Rede von
Dr.
Richard
Jaeger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nunmehr wären wir am springenden Punkt des ganzen Gesetzes,
denn alle übrigen Anträge, die dazu gestellt sind, sind zweitrangig gegenüber dem, wie innerhalb des Abstimmungsgebietes abgestimmt wird. Ich habe in diesem Hause, im Ausschuß wie auch im Plenum, schon verschiedentlich dargelegt, daß es nicht Aufgabe des Hauses sein kann, zur Sache selbst, ob Baden oder Südweststaat, Stellung zu nehmen, sondern daß seine einzige Aufgabe nur die sein kann, einen fairen Modus zu finden, nach dem abgestimmt wird.
Wenn wir den Antrag auf Schaffung von nur zwei Abstimmungsbezirken erneuert haben, d. h. beantragen, nach den alten historischen Ländern abzustimmen, dann haben uns dazu verschiedene Gesichtspunkte bewogen. Zunächst einmal der, den man, glaube ich, nicht deutlich genug unterstreichen kann, daß wir nicht die besatzungsrechtlichen
Zwangsgrenzen von 1945, die dazu noch Zufallsgrenzen gewesen sind, zur Grundlage einer deut- sehen Abstimmung machen dürfen. Wenn uns dies schon nicht der deutsche Stolz verbieten sollte, so sollte es uns zumindest die deutsche Klugheit verbieten.
Denn die erstmalige Anerkennung von Ländergrenzen, die Besatzungsmächte geschaffen haben, kann zu Konsequenzen führen, die ich hier nicht näher ausführen möchte, weil ich glaube, daß jeder klar und deutlich versteht, was ich damit meine. Die subtilen Juristen unserer Nachbarvölker könnten uns sonst bei außenpolitischen Verhandlungen einen Trumpf präsentieren, der zum mindesten politisch, wahrscheinlich auch rechtlich sticht.
Ich darf auch darauf hinweisen, daß kein Geringerer als der verehrte Herr Kollege Professor Schmid bei den Beratungen, die wir anläßlich der Vermögensauseinandersetzung zwischen Bund und Ländern hatten, zum Ausdruck gebracht hat, daß es nach seiner Meinung nicht loyal wäre, wenn die Länder sich auf eine Entscheidung der Militärregierung berufen würden.
— Meine Damen und Herren! Ich glaube, hier ist es dann auch weder loyal noch fair. Es geht doch um das gute alte Recht, d. h. das alte Recht, das in Deutschland schon eine lange Zeit bestanden hat, bevor fremde Mächte eingegriffen haben. Diese beiden Länder haben 150 Jahre unangefochten bestanden. Nicht einmal die Nationalsozialisten haben haben sie in ihrem Einheitsstaat beseitigt. Es besteht also kein Grund dafür, daß wir sie nicht zur
Grundlage unserer Abstimmung machen, um so weniger, als der Verfassungsgesetzgeber durch die Schaffung des Art. 118 ausdrücklich das Besatzungsrecht nicht in das innerdeutsche Staatsrecht transformiert hat. Wenn Sie sonst die jetzigen Grenzen, auf denen ja der Herr Kollege Erler die ganzen Entscheidungen, sogar die Existenz des Bundestages aufbauen wollte, zur Grundlage machen, dann stehen Sie damit vor der Gefahr, daß am Ende die Existenz des Deutschen Reiches von 1871 fraglich wird, und ich glaube, das hätte die schwersten außenpolitischen Folgen.
Es ist sodann verfassungswidrig, was hier mit dem Antrag der Ausschußmehrheit versucht wird; denn es ist grundgesetzwidrig, ein Land zu überstimmen. Es widerstrebt ja dem Prinzip der Demokratie, daß man ein Land, das selber an seiner Eigenstaatlichkeit festhalten will, durch ein anderes Land überstimmen läßt. Wenn Sie an den alten Ländergrenzen festhalten, besteht die Gefahr, daß Altbaden, daß Gesamtbaden überstimmt wird. Nehmen Sie aber die neuen Ländergrenzen als Grundlage, dann wird Südbaden überstimmt. Ich glaube aber, die Anhänger des Südweststaates stehen sich bei der letzteren Möglichkeit noch schlechter; denn es wird in Südbaden sicher eine Mehrheit gegen den Südweststaat geben, während in Gesamtbaden die Aussichten pari stehen.
Vor allem aber möchte ich, vom Buchstaben des Grundgesetzes abgesehen, darauf hinweisen, daß es sich hier um einen elementaren Verstoß gegen den Geist der Demokratie handelt. Es ist hier von einer Hochzeit, von Vater Württemberg und Mutter Baden gesprochen worden. Aber zur Heirat gehören zwei, die freiwillig die Ehe eingehen. Consensus facit nuptias, Herr Kollege Schmid, darüber sind wir uns einig. Wenn das schon im Familienrecht gilt, dann wird es im Staats- und Verfassungsrecht erst recht gelten. Man kann nicht Württemberg und Baden, die noch nie in der Geschichte ein deutsches Land innerhalb des Bundes gemeinsam gebildet haben, in einen Topf werfen und sie gemeinsam abstimmen lassen. Das ergibt zwar formaldemokratisch eine Mehrheit von 50 oder 60 %, aber ich frage Sie: Mehrheit wovon? Mehrheit kann doch immer nur von der Einheit genommen werden, die nun einmal geschichtlich überliefert ist. Wenn Sie also nicht in Gesamtdeutschland abstimmen lassen — das steht ja hier nicht zur Diskussion —, dann können Sie nur an die Länder anknüpfen und an gar nichts anderes.
Auch der Kompromißvorschlag, der von einigen meiner Fraktionskollegen eingebracht worden ist, nach dem nur mit Zweidrittelmehrheit eine Majorisierung Badens möglich sein soll, begegnet denselben grundsätzlichen Bedenken, weil er ebenso an diesem ersten demokratischen und staatsrechtlichen Prinzip rüttelt. Wir können ihn deshalb nicht billigen, wenn wir auch für den Fall, daß unser Antrag abgelehnt werden sollte, bei der Wahl des kleineren Übels unsere Stimmen für diesen Antrag abgeben werden. Ich gebe aber die Hoffnung nicht auf, daß die Mehrheit des Hauses, an deren Intelligenz ich appelliere und glaube,
unserem Antrag auf Berücksichtigung der alten Länder stattgeben wird.
Es ist zwar von einem Redner gesagt worden — ich glaube, es war der verehrte Herr Kollege Schmid; ich weiß es aber nicht mehr genau —: wer hat 1803 die Bevölkerung gefragt? Ja, meine Damen und Herren, wenn es überhaupt einen Fortschritt in der menschlichen Geschichte gibt, worüber man diskutieren kann — aber Herr Kollege Schmid, der jetzt den Finger hebt, glaubt ja daran —, dann besteht der Fortschritt darin, daß man im 20. Jahrhundert eben das Volk fragt und nicht mehr darüber wie 1803 und 1945 zur Tagesordnung übergeht.
— Das gehört nicht hierher; darauf werde ich Ihnen bei Gelegenheit eine ganz deutliche Antwort geben, wenn Sie das wollen.
Meine Damen und Herren! Ich darf dann noch auf etwas Praktisches verweisen. Wenn Sie nach den zwei alten Ländern abstimmen, ist es fraglich, wie die Entscheidung ausfällt. Wenn Sie nach vier Abstimmungsbezirken abstimmen und drei einen majorisieren können, dann wird das Ergebnis so sein, daß Sie den Südweststaat schon in der Tasche haben. Deshalb wollen Sie ja diesen Abstimmungsmodus, meine Herren von der SPD und FDP! Das leuchtet mir ein. Aber ich glaube, daß das ein unrechtmäßiger Weg ist, den Sie hier beschreiten. Überlegen Sie: 7 % Mehrheit für den Südweststaat in Nordbaden! Das wird das Land Baden mit seiner Propaganda nicht aufholen können, schon deswegen nicht, weil es nach der Meinung der Südweststaatanhänger ja ein ganz verarmtes Land ist. Ein Prozent Mehrheit in Gesamtbaden werden Sie leicht aufholen können, meine Herren vom Südweststaat, einmal wegen der Geldquellen, die in Weinheim, Stuttgart und anderswo zur Verfügung stehen,
dann aber auch, glaube ich, wegen der guten Redner, die, angefangen von dem Herrn Kollegen Schmid, für diesen Wahlkampf zur Verfügung stehen werden!
Meine Damen und Herren! Wenn Sie nach den alten Ländern abstimmen, dann haben Sie eine offene Feldschlacht, in der das badische und das württembergische Volk klar und deutlich entscheiden können. Sie haben dann die echte Chance der Entscheidung der Vernunft, wohin sie sich auch wendet, Sie haben die echte Chance der Demokratie. Alles übrige führt zu einer Formaldemokratie, wie sie in Deutschland schon einmal gescheitert ist.
Meine Damen und Herren, es ist ja einmal in etwas hochfliegenden Worten von der Möglichkeit einer altbadischen Irredenta gesprochen worden. Ich glaube, so weit wollen wir gar nicht greifen. Aber wenn die Badener das Gefühl haben, daß sie hier wider das Recht vergewaltigt werden, dann wird ein Ressentiment in dieser Ecke des deutschen Bundes entstehen, das unsere Innenpolitik schwer belasten wird. Das sollte man nicht. Denn das Gefühl der Badener, daß ihnen hier Unrecht geschieht, ist ja nicht nur subjektiv, es ist die objektive Wahrheit, die ich versucht habe, Ihnen darzulegen.
Es wurde darüber gestritten, wie weit die Grundsätze des Völkerrechts auch innerhalb eines Bundesstaates anwendbar sind. Ich will darauf jetzt nicht eingehen. Aber — ob in der Gemeinde oder im Völkerrecht oder im innerstaatlichen Recht — immer gilt ein Grundsatz, der Grundsatz nämlich, daß nur Gerechtigkeit den Frieden schafft, auch im deutschen Südwesten!