchten, daß die politische Einflußnahme Kraftströme, die im Lande Baden vorhanden sind, in andere Gebietsteile abzulenken vermag. Ich denke an das scharfe Konkurrenzverhältnis zwischen dem Rhein —Neckar-Kanal, der tariflich begunstigt ist, und den Rheinhäfen von Mannheim, Karlsruhe und Kehl, die ja bis heute nicht wieder ihren vollen Aufbau erfahren konnten. Ich denke an die Ablenkung des Verkehrs. Ich denke daran, daß die Autostraße, die an sich durch die natürliche Rheintallinie vorgesehen war, bei Bruchsal abgebogen worden ist und dort nicht nach dem Süden zur Schweiz, sondern nach dem Osten, nach Stuttgart und München, verläuft. Ich denke daran, daß versucht worden ist, den Bahnverkehr gleichfalls nach Osten abzuleiten. Wir befürchten auch hier Benachteiligungen für die Zukunft.' Wir wären sehr wohl dazu bereit gewesen, im Rahmen der Erhaltung unserer Staatlichkeit in all den Punkten, in denen berechtigte württembergische Interessen vorliegen, das Angebot einer Verwaltungsgemeinschaft, vor allem auch bezüglich der Wasserkräfte, der Wasserkraftwerke und auch der anderen Wasserbevorratung, zu machen.
Baden ist aber nicht nur wirtschaftlich, es ist auch finanziell lebensfähig, wenn es nur das ganze Baden ist. Das relativ kleine kassenmäßige Haushaltsdefizit des Landes Baden erklärt sich aus den überhöhten Besatzungskosten und den sehr hohen Sozialausgaben. Diese Sozialausgaben betragen in Baden 80 Millionen DM, während sie in Nordwürttemberg-Baden, soviel ich weiß, wesentlich weniger betragen. Wir sehen mit Erstaunen, daß die finanzpolitische Lage Nordbadens sich keineswegs verbessert hat, daß das Aufkommen an Einkommensteuer und Umsatzsteuer in den letzten Jahren durch die Verbindung mit Württemberg zusehends zurückgegangen ist, während sich das badische Steueraufkommen in einer aufsteigenden Linie bewegt hat. Wir sehen aber auch, daß in Baden immer eine sparsame Verwaltung gehandhabt worden ist. Es ist uns von anderer Seite gesagt worden, die Zusammenlegung der Länder habe wesentliche Ersparnismaßnahmen zur Folge.
Es gibt über diesen Punkt wohl kein unbefangeneres Zeugnis als das, das der WürttembergischBadische Städteverband am 12. November 1949 geschrieben hat und das ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten vorlesen darf:
Es ist ebenso beliebt wie irreführend, den Südweststaat zu fordern wegen der dabei zu erzielenden Ersparnis an Verwaltungskosten; denn eine solche Ersparnis kann, jedenfalls in einem irgendwie fühlbaren Ausmaß, aus diesem Anlaß nicht entstehen, einmal weil die Kosten der obersten Regierungsorgane, die hier allein in Betracht kommen, nicht so hoch sind, daß sie bei einem Etat von 1700 Millionen DM eine Rolle spielen, vor allem aber deshalb, weil durch die mit der Bildung des Südweststaates fest verbundene Einrichtung von 4 Regierungsbezirken jede etwa mögliche Ersparnis mehr als ausgeglichen wird.
Ich habe diesen Worten des Württembergisch-Badischen Städteverbandes meinerseits nichts hinzuzufügen.
Es ist nun dem Hohen Hause in dritter Lesung der Entwurf des Ausschusses vorgelegt worden, der die Abstimmung in den vier Abstimmungsbezirken vorsieht. Ich habe in der zweiten Lesung bereits die rechtlichen Bedenken ausführlich vorgetragen, die wir gegen diese Lösung haben.
— Es waren rechtliche Bedenken, und eines von ihnen ist sogar vom Herrn Kollegen Schmid als ein ernstes Bedenken bezeichnet worden. Ich werde diese rechtlichen Bedenken heute nicht wiederholen. Aber ich möchte Ihnen sagen, daß wir in diesem Abstimmungsmodus, den Sie uns vorschreiben wollen, nicht nur die Verletzung von Rechtsvorschriften, sondern auch eine Unbilligkeit erblicken, weil hier ein Abstimmungsergebnis, das von anderer Seite gewünscht wird, uns auf gezwungen wird. Wir müssen diese rechtlichen Bedenken aufrechterhalten.
Es ist vom Herrn Kollegen Maier darauf hingewiesen worden, daß die Verhandlungen, die in den zwei oder drei Jahren zwischen den verschiedenen Staatschefs geführt worden sind, nicht zu einem Ergebnis geführt haben. Auch ich bedaure das. Aber wenn Sie fragen, worauf dieser Mißerfolg zurückzuführen ist, dann doch nur darauf, daß von den anderen Verhandlungspartnern stets und immer nur das eine Ziel der Bildung des Südweststaates als Richtschnur genommen worden ist,
während von badischer Seite immer verlangt worden ist: Wir wollen die Freiheit der Entscheidung haben. Und um diese Freiheit der Entscheidung geht es auch heute. Wir können in der Ausschußvorlage nicht die Grundlage für. diese Freiheit der Entscheidung erblicken. Wir haben daher Abänderungsanträge gestellt. Wir haben auf den in zweiter Lesung gestellten Antrag verzichtet, die Ermäch-
tigung des Herrn Bundesinnenministers zu streichen. Unsere verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Ermächtigung und auch gegen eine Reihe von Übergangsvorschriften bleiben aufrechterhalten. Wir haben auch Bedenken vor allem dagegen, daß die rechtliche Regelung dieses Entwurfs in einer ganzen Reihe von Punkten die Autonomie der Länder, die bis zum Verschmelzungsprozeß erhalten bleiben soll, beseitigt. Wir haben hierzu keine Anträge gestellt. Wir haben auf den Antrag bezüglich des Geburtsprinzips verzichtet. Lediglich unsere Hauptanträge zu §§ 3, 6 und 10 erhalten wir aufrecht.
Meine Damen und Herren! Vor diesem Hohen Hause und vor dem deutschen Volke möchte ich namens der badischen Abgeordneten der CDU unsere Rechtsverwahrung zum Ausdruck bringen gegen die Nichtberücksichtigung der alten Länder bei der Abstimmung,
gegen die Zugrundelegung der Besatzungsgrenzen und gegen die Majorisierung des badischen Volkes gegen seinen Willen. Der Segen der Erde ruht nicht auf dem Bruch des Rechts. Wenn in diesem Hohen Hause sich heute eine Mehrheit dafür finden sollte, um das Ende des Landes Baden, das immer auf der Seite der Freiheit stand und das seinen einzigen Ruhm in der Entfaltung seiner demokratischen Einrichtungen erblickte, durch eine Kränkung des Rechts zu besiegeln, dann allerdings senkt sich die Fahne Badens in Trauer und Schmerz.
Meine Damen und Herren! Bevor ich das Wort weitergebe, darf ich zum Ablauf der heutigen Tagesordnung auf folgendes hinweisen. Es bestand im Ältestenrat Einvernehmen darüber, nach Möglichkeit den Punkt 2 der Tagesordnung: Wahl der Wahlmänner zur Wahl der Richter beim Bundesverfassungsgericht, nicht zu spät im Laufe der Tagesordnung zu behandeln, da eine größere Zahl von Abgeordneten an Versammlungen anläßlich der verschiedenen Wahlkämpfe teilnehmen müssen. Ich schlage Ihnen vor, die allgemeine Besprechung zu Punkt 1 zu Ende zu führen, dann die Wahl vorzunehmen und darauf die Einzelbesprechung folgen zu lassen. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist. Ich bitte, sich also darauf einzurichten, daß die Wahl der Wahlmänner etwa um 15 bis 15 Uhr 15 Minuten stattfindet.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Fink.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den eingehenden Erörterungen über die Neugliederung in den Ländern Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern, wie sie am vergangenen Donnerstag und auch im Verlaufe der heutigen Sitzung bereits stattgefunden haben, erübrigt es sich, das Gesamtproblem des Südweststaates unsererseits noch einmal ausführlich zu behandeln. Trotzdem muß bei der heutigen dritten Lesung auf einzelne wichtige Punkte mit allem Nachdruck erneut eingegangen werden, ehe über die Zukunft und das Schicksal eines deutschen Landes und seines Volkes endgültig entschieden wird.
Herr Kollege Dr. Schmid hat in der 136. Sitzung das Wort geprägt, daß wir nur dann von Demokratie sprechen können, wenn wir alle bereit sind, uns dem Beschluß einer Mehrheit zu unterwerfen. Ein gutes Wort! Nur darf man dann in Konsequenz dieser durchaus demokratischen Auffassung der Demokratie nicht dadurch in den Rücken fallen, daß man nicht die natürliche und die rechtlich gegebene Mehrheit sprechen läßt, sondern die Entscheidung über einen so wichtigen Punkt einer künstlich geschaffenen Mehrheit anheimstellt, die von Interessenten einer bestimmten Richtung geschaffen wurde,
die zwar Demokratie sagen, aber Majorisierung meinen, wenn auch diese Tatsache in der letzten Sitzung und ebenso heute wiederholt bestritten worden ist.
Warum sträubt man sich denn auf seiten der Befürworter des Südweststaates so sehr dagegen, daß das badische Volk in seiner Gesamtheit bei der bevorstehenden Abstimmung für sich entscheiden soll? Doch nur deswegen, meine Damen und Herren, weil man heute schon weiß, daß dann das Ergebnis den Intentionen der nichtbadischen Südweststaatler eben nicht entsprechen würde.
Wo bleibt hier das Recht, wo bleibt hier die Demokratie? Und wo bleibt, frage ich, die Schädigung der Sache des ganzen deutschen Volkes, wenn die alten Länder Baden und Württemberg wiederhergestellt würden? Ich kann es nicht glauben und kann es ficht einsehen, daß hierdurch gesamtdeutsche Interessen vital berührt werden sollen, wo in der Tat nur sehr begrenzte lokalstaatliche, auf territoriale Vergrößerung hinzielende Interessen bestimmend sind.
— Doch, es stimmt, Herr Kollege Freudenberg!
Es ist weiter von einer den Notwendigkeiten entgegenstehenden „Restaurierung" gesprochen worden und der Tenor dieses Wortes hat sehr nach dem Sinn von „Reaktion" hinübergeklungen. Aber Reaktion und Restauration sind doch nicht ohne weiteres gleichzusetzen. Reaktion erstrebt in vielem wirklich Überkommenes, tatsächlich Veraltetes; Restauration will — und Herr Kollege Schmid, Sie können doch so gut lateinisch, wie Sie uns schon so oft bewiesen haben — die Wiederherstellung eines früheren gesunden Zustandes.
— Gerade wir Bayern wissen ja so gut, wie wir uns durch den Gang in eine „Restauration" wieder erfrischen können, wenn wir ermüdet und ermattet sind. —
Die alte Platte, meine Damen und Herren, dieser oder jener deutsche Staat sei für sich nicht lebensfähig und nicht leistungsfähig, ist doch schon so abgespielt, daß man sie nicht immer wieder auflegen sollte. Es handelt sich doch nicht um separatistische Ziele, sondern um die Wiederherstellung eines früheren staatsrechtlichen Zustandes innerhalb des gesamtdeutschen Raumes, der dadurch doch nicht gesprengt werden soll. In diesem gesamtdeutschen Raum hat das alte „Musterländle" Baden, wie man es früher geheißen hat,
immer seine Lebens- und Leistungsfähigkeit bewiesen und wird sie auch in Zukunft zum eigenen Nutzen und ohne Schaden für das Ganze wieder unter Beweis stellen können.
Meine Damen und Herren, die Methode, die in Hinsicht auf die Schaffung des Südweststaates angewandt wird, verstößt gegen das Grundgesetz, da ein Land nicht durch Majorisierung abgeschafft werden kann.
Es geht auch nicht an, die Abgrenzung historischer Länder - und es sind historische Länder, es sind sogar deutsche S t a a t en und nicht nur Länder und Provinzen — nach dem Verlauf einer Autobahn zu bestimmen. Wir sind auch deshalb so besorgt, weil sich hier schon eine gefährliche Entwicklung abzeichnet und anbahnt, die einem künftigen krassen Zentralismus zum Schaden des im Grundgesetz verankerten Föderalismus heute schon bedenkliche Chancen eröffnet, allein schon dadurch, daß nach Schaffung des Südweststaates Süddeutschland im Bundesrat möglicherweise 6, auf jeden Fall 5 Stimmen verlieren wird. Was das bedeutet, brauche ich, glaube ich, im einzelnen nicht darzulegen. Außerdem: was heute diesem Lande widerfährt, kann morgen mit jenem geschehen, und wenn man sich beim Aufkommen solcher künftig jederzeit möglichen Tendenzen auch nicht auf die in Art. 29 des Grundgesetzes erwähnte landsmannschaftliche Verbundenheit, auf geschichtliche und kulturelle Zusammenhänge berufen kann, so wird man doch immer die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit mit großer Überzeugungskraft und Lautstärke vorzutragen wissen.
In der vergangenen Woche wurde in diesem Hohen Hause die Frage der Anwendbarkeit völkerrechtlicher Prinzipien im innerdeutschen Raum verneint. Ich muß gestehen, daß ich solchen Gedankengängen, die schon mehr sophistisch konstruiert sind, wirklich nicht folgen kann. Das Recht der Selbstbestimmung als Grundsatz des Völkerrechts kann nicht nach Willkür für innerdeutsche Verhältnisse außer Kraft gesetzt werden, zumal auch Art. 25 des Grundgesetzes bestimmt:
Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts sind Bestandteile des Bundesrechts. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebiets.
— Aber eben nicht nur Pflichten, sondern auch Rechte!
— In Marburg, Herr Kollege Schmid, wenn Sie das interessiert!
Meine Damen und Herren! Als Vertreter meiner Fraktion und für meine politischen Freunde muß ich deswegen dem Antrage zustimmen, daß nach Ländern abgestimmt wird. Falls dieser Antrag nicht die Zustimmung des Hohen Hauses finden sollte, möchte ich beantragen, daß dann der Antrag des Herrn Kollegen Farke, der in der heutigen Sitzung gestellt wurde, Annahme findet, nämlich in Hinsicht auf das Weiterbestehen des badischen Landes, des badischen Staates in der Zukunft.
Zum Schluß nur noch ein Wort. Sollte im Widerspruch zu diesen Anträgen über den Kopf der badischen Bevölkerung hinweg die Schaffung des Südweststaates beschlossen und zur Tatsache werden, dann kann — auch im Hinblick auf das Völkerrecht — dem badischen Volke nur noch eines übrig bleiben, nämlich vor der Öffentlichkeit des deutschen Volkes und vor der Weltöffentlichkeit gegen eine solche Vergewaltigung seiner staatlichen Interessen und seiner Volksinteressen energischen Protest einzulegen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor einigen Tagen habe ich in der „Welt" vom 21. April 1951 einen Aufsatz gelesen mit dem Titel „Deutschland zwischen Föderalismus und Zentralismus". Es hätte besser geheißen: Föderalismus und Unitarismus. In unvoreingenommener und im allgemeinen objektiver Weise werden hier die zur Zeit marktgängigen Argumente für und noch mehr gegen den föderalistischen Staatsaufbau zusammengestellt. Hauptargument gegen den Föderalismus ist, daß wir es bei unseren heutigen Ländern größtenteils mit künstlichen Gebilden zu tun haben, denen es auch noch anhängt, daß sie von den Besatzungsmächten ohne Rücksicht auf historisch-landsmannschaftliche Zusammenhänge geschaffen wurden, während früher insbesondere die süddeutschen Länder wie etwa Bayern, Baden und Württemberg ein sehr eigenes Profil hatten, dessen Wirkung wir noch heute in der besonderen Art von bäuerlich -handwerklichem Bürgerstolz vor allem im Südwesten verspüren. Dieses Argument ist nicht leicht zu nehmen. Ich glaube tatsächlich, daß weiteste Bevölkerungsschichten in ihrem Bewußtsein mit einigen unserer neuen Ländergebilde noch nicht recht etwas anzufangen wissen.
Man kann natürlich überhaupt verschiedener Ansicht über die Zweckmäßigkeit eines bundesstaatlichen Aufbaues sein. Meine Damen und Herren, ich persönlich bejahe das bündische Zusammenwirken der Glieder, ich bejahe eine Aufgabenteilung im Sinne des Subsidiaritätsprinzips, da sie die beste Erziehung zum demokratischen Mitverantwortungsbewußtsein ist. Ich weiß aber auch, daß andere die Regierungstätigkeit lieber im Sinne einer allgemeinen Planung von einer Zentrale aus aufgefaßt wissen möchten. Wie dem auch sei: Anhänger und Gegner des bundesstaatlichen Prinzips müssen von den gegebenen Tatsachen ausgehen. Eine solche gegebene Tatsache ist für uns das Grundgesetz, in welchem ein gemäßigtes bundesstaatliches Prinzip verkörpert ist. Ob wir diese Struktur des Grundgesetzes begrüßen oder nicht, es ist unsere gemeinsame Aufgabe, daraus das Beste zu machen.
Wenn nun bei Anhängern und Gegnern dieses Prinzips Einigkeit darüber besteht, daß das Funktionieren dieses Prinzips dadurch belastet wird, daß wir zuwenig Länder haben, die im geschichtlichen Bewußtsein ihrer Bevölkerung verwurzelt sind, so sollten wir doch dort, wo ein solches geschichtliches Bewußtsein trotz fünfjähriger Unterbrechung noch lebendig ist, die Realisierung dieses Bewußtseins nicht künstlich unmöglich machen.
Daß das geschichtliche Eigenbewußtsein in den Ländern Baden und Württemberg noch eine Realität ist, erweist sich schon aus der Art und Weise der Debatte für und wider diese alten Länder in diesem Hause. Unserem Disput, wieweit diese alten Länder nun in der Form, in der sie in das Bewußtsein der Bevölkerung eingegangen sind, auf einen Beschluß des Regensburger Reichstages, den
Reichsdeputationshauptschluß, wieweit sie auf Napoleon oder auf die hier rühmend erwähnte Stephanie Beauharnais zurückgehen, wieweit sie auf den Wiener Kongreß zurückzuführen sind, möchte ich nur ein Interesse für berufsmäßige Historiker beimessen. Die Tatsache des in eineinhalb Jahrhunderten gewachsenen Gefühls für die Länder Baden und Württemberg bleibt unabhängig von ihrem Ursprung bestehen. Gerade das sogenannte „Musterländle" Baden hat in diesen anderthalb Jahrhunderten eine mustergültige deutsche und zu seiner Zeit reichstreue Haltung gezeigt,
es hat als erstes süddeutsches Land auf einen Zusammenschluß im Reiche geradezu gedrängt. In Baden hat es niemals, auch nicht in den Jahren nach dem ersten und dem zweiten Weltkrieg, auch nur den geringsten Ansatz etwaiger seperatistischer Neigungen gegeben,
so daß die Unterstellung in dieser Richtung, die auch hier in den Debatten angeklungen ist, als böswillig bezeichnet werden muß, auch vor der Geschichte dieses Landes.
Die gegen die Wiederherstellung der Länder Baden und Württemberg vorgebrachten wirtschaftlichen Gesichtspunkte scheinen mir ebenfalls weitgehend Zweckargumente zu sein. Wir leben nicht mehr in der Zeit vor der Gründung des Deutschen Zollvereins oder gar des Merkantilismus. Wir wünschen nicht, daß die Länder der Bundesrepublik autarke Wirtschaftseinheiten sind, die unabhängig vom Bund ihr Leben fristen können, sondern wir sehen gerade in der gegenseitigen wirtschaftlichen Zusammenarbeit der Länder einen Wesenszug des modernen bündischen Zusammenwirkens. Ländergrenzen sind keine Wirtschaftsgrenzen mehr.
Das Wesen der Wirtschaft liegt nicht in ihrer Verwaltung! Das ist das sozialdemokratische Konzept, das Sie hiermit zum Ausdruck bringen.
Darin liegt der Kern des Unterschiedes unserer Auffassung, Herr Professor Schmid. Es war mir sehr interessant, daß Sie diesen Zwischenruf gemacht haben.
Im übrigen ist sogar dem Restlande Südbaden anläßlich des Finanzausgleichs ausdrücklich bestätigt worden, daß es lebensfähig ist, lebensfähiger als manches andere Land.
Außerdem darf ich an die vom Herrn Bundesfinanzminister geäußerten Vorschläge eines internen Finanzausgleichs zwischen den benachbarten Ländern erinnern. Hier könnte sich die so oft betonte gegenseitige Liebe der Badener und der Württemberger auch ohne einen Südweststaat mühelos bewähren.
Das Schlagwort von der „Kleinstaaterei", das aus einer Zeit stammt, die kein bündisches Zusammenwirken kleiner Staaten kannte, wirkt hier noch stärker als die klugen Worte, die etwa Augustinus oder auch Jacob Burckhardt über die Vorzüge der kleinen Staaten gefunden haben. Denn der Mensch lebt ja bekanntlich nicht vom Brot allein. Das Wesen, das in diesen Staaten liegt, ist auch der kulturelle Zusammenhang, sozusagen das Lebensklima,
das sich politisch hier bildet. Glaubt man wirklich, es sei dem Bund zuträglicher, wenn er nur aus etwa fünf größeren Ländern besteht? Die Erfahrung zeigt, daß es zum mindesten sehr fraglich ist, ob nicht größere Länder schwerer zu der Einsicht zu bewegen sind, daß es Aufgaben gibt, die sich nicht auf Landesebene erfüllen lassen, ob nicht kleine Länder geneigter sind, dem Bunde zu geben, was des Bundes ist.
Eine „Fronde" von drei von fünf großen Ländern könnte allerdings die Politik einer Bundesregierung eher mattsetzen als ein Zusammenspiel kleinerer Gebilde.
Die Gegensätze zwischen den Begriffen „konservativ" und „liberal" — wenn ich das noch aussprechen darf — gehören in vielem den vergangenen Zeiten an. Es wird nicht mehr nur von sogenannten Konservativen anerkannt, daß unsere Geschichte nicht erst mit einem Datum der Gegenwart beginnt, wie man uns dies etwa vom 30. Januar 1933 an glauben machen wollte, sondern daß wir Erben auch der vergangenen Geschichte sind und daß wir die beste Pionierarbeit für die Zukunft dann leisten, wenn wir auf dem festen Boden der Vergangenheit aufbauen, wenn wir das geschichtlich Gewachsene der Zukunft nutzbar zu machen suchen. Ich meine dies nicht im Sinne irgendeiner antiquierten Romantik, die rückwärtsschauend Längstvergangenes erstrebt, wie etwa der hier zitierte schwäbische Kreis der Maximilianischen Reichseinteilung, sondern ich meine hiermit eine Auswirkung des tatsächlich noch Gegebenen.
Trotz alledem wäre es vollkommen verfehlt, hier im Bundestag etwa über die Wiederherstellung der alten Länder zu entscheiden. Das steht uns nicht zu. Wir sollten genügend Selbstbescheidung aufbringen, um das deutsche Volk in diesen Ländern Baden und Württemberg selbst bestimmen zu lassen, ob es in den erst vor fünf Jahren durch die Besatzungsmacht zerschlagenen Ländern Baden und Wirttemberg in unserem Bund leben will oder in einem Südweststaat, wobei schon die Tatsache einer Sonderregelung im Grundgesetz darauf hinweist, daß diese Zerschlagung im Südwesten auf Grund militärischer Zweckmäßigkeiten von uns nicht als endgültig hingenommen wird. Wir sollten, wie gesagt, dem deutschen Volk in diesen alten Ländern die Entscheidung darüber überlassen. Der Gesetzentwurf, wie er uns heute vorliegt, nimmt diese Entscheidung nicht nur vorweg, sondern nimmt sie überhaupt dem beteiligten Volke ab. Seine Wahlkreisgeometrie, die künstlich neu geschaffene Verwaltungsbezirke zu Stimmbezirken macht und die unter Zugrundelegung des Ergebnisses der informatorischen Volksbefragung den Südweststaat herbeiführen will, auch wenn sowohl die Mehrheit der Bevölkerung des alten Landes Baden wie die Mehrheit der Bevölkerung des jetzigen Bundeslandes Baden sich gegen den Südweststaat aussprechen, setzt eine willkürliche Entscheidung des Bundestages an die Stelle einer freien Entscheidung der Bevölkerung.
Um dieses Prinzip auf dem Wege der Vermittlung in dem Gesetz zum Tragen zu bringen, darf ich hiermit einen Antrag zur Güte vorlegen, der darauf abgestellt ist, daß die beiden Stimmbezirke des badischen Landes und die beiden Stimmbezirke des württembergischen Landes sich nicht gegenseitig majorisieren können.
Das Wort hat der Abgeordnete Freudenberg.
Meine Damen und Herren! Wir haben uns in der letzten Woche bei der zweiten Lesung noch einmal grundsätzlich die Standpunkte gegenseitig vorgetragen, die uns bei der Behandlung des Gesetzentwurfes beschäftigen. Ich glaube, es hat sehr wenig Zweck, diese Dinge heute noch einmal grundsätzlich anzuschneiden. Gerade die Ausführungen von Herrn Kollegen Merkatz haben mir bewiesen, daß es sehr schwer ist, jemanden von seiner vorgefaßten Meinung abzubringen. Ich glaube aber, Ihnen doch das eine sagen zu müssen, Herr Kollege Merkatz: daß Sie die Dinge bei uns da unten nicht kennen; denn sonst könnten Sie nicht mit der Hartnäckigkeit, die Ihnen und Ihren Nachbarn so' eigen ist, immer wieder behaupten, daß das badische Volk in seiner Gesamtheit das Ziel will, von dem Sie sprechen. Wir haben uns in Nordbaden schon zweimal dafür entschieden, mit Württemberg zusammenzugehen, und wir sehen durchaus nicht ein, daß wir uns nun von Südbaden her in irgendeine Zwangslage hineinmanövrieren lassen sollen, die mit dem Willen des nordbadischen „Volksteils" einfach nicht übereinstimmt.
Herr Kollege Kopf, Sie haben sich darauf berufen, daß sich die Städte in Württemberg und Baden in einer Erklärung nicht ganz klar für den Südweststaat ausgesprochen hätten. Mir liegt eine Erklärung des württembergisch -badischen Städteverbandes vom 4. September 1950 vor, in der in der Ziffer 6 zusammengefaßt ist:
Die nunmehr fünf Jahre währende Zusammenarbeit zwischen württembergischen und badischen Städten hat ergeben, daß dieses gemeinschaftliche Wirken in jeder Beziehung ersprießlich war und nie zu irgendwelchen Benachteiligungen der einen oder der anderen Gruppe von Gemeinden geführt hat.
Was bei den Städten möglich ist, sollte bei den Ländern nicht unmöglich sein.
Es ist also nicht richtig, daß man überall in ganz Baden auf dem Standpunkt steht, das Zusammenarbeiten mit Württemberg sei unmöglich. Das hat ja auch die Volksbefragung vom 24. September des vergangenen Jahres ergeben, bei der sich gerade die Grenzbezirke für die Zusammenarbeit mit Württemberg ausgesprochen haben.
Mit starker Mehrheit hat sich der Bundestag bei der, zweiten Lesung für den Gesetzentwurf in der vom Ausschuß erarbeiteten Form entschieden. Ich kann nur hoffen, daß es auch in der dritten Lesung bei dieser Entscheidung bleibt. Daß Herr Wohleb nicht kapitulieren wird, hat er uns gesagt. Aber, Herr Wohleb, ich weiß nicht, ob Sie mit Ihrer unverdrossenen Hartnäckigkeit unserem badischen Volk wirklich einen Gefallen erwiesen haben und erweisen.
Ich glaube, daß Sie sich heute in einer ganz stillen
Stunde doch fragen müssen: Wäre es nicht klüger
gewesen, das - vor zwei Jahren getroffene Karlsruher Abkommen Wirklichkeit werden zu lassen?
Man hat im badischen Volk manchmal durchaus den Eindruck, als ob Sie, Herr Wohleb, zum Teil der Gefangene Ihrer Bürokratie seien. Man hat manchmal durchaus den Eindruck, daß der ganze
Streit im letzten Ende darum geht, daß die Bürokratie uns ihren Willen aufzwingen will.
Meine Damen und Herren, wir allerdings stehen auf dem Standpunkt, daß die Zeiten vorbei sind, in denen sich die Bürokratie den Willen des Volkes nach ihrem Geschmack formen kann, und daß jetzt die Zeiten gekommen sind, in denen das Volk seinen Willen sehr klar aussprechen soll und aussprechen muß.
Zum ersten Mal in der deutschen Geschichte kann eine Bevölkerung von sich aus die Entscheidung darüber treffen, wie es seine innere Verwaltung gestaltet haben will. Früher waren es andere Kräfte, die diese Aufgabe gelöst haben. Wir sollten uns nicht immer wieder durch den Zwang oder die Taktik einer Bürokratie, die mit allen juristischen und sonstigen Finessen die Verhandlungen der letzten zwei Jahre erschwert, in die Länge gezogen und damit unserer badischen Heimat Schaden zugefügt hat, hin- und herzerren lassen.
In der ersten und zweiten, aber auch in der dritten Lesung ist uns immer wieder vorgehalten worden, das „badische Volk" solle majorisiert werden. Nein, meine Damen und Herren, das ist nicht richtig. Aber wenn ich den Antrag lese, der heute von einem Teil der CDU-Abgeordneten eingebracht worden ist, so muß ich gerade als Badener doch einmal ganz deutlich aussprechen, daß es mir jetzt langsam so zu sein scheint, als ob den in Württemberg Wohnenden der Wille einer Minderheit, nämlich derer, die in Baden wohnen, aufgezwungen werden soll.
Ich darf als Badener noch betonen, daß die überspitzte Herausstellung badischer Gefühle und badischer Eigenstaatlichkeit nicht dem Willen der Mehrheit der in Baden wohnenden Bevölkerung entspricht. Wenn es eine badische Tradition gibt, so ist es in erster Linie die, niemals eng badisch orientiert gewesen zu sein, gelebt und gehandelt zu haben, sondern in allen Zeiten die engen badischen Landesinteressen denen Gesamtdeutschlands untergeordnet zu haben.
Eine badische Irredenta, die sich nun gar zu einer Kampforganisation, einer Baden-Partei nach dem Willen des Herrn Josef Wirth übersteigern soll,
eine derartige badische Politik ist nicht badische Tradition, sondern ist höchstens eine Tradition der letzten drei oder vier Jahre, über die die badische Geschichte hoffentlich eines Tages mit Schamröte hinweggehen wird.
Unsere Bevölkerung will endlich mit dieser lästigen Frage in Ruhe gelassen werden.
Gerade die jüngere Generation hat kein Verständnis dafür, daß mit Reminiszenzen Politik getrieben wird.
Aber nicht nur die junge Generation, Herr Wohleb,
sondern auch sehr viele alte und erfahrene Leute
vertreten diesen Standpunkt, Leute, von denen Sie
ganz genau wissen, daß sie, solange es ein Großherzogtum Baden gegeben hat, sehr gute Badener gewesen sind. Mit Recht hat einmal einer der führenden Landwirte Nordbadens gesagt: „Ja, Herr Wohleb, ich bin ein sehr guter Badener, aber eines dürfen Sie nicht vergessen: Sie sind eben nicht ganz mehr der Großherzog!"
Herr Wohleb, Sie haben mit Ihrer Politik der letzten drei Jahre eine unnötige politische Unruhe in unser Land getragen.
Weite Kreise wissen allerdings, wie ich vorhin schon sagte, daß Sie zum Teil der Getriebene Ihrer Bürokratie gewesen sind. Ich frage Sie, ob wir, die wir für den Südweststaat sind, irgendwie schlechtere Badener sind als Sie, die Sie glauben, man müsse das Rad der Geschichte zurückdrehen.
Nun darf ich aber zum Schluß noch folgendes sagen: Wir, die wir für den Südweststaat sind, sehen in der Zusammenfassung der drei Länderverwaltungen zu einer Verwaltung eine wirkliche Verwaltungsvereinfachung. Wer aus diesem Hause hat nicht in den vergangenen Jahren bei Wahlreden oder sonstwie dem deutschen Volke immer wieder gesagt, daß man nun wirklich einmal anfangen müsse, die Verwaltung zu vereinfachen! Meine Damen und Herren, es geht bei uns da unten sehr vielen nicht in den Kopf, daß eine Arbeit, die von einem geleistet werden kann, von dreien oder zweien geleistet werden muß.
Wenn man mit einer Verwaltungsvereinfachung wirklich ernst machen will, darf man dabei nicht nur von unten anfangen, sondern dann muß man den Mut haben, auch oben einmal Verwaltungen zusammenzulegen.
Das Volk weiß doch viel zu genau, daß sehr viele Behörden davon leben, daß eine Behörde die andere beschäftigt,
und das Volk weiß viel zu genau, daß die überflüssigen Behörden nicht bloß sich selbst beschäftigen, sondern daß sie noch mit dem Leerlauf von Verwaltung die armen Opfer, die Bürger, mit ihren Verwaltungskünsten unnötig beschäftgen.
Deswegen, meine Damen und Herren, kann ich Sie nur bitten, den Beschlüssen, die in der zweiten Lesung in diesem Hohen Hause gefaßt worden sind, Ihre Zustimmung zu geben. Wir sind überzeugt, daß auch in einem südwestdeutschen Staat der badische Einfluß nicht verloren gehen wird; denn die Badener sind Manns genug — wenigstens die, die wir Badener nennen, die die wirkliche badische Tradition kennen —, sich selbst gegen die Württemberger zu behaupten.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hamacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um nicht in den Verdacht zu kommen, den Herr Kollege Freudenberg vorhin ausgesprochen hat, als ginge der eine oder andere Abgeordnete, der hier zu diesem Thema zu sprechen hat, von vorgefaßten Meinungen aus, möchte ich
Ihnen zunächst mit der Erlaubnis des Herrn Präsidenten einen Brief vorlesen, der mir soeben zugegangen ist, und zwar aus der Stadt Karlsruhe, einer Stadt, die doch wohl mehr zu Nord- als zu Südbaden gehört. In diesem Brief heißt es:
Die Debatte zeigt wiederum mit aller Deutlichkeit, wie am Kern des Problems vorbeigedacht und bewußt vorbeigeredet wird.
Bei der ganzen Angelegenheit geht es doch ausschließlich nur um zwei Fragen: erstens: will Baden wieder ein selbständiger Bundesstaat werden?
zweitens: will Baden unter endgültiger Aufgabe seiner Selbständigkeit an Württemberg angeschlossen werden? — Es ist somit eine ausschließlich badische Angelegenheit. Eine Volksabstimmung ist deshalb auch nur in Baden notwendig. Die Wahlkosten für Württemberg könnten gespart werden;
denn der 24. September 1950 hat mit aller Deutlichkeit gezeigt, daß Württemberg den Südweststaat will, weil es dadurch nur gewinnen kann; Baden kann durch den Anschluß aber nur verlieren. Die letzten Jahre haben dafür genügende Beweise erbracht.
Bei den Bevölkerungsverhältnissen von Baden zu Württemberg — 40 zu 60 — wäre aber auch eine Majorisierung der Badener bei oben vorgeschlagener Fragestellung in einer Abstimmung nur in Baden ganz von selbst ausgeschlossen. Wählen dagegen alle vier Landesteile, so wählt natürlich fast ganz Nord- und Südwürttemberg den Südweststaat. Durch die Überzahl der Bevölkerung ergibt sich aber schon hier eine Mehrheit. Eine Volksabstimmung in Baden wäre in diesem Falle illusorisch, ja, vollkommen überflüssig schon deshalb, weil es in Baden wegen der Aussichtslosigkeit gegenüber der Überwältigung nur eine äußerst schwache Wahlbeteiligung gäbe . Und immer wieder: Wären keine Zonengrenzen gekommen, hätte es überhaupt niemals eine Südweststaatfrage gegeben.
Gebt deshalb dem badischen Volke eine echte Chance mit einer Fragestellung in obigem Sinne. Damit wäre eine wahrhaft richtige, demokratische Tat vollbracht. Mag dann die Abstimmung ausfallen, wie sie will: Das badische Volk ist politisch klug genug und würde sich mit dem Mehrheitsergebnis zufrieden geben.
Gerade das letzte Urteil, meine Damen und Herren, kann sich jeder zu eigen machen, der mit der Geschichte Badens einigermaßen vertraut ist. Ich will nicht in vergangene Jahrhunderte zurückschauen, sondern nur noch einen kurzen Blick in das 19. und das jetzige 20. Jahrhundert werfen. Da wird niemand dem badischen Volk das Zeugnis ausstellen, daß es nicht auf Gesamtdeutschland eingestellt gewesen sei und daß es nicht manche Opfer für Gesamtdeutschland gebracht, aber nicht auch manche Persönlichkeiten gestellt habe, die
nicht nur für die badische Heimat, sondern für Gesamtdeutschland Großes, ja Bedeutendes und auch Nachhaltiges geleistet haben. Ich will auf die einzelnen Persönlichkeiten nicht näher eingehen -- ich darf annehmen, daß das dem •einen oder anderen bekannt ist —, sondern will nur noch einen Gedanken hervorheben, der in den beiden vorhergegangenen Debatten wie auch in den Ausschußsitzungen immer wieder durchklang und bei dem ich mich immer wieder fragte: Worum wird denn nun eigentlich gerungen?
Wir sind uns doch bewußt, daß wir hier einen historisch-politischen Vorgang erleben bzw. bei einem historisch-politischen Prozeß mitwirken; historisch in der Rückschau gesehen, weil sich hier das Alte, das gesund ist, gesund gewachsen ist, finanziell sich tragen kann und wirtschaftlich auf jeden Fall entwicklungsreif ist, behaupten will; historisch auch in der Richtung nach vorwärts gesehen, weil es jetzt darum geht, daß wir nicht wieder in den Fehler des Mittelalters der deutschen Geschichte zurückfallen, daß in dem großen geschichtlichen Prozeß der letzten tausend Jahre die Spannung zwischen Einheit und Vielheit in Deutschland nicht zugunsten des Zentralismus, aber auch selbstverständlich nicht zugunsten einer zu weitgehenden Gliederung geht, sondern daß wir hier nach der Spannungseinheit suchen. Hier hat das Parlament zu beweisen, daß es diesen historisch-politischen Prozeß erkennt. Wenn Sie dem Gedankengang des Briefschreibers nachgehen — —
-- Ich habe selten einen so logisch aufgebauten Brief gesehen wie diesen, Herr Professor!
-- Ich freue mich sehr, daß dieser Brief gerade im letzten Augenblick gekommen ist; denn das deckt sich genau mit dem
-- ich habe ihn nicht bestellt, meine Herren —,
was ich in den Ausschußsitzungen immer wieder an Eindrücken gewonnen habe. Ich darf wohl annehmen, daß Sie bei allen Spannungen, die zwischen Ihnen und mir bestehen, Herr Professor Schmid, mir nicht den Vorwurf der Schwachsinnigkeit machen.
— Doch, das sind Spannungen! Denn hier geht es darum: Soll dem badischen Volk und der geschichtlich gewordenen Einheit das Recht auf Eigenleben gewahrt bleiben oder nicht? Die Mehrheit hat zwar im Sinne des Zentralismus, der Zusammenfassung entschieden; aber wer die wahre, richtige Spannungseinheit haben will, der kann nur dem Antrag der Minderheit stattgeben, daß dieses badische Land erhalten bleibt und daß ihm die Möglichkeit gegeben wird, sein Recht eventuell auch beim Verfassungsgerichtshof durchzusetzen; denn das badische Volk hat die Grundgedanken des Grundgesetzes auf seiner Seite, daß es geschichtlich geworden und organisch gewachsen ist, daß es finanziell seine normalen Landesaufgaben erfüllen kann und daß es wirtschaftlich einen Kraftquell in den Schwarzwaldflüssen und Schwarzwaldbächen hat, den es bisher glänzend
ausgenutzt hat und weiter ausnutzen kann. Darum beantrage ich im Namen meiner Freunde, dem Antrag der Kollegen Dr. Kopf und Dr. Jaeger zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Kiesinger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe bei der zweiten Lesung das Wort deshalb nicht ergriffen, weil ich bis zum letzten Augenblick versuchen wollte, ob es nicht eine Möglichkeit gäbe, in dem Raume selber, den diese Entscheidung angeht, noch eine Einigung zu finden. Diese Einigung ist nicht gefunden worden. Ich muß daher heute die Gelegenheit ergreifen, um mein Votum und den Antrag, der neben einer Reihe von Namen politischer Freunde auch meinen Namen trägt, ganz kurz zu begründen; denn ich bin keineswegs mit allen Argumenten einverstanden, die die Freunde des Südweststaat-Gedankens — schauerliches Wort; man sollte sich endlich daran gewöhnen, „Württemberg-Baden" oder „Baden-Württemberg" zu sagen —
vorgebracht haben.
Herr von Merkatz hat recht: Dieses Parlament entscheidet nicht darüber, ob das neue Land gegründet werden soll; darüber entscheidet das zu befragende Volk im Südwestraum. Aber wir haben über das Verfahren zu entscheiden, und es ist klar, daß diese Entscheidung in gewissem Sinne die Entscheidung des Volkes selber beeinflußt.
Ich habe selten so ungern mit einem Gegner die Klinge gekreuzt wie in diesem Falle mit dem Herrn Staatspräsidenten Wohleb und seinen Freunden; denn ich anerkenne durchaus, daß bei der Entscheidung um dieses kommende WürttembergBaden zwei echte Prinzipien, zwei durchaus vertretbare, legitime Auffassungen, miteinander streiten. Ich kann nicht zustimmen, wenn von seiten einiger unserer badischen Freunde gesagt wird, die alten Länder Württemberg und Baden bestünden de iure noch. Sie bestehen nicht mehr!
Sie sind nicht zerstört worden durch ein paar Striche, die Offiziere der Besatzungsmächte einst über die Landkarte gezogen haben,
sondern sie sind dadurch untergegangen, daß die Bevölkerung in diesem Gebiet eben das Fazit gezogen hat, daß sie Landtage gewählt hat, daß Regierungen bestellt worden sind.
Wir haben nun einmal neue Länder in diesem Raum, und wer unvoreingenommen das Grundgesetz liest, kann sich der Meinung nicht entziehen, daß auch das Grundgesetz diese Auffassung teilt. In Art. 118 heißt es:
Die Neugliederung in dem die Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern umfassenden Gebiete kann abweichend ... erfolgen.
Dabei anerkenne ich aber durchaus, daß es sehr wohl noch eine starke württembergische und badische Tradition gibt, und ich kann verstehen, daß es
Badener gibt, die bei dieser Entscheidung das alte Baden wieder hergestellt wissen wollen. Vielleicht gibt es auch Württemberger, die das alte Württemberg hergestellt wissen wollen. Ich habe jedenfalls solche Leute schon gehört. Und wenn ich unsere badischen Freunde manchmal argumentieren höre — auch heute ist es wieder geschehen —, daß wir Württemberger als Eroberer auszögen, um badische Reichtümer mit nach Hause zu bringen, dann würde ich auf gut schwäbische Weise dem ein kurzes, aber kräftiges „Ha no" entgegenhalten.
Württemberg hat genug. Nicht nur Uhland hat den Reichtum, den bescheidenen Reichtum, die solide Wohlhabenheit Württembergs besingen können; auch heute ist es ein Land, das sich sehen lassen kann. Wenn wir in Württemberg und im besonderen wir in Württemberg-Hohenzollern eine neue Lösung anstreben, dann deswegen, weil wir bei aller Anerkennung des Standpunkts badischer Freunde sagen müssen: Es gibt eine Tradition des Südwestraums nicht erst seit dem Reichsdeputationshauptschluß und seit 1815.
Herr Hamacher hat eben gesagt, er wolle nicht in die früheren Jahrhunderte zurückgreifen. Warum, Herr Kollege Hamacher, wollen Sie beim Jahre 1815 Halt machen? Für mich jedenfalls war es eine der erstaunlichsten Tatsachen, daß gerade die Bevölkerung Oberschwabens, die Bevölkerung auch meines Wahlkreises vom Bodensee am stärksten den Wunsch nach der Gründung eines neuen vereinigten Landes im Südwesten hat. Den Allgäuer Bauern und den Friedrichshafener Arbeitern kann man wahrhaftig nicht vorwerfen, daß sie nach badischen Reichtümern schielen. Hier lebt vielmehr eine Tradition, die älter ist als die württembergische und badische Tradition und die zurückgeht auf die große alte Tradition insbesondere des Bodenseeraumes vor 1800, des Raumes von der heutigen östlichen württembergischen Grenze bis über den Schwarzwald hinüber zum Rhein. Jeder, der die Dinge unvoreingenommen sieht, muß anerkennen, daß diese Tradition da unten lebt; sie ist eine genau so starke politische Wirklichkeit wie das alte Baden. Wenn man noch daran denkt, daß die stärkste Stütze des badischen und württembergischen Staatsgefühls die Dynastie war und daß diese Stützen im Jahre 1918 weggefallen sind, dann gewinnt diese ältere Tradition eine noch stärkere Berechtigung. Schon nach 1918 lebten daher die Gedanken einer Vereinigung der beiden Länder auf. Diese Vereinigung ist damals nicht zustande gekommen; aber schon damals war es nicht württembergischer, schwäbischer Eroberungsdrang, der dieses Ziel anstrebte.
Meine Damen und Herren! Auch ich bin überzeugter Föderalist. Ich glaube mit Jacob Burckhardt, daß der kleine Staat dazu da ist, echtes demokratisches Staatsbürgertum zu ermöglichen. Aber Föderalist sein heißt nicht, unter allen Umständen das Bestehende erhalten wollen. Man kann sehr wohl auch in diesem Sinne einmal an Fortschritt denken. Im übrigen teile ich die Bedenken, die der Herr Bundestagspräsident hier geäußert hat. Man soll bei Neubildungen dieser Art nicht allzusehr vernünfteln und räsonieren. Hier sind sehr häufig unlogische, aber gewachsene Gebilde sehr viel kräftiger und richtiger. Aber gewachsen ist eben auch das, was wir anstreben, dieses neue Land aus Württemberg und Baden. Fragen Sie einmal unsere Bauern aus dem Allgäu, aus der Gegend von Meersburg — jetzt übers Wochenende bin ich wieder im Lande gewesen —: sie wollen ganz einfach das Neue, weil es das ehrwürdige Alte ist.
— Das ist meine Auffassung! Ich will damit ganz bestimmt nicht späteren Lösungen im Bunde, die mit Rechenstift und Lineal gemacht werden sollten, das Wort reden. Wenn bei der Gründung des neuen Staates nur räsoniert und vernünftelt würde — wie einst von Reitzenstein und Montgelas und unser wohlbeleibter König Friedrich aus bloßem Räsonieren heraus ihre neuen Staaten gegründet haben —, dann würde ich mich weigern, dazu meine Hand zu reichen.
Wir in diesem Raum sind eine besonders geschichtsbewußte Bevölkerung. Vielleicht ist es anderswo nicht so. Wir wachsen von Kindesbeinen an
mit all jenen ehrwürdigen Büchern auf, angefangen mit dem Waltharilied, über den Ekkehard, Hauffs Lichtenstein usw. bis zu Uhlands Balladen.
— Nein, Götz von Berlichingen war ein Franke, Herr Kollege Köhler; ich weigere mich, ihn als Schwaben anzuerkennen. — Wir haben bei all diesen Erinnerungen nie an den württembergischen und badischen Grenzen Halt gemacht. Gewiß gibt es liebenswürdige Unterschiede, und keiner hat diese Unterschiede liebenswürdiger und schöner beschrieben als Wilhelm Hauff in dem schönsten Märchen, das er geschrieben hat, in seinem Märchen vom kalten Herzen. Aber diese Unterschiede sollten uns nicht trennen. Föderalismus — ja! Aber Föderalismus in einer Weise, die von der jungen und der künftigen Generation in Deutschland angenommen wird. Ich bin zutiefst davon überzeugt: wenn uns diese Lösung gelingt und wenn wir uns dann in dem neuen Lande zusammenfinden, dann wird es uns auch gelingen, gegenüber dem drohenden Unitarismus und dem Zentralismus, den ich für ein Unheil und ein Verderben für uns halten würde, ein Land zu schaffen, das fähig ist, nicht nur in sich gesund und stark, sondern auch für den Bund gesund und stark 'zu handeln.
Meine Damen und Herren! Wir haben die berechtigte Hoffnung, in 21 Minuten mit der allgemeinen Besprechung zu Ende zu kommen und um etwa 15 Uhr 30 die Wahl vornehmen zu können.
Das Wort hat der Abgeordnete Mayer .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie wenigstens einem einzigen nordwürttembergischen Abgeordneten einige schüchterne Bemerkungen. Ich will nicht den Versuch machen, mit den Unterstellungen, mit den Vorurteilen aufzuräumen, die auch heute wieder hier strapaziert wurden. Ich will mich auch nicht weiter in geschichtlichen Reminiszenzen ergehen. Einige Sätze nur gegen die Verfälschung der Motive der Anhänger des Südweststaates und gegen die Verfälschung der Motive meiner eigenen politischen Freunde.
Meine Damen und Herren! Was wir vor allem wollen, ist die Beendigung des Status quo. Wir wollen eine Entscheidung so oder so und wenden uns deswegen gegen jeden neuerlichen Versuch der Verschleppung. Meine politischen Freunde und ich wollen den Südweststaat. Man hat uns unterstellt,
das entspringe unserem Willen zum Zentralismus. Ich habe keine Zeit, mich über Zentralismus und Föderalismus mit Ihnen zu unterhalten. Aber ich habe die ernste Sorge — und viele Föderalisten teilen sie mit mir —, daß, wenn es so weitergeht und die Länder so bleiben, wie sie augenblicklich sind, der Föderalismus in Deutschland an sich selbst stirbt.
Er ist doch heute schon denaturiert. Die Länder, die wegen ihrer finanziellen Abhängigkeit auf die Wohlmeinung der anderen angewiesen sind, sind nicht mehr frei. Das letzte Mal hat uns Herr Staatspräsident Wohleb gesagt, es sei doch der Sinn des Bundesstaates, daß in jedem Falle die stärkeren Länder die schwächeren unterstützten. Ich weiß es nicht, ob das der Sinn eines Bundesstaates ist. Auf jeden Fall weigern sich heute schon die stärkeren Länder, den Luxus einer staatspolitischen Eigenständigkeit lebensunfähiger Länder zu finanzieren. Sie kennen die Stimmen nicht nur aus Stuttgart, Sie kennen auch die aus Düsseldorf, und Sie kennen, meine Damen und Herren, letztlich auch die Mahnungen des Herrn Bundesfinanzministers.
In diesem Zusammenhang ein Satz zur Ehrenrettung des Landes, das mir vor fünf Jahren Heimatrecht gegeben hat, ohne mich als „Untermieter" zu behandeln, womit die Heimatvertriebenen im Ausschuß einmal verglichen worden sind, ein Wort zur Ehrenrettung Württembergs! Es ist auch in dieser Debatte wieder aufgeklungen — es wurde vorhin expressis verbis gesagt —, daß die Württemberger den Südweststaat wollten, weil sie darin ihren Vorteil sähen. Meine Damen und Herren, der Vorteil Württembergs aus dem Zusammenleben mit Nordbaden sah doch bisher so aus, daß Nordwürttemberg allein seit der Währungsreform 100 Millionen DM für Nordbaden gezahlt hat. Daß es daneben in einem Jahr noch 22,3 Millionen an Bayern zahlen durfte, über 51 Millionen an Schleswig-Holstein, über 42 Millionen an Niedersachsen und dann noch einiges an die Pfalz und an Hessen, das steht auf einem anderen Blatt. Es ist nicht so, daß die Württemberger um ihres Vorteils willen zu dieser Entscheidung drängen!
Zum Abschluß: Das letzte Mal wurde hier von Herrn Kollegen Hilbert Verwahrung dagegen eingelegt, daß man dieses Gesetz durchpeitschen wolle. Man kann nach den jahrelangen Verhandlungen außerhalb dieses Hauses und nach den wochen-
und monatelangen Verhandlungen im Ausschuß nicht von Durchpeitschen reden. Der andere Vorwurf geht dahin, daß man die Absicht habe, Südbaden zu majorisieren. Wir haben im Ausschuß alles getan, um diesen Vorwurf auszuräumen, und dies hat in der Gesetzesvorlage seinen Niederschlag gefunden. Wir haben nur zu verhindern versucht, daß eine Minderheit eine Mehrheit majorisieren kann.
Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, wer nach mir noch zu sprechen beabsichtigt. Vielleicht bin ich der letzte. Lassen Sie uns doch — ganz gleichgültig, wie heute die Entscheidung fällt — in dem uns bevorstehenden Abstimmungskampf dafür sorgen, daß die Gehässigkeit und Bitterkeit, die durch die ungerechten Unterstellungen hervorgerufen worden sind, ausgeräumt werden, so daß sich nachher in zwei Ländern oder in einem Land die deutschen Menschen des Südwestens wieder zu einer deutschen Aufgabe vereinigen können.
Das Wort hat der Abgeordnete von Thadden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich an ein Wort des Herrn Kollegen Kiesinger anknüpfen. Ich glaube, daß es sich bei dieser ganzen Debatte für oder wider den Südweststaat auch und vielleicht nicht zuletzt um ein Generationsproblem handelt. Die Aufrechterhaltung der alten Länder wird von den betagten Herrschaften verlangt.
— Die ganze jüngere Generation, Herr Präsident Köhler, hat kaum einen Sinn dafür, daß Länder aufrechterhalten werden, die, wie jeder weiß, allein nicht lebensfähig sind.
Wenn der Föderalismus in Deutschland wieder als Bremse gegenüber einem Zentralismus verankert werden soll, wie wir ihn erlebt haben, dann ist unabdingbare Voraussetzung, daß die Länder in einem solchen Staatswesen auch untereinander ausgeglichen und wirklich lebensfähig sind. Ich glaube, daß die Bildung, wie sie angestrebt wird, im südwestdeutschen Raum einen solchen Staat schaffen würde.
Meine Damen und Herren, ich bin der Meinung, daß der Widerstand gegen den' Südweststaat von Bürokratien ausgeht, die immer außerordentlich zählebig sind, und zwar ganz besonders dann, wenn irgend jemand daran geht, sie zu beseitigen.
Ein kleines Argument, das in einer Zeitung stand, möchte ich Ihnen hier einmal bringen. „Die Zeit" schrieb in ihrer letzten Ausgabe:
Südbadens Staatspräsident Wohleb hat Angst, Angst vor einem Südweststaat, der seinen Miniaturstaat verschlingen könnte. Für sein Leben gern möchte er Südbaden erhalten. Gewiß nicht jedes Mittel, anscheinend aber jedes Argument scheint dem wackeren Föderalisten zur Erlangung dieses hohen Ziels recht zu sein. In einer Ansprache über den Bayerischen Rundfunk warnte er dieser Tage davor, die Forderung nach einer Neugliederung im Südwesten mit Größenverhältnissen zu begründen. Denn, so sprach Leo Wohleb, beispielsweise hätten 17 Staaten der USA weniger Einwohner als Südbaden.
Und „Die Zeit" knüpft die Bemerkung daran: Auch unter den Liliputanern gab es manche, die glaubten, Gulliver sei in Wirklichkeit kleiner als sie.
Die CDU, von der hier der wesentliche Widerstand gegen den Südweststaat ausgeht, und gleichzeitig die DP möchte ich auf Flugblätter hinweisen, deren Inhalt gegenüber den hier vorgetragenen Argumenten eine totale Diskrepanz aufweist. Man kann in einem Flugblatt doch unmöglich schreiben: „Den übertriebenen Länderföderalismus lehnen wir ab und treten ein für eine gesunde Selbstverwaltung" und dann fortfahren:
Elf westdeutsche Länder mit ebenso vielen Volksvertretungen und über einhundert Ministern muten im 20. Jahrhundert einigermaßen grotesk an.
Sie belasten zudem nicht nur die öffentlichen Haushalte, sondern auch unsere Gesetzesmaschinerie, die durch den Bundesrat — die Vertretungskörperschaft der Länder — immer wieder gehemmt wird.
Das könnte fast von uns sein,
ist aber von der CDU. Meine Damen und Herren von der CDU, die Sie hier gegen den Südweststaat Sturm laufen, fangen Sie an, die Parole dieses Flugblattes zu realisieren! Streichen Sie von den elf Ländern, die Ihrer Meinung nach zuviel sind, zwei ab, und dann wird die restliche fällige Neuordnung des deutschen Raumes zweifellos leicht über die Bühne gehen.
Das Wort hat der Abgeordnete Fisch.
Meine Damen und Herren! Ich glaube nicht, daß die Angelegenheit dadurch klarer wird,
daß man die Reden heute wiederholt, die vor einer Woche hier gehalten worden sind. Ich denke, die Frage ist klar, und es nutzt nichts, hier Neuauflagen zu veröffentlichen, besonders wenn nichts daran neu ist als das falsche Pathos,
mit dem die Dinge umkleidet werden.
Meine Damen und Herren, der Streit konzentriert sich auch heute wieder um die eine Frage: In welcher Weise soll die Volksabstimmung in den drei Ländern des Südwestens stattfinden? Soll sie auf dem Boden der historischen zwei Länder oder im Rahmen der Länder stattfinden, die durch die Eingriffe der Besatzungsmächte im Jahre 1945 geschaffen worden sind? Wenn man doch seiner Sache so sicher ist, wenn man absolut sicher weiß, daß es sich um eine Handlung im Sinne des „Fortschritts" und der „Vernunft" handelt, wie es von den Befürwortern des Südweststaates vorgetragen wird, dann soll man der Bevölkerung in diesen Ländern getrost das Urteil überlassen, dann sollte man es auch nicht nötig haben, in das Gesetz Bestimmungen einzubauen, durch die das Resultat der Volksbefragung vorweggenommen wird. Darum handelt es sich; um gar nichts anderes! Meine Fraktion ist der Meinung, daß wir keinerlei Ursache haben, solche Machinationen zu unterstützen, die durch die Formulierung der Paragraphen das Resultat der Volksabstimmung vorwegnehmen wollen. Wir haben keinen Grund, irgendwelche offenen oder versteckten Hilfsdienste für die künstliche Herbeiführung des Südweststaates zu leisten, und zwar besonders deshalb, weil wir den Südweststaat für eine ebenso fremde und den Interessen der Bevölkerung ebenso entgegengesetzte Lösung halten wie die drei Länder, die auf Veranlassung der Westmächte im Jahre 1945 geschaffen worden sind.
Wir sind außerdem der Auffassung, daß wir keinerlei Handlung begehen sollten, die sich als ein Hilfsmittel für die amerikanische Politik auf deutschem Boden herausstellt. Der Südweststaat, dessen Bildung und dessen Grenzen politischen und militärischen Erwägungen der Besatzungsmacht entsprungen sind
und den Vorstellungen der amerikanischen Machtpolitik über die Ausbeutung des deutschen Bodens entsprechen, hat keinen Anspruch darauf, von den Menschen dieses Gebietes unterstützt zu werden. Auch deswegen sind wir der Auffassung, daß, wenn schon ein Gesetz geschaffen wird, auf Grund dessen das Volk befragt werden soll, dies so geschehen muß, daß die Befragung auf eine einwandfreie, saubere und demokratische Art vor sich geht. Wenn Sie alles überflüssige Pathos weglassen und sich wirklich auf den Standpunkt stellen wollen, daß das Volk selbst entscheiden soll, dann müssen Sie zur Grundlage die Abstimmungsbezirke nehmen, die den früheren Ländern entsprechen, wie sie in einer hundertfünfzigjährigen Geschichte natürlich gewachsen sind und in der neueren Geschichte unserer Heimat ernst zu nehmende wirtschaftliche und politische Faktoren darstellen.
Aus diesem Grunde, weil wir gegen jede Majorisierung eines Teils der Bevölkerung sind,
weil wir gegen die Mißachtung der demokratischen Grundrechte der Bevölkerung sind,
weil wir gegen die künstliche und dem Volksempfinden und Volkswillen widersprechende amerikanische Lösung des Südweststaats sind, darum werden wir den Antrag unterstützen, der sich dafür ausspricht, daß die Abstimmung auf der Grundlage der zwei historischen Lander durchgeführt wird.
Meine Damen und Herren! Nachdem Wortmeldungen von Mitgliedern des Hauses nicht mehr vorliegen, wünscht ein Vertreter des Bundesrats, Herr Staatspräsident Wohleb, das Wort zu ergreifen.
Wohleb, Staatspräsident von Baden: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man kann sich wirklich die Frage vorlegen,
ob es sich noch lohnt, auf die ganzen Probleme einzugehen,
da die Mehrheit dieses Hohen Hauses — wenn auch keine überwältigende Mehrheit — sich derartig festgelegt hat, daß man von Glaubenslehren sprechen könnte: Stat pro ratione voluntas. Aber nachdem ich schon so oft persönlich angesprochen worden bin — ich habe nicht gezählt, wie oft mein Name gefallen ist —, möchte ich Ihnen doch grundsätzlich versichern,
daß ich mir weder so bedeutend noch so gefährlich vorkomme, wie es dem Hohen Hause dargestellt wurde.
— Ich denke Ihnen, Herr Professor! — Aber ich muß doch wenigstens einiges richtigstellen. Ich greife nicht die historischen Gesichtspunkte heraus, die heute wieder vorgetragen worden sind und die bei der Debatte in der zweiten Lesung schon eine beträchtliche Rolle gespielt haben. Ich wundere mich nur immer, warum die Schwaben und Ale-
mannen, wenn sie indentisch sein sollen, in der Geschichte einen verschiedenen Namen haben. Ich wundere mich auch darüber, daß man ganz vergißt, daß es zwei verschiedene Dialekte -- natürlich der deutschen Sprache — sind,
und über verschiedene andere Dinge.
Aber ich spreche über die wirtschaftlichen Gesichtspunkte. Ich spreche darüber, daß man uns immer wieder den Gedanken vorsetzt: im Südweststaat werden Mittel frei, die bisher für den Finanzausgleich notwendig gewesen sind. Man muß sich doch darüber klar sein, daß das eben nicht der Fall ist und nicht der Fall sein kann.
Was von Württemberg-Baden für den Finanzausgleich bisher gefordert wurde, wird auch in Zukunft gefordert werden, gleichgültig, ob Baden mit Württemberg vereinigt oder — wie wir sagen — eingemeindet ist oder nicht. Ich muß mich immer wieder wundern, daß Sie diesen Finanzausgleichso besonders anfeinden, während Sie von jedem Bürger die Zustimmung zum Lastenausgleich fordern, und mit Recht!
Ich wundere mich auch darüber, daß man den Gesichtspunkt der Sparsamkeit heute wieder in den Vordergrund gestellt hat — eine Sparsamkeit, die in unserem Lande geübt wurde und geübt wird —, den Gesichtspunkt der Sparsamkeit, besonders was die demokratischen Einrichtungen angeht. Auf einmal sind die drei Landtage und die drei Regierungen zu viel.
Vor 1945 wären wir froh gewesen, wenn wir sie gehabt hätten.
Wir haben es ja außerdem in der Hand, die Zahl der Abgeordneten herabzusetzen und die Zahl der Ministerien zu verringern. Das ist eigentlich kein Kunststück, wenn man den Willen dazu hat. Ich hätte mich sehr gefreut, wenn Württemberg-Baden uns die angekündigte Verwaitungsvereinfachung schon vorgemacht hätte. Sie dürfen überzeugt sein, wir hätten nicht gezögert, sie bei uns ebenfalls durchzuführen.
Man hat weiterhin gesagt, ich sei von der Bürokratie unseres Landes abhängig. Meine Damen 'und Herren, wenn ich in der Frage Baden und Südweststaat meiner Bürokratie so sicher wäre, so wäre mir das erwünscht.
— Aber wir wissen um die Freiheit der Auffassung. Was hat diese Bürokratie — seien Sie doch ehrlich -- denn schon zu fürchten? Sie können sie ja auch im Südweststaat nicht absetzen. Denn sie haben gemäß dem Beamtenrecht ihre Ansprüche.
Herr Abgeordneter Freudenberg hat gemeint, es sei zu wünschen, daß ich die Schamröte ins Gesicht bekäme. Nein, meine Damen und Herren, ich schäme mich dessen nicht, was wir in unserem kleinen Lande geleistet haben.
Ich schäme mich dessen nicht, daß wir als erstes
Land das Mitbestimmungsrecht eingeführt haben,
daß wir im Jahr 75 Millionen DM trotz der Besatzungskosten für die Kriegsversehrten und Kriegshinterbliebenen ausgegeben haben.
--- Die uns der Bund weggenommen hat! Wollen Sie uns daraus einen Vorwurf machen, daß wir die Tabaksteuer nicht mehr haben?
— Bezüglich der Soforthilfegelder, die in unserem Lande aufgekommen sind, können Sie uns — wir haben schon die zweite Hausrathilfe verteilt — keine Vorwürfe machen.
— Ja, natürlich haben wir die erforderliche Zahl von Vertriebenen aufgenommen, genau so wie es gesetzlich vorgesehen ist.
Sie konnten vom Lande Baden doch nicht erwarten, daß es sich innerhalb der französischen Zone dem damaligen Besatzungsbefehl allein widersetzte.
Wir haben in dieser Beziehung alles getan, was man von uns gefordert hat. Fragen Sie die Vertriebenen selbst. Da haben wir keine Sorge.
Wir haben nicht nur Sparsamkeit, nicht nur vereinfachte Verwaltung. Wir haben — das muß ich immer wieder betonen -- in unserem Lande erreicht, daß die Stadt Kehl an uns zurückgegeben wurde und in den nächsten Wochen auch der Hafen Kehl wieder an uns zurückgegeben wird. Wir brauchen nicht schamrot zu werden.
Ihr Vorschlag der Durchzählung der Stimmen in vier Stimmbezirken hält sich einfach an die Zufälligkeit der Besatzungsanordnung, an sonst nichts anderes. Wären diese Stimmbezirke anders, wäre etwa noch der Distrikt Karlsruhe dabei, würde sich ein ganz anderes Bild ergeben. Wir fordern demgegenüber die Wiedergutmachung d. h. die Durchzählung durch die alten Länder. Wir stellen nicht die Frage: Wollen Sie die Wiederherstellung von Nordbaden oder von Südbaden? Wir stellen vielmehr die Frage: Wollen Sie die Wiederherstellung von Gesamtbaden? Wiedergutmachung fordern wir zunächst.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns unser kleines Land, unsere Selbstverwaltung; wir wollen ja nichts anderes. Wir wollen nur nach unserer Façon leben. Nachdem die Volksbefragung und ihr Ergebnis einfach zur Seite gestellt wurde, haben wir unser ganzes Vertrauen auf das Hohe Haus gesetzt, in dem wir den Hort der Freiheit und der Demokratie sehen. Enttäuschte Hoffnungen, meine Damen und Herren, brennen! Sie haben kein Recht, uns zu entmündigen. Wir haben einen Anspruch darauf, gehört zu werden. Wir Badener haben den Anspruch, gehört zu werden, durch unsere Leistung für Deutschland. Noch ist Baden nicht verloren!
Meine Damen und Herren, im Einverständnis mit dem Hause unterbreche ich die dritte Beratung. Ich vermute auch, daß es für die Fortführung der Beratung förderlich ist.
Ich rufe zunächst Punkt 2 der Tagesordnung auf: Wahl der Wahlmänner zur Wahl der Richter beim Bundesverfassungsgericht .
Ich mache darauf aufmerksam, daß nach § 6 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht der Bundestag 12 seiner Mitglieder als Wahlmänner nach den Regeln der Verhältniswahl wählt. Die Verhältniswahl bedingt die Wahl von Vorschlägen. Nach dem Gesetz können die Fraktionen Wahlvorschläge einbringen.
— Meine Damen und Herren, Sie dienen der Förderung der Tagesordnung, wenn Sie die Unterhaltung einen Augenblick etwas leiser führen. — Ich mache darauf aufmerksam, daß die gültigen Wahlvorschläge sich nicht in Umdruck Nr. 152 , sondern in Umdruck Nr. 157 befinden. Darf ich fragen, ob alle Mitglieder des Hauses im Besitz des Umdrucks Nr. 157 sind. — Ich stelle also fest, daß alle Mitglieder des Hauses den genannten Umdruck in der Hand haben. Soweit die Umdrucke nicht in Ihrer Hand sein sollten — sie sind verteilt worden —, bitte ich Sie, sie hier anzufordern.
Wir werden so verfahren, daß wir die Mitglieder des Hauses einzeln aufrufen. Ich bitte Sie, jeweils einen Vorschlag anzukreuzen.
— Herr Abgeordneter Seelos, bitte!
Die Bayernpartei zieht ihren Vorschlag zugunsten des Vorschlags der Fraktion des Zentrums zurück.
Ich stelle also fest, daß der Vorschlag der Fraktion der Bayernpartei unter Ziffer 4 zurückgezogen ist. Welche Forderungen das für die Abstimmung bei der Fraktion der Bayernpartei hat, braucht das Haus nicht zu interessieren.
Ich hoffe, daß der Abstimmungsmodus klar ist. Ich bitte Sie, den Herren Schriftführern, die sich an den Urnen befinden, die Zettel zum Einwerfen in die Urnen zu übergeben. Ich bitte, mit dem Aufruf der Namen der Abgeordneten zu beginnen.
— Es ist mir das Bedenken vorgetragen worden, daß wir aus dem System der Verhältniswahl der Weimarer Verfassung herausgefallen seien, daß wir es nicht mehr zu handhaben wüßten. Es ist selbstverständlich nur möglich, einen Vorschlag anzukreuzen. Es geht also nicht darum, daß jemand 12 Namen ankreuzt.
-- Man kann es natürlich, Frau Abgeordnete Weber; aber es ist ungültig und darum witzlos.
Ich bitte also, mit dem Aufruf der Namen zu beginnen.
Meine Damen und Herren! Befinden sich im Hause noch Abgeordnete, die nicht aufgerufen worden sind? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Wahl und nehme an, daß Sie damit einverstanden sind, daß wir zunächst zum Punkt 1 der Tagesordnung zurückkehren und daß zwei der Herren Schriftführer während des Laufes der weiteren Beratung die Auszählung vornehmen.
Meine Damen und Herren, wir kehren also zum Punkt 1 der Tagesordnung zurück, und ich eröffne die Einzelbesprechung in der
Dritten Beratung des Entwurfs eines zweiten Gesetzes über die Neugliederung in den Ländern Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern .
Ich weise darauf hin, daß folgende Abänderungsanträge vorliegen — ich verlese sie ohne Rücksicht auf die Reihenfolge der Abstimmung —:
Umdruck Nr. 159, Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Kopf, Dr. Jaeger und Genossen betreffend §§ 3, 6 und 10 des Gesetzes; Umdruck Nr. 160, Änderungsantrag der Abgeordneten Kuntscher und Genossen zu § 10; Umdruck Nr. 161, Eventualantrag der Abgeordneten Dr. Schmid , Ollenhauer und Genossen zu § 10 Abs. 2; ein Antrag der Abgeordneten Dr. von Merkatz und Genossen: Neufassung des § 10 des Neugliederungsgesetzes und für den Fall der Ablehnung dieses Antrags ein weiterer Antrag der Abgeordneten Farke und Genossen zu demselben Thema. Ich hoffe, daß ich damit die im Augenblick vorliegenden Anträge erschöpfend zusammengefaßt habe.
Ich rufe zunächst auf Abschnitt I, die Überschrift, §§ 1 und 2 des Gesetzes. Wünscht jemand dazu das Wort zu nehmen? —
— Wir klingeln schon andauernd, Herr Abgeordneter Mayer. Wünscht niemand das Wort zu nehmen? -- Dann schließe ich die Einzelbesprechung.
Wir kommen zur Abstimmung, und zwar über Abschnitt I, Überschrift und die §§ 1 und 2 des Gesetzes. Ich bitte die Damen und Herren, die der Überschrift und den §§ 1 und 2 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. -- Ich bitte um die Gegenprobe. — Bei einigen Enthaltungen gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf § 3. Dazu liegt der Abänderungsantrag der Herren Abgeordneten Dr. Kopf, Dr. Jaeger und Genossen vor. Ich eröffne die Einzelbesprechung.
Herr Abgeordneter Dr. Jaeger, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nunmehr wären wir am springenden Punkt des ganzen Gesetzes,
denn alle übrigen Anträge, die dazu gestellt sind, sind zweitrangig gegenüber dem, wie innerhalb des Abstimmungsgebietes abgestimmt wird. Ich habe in diesem Hause, im Ausschuß wie auch im Plenum, schon verschiedentlich dargelegt, daß es nicht Aufgabe des Hauses sein kann, zur Sache selbst, ob Baden oder Südweststaat, Stellung zu nehmen, sondern daß seine einzige Aufgabe nur die sein kann, einen fairen Modus zu finden, nach dem abgestimmt wird.
Wenn wir den Antrag auf Schaffung von nur zwei Abstimmungsbezirken erneuert haben, d. h. beantragen, nach den alten historischen Ländern abzustimmen, dann haben uns dazu verschiedene Gesichtspunkte bewogen. Zunächst einmal der, den man, glaube ich, nicht deutlich genug unterstreichen kann, daß wir nicht die besatzungsrechtlichen
Zwangsgrenzen von 1945, die dazu noch Zufallsgrenzen gewesen sind, zur Grundlage einer deut- sehen Abstimmung machen dürfen. Wenn uns dies schon nicht der deutsche Stolz verbieten sollte, so sollte es uns zumindest die deutsche Klugheit verbieten.
Denn die erstmalige Anerkennung von Ländergrenzen, die Besatzungsmächte geschaffen haben, kann zu Konsequenzen führen, die ich hier nicht näher ausführen möchte, weil ich glaube, daß jeder klar und deutlich versteht, was ich damit meine. Die subtilen Juristen unserer Nachbarvölker könnten uns sonst bei außenpolitischen Verhandlungen einen Trumpf präsentieren, der zum mindesten politisch, wahrscheinlich auch rechtlich sticht.
Ich darf auch darauf hinweisen, daß kein Geringerer als der verehrte Herr Kollege Professor Schmid bei den Beratungen, die wir anläßlich der Vermögensauseinandersetzung zwischen Bund und Ländern hatten, zum Ausdruck gebracht hat, daß es nach seiner Meinung nicht loyal wäre, wenn die Länder sich auf eine Entscheidung der Militärregierung berufen würden.
— Meine Damen und Herren! Ich glaube, hier ist es dann auch weder loyal noch fair. Es geht doch um das gute alte Recht, d. h. das alte Recht, das in Deutschland schon eine lange Zeit bestanden hat, bevor fremde Mächte eingegriffen haben. Diese beiden Länder haben 150 Jahre unangefochten bestanden. Nicht einmal die Nationalsozialisten haben haben sie in ihrem Einheitsstaat beseitigt. Es besteht also kein Grund dafür, daß wir sie nicht zur
Grundlage unserer Abstimmung machen, um so weniger, als der Verfassungsgesetzgeber durch die Schaffung des Art. 118 ausdrücklich das Besatzungsrecht nicht in das innerdeutsche Staatsrecht transformiert hat. Wenn Sie sonst die jetzigen Grenzen, auf denen ja der Herr Kollege Erler die ganzen Entscheidungen, sogar die Existenz des Bundestages aufbauen wollte, zur Grundlage machen, dann stehen Sie damit vor der Gefahr, daß am Ende die Existenz des Deutschen Reiches von 1871 fraglich wird, und ich glaube, das hätte die schwersten außenpolitischen Folgen.
Es ist sodann verfassungswidrig, was hier mit dem Antrag der Ausschußmehrheit versucht wird; denn es ist grundgesetzwidrig, ein Land zu überstimmen. Es widerstrebt ja dem Prinzip der Demokratie, daß man ein Land, das selber an seiner Eigenstaatlichkeit festhalten will, durch ein anderes Land überstimmen läßt. Wenn Sie an den alten Ländergrenzen festhalten, besteht die Gefahr, daß Altbaden, daß Gesamtbaden überstimmt wird. Nehmen Sie aber die neuen Ländergrenzen als Grundlage, dann wird Südbaden überstimmt. Ich glaube aber, die Anhänger des Südweststaates stehen sich bei der letzteren Möglichkeit noch schlechter; denn es wird in Südbaden sicher eine Mehrheit gegen den Südweststaat geben, während in Gesamtbaden die Aussichten pari stehen.
Vor allem aber möchte ich, vom Buchstaben des Grundgesetzes abgesehen, darauf hinweisen, daß es sich hier um einen elementaren Verstoß gegen den Geist der Demokratie handelt. Es ist hier von einer Hochzeit, von Vater Württemberg und Mutter Baden gesprochen worden. Aber zur Heirat gehören zwei, die freiwillig die Ehe eingehen. Consensus facit nuptias, Herr Kollege Schmid, darüber sind wir uns einig. Wenn das schon im Familienrecht gilt, dann wird es im Staats- und Verfassungsrecht erst recht gelten. Man kann nicht Württemberg und Baden, die noch nie in der Geschichte ein deutsches Land innerhalb des Bundes gemeinsam gebildet haben, in einen Topf werfen und sie gemeinsam abstimmen lassen. Das ergibt zwar formaldemokratisch eine Mehrheit von 50 oder 60 %, aber ich frage Sie: Mehrheit wovon? Mehrheit kann doch immer nur von der Einheit genommen werden, die nun einmal geschichtlich überliefert ist. Wenn Sie also nicht in Gesamtdeutschland abstimmen lassen — das steht ja hier nicht zur Diskussion —, dann können Sie nur an die Länder anknüpfen und an gar nichts anderes.
Auch der Kompromißvorschlag, der von einigen meiner Fraktionskollegen eingebracht worden ist, nach dem nur mit Zweidrittelmehrheit eine Majorisierung Badens möglich sein soll, begegnet denselben grundsätzlichen Bedenken, weil er ebenso an diesem ersten demokratischen und staatsrechtlichen Prinzip rüttelt. Wir können ihn deshalb nicht billigen, wenn wir auch für den Fall, daß unser Antrag abgelehnt werden sollte, bei der Wahl des kleineren Übels unsere Stimmen für diesen Antrag abgeben werden. Ich gebe aber die Hoffnung nicht auf, daß die Mehrheit des Hauses, an deren Intelligenz ich appelliere und glaube,
unserem Antrag auf Berücksichtigung der alten Länder stattgeben wird.
Es ist zwar von einem Redner gesagt worden — ich glaube, es war der verehrte Herr Kollege Schmid; ich weiß es aber nicht mehr genau —: wer hat 1803 die Bevölkerung gefragt? Ja, meine Damen und Herren, wenn es überhaupt einen Fortschritt in der menschlichen Geschichte gibt, worüber man diskutieren kann — aber Herr Kollege Schmid, der jetzt den Finger hebt, glaubt ja daran —, dann besteht der Fortschritt darin, daß man im 20. Jahrhundert eben das Volk fragt und nicht mehr darüber wie 1803 und 1945 zur Tagesordnung übergeht.
— Das gehört nicht hierher; darauf werde ich Ihnen bei Gelegenheit eine ganz deutliche Antwort geben, wenn Sie das wollen.
Meine Damen und Herren! Ich darf dann noch auf etwas Praktisches verweisen. Wenn Sie nach den zwei alten Ländern abstimmen, ist es fraglich, wie die Entscheidung ausfällt. Wenn Sie nach vier Abstimmungsbezirken abstimmen und drei einen majorisieren können, dann wird das Ergebnis so sein, daß Sie den Südweststaat schon in der Tasche haben. Deshalb wollen Sie ja diesen Abstimmungsmodus, meine Herren von der SPD und FDP! Das leuchtet mir ein. Aber ich glaube, daß das ein unrechtmäßiger Weg ist, den Sie hier beschreiten. Überlegen Sie: 7 % Mehrheit für den Südweststaat in Nordbaden! Das wird das Land Baden mit seiner Propaganda nicht aufholen können, schon deswegen nicht, weil es nach der Meinung der Südweststaatanhänger ja ein ganz verarmtes Land ist. Ein Prozent Mehrheit in Gesamtbaden werden Sie leicht aufholen können, meine Herren vom Südweststaat, einmal wegen der Geldquellen, die in Weinheim, Stuttgart und anderswo zur Verfügung stehen,
dann aber auch, glaube ich, wegen der guten Redner, die, angefangen von dem Herrn Kollegen Schmid, für diesen Wahlkampf zur Verfügung stehen werden!
Meine Damen und Herren! Wenn Sie nach den alten Ländern abstimmen, dann haben Sie eine offene Feldschlacht, in der das badische und das württembergische Volk klar und deutlich entscheiden können. Sie haben dann die echte Chance der Entscheidung der Vernunft, wohin sie sich auch wendet, Sie haben die echte Chance der Demokratie. Alles übrige führt zu einer Formaldemokratie, wie sie in Deutschland schon einmal gescheitert ist.
Meine Damen und Herren, es ist ja einmal in etwas hochfliegenden Worten von der Möglichkeit einer altbadischen Irredenta gesprochen worden. Ich glaube, so weit wollen wir gar nicht greifen. Aber wenn die Badener das Gefühl haben, daß sie hier wider das Recht vergewaltigt werden, dann wird ein Ressentiment in dieser Ecke des deutschen Bundes entstehen, das unsere Innenpolitik schwer belasten wird. Das sollte man nicht. Denn das Gefühl der Badener, daß ihnen hier Unrecht geschieht, ist ja nicht nur subjektiv, es ist die objektive Wahrheit, die ich versucht habe, Ihnen darzulegen.
Es wurde darüber gestritten, wie weit die Grundsätze des Völkerrechts auch innerhalb eines Bundesstaates anwendbar sind. Ich will darauf jetzt nicht eingehen. Aber — ob in der Gemeinde oder im Völkerrecht oder im innerstaatlichen Recht — immer gilt ein Grundsatz, der Grundsatz nämlich, daß nur Gerechtigkeit den Frieden schafft, auch im deutschen Südwesten!
Meine Damen und Herren! Ich habe nicht ausdrücklich auch den § 10 aufgerufen. Ich nehme an, daß wir in gleicher Weise verfahren wie bei der zweiten Beratung, daß wir also § 3 und § 10, die sachlich zusammengehören, gemeinsam behandeln. Ich bitte also, auch § 10 in die Beratung mit einzubeziehen. — Herr Abgeordneter Dr. Wuermeling?
--- Bitte schön!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist im Verlauf des heutigen Nachmittags schon sehr viel für und wider den Südweststaat gesprochen worden, und es ist gut, daß wir durch die Behandlung der Einzelparagraphen jetzt endlich zu dem kommen, was unsere Aufgabe hier im Bundestag ist, nämlich das objektiv gerechte und richtige Abstimmungsverfahren für diejenigen festzulegen, die über die Frage des Südweststaates letztlich zu entscheiden haben, nämlich die Bevölkerung der badischen und württembergischen Landesgebiete.
Es ist nicht unsere Aufgabe, einen Abstimmungsmodus zu finden oder uns für einen Abstimmungsmodus zu entscheiden, der eine offensichtliche Tendenz zur Vorwegnahme eines bestimmten Ergebnisses in sich birgt, sondern es ist unsere Aufgabe, die Methode zu bestimmen, die den demokratischen und historischen Gegebenheiten am besten entspricht und als die objektivste und sachlichste und unparteiischste anzusehen ist. Der Bundestag muß ein objektiver Sachwalter echter
Demokratie sein und nicht ein Vorspann für bestimmte politische Absichten, sei es dieser, sei es jener Gruppe.
Wenn ich unter diesem Aspekt nun die Frage der Abstimmungsbezirke betrachte, dann komme ich als völlig neutraler Beobachter außerhalb dieser Gebietsteile
zu dem Ergebnis, zu dem jeder politische oder unpolitische Mensch draußen im Lande kommt, der sich bisher unmittelbar mit der Frage des Abstimmungsverfahrens noch nicht befaßt hat. Jeder Mensch wird Ihnen sagen, daß, wenn die Entscheidung darüber getroffen werden soll, ob Baden und Württemberg zusammengeschlossen werden sollen, dann selbstverständlich die Einheiten des Landes Baden und des Landes Württemberg jede für sich diese Entscheidung zu treffen haben und daß, wenn die Entscheidungen gleichlautend sind, die entsprechende Konsequenz daraus gezogen wird.
Meine Damen und Herren! Wir können doch nun wirklich nicht annehmen oder unterstellen, daß draußen in der Masse unserer deutschen Bevölkerung das, was durch irgendwelche Generalsentscheidungen vor 4 oder 5 Jahren geschaffen worden ist, nun zur entscheidenden Grundlage der politisch zu treffenden Maßnahmen gemacht werden soll. So bin ich der Meinung, daß zwar das Problem des Südweststaates, zu dem ich gar nicht Stellung nehmen will, ein Generationsproblem sein mag, daß aber die Frage der Abstimmungsbezirke hier vielfach als ein Generalsproblem behandelt wird, das es überhaupt nicht sein kann.
Deshalb möchte ich primär für den Antrag unseres Freundes Kopf eintreten — um es nochmals zu sagen: nicht um mich für oder gegen den Südweststaat zu entscheiden, daß ist Sache der zuständigen Bevölkerung dort —, sondern weil ich der Überzeugung bin, daß wir bei Annahme des Antrages Kopf auf getrennte Abstimmung nach den alten Ländern zu dem einzigen Abstimmungsmodus kommen, der Anspruch auf echte Objektivität erheben kann. Für den Fall, daß dieser Antrag nicht angenommen werden sollte, bitte ich darum, dem Antrag auf Umdruck Nr. 160 zuzustimmen, nach dem der Versuch gemacht werden soll, noch einen gewissen Teilschutz gegen das Unrecht zu gewähren, das bei dem vom Ausschuß vorgeschlagenen Abstimmungsverfahren eintreten würde. Den Antrag auf Umdruck Nr. 160 möchte ich gegebenenfalls besonders warm befürworten, weil es sich dabei um eine Formulierung handelt, der sehr maßgebliche Vertreter beider Auffassungen, nämlich der Anhänger wie der Gegner des Südweststaates, bereits zugestimmt haben, und weil dieser Antrag deshalb wohl eine Grundlage dafür bietet, daß die Dinge sich einigermaßen in dem uns allen erwünschten Frieden abwickeln.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmid.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte das Haus, beide Anträge abzulehnen. Eine Begründung hierfür kann ich mir sparen; alles Notwendige ist für und wider schon gesagt, worden. Ich möchte nur auf den zuletzt gestellten und von Herrn Kollegen Wuermeling begründeten Antrag Umdruck Nr. 160
eingehen. Wenn man diesen Antrag annähme, so würde das bedeuten, daß ein Drittel der Wahlberechtigten genügt, um die alten Länder wiederherzustellen, daß man aber zwei Drittel der Stimmen aufbringen müßte, um den Südweststaat zu schaffen. Meine Damen und Herren! Sie berufen sich so gern auf den Gleichheitssatz. Hier ist der Gleichheitssatz wahrhaftig verletzt! Denn hier stellen Sie verschiedenes Recht für ein und dieselbe Sache auf. Hier verteilen Sie die Chancen, Herr Kollege Jaeger, bewußt ungleich,
und so etwas verstößt gegen den Gleichheitssatz.
Nein; wir gehen von den durch das Grundgesetz geschaffenen Verhältnissen, also vom Rechtszustand aus.
Um ein solches ungerechtes Verfahren zu verhindern, beantragen wir absatzweise Abstimmung und für den Fall, daß Abs. 1 auf Umdruck Nr. 160 angenommen werden sollte, eine Abänderung des Abs. 2 des Änderungsantrages auf Umdruck Nr. 160. Sie haben den Umdruck Nr. 161 vorliegen. Den dort abgedruckten Antrag erlaube ich mir redaktionell zu verbessern; er ist nicht ganz so ausgefallen, wie er ausfallen sollte. Er soll lauten:
Ergeben sich die nach Absatz 1 geforderten Mehrheiten nicht, so verbleibt es bei dem jetzigen Zustand; ergibt sich eine Mehrheit von 2/3 für die Wiederherstellung der alten Länder, so werden die alten Länder Baden und Württemberg einschließlich Hohenzollern nach Maßgabe der §§ 21 bis 26 wiederhergestellt.
Herr Abgeordneter Mehs, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich, wie Sie eben schon von Herrn Dr. Wuermeling gehört haben, hier nicht eigentlich um die Materie, ob der Südweststaat zustande kommt oder nicht, sondern um den Modus, den wir hier zu schaffen haben. Ich möchte die Anträge, die eben von Herrn Dr. Jaeger gestellt worden sind, noch durch einen Gedanken ergänzen.
Ich habe mir einmal die jüngste Vorgeschichte dieser ganzen Angelegenheit durchgesehen. Da habe ich gefunden, daß man bereits am 28. September 1948 Vorschläge der drei Regierungschefs unten im Südwestraum ausgearbeitet hat. Damals bereits wurde die Zustimmung zum Südweststaat unter der Voraussetzung in Aussicht genommen, daß in jedem der früheren Länder Baden und Württemberg die für sich durchgezählte Mehrheit der abgegebenen Stimmen die Frage nach der Bildung des Südweststaats bejaht.
Ein weiterer Fall ist aus dem Jahre 1949 zu verzeichnen. Am 23. Oktober 1949 hat in Freudenstadt eine Tagung der CDU-Vorstände stattgefunden. Auch Mer heißt es im Protokoll:
Zur Ermittlung der Mehrheit werden die abgegebenen Stimmen in den alten Ländern Württemberg und Baden je getrennt durchgezählt.
Ferner ist am 7. November 1950 eine Vereinbarung der Regierungschefs in Baden-Baden erfolgt. Auch hind sind zunächst die beiden Alternativfragen vorgesehen, also Südweststaat und dann die Wiederherstellung der alten Länder, und außerdem die Auswertung durch Durchzählung in den alten Ländern. Es kommt mir also darauf an, Ihnen zu sagen, daß wir bereits in einem früheren Stadium der ganzen Angelegenheit, die, sagen wir einmal, vernünftigen Gedanken gehabt haben, die heute auch hier vorgetragen worden sind.
— Ich zitiere sie ja nur,
nachdem ich sie in den Protokollen gefunden habe. Ich möchte nur zum Ausdruck bringen, daß man sich damals schon nach diesen Gesichtspunkten entschieden hat.
— Jedenfalls sind die Gedankengänge doch vorgetragen worden.
— Das ist ein Bundesgesetz?
— Ja, ich glaube aber, Herr Professor. daß man bei einem solchen Bundesgesetz doch den übergeordneten Art. 29 berücksichtigen müßte!
— Art. 29! Ich glaube, Sie haben am vorigen Donnerstag auf den Art. 29 Abs. 4 hingewiesen. Da steht nämlich drin, daß durchaus die Möglichkeit besteht, daß ein Land sozusagen ausradiert, „vernichtet" wird — den Ausdruck haben Sie gebraucht —, aber nur unter der Voraussetzung, daß eine Volksabstimmung im gesamten Bundesgebiet stattfindet.
— Ja, durch ein Bundesgesetz. Ich meine, daß dieser Art. 29 Abs. 4 auch für Baden gelten müßte, wenn man daran geht, ein Land sozusagen von, der Bildfläche verschwinden zu lassen.
Herr Professor, Sie haben auch von einem sogenannten Fortschritt gesprochen. Ich sehe natürlich einen Fortschritt in der Schaffung des Südweststaats. Ich habe auch im Ausschuß verschiedentlich zum Ausdruck gebracht, daß ich mir den Südweststaat als die ideale Lösung denken könnte. Aber wenn man auf diesem Standpunkt steht, dann darf man doch wohl auch zum Ausdruck bringen,
daß der Weg dahin ein demokratischer und ein einwandfreier sein muß. Ich sehe nicht ein. daß der Weg einwandfrei ist, wenn die zwei heutigen Länder, die also nach dem Grundgesetz den Ländercharakter haben, beschließen, daß ein drittes Land einfach einverleibt wird. Auf diese Art und Weise könnten wir z. B. eine neue Bundeshauptstadt bekommen, insofern nämlich, als Köln beschließt, daß Bonn eingemeindet wird. Dann haben wir eine neue Bundeshauptstadt.
Jedenfalls sehe ich den Fortschritt nicht darin, daß man ein anderes Land einverleibt, also gewissermaßen eine innerdeutsche Annektion vornimmt.
— Das ist es doch! Das können Sie doch nicht bestreiten!
— Und wenn es zwanzigmal widerlegt wird, Herr Euler, dann kann es zum einundzwanzigsten oder hundertsten Mal doch richtig sein. Ich stehe hier ja nicht deshalb, um etwas zu sagen, an das ich nicht glaube.
Ich sehe nämlich den wahren Fortschritt darin, daß man auf das Land Baden die gebührende Rücksicht nimmt. Für den Fall,
daß also der § 3 so angenommen wird, wie er hier
steht, möchte ich den Antrag stellen, daß der § 10
Abs. 1 nach dem Komma folgenden Zusatz erhält: es sei denn, daß in den Abstimmungsbezirken I und II zusammengenommen die Mehrheit der abgegebenen Stimmen für die Beibehaltung des Landes Baden sich entscheidet. In diesem Fall werden die alten Länder Baden und Württemberg einschließlich Hohenzollern wiederhergestellt.
Herr Abgeordneter Erler wünscht das Wort zu nehmen.
Meine Damen und Herren! Nur zwei Sätze einer persönlichen Erklärung, warum ich mich diesen Abänderungsanträgen widersetze. Es ist hier davon gesprochen worden, wir müßten durch den Abstimmungsmodus verhindern, daß irgendein Land vergewaltigt wird. Ich glaube, das Problem besteht bei uns doch nicht darin, daß wir Gebietskörperschaften vergewaltigen, sondern darin, daß die Menschen, die in diesen Gebietskörperschaften leben, vergewaltigt werden. Und da scheint mir eine ganz große Gefahr vor uns sichtbar aufzutauchen, daß nämlich eine — unter Umständen sehr kleine — Mehrheit von Einwohnern der Gebietskörperschaft Südbaden die überwältigenden Mehrheiten der übrigen Einwohner der anderen Gebietskörperschaften des Südwestens daran hindern könnte, sich zusammenzuschließen. Das wollen wir auf keinen Fall, sondern dann müssen wir doch den anderen die Möglichkeit eröffnen. den Weg zum Zusammenschluß zu finden. Es ist hier immer erklärt worden, man müßte an die Minderheit denken. Es gibt in Nordbaden eine Mehrheit der Bevölkerung, die sich nicht gegen ihren eigenen
Willen aus dem Verbande des Landes Württemberg-Baden heraustrennen lassen 'will. Auch an diesen Fall müssen wir denken, damit diese Bevölkerung nicht von einer Mehrheit von Südbaden majorisiert werden kann.
Das Problem ist im ganzen nur in der Weise lösbar, daß nicht die Minderheit der Mehrheit ihren Willen aufzwingt. Wir sollten daran denken, daß die Deutschen im südwestdeutschen Raum — seien sie Badener oder Württemberger — gemeinsam den Weg zu einer Abstimmung auf eine vernünftige Weise finden. Für mich ist eine solche Weise, die am wenigsten nach Vergewaltigung aussieht, die, daß wir die jetzt bestehenden Länder zum Ausgangspunkt für die Abstimmung nehmen und das große Land Württemberg-Baden in seine natürlichen Bestandteile, den Landesbezirk Baden und den Landesbezirk Württemberg, zerlegen. Das ist der Grund, weshalb ich mich für die Lösung des Ausschusses entscheide.
Meine Damen und Herren, ich darf zur zweckmäßigen Führung der Einzelbesprechung vorschlagen — da § 3 und § 10 aufgerufen sind —, die dazu zu stellenden Anträge jetzt begründen zu wollen; oder legen Sie Wert darauf, daß erst über die zu § 3' gestellten Anträge abgestimmt wird?
— Es ist vorgeschlagen, beide miteinander zu verbinden. Für den Fall, daß die Abänderungsanträge praktisch werden, darf vielleicht so verfahren werden, daß unter Umständen noch dazu gesprochen werden kann.
— Dann kann ich zunächst die Einzelaussprache schließen, ohne daß damit die Möglichkeit abgeschnitten wird, zu den etwa noch praktisch werdenden Abänderungsanträgen wieder das Wort zu nehmen.
Zur Abstimmung zu § 3 Abs. 1 wünscht Herr Dr. Hamacher, das Wort zu nehmen.
Meine Damen und Herren, mit Rücksicht auf 'die Bedeutung dieser Abstimmung für das gesamte Gesetz 'beantrage ich namens meiner Freunde
namentliche Abstimmung.
Meine Damen und Herren, Sie haben gehört, daß namentliche Abstimmung beantragt worden ist.
— Ja, wozu? Zu allen Abstimmungen, Herr Abgeordneter Dr. Hamacher?
— Also zu Ziffer 1 des Umdrucks Nr. 159, d. h. zu § 3 Abs. 1 ist namentliche Abstimmung beantragt worden. Ich frage zunächst, ob 50 Abgeordnete 'den Antrag unterstützen. — Das sind ohne Frage 50 Abgeordnete.
Meine Damen und Herren, ich komme zur Abstimmung über den Antrag, über § 3 Abs. 1 namentliche Abstimmung stattfinden zu lassen. Ich bitte die Damen und Herren, die für namentliche Abstimmung sind, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die 'Gegenprobe. -- Die namentliche Abstimmung ist abgelehnt.
— Meine Damen und Herren, darf ich um etwas Ruhe bitten! Wir vermeiden dann, .daß über den Gegenstand der Abstimmung Irrtümer entstehen.
Es ist angeregt worden, über Ziffer 1 und Ziffer 3 des Umdrucks Nr. 159 gemeinsam abstimmen zu lassen. Bestehen dagegen Bedenken?
— Meine Damen und Herren, Sie äußern sich nicht.
— Ich rufe also zur Abstimmung über die Ziffern 1 und 3 auf.
— Meine Damen und Herren, wir haben immer wieder gelautet. Wir läuten noch einmal. Das Haus ist außerdem gut besetzt.
Ich lasse also abstimmen über Ziffer 1 und Ziffer 3 des Abänderungsantrages der Herren Abgeordneten Dr. Kopf, Dr. Jaeger und Genossen auf Umdruck Nr. 159 zu § 3 Abs. 1 und zu § 10. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Abänderungsanträgen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist nach übereinstimmender Meinung des Sitzungsvorstandes die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Meine Damen und Herren, wir erleichtern uns die Sache, wenn wir Beifalls- oder Mißfallenskundgebungen bei der Bekanntgabe von Abstimmungsergebnissen vermeiden.
Zur Abstimmung über § 3 kommen wir erst,
wenn die Abänderungsanträge zu § 10 erledigt
sind. Wir haben beide Paragraphen wegen ihres D sachlichen Zusammenhanges gemeinsam aufgerufen.
Es liegt zunächst vor ein Antrag der Herren Abgeordneten von Merkatz und Genossen, § 10 neu zu fassen. Ich lese den Antrag vor, .da er meines Wissens im Umdruck noch nicht vorliegt. Er hat folgenden Wortlaut:
Ergibt die Volksabstimmung im gesamten Abstimmungsgebiet und in mindestens drei der nach § 3 gebildeten Abstimmungsbezirke eine Mehrheit für die Vereinigung der Länder zu einem Bundesland, so wird dieses Land nach Maßgabe der §§ 11 bis 20 dieses Gesetzes gebildet. Dieses gilt nicht, wenn die Volksabstimmung trotz der Mehrheit nach Satz 1 in den Abstimmungsbezirken I und II zusammen eine Mehrheit für die Wiederherstellung des alten Landes Baden oder in. den Abstimmungsbezirken II und IV zusammen eine Mehrheit für die Wiederherstellung des alten Landes Württemberg (einschließlich Hohenzollern) ergibt.
Ergibt sich keine Mehrheit nach Absatz 1 Satz 1, so werden .die alten Länder Baden und Württemberg (einschließlich Hohenzollern) nach Maßgabe der §§ 21 bis 26 dieses Gesetzes wiederhergestellt. Das gleiche gilt, wenn die Volksabstimmung zu einem Ergebnis nach Absatz 1 Satz 2 führt.
— Meine Damen und Herren, wir sind in der Abstimmung. Wir haben im Augenblick nicht die Aufgabe, die Erörterung weiterzuführen; oder wünscht jemand dazu noch das Wort zu nehmen?
— Meine Damen und Herren, ich darf in Ihre Erinnerung rufen, daß wir ausdrücklich vorbehalten haben, daß nach Ablehnung der ersten Anträge zu weiteren Änderungsanträgen noch das Wort genommen werden kann. Ich hatte das ausdrücklich festgestellt und bitte doch, sich dessen freundlichst erinnern zu wollen.
Herr Abgeordneter Mehs, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte meinen Antrag zugunsten des Antrags Dr. von Merkatz zurückziehen.
Ich stelle also fest, daß der Abgeordnete Mehs seinen Antrag zugunsten dieses Antrages zurückgezogen hat. Damit erleichtert sich das Verfahren bereits.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Herren Abgeordneten Dr. von Merkatz, Matthes und Genossen; einige andere Unterschriften kann ich nicht lesen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe_ — Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Für den Fall der Ablehnung dieses Antrages haben die Abgeordneten Parke und Genassen den Antrag gestellt, dem § 10 folgenden Wortlaut zu geben:
Ergibt die Volksabstimmung in mindestens drei der nach § 3 gebildeten Abstimmungsbezirke eine Mehrheit für die Bildung eines neuen Bundeslandes , so ist dieses Bundesland nach Maßgabe der §§ 10 bis 18 dieses Gesetzes zu bilden. Spricht sich jedoch ein Abstimmungsbezirk, der gleichzeitig ein Land im Sinne des Grundgesetzes ist, gegen die Bildung des neuen Bundeslandes aus, so bleibt dieser Abstimmungsbezirk außerhalb des neuen Bundeslandes. Das neue Bundesland wird in diesem Falle von den drei zustimmenden Abstimmungsbezirken gebildet. Ergibt sich keine Mehrheit nach Absatz 1 Satz 1, so sind die alten Länder Baden und Württemberg nach Maßgabe der §§ 19 bis 24 dieses Gesetzes zu bilden.
Herr Abgeordneter Farke wünscht, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Eder hat festgestellt, daß eine Mehrheit nach dem Entwurf, wie er jetzt angenommen ist, die Minderheit überstimmt. Diese Minderheit ist in diesem Falle — —
— Gestatten Sie bitte! Diese Minderheit ist in diesem Falle aber ein Land. Da Sie — nicht ich — auf dem Status quo bestehen und ihn zur Grundlage des Gesetzes gemacht haben, so wissen Sie, daß in diesem Falle das Land nach dem Grundgesetz praktisch nicht gezwungen werden kann, sich diesem Votum zu fügen. Um dem nun den Charakter der absoluten Majorisierung einigermaßen zu nehmen, sollte man klugerweise dieser Fassung zustimmen, denn dann bleibt dem Land Südbaden von sich aus wenigstens die Freiheit — und davon wird es dann ja wohl Gebrauch machen müssen —, sich dem neugebildeten Land. wenn es zustandekommen sollte, anzuschließen.
Ich glaube, es wäre richtig, die absolute Majorisierung herauszunehmen und nun wenigstens einem Land noch die Entscheidungsfreiheit zu lassen.
Herr Abgeordneter von Thadden, bitte!
Meine Damen und Herren! Die Argumentation, die eben vorgetragen wurde, müssen wir ablehnen; denn wo kämen wir hin, wenn wir hier ein Präjudiz schaffen wollten, daß ein Land einen Beschluß dieses Hauses' etwa ablehnen könnte! Wir würden damit eine sehr gefährliche Entwicklung einleiten. Wie jeder einzelne Staatsbürger muß auch jedes Land die Beschlüsse, die von hier ausgehen, anerkennen.
Selbstverständlich haben wir hier zu beschließen, und die Dinge, die hier beschlossen werden, müssen auch gemacht werden. Dagegen darf sich niemand ,auflehnen.
Meine Damen und Herren! Ich habe nicht den Eindruck, als ob die Fortsetzung dieser Aussprache sehr förderlich sei. Darf ich an Sie appellieren, sie zu beenden?
— Ich danke Ihnen!
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Farke und Genossen. dem § 10 die von mir vorhin verlesene Fassung zu geben. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist bei zahlreichen Enthaltungen abgelehnt.
Falls niemand das Wort zu nehmen wünscht,
komme ich zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Kuntscher und Genossen auf Umdruck Nr. 160.
Ich lasse mit Rücksicht auf die Tatsache, daß die Fraktion der SPD im Umdruck Nr. 161 für den Fall der Annahme des Antrages zu § 10 Abs. 1 auf Umdruck Nr. 160 einen Abänderungsantrag gestellt hat, absatzweise abstimmen. Ich lasse also abstimmen über den Antrag zu § 10 Abs. 1 auf Umdruck Nr. 160. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrage zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Dieser Antrag ist abgelehnt. Damit hat sich der Antrag der Fraktion der SPD erledigt. Auch der Abs. 2 Ihres Antrages dürfte sich damit erledigt haben, Herr Abgeordneter Kuntscher? -- Ich stelle ausdrücklich fest, daß durch die Ablehnung des Änderungsantrages zu § 10 Abs. 2 auf Umdruck Nr. 160 auch der Antrag zu Abs. 2 auf diesem Umdruck erledigt ist.
Nachdem der Antrag des Herrn Abgeordneten Mehs zurückgezogen ist, sind sämtliche Abänderungsanträge erledigt.
Ich komme zur Abstimmung über § 3 in der Fassung der Beschlüsse der zweiten Beratung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 3 in dieser Fassung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die überwiegende Mehrheit; der Paragraph ist angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über § 10 in der Fassung der Beschlüsse der zweiten Beratung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; der Paragraph ist angenommen.
Ich rufe auf § 4. Wünscht jemand das Wort zu nehmen? — Das ist 'nicht der Fall. Ich schließe die Einzelbesprechung. Ich komme zur Abstimmung über § 4. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die 'Gegenprobe. — Mit überwiegender Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf § 5. — Keine Wortmeldungen. Ich komme zur Abstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf § 6. Dazu liegt vor der Abänderungsantrag der Herren Abgeordneten Dr. Kopf, Dr. Jaeger und Genossen auf Umdruck Nr. 159. Herr Abgeordneter Dr. Kopf, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Abänderungsantrag Umdruck Nr. 159 sieht nur eine sehr kleine Änderung der Ausschußvorlage in Ziffer 3 des Absatzes 1 vor. Nach Absatz 1 Ziffer 3 der Ausschußvorlage ist die Stimmberechtigung daran geknüpft, daß der Betreffende drei Monate im Abstimmungsgebiet wohnt. Wir haben Ihnen vorgeschlagen, statt dessen die Stimmberechtigung davon abhängig zu machen, daß der Betreffende am Tage des Inkrafttretens des Gesetzes seit mindestens drei 'Monaten im Abstimmungsgebiet wohnt.
Wir halten diese Änderung für erforderlich, weil eine sachgemäße Abstimmung nur dann möglich ist, wenn der Stimmberechtigte Gelegenheit gehabt bat, sich mit den Verhältnissen und den Problemen des Landes vertraut zu machen. Wir bitten daher, unserem Abänderungsantrag zuzustimmen. Wir verzichten darauf, den in der zweiten Lesung gestellten Antrag auf Durchführung des Geburtsprinzips zu wiederholen.
Meine Damen und Herren,
Sie haben wahrscheinlich den Schreibfehler
„Montaten" bereits von sich aus berichtigt. Herr Abgeordneter Kiesinger, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich für meine Person stimme dem Abänderungsantrag, den soeben Herr Kollege Kopf begründet hat, zu. Ich halte ihn für vernünftig. Man soll zwar an die Zukunft denken, an die Zukunft der Bevölkerung, die in diesem Raume zusammenlebt; aber auf der anderen Seite soll man auch berücksichtigen, daß zu dieser Entscheidung ein gewisses Zusammenleben mit der ansässigen Bevölkerung erforderlich ist. Drei Monate erscheinen mir dafür zu kurz. Ich stimme also für den Antrag Kopf.
Keine weiteren Wortmeldungen.
Meine Damen und Herren, Sie haben jetzt die letzte Möglichkeit, einem Abänderungsantrag zu diesem Gesetz zuzustimmen: ich komme zur Abstimmung über den Abänderungsantrag unter Ziffer 2 des Umdrucks Nr. 159. Ich bitte die Damen und Herren, die diem Abänderungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit; auch dieser Abänderungsantrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 6 in der Fassung der Beschlüsse der zweiten Beratung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die' Mehrheit; der Paragraph ist angenommen.
Ich rufe auf die §§ 7, — 8, — 9; — Abschnitt II: Überschrift, — die §§ 11, — 12, — 13, — 14, — 15, — 16, — 17, — 18, — 19, — 20; Überschrift von Abschnitt III, — die §§ 21, — 22, — 23, — 24, —25, — 26; — Abschnitt IV: Überschrift, — § 27, —Einleitung und Überschrift des Gesetzes. — Keine Wortmeldungen.
Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen und Überschriften zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich komme zur Schlußabstimmung über das Gesetz über die Neugliederung in den Ländern Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern.
Herr Abgeordneter Dr. Kopf zu einer Erklärung zur Abstimmung, bitte!
In Anbetracht der grundsätzlichen Bedeutung des Gesetzes beantrage ich namentliche Abstimmung über das gesamte Gesetz.
Meine Damen und Herren, darf ich fragen, ob 50 Abgeordnete den Antrag unterstützen? — Das ist der Fall.
Ich bitte die Damen und Herren, die für namentliche Abstimmung sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Meine Damen und Herren, ich komme zur Schlußabstimmung über das Gesetz. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Soweit ich sehe, bei einer Enthaltung. Das Gesetz ist mit Mehrheit angenommen.
Meine Damen und Herren, zu dem noch nicht endgültig erledigten Punkt 2 der Tagesordnung:
Wahl der Wahlmänner zur Wahl der Richter beim Bundesverfassungsgericht
,
gebe ich folgendes Ergebnis der Wahl bekannt: Insgesamt sind abgegeben worden 357 Stimmen; davon für den Wahlvorschlag der von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP eingereicht worden ist,. 189 Stimmen, für den Vorschlag der Fraktion der SPD 127 Stimmen, für den Vorschlag
der Fraktion des Zentrums und der Gruppe BHEDG 22 Stimmen, für den Vorschlag der Fraktion der KPD 6 Stimmen, Enthaltungen 13, zusammen 357 Stimmen.
Nach den Grundsätzen der Verhältniswahl — ich brauche die einzelnen Zahlen, die ausgerechnet worden sind, nicht bekanntzugeben; sie gehen nachher aus dem Protokoll hervor — sind demgemäß gewählt worden die Abgeordneten Dr. Laforet, Dr. Arndt, Dr. Pünder, Böhm, Dr. Schneider, Kiesinger, Dr. Greve, Dr. von Merkatz, Dr. Menzel, Dr. Tillmanns, Pelster und Dr. Reismann. — Die Damen und Herren haben von diesem Ergebnis der Abstimmung Kenntnis genommen.
Ich bin gebeten worden, darauf hinzuweisen, daß die Delegierten zum Europarat und ihre Stellvertreter sogleich zu einer kurzen Besprechung in Zimmer 102 des Südflügels zusammentreten möchten.
Meine Damen und Herren, ich rufe auf den Punkt 3 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betreffend Erhöhung der Dienstbezüge der Angehörigen des öffentlichen Dienstes
unter Hinweis darauf, daß eine Begründungszeit von 15 Minuten und eine Aussprachezeit von 90 Minuten vorgesehen sind.
Zur Begründung Herr Abgeordneter Pannenbecker, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Fraktionsfreund Dr. Bertram
hat gelegentlich der ersten Beratung ides Entwurfs zum Altsparergesetz unter anderem gesagt: Wir müssen dafür sorgen, daß das Gebot der Vertragstreue auch vom Staat anerkannt wird. Ich übernehme dieses Wort hier und möchte hinzufügen, daß die Vertragstreue gegenüber den Beamten von der Bundesregierung zweifellos grundsätzlich anerkannt wird. Denn die Bundesregierung hat durch ihre Sprecher oft genug das Berufsbeamtentum bejaht. Aber zwischen der grundsätzlichen Anerkennung und einer guten finanziellen Inganghaltung entsprechend dieser Anerkennung scheint sich doch in der letzten Zeit eine allzu tiefe Kluft aufgetan zu haben. Mit einer mehr oder weniger großen fiskalischen Zweckkonstruktion, wie sie die Regierung bei der Einbringung des Gesetzes nach Art. 131 des Grundgesetzes beabsichtigte, ist nach meiner Meinung die Lage heute nicht mehr zu meistern. Von der Beamtenschaft verlangt die Regierung — und ich sage: mit Recht —, daß sie die selbstverständliche Treue gegenüber dem Staat durch die Tat, also durch äußerste Pflichterfüllung bekunde. Das löst die Formel aus: Treue um Treue! Mehr verlangt die Beamtenschaft nicht. Sie wünscht nicht einmal ein nominal besonders hohes Einkommen. aber sie ist für die Erhaltung und für ,die Festigung des Realeinkommens; und das ist ein gesunder Standpunkt.
Meine Damen und Herren, wenn jetzt trotzdem eine Erhöhung der Bezüge gefordert wird, so deswegen, weil eine erhebliche Schrumpfung der realen Kaufkraft und in ihrem Gefolge eine erschreckende Verschuldung der Beamtenschaft eingetreten ist. Diese erschreckende Tatsache der Ver-
Schuldung muß alarmierend wirken. Der Herr Bundesfinanzminister hat vor einiger Zeit einmal gesagt: Der soziale Friede ist wichtiger als Divisionen. Den sozialen Frieden braucht auch die Beamtenschaft, und der Staat braucht ihn nicht zuletzt im Hinblick auf die Beamtenschaft. Dem dankenswerten Bestreben, zu einer Entproletarisierung bestimmter Schichten des Volkes zu kommen, steht eine sich mehr und mehr entwickelnde Verproletarisierung weiter Kreise der Beamtenschaft gegenüber. Nach einer Statistik ist das Realeinkommen der Beamten gegenüber dem Jahre 1938 um 25% gefallen. Das ist verständlich; man bedenke, daß die Bezüge der Beamten, abgesehen von einigen kleinen Aufbesserungen, noch nach der Besoldungsordnung von 1927 gewährt werden.
Es ist eine durchgängige Verbesserung der Bezüge der Beamten von unten nach oben notwendig. Meine Fraktion legt zunächst Wert darauf, daß unten ein anständiges Existenzminimum gewährt wird, dann aber auch darauf, daß den Beamten der anderen Gruppen ein standesgemäßes — oder, wenn das Wort anstößig sein sollte, sage ich auch hier: ein anständiges — Auskommen sichergestellt wird. Hier handelt es sich um eine kulturtragende, kulturgestaltende Mittelschicht im Volk.
Die scharfe Sprache der Beamtenschaft ist angesichts der Umstände verständlich. Man kann den Beamtengewerkschaften unter den jetzigen Verhältnissen kaum zumuten, daß sie diese Schärfe der Sprache zügeln oder bremsen; das ist schlechterdings nicht mehr möglich. Auch der Hinweis der Beamtengewerkschaften, daß unter Umständen eine „Explosion" entstehen könnte — damit ist der Beamtenstreik gemeint —, ist verständlich. Meine Fraktion lehnt nach wie vor mit aller Entschiedenheit den Beamtenstreik ab. Aber ich darf hinzufügen: wenn 'heute mit diesem Gedanken wieder gespielt wird, dann ist die Regierung nicht ganz unschuldig daran.
Der Antrag meiner Fraktion fordert eine 20%ge Erhöhung der Bezüge. Ich glaube, man kann sagen, daß das ein maßvoller Antrag ist. Er ist mit Absicht maßvoll gehalten worden. Es wäre sachlich möglich, eine 'höhere Forderung zu begründen; aber wir sind 'der Auffassung, daß zunächst einmal das Notwendige geschehen muß. Dabei bewegen wir uns, 'nach dem zu schließen, was durchgesickert ist, auf der Linie, die die große Mehrheit des Bundeskabinetts vertritt. Deswegen möchte ich an den Herrn Bundesfinanzminister appellieren, der statt der 200/o, die man wohl im Bundeskabinett zu geben geneigt war, nur 15% zugestanden 'hat. Herr Bundesfinanzminister, ein 'alarmierender Warnruf ist 'hier angesichts der heraufziehenden Radikalisierung der Beamtenschaft am Platze. Die Demokratie, in deren Werden wir ja noch stecken, kann eine Radikalisierung der Beamtenschaft am schlechtesten vertragen.
Der Herr Bundesfinanzminister ist bei den Beratungen über das Gesetz nach Art. 131 des Grundgesetzes den Beschlüssen gefolgt, die der Beamtenrechtsausschuß gefaßt hat, und hat, als nach und nach mehr und mehr Mittel erforderlich wurden, als zunächst zugestanden waren, die Beträge wesentlich erhöht. Damit hat er, ich möchte sagen, einen reckenhaften Sprung getan. Wenn Sie, Herr Bundesfinanzminister, 20% statt 15% geben, brauchen Sie idiesen reckenhaften Sprung nicht noch einmal zu tun; es genügt ein wesentlich kleinerer Sprung.
— Das sind so Feinheiten, Herr Kollege Mießner;
auch Sie würden jedem 20% der Bezüge wahrscheinlich eher gönnen als 20% des Grundgehalts.
Und nun noch eines, meine Damen und Herren. Die junge Demokratie, von der ich vorhin schon sprach, kann es auch nicht vertragen, was in einem Richterspruch — er ist vor einiger Zeit ergangen — gesagt wird: daß von einer Erfüllung der staatlichen Treuepflicht gegenüber einem Beamten keine Rede sein könne, wenn einem Hilfspostschaffner monatlich ganze 124 DM gegeben werden. Das ist eine bittere Pille, die das Gericht hier verabreicht hat. Das Bundespostministerium ist hier nicht schuldig zu sprechen, denn es ist genau wie die anderen Verwaltungen an die Besoldungsordnung von 1927 gebunden. Der Richter hat gemeint, es handle sich bei den 124 DM vielleicht um einen Wohlfahrtsunterstützungssatz. Sehen Sie, man spricht so oft von der Weltfremdheit der Richter. Hier kann man von einer sozialen Aufgeschlossenheit sprechen.
Eine nur unzulängliche Aufbesserung wäre nicht zu verantworten. Wir stehen vor Erschütterungen innerhalb der Beamtenschaft, und es wäre ebenfalls nicht zu verantworten, dies außer acht zu lassen. Der Herr Bundesfinanzminister will den aktiven planmäßigen und außerplanmäßigen Beamten 15 % geben, dagegen nicht auch den Beamten im Vorbereitungsdienst im unteren, mittleren, gehobenen und höheren Dienst. Aber gerade auch die im Vorbereitungsdienst Befindlichen, meine Damen und Herren, sind 'ebenso bedürftig wie die übergangenen Ruhestandsbeamten, Witwen und Waisen. Wenn es' sich darum handelte, die Bezüge zu kürzen, hat man jedesmal die Ruhestandsbeamten, Witwen und Waisen einbezogen; und hier sollen sie 'nun nicht einbezogen werden! 65,98% aller Ruhestandsbeamten haben Bezüge 'bis zu 175 DM monatlich;
'
bei der Postverwaltung sind es im Mittel 158 DM im Monat. Nach meiner Auffassung und nach der meiner politischen Freunde ist es nicht zu verantworten, daß die Ruhestandsbeamten, Witwen und Waisen leer ausgehen.
Der Herr Bundeskanzler und der Herr 'Bundesinnenminister sollen sich Pressemeldungen zufolge auf den Standpunkt gestellt haben, daß jetzt auch den Ruhestandsbeamten, Witwen und Waisen geholfen 'werden müsse. Der Herr Bundesinnenminister hat nach Presseberichten einem Vertreter des Deutschen Beamtenbundes gesagt, es könne keinem Zweifel unterliegen, daß die Versorgungsbezüge mit erhöht werden müssen. Er hat weiter gesagt, der Versorgungsempfänger leide unter der Teuerung relativ stärker als der aktive Beamte und müsse daher ebenfalls berücksichtigt werden.
Jetzt, Herr Bundesfinanzminister, möchte ich unter Hinweis auf die Einsicht des Herrn Bundeskanzlers und des Herrn Bundesinnenministers, der der zuständige Minister für die 'Beamten ist, noch einmal an Sie appellieren. Man darf hier nicht Politik gewissermaßen gegen den geringsten Widerstand treiben. Herr Finanzminister, ich bitte, die fiskalische Kruste, die sich bei Ihnen in 'etwa ge-
bildet hat, durch ein Wohlwollen gegenüber der Beamtenschaft etwas aufzulockern. Das ist um so notwendiger, als das, was man dritte Notverordnung zur Sicherung der Währung und der öffentlichen Finanzen vom 16. März 1949 nennt, zum Schaden der Beteiligten noch besteht. Dieser Schaden hätte längst wettgemacht werden müssen. Durch diese Notverordnung sind seit mehr als zwei Jahren alle diejenigen geschädigt, die eine ruhegehaltsfähige Dienstzeit von 33 Jahren nicht hatten.
Für die Erhöhung, der Bezüge der Beamten haben sich aber nicht nur die 'Beamtengewerkschaften eingesetzt, sondern auch Länder- und Kommunalbehörden. Unter anderem weist der Rat der Stadt Essen mit Nachdruck und vollem Ernst in einer eigens dazu abgefaßten Entschließung auf die dringende Notwendigkeit einer unverzüglichen Neuordnung der Bezüge der öffentlichen Bediensteten mit dem Ziel der Anpassung an die gestiegenen Lebenshaltungskosten hin:
Die allgemeine Notlage der öffentlichen Bediensteten hat einen Grad erreicht. die einer sofortigen Abhilfe bedarf. Eine 15%ige Erhöhung würde den Teuerungsverhältnissen nicht gerecht werden.
Nun wird der Herr Bundesfinanzminister mit großen Zahlen aufwarten. Diese Zahlen hängen immer in einer etwas vernebelten Atmosphäre, und zwar deshalb, weil nie mitgeteilt wird, welcher Betrag bei Einkommensverbesserungen aus der Erhöhung der Einkommens- und Lohnsteuer wieder zurückfließt. Ich könnte mir denken, daß sich der Bundestag auch einmal für diese Zahlen interessieren wird.
Auf die angeordnete Erhöhung der Bezüge werden mittlerweile Abschlagszahlungen geleistet. Eine Verwaltung hat ,dienerhalb eine allgemeine Verfügung erlassen, deren Abschrift mir vorliegt. Der Einsender hat dieses Schriftstück mit der Überschrift „Seltsame Rechenkünstler" versehen. Die Abschlagszahlungen sind dadurch verunstaltet warden, daß die Steuerabzüge primär in den Vordergrund geschoben worden sind. Ich darf Ihnen das an einigen Beispielen klarmachen. Bei 176 DM Grundgehalt beträgt eine 15%ige Aufbesserung 26,40 DM; davon gehen 10% Steuern — 2,64 DM — ab, so daß ein Rest von 23,76 DM verbleibt. Auf diesen Betrag ist die Zahlung eines Abschlags von 15 DM verfügt worden. Es werden mithin 8,76 DM zu wenig gezahlt. Bei einem Grundgehalt von 275 DM werden an den Betreffenden. wenn wir eine 15%ige Steuer annehmen, 20,60 DM zu wenig gezahlt. Bei einem Grundgehalt von 850 DM und 40% Steuern werden statt '76,50 DM nur 45 DM gezahlt, also 31,50 DM zu wenig. Meine Damen und Herren, ich glaube, die Bezeichnung „Seltsame Rechenkünstler" ist hier berechtigt. Die fiskalische Bürokratie ist in diesem Falle reichlich engherzig. Es wird übersehen, daß es bei dem einzelnen bei den jetzigen Verhältnissen wirklich auf jede Mark ankommt. Wenn man in anderem Zusammenhange sagt, es komme auf jede Stimme an, dann darf man hier sagen: es kommt auf jede Mark an.
Was ich hinsichtlich der Verbesserung der Bezüge der Beamten einschließlich der Beamtenanwärter — das möchte ich noch einmal hervorheben -- und einschließlich der Ruhestandsbeamten, der Witwen und Waisen gesagt habe, gilt selbstverständlich auch für die Angestellten und Arbeiter von Behörden.
Ich beantrage, den Antrag der Zentrumsfraktion auf Drucksache Nr. 2096 dem Ausschuß für Beamtenrecht zu überweisen.
Meine Damen und Herren, wir müssen zunächst die Redezeit für die Aussprache festsetzen. Ich glaube, daß in Anbetracht der Besetzung des Hauses eine Gesamtredezeit von 40 Minuten genügen könnte.
— Das Haus legt die Redezeit fest, Herr Kollege Gundelach, und ich mache dem Haus lediglich einen Vorschlag. Das Haus kann den Vorschlag ablehnen. Der Ältestenrat wollte 90 Minuten empfehlen; ich glaube aber, daß der Ältestenrat davon ausgegangen ist, daß das Haus anders besetzt sein würde, als es der Fall ist.
Sie haben 60 Minuten vorgeschlagen.
— Gut, der weitestgehende Antrag geht dahin, 90 Minuten festzusetzen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Abgelehnt!
Der nächste Antrag geht dahin, 60 Minuten festzusetzen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Abgelehnt.
Der letzte Antrag geht dahin, 40 Minuten festzusetzen. Wer dafür ist, den bitte ich die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Das Wort hat der Abgeordnete Gundelach.
Meine Damen und Herren! I Es ist kennzeichnend, daß die Mitglieder des Hauses für eine so wichtige und dringende Angelegenheit, die eine große Schicht unseres Volkes angeht, ganze 40 Minuten übrig haben, d. h. für eine kleine Fraktion ganze 4 Minuten. Ich muß mich deswegen sehr einschränken und kann hier nicht das Material vortragen, das der Öffentlichkeit selbst aus den Beamtenkreisen unterbreitet wird und das immerhin verdient, hier in diesem Hause mit zur Diskussion gestellt zu werden. Im allgemeinen ist von dem Begründer des Antrages der Zentrumsfraktion bereits zum Ausdruck gebracht worden, wie elend die Lage gerade der unteren und mittleren Schichten des Beamtenstandes und der Angestelltenschaft ist, die im Behördendienst tätig ist, wie auch insbesondere jener Teile dieser Schichten, die heute Ruhegehalt, Witwen- oder Waisengeld beziehen.
Ich versage es mir, hier noch viele Tatsachen über die Verteuerung anzuführen, möchte aber doch einige Beispiele erwähnen, wie sie selbst in der Tagespresse, nicht in der kommunistischen, sondern in der bürgerlichen Tagespresse, enthalten sind. Ich möchte einen Hinweis über Löhne und Preise aus der „Deutschen Zeitung" vom 14. April 1951 zitieren. Danach kostete ein Kilo Mischbrot im Jahre 1938 34 Pf., während es heute 69 Pf. kostet. Das sind 109 % mehr. Das Kilo Rindfleisch kostete im Jahre 1938 1,74 RM, es kostet im Jahre 1951 3,34 DM. Das sind 92 % mehr. Das Kilo Schweinefleisch kostete im Jahre 1938 1,78 RM, es kostet im Jahre 1951 4,40 DM. Das sind 147 % mehr. Das Kilo Schweineschmalz — das Schmierfett des größeren Teils der Beamtenschaft, der mittleren und unteren Beamtenschaft — kostete im Jahre 1938 2,19 RM, es kostet im Jahre
1951 4,07 DM. Das sind 85,8 % mehr. Sb kann man eine ganze Reihe weiterer Artikel, besonders von Bedarfsartikeln usw., anführen. Man kann dabei feststellen, daß z. B. Männerstraßenschuhe heute 175 °/o mehr kosten als im Jahre 1938. Alle anderen Bedarfsartikel, die man sonst zum Lebensunterhalt braucht — das ist ja allgemein bekannt —, sind gegenüber 1937/38 mindestens um 50 bis 80 % im Preise gestiegen.
Tatsache ist, daß die Gehaltsordnung aus dem Jahre 1927 heute noch für die Beamten Geltung hat. Schon daraus ist ersichtlich, daß die 15 %, die heute zugestanden werden, in keiner Weise auch nur annähernd den berechtigten Forderungen der Beamten- und Angestelltenschaft entsprechen können. Selbst die 20 %, die die Mehrheit in der Regierung für diesen Zweck auszugeben bereit ist, reichen bei weitem nicht aus. Der Begründer des Antrages hat angeführt, wie es in der Wirklichkeit aussieht. Ich kann hier ein Beispiel aus der „Frankfurter Rundschau" vom 14. April 1951 zitieren. Danach bekommt ein 54jähriger Angestellter, der ein Nettoeinkommen von 258,50 DM hatte, ein Mehr von sage und schreibe 50 Pf. pro Tag, wenn, wie es vorgesehen ist, die Teuerungszulage wegfällt. Ein anderes angeführtes Beispiel ergibt ganze 29 Pf. pro Tag.
Ich glaube, schon damit ist die Forderung der Beamten in jeder Weise begründet. Die Beamten sagen: bis zu einer neuen Gehaltsreform ist das Allermindeste,. daß wir eine Aufbeserung unserer Bezüge um 33 1/3 % erhalten, weil wir einfach nicht mehr existenzfähig sind. Ich weiß, daß der Herr Finanzminister auch hier wieder erklären wird: für derart hohe Ausgaben, wie sie hier nach den berechtigten Forderungen der Beamten erforderlich wären, habe ich nicht die ausreichenden Mittel zur Verfügung. Das ist ein altes Lied. Wir als Kommunisten sagen: derselbe Finanzminister, der hier erneut die Hand auf den Geldbeutel hält und nicht bereit ist, die Gelder zur Verfügung zu stellen, die für diese großen Schichten unseres Volkes zur Aufrechterhaltung ihrer Existenz gegeben werden müßten, hat nichts dagegen einzuwenden, sondern ist absolut bereft — und findet auch jedesmal eine ausreichende Begründung dafür —, wenn es gilt, für die Remilitarisierung, für die Besatzungsmächte usw. die Milliarden nur so hinauszuschleudern. Tatsache ist, daß in diesem Jahr an 9 bis 10 Milliarden DM für Besatzungskosten erforderlich sein werden. Der Herr Finanzminister hat vor einiger Zeit in der Öffentlichkeit zum Ausdruck gebracht, daß er neue Mittel in Höhe von 4,7 Milliarden DM benötigt, um, wie er sagt, die innere und äußere Sicherheit des Bundes zu garantieren. Wir sind der Meinung, eine Sicherung des inneren Friedens und die äußere Sicherheit sind viel besser gegeben, wenn man das Volk so ernährt, daß es keine Ursache zum Klagen hat.
Das Wort hat der Abgeordnete Wuermeling.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es hieße meines Erachtens Eulen nach Athen tragen, wenn man hier noch länger darüber sprechen wollte, daß angesichts der jetzigen Besoldungsregelung in weitesten Schichten der Beamtenschaft ein große Notlage vorhanden ist. Ich habe eine vom Beamtensekretariat des Deutschen Gewerkschaftsbundes herausgegebene Zusammenstellung des jährlichen Nominal- und Realeinkommens der einzelnen Beamtenkategorien im Verhältnis zum Jahre 1913 vor mir liegen. Aus dieser Übersicht ergibt sich, daß die Beamten des einfachen Dienstes heute 87 % des Realeinkommens von 1913 haben, die des mittleren Dienstes 73 % des Realeinkommens von 1913, die des gehobenen Dienstes 56 % des Realeinkommens von 1913 und die des höheren Dienstes nur 51 % des Realeinkommens von 1913, während nach dieser Übersicht das Realeinkommen der männlichen Industriearbeiter bei 113 % des Einkommens von 1913 liegt. Das letztere ist eine Tatsache, die für uns alle selbstverständlich nur sehr erfreulich sein kann. Aber diese Relation des öffentlichen Sektors zu dem Sektor der privaten Wirtschaft ist nicht mehr länger tragbar. Hier muß etwas Entscheidendes geschehen.
Nun liegt uns im Augenblick der Regierungsentwurf über die vorgesehene Neuregelung der Beamtenbesoldung und das endgültige Ausmaß der Zulagen noch nicht vor, so daß wir dazu im einzelnen noch nicht Stellung nehmen können. Wir möchten aber schon jetzt den soeben betonten Grundgedanken herausstellen, daß der Treuepflicht des Beamten die Treuepflicht des Staates entspricht, die es dem Staat zur Aufgabe macht, einen angemessenen Lebensstandard des Beamten je nach dem Maß seiner Verantwortung sicherzustellen. Wenn und solange der Staat diese seine Treuepflicht nicht erfüllt, kann allerdings nicht davon die Rede sein, daß etwa der Beamte berechtigt wäre, nun seine Treuepflicht zu verletzen. Es kann und darf niemals im Ernst etwa die Forderung gestellt werden, daß der Beamte zur Durchsetzung wirtschaftlicher Forderungen in den Streik tritt. Mit einer solchen Forderung oder einem solchen Verhalten würden die Berufsbeamten selber die Axt an die Grundlagen des Berufsbeamtentums legen. Man kann nur sagen: wenn Berufsbeamte so etwas tun, wissen sie offenbar nicht, was sie tun. Ich freue mich, von diesem Pult in diesem Hause jetzt im Bundestag wiederholen zu können, was ich unter sehr lebhafter Zustimmung einer großen Zahl von hier im Saale anwesenden Beamten am vergangenen Samstag gesagt habe: Der deutsche Berufsbeamte hungert eher, als daß er streikt. Dieser Satz muß als eine Grundauffassung des deutschen Berufsbeamtentums gerade im Zusammenhang mit dem vorliegenden Antrag in unser Land hinausgerufen werden, damit nicht irgendwo Mißverständnisse über das hohe Ethos entstehen, von dem unser Berufsbeamtentum nach wie vor bis zum letzten erfüllt ist. Dieses Ethos muß zur Folge haben, daß der Staat nicht auf dieses hohe Ethos hin sündigt und denkt, er könne tun, was er will. Gerade dieses hohe Ethos verpflichtet vielmehr den Staat in besonderem Maße, alles zu leisten, was er unter den gegebenen Verhältnissen zur Sicherung eines angemessenen Lebensstandards tun kann. Das scheint mir eine Selbstverständlichkeit zu sein.
Meine Damen und Herren! Im übrigen ist eine angemessene Regelung der Besoldung der Beamten auch aus dem Grunde erforderlich, weil wir bei Aufrechterhaltung des jetzigen Zustandes auf längere Sicht ein ganz gefährliches Absinken des Niveaus des Berufsbeamtentums, nicht nur wirtschaftlich, sondern fachlich und leistungsmäßig, zu befürchten hätten. Denn wenn die Dinge so liegen, daß jeder in der freien Wirtschaft oder in freien Berufen etwa 50 °/o mehr oder das Doppelte von dem verdienen kann, was er — neben seinem Pensionsanspruch, gewiß! -- als Beamter verdienen kann, dann kann der Staat keine Entwicklung mehr ver-
hindern, die die besten Kräfte aus allen Schichten der Beamtenschaft in andere Berufe abwandern läßt. Und, meine Damen und Herren, dann wird auch denjenigen ein Nachteil zugefügt, die vielleicht immer dagegen auftreten, daß man die Beamten gut oder, wie man sagt, allzugut behandelt. Denn das ganze Volk hat das höchste Interesse daran, daß das Niveau, besonders das fachliche Leistungsniveau unserer Berufsbeamtenschaft erstklassig ist, weil mit diesem erstklassigen Niveau Erstklassiges für die Allgemeinheit geleistet werden kann.
Meine Damen und Herren, ich darf mich im Augenblick auf diese kurzen Bemerkungen beschränken. Ich hätte gern zur Pensionsregelung und zu der Frage der Gestaltung der Kinderzulagen auch noch einiges gesagt. Aber die Redezeit läuft ab, und ich will die Dinge im Ausschuß dann im einzelnen behandeln. Ich möchte hier nur folgenden Gedanken herausstellen: Es liegt mir nicht daran, daß grundsätzlich die Kinderzulagen im Sektor der Beamten, realeinkommensmäßig gesehen, erhöht werden. Mir liegt nur daran, daß jetzt, wo zweifellos nicht eine völlig ausreichende Anpassung der Beamtenbezüge an die Teuerung möglich ist, von den Beträgen, die zur Auffüllung beschafft werden können, ein gewisser Teilbetrag vorweggenommen wird, um ihn demjenigen Sektor zuzuteilen, in dem er am allernotwendigsten ist, nämlich da, wo eine größere Anzahl von Kindern zu unterhalten ist und wo sich das Einkommen des Haushaltsvorstandes durch soundso viel Teilnehmer dividiert, wo also die Notlage, die zu beheben ist, vielfach größer ist. Wie gesagt, dies soll lediglich eine Übergangsmaßnahme bis zu dem Zeitpunkt sein, wo die gesamten Gehälter einigermaßen an- gemessen gestaltet werden können.
Abschließend darf ich den Antrag stellen, den Antr g der Zentrumsfraktion federführend an den Ausschuß für Beamtenrecht unter Beteiligung des Haushaltsausschusses zu überweisen. Ich glaube nicht, daß die Federführung des Haushaltsausschusses gerechtfertigt wäre, da es sich in erster Linie um eine Fachfrage des Berufsbeamtenrechts handelt und da wir wohl auch dann, wenn wir z. B. bei der Kriegsopferfürsorge Erhöhungs- oder Zulageanträge zu behandeln haben, solche Anträge dem Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen und nicht dem Haushaltsausschuß federführend überweisen. Also nochmals Antrag: Überweisung an den Beamtenrechtsausschuß unter Beteiligung des Haushaltsausschusses.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Menzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir uns heute im Bundestag über die so dringend notwendig gewordene Erhöhung der Beamtengehälter und der Versorgungsbezüge unterhalten, dann ist das weiter nichts als eine Folge der vielen nachteiligen Auswirkungen -der so unglückseligen Wirtschaftspolitik
und der noch schlechteren Preisentwicklung in unserem Lande. Die Debatten am 10. April über das Wirtschaftsprogramm der Regierung und in der vorigen Woche über den Haushaltsplan des Herrn Bundesfinanzministers haben mit aller Deutlichkeit gezeigt, in welche Situation die Lohnempfänger gedrängt worden sind. Die Masse der Beamten, vor allem der Polizeibeamten, Lehrer, Eisenbahner, 'Postbeamten usw. liegt mit ihrem
Nominalgehalt von 1927 heute 40 % unter der Lebenshaltung von 1927.
Der DGB fordert in einer Entschließung, die bisherigen Teuerungszulagen aufrechtzuerhalten, sie jedoch in eine neue Besoldungstabelle einzubauen und die Gehaltssätze dann allgemein um einen ausreichenden Prozentsatz zu erhöhen. Dieser Vorschlag ging darauf hinaus, für die niedrigsten Gruppen das Existenzminimum zu schaffen und für die mittleren und höheren Beamten eine angemessene Zulage zu bewilligen . Wir halten diese Vorschläge des DGB für richtig. Der Antrag des Zentrums schematisiert die Teuerungszulagen zu sehr. Wir werden ihn daher dem Ausschuß überweisen, damit die Teuerungszulagen nach sozial vernünftigen Gesichtspunkten aufgebaut werden. Aus Zeitungsnachrichten ersehe ich, daß der Herr Bundesinnenminister einer Delegation der Gewerkschaften erklärt hat, er werde sich dafür einsetzen, die Teuerungszulage höher als 15 % zu bemessen.
Wenn mir hier ein Zuruf gemacht wurde, daß unser Vorschlag die Einkommensvernältnisse zu sehr schematisiere und nivelliere, so darf ich darauf hinweisen, daß bei der damaligen Steuerreform die höheren Beamten einen viel höheren Steuervorteil als die unteren erhalten haben. Während sich bei den unteren und zum Teil bei den mittleren Beamten die Steuersenkung auf monatlich 3 bis 4 DM belief, gleichzeitig aber die Verteuerung der notwendigsten Lebensmittel ihnen monatlich eine Vermehrung der Ausgaben von 7 bis 10 DM brachte, ist bei den Beamten der höheren Stufen immerhin eine viel größere Steuersenkung, bis zu 50 und 60 DM monatlich eingetreten
Wohin der Weg der bisherigen Beamtenbesoldungspolitik führt, beweist das Urteil, das Herr Kollege Pannenbecker erwähnt hat. Es handelt sich um ein Urteil der Strafkammer des Landgerichts Wuppertal vom 20. Februar dieses Jahres. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten möchte ich den tragenden Satz dieses Urteils verlesen:
Diese besondere Treuepflicht
— heißt es in dem Urteil —
des Beamten besteht nicht zuletzt auch deshalb, weil der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, daß der Staat in der gesetzlichen Ausgestaltung dieses Treueverhältnisses seinerseits eine besondere Fürsorge walten zu lassen habe.
Das Urteil stellt dann fest, daß der Staat diese Fürsorge habe vermissen lassen. Nun, meine Damen und Herren, man mag dieses Urteil schelten. Man mag sagen, daß trotzdem der Beamte von einer korrekten Dienstführung und von seiner Treuepflicht nicht entbunden werde. Aber wir sollten uns doch klarmachen, welche Folgen es für den Staat haben kann, wenn die besten und qualifiziertesten Kräfte in zunehmendem Maße in die Wirtschaft abwandern. Der Herr Bundesfinanzminister hat neulich erklärt, die Steuerhinterziehungen beliefen sich auf rund 3 Milliarden DM jährlich. Nun, ich glaube, das ist nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen, daß die tüchtigsten Finanzamtsbeamten wegen ihrer schlechten Bezahlung in die freie Wirtschaft abwandern und dort das verwerten, was sie sich auf Grund einer guten Ausbildung in der Finanzverwaltung an Wissen angeeignet haben. Wenn wir daher nicht zu einer allgemeinen Auslese der Mittelmäßigkeit kommen wollen, müssen wir dieser Besoldungspolitik rechtzeitig Einhalt tun:
Man hat in der Öffentlichkeit leider auch zu schnell vergessen, unter welch widrigen Umständen die Beamten nach 1945 bis kurz nach der Währungsreform haben arbeiten müssen.
Es stellte schon hohe Anforderungen an das Treuegefühl des Beamten, wenn er unter diesen Umständen damals bei der Arbeit blieb.
Die öffentliche Debatte über die Erhöhung der Beamtengehälter hat auch bei den Pensionären berechtigte Hoffnungen erweckt. Wir sollten nicht verkennen, daß der Kostenanstieg für die Gebrauchsgüter des täglichen Lebens den pensionierten Beamten genau so schwer und hart trifft wie den arbeitenden Menschen. Schließlich ist der Beamte, wenn er im Alter Krankheit und Siechtum zum Opfer fällt, gezwungen, Arzt und Krankenhaus zu den hohen Sätzen, die außerhalb der Krankenkassensätze zu zahlen sind, selbst zu übernehmen.
Wenn auch die Not bei allen Beamtenschichten gleich groß ist und wir auf die Sicherung des Existenzminimums bei allen Beamten Wert legen, so werden wir um eine abgestufte Teuerungszulage nicht herumkommen.
Wenn wir versuchen wollen, das Nachhinken der Gehälter und der Bezüge der Versorgungsempfänger einigermaßen auszugleichen, so rühren wir damit an ein Problem, das über den Antrag des Zentrums hinausgeht. Zunächst einmal liegen die Schwierigkeiten für die Beamten in der viel vertretenen Meinung, sie seien lästige Organe einer noch lästigeren Bürokratie. Aber man verkennt dabei, daß die Organe der öffentlichen Hand im modernen demokratischen Staat lebenswichtigste Aufgaben zu erfüllen haben und daß von ihrem richtigen Funktionieren der Bestand dieser Bundesrepublik sehr wesentlich abhängen wird. Ein Abrutschen in ein soziales Elend würde den Staat letzten Endes viel mehr kosten, als es diese geringfügige Teuerungszulage ausmacht.
Aber den Beamten sei von dieser Stelle aus auch einmal gesagt, daß sie sich dieses Nachhinken zum Teil selbst zuzuschreiben haben, weil sie sich zu spät und nicht richtig gewerkschaftlich organisiert haben. Hier knüpfe ich an das an, was der Herr Bundestagspräsident am Schluß der letzten Sitzung aus einer Verlautbarung der Zeitung des Deutschen Beamtenbundes verlesen hat. Ich meine die unerhörten Angriffe dieser Zeitung gegen den Bundestag und seine Abgeordneten. Oberstes Gesetz für einen Beamten und gerade für ihn sollten doch Wahrheit, Aufrichtigkeit und Achtung vor den Einrichtungen dieser Republik sein.
Es ist tief beschämend, daß der Beamtenbund, der mit den Gewerkschaften nichts zu tun hat, auf ein solches Niveau absinken konnte. Man sollte sich diese Leute — und das möchte ich dem Herrn Bundesinnenminister empfehlen —, die zu diesen Verunglimpfungen schritten, einmal genauer ansehen, und ihre Vorgesetzten sollten einmal ernstlich prüfen, ob diese Attacke gegen die Einrichtungen des Staates nicht einer bewußten Unterhöhlung der Demokratie dienen sollte.
Hinzu kommt die sehr unglückliche Zersplitterung der Beamtenvereinigungen, die vielfach nur auf einem gewissen Beamtendünkel beruht, den wir endlich überwunden haben sollten. Im übrigen würde eine stärkere Anerkennung gewerkschaftlicher Zusammengehörigkeit, würde mehr Einsicht, daß der Kampf einheitlich geführt werden muß, wahrscheinlich viel mehr helfen als lange Debatten im Bundestag.
Das Wort hat der Abgeordnete Nowack.
Dr. Nowack (FDP): Meine Damen und Herren! Die Besetzung dieses Hauses steht in einem krassen Gegensatz zu der Bedeutung der Frage, die hier behandelt wird. Es handelt sich hier nicht nur darum, ob und in welchem Umfange die Gehälter von Beamten und Angestellten der öffentlichen Hand erhöht werden, sondern vor allem darum, durch Maßnahmen dieser Art zu verhindern, daß die in diesen Kreisen sich bemerkbar machende kritische und zur Krise treibende Stimmung, die von einer weitgehenden Bedeutung für die Erfüllung und Erledigung der staatspolitischen Aufgaben der Verwaltung ist, nun ihr Regulativ durch die Maßnahmen finden soll, die getroffen werden müssen. Das geht also, weit über die Besprechung der üblichen Gehaltserhöhungsfragen hinaus. Es ist eine Frage, die in der Tat an die staatspolitischen Grundsätze herangeht. Darum bedauere ich es außerordentlich, daß das Haus in so schwacher Besetzung dieser Debatte folgt und offenbar damit dokumentiert, daß es den tiefen Sinn der Frage noch nicht begriffen hat.
Meine Damen und Herren! Der Antrag der Zentrumspartei rennt an sich offene Türen ein. Die Frage der Erhöhung der Gehälter der Beamten ist seit Wochen und Monaten Gesprächsthema. Wir bedauern nur eins: auch von seiten der Bundesregierung 'sind im Laufe der vergangenen Wochen wiederholt Erklärungen zu diesem Thema abgegeben worden, und man hört, daß in den Referentenschreibtischen die Entwürfe fix und fertig vorliegen, daß nur von der Bundesregierung, vom Kabinett noch keine entscheidenden Beschlüsse gefaßt worden sind.
Wir bedauern das; wir bedauern diese Verzögerung der Angelegenheit und richten an die Bundesregierung die entschiedene Bitte, doch dafür Sorge zu tragen, daß nun endgültig und schleunigst dem Hause ein Entwurf zugeht, damit das Haus sich über die zu ergreifenden Maßnahmen schlüssig werden kann.
Meine Damen und Herren! Dabei wird der Herr Finanzminister sicher ein besonderes Wort zu sprechen haben.
— Ja, ich bedauere das auch. — Aber ich möchte dem Herrn Finanzminister eines sagen: Die Beamten sind wie überhaupt alle Festbesoldeten die steuerehrlichsten Bürger.
Ich glaube, das könnte die Maßnahmen, die getroffen werden müssen, vielleicht in etwa erleichtern. Die Stimmung in den Kreisen der Beamtenschaft kann man gar nicht überschätzen. Die Notlage ist außerordentlich groß. Die unteren, aber auch die mittleren Schichten der Beamtenschaft sind in eine wachsende Verschuldung geraten und
sehen sich schwersten Problemen finanzieller Art gegenüber. Es muß so schnell wie möglich etwas geschehen.
Wenn man in radikalen Kreisen der Beamtenschaft mit der Frage eines Beamtenstreiks gespielt hat, so möchte ich dazu nur folgendes sagen: das Streikrecht kann den Beamten nicht zugestanden werden. Wir begrüßen es daher, daß der Deutsche Beamtenbund erklärt hat, er vertrete zwar mit allem Nachdruck die Forderungen der Beamtenschaft, die Beamten könnten aber von dem Streikrecht keinen Gebrauch machen. Nichtsdestoweniger darf man die ganze Frage in ihrer Bedeutung nicht verkleinern, sondern es muß nunmehr erst recht Aufgabe der Regierung sein, sich der Lösung dieser Frage mit aller Entschiedenheit und Beschleunigung zu widmen.
Meine Damen und Herren! Vielleicht wäre es zweckmäßiger gewesen — wenn wir die Zeit dazu hätten, die Dinge zu bearbeiten —, nicht eine schematische Erhöhung der Gehälter vorzunehmen, sondern an die Frage der Neuregelung der Besoldungsordnung heranzugehen. Diese Frage wird im Laufe des Jahres noch erledigt werden müssen.
Aber im Augenblick gibt es nur die Möglichkeit einer generellen Erhöhung für alle Stufen, nicht nur wieder für einzelne Gruppen.
Wir wollen nicht eine Nivellierung. Einer Nivellierung können wir nicht zustimmen. Ich möchte die Regierung und das Hohe Haus bitten, zu berücksichtigen, daß für die unteren Stufen zweifelsohne das Existenzminimum gesichert sein muß. Aber es darf keine Nivellierung stattfinden. Auch
o die mittleren und oberen Schichten der Beamtenschaft werden durch die Teuerung in Mitleidenschaft gezogen und müssen, wenn sie ihre Aufgaben erfüllen und eine angemessene Lebenshaltung führen sollen, in der gleichen Weise eine Erhöhung ihrer Gehälter erfahren.
Meine Fraktion stimmt daher einer angemessenen Erhöhung der Beamtengehälter und Pensionen zu.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist der Antrag gestellt worden. den Antrag der Fraktion des Zentrums dem Ausschuß für Beamtenrecht federführend und dem Haushaltsausschuß als beratendem Ausschuß zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden?
— Es erfolgt kein Widerspruch, damit ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Aufhebung des Verbots der „Wahrheit" und der „Volksstimme" durch die Alliierte Hohe Kommission .
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Fisch.
Meine Damen und Herren! Am 29. März wurde die in Hannover erscheinende Zeitung „Die Wahrheit" auf die Dauer von 90 Tagen verboten. Einen Tag später wurde die in Stuttgart erscheinende Tageszeitung „Volksstimme" gleichfalls auf die Dauer von 90 Tagen verboten. Außerdem wurde in beiden Fällen sowohl dem Verlag wie der Druckerei auf die Dauer von drei Monaten jegliche Tätigkeit untersagt. Die 1 Arbeitsräume beider Unternehmen wurden versiegelt und das Personal wurde aufgefordert, binnen einer Stunde — im Falle Stuttgart binnen 15 Minuten — die Räume zu verlassen.
Was erfahren wir über die Motive, die die Behörden vorschützen, welche die Zeitungen verboten haben? Bemerkenswert an der Angelegenheit ist, daß zum erstenmal eine deutsche Zeitung von der Alliierten Hohen Kommission verboten worden ist. In der Begründung, die in Hannover überreicht wurde, heißt es, die Zeitung „Die Wahrheit" habe „in einer Art gehandelt, die das Prestige oder die Sicherheit der alliierten Streitkräfte vorsätzlich gefährdet hat oder hätte gefährden können." Wir haben hier eine durchaus neue Begründung für einen Gewaltakt, nämlich nicht einen nach der Meinung der verbietenden Behörde vorliegenden Tatbestand, sondern die Möglichkeit eines Tatbestandes, über dessen Existenz noch nicht einmal Klarheit herrscht.
Wenn man sich die Mühe macht zu prüfen, welches die beanstandeten Artikel gewesen sein mögen, so kommt man zu überraschenden Feststellungen, darüber nämlich, welche Schreibweise und welche Enthüllungen „das Prestige der alliierten Streitkräfte", wie es heißt, „gefährden oder hätten gefährden können".
In der beanstandeten Nummer der „Wahrheit" war eine umfangreiche Darstellung über eine ganze Reihe konkreter Vorbereitungsmaßnahmen zu kriegerischen Handlungen veröffentlicht. Darin ist die Rede Von Vorarbeiten für die Anlegung neuer Flugplätze im Gebiet von Jever, von Burgdorf, von Langelsheim und von anderen militärischen Maßnahmen im Vorharz, im Raum von Braunschweig und Hannover und vor allem von den Kriegsübungen in der Lüneburger Heide. Es wird weiter auf das ungeheuerliche Projekt hingewiesen, im und am Steinhuder Meer in Niedersachsen eine neue Raketenabschußbasis zu errichten, wodurch dieses ganze Gebiet die Existenzmöglichkeit von Tausenden von Menschen verliert, die ihren Verdienst durch den Fremdenverkehr erworben haben, und wodurch die Interessen der Fischer dieses großen Binnensees auf das ernsthafteste gefährdet werden. Weiter ist in der betreffenden Nummer die Rede von der Anlegung neuer Panzerstraßen, insbesondere im Kreise Soltau; es ist die Rede von den ungeheuerlichen Vorgängen im Kreise Fallingbostel in der Lüneburger Heide, wo durch die Maßnahmen der britischen Besatzungsmacht für Kriegsübungen nicht weniger als 14 000 ha beschlagnahmt worden sind. Schließlich wird nach der Darstellung dieser ganzen Tatbestände, die ja in der Bevölkerung des betreffenden Gebietes bekannt sind, eine politische Schlußfolgerung gezogen. Es wird gesagt: jawohl, diese Tatsachen sind der Bevölkerung Niedersachsens kein Geheimnis; sie erkennt von Tag zu Tag deutlicher, daß, wenn diesen Kriegsvorbereitungen kein Einhalt geboten wird, es eines Tages zu spät sein kann, und darum muß das Volk die Sache des Friedens in die eigene Hand nehmen.
Das, meine Damen und Herren, ist der Grund, weshalb die Alliierte Hohe Kommission eingegriffen und verboten hat, daß dem Volke nahegelegt wird, es müsse sich gegen verbrecherische Maßnahmen zur Vorbereitung eines Krieges zur Wehr setzen.
Im anderen Falle, im Falle der Stuttgarter „Volksstimme", handelt es sich um ähnliche Vorgänge. Dort ist die Bevölkerung seit einigen
Wochen aufgebracht über das Ulmer Kasernenprojekt. Alle Zeitungen sind sich in der Feststellung einig, daß Ulm wieder eine Garnisonstadt werden soll. Auf Befehl der amerikanischen Besatzungsbehörden ist die Stadtverwaltung von Ulm angewiesen worden, bis spätestens 1. April fünf Kasernen für amerikanische Truppenverstärkungen bereitzustellen. Zwei weitere Kasernen sollen zu einem demnächst bekanntzugebenden Termin gleichfalls geräumt werden. Der amerikanische Befehl wurde der Ulmer Stadtverwaltung auf dem Wege über den hier ja bekannten Herrn Theodor Blank übermittelt.
Es ist interessant, zu wissen, wie die Bevölkerung durch diese Maßnahmen auf das ernsthafteste geschädigt wird. 2000 Menschen, die in diesen Kasernen bisher eine notdürftige Unterkunft gefunden hatten, würden dadurch zwangsweise ausgesiedelt. Nicht weniger als 96 Handwerks- und Industriebetriebe mit über 1300 Beschäftigten, die in Nebenräumen der Kasernen untergebracht waren, würden auf die Straße gesetzt. Und schließlich würden durch diese Maßnahmen nicht weniger als 2800 Schulkinder ihre Unterrichtsräume verlieren.
Das sind keine Dinge, die geheim bleiben können, und es ist das Recht der Bevölkerung, sich dagegen zur Wehr zu setzen. So hat auch die Stadtvertretung und die Stadtverwaltung die Pflicht anerkannt, sich gegen diese Maßnahmen zur Wehr zu setzen.
In der beanstandeten Nummer vom 22. März 1951 wird darum ein Bericht über eine Sitzung des Ulmer Gemeinderats vom 19. März veröffentlicht und daran die Aufforderung an die Bevölkerung angeschlossen, die Bemühungen zu verstärken, um die Räumung dieser Objekte zu verhindern. Wörtlich heißt es: „Die Erwartungen, die die Bevölkerung in bezug auf die Gemeinderatssitzung hatte, wurden nicht erfüllt. Die Bevölkerung muß nun selbst die Initiative ergreifen und alles tun, um die drohende Beschlagnahme zu verhindern." Ich kann mir vorstellen, daß diese Aufforderung, die im Sinne der Tausende der betroffenen Menschen liegt, nicht auf das Verständnis der Besatzungsbehörden gestoßen ist, und das ist der Grund, weshalb eine solche ungeheuerliche Maßnahme im Interesse der Besatzungsmacht und ihrer kriegsvorbereitenden Maßnahmen für nötig gehalten wurde.
Aber anscheinend hat noch ein weiterer Artikel in dieser Nummer der „Volksstimme" das Mißfallen der Besatzungsmacht erregt. Die Besatzungsmacht hielt es ja nicht für nötig, die Artikel im einzelnen zu benennen; sie spricht nur von „gewissen Artikeln". In dieser Nummer ist eine Sonderseite über das ungeheuerliche Nebeneinander von provozierendem Luxus der amerikanischen Besatzungsmacht und deutschem Elend in Garmisch-Partenkirchen. Garmisch-Partenkirchen, das als sogenanntes amerikanisches „Erholungszentrum" angesprochen wird, wird auf dieser Sonderseite als ein klassisches Beispiel für den wirtschaftlichen, kulturellen und sittlichen Niedergang in Westdeutschland unter dem Besatzungsregime dargestellt. Es werden eine Reihe von Beispielen aus dem Leben dieser von Amerikanern beherrschten Stadt dargestellt, aus dem Leben in den Vergnügungslokalen, über die offene und versteckte Prostitution, über die Vergewaltigung der primitivsten Interessen der deutschen Bevölkerung. Es wird vom Rießersee und seinen amerikanischen „Etablissements" gesprochen. Es werden Einzelangaben gemacht über die provozierend hohen Ausgaben, beispielsweise für die Errichtung einer Großwaschanlage, für die Errichtung der hier im Hause schon diskutierten Kegelbahn mit einem Kostenaufwand von 400 000 DM.
Es wird von Klein-Amerika gesprochen, das im Wald bei Garmisch-Breitnau errichtet wird, und von den mit provozierendem Luxus ausgestatteten Wohnungen für die Herrenmenschen aus Übersee.
Dann wird dem gegenübergestellt eine Darstellung des ungeheuerlichen Elends, das dicht neben diesem Besatzungsluxus sein Dasein führt. Als Musterbeispiel werden die sogenannten „Asozialen" — Baracken erwähnt. die an der Loisach errichtet sind und dort armen Menschen als Notunterkunft dienen, die man im offiziellen Behördensprachgebrauch als asozial bezeichnet. So wird eine Holzbaracke geschildert, ohne gemauerten Untergrund, mit Ritzen in den Fußböden, durch die es kalt und feucht heraufzieht: dünne Holzwände, kein elektrisches Licht, obwohl nur 20 Meter entfernt die Lichtleitung vorbeiführt. Petroleum und Kerzen geben abends ein notdürftiges Licht; Wasser liefert eine Pumpe im Freien, vier Pfähle, ein Dach darüber und darunter ein Kessel, — das ist die Waschküche. Sommer wie Winter eine zugige Holzbude mit einer Grube sind der vollwertige Ersatz für Wasserspülklosetts, durch die das Abendland doch seine Berühmtheit erlangt hat.
So wird dieses eine Beispiel dargelegt, das typisch ist für die Armut und das Elend einer großen Anzahl - von Menschen, die gezwungen sind, täglich die Entfaltung des ungeheuerlichen Luxus mitanzusehen. Es wird auf die Tatsache hingewiesen, daß in Garmisch-Partenkirchen 30 Klassenräume fehlen, daß in einer Schule 3 Zimmer und 6 Klassen für 321 Kinder vorhanden sind und dergleichen mehr.
Man kann verstehen, daß es die amerikanische Besatzungsmacht als nicht im Sinne ihrer Besatzungspolitik betrachtet, wenn auch die Bevölkerung außerhalb Garmisch-Partenkirchens von diesen Tatsachen etwas erfährt.
Ich möchte noch darauf hinweisen, daß es für das Verbot der „Wahrheit" in Hannover eigentlich zwei Begründungen gibt, nämlich die eine, die an Ort und Stelle vom britischen Landeskommissar ausgehändigt worden ist, und eine zweite, die gleichzeitig unabhängig davon auf dem Petersberg von der alliierten Hohen Kommission bekanntgegeben worden ist. Ich denke, daß diese zweite Fassung — man hielt es in Hannover gar nicht für nötig, sie zu überreichen — wohl den politischen Sinn der ganzen Angelegenheit besser trifft. Dort heißt es nämlich in der Begründung:
Am 17. März veröffentlichte die Zeitung „Die Wahrheit" auf der ersten Seite einen Artikel, der die Bevölkerung zum Widerstand gegen die alliierten Maßnahmen zur Verteidigung Deutschlands aufhetzt.
Meine Damen und Herren, niemand aus der deutschen Bevölkerung hat die amerikanischen und britischen Herren zur „Verteidigung" Deutschlands aufgefordert.
Darum kann auch keine Rede davon sein, daß die „Verteidigung" Deutschlands, wie es die Amerikaner darstellen, d. h. ihr Aufmarsch zu kriegerischen Maßnahmen, zu aggressiven Maßnahmen gegen die Sowjetunion auf unserem Boden, den besonderen Schutz der öffentlichen Meinung oder der Presse in Westdeutschland verdient. Es ist das gute Recht eines jeden Deutschen, sich gegen die Kriegsvorbe-
reitung und gegen die Remilitarisierung zur Wehr zu setzen.
Allerdings muß man den Eindruck erhalten, daß die Alliierte Hohe Kommission alle Reden über Freiheit und Demokratie, über Freiheit der Persönlichkeit und der Presse für ungültig erklärt, wenn es sich um ihre eigenen machtpolitischen und militärischen Interessen handelt.
Sie gibt hiermit eine drastisches Beispiel, was die Bevölkerung von der westlichen Freiheit der Presse, von der Freiheit der Wahlen zu halten hat. Denn man darf es doch wohl nicht als einen Zufall betrachten, daß das Zeitungsverbot gerade in dem Land erfolgte, in dem in einigen Tagen die Neuwahlen zum Landtag stattfinden sollen.
Wir fordern das Recht eines jeden Staatsbürgers, nicht nur seine Stimme zu erheben, sondern zu agitieren, Argumente zu entwickeln und zu kämpfen gegen die Vorbereitung des Krieges auf deutschem Boden, gegen die Remilitarisierung auf fremdes Geheiß. Das ist ein wahres demokratisches Grundrecht.
Allerdings wird die Bundesregierung kaum den Mut aufbringen, um für die Grundrechte, die im Grundgesetz umschrieben sind, zu kämpfen; denn dann würde sie sich in Widerspruch setzen zu den Intentionen der Besatzungsmächte, die ihren Kriegsvorbereitungen unter allen Umständen den Vorrang gegenüber den Rechten der deutschen Bevölkerung sichern möchten. Aber Sie, meine Damen und Herren, die immer von Freiheit der Persönlichkeit, von der Freiheit der westlichen Zivilisation und von der Notwendigkeit, sie zu schützen, sprechen, hier haben Sie eine Gelegenheit, zu beweisen, inwieweit Sie gewillt sind, Worte und Taten miteinander in Übereinstimmung zu bringen. Wenn Ihnen die Freiheit der Rede, die Freiheit der Person etwas wert ist, wenn Sie wollen, daß es einem jeden freisteht, gegen die Remilitarisierung Stellung zu nehmen, dann seien Sie so konsequent und stimmen unserem Antrag zu, der einen Protest gegen die Willkürmaßnahmen der Besatzungsmacht darstellt, gegen Maßnahmen, die die Freiheit der Persönlichkeit vergewaltigen im Interesse einer skrupellosen Politik der Remilitarisierung.
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, den Antrag ohne Aussprache dem Ausschuß für das Besatzungsstatut zu überweisen.
— Einen Augenblick! Der Herr Bundesminister?
— Dann hat das Wort der Abgeordnete Bausch.
Meine Damen und Herren, der Herr Vorredner hat die Aufforderung an uns gerichtet, wir möchten dem Antrage auf Drucksache Nr. 2125 zustimmen. Ich muß meinem Herrn Vorredner leider sagen, daß ich mich nicht in der Lage sehe, dieser Aufforderung nachzukommen.
--- Ja, ich will Ihnen noch sagen, warum ich dieser
Aufforderung nicht nachkommen kann. Sie haben
von Remilitarisierung gesprochen und von dem
Verbot der Zeitungen, die in Ihrem Antrage genannt sind. Nach meiner Kenntnis wird vor allem in einem Lande die Remilitarisierung betrieben, und das ist Sowjetrußland und die von Sowjetrußland beherrschte Ostzone Deutschlands.
Wenn Ihre Zeitungen von der Remilitarisierung in diesen Ländern geschrieben hätten, verehrter Herr Vorredner, dann wären sie ganz sicher nicht verboten worden. Deshalb glaube ich nicht, daß es einen Zweck hat, weiter über diesen Antrag zu reden. Zeitungen sind dazu da, der Wahrheit zu dienen; und wenn Ihre Zeitungen
diesem Dienst an der Wahrheit nicht nachkommen und diese ganz ungeheuren militärischen Aufrüstungsmaßnahmen in der Ostzone verschweigen, dann glaube ich nicht, daß wir dem Verbot dieser Zeitungen entgegentreten können. Ich beantrage, über den Antrag der KPD zur Tagesordnung überzugehen.
Meine Damen und Herren, ich lasse über diesen Antrag abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben.
— Gegenprobe! — Gegen einige Stimmen angenommen.
Dieser Punkt der Tagesordnung ist erledigt.
Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes über den Entwurf eines ' Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über das Schiffsregister (Nr. 2184 der Drucksachen).
Hier schlägt Ihnen der Ältestenrat vor, ohne eine Aussprache Beschluß zu fassen. Ist das Haus einverstanden?
— Wer für die Annahme ist — —
— Wollen Sie dazu sprechen?
— Wir sprechen, im allgemeinen wenigstens, nicht zu den Anträgen des Vermittlungsausschusses; es findet vor der Abstimmung über sie keine Aussprache dazu statt, es können nur Erklärungen abgegeben werden. — Das scheint nicht Ihre Absicht zu sein.
Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme des Ausschußantrags auf Drucksache Nr. 2184 ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den vorläufigen Handels- und Schifffahrtsvertrag vom 19. Dezember 1950 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Island .
Auch hier schlägt der Ältestenrat vor, keine Aussprache vorzunehmen, sondern die Vorlage unmittelbar an den Ausschuß für Außenhandelsfragen zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden?
— Es erfolgt kein Widerspruch; es ist so beschlossen. -
Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Dr. Müller , Dr. Horlacher und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über den Verkehr mit Zucker (Nr. 2107 der Drucksachen).
Hier schlägt Ihnen der Ältestenrat vor, für die Begründung des Antrages 10 Minuten anzusetzen und im übrigen auf eine Aussprache zu verzichten und den Antrag an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik zu überweisen, wobei der erstgenannte Ausschuß federführend sein soll. Ist das Haus einverstanden? - Kein Widerspruch.
Wer begründet den Antrag?
— Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dr. Müller.
Dr. Dr. Müller (CDU), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Wir haben diesen Antrag eingebracht, weil sich ergeben hat, daß gewisse Änderungen beim Zuckergesetz vorgenommen werden müssen. Wir haben eine starke Ausdehnung des Rübenanbaus im vorigen Jahre erlebt und sind in diesem Jahre schon von den 184 000 ha des Vorjahres auf 205 000 ha gekommen, die gemeldet worden sind.
Wir haben aber die Gebiete in Schleswig-Holstein, dann in Bayern in der Gegend von Würzburg und Ochsenfurt und in Niedersachsen, wo jetzt starker Rübenanbau in Gang gekommen ist und eine Verarbeitung an Ort und Stelle nicht möglich ist. Die Rüben müssen durch Frachten über weite Strecken in andere Fabriken gebracht werden. Es müssen Mittel geschaffen werden, um hier einen Frachtausgleich zu ermöglichen. Dafür wollen wir in dem Gesetz die Änderung vornehmen, daß der Minister in der Lage ist, derartige Frachtausgleiche zu bestimmen.
Zweitens handelt es sich darum, auch Mittel zu beschaffen, um die Subvention von eingeführtem Zucker durchzuführen.
Drittens ist beabsichtigt, in den drei von mir genannten Gebieten Zuckerfabriken zu errichten. Von der Landwirtschaft allein kann das nicht geschafft werden, weil eine Fabrik, wie sie für dieses Gebiet erforderlich ist — die in Friedenszeiten 3 bis 4 Millionen gekostet hat —, heute 20 bis 22 Millionen DM Baukosten verursacht. Es war der einstimmige Beschluß des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft, daß neben 5 Millionen, die die Landwirtschaft der Gebiete aufbringen muß, aus Marshallplanmitteln im ganzen je Fabrik 10 Millionen zur Verfügung gestellt werden sollen. Die Marshallplan-Kommission hat aber die Zur-Verfügung-Stellung abgelehnt und jetzt überraschenderweise — aus welchem Grunde, ist uns unbekannt — nur für die Fabrik Ochsenfurt in Bayern die 10 Millionen bewilligt. Um aber auch den Bau der anderen Fabriken und die notwendigen Kapazitätserhöhungen zu ermöglichen, sollen dadurch Kreditmöglichkeiten geschaffen werden, daß der Minister befugt wird — wenn das möglich ist —, vom Zuckerpreis 3 DM zu erheben, um dadurch die Mittel anzusammeln. Ich will nicht weiter auf diese ganzen Probleme eingehen, sondern bitte Sie, diesen Antrag dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Erledigung zu überweisen.
Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen die Empfehlung des Ältestenrats mitgeteilt. Das Haus verzichtet auf eine Aussprache und ist mit der Überweisung an die beiden genannten Ausschüsse einverstanden. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Dann rufe ich auf Punkt 8 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
über die Verlängerung der Zuckerungsfrist
bei Wein .
Hier schlägt Ihnen der Ältestenrat vor, den Antrag ohne mündliche Begründung entgegenzunehmen, sich mit der gedruckten Begründung zu begnügen und die Vorlage an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? — Es ist so beschlossen.
Nunmehr rufe ich auf Punkt 9 der Tagesordnung: Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 .
Der Ältestenrat hat Ihnen vorzuschlagen, für die Begründung dieses Antrages 10 Minuten anzusetzen; und was die Gesamtaussprachezeit betrifft, so möchte ich Ihnen den Vorschlag machen, da doch die Hauptarbeit an dieser Vorlage im Ausschuß zu geschehen hat und da doch wohl, wenn die Sache in zweiter Lesung aus dem Ausschuß zurückkommen wird, in der dritten Lesung die grundsätzlichen Ausführungen auf der Grundlage des Ausschußberichts zu machen sein werden, auf eine allgemeine Aussprache in erster Lesung zu verzichten.
— Sie protestieren?
— Herr Kollege Renner, ich habe ja gesagt: der Vorschlag ist m eine Empfehlung.
— Wenn Sie mein Verhalten „System" nennen wollen, ist es Ihre Sache. Das Haus hat zu beschließen. Ich will Ihnen der Loyalität halber sagen, daß der Ältestenrat der Meinung war, daß hierfür eine Redezeit von 90 Minuten vorgeschlagen werden sollte. Ist das Haus mit meiner Empfehlung einverstanden?
— Zur Geschäftsordnung der Abgeordnete Renner!
Meine Damen und Herren! Nicht ohne Grund hat der Ältestenrat Ihnen empfohlen, eine Beratung von 90 Minuten durchzuführen. Die Beschwerden aus den Kreisen der Kriegsopfer über die Auswirkungen, die bei der Durchführung der Umanerkennung auf der Basis des neuen Bundesversorgungsgesetzes zutage getreten sind, schwellen von Tag zu Tag an. Die Kriegsopferorganisationen haben sich zu dem heute in erster Lesung anstehenden Problem durch Eingaben an die Fraktionen bereits geäußert. So hat z. B. der Reichsbund der Kriegsbeschädigten allen Fraktio-
nen eine große, tiefgründige Eingabe mit der Bitte zugestellt, die darin enthaltenen Gedankengänge hier zu verteidigen. Ich bin der Überzeugung, daß es, gemessen an der Empörung, an der berechtigten Empörung, die draußen über die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes entstanden ist, für den Bundestag geradezu eine Pflicht ist, das Problem hier, wie es auch vorgesehen war, in erster Lesung gründlich zu diskutieren. Geht der Antrag erst einmal in die Ausschüsse und verschieben wir die Besprechung in die zweite bzw. dritte Lesung, dann haben die Kriegsopferorganisationen meines Erachtens das Recht, festzustellen, daß ihre Gedankengänge zu diesem Vorschlag hier überhaupt nicht öffentlich oder nicht rechtzeitig zum Vortrag gebracht worden sind. Ich bitte Sie deshalb, den Beschluß des Ältestenrates hochzuhalten und eine Aussprache zu genehmigen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich lasse über die Anträge abstimmen.
Am weitesten geht die Empfehlung, den Antrag ohne Aussprache an den Ausschuß zu überweisen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Letzteres war wohl die Mehrheit.
— Ich bitte, die Abstimmung zu wiederholen. Wer
dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. —
Ich bitte um die Gegenprobe! — Letzteres war die Mehrheit. Wer für eine Beschränkung der Redezeit auf 90 Minuten ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Das Wort hat der Abgeordnete Mende zur Begründung des Antrages.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus Anlaß der Debatte über den Haushalt des Bundesarbeitsministers hat die schleppende Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes allgemeine Kritik seitens aller Parteien gefunden. Wir haben im Laufe dieser Debatte den Gesetzentwurf auf Drucksache Nr. 2148 auf den Tisch des Hauses gelegt, und ich habe die Ehre, diesen Gesetzentwurf heute in erster Lesung einzubringen.
Die derzeitige verfassungsrechtliche Situation im Kriegsopferwesen ist folgende: Laut Art. 74 Ziffer 10 des Grundgesetzes ist die Versorgung der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen Bundessache, d. h. der Bund hat sie im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung an sich gezogen. Die Ausführung der Bundesgesetze obliegt nach Art. 83 den Ländern, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zuläßt.
Es ist nun nötig, zu der derzeitigen verfassungsrechtlichen Situation sowie zur verwaltungsmäßigen und politischen Situation auf dem Gebiete des Kriegsopferwesens Stellung zu nehmen. Die Folgen der Länderverwaltung sind gerade ih der 134. Sitzung bei der Debatte über den Haushalt des Bundesarbeitsministers hier ausführlich dargelegt worden. Ich will nicht untersuchen, wo hinsichtlich des Versagens bei der Ausführung des Bundesversorgungsgesetzes mehr Schuld liegt, ob bei der Verzögerung der Ausführungsbestimmungen, also beim Bund, oder bei den Ländern. Fest steht, daß eine erhebliche Schwerfälligkeit in der
Ausführung des Bundesversorgungsgesetzes zu beobachten ist, und das wundert einen auch nicht, wenn
man weiß, daß noch im Sommer vorigen Jahres
674 000 unerledigte Anträge vorlagen, allein in
Bayern 201 800, in Niedersachsen 120 200 und in
Württemberg-Baden 78 900. Auch wenn ich berücksichtige, daß durch die Koppelung der Kriegsopferversorgung mit der Sozialversicherung, durch
die Zerstörung vieler Verwaltungsgebäude und
durch das Fehlen an Personal eine erhebliche
Hemmung eingetreten ist, muß ich trotzdem diese
hohe Zahl von noch 674 000 unerledigten Rentenanträgen als symptomatisch für die Verwaltungstätigkeit der Länder im Kriegsopferwesen ansehen.
— Nordrhein-Westfalen ist auch mit etwa 120 000 Anträgen beteiligt; im Verhältnis zur Bevölkerungszahl, Herr Kollege Horlacher, ist es wesentlich besser dran als die hier genannten Länder.
Bei der Umstellung der Renten haben wir feststellen müssen, daß weniger Versorgungs- und sozialpolitische Gesichtspunkte maßgebend waren als vielmehr bei manchem Arbeits- und Finanz minister fiskalische Gesichtspunkte. Man hat erst den Betroffenen die Rentenkürzungsbescheide zukommen lassen, d. h. man hat erst die Verschlechterungen, insbesondere bei den Leichtbeschädigten und bei den Elternrenten, effektiv werden lassen. Die Wohltaten des Bundesversorgungsgesetzes bei den schwierigen Fällen sind bisher nicht effektiv geworden.
Die Umanerkennung geht dermaßen schleppend vor sich, daß wir noch mindestens mit zwei Jahren Umanerkennungsarbeit rechnen müssen. Der Bund besitzt kein Weisungsrecht. Er kann den Ländern lediglich Empfehlungen in grundsätzlichen Dingen geben, so daß in der Auslegung des Bundesversorgungsgesetzes, in der personellen Besetzung der Landesversorgungsämter, in der Schulung der Beamten usw. erhebliche Divergenzen in den einzelnen Ländern eintreten. Trotz eines einheitlichen Bundesversorgungsgesetzes wird also die Ausführung völlig verschieden gehandhabt.
Um das abzustellen, hat der Bundesarbeitsminister versucht, eine gewisse gleichmäßige Ausführung durch ein Verwaltungsabkommen, ähnlich wie es in den Polizeifragen angestrebt wurde, sicherzustellen, mit dem Erfolg, daß die Länderarbeitsminister diesem Verwaltungsabkommen im April dieses Jahres nicht beigetreten sind, sondern nach wie vor der Bund gewissermaßen n e b en der Ausführung des Bundesversorgungsgesetzes stehen muß. Daß eine gewisse Schwerfälligkeit bei den Länderverwaltungen zu beobachten ist, daß die Erlasse des Bundesministeriums für Arbeit gewissermaßen nur als unverbindliche Mitteilung entgegengenommen werden, rundet das Bild noch ab. Wir beobachten eine uneinheitliche Gewährung von orthopädischen Hilfsmitteln trotz der Empfehlungen des Konstruktionsausschusses beim Bundesministerium für Arbeit. Wir stellen fest, daß die Kriegsbeschädigtenorganisationen viel zu wenig herangezogen werden. Gerade jene Organisationen — ich nenne hier den VdK, den Reichsbund, den Bund der Hirnverletzten, den Bund der Kriegsblinden — verfügen über die besten Fachkräfte, die in sehr idealistischer, freiwilliger Arbeit sich bisher ihren Schicksalskameraden gewidmet haben. Wir stellen eine mangelnde Bereitschaft
zur Amtshilfe, Kompetenzstreitigkeiten, keine bundeseinheitliche Regelung der technischen Arbeitshilfen, wenig richterliche Erfahrung auf dem Gebiete der Kriegsopferversorgung bei den Spruchinstanzen fest, also alles Dinge, die zum Teil schon bei der Debatte in der 134. Sitzung von mehreren Sprechern verschiedener Fraktionen sehr klar dargelegt wurden.
Aus dieser Beobachtung muß nun auch eine gewisse Konsequenz gezogen werden, und diese Konsequenz glauben wir zu ziehen, indem wir Ihnen diesen Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland vorlegen. Nach § 1 dieses Entwurfs soll Art. 87 Abs. 1 Satz 1 so erweitert werden, daß auch eine Bundesverwaltung des Kriegsopferwesens eingerichtet wird, also der Bund Weisungen geben kann und der Bund der Alleinverantwortliche für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes wird. Damit wäre eine zentrale Lenkung sichergestellt, wir hätten das volle Weisungsrecht, und eine selbständige Versorgungsverwaltungsabteilung müßte dann im Bundesministerium für Arbeit entsprechend eingerichtet werden.
Man wird mir sagen: ja, aber damit verzögert ihr ja die jetzt anlaufende Arbeit der Länder! Meine Damen und Herren, das ist nicht der Fall. Selbstverständlich sollen die Länder in der ,jetzigen Form weiterarbeiten. Die Einrichtung der Bundesverwaltung könnte dann ja nach Verabschiedung jenes Gesetzes schrittweise so vor sich gehen, daß vielleicht eine Übergangsfrist von einem Jahr festgesetzt wird, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten, ohne daß die Umstellungsarbeit stocken muß.
Über die Bedeutung dieses Gesetzentwurfs 0 brauche ich Ihnen, meine Damen und Herren, nicht viel darzulegen. Sie haben im Oktober vorigen Jahres jenes Bundesversorgungsgesetz in zweiter und dritter Lesung verabschiedet, das über 4,2 Millionen Betroffenen eine Versorgung geben soll. Wenn ich noch die Familienangehörigen einbeziehe, so ist ein Kreis von etwa 10 Millionen Menschen — das ist etwa ein Fünftel unserer Bevölkerung in der Bundesrepublik — von diesen Fragen unmittelbar betroffen. Der Bund hat für die Versorgung einen Betrag von etwa 3,3 Milliarden DM jährlich aufzubringen. Das ist der zweitgrößte Etatposten im Bundeshaushalt. Es ist verständlich, daß die Kriegsopfer — mit Recht — sehr unruhig geworden sind und daß sie ihr Vertrauen in das Parlament, in den Bund und in die Demokratie schlechthin immer mehr verlieren. Warum? — Wir haben ein gutes Gesetz, ein soziales Gesetz verabschiedet, und wir stellen fest, daß vier Monate nach der Veröffentlichung des Gesetzes — es ist bekanntlich am 21. Dezember 1950 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden, und am 22. Dezember sind auch schon die Ausführungsbestimmungen ergangen — jetzt, Ende April, noch die gesamte Umstellungsarbeit in den kleinsten Anfängen steckt und die Auswirkungen des Kriegsopfergesetzes bisher sehr, sehr gering sind.
Meine Damen und Herren, hier erwächst dem Parlament eine Pflicht, die Pflicht, sich nicht nur mit der Verabschiedung der Gesetze zu begnügen, sondern auch darüber zu wachen, daß der Sinn des Gesetzes nicht nachher in Ausführungsbestimmungen und Durchführungsverordnungen verfälscht wird, und vor allem darüber zu wachen, daß die ' Exekutive — und hier speziell die Exekutive der Länder — nicht das zunichte macht, was wir hier im Parlament an Vertrauen seitens der Kriegsopfer durch ein sehr soziales Gesetz erreicht haben.
Nun, diesem Gesetzentwurf, glaube ich, werden auch die Föderalisten par excellence zustimmen können. Denn, meine Damen und Herren, es geht hier nicht um irgendwelche staatsrechtliche Probleme. Wir wissen, es ist der zweite Antrag zur Änderung des Grundgesetzes. Aber wer hat nicht die Pflicht, aus den zwanzigmonatigen Erfahrungen mit dem Grundgesetz auch gewisse Folgerungen zu ziehen und dort einen überspitzten und uns zum Teil ja oktroyierten Föderalismus abzubauen, wo er sich geradezu als Strangulation des Prinzips auswirkt? Ich bitte Sie daher, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
Ich stelle formell den Antrag, dieses Gesetz an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht und an den Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen zu überweisen, wobei der erste federführend sein soll. Ich appelliere an Sie, meine Damen und Herren, diesem Gesetz Ihre Zustimmung zu geben, aus verfassungsrechtlichen Gründen, aus Gründen gerade der Achtung vor dem Grundgesetz, aus, verwaltungsmäßigen Gründen und nicht zuletzt auch aus politischen Motiven.
Meine Damen und Herren, ehe ich die Aussprache eröffne, habe ich etwas bekanntzugeben. Bei der Wahl zu Punkt 2 der Tagesordnung ist festgestellt worden, daß als zwölfter Wahlmann Herr Dr. Reismann gewählt sei. Diese Feststellung ist auf Grund einer falschen Berechnung getroffen worden. Die Rechnung ist nachgeprüft worden. Das Ergebnis ist nun einwandfrei das, daß als zwölftes Mitglied des Wahlmännerkollegiums die Abgeordnete Frau MeyerLaule bestimmt worden ist.
Ich eröffne die Aussprache zu Punkt 9 der Tagesordnung. Das Wort hat der Abgeordnete Laforet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bundesversorgungsgesetz ist eines der wichtigsten Bundesgesetze und greift tief in unser Volksleben ein. Wir sind uns hierin völlig einig. Beim Vollzug haben sich in der Übergangszeit ganz große Schwierigkeiten ergeben, die außerordentlich bedauerlich sind und unbedingt beseitigt werden müssen. Der Antrag geht jedoch nicht den Weg, den nachdrücklichen Vollzug des Gesetzes zu sichern, sondern den, das Grundgesetz an entscheidender Stelle zu ändern.
Die Länder vollziehen auch in der Sozialversicherung und im Versorgungsrecht wie auf jedem anderen Gebiete des Verwaltungsrechts die Gesetze. Sie sind durch das Gesetz und durch die Verwaltungsvorschriften gebunden, die aber ordnungsmäßig erlassen sein müssen.
Nun sollte man erwarten, daß die Länder gerade bei diesem volkstümlichen Gesetz durch Bereitstellung der notwendigen Mittel und durch Einstellung der erforderlichen geeigneten Kräfte die großen Schwierigkeiten aus der Welt schaffen, wie sie dem Gegenstand entsprechend hier nicht zu vermeiden sind. Darüber, daß ihre Behörden das Gesetz im Sinne des Gesetzgebers vollziehen, wacht die Bundesaufsicht. Hat man an diese überhaupt nicht gedacht?
Die Bundesregierung übt die Aufsicht darüber aus,
daß die Bundesgesetze dem geltenden Recht gemäß
durchgeführt werden. Sie kann sogar Beauftragte zu den obersten Landesbehörden schicken und mit deren Einverständnis auch zu den untergeordneten Behörden. Der Bund hat das Recht der Mängelrüge, und ich würde kein Land beneiden, das sich vor dem Bundesrat oder vor dem Bundesverfassungsgericht darüber verantworten muß, daß es gerade ein solches Gesetz wie das Bundesversorgungsgesetz mangelhaft vollzogen hat. Wir haben die Mittel einer wirksamen Bundesaufsicht, nur müssen sie angewandt werden!
Es sind jedoch die schwersten Bedenken dagegen zu erheben, bei mangelhaftem Vollzug eines Gesetzes durch das eine oder das andere Land den grundsätzlichen Aufbau nach dem Grundgesetz, der hier auch völlig mit dem Weimarer Recht übereinstimmt, zu ändern. Wenn auch die näheren Ausführungen dem Rechtsausschuß überlassen bleiben müssen, muß doch bei aller Anerkennung des guten Willens der Antragsteller und bei aller Wertung der hohen Bedeutung der Sache selbst bei "diesem Schritt des Einbruchs in die Verfassung nachdrückliche Warnung erhoben werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Meine Damen und Herren! Warum ist das alte Reichsversorgungsgesetz überhaupt durch eine Reichsbehörde durchgeführt worden? Die Durchführung des kaiserlichen Versorgungsgesetzes, des sogenannten Mannschaftsversorgungsgesetzes aus dem Jahre 1907, lag bei den Bezirkskommandos. Nach der Auflösung der Bezirkskommandos und bei der Schaffung des Reichsversorgungsgesetzes hat man, nicht zuletzt aus Gründen der Tradition, d. h. aus den Gründen, diese Einrichtung in kaschierter Form zu erhalten, dieselben Organe, also die alten Bezirkskommandos zur Durchführung des Reichsversorgungsgesetzes bestimmt. Der „soziale" Geist, der in diesen Behörden herrschte, d. h. die Verschlossenheit dieser Behörden etwa gegenüber den Kriegsopferorganisationen, war in der damaligen Zeit oft genug Gegenstand der Klage der Kriegsopferorganisationen in ihrer Gesamtheit. Stellen Sie sich mal den Zustand vor! Überlegen Sie sich: die Durchführung des Reichsversorgungsgesetzes in der Hand von alten Bezirkskommandofeldwebeln und -unteroffizieren! Nicht wahr, das war der Tatbestand von damals!
Er hat meines Erachtens höhere Ambitionen, über den Feldwebel hinaus.
Nun das neue Gesetz. Wir haben heute noch einmal, allerdings in viel abgeschwächterer Form als bei der ersten Diskussion in der vorigen Woche, den Versuch erlebt, für die Mängel des Bundesversorgungsgesetzes die Landesbehörden verantwortlich zu machen. Nun kann doch niemand hier auftreten und behaupten, daß irgendein Organ irgendeiner Landesbehörde das Bundesversorgungsgesetz gebrochen, also fälschlich ausgelegt habe, das Gegenteil von dem getan habe, was im Gesetz vorgesehen ist.
Richtig! Die Landesorgane haben nur eins gemacht: sie haben die in diesem Bundesversorgungsgesetz liegenden Möglichkeiten, Geld einzusparen, nach Kräften ausgewertet. Sie haben im Gegensatz zu den Intentionen des Ministers, der zuerst einige Paradefälle schaffen wollte, um nachweisen zu können, daß es nach diesem Bundesversorgungsgesetz doch einige Fälle von Rentenerhöhung gibt, solche Fälle herausgegriffen, bei denen von vornherein feststand, daß Rentenabzüge oder Rentenentziehungen möglich waren. Sie haben diese neuen Bescheide zum Teil in Überstunden und in Nachtschichten ausgearbeitet. Diesen Eifer haben die Behörden im Land Nordrhein-Westfalen übrigens schon einmal bei einer ähnlichen Gelegenheit gezeigt, als kurz vor der Währungsreform die unerledigten Anträge der Sozialberechtigten innerhalb von wenigen acht Tagen erledigt wurden, um zu verhüten, daß man die Nachzahlungen in aufgewertetem Geld leisten mußte.
Was ist nun los? Die Bundesregierung hat — das steht sogar in der Eingabe des Reichsbundes — das Recht der sogenannten Weisung. Das ist von meinem Herrn Vorredner ganz eindeutig und wahrheitsrichtig dargestellt worden. Ich behaupte: wenn die Bundesregierung ein Interesse an der gleichmäßigen Durchführung des Gesetzes hätte, hätte sie auf Grund der heutigen Rechtslage bereits alle Möglichkeiten, diese zu erzwingen. Sie trägt ja nicht nur die Kosten für die Durchführung des Gesetzes und für die landeseigene Verwaltung, sie erläßt ja auch noch die Durchführungsbestimmungen, so daß sie also auch von dieser Seite her noch etwas mehr an Möglichkeiten der Weisung in di Hand bekommt.
Als ich mich mit der Eingabe des Reichsbundes beschäftigte, da stand auf einmal vor meinem Geist ein Wahlplakat der Sozialdemokraten aus einem ihrer letzten Wahlkämpfe; in Waldeck, meine ich,
Da hieß es: Kämpft mit der SPD gegen Bonn. Nun
kann ich mich nicht dazu entschließen, dieses Bonn,
also diesen Adenauer aufzuteilen in einen zu 90 %
schlechten und in einen zu 10 % guten Adenauer
oder etwa in einen zu 60 % schlechten und zu 40 % guten Adenauer. Ich bin der Meinung, daß Adenauer in jeder Beziehung ein ganzer Reaktionär ist und in jeder Beziehung eine volksfeindliche Politik betreibt.
Wenn man die Dinge so darstellt, daß eine Besserung der Lage für Kriegsopfer zu erreichen wäre, wenn man die Verwaltung Konrad Adenauer und seinem Finanzminister in die Hand legte, dann ist das mehr als eine Illusion; das ist ein Wahnsinn!
-- Wenn Sie der Meinung sind, daß Sie von Adenauer noch etwas Positives zu erwarten haben,
dann ist das Ihre Sache, Herr Mellies. Wir sind durch Erfahrungen gewitzigt und trauen ihm in dieser Beziehung nichts zu. Nur das eine trauen wir ihm zu, daß er jeden verfügbaren Groschen freimacht für die Wiederaufrüstung.
Noch etwas anderes: Bundesbehörden! Uns kann doch niemand erzählen, daß eine örtliche Kriegsopferorganisation mit einer Bundesverwaltung engeren Konnex bekäme als etwa mit einer Landes-
verwaltung. Wir wissen doch, wie weltweit entfernt damals die Versorgungsbehörden und Hauptversorgungsämter von den Kriegsopferorganisationen waren.
Den Einfluß der Kriegsopfer auf die Verwaltung muß man in einer anderen Art und Weise sichern, nämlich in der Weise, daß man eine echte Selbstverwaltung, ein echtes Mitbestimmungsrecht schafft. Wir sind deshalb der Auffassung, daß das, was die Kriegsopferorganisationen suchen, in der Form gesichert werden muß, daß bei allen Versorgungsbehörden ein Selbstverwaltungs-, ein Mitbestimmungskörper geschaffen wird, in dem die Vertreter der Kriegsopfer zahlenmäßig die Mehrheit haben. Diese Organe müssen bereits in der untersten Instanz die Möglichkeit haben, die Entscheidungen der Behörden zu überprüfen. In den höheren Instanzen müssen sie Beschwerdeinstanz sein. Daneben müssen selbstverständlich die Organe der sozialen Gerichtsbarkeit bestehen bleiben. Wir versprechen uns, daß, wenn man den in dieser Richtung laufenden Anträgen der Kriegsopferorganisationen Rechnung trägt, wenn also in jeder Instanz, in jedem Zug der Versorgungsbehörden ein wirklich echtes Mitbestimmungsrecht der Kriegsopfer — wobei die Vertreter von den Kriegsopfern selbst gewählt werden — ausgeübt wird, dann das erreichbar ist und erreicht werden wird, was die Kriegsopferorganisationen wollen. Wir versprechen uns von der Forderung der Schaffung einer Bundesbehörde zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes nicht das, was die Kriegsopferorganisationen brauchen, nämlich eine Verbesserung des Gesetzes..
Lassen Sie mich mit der Feststellung schliessen, daß in dem Antrag des Reichsbundes zu diesem Problem erfreulicherweise auch die Forderung bereits enthalten ist, eine prozentuale Erhöhung der derzeitigen Rentenbezüge für die Kriegsopfer zu bewilligen.
Dem in der Vorlage Drucksache Nr. 2148 enthaltenen Gedankengang zuzustimmen sind wir nicht in der Lage. Bei den Beratungen über diesen Antrag werden wir es darauf abstellen, ein wirkliches Mitbestimmungsrecht, ein wirkliches Selbstverwaltungsrecht der Kriegsopfer, ausgeübt durch Vertreter, die von ihnen selber in direkter Wahl gewählt werden müssen, sicherzustellen.
Das Wort hat der Abgeordnete Bazille.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir bedauern, daß die unzulängliche Behandlung des Problems der Versorgung der Kriegsopfer durch die Bundesregierung den Antrag auf Änderung des Grundgesetzes ausgelöst hat. Die Einbringung dieses Antrages im Bundestag erfolgte im zeitlichen Zusammenhang mit einer sehr scharfen Kritik an den Praktiken der Bürokratie aller Verwaltungsstufen bei der Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes. Das hat zur Folge, daß seine Behandlung Gefahr läuft, in einer Atmosphäre der Spannungen und der Gereiztheit stattzufinden, die der Sache nicht zuträglich ist. Es wäre aber falsch, der antragstellenden Fraktion deshalb etwa Vorwürfe zu machen. Denn die Schuld an dieser Entwicklung trägt die Bundesregierung in vollem Umfange. Die fortgesetzte politische Fehlbewertung des Problems der Kriegsopferversorgung durch den Herrn Bundesminister für Arbeit konnte auf die Dauer nicht ohne politische Folgen bleiben, und die Notwendigkeit der Behandlung des vorliegenden Antrages ist letztlich die Konsequenz der Fehler, die in der Vergangenheit gemacht worden sind.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir einen Rückblick auf die Entwicklung bis zum heutigen Tage. Schon in der Zeit des Frankfurter Wirtschaftsrates hatte der Herr Minister Storch, damals in seiner Eigenschaft als Direktor der Verwaltung für Arbeit, die Gelegenheit, eine umfassende Planung für all die Schritte vorzubereiten, die zur Lösung der Kriegsopferfrage eingeleitet werden mußten. Leider beschränkte er sich damals auf die Vorbereitung von Koordinierungsmaßnahmen mit ausgesprochenem Übergangscharakter. So kam es, daß nach dem Zusammentritt des Bundestages keinerlei Pläne darüber vorlagen, wie das gesamte Problem umfassend gelöst werden konnte. Deshalb war auch der Bundestag gezwungen, als erste gesetzliche Maßnahme auf diesem Gebiet das in seinem Wert ziemlich fragwürdige und so umstrittene Überbrückungsgesetz zu behandeln, welches in keiner Weise geeignet war, tie Aufgabe einer echten und dauernden Lösung näherzubringen. Aber auch nach der Verabschiedung des Überbrückungsgesetzes versäumte es der Herr Bundesarbeitsminister, eine planvolle Entwicklung einzuleiten. Deshalb konnte auch das Bundesversorgungsgesetz nicht, wie es vom Bundestag ursprünglich gefordert worden war, im April, sondern erst im Oktober verabschiedet werden.
Diese Verzögerung des Gesetzes hätte die Vorwegnahme der Neuordnung der Versorgungsverwaltung geradezu gebieterisch gefordert. Aber auch das ist versäumt worden. Das sogenannte „Organisationsgesetz" wurde dem Bundestag nach dem Bundesversorgungsgesetz zugeleitet, anstatt es vor der Verabschiedung des Bundesversorgungsgesetzes dem Hause zur Beschlußfassung vorzulegen. Das wäre aber unbedingt notwendig gewesen, um die Voraussetzungen für die reibungslose und rasche Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes rechtzeitig zu schaffen. Die Bundesregierung hat es bei der Ausarbeitung dieses Organisationsgesetzes darüber hinaus versäumt, die Möglichkeiten des Art. 84 des Grundgesetzes voll auszuschöpfen, so daß bei der Behandlung dieses Entwurfes im Kriegsopferausschuß von uns damals schon die Frage nach einer Änderung des Grundgesetzes aufgeworfen werden mußte. Die Bundesregierung hat unsere Bedenken im Kriegsopferausschuß seinerzeit mit Bestimmtheit zurückgewiesen und erklärt, ihre Vollmachten zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes seien durchaus ausreichend. Wir haben damals unseren Antrag zurückgestellt, um die Schwierigkeiten nicht zu vermehren, und gleichzeitig in der bestimmten Erwartung, daß die Bundesregierung ihre Zusagen halten würde.
Noch eine weitere Chance hat der Herr Bundesminister für Arbeit versäumt, indem er den von ihm selbst geschaffenen Beirat für Versorgungsrecht nicht in der Weise wirksam werden ließ, wie dies im Interesse der Sache geboten gewesen wäre. In diesem Beirat für Versorgungsrecht sind neben den Vertretern der Länder zugleich die Vertreter der Kriegsopferorganisationen, so daß die Möglichkeit bestehen würde, alle Maßnahmen der Verwaltung mit den Beteiligten, und zwar sowohl mit den betroffenen Kriegsopfern als auch mit den beteiligten Verwaltungsorganen der Länder, durchzusprechen. Aber dazu wäre es notwendig gewesen,
Deutscher Bundestag — 13e. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. April 1951 5463
diesem Beirat für Versorgungsrecht auch das politische Gewicht zu geben, das seiner Bedeutung entspricht. Das ist von dem Herrn Bundesminister für Arbeit versäumt worden. Denn er hat, glaube ich, außer an der konstituierenden Versammlung an keiner Sitzung des Beirats teilgenommen und ist auch nicht durch seinen Staatssekretär vertreten worden. Dadurch wurde die ganze Tätigkeit des Beirates von vornherein auf eine sekundäre Funktion beschränkt, und eine politische Wirksamkeit der Beschlüsse, die in diesem Beirat gefaßt worden sind, ist nie zutage getreten.
Nun stehen wir — und ich glaube, mit uns auch die übrigen Teile des Hauses — durch die unerfreuliche Entwicklung der Dinge vor der Frage, ob eine Änderung des Grundgesetzes der richtige Weg ist, um die aufgetretenen Schwierigkeiten an der Wurzel zu beheben. Der Herr Bundesminister für Arbeit hat bei der Behandlung seines Haushalts hier im Hause bittere Klagen darüber geführt, daß die Länder nicht bereit seien, das Bundesversorgungsgesetz entsprechend dem Willen des Gesetzgebers und der Bundesregierung durchzuführen. Wenn man sich den Art. 84 des Grundgesetzes genauer ansieht, muß man die Frage aufwerfen, mit welcher Berechtigung der Herr Bundesminister für Arbeit sich in diesem Hause darüber beklagt. Aber nicht allein das, er hat sich darüber hinaus zu Vorwürfen verstiegen, die nicht ohne Widerspruch der Länder geblieben sind. Wir müssen in diesem Falle den Ländern recht geben. Denn was der Herr Bundesminister von den Länderbeamten verlangt hat, war nicht mehr und nicht weniger als ein glatter Verfassungsbruch. Er hat nämlich den Landerbeamten zugemutet, daß sie nach Richtlinien arbeiten, die den vorgeschriebenen Weg des Grundgesetzes noch nicht gegangen sind und damit praktisch auch keine rechtliche Bedeutung haben. Es kann den Länderbeamten beim besten Willen nicht zugemutet werden, ein Gesetz nach Richtlinien zu handhaben, die lediglich informatorischen Charakter besitzen und zu denen sich die im Grundgesetz vorgesehenen Körperschaften noch nicht geäußert haben. Wir sind sehr erstaunt gewesen über den gewagten Sprung, mit dem sich der Herr Bundesminister für Arbeit neulich über die Hürden des Grundgesetzes hinweggesetzt hat. Wir sind der Auffassung, daß er das nicht wieder tun sollte; denn er könnte dabei leicht ins Stolpern kommen.
Wenn uns heute die Entwicklung zwingt, eine Änderung des Grundgesetzes ins Auge zu fassen, dann trägt dafür letztlich die Bundesregierung die Verantwortung. Die sachliche Notwendigkeit des vorliegenden Antrages kann heute nicht mehr bestritten werden. Sie ergibt sich aus der Tatsache, daß das Bundesversorgungsgesetz dem Hause mit sehr großer Verspätung vorgelegt und demgemäß mit sehr großer Verspätung in Kraft gesetzt worden ist. Darüber hinaus mußte das Bundesversorgungsgesetz auf Grund der prekären Finanzlage der Bundesrepublik bei der Bemessung der Leistungen die sozialen Verhältnisse im Einzelfalle so stark in den Vordergrund treten lassen, daß eine weitgehende Individualisierung bei der Rentenzumessung die Folge ist. Durch diese Kompliziertheit des Bundesversorgungsgesetzes besteht die große Gefahr, daß die vom Gesetzgeber vorgesehenen Renten den Kriegsopfern erst nach sehr langer Zeit zukommen. Ja, es besteht die große Gefahr, daß die Notlage der Kriegsopfer durch die weiten Wege des Grundgesetzes geradezu verewigt wird. Die dadurch hervorgerufene Unzufriedenheit in einem Personenkreis, der mehr als vier Millionen Menschen umfaßt und mit den Familienangehörigen nahezu 10 °/o der gesamten Bevölkerung der Bundesrepublik ausmacht, kann zu einer Gefahr für den Staat werden. Es muß deshalb ein Weg gefunden werden, auf dem die notwendigen Anweisungen zur Durchführung des Gesetzes so schnell als möglich in die Praxis umgesetzt werden können.
Herr Kollege Laforet, wenn Sie sich das Grundgesetz in seiner gegenwärtigen Fassung ansehen, werden Sie erkennen, daß es zum Teil nahezu zu einem „circulus vitiosus" führt, weil immer wieder der Bundesrat eingeschaltet werden muß. Jede Ablehnung einer Vorschrift durch den Bundesrat führt zwangsläufig zu einer neuen Behandlung im Ministerium und in den Unterausschüssen des Bundesrats. Bei dem gegenwärtigen Stande der Entwicklung auf diesem Gebiet, bei dem nahezu 90 % aller Versorgungsberechtigten noch die gleiche Rente bekommen, wie sie im Jahre 1947 Rechtens war, bei den ständig steigenden Lebenshaltungskosten ist es einfach nicht zu verantworten, daß Verzögerungen in der Herausgabe von Verwaltungsvorschriften oder -richtlinien für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes eintreten. Denn letztlich sind doch nicht die Menschen für die Gesetze da, sondern die Gesetze für die Menschen, und ich darf hier ein Goethewort zitieren, das sagt: Not ist stärker als Gesetze. Meine Damen und Herren! Wir dürfen unser Gewissen nicht damit beruhigen, daß wir den deutschen Kriegsopfern mit dem Bundesversorgungsgesetz eine Besserung ihrer Rentenversorgung gegeben haben. Denn diese Verbesserung ihrer Rentenversorgung steht auf dem Papier,
wenn sie nicht in kürzester Zeit in die Praxis umgesetzt wird.
Tausende und aber Tausende von Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen leiden heute in des Wortes buchstäblichster Bedeutung Hunger und haben nicht genügend, um sich sattessen zu können. Jede Aussprache in diesem Hause verliert an Wert, wenn sie für diese Menschen nur deklamatorischen Charakter besitzt und nicht zu. einer sichtbaren Besserung ihrer Lebensverhältnisse führt.
Wir müssen also einen Weg suchen, der den Verwaltungsweg vom Gesetz zu den Beschädigten und Hinterbliebenen so kurz wie möglich macht, damit hier zeitraubende Umwege den deutschen Kriegsopfern erspart bleiben. Ob dieser Weg allein in der Weise beschritten werden muß, in der es der Antrag des Herrn Kollegen Mende vorsieht, mag noch offen sein. Meine Fraktion wird auf jeden Fall alle Wege gehen, die zum Ziel einer Beseitigung der gegenwärtigen Schwierigkeiten und der Befreiung der Kriegsopfer aus ihrer unerträglichen Notlage führen.
Wir beantragen deshalb die Überweisung der Drucksache an den Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen federführend, und zwar deshalb federführend, weil in diesem Ausschuß zunächst einmal die praktische Auswirkung einer solchen Maßnahme untersucht werden muß, und darüber hinaus die Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Etzel.
Dr. Etzel [Bamberg] : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem erneuten, auf die Änderung des Grundgesetzes abzielenden Vorstoß darf ich einige grundsätzliche Ausführungen machen. Der gesetzgeberische Leitgedanke bei der Ausarbeitung und Verabschiedung des Grundgesetzes war gewiß ein nur gedämpfter Föderalismus, aber immerhin Föderalismus. Die Väter des Grundgesetzes haben sich unter dem frischen Eindruck des Zusammenbruchs eines zentralistischen Systems, und die Lehre aus der Katastrophe ziehend, zu föderalistischen Grundgedanken bekannt. Es war zu erwarten, daß, je mehr wir uns zeitlich von dem bitteren Ende des „Tausendjährigen Reiches" entfernten, zentralistische Strömungen wieder an die Oberfläche gelangen würden. Es sind ja Zug und Hang zu polarem Gegenschwung den Menschen in tragischer Weise offenbar unausrottbar eingeboren. Was aber jetzt geschieht, sind nicht mehr nur die vor einiger Zeit begonnenen Versuche, da oder dort Korrekturen der föderalistischen Grundordnung zu erreichen, sondern der entschlossene, immer öfter wiederholte Angriff mit dem Ziele, Stück um Stück der föderalistischen Grund- lagen über Bord zu werfen und die föderalistischen Elemente des Grundgesetzes zu zersetzen und aufzulösen.
Eine lange Reihe, ein ganzer Katalog dieser nicht nur von Gruppen des Bundestages ausgehenden Bemühungen könnte aufgeführt werden. Ich möchte jetzt und hier von einer solchen Darlegung Abstand nehmen; ich glaube und befürchte aber, daß schon die nächste Zukunft Anlaß und Gelegenheit zu einer solchen Darlegung geben wird. Die „Aggressoren" — ich bitte die Herren Stenographen, „Aggressoren" in Anführungszeichen zu setzen —
bemühen sich, glaubhaft zu machen, der Föderalismus habe finanz-, Steuer-, kultur- und schulpolitisch versagt. Andere möchten ihn durch die unbegründete Behauptung diskreditieren, daß er nicht das Ergebnis einer echten politischen Willensbildung in Deutschland, sondern das synthetische Erzeugnis der Einwirkung auswärtiger Mächte sei.
Es geht nichta, eine gelegentliche unrichtige Anwendung föderalistischer Prinzipien, die mangelnde Ausschöpfung der dem Bund zustehenden Möglichkeiten, eine gegen das Wesen des Föderalismus verstoßende Handhabung föderativer Einrichtungen — ich darf hier darauf hinweisen, daß im Bunde Länder vorhanden sind, die gestern noch Provinzen waren und daher des Wesens und der Praxis des Föderalismus noch ungewohnt sind — oder endlich eine zeitweilige Zuspitzung der wirtschaftlichen und politischen Schwierigkeiten und Spannungen dazu benutzen zu wollen, die f öderalistische Grundordnung selbst abzubauen. Die tanzenden Derwische des Zentralismus werden vielleicht lachen,
wenn ich sie beschwöre — leider kann ich. sie nicht hypnotisieren —,
nicht durch die Fortsetzung ihrer auf Änderung des Grundgesetzes abzielenden Gesetzesvorschläge wiederum einen Weg einzuschlagen oder auf ihm fortzuschreiten, der bereits einmal in so furchtbarer Weise widerlegt worden ist.
Von diesem unserem grundsätzlichen Standpunkt aus müssen wir den Gesetzesvorschlag Drucksache Nr. 2148 mit aller Entschiedenheit ablehnen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Herren und Damen! Der Herr Kollege Bazille, mit dem ich im Ausschuß gemeinsam an diesem Gesetz gearbeitet habe,
hat bereits das zum Ausdruck gebracht, was auch wir bedauern: daß dieses Bundesversorgungsgesetz Anlaß zu einem Antrag geworden ist, das Grundgesetz abzuändern. Ich möchte noch das Bedauern darüber hinzufügen, daß diese Aussprache im Zeichen des niedersächsischen Wahlkampfes erfolgt, in einem Zeitpunkt, in dem der Bundesregierung vorgeworfen wird, nicht das ihre getan zu haben, und in dem die Bundesregierung mit Recht den Ländern vorwerfen muß, nicht das ihre getan zu haben.
Ich will diese Debatte nicht vertiefen und auch die grundsätzlichen Fragen nicht nochmals anschneiden, sondern nur soviel sagen: Meine Fraktionsfreunde sind der Auffassung, daß die Möglichkeiten des Bundes durchaus noch nicht erschöpft sind. Die Bundesaufsicht und die Befugnisse des Arbeitsministeriums müssen nach unserer Meinung so weitgehend ausgebaut werden, daß die Länder zur Durchführung dieses Gesetzes besser angehalten werden können, als das bisher der Fall ist. Ich halte es auch für ganz unmöglich, Diskussionen darüber zu führen, ob die Formulare in der Druckerei eines anderen Landes besser gedruckt werden konnten als in der des eigenen. Richtig ist jedenfalls, daß sie schneller gedruckt werden mußten. Es ist außerdem richtig, daß das beste Gesetz seinen Zweck dann nicht erfüllt, wenn es zu spät durchgeführt wird. Deshalb wünschen wir, daß alles geschieht, um den wahren Föderalismus, den wir meinen — nicht den falsch verstandenen Föderalismus, mit Bezug auf den der Sprecher der Bayernpartei sehr richtig sagte, daß es Länder gibt, die den wahren Föderalismus überhaupt noch nicht kennen und ihn erst lernen müssen —, in den Ländern darin zum Ausdruck kommen zu lassen, daß sie ihren Willen zur Durchführung dieses Gesetzes zur Grundlage aller Bemühungen machen, die ihnen obliegende Verpflichtung so verantwortlich wie nur immer möglich zu sehen. Gelingt das nicht, dann muß nach unserer Auffassung über die Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes hinaus — und ich bin beauftragt, im Namen der Mehrheit meiner Fraktion Ihnen einen entsprechenden Antrag vorzulegen — der Bundesarbeitsminister ermächtigt werden, die notwendigen Rechtsverordnungen zu erlassen, um die Durchführung zu erreichen. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten unseren Antrag verlesen. Er lautet:
Die Bundesregierung wird ersucht, ein Gesetz vorzulegen, das in Ergänzung des Bundesversorgungsgesetzes den Bundesminister für Arbeit ermächtigt, zur Gewährleistung einer einheitlichen Anwendung dieses Gesetzes Rechtsverordnungen zu erlassen.
Ich bitte Sie, diesen unseren Antrag anzunehmen.
Deutscher Bundestag -- 138. Sitzing. Bonn, Mittwoch, den 25. April 1951 5465
Das Wort hat Frau Abgeordnete Arnold.
Meine Damen und Herren! Aus zahlreichen Zuschriften, die wir aus den Kreisen der Kriegsversehrten erhalten, wird ersichtlich, daß die Ausführung des Bundesversorgungsgesetzes in vielen Ländern zu einer wahren Katastrophe geworden ist. Das, was wir durch mühevolle Arbeit im Ausschuß zur Beschleunigung der Ausführung des Gesetzes getan haben, erstickt in einem Bürokratismus sondergleichen.
Der vorliegende Antrag rührt an ein Problem, das dringendst der Lösung bedarf. Durch die Uneinheitlichkeit der Durchführung des Gesetzes oder sogar durch die Unterlassung der Durchführung gefährden die Länder ihre eigene färderalistische Position, wenn sie nicht schnellstens dafür sorgen, daß die Unterstützungen nun auch bald wirklich ausgezahlt werden. Die Art der Handhabung durch manche Länder grenzt fast schon an Verantwortungslosigkeit, denn die Kriegsversehrten warten nun bereits seit Monaten auf ihre Renten und befinden sich, wie aus Briefen und Gesuchen der Kriegsversehrten zu erkennen ist, in größtem Elend. Man kann daher den Wunsch der Kriegsversehrten auf Vereinheitlichung der Versorgung von zentraler Bundesstelle aus absolut verstehen.
Die Zentrumsfraktion richtet deshalb einen letzten und ernsten Appel an die Regierung, endlich Druck auf die Länder dahin auszuüben, daß diese die Durchführung des Gesetzes so gestalten, wie das Bundesversorgungsgesetz es ihnen vorschreibt.
Vizepräsident Dr. Schäfer: Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.
Meine Damen und Herren, zunächst liegt der Antrag der FDP vor. Es ist vorgeschlagen worden, ihn dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen. Weiter liegt ein Abänderungsantrag vor, der allerdings die Form einer Entschließung hat, ein Abänderungsantrag der DP. Formell kann er eigentlich heute nicht zur Behandlung kommen. Aber ich empfehle dem Hause, die Überweisung auch dieses Abänderungsantrages vorzunehmen. Dann brauchen wir nicht in einer späteren Sitzung darauf zurückzukommen.
Federführend soll der Ausschuß für Kriegsopfer sein? Meine Damen und Herren, ich habe doch dagegen Bedenken; denn es handelt sich um einen Gesetzesantrag auf Änderung des Grundgesetzes. Ich würde Ihnen empfehlen, die Angelegenheit dem Ausschuß für Rechtswesen als dem federführenden zu überweisen und dann wegen des materiellen Inhalts den Ausschuß für Kriegsopfer mit hinzuzunehmen.
Dann darf ich die Zustimmung des Hauses zu diesem Vorschlage annehmen.
Weiter empfehle ich dem Hause, gleichzeitig den Entschließungsantrag, der von der DP vorgelegt worden ist, mit zu überweisen. -- Ich stelle auch dazu die Zustimmung des Hauses fest.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Das ist nicht möglich. Ich bitte, den Antrag ebenfalls dem Rechtsausschuß zu überweisen und dann dem Kriegsopferausschuß, weil die Frage, ob der Arbeitsminister Durchführungsverordnungen erlassen kann, im Rechtsausschuß ebenfalls geprüft werden muß.
Jawohl, ich empfehle auch, die gleiche Überweisung wie bei dem Ursprungsantrag vorzunehmen. — Dem wird nicht widersprochen. Ich kann also die Zustimmung des Hauses dazu annehmen.
Nun rufe ich auf Punkt 10 der Tagesordnung: Erste Beratung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung und Überleitung von Vorschriften auf dem Gebiet des gewerblichen
Rechtsschutzes .
Hierzu ist im Ältestenrat vereinbart worden, daß auf die schriftliche Begründung verwiesen und auf eine Aussprache verzichtet wird. Es wird die Überweisung an den Ausschuß für Patentrecht und gewerblichen Rechtsschutz vorgeschlagen. — Da kein Widerspruch erfolgt, kann ich die Zustimmung des Hauses hierzu annehmen.
Ich rufe auf Punkt 11 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines
Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Behandlung wiederkehrender Leistungen bei der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (Nr. 2156 der Drucksachen).
Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Dr. Wahl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich bei dem Bericht über die Vorlage sehr kurz fassen. Wenn ein Grundstück zur Zwangsversteigerung kommt, werden bei der Verteilung des Erlöses nicht alle Zinsrückstände mit dem Rang der Hypothek, bei der sie erwachsen sind, berücksichtigt, sondern nur die aus den zwei letzten Jahren vor der Einleitung des Verfahrens. Um nun besonders bei den Trümmergrundstücken, deren rechtliches Schicksal im Lastenausgleich und bei der Baulandbeschaffung sowie im Rahmen der Wiederaufbaupläne für unsere Stadtkerne noch nicht geklärt ist, eine Flut von vorzeitigen Zwangsversteigerungsanträgen nur zum Zwecke der Erhaltung des Ranges für die Zinsrückstände hintanzuhalten, hat der Bundestag schon im vorigen Jahr ein Gesetz beschlossen, daß außer den Zinsrückständen aus den zwei letzten Jahren auch noch die Zinsrückstände für die Zeit vom 1. Januar 1945 bis zum 31. Dezember 1948 an dem ursprünglichen Rang der Hypotheken teilnehmen sollten. Damals nahm man an, daß noch im Laufe des Jahres 1950 die Rechtslage der Trümmergrundstücke geklärt werden könnte. Diese Erwartung hat sich als irrig erwiesen. Es ist aber zu hoffen. daß wenigstens im Jahre 1951 die noch ausstehenden Gesetze verabschiedet werden können. Deswegen sollen die Zinsrückstände noch für ein weiteres Jahr in die bisherige Regelung einbezogen werden, was um so weniger gefährlich erscheint, als die Zinsbeträge infolge der Währungsumstellung ja nur ein Zehntel des ursprünglichen Nennbetrages ausmachen.
Das geschieht durch die Vorlage der Regierung die Ihnen deshalb der Ausschuß zur unveränderten Annahme empfiehlt.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Meine Damen und Herren! Im Ältestenrat war vorgesehen worden, mit Rücksicht auf den besonderen Charakter dieses Gesetzes auf eine Aussprache zu verzichten. Da keine Wortmeldungen vorliegen, ist die Aussprache geschlossen.
Ich rufe auf § 1, — § 2, — Einleitung und Überschrift, und bitte diejenigen, die den aufgerufenen Paragraphen sowie Einleitung und Überschrift zustimmen, die Hand zu erheben .—Das ist die Mehrheit. Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Lesung angenommen.
Ich rufe den Gesetzentwurf auf zur dritten Beratung. — Wortmeldungen liegen nicht vor; die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der in zweiter Lesung angenommenen Fassung zustimmen, die Hand zu erheben. -- Das ist die Mehrheit. — Damit ist der Gesetzentwurf in dritter Lesung angenommen.
Nunmehr rufe ich auf Punkt 12 der Tagesordnung:
Fortsetzung der zweiten und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Erbschaftssteuergesetzes ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (Nr. 2077 der Drucksachen; Änderungsanträge Umdruck Nrn. 79, 120 [neu], 126).
Das Wort hat zur Berichterstattung der Abgeordnete Eickhoff. — Der Herr Berichterstatter ist im Augenblick nicht anwesend. Ich schlage deswegen vor, diesen Punkt zunächst zurückzustellen, und rufe auf Punkt 13 der Tagesordnung:
Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 ;
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Einzelplan V - Haushalt des Bundesministeriums für Angelegenheiten des Marshallplans; .
— Zur Geschäftsordnung hat das Wort der Abgeordnete Strauß.
Herr Präsident! Meine Damen und. Herren! Es hat sich erst heute ergeben, daß der gesamte Haushaltsausschuß vom Herrn Bundespräsidenten zu einer Besprechung eingeladen worden ist. Wir stellen deshalb den Antrag, diesen Punkt von der heutigen Tagesordnung abzusetzen und ihn auf die nächste Tagesordnung zu bringen.
Sie haben den Absetzungsantrag des Herrn Abgeordneten Strauß gehört. Wird das Wort gewünscht? — Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann bitte ich diejenigen, die der Absetzung des Punktes 13 der heutigen Tagesordnung zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Ich rufe nunmehr auf Punkt 14 der Tagesordnung:
BP betreffend Neue Wellenlänge für Radio
München .
Das Wort hat zur Berichterstattung der Abgeordnete Stücklen. — Infolge der etwas überraschenden Beschleunigung der Verhandlungen durch die Absetzung ist nun der Herr Berichterstatter im Augenblick nicht da. Ich rufe daher auf Punkt 15 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Post- und Fernmeldewesen über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Herausgabe neuer Briefmarken durch die Bundespost (Nrn. 2035, 1797 der Drucksachen).
Das Wort hat zur Berichterstattung der Abgeordnete Stahl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Angelegenheit, über die zu berichten ich beauftragt bin, ist eine unpolitische, aber dennoch eine nicht ganz unwichtige. Es handelt sich um die künftige Gestaltung der zweiten Dauermarkenserie der Deutschen Bundesrepublik. Grund zur Behandlung der Angelegenheit gab ein Antrag der Fraktion der CDU/CSU vom 18. Januar 1951, der Ihnen in Drucksache Nr. 1797 vorliegt. In der Begründung zum genannten Antrag im Ausschuß kam der sehr verständliche Wunsch zum Ausdruck, daß die Bundespost künftig Briefmarken schaffen möge, die vor allem künstlerisch wertvoll sein müßten und für Deutschland auch im Ausland durch die Gestaltung der Briefmarke werben sollten. Im Ausschuß kam ferner zum Ausdruck, daß die deutsche Briefmarke eine Botschaft an die Welt darstellen möge, und in der Aussprache wurde alsdann der Gedanke ventiliert, welche Botschaft denn eigentlich unser heutiges Deutschland überhaupt der Welt geben könne. Im Ausschuß wurde festgestellt, daß es gerade bei der vorgelegten Briefmarke die Einfachheit sei, die den jetzigen deutschen Verhältnissen sehr wohl anstünde.
Die Bedenken gegen die vorgelegte Markenserie waren im Ausschuß schon geringer geworden, nachdem der Herr Bundespostminister erfreulicherweise den Mitgliedern des Ausschusses Probedrucke der Werte 4, 10, 16 und 30 Pfennig vorgelegt hatte. Es wurde nämlich durch die Probedrucke sehr deutlich ersichtlich, daß die Wiedergabe dieser zweiten Dauermarkenserie technisch ganz gut und ordentlich war, und es zeigte sich auch, daß der Wert zu 30 Pfennig, der im Stahlstichverfahren gedruckt worden war, als gut gelungen zu bezeichnen ist. Der Herr Bundespostminister gab dann im Ausschuß bekannt, daß auch die niedrigeren Werte von 6, 10 und 20 Pfennig und die dann folgenden weiteren niedrigeren Werte ebenfalls im Stahlstichverfahren in Bälde gedruckt werden sollten. Dies nahm der Ausschuß sehr gern zur Kenntnis.
Im Ausschuß wurde ferner davon gesprochen, daß die Farbgebung der vorgelegten Probedrucke gut sei und daß vor allem der Postbetriebsdienst die Serie wegen der Herausarbeitung der Ziffer als Hauptmotiv begrüßt. Man könnte hierzu noch vieles sagen, vielleicht auch den Kritikern. Tatsache ist — das wurde auch im Ausschuß berührt —, , daß die alten guten deutschen Marken, ob das nun die von
1 Bayern sind oder ob das die vom Philatelistenstandpunkt sehr wertvolle Drei-Pfennig-Sachsen ist, ob das die Badener, die Württemberger, die schleswig-holsteinischen Marken der Jahre von 1850 bis 1860 sind oder die des Norddeutschen Bundes, die Zahl als das Hauptmotiv tragen. Waren es aber in den vergangenen Zeiten nicht die Ziffern, so war entweder das Landeswappen oder es war der regierende Fürst auf den Marken abkonterfeit.
Es hätte nahegelegen — und wir sprachen darüber —, das Bild unseres verehrten Herrn Bundespräsidenten als Motiv für die zweite Dauermarkenserie zu verwenden. Bei seiner bekannt einfachen Art lehnte dies unser verehrter Herr Bundespräsident aber ab, denn er fühlt sich — das darf ich persönlich hinzufügen — viel zu lebensnahe, als daß er bereits auf den deutschen Marken erscheinen möchte.
Im übrigen sicherte der Herr Bundespostminister zu, dem Antrag der CDU insofern nahezutreten, daß die Sondermarken, von denen im Antrag der CDU gesprochen und die unser Land auch künftig laufend herausbringen wird, in der künstlerischen Aufmachung den guten ausländischen Marken nicht nachstehen werden. Er hat uns auch Sondermarken genannt, die im Verlauf der nächsten Monate in unserem Postgebiet erscheinen werden. Er nannte eine Marke für den Wiederaufbau von Helgoland, eine Marke mit dem Bild der Berliner Freiheitsglocke, eine Wohlfahrtsmarkenserie für das Jahr 1951, eine Marke für die Nationale Briefmarkenausstellung in Wuppertal und schließlich eine Ausgabe zur Erinnerung an die 700 Jahre bestehende Marienkirche in Lübeck.
Nach Darlegung und Anhörung all der genannten Gründe, über die ich zu Ihnen sprechen durfte — wobei natürlich, das sei auch mitgeteilt, für eine Reihe von Ausschußmitgliedern die Tatsache mitbestimmend ins Gewicht fiel, daß die Serie bereits so ziemlich ausgedruckt ist —, einigte sich der Ausschuß auf die Ihnen vorgelegte neue Fassung des Antrages, die Sie in der Drucksache Nr. 2035 vorfinden. Ich brauche den Text des Antrages nicht zu verlesen.
Ich bitte das Hohe Haus namens des Ausschusses für Post- und Fernmeldewesen, diesem Antrage Drucksache Nr. 2035 die Zustimmung zu erteilen
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
— Doch! Darf ich darauf aufmerksam machen, meine Damen und Herren, daß der Ältestenrat insgesamt 60 Minuten Aussprachezeit vorgesehen hat.
— Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bergstraeßer.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Wenn man eine Briefmarke vom Standpunkt der Nützlichkeit betrachtet, so muß auf dieser Briefmarke sein, erstens die Zahl des Wertes und zweitens eine bestimmte Farbe nach den internationalen Abmachungen.
— Nein, das ist nicht notwendig. — Aber wenn man nun diese Briefmarke betrachtet, so kann man
nur sagen: das Postministerium hat sich eine entsetzliche Mühe gegeben, einen Einfall zu bekommen, und hat dann doch einen Einfall bekommen, den man nur als wirklich phantastisch -phantasielos bezeichnen kann. Man hat sich damit entschuldigt — wir haben im Ausschuß für Kulturpolitik darüber gesprochen —, daß es habe schnell gehen müssen. Nun, wir haben andere Briefmarken — zum Beispiel die Briefmarke, die die Oberpostdirektion Leipzig im Jahre 1945 herausgegeben hat —, bei denen es auch sehr schnell gehen mußte und wo man sich dafür entschieden hat, ganz einfach nur eine Zahl und eine Schrift am oberen Rand der Marke „Deutsche Post" zu nehmen. Diese Marke ist vorbildlich gut.
Wir haben auch andere derartige Marken, die vorbildlich gut sind; etwa die neue holländische Briefmarke, die ein kleines Ornament um die Zahl herum hat. Wir aber haben die Zahl und dabei ein Posthorn. Das Posthorn ist ja nun schließlich ein so uraltes und abgebrauchtes Emblem, daß man nur sagen kann: Wem diese Kombination einfällt, der versucht, einen Einfall zu haben, aber dieser Einfall wird dann einfältig.
Infolgedessen hat der kulturpolitische Ausschuß beschlossen, zu beantragen, in dem Antrag des Postausschusses den letzten Satz zu streichen. Das bedeutet, daß diese Marken überhaupt nicht herauskommen sollen. Es ist uns dabei gesagt worden, daß das technische Schwierigkeiten mache. Nun sind wir der Meinung, daß die jetzt laufende gewöhnliche Serie mit den Gebäuden gar nicht so schlecht ist, daß sie nicht in Gottes Namen noch ein Jahr weiterlaufen könnte, so daß dann die neue, bessere Serie hergestellt werden kann.
Nun möchte ich über etwaige Möglichkeiten einer neuen Serie etwas sagen. Eine Briefmarke ist eine Visitenkarte für ein Land, und wir haben in dieser Beziehung die schlechte Tradition dieser Art der Visitenkarten, das kann man wohl sagen. Aber wir konnten sie auch besser machen. Ich erkenne vollkommen an, was der Vertreter des Postministeriums im kulturpolitischen Ausschuß sagte, daß nämlich die Briefmarken ein bestimmtes Format haben müssen. Nun, die Gebrauchsbriefmarken etwa der Schweiz haben auch dieses bestimmte Format und haben doch etwas, was immer wieder anspricht, nicht nur den Sachkenner, sondern auch den, der eine gewöhnliche Briefmarke bekommt, nämlich ein kleines Bild einer charakteristischen Landschaft. Wir könnten das in Deutschland auch machen. Wir haben ja gute Landschaften genug.
Es hat sich ja immer mehr durchgesetzt, daß die Briefmarke benutzt wird, ich möchte nicht gerade sagen, zur Reklame — das wäre etwas zu weit — gegangen, aber doch zu einer diskreten und hübschen Werbung für das betreffende Land. Es wäre eine Möglichkeit, wenn wir etwa eine Serie herausgäben — das wäre nun fast schon eine Reklame, aber es könnte ja künstlerisch hübsch gemacht werden —, auf deren kleinen Briefmarken wir ein oder das andere Bad — berühmte Heilbäder — abbildeten, die wir ja in jedem der Länder haben.
— Der Staat Baden, — ja nun: andere Staaten bleiben dann immer noch; dann bleiben noch zehn, das ist ja gleichgültig. — Immerhin wäre das eine Möglichkeit.
Ich möchte aber noch auf etwas anderes hinweisen. Der Vertreter des Postministeriums hat im kulturpolitischen Ausschuß eine merkwürdige Äußerung gemacht. Er hat nämlich gesagt, daß man politische Briefmarken abgelehnt habe. Ich weiß nicht recht, was hinter diesem Wort „politische Briefmarken" steckt.
Ich habe so etwa den Eindruck gehabt, als stecke dahinter, daß man auch nicht Briefmarken will, die nun etwa den Gedanken der Demokratie oder den Gedanken der Republik wirklich populär machen. Warum macht man nicht Briefmarken, die dann auch eine außenpolitische Bedeutung in einem gewissen Sinn haben würden, auf denen Köpfe bekannter Vorkämpfer der Demokratie gezeigt werden? Wir haben solche Vorkämpfer der Demokratie — verstehen Sie mich ja nicht falsch, meine Damen und Herren — in jeder politischen Partei und unter den Vorgängern jeder politischen Partei, ob das August Reichensperger oder ob das Rotteck wäre. Ich will nur zwei Politiker nennen, die nicht meiner Partei angehört haben. Die Welt würde dann sehen, daß wir doch eine gewisse Tradition in dieser Beziehung haben. Auch die diese Briefmarken sammelnde Jugend würde ein gewisses Interesse daran nehmen; denn sie würde sehen: das ist ein Kopf, und dann würde sie fragen, was das für ein Kopf ist. Das wäre das eine. Man kann also schon eine diskrete politische Werbung durch die Briefmarke machen, und ich möchte mich für diese Werbung aussprechen.
Nun noch etwas ganz anderes, etwas Grundsätzliches. Wir waren uns im kulturpolitischen Ausschuß darüber einig — unbeschadet irgendwelcher Stellung zur Bürokratie —, daß die Bürokratie nicht geeignet ist, über derartige kunstgewerbliche und künstlerische Dinge zu entscheiden. Wir möchten also deswegen das Ministerium sehr darum bitten, daß es in Zukunft nicht durch seine eigenen Beamten, sondern durch einen Ausschuß entscheiden läßt, in dem verschiedenste Kräfte und Menschen beteiligt sein können, aber in dem das Postministerium selbst nur insofern beteiligt ist, als es die Grenzen des praktisch Möglichen und Notwendigen bestimmt, nicht aber die Grenzen dessen, was nun schön oder nicht schön sei. Dazu halten wir es nicht für kompetent. Es ist vom Herrn Berichterstatter auf Briefmarken in anderen Ländern hingewiesen worden. Ich glaube, auch die Sonderbriefmarken — wenigstens die bisherigen in unserem Gebiet — sind nicht gerade besonders gut gewesen, nicht besonders ansprechend und nicht besonders lebendig. Auch da müßte man etwas anderes, ein anderes Verfahren einschlagen und die Dinge bessern. Selbst Marken von Ländern, die der deutschen Bundesrepublik an Tradition nicht gerade gleichkommen, sind bedeutend besser, und zwar nicht nur in der technischen Ausführung—über die technische Ausführung dieser neuen Marken wäre eigentlich nichts zu sagen —, sondern eben in der künstlerischen Gestaltung. Wir sollten versuchen, diesem Stande gleichzukommen.
Das sind die paar Bemerkungen, die ich in diesem Falle machen wollte. Aber ich möchte ausdrücklich betonen: Das Postministerium soll sich in diesen Dingen zu wirklichen Gestaltungen entschließen und sich nicht mit einer Verbindung von Bürokratie und schlechten Einfällen begnügen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann kommen wir zur Abstimmung.
— Das Wort hat der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Darf ich ganz kurz noch etwas zu diesem Gegenstand sagen. Ich bin leider zu spät davon unterrichtet worden, daß dieser Punkt der Tagesordnung schon jetzt behandelt wird; sonst hätte ich mich schon vorher gemeldet.
Ich darf also dem Herrn Vorredner sagen: Diese Briefmarke ist nämlich nun gerade nicht durch die Bürokratie des Postministeriums entstanden, sondern durch ein Gremium von Künstlern.
— Wir haben in sehr demokratischer Weise Preisausschreiben für das ganze Volk gemacht. Ich weiß nicht, ob Sie in der Zeitung davon gelesen haben, daß etwa 10 000 Entwürfe eingegangen sind. Wir haben auch Preisausschreiben im beschränkten Wettbewerb für die namhaftesten Künstler gemacht, die gerade für den Entwurf von Briefmarken einen besonderen Namen in Deutschland haben. Das Ergebnis haben Sie gesehen. Vielleicht hätte die Postbürokratie etwas Besseres auf die Beine gebracht, wobei ich gar nicht sagen möchte, daß die Marke etwa schlecht sei.
Nun kommt etwas anderes, was in diesem Hohen Hause vielleicht noch nicht bemerkt worden ist. Nachdem der Beschluß des Ausschusses für das Post- und Fernmeldewesen bekannt geworden war, habe ich natürlich das Startzeichen zum Weiterdrucken gegeben, nicht ahnend, daß etwa der Ausschuß für Kultur noch Einspruch erheben könnte. Nun darf ich Ihnen bekanntgeben, daß die Kosten, die für den Neudruck bisher aufgewendet worden sind, etwa in der Größenordnung von 500 000 DM liegen. Es ist ganz selbstverständlich, daß man diese Dinge nicht mehr zurückpfeifen kann. Ich darf Ihnen gestehen, daß ich für die Zukunft gewarnt bin. Ich werde also in Zukunft als Demokrat getreu die Dinge allen möglichen Gremien vorlegen. Ich kann Ihnen aber heute schon versichern, daß dabei nichts Besseres herauskommt, sondern daß die Sache nur wesentlich kompliziert wird; denn es ist ja sehr subjektiv, was man zu dieser oder jener Marke sagen kann.
— Ja, sehen's Herr Kollege Strauß, da muß ich Ihnen etwas sagen.
Die Leute, die einen gesunden Menschenverstand gehabt haben, haben Briefmarken gemacht, die im Auslande hoch anerkannt worden sin d, z. B. „100 Jahre deutsche Briefmarke", die Goethe-Marke, unsere Caritas- und Wohlfahrtsmarken, — hochanerkannt im Ausland, in Deutschland nicht! Das können Sie alles in den internationalen Philatelisten-Zeitschriften lesen. Das ist ein Komplex, den man wohl nicht so obenhin lösen kann. Wir werden selbstverständlich in Zukunft vorher alle Gremien benachrichtigen, auch die Philatelisten, auch die Presse, auch die zuständigen Künstler.
Ich kann vielleicht am Rande bemerken, daß auch der Herr Bundespräsident sich außerordentlich für diese Sache interessiert hat und gerade diese Marke als diejenige gekennzeichnet hat, die nach seiner Auffassung zur Zeit eine würdige Repräsentation für unsere deutsche Bundesrepublik darstellt. Gerade gestern habe ich z. B. einen Brief aus Paris bekommen, dort sagen die Leute, diese Marke halten sie gerade für den jetzigen Zustand für besonders gut und kennzeichnend.
Man kann also darüber streiten. Ich möchte Sie nur bitten; zu bedenken, daß auch die angeblich so sehr reiche Post es sich nicht leisten kann, für 500 000 DM Briefmarken jetzt in den Orkus zu schmeißen. Diese Serie muß ja wohl gedruckt werden.
Ich kann Ihnen noch mitteilen, daß in diesem Jahre, bis zum April 1952, mindestens vier neue Sondermarken-Serien herauskommen werden. Dort ist dann vielleicht Gelegenheit, auch alle Gremien in Aktion zu setzen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann kommen wir zur Abstimmung. Es liegt Ihnen der Antrag des Ausschusses auf Drucksache Nr. 2035 vor. Dazu wollten Sie, Herr Abgeordneter Dr. Bergstraeßer, einen Abänderungsantrag stellen?
— Wird zurückgezogen. In der Rede war eben davon gesprochen worden.
Meine Damen und Herren, dann bitte ich diejenigen, die dem Antrage des Ausschusses zustimmen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Wir kommen nunmehr zurück zu Punkt 12 der Tagesordnung:
Fortsetzung der zweiten und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Erbschaftsteuergesetzes
;.
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (Nr. 2077 der Drucksachen, Änderungsanträge Umdruck Nrn. 79, 120 [neu), 126.)
Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Eickhoff.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der 118. Sitzung — schon am 15. Februar dieses Jahres — habe ich Ihnen über die Arbeiten des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen an dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Erbschaftsteuergesetzes berichtet. Die zweite Lesung wurde damals unterbrochen, weil der Herr Kollege Horlacher uns einen wichtigen Änderungsantrag ankündigte. Dieser Änderungsantrag ist dann nach einiger Zeit auch eingegangen und im Ausschuß behandelt warden. Herr Kollege Horlacher beantragte, daß bei geschlossener Hofübernahme von landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen, gärtner schen und Weinbau-Betrieben bis zu einem Einheitswerte von 30 000 DM die Erbschaftsteuer in allen Steuerklassen fallengelassen werden sollte und daß bei Einheitswerten gestaffelt über 90- bis 140 000 DM dann eine große Vergünstigung eintreten, sollte.
Der Ausschuß hat sich mit diesem Antrag sehr eingehend beschäftigt und hat dazu auch einige Sachverständige, Herrn Professor Munzinger und Herrn Professor Aprath, gehört, die sich teils für und teils gegen den Antrag Horlacher ausgesprochen haben. In der Debatte wurde festgestellt, daß die so sehr angegriffene Realteilung in Süddeutschland meistens nicht durch die Erbschaftsteuer, sondern durch die Geschwisterabfindung hervorgerufen werde. Der Antrag ging so weit, daß auch alle Nichtverwandten steuerfrei bleiben sollten. Hier vertrat die Mehrheit des Ausschusses die Auffassung, daß unser Flüchtlingssiedlungsgesetz in diesem Fall Gelegenheit genug gibt, um noch sehr viel weitergehende Steuervergünstigungen wahrnehmen zu können. Dem Ausschuß ging jedenfalls dieser Antrag zu weit, und er wurde mit Stimmenmehrheit abgelehnt.
Während der Verhandlungen kam ein sehr diskutabler Vorschlag unseres Kollegen Dr. Kneipp, der beantragte, daß bei geschlossener Hofübernahme 'die Verwandten aus Steuerklasse III und die entfernteren Verwandten aus Steuerklasse IV herausgenommen und in Steuerklasse II eingestuft werden sollten. Einige Mitglieder des Ausschusses beantragten dann, daß diese Einschränkung nur für den Fall gelten sollte, daß der eigentliche Erbe durch Kriegsereignisse ausgefallen sei. Die Mehrheit des Ausschusses vertrat aber den gegenteiligen Standpunkt, weil es hier ja um die Erhaltung des Hofes und nicht um die Erben als solche geht. Wir wollten auch den kinderlosen Bauernehepaaren die Gewähr geben, daß ihre Höfe später nicht durch eine erhöhte Erbschaftsteuer gefährdet wären. Der Ausschuß hat jedenfalls den Standpunkt vertreten, daß mit diesem Antrag Kneipp alles getan ist, um die geschlossene Hofübernahme durch die Erbschaftsteuer nicht zu gefährden, und das war letzten Endes auch der Sinn des Vorschlages unseres Kollegen Horlacher. Nach den Ausschußberatungen sind nun noch einige Änderungsanträge eingegangen, über die ich aber nicht zu berichten brauche.
Der Ausschuß schlägt dem Hohen Hause vor, dem Gesetzentwurf mit folgenden Änderungen zuzustimmen:
1. In Artikel I wird die folgende neue Ziffer 2a eingefügt:
„2a. Dem § 10 wird folgender Absatz 5 angefügt:
„ Geht ein mit einer 'zur Bewirtschaftung geeigneten Hofstelle versehener landwirtschaftlicher, forstwirtschaftlicher, gärtnerischer oder Weinbau -Betrieb im Wege der Erbfolge oder des Übergabevertrages (vorweggenommene Erbfolge) geschlossen auf eine natürliche Person über, so wird für diesen Erwerb die Steuer bei Personen der Steuerklassen III und IV nach Steuerklasse II erhoben.""
2. In Artikel I Ziffer 8 Buchstabe a werden die Worte
„in der Fassung vom 10. August 1949 und vom 29. April 1950 (BGBl. S. 95)" gestrichen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, die Generalaussprache für diesen Gegenstand hat bereits in einer der voraufgehenden Sitzungen stattgefunden. Wir treten also unmittelbar in die Spezialaussprache ein. Ich rufe die einzelnen Artikel bzw. Ziffern auf,
Art. I Ziffer 1. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Zu Ziffer 2 bzw. 2a hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Horlacher.
— Das ist Ziffer 2a.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will mich bemühen, in aller Kürze die jetzt vorliegenden Anträge zu behandeln, damit wir uns auskennen, wie auch die Abstimmung vorgenommen werden kann.
Es handelt sich zunächst um die Vorgeschichte dieses Antrages. Sie ist sehr lang. Damit hat sich auch der Bundesrat schon beschäftigt, und der Bundesrat hat beinahe einen ähnlichen Antrag angenommen, wie ich ihn später hier im Hause eingebracht habe, und zwar ist der Antrag damals im Bundesrat mit 21 gegen 15 Stimmen bei 7 Enthaltungen angenommen worden. Ich habe nun in meinem weitergehenden Antrag diesen Vorschlag des Bundesrates dazu verwendet, Ihnen den Änderungsantrag vorzulegen, den Sie in Händen haben, wonach in § 18 Abs. 1 eine neue Ziffer 22 eingefügt werden soll.
Das Wesentliche dieses Antrages ist die Steuerfreiheit bei geschlossener Hofübergabe. Während der Bundesratsantrag beim Einheitswert bis zu einer Grenze von 100 000 DM gehen wollte, und zwar in der Form, daß die Länder die Ermächtigung bekommen sollten, hier besondere Vorschriften zu erlassen, habe ich das hier eigentlich auf die Bedürfnisse des Bauerntums zurückgeführt und habe dann in meinem Antrag zum Ausdruck gebracht, daß man eine steuerfreie Grenze von 30000 DM bis zu einem Einheitswert von 90 000 DM einsetzen sollte, mit der Maßgabe, daß sich bei einem Einheitswert über 90 000 DM der Freibetrag je angefangene 10 000 DM um 5000 DM ermäßigt. so daß also hier in der Steuergesetzgebung kein Snrung mehr ist, sondern der steuerfreie Betrag bei einem Einheitswert von 140 000 DM wieder ausläuft. Das ist der eine — weitergehende — Antrag. der auf die Notwendigkeit der geschlossenen Hofübergabe Rücksicht nimmt. Es ist begrenzt bis zu einem gewissen Einheitswert, in der Regel wirksam bis 90000. 100 000 DM, und dann fällt ja diese Steuerfreiheit ab.
Der andere Antrag, den der Ausschuß angenommen hat, ermäßigt hier die Steuerklassen, und zwar führt er die Steuerklassen III und IV auf die Steuerklasse II zurück. Naturgemäß ist das eine gewisse Erleichterung.
Ich habe dafür Sorge getragen, daß ich Unterlagen bekommen habe. Ich habe die Unterlagen aus wirklichen Verhältnissen bei der Hofübergabe und im Falle der Erbschaft jetzt da. Da hat sich folgendes gezeigt. Ich habe hier z. B. die Zahlen für einen Hof, dessen steuerpflichtiger Wert für den Erwerber — nach Abzügen für Kinder usw. — 7100 DM beträgt. Bei Steuerklasse III beläuft sich hier die Erbschaftsteuer auf 12 0/o gleich 852 DM, nach dem Antrag des Ausschusses auf 568 DM. Ich habe einen andern Fall, wo das Anwesen auf einen entfernteren Verwandten, auf den Brudersohn übergegangen ist: reiner Nachlaß 30 540 DM, Steuern für jeden der beiden in Frage kommenden Erben 2432 DM, nach dem Antrag des Ausschusses 1832 DM, nach meinem Antrag 28 DM für jeden Erben,
bei dem ersten von mir genannten Fall Steuerfreiheit.
Dann die Übergabe an die Schwester: Erwerb 9831 DM, Steuer nach den jetzigen gesetzlichen Bestimmungen 1176 DM, nach dem Ausschußbeschluß 784 DM. Dann einen andern Fall, wo es sich um den Übergang eines größeren Anwesens — 76 500 DM — handelt: Steuerklasse III, 22 % Erbschaftsteuer gleich 17 182 DM, nach dem Antrag des Ausschusses 14 074 DM, nach meinem Antrag 9 620 DM. Weiter habe ich einen andern Fall, wo es sich um ein Anwesen mit einem Einheitswert von 21 400 DM handelt: steuerpflichtiger Erwerb 14 542 DM, Steuer nach Steuerklasse IV 2320 DM, bei Überführung in Steuerklasse II 2035 DM, nach meinem Antrag bei diesem verhältnismäßig kleinen Anwesen Steuerfreiheit.
Aus diesen Beispielen sehen Sie, daß der Antrag des Ausschusses nicht das bewirkt, was man eigentlich „Förderung der geschlossenen Hofübergabe" heißen könnte. Denn in den Beispielen, deren ich noch mehrere anführen könnte, ermäßigen sich zwar die Beträge nach dem Antrag des Ausschusses, sind aber doch noch hoch genug, um einen Anreiz dafür zu bieten, eine Erbteilung vorzunehmen, um in den Genuß der Erbschaftsteuerfreiheit zu kommen. Deswegen würde ich Sie dringend bitten, meinem Antrage zuzustimmen.
Nun ein weiteres. Nach meiner Ansicht wäre dann zunächst über den Antrag Horlacher abzustimmen und dann über den Antrag des Ausschusses, weil der auch noch weiter geht als der Antrag Ollenhauer und Fraktion, über den danach abzustimmen wäre. Zu diesem Antrag will ich weiter nicht Stellung nehmen; Herr Professor Dr. Gülich, das ist ja Ihre Aufgabe. Aber ich möchte die Unterschiede aufzeigen. Der Antrag Ollenhauer und Fraktion kennzeichnet sich dadurch, daß er sich grundsätzlich auf die Kriegsverhältnisse beschränkt, also auf die Fälle, wo der eigentliche Erbe durch Kriegsereignisse oder deren Folgen ausgefallen ist. Ich will nicht etwa sagen, der Antrag würde gewisse Fälle nicht richtig treffen, weil er bis zu einem Einheitswert von 30 000 DM die Überführung der Fälle mit den Steuerklassen II, III und IV in die Steuerklasse I vorsieht. Aber er geht immerhin nicht so weit wie der Antrag des Ausschusses. Bei einem Einheitswert bis zu 50 000 DM sieht er dann die Überführung in Steuerklasse II vor.
Dagegen würde ich es für notwendig halten, daß wir unter allen Umständen, wenn die Abstimmungen entsprechend ausfallen sollten, den Antrag des Ausschusses noch durch den Satz ergänzen, der in dem Antrag Ollenhauer und Fraktion am Schluß der Ziffer 1 steht:
Die Steuerfreiheit kommt in Fortfall, wennein Betrieb, dem diese Steuervergünstigung gewährt worden ist, innerhalb von 15 Jahren nach Eintritt des Erbfalls oder nach Abschluß des Übergabevertrages veräußert wird.
Diese Sicherungsklausel haben wir in allen aus den
bisherigen Beratungen hervorgegangenen Fassungen gehabt, denn wir wollen ein bodenständiges
Bauerntum und die Gewähr haben, daß der Grundbesitz während dieser Zeit nicht veräußert wird
Zu der Ziffer 2, die durch Einfügung der Worte
„oder eines wüsten Hofes" ein neues Moment
bringt, wird ja die antragstellende Fraktion selber
Stellung nehmen.
Ich würde dann also so verfahren: Zunächst Abstimmung über den Antrag Horlacher, der der
weitergehende Antrag ist, dann über den Antrag des Ausschusses und dann über den Antrag Ollenhauer und Fraktion.
Ich bitte die Damen und Herren aber wegen der allgemeinen Gesichtspunkte, die hier in Frage kommen, dringend, dem von mir und meinen Freunden eingebrachten Antrag die Zustimmung zu erteilen. Ich habe Sie sicherlich nicht lange aufgehalten; ich habe mich bemüht, Ihnen zu erläutern, was hier vorliegt.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn es auch nicht gerade reizvoll ist, vor einem fast leeren Hause zu sprechen, so muß ich doch etwas zu dem Antrag des Ausschusses und dem Antrag Dr. Horlacher sagen. Beide Anträge bezwecken eine einseitige Bevorzugung der Landwirtschaft, der aus volkswirtschaftlichen und finanzpolitischen Erwägungen widersprochen werden muß.
Über die Einführung von Vergünstigungen bei der Erbschaftsteuer ist ja seit Jahren von den Länderfinanzministern verhandelt worden, so daß uns diese Frage jetzt nicht neu ist. Nach den Ergebnissen dieser Erörterungen, nach meinen Erfahrungen und auch nach den Ausführungen eines sachverständigen Oberfinanzpräsidenten, den wir im Ausschuß gehört haben, liegen die Verhältnisse doch offenbar so, daß die Belastung der Landwirtschaft durch die Erbschaftsteuer von ganz untergeordneter Bedeutung ist. Es ist uns klar geworden, daß in den Gebieten mit fortschreitender Zersplitterung des Klein- und Mittelbesitzes nicht die Erbschaftsteuer der Grund für die Zersplitterung ist und auch nicht einer der Gründe "dafür. Der Zerplitterung muß mit agrarpolitischen und wirtschaftspolitischen Mitteln begegnet werden, aber nicht mit steuerpolitischen.
— Steuerpolitische Maßnahmen können der Zersplitterung nicht Einhalt gebieten, sondern nur eine Verbesserung aller Lebensbedingungen auf dem flachen Lande.
Das Argument, das wir auch immer wieder hören, daß der Ertrag in der Landwirtschaft nur karg sei, die Landwirtschaft also eine karge Rente abwerfe, müssen wir grundsätzlich aus unseren Betrachtungen ausschalten. Die Erbschaftsteuer ist ihrem Wesen nach eine Substanzsteuer. Wenn wir den Gesichtspunkt des Ertrages überhaupt in Rechnung stellen, dann kommen mit größerem Recht der Hausbesitz oder die Fischerei und fordern ähnliche Steuervergünstigungen. Die Kollegen aus dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen erinnern sich, daß ja auch aus Gründen steuerlicher Gerechtigkeit, wie es hieß, im Ausschuß beantragt worden war, die Steuerbegünstigung auf gewerbliche Betriebe auszudehnen.
— Sehr gut!, sagen Sie. Aber wir können es ja nicht verantworten, daß wir ein Gebiet nach dem andern ausnehmen. Ich stimme Ihnen zu: Wenn wir die Steuervergünstigung in diesem Umfang für die Landwirtschaft einführen wollten, dann müßten wir sie auch für die gewerblichen Betriebe einführen. Wir brauchen nur an die große Zahl der handwerklichen Betriebe auf dem Lande zu denken, wir brauchen nur an die Hausbesitzer und an die Seefischer zu denken. Für diese müßten wir dann dieselbe Vergünstigung auch einführen.
— Ich habe Sie nicht verstanden.
— Nein, das ist allerdings richtig. — Das Bedenkliche und das Unverständliche am Antrag des Finanzausschusses, aber auch am Antrag des Kollegen Horlacher ist, daß beide die Steuerbegünstigung ohne Rücksicht auf die Größe des Betriebes anwenden wollen.
Die Einreihung der Erwerber von landwirtschaftlichen Betrieben im Erbfolgegang in Steuerklasse II oder I — nach dem Ausschußantrag in II — ist nur gerechtfertigt, soweit es sich um Familienbetriebe handelt. Denn eine Zerschlagung von Familienbetriebseinheiten kann nicht im Sinne einer gesunden Agrarpolitik sein. Wer die Erhaltung und Förderung unserer bäuerlichen Familienbetriebe wünscht, der muß dafür eintreten, daß hier nicht durch steuerpolitische Maßnahmen der geschlossene Hofübergang gefährdet wird.
Nun bin ich weiterhin der Meinung — wir haben das im Ausschuß ja bereits verhandelt —, daß die Steuerbegünstigung nur angewendet werden sollte, wo durch Kriegsereignisse der eigentliche Erbe ausgefallen ist. Durch den Krieg haben die Verwandtschaftsgrade ein anderes Gewicht bekommen. An die Stelle des gefallenen Sohnes tritt -der Vetter oder der Schwiegersohn. Es scheint mir deshalb gerechtfertigt, daß man in den Fällen, wo an Stelle des eigentlichen Erben der Erbe aus der weiteren Familie eintritt, dann nicht, wie es der Finanzausschuß mit der schönen Mehrheit von einer Stimme beschlossen hat, die Steuerklasse II anwendet; vielmehr muß man hier logischerweise die Steuerklasse I anwenden, um dem Gedanken der Erhaltung des Familienbetriebes voll Rechnung zu tragen.
Die Grenze des Familienbetriebes liegt bei 30 000 DM Einheitswert. Wenn man nun ganz gerecht sein will und in den Gebieten, für die es nötig ist — die Einheitswerte sind ja in Deutschland nicht sehr gleichmäßig festgesetzt —, auch für Übergänge noch eine gerechte Lösung schaffen will, so haben wir in unserem Antrag vorgesehen, daß bei Erbübergängen von Einheitswerten zwischen 30- und 50 000 DM die Erwerber, die in die Steuerklassen IV und III fallen würden, nach Steuerklasse II veranlagt werden sollen.
Die Absicht, noch größere Betriebe ebenso zu behandeln, entspricht ja im wesentlichen der Vorstellungswelt des Erbhofgesetzes. Im ersten Antrag Dr. Kneipp wie auch beim Antrag Dr. Horlacher war von einer „wirtschaftsfähigen Person" die Rede, die an die Stelle der „bauernfähigen Person" aus dem Reichserbhofgesetz treten soll. Es scheint mir am Beschluß des Ausschusses recht unglücklich zu sein, daß er sogar auf die „wirtschaftsfähige Person" verzichtet und Steuerbegünstigung in jedem Falle eintreten soll, ganz gleichgültig, ob der Erwerber ein Landwirt ist oder nicht.
Der Gedanke der Erhaltung der Sippe spielt hier die entscheidende Rolle. Ich sehe es aber als sehr bedenklich an, daß bei beiden Anträgen die Führungsstellung des Großgrundbesitzes in solchen Gebieten, in denen der Großgrundbesitz eine maßgebliche Rolle spielt, begünstigt wird, und dies,
obwohl bei diesen der Zahl nach oftmals nicht entscheidenden, der Fläche nach aber schwer ins Gewicht fallenden Betrieben ein sozialer wie wirtschaftlicher Reinigungsprozeß unbedingt notwendig wäre. Ich will Ihnen das kurz am Beispiel Schleswig-Holsteins .erläutern.
Die Statistik des Deutschen Reiches, Band 526 — die Hauptfeststellung der Einheitswerte nach dem Stand vom 1. Januar 1935 —, Seite 263 ergibt, daß von rund 162 000 Betrieben 84 % Einheitswerte bis zu 20 000 RM haben; 8350 Betriebe — gleich 5 % — haben Einheitswerte zwischen 20 000 und 30 000 RM. Es haben also rund 144 000 Betriebe --- gleich 89 %
— mit einer Fläche von rund 1 Million ha — 39 % der Gesamtfläche. Knapp 18 000 Betriebe — gleich 11 % aller Betriebe — mit über 30 000 RM Einheitswert besitzen 62% der Fläche. 5,7 %, also knapp 6 % aller Betriebe — mit Grundbesitz von über 50 000 RM Einheitswert — besitzen 48% der Fläche.
Mit diesem Beispiel habe ich bewiesen, daß die Zahl der in Frage kommenden großen Landwirte zwar nicht sehr groß, daß aber die Fläche, die sie besitzen, von entscheidender Bedeutung ist.
In Schleswig-Holstein ist es also so, daß knapp 6 % der Eigentümer über der Grenze von 50 000 DM liegen, daß aber diese knapp 6% volle 48% der Fläche haben. Ich komme deswegen zu folgendem Schluß: für die Gebiete mit Realteilung und Kleinbesitz — ich habe das in meiner ländlichen Heimat, wo die Verhältnisse ähnlich wie in Süddeutschland liegen, auch bestätigt gefunden -- ist das ganze Problem uninteressant; aber für die Gebiete mit landwirtschaftlichen Großgrundeigentum ist die Regelung, wie sie, der Ausschuß und der Antrag Dr. Horlacher vorsehen, höchst gefährlich.
— Ich halte ihn gar nicht einmal für so gefährlich — er ist ganz nett und umgängig —, nur bringt er für die Landwirtschaft manchmal solche Sachen vor, daß man etwas vorsichtig sein muß. Man kann doch, Herr Kollege Horlacher, unmöglich all diesen von mir aufgeführten landwirtschaftlichen Großgrundeigentümern eine derartige Steuervergünstigung einräumen!
--- Ja, aber das ist viel zuviel. Sehen Sie mal, wir haben in Schleswig-Holstein an 3000 Grundeigentümer mit Grundbesitz über 100 000 DM Einheitswert. Wir haben ja allein in Schleswig-Holstein 50 Mehrfachbesitzer, wie wir sie nennen, die im Durchschnitt annähernd 2000 ha haben, in viele Betriebe aufgegliedert. Es wäre doch ganz unmöglich, daß der Bundestag diesen landwirtschaftlichen Großgrundeigentümern derartige Steuervergünstigungen gewährte. Was wallen wir denn mit unserer Siedlungspolitik, mit der gesamten Agrarpolitik des Bundes? Wir wollen das Bauerntum festigen und wollen durch das Flüchtlingssiedlungsgesetz Flüchtlingsbauern Land unter die Füße geben. Mit einer Gesetzgebung, wie sie der Ausschußantrag und der Antrag Dr. Horlacher vorsehen, würden wir es ja geradezu begünstigen, daß der Großgrundbesitz so beisammen bleibt. Auch ein seit Jahrzehnten bestehendes Ziel der Agrarpolitik, nämlich die Absiedlung vom Hof, würde durch die Erbschaftsteuerregelung, wie sie hier vorgeschlagen wird, vereitelt. Ich bin der Meinung: solchen Vorschlägen kann der Bundestag nicht zustimmen.
Noch ein Wort zum Antrag Dr Horlacher, der eine neue Ziffer 22 dem ohnehin längsten Paragraphen des Erbschaftsteuergesetzes anfügen will. Herr Kollege Horlacher, ich habe. mir das vorhin nochmals überlegt. Die Anfügung dieser gewaltigen Ziffer 22 in § 18 scheint mir schon gesetzestechnisch eigentlich unmöglich zu sein.
Das paßt gar nicht in das System. Ich bin mit Ihnen in der Sache vollkommen einer Meinung, daß die Familienbetriebe erhalten werden müssen. Ich glaube nicht, daß Sie in mir einen geringeren Freund der Landwirtschaft feststellen können, als Sie selber einer sind. Für die Landwirte, deren Förderung und Erhaltung wir im Auge haben, ist den Anforderungen mit der gegenwärtigen Erbschaftsteuerregelung nach den Steuerklassen I und II ja vollauf Genüge getan. Die Freigrenzen sind hoch, die Altenteile können abgezogen werden, die Lastenausgleichsbelastungen ebenfalls, so daß ich für die Landwirtschaft im großen gar keine Veranlassung sehe, darüber hinauszugehen. Aber unter den Gesichtspunkten, die ich dargestellt habe, scheint es richtig und billig zu sein, daß wir für die Erben, die an die Stelle der im Kriege Gefallenen treten, Vergünstigungen einführen, wie sie Ihnen in dem Antrag meiner Fraktion vorgeschlagen werden.
Daß wir uns über das Erbschaftsteuergesetz und diese Sonderregelung überhaupt so lange unterhalten müssen, finde ich eigentlich recht betrüblich. Wir haben im Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen — ja, ich muß es schon sagen — mehrere Vormittage damit verbracht, eine Sonderregelung für die Landwirtschaft zu finden. Wir sollten aber unsere ganze Kraft aufwenden, um uns mit der Finanzpolitik im großen zu befassen, anstatt unsere Zeit mit solchen Quisquilien zu verbrauchen.
Wenn wir uns also auf das beschränken, was im Antrag meiner Fraktion dargelegt worden ist, dann, glaube ich, tun wir alles, was zur Förderung der Landwirtschaft und zur Erhaltung der bäuerlichen Familienbetriebe erbschaftsteuerpolitisch getan werden kann. Sollten Sie aber den Antrag des Finanzausschusses — mit einer schwachen Mehrheit --- annehmen, dann bleibt nur die Hoffnung auf den „Stiefvater Bundesrat", der sich das unmöglich gefallen lassen kann. Denn die ganze Erbschaftssteuerregelung geht ja nun einmal wieder zu Lasten der Länder. Natürlich spielt die Erbschaftsteuer summenmäßig keine große Rolle. Ich glaube, es war Professor Gastrow, der vor dem ersten Weltkrieg gesagt hat: Wenn Sie sich ihre Bedeutung klarmachen wollen, dann können Sie sich als Faustregel merken: sie hat gar keine Bedeutung; denn sie ist wesentlich unter 1%. Tatsächlich liegt das Erbschaftsteueraufkommen bei 0,6%, 0,7%, 0,8%. In Schleswig-Holstein haben wir im letzten Jahre ein Erbschaftsteueraufkommen von 1,5 Millionen bei 171 Millionen Gesamtsteueraufkommen an Landessteuern. Die Regelung des Ausschusses und die Regelung nach dem Antrag Dr. Horlacher, die roch weitergeht, würde, wie ich vermute, das Erbschaftsteueraufkommen auf die Hälfte mindern. Die Sache fängt da doch an, für die Länder interessant zu werden.
Meine Damen, und Herren! Ich hoffe, daß Sie sich meine Darlegungen durch den Kopf gehen lassen und nicht dem Antrag des Finanzausschusses und auch nicht dem Antrag des hochgeschätzten Kollegen Horlacher Ihre Zustimmung geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kneipp.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen von Herrn Kollegen Gülich reizen doch zum Widerspruch. Zunächst hat er auf die Äußerung eines Professors hingewiesen, der vor dem ersten Weltkrieg sich über die Auswirkung der Erbschaftsteuer ausgesprochen hat, insbesondere über die Auswirkung der Erbschaftsteuer auf dem ländlichen Sektor. Er hat sie für die damalige Zeit als sehr unbedeutend hingestellt.
— Ja, dann müssen Sie aber auch bedenken, daß wir vor dem ersten Weltkrieg keinerlei Erbschaftsteuer für Deszendenten und Aszendenten hatten, daß wir nur den Übergang von Vermögen erbschaftsteuerlich erfaßten, bei dem es sich um weiter entfernte Verwandte handelte. Wir haben ein Reichserbschaftsteuergesetz praktisch erst 1919 bekommen, das den 'Übergang von Vermögen auf Kinder bzw. auf Eltern erbschaftsteuerlich erfaßte. Herr Kollege Gülich, auch ich würde es begrüßen, wenn die Landwirtschaft nicht, ich will einmal sagen, um bei Ihrem Ausdruck zu bleiben, mit Palliativmitteln versuchen würde, in irgendeiner Form die steuerliche Last herabzudrücken. Schaffen Sie mit uns eine vernünftige Agrarpolitik, die den bäuerlichen Berufsstand so herausstellt, so in den Sattel setzt, daß er sich in diesem Sattel auch halten kann. Dann können wir uns diese andere Hilfe wie in dem Antrag von Dr. Horlacher oder den Antrag des Ausschusses sparen. Wir dürfen uns aber nicht durch eine Bemerkung wie die von dem Herrn Kollegen Gülich beeinträchtigen lassen, als ob das eine Maßnahme zur Förderung des Großgrundbesitzes sei. Der Großgrundbesitz spielt praktisch bei uns eine kaum noch ins Gewicht fallende Rolle. Wir haben aber ein Interesse daran, den mittleren bäuerlichen Besitz stark und leistungsfähig zu erhalten. Der Antrag des Ausschusses, für den hier eine Lanze zu brechen ich mich berufen fühle, will sich in erster Linie für den mittleren bäuerlichen Besitz einsetzen.
-- Ich weiß, Herr Kollege Schmidt. Das hat Kollege Gülich auch hineingeworfen, daß inzwischen der Bundesfinanzhof entschieden hat. die Soforthilfe bzw. der nachfolgende Lastenausgleich kann als Belastung des Betriebes ebenfalls abgesetzt werden, so daß bei Erbschaften bis zu ,3O 000 DM in Steuerklasse I die ganze Sache erbschaftsteuerlich uninteressant wird.
Aus diesem Gesichtspunkt habe ich auch im Ausschuß, als der Antrag Dr. Horlacher der Ablehnung verfiel, den Ihnen jetzt vom Ausschuß vorgetragenen Antrag gestellt, schon um unter allen Umständen auch erbschaftsteuerlich gesehen einen Anreiz zu geben, die Besitzungen zusammenzuhalten.
Bei einem bäuerlichen Betrieb mit einem einmaligen Umtrieb im Jahr ist es doch so. daß der Mann 'eine hohe Erbschaftsteuer bei Steuerklassen III und IV im Laufe eines oder gar mehrerer Jahre praktisch gar nicht zahlen kann. Der Gesetzgeber des Jahres 1925 war der Landwirtschaft gegenüber da etwas humaner. Er hat in den Bestimmungen der §§ 37 bis 41 für solche Fälle eine auf mehrere Jahre verteilte Zahlung der Erbschaftsteuer konzediert.
Meine politischen Freunde werden zuerst dem Antrag Horlacher und Genossen zustimmen und werden eventuell auch dem Antrag des Ausschusses ihre Zustimmung geben.
In einem stimme ich Ihnen zu. In den Antrag des Ausschusses müßte eine Bestimmung für den Fall aufgenommen werden — das entspricht einem Teil Ihres Antrages —, daß, wenn binnen 15 Jahren der Betrieb doch zerrissen wird, die Erbschaftsteuer nacherhoben wird. Auch wir haben ein Interesse daran, daß in einem solchen Fall die Erbschaftsteuer unter allen Umständen nacherhoben wird.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bertram.
Die übereinstimmenden Ausführungen aller drei Vorredner gehen davon aus, daß die Zusammenhaltung des Hofes, und zwar des kleinbäuerlichen Hofes, gefördert werden soll. Weder von dem Herrn Kollegen Dr. Horlacher noch von dem Kollegen Dr. Kneipp ist bisher begründet worden, weshalb in dem Ausschußbericht die Grenze des Einheitswertes von 30 000 DM fallengelassen worden ist und jeder Übergang eines Hofes ohne jede Wertgrenze steuerlich begünstigt werden soll. Dieser Ausschußbericht ist praktisch ein Antibodenreformbericht, indem gerade die größeren Betriebe, an deren Aufsiedlung wir alle ein Interesse haben, nicht durch die Erbschaftsteuer zur Aufsiedlung gezwungen werden können. Es wäre deshalb in dem Ausschußbericht unter allen Umständen die Grenze von 30 000 DM einzuführen. Ich beantrage deshalb, in dem Ausschußbericht in der dritten Zeile hinter dem Wort „Weinbau-Betrieb" die Worte einzufügen: „dessen Einheitswert 30 000 DM nicht übersteigt".
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, dann darf ich bitten, mir den Text des Abänderungsantrages herzugeben. Sonst kann ich darüber nicht abstimmen lassen.
Das Wort zu einer textlichen Berichtigung hat Herr Abgeordneter Dr. Gülich.
Meine Damen und Herren! Nach dem Ihnen vorliegenden Antrag soll noch ein soeben zitierter Satz über den etwaigen Wegfall der Steuervergünstigung kommen. Zu meinem Erstaunen habe ich gesehen, daß in dem Antrag steht: „Die Steuerfreiheit kommt in Fortfall, ...". Das ist ein Schreibfehler. In meinem Diktat stand: „Die Steuervergünstigung kommt in Fortfall, ...". Ich darf bitten, dies zu ändern.
Darf ich noch etwas zu dem erklären. was Herr Dr. Bertram soeben gesagt hat. Herr Kollege Bertram, Ihr Antrag betreffend 30 000 DM ist ja doch in unserem Antrag voll enthalten, nur daß wir nicht unbedingt bei 30 000 DM aufhören wollen, sondern zwischen 30 000 und 50 000 DM. falls der Erwerber in Steuerklasse IV oder III fällt, die Vergünstigung nach Steuerklasse II gewähren wollen. Ich halte deswegen Ihren Antrag, Herr Kollege Bertram, nicht für erforderlich. Ich glaube, Sie können unserm Antrag zustimmen, wenn Sie das erreichen wollen, was Sie im Sinn haben.
Ich darf noch einen weiteren Satz sagen. Herr Kollege Kneipp, die kleineren und mittleren Bauern, die Sie im Sinn haben, werden durch den Antrag, den ich begründet habe, voll geschützt. Nach Ihrem Vorschlag bekommen die Großgrundeigentümer in den Gebieten, die Ihnen nicht vertraut sind, eine Vergünstigung, die volkswirtschaftlich nicht zu rechtfertigen und die der Gesamtagrarpolitik, der auch Sie dienen, zuwiderläuft.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
— Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bertram.
Der Antrag der SPD betrifft ja nur Kriegsfolgen, während unser Antrag sämtliche Höfe betrifft, . in denen Erben der Steuerklasse I nicht vorhanden sind. Insofern besteht also materiell ein wesentlicher Unterschied zwischen unserm Antrag und dem Antrag der SPD-Fraktion.
Das Wort hat der Abgeordnete Dannemann.
Meine Damen und Herren! Ich möchte nur einen Irrtum aufklären. Wenn der Herr Kollege Dr. Bertram und der Herr Kollege Dr. Gülich von idem Gedanken ausgehen, daß die Begrenzung auf Höfe bis zu 30 000 DM Einheitswert nur die kleinen und die mittleren Betriebe erfaßt, so möchte ich darauf hinweisen. daß wir eine ganze Reihe von Bodenklassen mit 2 000 bis 3 000 DM Einheitswert je Hektar haben und daß dann bereits Betriebe mit eventuell 10 Hektar schon nicht mehr darunter fallen würden. Es trifft also keineswegs zu, daß bei 30 000 DM Einheitswert nur die größeren Betriebe erfaßt werden würden. Das ist ein grundlegender Irrtum. Ich bitte infolgedessen, von der Begrenzung auf 30 000 DM absehen zu wollen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich darf bitten, bei der Abstimmung folgendes zu beachten. Zunächst liegt der Antrag des Ausschusses auf Drucksache Nr. 2077 Ziffer 1 vor. Dazu liegen vor der Abänderungsantrag der SPD auf Umdruck Nr. 120 Zifffer 1 und der Streichungsantrag Dr. Horlacher und Genossen auf Umdruck Nr. 126 Ziffer 1. Außerdem liegt zu dem Ausschußantrag ein Abänderungsantrag von Herrn Dr. Bertram vor, der soeben verlesen worden ist.
Der weitestgehende Antrag ist der des Kollegen Dr. Horlacher und Genossen. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag Dr. Horlacher und Genossen zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ich muß die Abstimmung wiederholen. Ich bitte diejenigen, die für den Antrag Dr. Horlacher sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist nicht genau festzustellen, weil erstens die Besiedlung der Sitze etwas ungleichmäßig ist und weil zweitens nicht genau die Blockbildung vorhanden ist. Infolgedessen müssen wir den Hammelsprung durchführen. Ich bitte die Abgeordneten, den Saal zu verlassen, und bitte diejenigen, die für den Antrag Dr. Horlacher und Genossen sind, durch die Ja-Tür, diejenigen, die idagegen sind, durch die Nein-Tür hereinzukommen.
Ich bitte, mit der Abstimmung zu beginnen.
Ich bitte, die Abstimmung zu beschleunigen. — Ich bitte, die Türen zu schließen. — Die Abstimmung ist geschlossen.
Meine Damen und Herren! Das Ergebnis: 99 Ja, 99 Nein, 6 Enthaltungen. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich stelle aber zugleich fest, daß mit der Gesamtzahl der Stimmen, die sich ergeben hat, die Beschlußfähigkeit des Hauses festgestellt ist.
Wir kommen nun zu dem Antrag der 'SPD. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag der SPD zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das letztere war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Dann kommen wir zu dem Abänderungsantrag Dr. Bertram. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben.
— Der mündlich gestellte Antrag Dr. Bertram mit Begrenzung auf einen Einheitswert von 30 000 DM. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag Dr. Bertram zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe.
— Es ist wieder zweifelhaft. Darf ich nochmals wiederholen? Ich bitte diejenigen, die dem Antrag Dr. Bertram zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die 'Gegenprobe. — Ja, ich kann es nicht feststellen. Dann muß ich wieder unterbrechen. Bitte Enthaltungen? — Es besteht wieder Ungewißheit. Ich muß nochmals einen Hammelsprung machen lassen.
Meine Damen und Herren, es gehört zu den Pflichten des Abgeordneten, sich beim Hammelsprung aus dem Saal zu entfernen.
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen und die Abstimmung zu beschleunigen.
Ich bitte, die Abstimmung zu schließen; die Türen auch.
Meine Damen und Herren. Da sich an der Abstimmung insgesamt nur 192 Abgeordnete beteiligt haben, muß ich zu meinem Bedauern feststellen, daß das Haus nicht beschlußfähig ist.
— Anzweiflung ist nicht erforderlich; wenn sich bei einer Abstimmung die Beschlußunfähigkeit ergibt, muß ich die Beschlußunfähigkeit von mir aus feststellen, so leid es mir tut.
Ich habe bei Beschlußunfähigkeit entsprechend der Geschäftsordnung die Sitzung sofort aufzuheben und Zeit und Tagesordnung der nächsten Sitzung zu verkünden. Meine Damen und Herren, ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen 9 Uhr 30 mit der vorgesehenen Tagesordnung und den heute nicht erledigten Punkten und, schließe die heutige Sitzung des Deutschen Bundestages.