Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Wenn man eine Briefmarke vom Standpunkt der Nützlichkeit betrachtet, so muß auf dieser Briefmarke sein, erstens die Zahl des Wertes und zweitens eine bestimmte Farbe nach den internationalen Abmachungen.
— Nein, das ist nicht notwendig. — Aber wenn man nun diese Briefmarke betrachtet, so kann man
nur sagen: das Postministerium hat sich eine entsetzliche Mühe gegeben, einen Einfall zu bekommen, und hat dann doch einen Einfall bekommen, den man nur als wirklich phantastisch -phantasielos bezeichnen kann. Man hat sich damit entschuldigt — wir haben im Ausschuß für Kulturpolitik darüber gesprochen —, daß es habe schnell gehen müssen. Nun, wir haben andere Briefmarken — zum Beispiel die Briefmarke, die die Oberpostdirektion Leipzig im Jahre 1945 herausgegeben hat —, bei denen es auch sehr schnell gehen mußte und wo man sich dafür entschieden hat, ganz einfach nur eine Zahl und eine Schrift am oberen Rand der Marke „Deutsche Post" zu nehmen. Diese Marke ist vorbildlich gut.
Wir haben auch andere derartige Marken, die vorbildlich gut sind; etwa die neue holländische Briefmarke, die ein kleines Ornament um die Zahl herum hat. Wir aber haben die Zahl und dabei ein Posthorn. Das Posthorn ist ja nun schließlich ein so uraltes und abgebrauchtes Emblem, daß man nur sagen kann: Wem diese Kombination einfällt, der versucht, einen Einfall zu haben, aber dieser Einfall wird dann einfältig.
Infolgedessen hat der kulturpolitische Ausschuß beschlossen, zu beantragen, in dem Antrag des Postausschusses den letzten Satz zu streichen. Das bedeutet, daß diese Marken überhaupt nicht herauskommen sollen. Es ist uns dabei gesagt worden, daß das technische Schwierigkeiten mache. Nun sind wir der Meinung, daß die jetzt laufende gewöhnliche Serie mit den Gebäuden gar nicht so schlecht ist, daß sie nicht in Gottes Namen noch ein Jahr weiterlaufen könnte, so daß dann die neue, bessere Serie hergestellt werden kann.
Nun möchte ich über etwaige Möglichkeiten einer neuen Serie etwas sagen. Eine Briefmarke ist eine Visitenkarte für ein Land, und wir haben in dieser Beziehung die schlechte Tradition dieser Art der Visitenkarten, das kann man wohl sagen. Aber wir konnten sie auch besser machen. Ich erkenne vollkommen an, was der Vertreter des Postministeriums im kulturpolitischen Ausschuß sagte, daß nämlich die Briefmarken ein bestimmtes Format haben müssen. Nun, die Gebrauchsbriefmarken etwa der Schweiz haben auch dieses bestimmte Format und haben doch etwas, was immer wieder anspricht, nicht nur den Sachkenner, sondern auch den, der eine gewöhnliche Briefmarke bekommt, nämlich ein kleines Bild einer charakteristischen Landschaft. Wir könnten das in Deutschland auch machen. Wir haben ja gute Landschaften genug.
Es hat sich ja immer mehr durchgesetzt, daß die Briefmarke benutzt wird, ich möchte nicht gerade sagen, zur Reklame — das wäre etwas zu weit — gegangen, aber doch zu einer diskreten und hübschen Werbung für das betreffende Land. Es wäre eine Möglichkeit, wenn wir etwa eine Serie herausgäben — das wäre nun fast schon eine Reklame, aber es könnte ja künstlerisch hübsch gemacht werden —, auf deren kleinen Briefmarken wir ein oder das andere Bad — berühmte Heilbäder — abbildeten, die wir ja in jedem der Länder haben.
— Der Staat Baden, — ja nun: andere Staaten bleiben dann immer noch; dann bleiben noch zehn, das ist ja gleichgültig. — Immerhin wäre das eine Möglichkeit.
Ich möchte aber noch auf etwas anderes hinweisen. Der Vertreter des Postministeriums hat im kulturpolitischen Ausschuß eine merkwürdige Äußerung gemacht. Er hat nämlich gesagt, daß man politische Briefmarken abgelehnt habe. Ich weiß nicht recht, was hinter diesem Wort „politische Briefmarken" steckt.
Ich habe so etwa den Eindruck gehabt, als stecke dahinter, daß man auch nicht Briefmarken will, die nun etwa den Gedanken der Demokratie oder den Gedanken der Republik wirklich populär machen. Warum macht man nicht Briefmarken, die dann auch eine außenpolitische Bedeutung in einem gewissen Sinn haben würden, auf denen Köpfe bekannter Vorkämpfer der Demokratie gezeigt werden? Wir haben solche Vorkämpfer der Demokratie — verstehen Sie mich ja nicht falsch, meine Damen und Herren — in jeder politischen Partei und unter den Vorgängern jeder politischen Partei, ob das August Reichensperger oder ob das Rotteck wäre. Ich will nur zwei Politiker nennen, die nicht meiner Partei angehört haben. Die Welt würde dann sehen, daß wir doch eine gewisse Tradition in dieser Beziehung haben. Auch die diese Briefmarken sammelnde Jugend würde ein gewisses Interesse daran nehmen; denn sie würde sehen: das ist ein Kopf, und dann würde sie fragen, was das für ein Kopf ist. Das wäre das eine. Man kann also schon eine diskrete politische Werbung durch die Briefmarke machen, und ich möchte mich für diese Werbung aussprechen.
Nun noch etwas ganz anderes, etwas Grundsätzliches. Wir waren uns im kulturpolitischen Ausschuß darüber einig — unbeschadet irgendwelcher Stellung zur Bürokratie —, daß die Bürokratie nicht geeignet ist, über derartige kunstgewerbliche und künstlerische Dinge zu entscheiden. Wir möchten also deswegen das Ministerium sehr darum bitten, daß es in Zukunft nicht durch seine eigenen Beamten, sondern durch einen Ausschuß entscheiden läßt, in dem verschiedenste Kräfte und Menschen beteiligt sein können, aber in dem das Postministerium selbst nur insofern beteiligt ist, als es die Grenzen des praktisch Möglichen und Notwendigen bestimmt, nicht aber die Grenzen dessen, was nun schön oder nicht schön sei. Dazu halten wir es nicht für kompetent. Es ist vom Herrn Berichterstatter auf Briefmarken in anderen Ländern hingewiesen worden. Ich glaube, auch die Sonderbriefmarken — wenigstens die bisherigen in unserem Gebiet — sind nicht gerade besonders gut gewesen, nicht besonders ansprechend und nicht besonders lebendig. Auch da müßte man etwas anderes, ein anderes Verfahren einschlagen und die Dinge bessern. Selbst Marken von Ländern, die der deutschen Bundesrepublik an Tradition nicht gerade gleichkommen, sind bedeutend besser, und zwar nicht nur in der technischen Ausführung—über die technische Ausführung dieser neuen Marken wäre eigentlich nichts zu sagen —, sondern eben in der künstlerischen Gestaltung. Wir sollten versuchen, diesem Stande gleichzukommen.
Das sind die paar Bemerkungen, die ich in diesem Falle machen wollte. Aber ich möchte ausdrücklich betonen: Das Postministerium soll sich in diesen Dingen zu wirklichen Gestaltungen entschließen und sich nicht mit einer Verbindung von Bürokratie und schlechten Einfällen begnügen.