Meine Damen und Herren! Warum ist das alte Reichsversorgungsgesetz überhaupt durch eine Reichsbehörde durchgeführt worden? Die Durchführung des kaiserlichen Versorgungsgesetzes, des sogenannten Mannschaftsversorgungsgesetzes aus dem Jahre 1907, lag bei den Bezirkskommandos. Nach der Auflösung der Bezirkskommandos und bei der Schaffung des Reichsversorgungsgesetzes hat man, nicht zuletzt aus Gründen der Tradition, d. h. aus den Gründen, diese Einrichtung in kaschierter Form zu erhalten, dieselben Organe, also die alten Bezirkskommandos zur Durchführung des Reichsversorgungsgesetzes bestimmt. Der „soziale" Geist, der in diesen Behörden herrschte, d. h. die Verschlossenheit dieser Behörden etwa gegenüber den Kriegsopferorganisationen, war in der damaligen Zeit oft genug Gegenstand der Klage der Kriegsopferorganisationen in ihrer Gesamtheit. Stellen Sie sich mal den Zustand vor! Überlegen Sie sich: die Durchführung des Reichsversorgungsgesetzes in der Hand von alten Bezirkskommandofeldwebeln und -unteroffizieren! Nicht wahr, das war der Tatbestand von damals!
Er hat meines Erachtens höhere Ambitionen, über den Feldwebel hinaus.
Nun das neue Gesetz. Wir haben heute noch einmal, allerdings in viel abgeschwächterer Form als bei der ersten Diskussion in der vorigen Woche, den Versuch erlebt, für die Mängel des Bundesversorgungsgesetzes die Landesbehörden verantwortlich zu machen. Nun kann doch niemand hier auftreten und behaupten, daß irgendein Organ irgendeiner Landesbehörde das Bundesversorgungsgesetz gebrochen, also fälschlich ausgelegt habe, das Gegenteil von dem getan habe, was im Gesetz vorgesehen ist.
Richtig! Die Landesorgane haben nur eins gemacht: sie haben die in diesem Bundesversorgungsgesetz liegenden Möglichkeiten, Geld einzusparen, nach Kräften ausgewertet. Sie haben im Gegensatz zu den Intentionen des Ministers, der zuerst einige Paradefälle schaffen wollte, um nachweisen zu können, daß es nach diesem Bundesversorgungsgesetz doch einige Fälle von Rentenerhöhung gibt, solche Fälle herausgegriffen, bei denen von vornherein feststand, daß Rentenabzüge oder Rentenentziehungen möglich waren. Sie haben diese neuen Bescheide zum Teil in Überstunden und in Nachtschichten ausgearbeitet. Diesen Eifer haben die Behörden im Land Nordrhein-Westfalen übrigens schon einmal bei einer ähnlichen Gelegenheit gezeigt, als kurz vor der Währungsreform die unerledigten Anträge der Sozialberechtigten innerhalb von wenigen acht Tagen erledigt wurden, um zu verhüten, daß man die Nachzahlungen in aufgewertetem Geld leisten mußte.
Was ist nun los? Die Bundesregierung hat — das steht sogar in der Eingabe des Reichsbundes — das Recht der sogenannten Weisung. Das ist von meinem Herrn Vorredner ganz eindeutig und wahrheitsrichtig dargestellt worden. Ich behaupte: wenn die Bundesregierung ein Interesse an der gleichmäßigen Durchführung des Gesetzes hätte, hätte sie auf Grund der heutigen Rechtslage bereits alle Möglichkeiten, diese zu erzwingen. Sie trägt ja nicht nur die Kosten für die Durchführung des Gesetzes und für die landeseigene Verwaltung, sie erläßt ja auch noch die Durchführungsbestimmungen, so daß sie also auch von dieser Seite her noch etwas mehr an Möglichkeiten der Weisung in di Hand bekommt.
Als ich mich mit der Eingabe des Reichsbundes beschäftigte, da stand auf einmal vor meinem Geist ein Wahlplakat der Sozialdemokraten aus einem ihrer letzten Wahlkämpfe; in Waldeck, meine ich,
Da hieß es: Kämpft mit der SPD gegen Bonn. Nun
kann ich mich nicht dazu entschließen, dieses Bonn,
also diesen Adenauer aufzuteilen in einen zu 90 %
schlechten und in einen zu 10 % guten Adenauer
oder etwa in einen zu 60 % schlechten und zu 40 % guten Adenauer. Ich bin der Meinung, daß Adenauer in jeder Beziehung ein ganzer Reaktionär ist und in jeder Beziehung eine volksfeindliche Politik betreibt.
Wenn man die Dinge so darstellt, daß eine Besserung der Lage für Kriegsopfer zu erreichen wäre, wenn man die Verwaltung Konrad Adenauer und seinem Finanzminister in die Hand legte, dann ist das mehr als eine Illusion; das ist ein Wahnsinn!
-- Wenn Sie der Meinung sind, daß Sie von Adenauer noch etwas Positives zu erwarten haben,
dann ist das Ihre Sache, Herr Mellies. Wir sind durch Erfahrungen gewitzigt und trauen ihm in dieser Beziehung nichts zu. Nur das eine trauen wir ihm zu, daß er jeden verfügbaren Groschen freimacht für die Wiederaufrüstung.
Noch etwas anderes: Bundesbehörden! Uns kann doch niemand erzählen, daß eine örtliche Kriegsopferorganisation mit einer Bundesverwaltung engeren Konnex bekäme als etwa mit einer Landes-
verwaltung. Wir wissen doch, wie weltweit entfernt damals die Versorgungsbehörden und Hauptversorgungsämter von den Kriegsopferorganisationen waren.
Den Einfluß der Kriegsopfer auf die Verwaltung muß man in einer anderen Art und Weise sichern, nämlich in der Weise, daß man eine echte Selbstverwaltung, ein echtes Mitbestimmungsrecht schafft. Wir sind deshalb der Auffassung, daß das, was die Kriegsopferorganisationen suchen, in der Form gesichert werden muß, daß bei allen Versorgungsbehörden ein Selbstverwaltungs-, ein Mitbestimmungskörper geschaffen wird, in dem die Vertreter der Kriegsopfer zahlenmäßig die Mehrheit haben. Diese Organe müssen bereits in der untersten Instanz die Möglichkeit haben, die Entscheidungen der Behörden zu überprüfen. In den höheren Instanzen müssen sie Beschwerdeinstanz sein. Daneben müssen selbstverständlich die Organe der sozialen Gerichtsbarkeit bestehen bleiben. Wir versprechen uns, daß, wenn man den in dieser Richtung laufenden Anträgen der Kriegsopferorganisationen Rechnung trägt, wenn also in jeder Instanz, in jedem Zug der Versorgungsbehörden ein wirklich echtes Mitbestimmungsrecht der Kriegsopfer — wobei die Vertreter von den Kriegsopfern selbst gewählt werden — ausgeübt wird, dann das erreichbar ist und erreicht werden wird, was die Kriegsopferorganisationen wollen. Wir versprechen uns von der Forderung der Schaffung einer Bundesbehörde zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes nicht das, was die Kriegsopferorganisationen brauchen, nämlich eine Verbesserung des Gesetzes..
Lassen Sie mich mit der Feststellung schliessen, daß in dem Antrag des Reichsbundes zu diesem Problem erfreulicherweise auch die Forderung bereits enthalten ist, eine prozentuale Erhöhung der derzeitigen Rentenbezüge für die Kriegsopfer zu bewilligen.
Dem in der Vorlage Drucksache Nr. 2148 enthaltenen Gedankengang zuzustimmen sind wir nicht in der Lage. Bei den Beratungen über diesen Antrag werden wir es darauf abstellen, ein wirkliches Mitbestimmungsrecht, ein wirkliches Selbstverwaltungsrecht der Kriegsopfer, ausgeübt durch Vertreter, die von ihnen selber in direkter Wahl gewählt werden müssen, sicherzustellen.