Meine Damen und Herren! Nachdem Wortmeldungen von Mitgliedern des Hauses nicht mehr vorliegen, wünscht ein Vertreter des Bundesrats, Herr Staatspräsident Wohleb, das Wort zu ergreifen.
Wohleb, Staatspräsident von Baden: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man kann sich wirklich die Frage vorlegen,
ob es sich noch lohnt, auf die ganzen Probleme einzugehen,
da die Mehrheit dieses Hohen Hauses — wenn auch keine überwältigende Mehrheit — sich derartig festgelegt hat, daß man von Glaubenslehren sprechen könnte: Stat pro ratione voluntas. Aber nachdem ich schon so oft persönlich angesprochen worden bin — ich habe nicht gezählt, wie oft mein Name gefallen ist —, möchte ich Ihnen doch grundsätzlich versichern,
daß ich mir weder so bedeutend noch so gefährlich vorkomme, wie es dem Hohen Hause dargestellt wurde.
— Ich denke Ihnen, Herr Professor! — Aber ich muß doch wenigstens einiges richtigstellen. Ich greife nicht die historischen Gesichtspunkte heraus, die heute wieder vorgetragen worden sind und die bei der Debatte in der zweiten Lesung schon eine beträchtliche Rolle gespielt haben. Ich wundere mich nur immer, warum die Schwaben und Ale-
mannen, wenn sie indentisch sein sollen, in der Geschichte einen verschiedenen Namen haben. Ich wundere mich auch darüber, daß man ganz vergißt, daß es zwei verschiedene Dialekte -- natürlich der deutschen Sprache — sind,
und über verschiedene andere Dinge.
Aber ich spreche über die wirtschaftlichen Gesichtspunkte. Ich spreche darüber, daß man uns immer wieder den Gedanken vorsetzt: im Südweststaat werden Mittel frei, die bisher für den Finanzausgleich notwendig gewesen sind. Man muß sich doch darüber klar sein, daß das eben nicht der Fall ist und nicht der Fall sein kann.
Was von Württemberg-Baden für den Finanzausgleich bisher gefordert wurde, wird auch in Zukunft gefordert werden, gleichgültig, ob Baden mit Württemberg vereinigt oder — wie wir sagen — eingemeindet ist oder nicht. Ich muß mich immer wieder wundern, daß Sie diesen Finanzausgleichso besonders anfeinden, während Sie von jedem Bürger die Zustimmung zum Lastenausgleich fordern, und mit Recht!
Ich wundere mich auch darüber, daß man den Gesichtspunkt der Sparsamkeit heute wieder in den Vordergrund gestellt hat — eine Sparsamkeit, die in unserem Lande geübt wurde und geübt wird —, den Gesichtspunkt der Sparsamkeit, besonders was die demokratischen Einrichtungen angeht. Auf einmal sind die drei Landtage und die drei Regierungen zu viel.
Vor 1945 wären wir froh gewesen, wenn wir sie gehabt hätten.
Wir haben es ja außerdem in der Hand, die Zahl der Abgeordneten herabzusetzen und die Zahl der Ministerien zu verringern. Das ist eigentlich kein Kunststück, wenn man den Willen dazu hat. Ich hätte mich sehr gefreut, wenn Württemberg-Baden uns die angekündigte Verwaitungsvereinfachung schon vorgemacht hätte. Sie dürfen überzeugt sein, wir hätten nicht gezögert, sie bei uns ebenfalls durchzuführen.
Man hat weiterhin gesagt, ich sei von der Bürokratie unseres Landes abhängig. Meine Damen 'und Herren, wenn ich in der Frage Baden und Südweststaat meiner Bürokratie so sicher wäre, so wäre mir das erwünscht.
— Aber wir wissen um die Freiheit der Auffassung. Was hat diese Bürokratie — seien Sie doch ehrlich -- denn schon zu fürchten? Sie können sie ja auch im Südweststaat nicht absetzen. Denn sie haben gemäß dem Beamtenrecht ihre Ansprüche.
Herr Abgeordneter Freudenberg hat gemeint, es sei zu wünschen, daß ich die Schamröte ins Gesicht bekäme. Nein, meine Damen und Herren, ich schäme mich dessen nicht, was wir in unserem kleinen Lande geleistet haben.
Ich schäme mich dessen nicht, daß wir als erstes
Land das Mitbestimmungsrecht eingeführt haben,
daß wir im Jahr 75 Millionen DM trotz der Besatzungskosten für die Kriegsversehrten und Kriegshinterbliebenen ausgegeben haben.
--- Die uns der Bund weggenommen hat! Wollen Sie uns daraus einen Vorwurf machen, daß wir die Tabaksteuer nicht mehr haben?
— Bezüglich der Soforthilfegelder, die in unserem Lande aufgekommen sind, können Sie uns — wir haben schon die zweite Hausrathilfe verteilt — keine Vorwürfe machen.
— Ja, natürlich haben wir die erforderliche Zahl von Vertriebenen aufgenommen, genau so wie es gesetzlich vorgesehen ist.
Sie konnten vom Lande Baden doch nicht erwarten, daß es sich innerhalb der französischen Zone dem damaligen Besatzungsbefehl allein widersetzte.
Wir haben in dieser Beziehung alles getan, was man von uns gefordert hat. Fragen Sie die Vertriebenen selbst. Da haben wir keine Sorge.
Wir haben nicht nur Sparsamkeit, nicht nur vereinfachte Verwaltung. Wir haben — das muß ich immer wieder betonen -- in unserem Lande erreicht, daß die Stadt Kehl an uns zurückgegeben wurde und in den nächsten Wochen auch der Hafen Kehl wieder an uns zurückgegeben wird. Wir brauchen nicht schamrot zu werden.
Ihr Vorschlag der Durchzählung der Stimmen in vier Stimmbezirken hält sich einfach an die Zufälligkeit der Besatzungsanordnung, an sonst nichts anderes. Wären diese Stimmbezirke anders, wäre etwa noch der Distrikt Karlsruhe dabei, würde sich ein ganz anderes Bild ergeben. Wir fordern demgegenüber die Wiedergutmachung d. h. die Durchzählung durch die alten Länder. Wir stellen nicht die Frage: Wollen Sie die Wiederherstellung von Nordbaden oder von Südbaden? Wir stellen vielmehr die Frage: Wollen Sie die Wiederherstellung von Gesamtbaden? Wiedergutmachung fordern wir zunächst.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns unser kleines Land, unsere Selbstverwaltung; wir wollen ja nichts anderes. Wir wollen nur nach unserer Façon leben. Nachdem die Volksbefragung und ihr Ergebnis einfach zur Seite gestellt wurde, haben wir unser ganzes Vertrauen auf das Hohe Haus gesetzt, in dem wir den Hort der Freiheit und der Demokratie sehen. Enttäuschte Hoffnungen, meine Damen und Herren, brennen! Sie haben kein Recht, uns zu entmündigen. Wir haben einen Anspruch darauf, gehört zu werden. Wir Badener haben den Anspruch, gehört zu werden, durch unsere Leistung für Deutschland. Noch ist Baden nicht verloren!