Rede von
Dr.
Conrad
Fink
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den eingehenden Erörterungen über die Neugliederung in den Ländern Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern, wie sie am vergangenen Donnerstag und auch im Verlaufe der heutigen Sitzung bereits stattgefunden haben, erübrigt es sich, das Gesamtproblem des Südweststaates unsererseits noch einmal ausführlich zu behandeln. Trotzdem muß bei der heutigen dritten Lesung auf einzelne wichtige Punkte mit allem Nachdruck erneut eingegangen werden, ehe über die Zukunft und das Schicksal eines deutschen Landes und seines Volkes endgültig entschieden wird.
Herr Kollege Dr. Schmid hat in der 136. Sitzung das Wort geprägt, daß wir nur dann von Demokratie sprechen können, wenn wir alle bereit sind, uns dem Beschluß einer Mehrheit zu unterwerfen. Ein gutes Wort! Nur darf man dann in Konsequenz dieser durchaus demokratischen Auffassung der Demokratie nicht dadurch in den Rücken fallen, daß man nicht die natürliche und die rechtlich gegebene Mehrheit sprechen läßt, sondern die Entscheidung über einen so wichtigen Punkt einer künstlich geschaffenen Mehrheit anheimstellt, die von Interessenten einer bestimmten Richtung geschaffen wurde,
die zwar Demokratie sagen, aber Majorisierung meinen, wenn auch diese Tatsache in der letzten Sitzung und ebenso heute wiederholt bestritten worden ist.
Warum sträubt man sich denn auf seiten der Befürworter des Südweststaates so sehr dagegen, daß das badische Volk in seiner Gesamtheit bei der bevorstehenden Abstimmung für sich entscheiden soll? Doch nur deswegen, meine Damen und Herren, weil man heute schon weiß, daß dann das Ergebnis den Intentionen der nichtbadischen Südweststaatler eben nicht entsprechen würde.
Wo bleibt hier das Recht, wo bleibt hier die Demokratie? Und wo bleibt, frage ich, die Schädigung der Sache des ganzen deutschen Volkes, wenn die alten Länder Baden und Württemberg wiederhergestellt würden? Ich kann es nicht glauben und kann es ficht einsehen, daß hierdurch gesamtdeutsche Interessen vital berührt werden sollen, wo in der Tat nur sehr begrenzte lokalstaatliche, auf territoriale Vergrößerung hinzielende Interessen bestimmend sind.
— Doch, es stimmt, Herr Kollege Freudenberg!
Es ist weiter von einer den Notwendigkeiten entgegenstehenden „Restaurierung" gesprochen worden und der Tenor dieses Wortes hat sehr nach dem Sinn von „Reaktion" hinübergeklungen. Aber Reaktion und Restauration sind doch nicht ohne weiteres gleichzusetzen. Reaktion erstrebt in vielem wirklich Überkommenes, tatsächlich Veraltetes; Restauration will — und Herr Kollege Schmid, Sie können doch so gut lateinisch, wie Sie uns schon so oft bewiesen haben — die Wiederherstellung eines früheren gesunden Zustandes.
— Gerade wir Bayern wissen ja so gut, wie wir uns durch den Gang in eine „Restauration" wieder erfrischen können, wenn wir ermüdet und ermattet sind. —
Die alte Platte, meine Damen und Herren, dieser oder jener deutsche Staat sei für sich nicht lebensfähig und nicht leistungsfähig, ist doch schon so abgespielt, daß man sie nicht immer wieder auflegen sollte. Es handelt sich doch nicht um separatistische Ziele, sondern um die Wiederherstellung eines früheren staatsrechtlichen Zustandes innerhalb des gesamtdeutschen Raumes, der dadurch doch nicht gesprengt werden soll. In diesem gesamtdeutschen Raum hat das alte „Musterländle" Baden, wie man es früher geheißen hat,
immer seine Lebens- und Leistungsfähigkeit bewiesen und wird sie auch in Zukunft zum eigenen Nutzen und ohne Schaden für das Ganze wieder unter Beweis stellen können.
Meine Damen und Herren, die Methode, die in Hinsicht auf die Schaffung des Südweststaates angewandt wird, verstößt gegen das Grundgesetz, da ein Land nicht durch Majorisierung abgeschafft werden kann.
Es geht auch nicht an, die Abgrenzung historischer Länder - und es sind historische Länder, es sind sogar deutsche S t a a t en und nicht nur Länder und Provinzen — nach dem Verlauf einer Autobahn zu bestimmen. Wir sind auch deshalb so besorgt, weil sich hier schon eine gefährliche Entwicklung abzeichnet und anbahnt, die einem künftigen krassen Zentralismus zum Schaden des im Grundgesetz verankerten Föderalismus heute schon bedenkliche Chancen eröffnet, allein schon dadurch, daß nach Schaffung des Südweststaates Süddeutschland im Bundesrat möglicherweise 6, auf jeden Fall 5 Stimmen verlieren wird. Was das bedeutet, brauche ich, glaube ich, im einzelnen nicht darzulegen. Außerdem: was heute diesem Lande widerfährt, kann morgen mit jenem geschehen, und wenn man sich beim Aufkommen solcher künftig jederzeit möglichen Tendenzen auch nicht auf die in Art. 29 des Grundgesetzes erwähnte landsmannschaftliche Verbundenheit, auf geschichtliche und kulturelle Zusammenhänge berufen kann, so wird man doch immer die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit mit großer Überzeugungskraft und Lautstärke vorzutragen wissen.
In der vergangenen Woche wurde in diesem Hohen Hause die Frage der Anwendbarkeit völkerrechtlicher Prinzipien im innerdeutschen Raum verneint. Ich muß gestehen, daß ich solchen Gedankengängen, die schon mehr sophistisch konstruiert sind, wirklich nicht folgen kann. Das Recht der Selbstbestimmung als Grundsatz des Völkerrechts kann nicht nach Willkür für innerdeutsche Verhältnisse außer Kraft gesetzt werden, zumal auch Art. 25 des Grundgesetzes bestimmt:
Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts sind Bestandteile des Bundesrechts. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebiets.
— Aber eben nicht nur Pflichten, sondern auch Rechte!
— In Marburg, Herr Kollege Schmid, wenn Sie das interessiert!
Meine Damen und Herren! Als Vertreter meiner Fraktion und für meine politischen Freunde muß ich deswegen dem Antrage zustimmen, daß nach Ländern abgestimmt wird. Falls dieser Antrag nicht die Zustimmung des Hohen Hauses finden sollte, möchte ich beantragen, daß dann der Antrag des Herrn Kollegen Farke, der in der heutigen Sitzung gestellt wurde, Annahme findet, nämlich in Hinsicht auf das Weiterbestehen des badischen Landes, des badischen Staates in der Zukunft.
Zum Schluß nur noch ein Wort. Sollte im Widerspruch zu diesen Anträgen über den Kopf der badischen Bevölkerung hinweg die Schaffung des Südweststaates beschlossen und zur Tatsache werden, dann kann — auch im Hinblick auf das Völkerrecht — dem badischen Volke nur noch eines übrig bleiben, nämlich vor der Öffentlichkeit des deutschen Volkes und vor der Weltöffentlichkeit gegen eine solche Vergewaltigung seiner staatlichen Interessen und seiner Volksinteressen energischen Protest einzulegen.