Rede von
Dr.
Otto
Kneipp
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen von Herrn Kollegen Gülich reizen doch zum Widerspruch. Zunächst hat er auf die Äußerung eines Professors hingewiesen, der vor dem ersten Weltkrieg sich über die Auswirkung der Erbschaftsteuer ausgesprochen hat, insbesondere über die Auswirkung der Erbschaftsteuer auf dem ländlichen Sektor. Er hat sie für die damalige Zeit als sehr unbedeutend hingestellt.
— Ja, dann müssen Sie aber auch bedenken, daß wir vor dem ersten Weltkrieg keinerlei Erbschaftsteuer für Deszendenten und Aszendenten hatten, daß wir nur den Übergang von Vermögen erbschaftsteuerlich erfaßten, bei dem es sich um weiter entfernte Verwandte handelte. Wir haben ein Reichserbschaftsteuergesetz praktisch erst 1919 bekommen, das den 'Übergang von Vermögen auf Kinder bzw. auf Eltern erbschaftsteuerlich erfaßte. Herr Kollege Gülich, auch ich würde es begrüßen, wenn die Landwirtschaft nicht, ich will einmal sagen, um bei Ihrem Ausdruck zu bleiben, mit Palliativmitteln versuchen würde, in irgendeiner Form die steuerliche Last herabzudrücken. Schaffen Sie mit uns eine vernünftige Agrarpolitik, die den bäuerlichen Berufsstand so herausstellt, so in den Sattel setzt, daß er sich in diesem Sattel auch halten kann. Dann können wir uns diese andere Hilfe wie in dem Antrag von Dr. Horlacher oder den Antrag des Ausschusses sparen. Wir dürfen uns aber nicht durch eine Bemerkung wie die von dem Herrn Kollegen Gülich beeinträchtigen lassen, als ob das eine Maßnahme zur Förderung des Großgrundbesitzes sei. Der Großgrundbesitz spielt praktisch bei uns eine kaum noch ins Gewicht fallende Rolle. Wir haben aber ein Interesse daran, den mittleren bäuerlichen Besitz stark und leistungsfähig zu erhalten. Der Antrag des Ausschusses, für den hier eine Lanze zu brechen ich mich berufen fühle, will sich in erster Linie für den mittleren bäuerlichen Besitz einsetzen.
-- Ich weiß, Herr Kollege Schmidt. Das hat Kollege Gülich auch hineingeworfen, daß inzwischen der Bundesfinanzhof entschieden hat. die Soforthilfe bzw. der nachfolgende Lastenausgleich kann als Belastung des Betriebes ebenfalls abgesetzt werden, so daß bei Erbschaften bis zu ,3O 000 DM in Steuerklasse I die ganze Sache erbschaftsteuerlich uninteressant wird.
Aus diesem Gesichtspunkt habe ich auch im Ausschuß, als der Antrag Dr. Horlacher der Ablehnung verfiel, den Ihnen jetzt vom Ausschuß vorgetragenen Antrag gestellt, schon um unter allen Umständen auch erbschaftsteuerlich gesehen einen Anreiz zu geben, die Besitzungen zusammenzuhalten.
Bei einem bäuerlichen Betrieb mit einem einmaligen Umtrieb im Jahr ist es doch so. daß der Mann 'eine hohe Erbschaftsteuer bei Steuerklassen III und IV im Laufe eines oder gar mehrerer Jahre praktisch gar nicht zahlen kann. Der Gesetzgeber des Jahres 1925 war der Landwirtschaft gegenüber da etwas humaner. Er hat in den Bestimmungen der §§ 37 bis 41 für solche Fälle eine auf mehrere Jahre verteilte Zahlung der Erbschaftsteuer konzediert.
Meine politischen Freunde werden zuerst dem Antrag Horlacher und Genossen zustimmen und werden eventuell auch dem Antrag des Ausschusses ihre Zustimmung geben.
In einem stimme ich Ihnen zu. In den Antrag des Ausschusses müßte eine Bestimmung für den Fall aufgenommen werden — das entspricht einem Teil Ihres Antrages —, daß, wenn binnen 15 Jahren der Betrieb doch zerrissen wird, die Erbschaftsteuer nacherhoben wird. Auch wir haben ein Interesse daran, daß in einem solchen Fall die Erbschaftsteuer unter allen Umständen nacherhoben wird.