Rede von
Dr.
Hermann
Kopf
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Im Namen des Fortschritts" werde der Südweststaat gebildet, haben wir bei der zweiten Lesung sagen hören. „Im Namen der Restauration" werde die Wiederherstellung der alten Länder erstrebt. Wir sind der Auffassung, daß man mit diesen großen Vereinfachungen sparsam umgehen sollte, auch dann, wenn sie wie künstliche Perlen glänzen, und auch dann, wenn das Pathos der großen Revolution in ihnen nachhallt. Im Zeichen des Fortschritts ist die Welt in ihr tech-
nisches Zeitalter eingetreten. Im Zeichen des Fortschritts hat sie sich die Waffen geschmiedet, durch die die Wunden entstanden sind, die noch nicht vernarbt sind. Wenn auch wir das mit einer Art von Vereinfachungen etikettieren wollten, was wir empfinden, dann müßten wir sagen, daß wir die Bildung des Südweststaates als eine Lösung empfinden, die unorganisch, mechanistisch, rationalistisch und aufklärerisch ist.
— Ich weiß nicht, was Sie, Herr Professor, meinen. Ich glaube, daß die Konzeption des Südweststaates ihren Ursprung einem dreifachen Irrtum verdankt: einem Irrtum des Gefühls, einem Irrtum der Vernunft und einem Irrtum des Kalküls. Einem Irrtum des Gefühls insofern, als ihm der unbegründete Optimismus zugrunde liegt, als ob der größere Raum schlechthin schon die bessere Lebensmöglichkeit gewährte, als ob dem größerem Raum das größere Glück einer größeren Anzahl von Menschen entspräche. Gerade das Land Württemberg, unser Nachbarland, ist ein Gegenbeispiel. Gerade dieses Land, das so viele hervorragende Begabungen auf dem Gebiet der Wirtschaft und des Geistes hervorgebracht hat, lehrt uns, daß die Enge des Raumes die Weite des Blickes nicht ausschließt und daß die räumliche Begrenzung den -Blick über die Grenze durchaus zuläßt.
Der zweite Irrtum aber ist wohl ein Irrtum der Vernunft. Er entspringt dem Denken, daß eine künstliche Konstruktion, das Gebilde des Südweststaates, zweckmäßiger und wünschenswerter sei als die historisch gewachsenen Länder.
Der dritte Irrtum ist ein Irrtum des Kalküls. Es ist die vermeintliche Berechnung, daß die Zusammenlegung von Behörden und Dienststellen allein schon eine Verbilligung mit sich bringe und daß diese Verbilligung den Einsatz wert sei, ein Irrtum, auf den ich nachher noch zurückkommen werde.
Wenn Sie mich nun fragen: Was ist eigentlich der Antrieb dafür, daß wir Badener uns diesem Gedanken des Südweststaates, den wir als eine künstliche Konstruktion empfinden, entgegensetzen? —, dann möchte ich sagen: so wichtig die wirtschaftlichen Argumente auch für uns sind und so wenig sie von uns unterschätzt werden, so kommt unsere Entscheidung zunächst doch aus politischen Quellen. Ich glaube, es kann nicht kürzer und prägnanter als mit den Worten ausgedrückt werden, die vor 30 Jahren, als nach dem ersten Weltkrieg schon einmal der Gedanke des Südweststaates von Württemberg her an uns herangetragen worden ist, ein Badener gesagt hat, ein badischer Konservativer, der zugleich ein badischer Demokrat war, Adam Röder. Er schrieb damals, am 4. April 1919, in der „Süddeutschen Korrespondenz":
Ober den Stammesarten innerhalb des Reiches stehen die gewordenen Staatsgebilde. Diese sind geschichtlich legitimiert. In Baden hat sich zweifellos, trotzdem drei Stämme in ihm wohnen: Alemannen, Franken und Schwaben, dazu noch die Pfälzer als Separat-Franken, ein badisches Staatsgefühl herausgebildet, das alle Stämme als Exponenten ihres politisch gegliederten Daseins ansehen. Der Staat Karl Friedrichs hat sich aus der Kunstschöpfung zu einer natürlichen erhoben.
Es ist darin gesagt worden, daß — gleichgültig, wie die Umstände der Staatswerdung gewesen sind — aus diesem vielleicht durch Zufall ins Leben gerufenen Staat ein wirklicher und ein echter Staat geworden ist und daß sich in diesem Staat auch ein wirkliches Staatsgefühl herausgebildet hat. Diejenigen von Ihnen, die den Vorzug — oder ich möchte sagen: das Glück — hatten, in einem wohlgeordneten, gut verwalteten und räumlich überschaubaren Gliedstaat Deutschlands heranzuwachsen, werden für das Wort „Staatsgefühl" Verständnis haben, das anderen vielleicht dazu dienen könnte, Ärgernis zu nehmen. Wir glauben tatsächlich, daß es nicht nur ein badisches Heimatgefühl, sondern auch ein badisches Staatsgefühl gegeben hat und gibt und daß sich dieses Staatsgefühl zu einem deutschen Staatsgefühl durchaus ausweiten kann und daß die tiefsten Quellen und Wurzeln dieses deutschen Staatsgefühls gerade in den Gefühlen liegen, die uns mit dem engeren Raum verbinden. Das ist wohl die eine Quelle unseres Widerstandes, eines Widerstandes, der nicht, wie es der verehrte Kollege Schmid neulich gesagt hat, mit den berüchtigten Dreschflegeln geführt wird, deren zugreifenden Schlag er bereits befürchtet hat, sondern nur mit der Kraft der Herzen.
Aber es kommt etwas zweites.
— Es kommt etwas zweites hinzu. Wenn Sie die badische Geschichte verfolgen, werden Sie sehen, daß Baden, das als eines der ersten Länder seine Verfassung erhielt, die Pflegestätte der demokratischen Tradition war. Es waren im Zeitpunkt der Nationalversammlung in der Pauls-Kirche, im Zeitpunkt der 48 er Revolution, aber auch in den spä- teren Jahrzehnten führende Demokraten, die von diesem kleinen Lande aus das Gesicht der liberalen Demokratie ganz Deutschlands mitbestimmt haben. In diesem großen Zug der Toten, derjenigen Toten, deren geistige Nachfahren heute im Begriff stehen, das Land Baden zu zerschlagen, standen Rotteck und Welcker; und ich möchte auch Hecker und Struve nicht ausschließen.
— Er war Wahlbadener, soviel ich weiß.
— Er war länger als drei Monate Wahlbadener. — Ich möchte auch nicht die Männer ausschließen, die nach dem ersten Weltkrieg in die Bresche gesprungen sind, nicht Konstantin Fehrenbach und auch nicht Friedrich Ebert. Ich möchte sagen, daß diese demokratische Linie, dieses geistige Erbe, in Baden das Gemeingut aller Parteien und des ganzen Badischen Volkes geworden ist. Es ist ein merkwürdiges Paradoxon, daß ausgerechnet die geistigen Nachfahren dieser Traditionslinie nun im Begriff stehen, das Land zu zerschlagen, das sich während eines vollen Jahrhunderts mit Recht als eine Pflegestätte der Demokratie bezeichnen durfte. So möchte ich Ihnen sagen: der zweite Grund, weshalb wir Baden erhalten wissen wollen, ist der, daß wir es gerade als diese Heimstatt unserer demokratischen Freiheit erhalten wissen möchten.
Es ist von dem Südweststaat gesagt worden: wir müssen einen Block bilden, einen Block vor allem gegen das allzugroße Bayern. Uns verbinden jahrzehntelange freundschaftliche Beziehungen gerade
mit Bayern. Wir sind nicht daran interesisert,
irgendwie an einer Blockbildung mitzuwirken. Wir
sind kein Block, wir sind eine Brücke, die uns vor
allem auch mit dem Westen und dem Südwesten,
mit Frankreich und mit der Schweiz verbindet.
— Sie wissen, daß wir immer eine Brücke zu Württemberg gewesen sind.
Meine Damen und Herren! Baden ist lebensfähig, wenn es aas ganze Baden ist. Wir wollen aas ganze Baden. baden ist wirtschaftlich lebensfahig. Es bildet eine Einheit, die durch den Bogen des Rheins zusammengetaßt ist. Dieses Land ist durch seine Bodenscnaize und seine Fruchtbarkeit besser und auch reicher gestellt als Wurttemberg. Bauen beherbergt, wie die alle wissen, Minerale der verschiedensten Art. Es behei bergt die Wasserkrafte, an deren Ausbau Wurttemberg im Jahre 19z0, als die ersten Maßnahmen getrosten wurden, nicht teilnehmen wollte. Heute, nachdem das badische Volk eine halbe Milliarde Mark aufgewendet hat, um diese Wasserkrafte auszubauen, durfte Wurttemberg allerdings sehr stark daran interessiert sein, an ihnen auch teilzuhaben. Baden hat eine wohl dezentralisierte Wirtschaft. Wir befurchten allerdings — und das darf ich offen hier aussprechen —, daß die Verbindung mit Wurttemberg manche Benachteiligungen fur unsere Wirtschatt bringen kann. Die Wirtschaft ist freizügig. Sie be-dart zu ihrer Entfaltung an sich nicht der Aufhebung der politischen Grenzen. Wohl aber ist zu befurchten, daß die politische Einflußnahme Kraftströme, die im Lande Baden vorhanden sind, in andere Gebietsteile abzulenken vermag. Ich denke an das scharfe Konkurrenzverhältnis zwischen dem Rhein —Neckar-Kanal, der tariflich begunstigt ist, und den Rheinhäfen von Mannheim, Karlsruhe und Kehl, die ja bis heute nicht wieder ihren vollen Aufbau erfahren konnten. Ich denke an die Ablenkung des Verkehrs. Ich denke daran, daß die Autostraße, die an sich durch die natürliche Rheintallinie vorgesehen war, bei Bruchsal abgebogen worden ist und dort nicht nach dem Süden zur Schweiz, sondern nach dem Osten, nach Stuttgart und München, verläuft. Ich denke daran, daß versucht worden ist, den Bahnverkehr gleichfalls nach Osten abzuleiten. Wir befürchten auch hier Benachteiligungen für die Zukunft.' Wir wären sehr wohl dazu bereit gewesen, im Rahmen der Erhaltung unserer Staatlichkeit in all den Punkten, in denen berechtigte württembergische Interessen vorliegen, das Angebot einer Verwaltungsgemeinschaft, vor allem auch bezüglich der Wasserkräfte, der Wasserkraftwerke und auch der anderen Wasserbevorratung, zu machen.
Baden ist aber nicht nur wirtschaftlich, es ist auch finanziell lebensfähig, wenn es nur das ganze Baden ist. Das relativ kleine kassenmäßige Haushaltsdefizit des Landes Baden erklärt sich aus den überhöhten Besatzungskosten und den sehr hohen Sozialausgaben. Diese Sozialausgaben betragen in Baden 80 Millionen DM, während sie in Nordwürttemberg-Baden, soviel ich weiß, wesentlich weniger betragen. Wir sehen mit Erstaunen, daß die finanzpolitische Lage Nordbadens sich keineswegs verbessert hat, daß das Aufkommen an Einkommensteuer und Umsatzsteuer in den letzten Jahren durch die Verbindung mit Württemberg zusehends zurückgegangen ist, während sich das badische Steueraufkommen in einer aufsteigenden Linie bewegt hat. Wir sehen aber auch, daß in Baden immer eine sparsame Verwaltung gehandhabt worden ist. Es ist uns von anderer Seite gesagt worden, die Zusammenlegung der Länder habe wesentliche Ersparnismaßnahmen zur Folge.
Es gibt über diesen Punkt wohl kein unbefangeneres Zeugnis als das, das der WürttembergischBadische Städteverband am 12. November 1949 geschrieben hat und das ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten vorlesen darf:
Es ist ebenso beliebt wie irreführend, den Südweststaat zu fordern wegen der dabei zu erzielenden Ersparnis an Verwaltungskosten; denn eine solche Ersparnis kann, jedenfalls in einem irgendwie fühlbaren Ausmaß, aus diesem Anlaß nicht entstehen, einmal weil die Kosten der obersten Regierungsorgane, die hier allein in Betracht kommen, nicht so hoch sind, daß sie bei einem Etat von 1700 Millionen DM eine Rolle spielen, vor allem aber deshalb, weil durch die mit der Bildung des Südweststaates fest verbundene Einrichtung von 4 Regierungsbezirken jede etwa mögliche Ersparnis mehr als ausgeglichen wird.
Ich habe diesen Worten des Württembergisch-Badischen Städteverbandes meinerseits nichts hinzuzufügen.
Es ist nun dem Hohen Hause in dritter Lesung der Entwurf des Ausschusses vorgelegt worden, der die Abstimmung in den vier Abstimmungsbezirken vorsieht. Ich habe in der zweiten Lesung bereits die rechtlichen Bedenken ausführlich vorgetragen, die wir gegen diese Lösung haben.
— Es waren rechtliche Bedenken, und eines von ihnen ist sogar vom Herrn Kollegen Schmid als ein ernstes Bedenken bezeichnet worden. Ich werde diese rechtlichen Bedenken heute nicht wiederholen. Aber ich möchte Ihnen sagen, daß wir in diesem Abstimmungsmodus, den Sie uns vorschreiben wollen, nicht nur die Verletzung von Rechtsvorschriften, sondern auch eine Unbilligkeit erblicken, weil hier ein Abstimmungsergebnis, das von anderer Seite gewünscht wird, uns auf gezwungen wird. Wir müssen diese rechtlichen Bedenken aufrechterhalten.
Es ist vom Herrn Kollegen Maier darauf hingewiesen worden, daß die Verhandlungen, die in den zwei oder drei Jahren zwischen den verschiedenen Staatschefs geführt worden sind, nicht zu einem Ergebnis geführt haben. Auch ich bedaure das. Aber wenn Sie fragen, worauf dieser Mißerfolg zurückzuführen ist, dann doch nur darauf, daß von den anderen Verhandlungspartnern stets und immer nur das eine Ziel der Bildung des Südweststaates als Richtschnur genommen worden ist,
während von badischer Seite immer verlangt worden ist: Wir wollen die Freiheit der Entscheidung haben. Und um diese Freiheit der Entscheidung geht es auch heute. Wir können in der Ausschußvorlage nicht die Grundlage für. diese Freiheit der Entscheidung erblicken. Wir haben daher Abänderungsanträge gestellt. Wir haben auf den in zweiter Lesung gestellten Antrag verzichtet, die Ermäch-
tigung des Herrn Bundesinnenministers zu streichen. Unsere verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Ermächtigung und auch gegen eine Reihe von Übergangsvorschriften bleiben aufrechterhalten. Wir haben auch Bedenken vor allem dagegen, daß die rechtliche Regelung dieses Entwurfs in einer ganzen Reihe von Punkten die Autonomie der Länder, die bis zum Verschmelzungsprozeß erhalten bleiben soll, beseitigt. Wir haben hierzu keine Anträge gestellt. Wir haben auf den Antrag bezüglich des Geburtsprinzips verzichtet. Lediglich unsere Hauptanträge zu §§ 3, 6 und 10 erhalten wir aufrecht.
Meine Damen und Herren! Vor diesem Hohen Hause und vor dem deutschen Volke möchte ich namens der badischen Abgeordneten der CDU unsere Rechtsverwahrung zum Ausdruck bringen gegen die Nichtberücksichtigung der alten Länder bei der Abstimmung,
gegen die Zugrundelegung der Besatzungsgrenzen und gegen die Majorisierung des badischen Volkes gegen seinen Willen. Der Segen der Erde ruht nicht auf dem Bruch des Rechts. Wenn in diesem Hohen Hause sich heute eine Mehrheit dafür finden sollte, um das Ende des Landes Baden, das immer auf der Seite der Freiheit stand und das seinen einzigen Ruhm in der Entfaltung seiner demokratischen Einrichtungen erblickte, durch eine Kränkung des Rechts zu besiegeln, dann allerdings senkt sich die Fahne Badens in Trauer und Schmerz.