Rede:
ID0113807300

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 6
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Bazille.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag - 138. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. April 1951 5425 138. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 25. April 1951 Geschäftliche Mitteilungen 5426D Eintritt des Abg. Merten in den Bundestag 5426D Mandatsniederlegung des Abg. Nuding . . 5426D Zur Tagesordnung 5432B, 5466C Dritte Beratung des Entwurfs eines zweiten Gesetzes über die Neugliederung in den Ländern Baden, Württemberg -Baden und Württemberg-Hohenzollern (Nrn. 821, 1752, 1849, 2160 der Drucksachen) . . 5427A, 5442C Maier (Freiburg) (SPD) 5427A Dr. Kopf (CDU) . . 5429D, 5448C, 5449B Dr. Fink (BP) 5432B Dr. von Merkatz (DP) 5433C Freudenberg (FDP -Hosp.) 5435A Dr. Hamacher (Z): zur Sache 5436B zur Abstimmung 5446D Kiesinger (CDU) 5437C, 5448D Mayer (Stuttgart) (FDP) 5438D von Thadden (DRP) 5439C, 5448A Fisch (KPD) 5440A Wohleb, Staatspräsident von Baden 5440D Dr. Jaeger (CSU) 5442D Dr. Wuermeling (CDU) 5444B Dr. Schmid (Tübingen) (SPD) . . 5444D Mehs (CDU) 5445B, 5447C Erler (SPD) 5446B Farke (DP) 5447D Abstimmungen . . 5442D, 5446D, 5448A, 5449A Wahl der Wahlmänner zur Wahl der Richter beim Bundesverfassungsgericht (Umdruck Nr. 157) 5432B, 5442A Dr. Seelos (BP) (zur Abstimmung) . 5442A Beschlußfassung 5442B, 5449B, 5460C Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betr. Erhöhung der Dienstbezüge der Angehörigen des öffentlichen Dienstes (Nr. 2096 der Drucksachen) . . 5449C Pannenbecker (Z), Antragsteller . 5449D Gundelach (KPD) 5451D Dr. Wuermeling (CDU) 5452B Dr. Menzel (SPD) 5453B Dr. Nowack (Rheinland-Pfalz) . . 5454C Ausschußüberweisung 5455B Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Aufhebung des Verbots der „Wahrheit" und der „Volkstimme" durch die Alliierte Hohe Kommission (Nr. 2125 der Drucksachen) 5455B Fisch (KPD), Antragsteller 5455B Bausch (CDU) 5457B Übergang zur Tagesordnung 5457C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über das Schiffsregister (Nr. 2184 der Drucksachen) 5457C Beschlußfassung 5457D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den vorläufigen Handels- und Schifffahrtsvertrag vom 19. Dezember 1950 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Island (Nr. 2150 der Drucksachen) 5457D Ausschußüberweisung 5457D Erste Beratung des von den Abg. Dr. Dr Müller (Bonn), Dr. Horlacher u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über den Verkehr mit Zucker (Nr. 2107 der Drucksachen) 5458A Dr. Dr. Müller (Bonn) (CDU), Antragsteller 5458A Ausschußüberweisung 5458C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Verlängerung der Zuckerungsfrist bei Wein (Nr. 2163 der Drucksachen) 5458C Ausschußüberweisung 5458C Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (Nr. 2148 der Drucksachen) 5458C Renner (KPD) : zur Geschäftsordnung 5458D zur Sache 5461B Mende (FDP), Antragsteller . . . 5459B Dr. Laforet (CSU) 5460D Bazille (SPD) 5462B Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 5464A Frau Kalinke (DP) 5464C, 5465C Frau Arnold (Z) 5465A Ausschußüberweisung 5465B Erste Beratung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung und Überleitung von Vorschriften auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes (Nr. 2164 der Drucksachen) 5465C Ausschußüberweisung 5465C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Behandlung wiederkehrender Leistungen bei der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen (Nr. 2051 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (23. Ausschuß) (Nr. 2156 der Drucksachen) 5465C Dr. Wahl (CDU), Berichterstatter . 5465D Beschlußfassung 5466A Fortsetzung der zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Erbschaftsteuergesetzes (Nr. 1575 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) (Nr. 2077 der Drucksachen, Änderungsanträge Umdruck Nrn. 79, 120 [neu], 126) 5466A, 5469B Eickhoff (DP), Berichterstatter . . . 5469B Dr. Horlacher (CSU) 5470A Dr. Gülich (SPD) 5471A, 54'73D Dr. Kneipp (FDP) 5473A Dr. Bertram (Z) 5473C, 5474A Dannemann (FDP) 5474A Abstimmungen 5474B, D Weiterberatung wegen Beschlußunfähigkeit vertagt 5475A Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 (Nr. 1500 der Drucksachen); Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß): Einzelplan V — Haushalt des Bundesministeriums für Angelegenheiten des Marshallplans (Nr. 1905 der Drucksachen) 5466B Strauß (CSU) (zur Geschäftsordnung) 5466B Beratung abgesetzt 5466B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Post- und Fernmeldewesen (28. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der BP betr. Neue Wellenlänge für Radio München (Nrn. 2016, 1137 der Drucksachen) 5466C Beratung zurückgestellt 5466C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Post- und Fernmeldewesen (28. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Herausgabe neuer Briefmarken durch die Bundespost (Nrn 2035, 1797 der Drucksachen) 5466C Stahl (FDP), Berichterstatter . . . 5466C Dr. Bergstraeßer (SPD) 5467B Schuberth, Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen . . 5468C Beschlußfassung 5469D Beschlußunfähigkeit und nächste Sitzung 5475C Die Sitzung wird um 13 Uhr 32 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
  • folderAnlagen
    Keine Anlage extrahiert.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Heinz Renner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Meine Damen und Herren! Warum ist das alte Reichsversorgungsgesetz überhaupt durch eine Reichsbehörde durchgeführt worden? Die Durchführung des kaiserlichen Versorgungsgesetzes, des sogenannten Mannschaftsversorgungsgesetzes aus dem Jahre 1907, lag bei den Bezirkskommandos. Nach der Auflösung der Bezirkskommandos und bei der Schaffung des Reichsversorgungsgesetzes hat man, nicht zuletzt aus Gründen der Tradition, d. h. aus den Gründen, diese Einrichtung in kaschierter Form zu erhalten, dieselben Organe, also die alten Bezirkskommandos zur Durchführung des Reichsversorgungsgesetzes bestimmt. Der „soziale" Geist, der in diesen Behörden herrschte, d. h. die Verschlossenheit dieser Behörden etwa gegenüber den Kriegsopferorganisationen, war in der damaligen Zeit oft genug Gegenstand der Klage der Kriegsopferorganisationen in ihrer Gesamtheit. Stellen Sie sich mal den Zustand vor! Überlegen Sie sich: die Durchführung des Reichsversorgungsgesetzes in der Hand von alten Bezirkskommandofeldwebeln und -unteroffizieren! Nicht wahr, das war der Tatbestand von damals!

    (Abg. Rische: Vielleicht wird Herr Lehr Nachfolger!)

    Er hat meines Erachtens höhere Ambitionen, über den Feldwebel hinaus.

    (Heiterkeit.)

    Nun das neue Gesetz. Wir haben heute noch einmal, allerdings in viel abgeschwächterer Form als bei der ersten Diskussion in der vorigen Woche, den Versuch erlebt, für die Mängel des Bundesversorgungsgesetzes die Landesbehörden verantwortlich zu machen. Nun kann doch niemand hier auftreten und behaupten, daß irgendein Organ irgendeiner Landesbehörde das Bundesversorgungsgesetz gebrochen, also fälschlich ausgelegt habe, das Gegenteil von dem getan habe, was im Gesetz vorgesehen ist.

    (Abg. Dr, Laforet: Nicht richtig vollzogen!)

    Richtig! Die Landesorgane haben nur eins gemacht: sie haben die in diesem Bundesversorgungsgesetz liegenden Möglichkeiten, Geld einzusparen, nach Kräften ausgewertet. Sie haben im Gegensatz zu den Intentionen des Ministers, der zuerst einige Paradefälle schaffen wollte, um nachweisen zu können, daß es nach diesem Bundesversorgungsgesetz doch einige Fälle von Rentenerhöhung gibt, solche Fälle herausgegriffen, bei denen von vornherein feststand, daß Rentenabzüge oder Rentenentziehungen möglich waren. Sie haben diese neuen Bescheide zum Teil in Überstunden und in Nachtschichten ausgearbeitet. Diesen Eifer haben die Behörden im Land Nordrhein-Westfalen übrigens schon einmal bei einer ähnlichen Gelegenheit gezeigt, als kurz vor der Währungsreform die unerledigten Anträge der Sozialberechtigten innerhalb von wenigen acht Tagen erledigt wurden, um zu verhüten, daß man die Nachzahlungen in aufgewertetem Geld leisten mußte.
    Was ist nun los? Die Bundesregierung hat — das steht sogar in der Eingabe des Reichsbundes — das Recht der sogenannten Weisung. Das ist von meinem Herrn Vorredner ganz eindeutig und wahrheitsrichtig dargestellt worden. Ich behaupte: wenn die Bundesregierung ein Interesse an der gleichmäßigen Durchführung des Gesetzes hätte, hätte sie auf Grund der heutigen Rechtslage bereits alle Möglichkeiten, diese zu erzwingen. Sie trägt ja nicht nur die Kosten für die Durchführung des Gesetzes und für die landeseigene Verwaltung, sie erläßt ja auch noch die Durchführungsbestimmungen, so daß sie also auch von dieser Seite her noch etwas mehr an Möglichkeiten der Weisung in di Hand bekommt.
    Als ich mich mit der Eingabe des Reichsbundes beschäftigte, da stand auf einmal vor meinem Geist ein Wahlplakat der Sozialdemokraten aus einem ihrer letzten Wahlkämpfe; in Waldeck, meine ich,

    (Lachen bei der SPD.)

    Da hieß es: Kämpft mit der SPD gegen Bonn. Nun
    kann ich mich nicht dazu entschließen, dieses Bonn,
    also diesen Adenauer aufzuteilen in einen zu 90 %
    schlechten und in einen zu 10 % guten Adenauer

    (Lachen und Zurufe bei der SPD)

    oder etwa in einen zu 60 % schlechten und zu 40 % guten Adenauer. Ich bin der Meinung, daß Adenauer in jeder Beziehung ein ganzer Reaktionär ist und in jeder Beziehung eine volksfeindliche Politik betreibt.

    (Erregte Zurufe.)

    Wenn man die Dinge so darstellt, daß eine Besserung der Lage für Kriegsopfer zu erreichen wäre, wenn man die Verwaltung Konrad Adenauer und seinem Finanzminister in die Hand legte, dann ist das mehr als eine Illusion; das ist ein Wahnsinn!

    (Zurufe des Abg. Mellies.)

    -- Wenn Sie der Meinung sind, daß Sie von Adenauer noch etwas Positives zu erwarten haben,

    (fortgesetzte Zurufe des Abg. Mellies)

    dann ist das Ihre Sache, Herr Mellies. Wir sind durch Erfahrungen gewitzigt und trauen ihm in dieser Beziehung nichts zu. Nur das eine trauen wir ihm zu, daß er jeden verfügbaren Groschen freimacht für die Wiederaufrüstung.

    (Anhaltende Zurufe des Abg. Mellies.)

    Noch etwas anderes: Bundesbehörden! Uns kann doch niemand erzählen, daß eine örtliche Kriegsopferorganisation mit einer Bundesverwaltung engeren Konnex bekäme als etwa mit einer Landes-


    (Renner)

    verwaltung. Wir wissen doch, wie weltweit entfernt damals die Versorgungsbehörden und Hauptversorgungsämter von den Kriegsopferorganisationen waren.

    (Zurufe von der SPD.)

    Den Einfluß der Kriegsopfer auf die Verwaltung muß man in einer anderen Art und Weise sichern, nämlich in der Weise, daß man eine echte Selbstverwaltung, ein echtes Mitbestimmungsrecht schafft. Wir sind deshalb der Auffassung, daß das, was die Kriegsopferorganisationen suchen, in der Form gesichert werden muß, daß bei allen Versorgungsbehörden ein Selbstverwaltungs-, ein Mitbestimmungskörper geschaffen wird, in dem die Vertreter der Kriegsopfer zahlenmäßig die Mehrheit haben. Diese Organe müssen bereits in der untersten Instanz die Möglichkeit haben, die Entscheidungen der Behörden zu überprüfen. In den höheren Instanzen müssen sie Beschwerdeinstanz sein. Daneben müssen selbstverständlich die Organe der sozialen Gerichtsbarkeit bestehen bleiben. Wir versprechen uns, daß, wenn man den in dieser Richtung laufenden Anträgen der Kriegsopferorganisationen Rechnung trägt, wenn also in jeder Instanz, in jedem Zug der Versorgungsbehörden ein wirklich echtes Mitbestimmungsrecht der Kriegsopfer — wobei die Vertreter von den Kriegsopfern selbst gewählt werden — ausgeübt wird, dann das erreichbar ist und erreicht werden wird, was die Kriegsopferorganisationen wollen. Wir versprechen uns von der Forderung der Schaffung einer Bundesbehörde zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes nicht das, was die Kriegsopferorganisationen brauchen, nämlich eine Verbesserung des Gesetzes..
    Lassen Sie mich mit der Feststellung schliessen, daß in dem Antrag des Reichsbundes zu diesem Problem erfreulicherweise auch die Forderung bereits enthalten ist, eine prozentuale Erhöhung der derzeitigen Rentenbezüge für die Kriegsopfer zu bewilligen.
    Dem in der Vorlage Drucksache Nr. 2148 enthaltenen Gedankengang zuzustimmen sind wir nicht in der Lage. Bei den Beratungen über diesen Antrag werden wir es darauf abstellen, ein wirkliches Mitbestimmungsrecht, ein wirkliches Selbstverwaltungsrecht der Kriegsopfer, ausgeübt durch Vertreter, die von ihnen selber in direkter Wahl gewählt werden müssen, sicherzustellen.


Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Bazille.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Helmut Bazille


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir bedauern, daß die unzulängliche Behandlung des Problems der Versorgung der Kriegsopfer durch die Bundesregierung den Antrag auf Änderung des Grundgesetzes ausgelöst hat. Die Einbringung dieses Antrages im Bundestag erfolgte im zeitlichen Zusammenhang mit einer sehr scharfen Kritik an den Praktiken der Bürokratie aller Verwaltungsstufen bei der Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes. Das hat zur Folge, daß seine Behandlung Gefahr läuft, in einer Atmosphäre der Spannungen und der Gereiztheit stattzufinden, die der Sache nicht zuträglich ist. Es wäre aber falsch, der antragstellenden Fraktion deshalb etwa Vorwürfe zu machen. Denn die Schuld an dieser Entwicklung trägt die Bundesregierung in vollem Umfange. Die fortgesetzte politische Fehlbewertung des Problems der Kriegsopferversorgung durch den Herrn Bundesminister für Arbeit konnte auf die Dauer nicht ohne politische Folgen bleiben, und die Notwendigkeit der Behandlung des vorliegenden Antrages ist letztlich die Konsequenz der Fehler, die in der Vergangenheit gemacht worden sind.
    Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir einen Rückblick auf die Entwicklung bis zum heutigen Tage. Schon in der Zeit des Frankfurter Wirtschaftsrates hatte der Herr Minister Storch, damals in seiner Eigenschaft als Direktor der Verwaltung für Arbeit, die Gelegenheit, eine umfassende Planung für all die Schritte vorzubereiten, die zur Lösung der Kriegsopferfrage eingeleitet werden mußten. Leider beschränkte er sich damals auf die Vorbereitung von Koordinierungsmaßnahmen mit ausgesprochenem Übergangscharakter. So kam es, daß nach dem Zusammentritt des Bundestages keinerlei Pläne darüber vorlagen, wie das gesamte Problem umfassend gelöst werden konnte. Deshalb war auch der Bundestag gezwungen, als erste gesetzliche Maßnahme auf diesem Gebiet das in seinem Wert ziemlich fragwürdige und so umstrittene Überbrückungsgesetz zu behandeln, welches in keiner Weise geeignet war, tie Aufgabe einer echten und dauernden Lösung näherzubringen. Aber auch nach der Verabschiedung des Überbrückungsgesetzes versäumte es der Herr Bundesarbeitsminister, eine planvolle Entwicklung einzuleiten. Deshalb konnte auch das Bundesversorgungsgesetz nicht, wie es vom Bundestag ursprünglich gefordert worden war, im April, sondern erst im Oktober verabschiedet werden.
    Diese Verzögerung des Gesetzes hätte die Vorwegnahme der Neuordnung der Versorgungsverwaltung geradezu gebieterisch gefordert. Aber auch das ist versäumt worden. Das sogenannte „Organisationsgesetz" wurde dem Bundestag nach dem Bundesversorgungsgesetz zugeleitet, anstatt es vor der Verabschiedung des Bundesversorgungsgesetzes dem Hause zur Beschlußfassung vorzulegen. Das wäre aber unbedingt notwendig gewesen, um die Voraussetzungen für die reibungslose und rasche Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes rechtzeitig zu schaffen. Die Bundesregierung hat es bei der Ausarbeitung dieses Organisationsgesetzes darüber hinaus versäumt, die Möglichkeiten des Art. 84 des Grundgesetzes voll auszuschöpfen, so daß bei der Behandlung dieses Entwurfes im Kriegsopferausschuß von uns damals schon die Frage nach einer Änderung des Grundgesetzes aufgeworfen werden mußte. Die Bundesregierung hat unsere Bedenken im Kriegsopferausschuß seinerzeit mit Bestimmtheit zurückgewiesen und erklärt, ihre Vollmachten zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes seien durchaus ausreichend. Wir haben damals unseren Antrag zurückgestellt, um die Schwierigkeiten nicht zu vermehren, und gleichzeitig in der bestimmten Erwartung, daß die Bundesregierung ihre Zusagen halten würde.
    Noch eine weitere Chance hat der Herr Bundesminister für Arbeit versäumt, indem er den von ihm selbst geschaffenen Beirat für Versorgungsrecht nicht in der Weise wirksam werden ließ, wie dies im Interesse der Sache geboten gewesen wäre. In diesem Beirat für Versorgungsrecht sind neben den Vertretern der Länder zugleich die Vertreter der Kriegsopferorganisationen, so daß die Möglichkeit bestehen würde, alle Maßnahmen der Verwaltung mit den Beteiligten, und zwar sowohl mit den betroffenen Kriegsopfern als auch mit den beteiligten Verwaltungsorganen der Länder, durchzusprechen. Aber dazu wäre es notwendig gewesen,
    Deutscher Bundestag — 13e. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. April 1951 5463

    (Bazille)

    diesem Beirat für Versorgungsrecht auch das politische Gewicht zu geben, das seiner Bedeutung entspricht. Das ist von dem Herrn Bundesminister für Arbeit versäumt worden. Denn er hat, glaube ich, außer an der konstituierenden Versammlung an keiner Sitzung des Beirats teilgenommen und ist auch nicht durch seinen Staatssekretär vertreten worden. Dadurch wurde die ganze Tätigkeit des Beirates von vornherein auf eine sekundäre Funktion beschränkt, und eine politische Wirksamkeit der Beschlüsse, die in diesem Beirat gefaßt worden sind, ist nie zutage getreten.
    Nun stehen wir — und ich glaube, mit uns auch die übrigen Teile des Hauses — durch die unerfreuliche Entwicklung der Dinge vor der Frage, ob eine Änderung des Grundgesetzes der richtige Weg ist, um die aufgetretenen Schwierigkeiten an der Wurzel zu beheben. Der Herr Bundesminister für Arbeit hat bei der Behandlung seines Haushalts hier im Hause bittere Klagen darüber geführt, daß die Länder nicht bereit seien, das Bundesversorgungsgesetz entsprechend dem Willen des Gesetzgebers und der Bundesregierung durchzuführen. Wenn man sich den Art. 84 des Grundgesetzes genauer ansieht, muß man die Frage aufwerfen, mit welcher Berechtigung der Herr Bundesminister für Arbeit sich in diesem Hause darüber beklagt. Aber nicht allein das, er hat sich darüber hinaus zu Vorwürfen verstiegen, die nicht ohne Widerspruch der Länder geblieben sind. Wir müssen in diesem Falle den Ländern recht geben. Denn was der Herr Bundesminister von den Länderbeamten verlangt hat, war nicht mehr und nicht weniger als ein glatter Verfassungsbruch. Er hat nämlich den Landerbeamten zugemutet, daß sie nach Richtlinien arbeiten, die den vorgeschriebenen Weg des Grundgesetzes noch nicht gegangen sind und damit praktisch auch keine rechtliche Bedeutung haben. Es kann den Länderbeamten beim besten Willen nicht zugemutet werden, ein Gesetz nach Richtlinien zu handhaben, die lediglich informatorischen Charakter besitzen und zu denen sich die im Grundgesetz vorgesehenen Körperschaften noch nicht geäußert haben. Wir sind sehr erstaunt gewesen über den gewagten Sprung, mit dem sich der Herr Bundesminister für Arbeit neulich über die Hürden des Grundgesetzes hinweggesetzt hat. Wir sind der Auffassung, daß er das nicht wieder tun sollte; denn er könnte dabei leicht ins Stolpern kommen.
    Wenn uns heute die Entwicklung zwingt, eine Änderung des Grundgesetzes ins Auge zu fassen, dann trägt dafür letztlich die Bundesregierung die Verantwortung. Die sachliche Notwendigkeit des vorliegenden Antrages kann heute nicht mehr bestritten werden. Sie ergibt sich aus der Tatsache, daß das Bundesversorgungsgesetz dem Hause mit sehr großer Verspätung vorgelegt und demgemäß mit sehr großer Verspätung in Kraft gesetzt worden ist. Darüber hinaus mußte das Bundesversorgungsgesetz auf Grund der prekären Finanzlage der Bundesrepublik bei der Bemessung der Leistungen die sozialen Verhältnisse im Einzelfalle so stark in den Vordergrund treten lassen, daß eine weitgehende Individualisierung bei der Rentenzumessung die Folge ist. Durch diese Kompliziertheit des Bundesversorgungsgesetzes besteht die große Gefahr, daß die vom Gesetzgeber vorgesehenen Renten den Kriegsopfern erst nach sehr langer Zeit zukommen. Ja, es besteht die große Gefahr, daß die Notlage der Kriegsopfer durch die weiten Wege des Grundgesetzes geradezu verewigt wird. Die dadurch hervorgerufene Unzufriedenheit in einem Personenkreis, der mehr als vier Millionen Menschen umfaßt und mit den Familienangehörigen nahezu 10 °/o der gesamten Bevölkerung der Bundesrepublik ausmacht, kann zu einer Gefahr für den Staat werden. Es muß deshalb ein Weg gefunden werden, auf dem die notwendigen Anweisungen zur Durchführung des Gesetzes so schnell als möglich in die Praxis umgesetzt werden können.
    Herr Kollege Laforet, wenn Sie sich das Grundgesetz in seiner gegenwärtigen Fassung ansehen, werden Sie erkennen, daß es zum Teil nahezu zu einem „circulus vitiosus" führt, weil immer wieder der Bundesrat eingeschaltet werden muß. Jede Ablehnung einer Vorschrift durch den Bundesrat führt zwangsläufig zu einer neuen Behandlung im Ministerium und in den Unterausschüssen des Bundesrats. Bei dem gegenwärtigen Stande der Entwicklung auf diesem Gebiet, bei dem nahezu 90 % aller Versorgungsberechtigten noch die gleiche Rente bekommen, wie sie im Jahre 1947 Rechtens war, bei den ständig steigenden Lebenshaltungskosten ist es einfach nicht zu verantworten, daß Verzögerungen in der Herausgabe von Verwaltungsvorschriften oder -richtlinien für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes eintreten. Denn letztlich sind doch nicht die Menschen für die Gesetze da, sondern die Gesetze für die Menschen, und ich darf hier ein Goethewort zitieren, das sagt: Not ist stärker als Gesetze. Meine Damen und Herren! Wir dürfen unser Gewissen nicht damit beruhigen, daß wir den deutschen Kriegsopfern mit dem Bundesversorgungsgesetz eine Besserung ihrer Rentenversorgung gegeben haben. Denn diese Verbesserung ihrer Rentenversorgung steht auf dem Papier,

    (Abg. Dr. Laforet: Wenn sie nicht vollzogen wird!)

    wenn sie nicht in kürzester Zeit in die Praxis umgesetzt wird.

    (Abg. Dr. Laforet: Das muß sie!) Tausende und aber Tausende von Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen leiden heute in des Wortes buchstäblichster Bedeutung Hunger und haben nicht genügend, um sich sattessen zu können. Jede Aussprache in diesem Hause verliert an Wert, wenn sie für diese Menschen nur deklamatorischen Charakter besitzt und nicht zu. einer sichtbaren Besserung ihrer Lebensverhältnisse führt.

    Wir müssen also einen Weg suchen, der den Verwaltungsweg vom Gesetz zu den Beschädigten und Hinterbliebenen so kurz wie möglich macht, damit hier zeitraubende Umwege den deutschen Kriegsopfern erspart bleiben. Ob dieser Weg allein in der Weise beschritten werden muß, in der es der Antrag des Herrn Kollegen Mende vorsieht, mag noch offen sein. Meine Fraktion wird auf jeden Fall alle Wege gehen, die zum Ziel einer Beseitigung der gegenwärtigen Schwierigkeiten und der Befreiung der Kriegsopfer aus ihrer unerträglichen Notlage führen.
    Wir beantragen deshalb die Überweisung der Drucksache an den Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen federführend, und zwar deshalb federführend, weil in diesem Ausschuß zunächst einmal die praktische Auswirkung einer solchen Maßnahme untersucht werden muß, und darüber hinaus die Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht.

    (Beifall bei der SPD.)